Vertiefungsveranstaltung Europarecht

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Vertiefungsveranstaltung Europarecht
Veranstaltung vom 15. Januar 2010
Grundfreiheiten: Subsidiäre und abgeleitete
Rechte
Übungsfälle
Fall 1
Das Ausländerzentralregistergesetz vom 2. September 1994 (im Folgenden: AZRG) richtet ein
Zentralregister ein, in dem die personenbezogenen Daten u. a. von Ausländern, die sich nicht nur
vorübergehend in Deutschland aufhalten (d. h. mehr als drei Monate), gesammelt werden. Die
betreffenden Angaben sind in zwei getrennt verwalteten Datenbeständen zusammengefasst. Der eine
enthält personenbezogene Angaben allgemeiner Art (allgemeiner Datenbestand), der andere Daten über
einen Visaantrag (Visadatei).
Alle Einwohner, sowohl deutsche als auch nicht-deutsche Staatsangehörige, müssen sich in den
Wohnsitzregistern
der
Gemeinden
(Einwohnermeldegister)
eintragen
lassen.
In
den
Einwohnermelderegistern wird nur ein Teil der Daten erfasst, die im Ausländerzentralregister enthalten
sind; so erscheinen u. a. die Angaben zum aufenthaltsrechtlichen Status nicht auf Gemeindeebene.
Fall 2
Die Vergütung für Mehrarbeitsstunden nach der deutschen Verordnung über die Gewährung von
Mehrarbeitsvergütung für Beamte ist niedriger als die Vergütung für Arbeitsstunden, die im Rahmen der
individuellen Arbeitszeit geleistet werden.
Frau Voß steht als Lehrerin im Beamtenverhältnis zum Land Berlin. Vom 15. Juli 1999 bis 29. Mai 2000
übte sie ihre Berufstätigkeit in Teilzeitbeschäftigung im Umfang von 23 Unterrichtsstunden pro Woche
aus. Das Unterrichtsdeputat eines vollzeitbeschäftigten Lehrers betrug damals 26,5 Unterrichtsstunden.
Zwischen dem 11. Januar und dem 23. Mai 2000 leistete Frau Voß in jedem Monat über ihre individuelle
Arbeitszeit hinaus zwischen 4 und 6 Unterrichtsstunden Mehrarbeit.
Die Vergütung, die sie hierfür erhielt, betrug 1 075,14 DM. Die Vergütung für einen vollzeitbeschäftigten
Lehrer auf die gleiche Zahl von Arbeitsstunden betrug zu dieser Zeit 1 616,15 DM.
Fall 3
Die Herren Bickel und Franz, österreichische Staatsangehörigen, wohnen in Nüziders (Österreich) und
kamen als Tourist nach Südtirol. Am 15. Februar 1994 wurden sie von einer Carabinieri-Streife in
Castelbello in der Provinz Bozen (Italien) angehalten, die gegen sie ein Verfahren wegen Trunkenheit im
Verkehr einleitete.
Beide Angeklagten erklärten gegenüber dem Pretore Bozen, sie beherrschten die italienische Sprache
nicht, und beantragten unter Berufung auf die zum Schutz der deutschsprachigen Gemeinschaft in der
Provinz Bozen bestimmten Vorschriften, das Verfahren gegen sie auf deutsch durchzuführen.
Nach Artikel 99 des Präsidialdekrets betreffend das Sonderstatut für die Region Trentino-Südtirol ist die
deutsche Sprache in dieser Region der italienischen Sprache gleichgestellt.
Nach Artikel 100 dieses Dekrets haben die deutschsprachigen Bürger der Provinz Bozen das Recht, im
Verkehr mit den Gerichten und den Dienststellen der öffentlichen Verwaltung, die ihren Sitz in dieser
Provinz haben oder regionale Zuständigkeit besitzen, ihre Sprache zu gebrauchen.
Nach Artikel 13 des Präsidialdekrets zum Sonderstatut für die Region Trentino-Südtirol über den
Gebrauch der deutschen und der ladinischen Sprache im Verkehr der Bürger mit der öffentlichen
Verwaltung und in den Gerichtsverfahren müssen sich die Gerichtsämter und Gerichtsorgane im Verkehr
mit den Bürgern der Provinz Bozen und in den Akten, die sich auf diese beziehen, der Sprache des
Antragstellers bedienen.
Artikel 14 des Dekrets Nr. 574 bestimmt ferner, daß bei Verhaftung auf frischer Tat oder bei
Polizeigewahrsam die Gerichtsbehörde oder das Polizeiorgan verpflichtet ist, vor der Vernehmung oder
anderen Verfahrenshandlungen den Beschuldigten zu fragen, welches seine Muttersprache ist. Wird als
Sprache Deutsch angegeben, so haben die Vernehmung und jede weitere Verfahrenshandlung in dieser
Sprache zu erfolgen.
Das für das Verfahren gegen Bickel und Franz zuständige Gericht hat den Gebrauch der deutschen
Sprache in ihren Fällen abgelehnt, da diese die italienische Staatsangehörigkeit nicht besitzen.
Fall 4
Frau Chen und ihr Ehemann besitzen die chinesische Staatsangehörigkeit. Als sie ungefähr im sechsten
Monat schwanger war reiste in das Vereinigte Königreich ein. Im Juli desselben Jahres begab sie sich
nach Belfast, wo Catherine geboren wurde. Mutter und Kind leben zurzeit in Cardiff, Wales.
Irland gestattet jedem, der auf der Insel geboren wird, den Erwerb der irischen Staatsangehörigkeit. In
Anwendung dieser Regelung wurde Catherine ein irischer Pass ausgestellt. Catherine hat kein Recht auf
Erwerb der britischen Staatsangehörigkeit hat, da das Vereinigte Königreich das jus soli aufgegeben hat.
Es ist unstreitig, dass der Aufenthalt auf der Insel Irland dazu bestimmt war, dem Kind mit der Geburt den
Erwerb der irischen Staatsangehörigkeit und infolgedessen der Mutter den Erwerb des Rechts zu
ermöglichen, gegebenenfalls mit ihrem Kind im Vereinigten Königreich zu bleiben.
Nach dem britischen Immigration Act darf sich Catherine, anders als Frau Chen, frei im Hoheitsgebiet des
Vereinigten Königreichs und dem Irlands bewegen, da irische Staatsangehörige grundsätzlich keiner
Erlaubnis für die Einreise und den Aufenthalt im Vereinigten Königreich bedürfen. Catherine ist sowohl
emotional als auch finanziell von ihrer Mutter abhängig. Durch die Berufstätigkeit von Frau Chen sind
beide wirtschaftlich unabhängig und krankrenversichert.
Die Weigerung des britischen Secretary of State for the Home Department, Frau Chen und ihrem Kind
eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis für das Vereinigten Königreich zu erteilen, wird damit begründet,
dass die acht Monate alte Catherine keines der Rechte aus dem EG-Vertrag ausübe und Frau Chen nicht
die gesetzlichen Voraussetzungen erfülle, um sich im Vereinigten Königreich zu den in dieser Regelung
vorgesehenen Zwecken aufzuhalten.
Fall 5
Art. 1 des luxemburgischen Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 96/71/EG lautet:
Zwingende Vorschriften im Bereich der nationalen öffentlichen Ordnung, sind und gelten als solche für alle
Arbeitnehmer, die im Hoheitsgebiet des Großherzogtums Luxemburg eine Arbeitsleistung erbringen,
einschließlich jener, die vorübergehend nach Luxemburg entsandt wurden, und ungeachtet der Dauer
oder des Zwecks der Entsendung: alle Bestimmungen in Gesetzen, Verordnungen und
Verwaltungsvorschriften, die folgende Bereiche betreffen:
1. den schriftlichen Arbeitsvertrag;
2. den sozialen Mindestlohn und die automatische Anpassung der Entlohnung an die Entwicklung der
Lebenshaltungskosten;
3. die Arbeitszeit und die wöchentliche Ruhezeit;
4. den bezahlten Urlaub;
5. die Betriebsferien;
6. die gesetzlichen Feiertage;
7. die Regelung von Teilzeitarbeit und befristeten Arbeitsverträgen;
8. die Sicherheit und die Gesundheit der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz im Allgemeinen und die
Unfallverhütungsvorschriften der gewerblichen Unfallversicherungsgenossenschaft.
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