19.11.2005 Beerdigung Andreas Schmidt

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Beerdigung Andreas Schmidt, 78 Jahre 18.11.2005 Sarnau 1. Mose 8,22
” Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze,
Sommer und Winter, Tag und Nacht.”
Liebe Frau Schmidt, liebe Angehörige, liebe Gemeinde,
egal, wo ein Mensch lebt, gleichgültig, welchem Beruf er nachgeht, unabhängig
davon, wie alt er ist: Ihm gilt die sichere Grundlage unseres Predigttextes.
”Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze,
Sommer und Winter, Tag und Nacht.” Wir werden säen. Wir werden ernten.
Wir werden essen. Wir werden schlafen. Es wird hell werden.
Noah hört die Zusage der Lebensgrundlagen von Gott nach der Sintflut. Er hat
erleben müssen, wie alles unterging. Er hat Tod und Vernichtung mit eigenen
Augen angesehen, ohne eingreifen, helfen oder gar retten zu können. Mit einem
Mal war Noah alles in Frage gestellt. Und als er sich dann, nach der großen
Flut, wieder der Erde zuwendet, als er wieder hinaus schauen kann aus seiner
Arche, als der erste große Schrecken vorüber ist, als er mit seiner Familie
langsam wieder festen Boden unter die Füße bekommt, als er dem Tode
hinterher blicken kann, da sagt Gott ihm sein Versprechen zu: du wirst leben
können. Geordnete Bahnen schenke ich dir erneut. Darauf kannst du dich
verlassen. Darauf kannst du bauen. Die Wasser sinken. Die Wellen legen sich.
Das Land ist dein. Solange die Erde steht, solle nicht aufhören Saat und Ernte.
Von dieser Zusage Gottes hat Andreas Schmidt gelebt und gezehrt. Saat und
Ernte, Sommer und Winter, intensiv lebte er mit den Gaben der Schöpfung. Er
kannte sich einerseits genau aus. Und er wußte, was wann zu tun war. Aber das
nur seine Arbeit zu nennen, wäre zu wenig. Er war Landwirt mit Leib und mit
Seele. Er hat auch die Schönheit der Gaben genossen: das Grün der
aufwachsenden Saat, das Wogen der Frucht im Sommer, das Gold der Ähren im
Herbst. Er hat sich auf Gottes Zusage verlassen, daß, solange die Erde steht,
dies alles so sein und bleiben und immer wieder werden wird. Dadurch konnte
er sich auch freuen an den Tieren, an ihrer besonderen Schönheit, an einem
glänzenden Fell, an einem schönen Wuchs, an neuem Leben im Stall.
Von Kindheit an war das seine Welt, die geordnete Welt im geordneten
Wechsel. Am 9.4.1927 kam er in Sarnau zu dieser Welt. Mit einer Schwester
wuchs er auf. Nach der Schule und Konfirmation stand er seinen Mann. Der
Vater war kriegsbehindert. Das machte seine praktische Hilfe auf dem Hof
unabdingbar. Möglicherweise hätte Andreas Schmidt auch auf anderen
Gebieten Erfolg haben können. So aber blieb er daheim. Den Krieg und die
Gefangenschaft erlebte er mit siebzehn Jahren Gott sei Dank nur kurze Zeit. Er
kam schon im August 1945 nach Hause zurück. Und er blieb auf dem
elterlichen Hof.
Hier gründete er 1961 seine Familie. Hier wuchsen die drei Söhne auf. Hier
habt ihr Enkel Euren Opa immer erlebt. Ging er über den Hof? War er im Stall?
Hörte man seinen Schlepper herannahen oder wegfahren? Stück um Stück
ergänzte und erneuerte er seinen Betrieb. Mit klarer Hand und großem Geschick
setzte er sich ein. So sehr er auch an der Landwirtschaft hing, hat er anderen
auch andere Wege gelassen und ermöglicht. Solches können nur kluge und
weitsichtige Menschen: einem anderen zustimmen auch gegen das eigene Herz.
Dabei ist es für viele in der Landwirtschaft schwer gewesen und schwer, den
Strukturwandel greifen zu sehen. Man kann vor ihm die Augen nicht
verschließen. Aber welche Folgen er auch immer hat und haben wird in unseren
Dörfern, wie ja auch weltweit: trotz aller Veränderungen bleibt die Zusage
Gottes über diesem Leben bestehen. “Solange die Erde steht, soll nicht aufhören
Saat und Ernte.” Wir können leben, auch wenn es ein anderes Leben ist.
Diese Zusage gilt ja auch in diesen Tagen, in denen sich so vieles durch den
Tod verändert. In der Nachbarschaft, unter den alten Freunden ist eine Lücke
aufgetan. Und besonders in der Familie. Wir müssen wieder und wieder
erkennen und neu lernen, daß auch in allen Zusagen von Leben das Leben vor
Gott selbst endlich bleibt. Solange die Erde steht – solange wird auch der Tod
sein. Langsam oder schnell, unausweichlich in jedem Fall. Wir bestimmen
nicht. Wir haben aber Einfluß auf manche Umstände. Was war noch möglich,
solange die Welt mit unserem lieben Verstorbenen bestand? Gespräch,
Heimkehr nach Hause, Gänge über den Hof, überhaupt noch ein Mal laufen,
Unterhaltung, neuer Kontakt, Nähe in Ängsten: man kann über diese Zeit viel
zusammentragen.
Dennoch ist sie nun vergangene Zeit. Über die anbrechende Ewigkeit aber sind
uns andere Worte gesagt als über das irdische Leben mit Saat und Ernte. Sie ist
ohne Ende und Tod. Sie ist ganzer Frieden, ganze Ruhe, ganzes Licht.
Manchmal denkt man, die Verstorbenen strahlen davon etwas aus: vom Frieden,
vom Ruhen, vom sicheren Wohnen. Manchen ist die Welt dagegen verstellt
vom Dunkel. Über allen aber, die wir am Leben sind, solange wir am Leben
sind, steht Gottes Wort: er sorgt für uns. Es soll nicht aufhören. Er wird nicht
aufhören. Gott wird nicht aufhören Saat und Ernte zu schenken. Und wenn sich
der Sturm der Gefühle gelegt hat, und wenn unser Lebensschiff wieder ruhiges
Wasser und schließlich Land erreicht hat, und wenn dieser ganze erste Schmerz
und alles Fehlen zur Ruhe gekommen sein werden, dann treten wir wieder
heraus auf das Land wie Noah: mit festem Boden und im Vertrauen darauf, daß
Gott unsere Zeit segnet. Und dann auch uns in seiner grünen Ewigkeit.
Amen.
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