Inhaltsverzeichnis Die geographische Lage von Tarian .......................................... 3 Vorwort .................................................................................... 4 Elõszó........................................................................................ 6 Die Zeittafel von Tarian ............................................................ 7 Veränderungen in der Siedlungsstruktur ...............................23 Der innerörtlicher Bereich von Tarian ....................................29 Das Gerecse-Gebirge ..............................................................37 Das Tarianer Becken ...............................................................50 und seine Randberge..............................................................50 Deutung der deutschen Familiennamen von Tarian ..............65 Von der Geburt bis zum Kindergarten ...................................86 So lebten wir früher ...............................................................91 Nachkriegszeit ........................................................................99 Nationalitäten-Gemeinden im Komitat Komorn-Gran.........106 Besonderheiten der mittelbairischen ua-Mundart ..............120 Nationalitätenprobleme in der r.k. Kirche ...........................127 Die Tarianer reformierte Kirchengemeinde .........................137 A tarjáni református hitközösség .........................................137 Reprivatisierung von Grund und Boden ...............................141 Ungarndeutsches Jugendlager .............................................143 Weihnachten früher .............................................................148 Heiligenkreuz ........................................................................151 Über das Schweineschlachten ..............................................164 Über die Reinhardt-Erbschaft...............................................167 Statistische Tabellen zu Tarian .. Error! Bookmark not defined. Fotos aus dem Kindergarten, Schule, Kirche, Alltag 2 187 Die geographische Lage von Tarian 3 Vorwort Das vorliegende Buch ist eine der vielen ungarndeutschen Dorfchroniken, die in letzter Zeit das Licht der Welt erblickt haben. Wie alle Bücher dieser Art weist – sicher – auch dieses Mängel auf, ist es doch von einer Person in mühevoller Arbeit allein zusammengestellt worden. Was veranlasst einen Menschen, der seit mehr als 40 Jahren nicht mehr in Tarian lebt, so eine Arbeit auf sich zu nehmen? Es ist eine geheimnisvolle innere Stimme, die den Autor vorantrieb, immer mehr an diesem Thema zu arbeiten. Wahrscheinlich ist es Sehnsucht nach dem „verlorenen Paradies“ der Kindheit, nach der Geborgenheit im Elternhaus, im Kreise der Verwandten und Freunde sowie in der Dorfgemeinschaft, kurz nach dem, was man Heimat nennt. Vielleicht stillt die geistige Beschäftigung mit der verlorenen Heimat ein in der Tiefe der Seele sitzendes Heimwe. Das Wissen über die Vergangenheit des Heimatdorfes und der Vorfahren stärkt die Bindung an die engere Heimat. Als wir 1946 aus Tarian vertrieben werden sollten, schwor ich mir als 9jähriger Junge, dass ich – aus Rache dafür – nie wieder nach Tarian zurückkommen werde. Als ich dann 1956 das Land freiwillig verlassen habe, durfte ich erst wieder 1964 meine Heimat besuchen, worüber ich dann doch sehr glücklich war. Im Zuge des politischen Tauwetters besuchte ich in den folgenden Jahrzehnten sehr oft Tarian. Ich begann im Jahrbuch der Ungarndeutschen („Unser Hauskalender“) und anderen Presseorganen der Deutschen aus Ungarn regelmäßig über meinen Geburtsort und 4 seine Umgebung zu schreiben. Dazu mußte ich Material sammeln. Dabei waren mir meine Schwester Maria und ihr Ehemann Steffl Fülöp behilflich. Mit ihrer Hilfe stellte ich die Namensliste der der Haushaltsvorstände von 1944 und die der ungarischen Siedler u. a. zusammen. Kirchengeschichtliche Informationen erhielt ich von den Pfarrern Otto Kormos und Gábor Vendrey. Die Namensliste der katholischen Pfarrer von 1756 bis heute vervollständigte Pfr. Lajos Varga. Über die reformierte Kirche gab mir Informationen Seelsorger Antal Szücs. In vielen Gesprächen und durch sein Buch »Tarjáni krónika« war mir der Tarianer Heimatdichter Josef Mikonya eine große Hilfe bei der Gestaltung meines Buches. Auch der Gemeindeverwaltung von Tarian – vor allem Frau Notarin Sámson Kathi Werli, Frau Werli Agnes Pokorny und Bürgermeister Stefan Fülöp – möchte ich danken für die Herausgabe der statistischen Unterlagen. Die Liste der Volksschullehrer verdanke ich der langjährigen Schulleiterin Frau Szegedi Júlianna Barkó-czi. Allen Helfern sage ich herzlichen Dank! Ich wünsche, dass dieses Buch dem Wohl der Gemeinde Tarian und ihrer Bewohner – deutscher und ungarischer Muttersprache – dienen möge! Bous, im August 1996 Der Autor 5 Elõszó Ez a könyv nem jelenhetett volna meg, ha az anyaggyüjtésnél az alábbiakban felsoroltak nem segítettek volna. Elsõsorban köszönetet mondok Mária nõvéremnek és férjének, id. Fülöp Istvánnak. Az õ segítségükkel állítottam össze az 1944es háztartási fõk és a magyar telepesek névsorát. Egyháztörténeti információkat Kormos Ottó és Vendrey Gábor plébánosoktól kaptam. A katolikus papok névsorát 1756tól máig Varga Lajos plébános egészítette ki. A református egyházról Szücs Antal lelkész adott információkat. Sok megbeszélés és könyve »Tarjáni krónika« által Mikonya József, tarjáni népi költõ, nagy segítségemre volt könyvem megfogalmazásában. A tarjáni községi közigazgatásnak – elsõ sorban Sámsonné Werli Katalin jegyzõnek, Werliné Pokorny Ágnesnek és Fülöp István polgármesternek – köszönetet szeretnék mondani a statisztikai adatok kiadásáért. Az elemi iskolai tanítók névsorát Szegediné Barkóczi Júliannának, aki hosszú ideig iskolaigazgató volt, köszönhetem. Minden segítõnek hálás köszönetet mondok! Kívánom, hogy ez a könyv Tarján község és népének – német és magyar anyanyelvüek – javát szolgálja! A szerzõ 6 Die Zeittafel von Tarian 1240: Erste urkundliche Erwähnung von Tarian. Damals grenzte es an die Güter der Abtei Martinsberg. Zu dieser Zeit war der Ort eine Filiale der Schambeker Pfarrei. 1326: Ein Meister Paul war Besitzer von "Terra Taryan". 1426: Der Ort gehörte zur Totiser Festung und zum Komitat Gran (wie später auch zwischen 1850 und 1860). 1529: Eroberung und Verwüstung des Dorfes durch die Türken. 1640: Wiederbesiedlung mit reformierten Ungarn. Im 17. Jh. waren die Grafen Zichy Besitzer des Gutes Tarian. 1646: Neue Besitzer des Dorfes sind die Csákys, nach ihnen gehörte es dem Staat. 1674: Der Tarianer ref. Pfarrer wurde von Primas Szelepcsényi vor den Gerichtshof nach Preßburg zitiert. 1682: Gründung der ref. Schule (ein Klassenraum in einem Bauernhaus) 1683: Vertreibung der Türken, Ende der Türkenherrschaft 1693: Tarian gehörte zum Hoch-burgischen Gut (Totiser Herr-schaft). 1697: Tarian kam in den Besitz von Baron Krapf 1707: Die Dorfbewohner schlossen sich dem RákócziAufstand an. 1720: Volkszählung: Alle Bewohner waren Ungarn. 1727: Tarian kam – gemeinsam mit Totis – in den Besitz des Grafen Esterházy. 7 1737: Esterházy siedelte 40 deutsche r. k. Familien aus dem Schwarzwald an. So wurde Tarian ein deutsches Mehrheitsdorf. Damals hatte es die meisten deutschen Einwohner im Kreis Totis. 1739: erste– urkundlich belegte –Taufe eines deutschen Tarianer Kindes (r. k. Pfarrei Héreg) 1747: Am 5. Februar verfügte Josef Esterházy die Rückgabe der von den Kalvinisten genutzten ehemaligen r.k. Kirche an die Katholiken. 1756: Bisher gehörte die Tarianer r. k. Filialkirche zu Bajna/Weina. > Gründung der r.k. Pfarrei, erster Pfarrer: Johann Georg Koller 1758: Die reformierte Kirche stellte ihre Tätigkeit ein, und nahm sie erst 1781 wieder auf. > 192 Bauern- und Häuslerfamilien lebten schon hier. 1762: Bau der r. k. Schule: Erster Schulmeister war Jakob Ziegler. 1779: 7. Januar Grundsteinlegung für die r. k. Kirche, anstelle der alten bis 1747 von den Kalvinisten genutzten Kirche. 1783: Bis auf den Turm wurde die r. k. Kirche fertiggestellt. 1785: Fertigstellung der ref. Kirche im Hinterhof des Pfarrhauses, in gleicher Höhe mit den Scheuern 1784/87: Volkszählung: Tarian zählte 241 Familien mit 1556 Personen, davon waren 405 reformiert 1800: Anfang des 19. Jahrhunderts Eröffnung des Alten Friedhofs Am Berg 1828: 269 Bauern- und Häuslerfamilien lebten hier. – Errichtung der Dreifaltigkeitssäule. 1831: Die Tarianer verlangten von der Herrschaft die Rückgabe der einzogenen Felder. 1848: Die Leibeigenschaft wurde abgeschafft. 8 Die Grundherrschaft verpachtete im September ihre Schäferei (ca. 203 kj) an die ortansässigen jüdischen Händler Jakob und Kaspar Singer 1849: Die Gebrüder Singer übernahmen auch die Schnapsbrennerei mit dem dazugehörigen Land von 186 kj. 1859: Bau der Kapelle in der Totiser Straße zu Ehren der Rosenkranzkönigin (Siehe den Text der Grundsteinlegungsurkunde, die im Sept. 1997 aufgefunden wurde) 1863: 25. Okt. Einweihung der r. k. Kirche nach Fertigstellung des Turms 1866: Eine Cholera-Epidemie forderte 195 Todesopfer. Daran erinnert das Rochus-Denkmal in der Untergasse, welches Andreas Werli und Gattin, Anna Beigelbeck gestiftet haben. > In diesem Jahr ließ Wendelin Berendi das große Kreuz des Neuen Friedhofs aufstellen. Es stand bis 1993, damals fiel der obere Teil herunter. 1994 wurde es durch ein neues ersetzt, welches Johann Iseli gestiftet hat. 1881: Renovierung der Rosenkranz-kapelle 1884: Umbau und Erweiterung der r. k. Pfarrhauses 1885: Nach der Bauernbefreiung von 1848 erfolgte erst jetzt die allgemeine Regelung des Landbesitzes in Tarian. 1888: Anlage des 1. Kataster-Grundbuches der Gemeinde (> 1937) 1892: Festlegung der Aufnahme-Bedingungen von Bürgern in den Gerneindeverband von Tarian: 4 Jahre Dauerwohnsitz im Dorf, Aufnahmegebühren – je nach Vermögen – 1-25 Heller, zahlbar an die Armenkasse. 1894: Gründung des örtlichen Kreditinstitutes 9 1896: Umbau des Hauses Nr.148 zu einem Kindergarten durch die Gemeinde, Jahreszuschuß 600 Gulden > Die Gemeinde gewährte zum Umbau der ref. Schule einen Zuschuß von 300,-- Ft. 1899: Der »St. Josef«-Beerdigungsverein wurde gegrüdet. 1900: Errichtung des Kreuzes rechts von der Kapelle, gestiftet von Jakob Kühn und Frau, geb. Anna Bachmann aus Budapest. Die Nowa-Rebe beginnt ihren »Siegeszug« in Tarian. Anfang des 20. Jahrhunderts erhielt die Gemeinde ein Post-amt mit Fernschreiber. (Vorher gehörte Tarian postalisch zu Tardos.) 1903: Anstellung des Analphabeten József Horváth als Kadaverwächter; Gebührenordnung für die Beseitigung eines mehr als 2 Jahre alten Pferdes oder Rindes a) Enthäuten 1Krone, b) Ver-graben 50 Heller; eines jünger als 2 J. alten Pferdes oder Rindes a) 50 Heller, b) 40 Heller usw. Elisabetha Berendi, Wwe. des verstorbenen Kilian Klausenberger, ließ auf dem Alten Friedhof ein großes Kreuz errichten. > Die Lehrer der r. k. Schule waren damals Georg Braunstein und Silvester Weiß. 1906: Gründung der örtlichen freiwilligen Feuerwehr 1907: Der Schatzmeister der Gemeinde erhielt – ähnlich wie der Dorfrichter – ein Gehalt von 160 Kronen. Die Vorstandsmitglieder bekamen ein Tagegeld von 40 Kr., der Waisenvater und der stellvertr. Dorfrichter 60 Kr. > Eröffnung des Neuen Friedhofs. Das große Kreuz ließ Martin Mayer – der reichste Bauer des Dorfes – aufstellen. 1910: Die r. k. Kirche ist gründlich renoviert worden. 10 Dr. Bodemann (später Báticfalvi) wurde Kreisarzt von Tarian und Umgebung. Die ref. Voksschule bekam ein neues Gebäude, in ihm sind 30–35 Kinder unterrichtet worden. 1913 – 1914: Maserepidemie 1915: Der Kreisarzt Dr. Báticfalvi wurde von Dr. David Deutsch abgelöst. 1914 – 1918: Über vierhundert Tarianer dienten als Soldat im Ersten Weltkrieg. 90 von ihnen sind gefallen (> Namensliste der Gefallenen des I. Weltkriegs). 1919: 23. März: Gründung des örtlichen kommunistischen Arbeiterrates > Zwecks Förderung der Viehzucht übernahm die Gemeinde von der Bauerngemeinschaft die Zuchttiere (Stiere, Eber usw.). 1920: Bodenreform: 135 Familien bekamen je 1–9 Katastraljoch (0,58–5,18 ha), 116 Familien waren danach immer noch ohne Land. Umbau und gründliche Restaurierung der kath. Volksschule. Ab sofort wurde in vier Klassenräumen unterrichtet. > In 1920er Jahren wurden mit FOKSz-Kredit die Häuser in der heutigen Linden- und Pfadfinder-Gasse gebaut (ca. 50). 1921: Die große Glocke der r. k. Kirche, die 1917 für Kriegszwecke geopfert wurde, hat man durch eine neue ersetzt. > Die drei Nachtwächter wurden pro Person mit 500 kg Weizen im Jahr entlohnt. 1922: Die Mitglieder des Gemeindevorstands haben im Ort 50 Kronen, außwärts 100 Kr. Tagegelder erhalten. Der Notar erhielt eine jährliche Tagesgeldpauschale von 3600 Kr.. 11 1923: Der Kleinrichter bekam als Entlohnung 700 Kronen/Tag. > Die Ziegelei wurde für 800 kg Weizen/Jahr an Johann Tresl und Max Kraus für 12 Jahre verpachtet. 1925: Für den Bau der Arztwohnung nahm die Gemeinde einen Kredit von 100 Millionen Kronen auf. Der Umbau und Erweiterungsplan stammt aus 1924. Der Finanzierungsplan von 5520 Goldkronen wurde vom Bauunternehmen Ignaz Brüll in Seestadt angefertigt. > Am 18. Oktober wurde die Ortsgruppe des Ungarländischen Deutschen Volksbildungsvereins gegründet (UDV). 1926: Am 18. Juli ist die von Barbara Weiler gestiftete Sterbeglocke (»Zinnglöckl«) der r. k. Kirche eingeweiht worden. 1927: Einweihung des Denkmals links von der Kapelle, gestiftet von Franz Weiler und Gattin, Maria Sentner 1928: Vor der r. k. Kirche errichtete man das Denkmal für die 90 Gefallenen des Ersten Weltkriegs (> Namensliste) In der Gemeinde gab es 6 Wirtshäuser und 2 »beschränkte« Ausschankstellen für 2007 Einwohner (Stand 1926): Der Gemeiderat lehnte den Antrag von Josef Niedermann und Genossen ab, die Zahl der Wirtshäuser um eins zu erhöhen. 1929: Bau einer Starkstrom-Leitung im Tarianer Hotter von Tatabánya nach Tokod. Die Gemeinde bzw. die Bauern wurden von der Kohlegesellschaft entschädigt. Vertrag mit der Allgemeinen Ungarischen Steinkohlen AG, Buda-pest, der ihr für die Dauer von 60 Jahren in der Gemarkung von Tarian Versuchsbohrungen und den Kohlebau erlaubte. 12 > Beschluß über den Bau eines Kreis-Arzt-Hauses (Kreditaufnahme von 15000 Gulden) 1930: Fertigstellung des ersten Arzthauses im Dorf (in der Obergasse) 1933: Der Gemeinderat beschloß eine monatliche "Ehrenrente" von 20 Gulden für die arbeitsunfähig gewordene Hebamme Frau Göbécs, geb. Franziska Tamsitz, die 35 Jahre in der Gemeinde tätig war. 1935: Die Kreisarztstelle in Tarian wurde von Dr. Ferenc Fekete und seiner Frau, Dr. Erzsébet Gáspár (Frauenärztin und Geburtshelferin) besetzt. Dr. Deutsch wurde pensioniert. > Vertrag mit Péter Pázmány aus Seestadt über die Jagdpacht im Hotter von Tarian: Für die Jahrespacht zahlte er 80 Goldgulden. Er behielt sie bis August 1937, danach übernahm sie der Gemeinde-Kanzleischreiber Tibor Major. > Standgebühren für die Tarianer Jahrmärkte: 1 Kuh oder Pferd (> 2 Jahre): 24 Filler 1 Kuh oder Pferd < 2 Jahre): 16 Filler; 1 Schaf, Ziege, Schwein, Esel: 12 Filler, usw. 1936: Beginn des Baus der Landstraße zwischen Tatabánya und Tarian > Gründung des Neuen Wald-Besitzervereins: Unter den Mitgliedern wurden 572 kj Wald aufgeteilt. > Die Landstraße zwischen Tarian und Héreg wurde fertiggestellt. > Beschluß zur Erweiterung des Rathauses Die Arbeitszeit der Gemeinde-Angestellten im Rathaus betrug täglich 6 Stunden. 1937: Im September begann in der ersten Klasse der r. k. Schule der Unterricht in ungarischer Unterrichtssprache. > Anlage eines neuen Kataster-Grundbuches (> 1888) 13 1938: Fertigstellung der steinernen Verbindungsstraße nach Tatabánya Der Plan für das Haus der Gesundheit wurde fertiggestellt (> 1940). 1939: 19. Dez.: Elektrifizierung des Dorfes; Kosten pro Haus 50 Pengö 1940: Das Dorf hatte mehr als 2500 Einwohner. 2335 lebten ständig hier, mehr als 300 waren in anderen Orten, v. a. in Budapest Knechte und und Mägde. Kauf des Grundstücks für das Haus der Gesundheit (Grünes Kreuz) in der Untergasse; Vorbesitzer war der Apotheker Elek Major. Der Kaufpreis betrug 800 Gulden. > Am 20. Oktober wurde die örtliche Organisation des Volksbundes der Deutschen in Ungarn (VDU) 1 gegründet . 1941: Im Tanzsaal des Schmidt'schen Wirtshauses (in der Dorfmitte) wurde ein Kino eingerichtet. > In der r. k. Volksschule wurde Deutsch als Unterrichtssprache eingeführt (bis 1944; Schultyp A; Reg.Verordnung 25370/1941) 1942: Am 7. Febr. feierliche Verabschiedung der 7 ersten SS-Freiwilligen aus Tarian; danach gab es noch 5 bzw. 3 SS-Freiwillige. 1944: Am 19. März marschierten deutsche Truppen nach Ungarn ein und am 22. März kamen deutsche Soldaten auch nach Tarian, wo sie sich einige Tage aufhielten. > Im Frühjahr begann die Zwangsmusterung für die SS; Am 28 Juni wurden 312 (?) deutsche Männer der SS überstellt. Am 24. bzw. 28. August erfolgte die Einberufung von 16, bzw. 93 zur SS. Anfang Nov. folgten ihnen weitere 402. 14 > Im Mai wurde der jüdische Bursche János Krausz zum Arbeitsdienst eingezogen. Seine betagte Mutter – ganannt die Krausz-Jidin – wurde in Ausschwitz vergast. 1) Der Volksbund (1938–1945) war eine Organisation der Ungarndeutschen, die von jungen Intellektuellen mit dem Ziel gegründet wurde, die deutsche Muttersprache und Volkskultur der Deutschen in Ungarn zu retten. Ihm ist – unter anderen – die Einführung der deutschen Unterrichtssprache zu verdanken (s. 1941). Trotz der positiven Ergebnisse kam der Volksbund immer mehr unter den Einfluß der deutschen Nationalsozialisten. Das erforderte viele Menschen- und materielle Opfer von den Ungarndeutschen, so auch von den Tarianern. Nach den 1998 zugänglich gewordenen ,Aussied-lungslisten von 1948‘ hatte der Volksbund in Tarian insgesamt 342 Mitglieder. Von denen sind 166 in der Liste I und 176 in der Liste III verzeichnet. Wenn wir davon ausgehen, dass man 1946 2037 ,Schwaben‘ aus Tarian vertreiben wollte, dann sind diese 342 davon nur 16,8%. Auch diese Zahlen sind noch zu hoch, da die ,Volksorgane‘ – nachträglich – auch solche in die Volksbundliste aufgenommen wurden, die ein zu konfiszierendes Vermögen hatten. Wie auch das in diesem Band veröffentlichte Bild zeigt, hatte der Volksbund hauptsächlich junge Mitglieder… Sie suchten v. a. Unterhaltungsmöglichkeiten bei den sonntäglichen Zusammenkünften des Vereinss. Die meisten hatten – mit einem Schulabschluß von 6 Elementar-Klassen – keinen blassen Schimmer davon, welch verbrecherische Ideologie hinter der Hitler-Diktatur steckt. 2) Diese Daten sind als übertrieben anzusehen, da nach den 1948 zusammengestellten Namenslisten – die dem Autor 1998 zugänglich wurden – gingen aus Tarian nur 18 freiwillige und 38 zwangsrekrutierte SS-Soldaten hervor! Bei den Freiwilligen wurden nur die verzeichnet, die damals noch lebten. Der Autor addierte die Gefallenen dazu, so kam er auf die 18. Am 2. November trieb man aus Richtung Budapest eine Marschkolonne mit jüdischen Deportierten durch Tarian. Übernacht hat man sie in Scheuern untergebracht. Als in einer Scheune Feuer ausbrach, trieben SS-Leute die Fliehenden zurück. Hierbei wurde ein 40jähriger Mann totgeschlagen und viele verletzt. (> Mikonya, S. 71/72) Am 9. November hat man die im Dorf ausgebildeten SS-Rekruten vereidigt. > Am 16. Dezember hat der Volksbund 38 deutsche Familien evakuiert (> Namensliste). 15 > Am Heiligabend besetzten die Sowjets das Dorf zum erstenmal. 1945: Am 2. Januar warfen die Deutschen zwei Bomben auf die Straßen bei der r. k. Kirche: Schäden an der Kirche und am Pfarrhaus. > Am 3. Januar eroberten deutsche Truppen Tarian von den Russen zurück. > Am 17. Febr. wurden 23 Tarianer Levente-Angehörige im Alter von 14-16 Jahren nach Komorn gebracht, Anfang März von dort nach Deutschland. 17.-22. März russische Phosphor-Bombenangriffe auf die Obergasse > Am 22. März erfolgte die zweite Besetzung Tarians durch die Rote Armee. > Das im Zweiten Weltkrieg beschädigte große Kreuz auf dem Neuen Friedhof ließ Familie Josef Schlegl renovieren. 1946: 16. März: Beginn der Enteignung der Deutschen (120 Familien mit 859 Personen waren davon betroffen). > Die Aussiedlung nach Deutschland war für Ende März geplant, wurde aber nicht durchgeführt. > Ansiedlung der »Telepeschen« aus verschiedenen Orten (26 Familien) und aus Egerlövõ (Komitat Heves, 50 ref. Familien; > Namensliste) 1947: 28. August: Vertreibung der Kirner "Schwaben", die Tarianer Ungarn wollten auch die hiesigen Deutschen aussiedeln lassen. 1948: Im April gab es eine erneute »Aussiedlungsdiskussion« in Tarian. Im Rathaus wurde die Namensliste von 2037 Deutschen ausge-hängt, die nach Deutschland vertrieben werden sollten. > Im Herbst wurden die Konfessionsschulen verstaatlicht. 16 > Im September erneute Zwangszusammensiedlung der Deutschen im Dorf, um für die aus der Slowakei übersiedelnden Ungarn Platz zu machen. Ansiedlung der »Felvidéker« aus Szõgyén (h. Svodin): 43 r. k. Familien. ( > Namensliste) 1949: Im Sommer wurden weitere 120 Tarianer deutsche Familien enteignet. > Die Kreditgenossenschaft haben sie von Tarian nach Tatabánya verlegt. > Im Sommer wurde die erste ständige Buslinie zwischen Héreg-Tarján-Tatabánya eröffnet. > Am 28. August wurde die LPG (Landwirtschaftliche Produktions-Genossenschaft) gegründet. Ihre Zentrale befand sich in der Dorfmitte, im ehem. Haus von Johann Pertl. > Im gleichen Jahr wurde das Tarianer Staatsgut gegründet, welches das ehemalige Hobenlohe'sche Gut von Turni und einen Teil des Tarianer sowie Tolnauer Hotters einverleibte. > Um die LPG und das Staatsgut mit Maschinen zu versorgen, wurde am Dorfrand – im Kischtarian – eine MTS (Maschinen- und Traktoren-Station) eingerichtet (3 Hallen). Die örtliche Blaskapelle wurde neu gegründet. 1950: Die Gemeindeverwaltung wurde ausgetauscht: Den Posten des Obernotars und Richters hat man abgeschafft. Der Ratsvorsitzende und -sekretär nahmen ihren Platz ein. > Die Friseure hat man als erste in die HandwerkerGenossenschaft gezwungen. Ihr Geschäft wurde in einem Nebenraum des Schmidt'schen Wirtshauses eingerichtet (heute Hauptstraße 19). Bau des Entbindungsheims in der Totiser Gasse (1965 in ein Heim für behinderte Kinder umgewandelt; 17 > 1996). 1951: Die Tarianer »Bauerngenossen-schaft« fusionierte mit denen der Nachbardörfer (Geretsch Áfész). > Im Sommer Baubeginn der neuen staatlichen Volksschule, anstelle der alten r. k. Schule. 1952: Sept.: Eröffnung des Neubaus der zweistöckigen Volksschule > Im Hanfland wurden 80 Bauplätze mit einer Größe 2 von 1512 m vermessen. > Im November wurde der Ortsteil "Nichtsbrot" elektrifiziert. 1953: Herbst: Einweihung des neuen staatlichen Kindergartens, anstelle früheren Schulmeisterhauses (neben dem Pfarrhaus) > Gründung einer sog. Handwerker-Genossenschaft der Schuster. Die Werkstatt war in der heutigen Hauptstraße Nr. 33. 1954: Im Hanfland wurden die zwei ersten Häuser fertiggestellt (Hilpert und Utto). 1956: Am 9. November lieferten sich aus Budapest kommende Aufständische mit sowjetischen Panzern hinter Kirche ein Gefecht. Fünf junge ungarische Freiheitskämpfer starben dabei (> Namensliste). > Im Herbst sind 30 deutsche Bewohner aus Tarian in den Westen geflüchtet (> Namensliste). 1957: Zwischen der Untergasse und dem Entbindungsheim entstand ein neues Wohnviertel (Viola- / Veilchen-/ und Petöfi-Gasse.). 1958: In der Volksschule wurde der fakultative Deutschunterricht eingeführt. ("Muttersprachenunter-richt") 1959: Die Turnipußta wurde verwaltungsmäßig Tarian zugeordnet. 18 > Seit Beginn der Kollektivierung wurden bis jetzt 90% der ehemals freien Bauern zum Eintritt in die LPG gezwungen. 1960: In den 60er Jahren wurde die Obergasse verlängert; ebenso die rechte Seite der Hintergasse. 1962: Ende Oktober wurde in der Dorfmitte das neue Kulturhaus (300 Sitzplätze) seiner Bestimmung übergeben. 1964: Aufgrund der Amnestie der Regierung konnten die 1956 in den Westen geflüchteten Tarianer zum erstenmal die Heimat besuchen. 1972: Zusammenschluss der LPGs von Tarian und Héreg 1973: Bau einer Trinkwasserleitung; > Errichtung einer Filiale der Totiser Teppichfabrik im Spanngaßl 1976/77: Bau der Großbäckerei ("Brotfabrik"): Am 20. August 1977 wurde sie feierlich in Betrieb genommen. Betriebsleiter war Josef Stegmaier (> 1991). 1977: Zusammenlegung der Gemeindeverwaltungen von Tarian und Héreg Der "Gemeinsame Rat" mit Sitz in Tarian existierte bis zum 31. Dez. 1990. 1980: Anfang der 80er Jahre: Renovierung der ref. Kirche 1981: Im ehemaligen Haus der Familie Eipl Am Berg wurde ein Dorfmuseum eingerichtet, welches 1982 eingweiht wurde. 1982: Die LPG von Tarian und Héreg wurde von der Gyermelyer übernommen. 1985/86: große Renovierung der r. k. Kirche (neuer Dachstuhl, Eternitplatten, Außenanstrich) 1986: Am 1. Januar wurde der Gemeindebauhof errichtet. Er hält die gemeindeeigenen Einrichtungen in Stand. 19 > Bau eines ABC-Kaufhauses hinter r. k. Kirche 1989: Am 29. Oktober wurden die neuen Kirchenbänke der r. k. Kirche eingeweiht, die in der örtlichen Werkstatt von Andreas Bachmann angefertigt wurden. 1990: Ende September wurden die ersten freien Wahlen nach dem Sturz des Kommunismus durchgeführt: Zum ersten Bürgermeister der Gemeinde wurde Stefan Fülöp jun. gewählt. > Im Dezember wurde mit Hilfe des deutschen Staates das Kabelfernsehen eingeführt und 1991 begann das Dorffernsehen zu senden, 750 Wohnungen waren angeschlossen. > Turni wurde 1991 ebenfalls ans Kabelnetz angeschlossen. > Am 18. Dezember wurden 300 Wohnungen ans Telefonnetz angeschlossen. 1990/91: Eine Reihe von kleinen Einzelhandelsgeschäften (Landbedarf, Futtermittel, Baustoffe, Gemischtwaren) sind entstanden. 1991: Am 27. Januar nahm Tarian das St. Georgs Wappen als Gemeindewappen an. > 26. Apr.: Partnerschaftsvertrag mit der hessischen Gemeinde Staufenberg und am 28. Apr. Einweihung des Staufenberg-Parks hinter der r. k. Kirche. > Im Juli wurde das erste Restaurant-Pension des Dorfes "Sziget" (Insel) eingeweiht. > Im Herbst stellte die Tarianer Brotfabrik ihre Arbeit ein. > Am 27. Juli verstarb Maria Martin, geb.Treszl, im Alter von 102 Jahren. Kein anderer Einwohner Tarians erreichte je so ein hohes Alter. > Vorn 1. Juli bis 20. August wurde eine Verbindungsstraße zwischen dem Wohngebiet im Hanfland und der Hauptstraße (Rosenstraße und 20 Rákóczi-Str.; das Weiler-Haus in der Hauptstr. wurde dafür abgerissen.). > Im Schulgarten wurde eine Freilichtbühne, ein Tennisplatz und eine kleine Gaststätte errichtet. > Der Schweizer Unternehmer Urs Felder mietete das ehem. Gebäude der Maschinen- und Traktoren-Station, wo er 9 Arbeiter mit Fahrrad-Montage beschäftigte. 1997 wurde der Betrieb eingestellt. 1992: Gründung des »Serpen-Team« Auto Motor Sportvereins. > Im Februar begann der Bau der Abwasserkanalisation, Kosten pro Haus 50.000 Ft, zahlbar in neun Jahren.(> 1994) > Im Mai wurde der "Pußteßöli" an den österr. Unternehmer Klaus Wippel verkauft, der einen Metallbau-Betrieb errichten ließ, der im Herbst 1993 in Betrieb ging. > Der Tarianer Gewichtheber, Andreas Stark, nahm in Barcelona (Spanien) an den XXV. Olympischen Sommerspielen (25. Juli – • Die Tarianer und Héreger LPG sind aus der Gyermelyer ausgeschieden. Beginn der Entschädigung und der Privatisierung von Grund und Boden. 1993: Im Sommer wurde in der Wiese des Schulgartens – in der Nähe der Freilichtbühne – aus Kalksteinen ein Springbrunnen gebaut. > Unterhalb des Kalvarienbergs wurde die erste Autowaschstraße errichtet. > Von den Sportlern des Serpen-Teams haben in Ralley-Cross – 3. Division – Raymund Fülöp den 4., Anton Kranz (gleichzeitig hervorragender Handballer) den 10. und Robert Speyer den 18. Platz belegt. In der Landes-Mannschafts-Punktwertung erreichten sie den 5. Platz. 21 1994: Im Sommer wurde der an Stelle des Schießplatzes der Arbeiter-Miliz mit dem Bau eines ungarndeutschen Begegnungs- und Kulturzentrums begonnen. (> 1995) > Am Ende des Jahres wurde die Abwasserkläranlage südlich der Hanflandgasse fertiggestellt. > Am 11. Dezember wurde zum zweiten Mal ein neuer Gemeinderat und Bürgermeister (Stefan Fülöp) und zum erstenmal eine deutsche MinderheitenSelbstverwaltung (Frau Klinger Theresia Werli, Stefan Brunner, Georg Schneider) gewählt. > Am 22. August wurde Tarian ans Erdgasnetz angeschlossen. Bis Juli 1995 wurden 770 Privatwohnungen und 11 Betriebe an das Gasnetz angeschlossen. 1995: Im Frühjahr wurde die Jagdgesellschaft »ThomasStein« der Tarianer Landbesitzer gegrün-det. Sie zählte 30 Mitglieder. > Am 12. Juli nahm unter Leitung von Tibor Ruppert der Tarianer Bürgerwehr Verein seine Arbeit auf. Die 25 Mitglieder zählende Gruppe plant in Zukunft wöchentlich mehrere Kontrollgänge durchs Dorf, um so die Autodiebstähle und Einbrüche einzudämmen. > Am 12. Sept. kam es – im Beisein von hohen Vertretern aus Bonn – zur feierlichen Einweihung des Ungarndeutschen Jugendlagers. 1996: Im Januar hat der ortsansässige Fleischhackermeister Emmerich Palatin in der ehemaligen Brotfabrik einen Lebensmittelmarkt eröffnet. Vorher benutzte er das Gebäude schon als Lager. > Der Tarianer Gewichtheber, Tibor Stark – der Neffe von Andreas Stark, > 1992 – nahm im Juli an den XXVI.Olympischen Sommerspielen in Atlanta (USA) teil. 22 > Bürgermeister Stefan Fülöp wurde von Staatspräsident Árpád Göncz mit dem Goldenen Verdienstkreuz der Republik Ungarn ausgezeichnet. Veränderungen in der Siedlungsstruktur Unsere Gemeinde mit seinen mehr als 2000 deutschen Bewohnern zählt zu den Nationalitäten-Dörfern, aus denen keine Vertreibung stattfand. Da die meisten von ihnen in der Landwirtschaft tätig waren, wurde hier bis Anfang der 50er Jahre eine ziemlich reine Form der uaMundart gesprochen. Umso erstaunlicher ist es für den Besucher, wenn er feststellt, dass heute dort eine Mischsprache gesprochen wird, wie man sie sich nicht schlimmer vorstellen kann. Nach mehr als 40 Jahren geht die Umgangssprache ins Ungarische über, so dass man in sprachlicher Hinsicht folgende Phasen unterscheiden kann: Reine ua-Mundart > Mischsprache (Mundart+Ungarisch) > nur Ungarisch (bei der jüngeren Generation). Die Gründe dafür sind mannigfacher Art. Einer der wichtigsten Gründe ist u. a. die Zerstörung der geschlossenen Siedlungsweise der »Schwaben«. Darauf soll hier ausführlich eingegangen werden. Um die Assimilierung der Deutschen zu beschleunigen, wurden in den ersten Nachkriegsjahren auch in solchen Gemeinden ungarische Familien angesiedelt, aus denen keine Vertreibung stattfand. Tarian zählte 1945 444 Häuser (bzw. Wohneinheiten). Davon gehörten 387 (87,2%) deutschen Familien, dazu kamen noch 7 Familien (1,6%), bei denen ein Partner Ungar, der andere Deutscher war. Sie wohnten zwischen den Deutschen ( > Namensliste der Haus23 besitzer 1944); da meistens die Frau eine Deutsche war, sprachen auch ihre Kinder deutsch. Sie waren ähnlich wie die »Schwaben« katholisch. Reformierten Glaubens waren dagegen die eingesessenen Ungarn. Sie besaßen 40 Häuser (9%). Die Zahl der öffentlichen Gebäude betrug 10 (2,6%). Am 16. Dezember 1944 sind vor der herannahenden Front 38 deutsche Familien (145 Personen) vom Volksbund aus Tarian evakuiert worden. Nur 15 Familien sind bis Deutschland gelangt und dort geblieben. Die anderen kamen bald wieder zurück. ( > Namensliste der Evakuierten) Nach Kriegsende hat man die leerstehenden Häuser 7 einheimische ungarische Familien und eine kinderreiche deutsch-ungarische Familie eingewiesen. ( > Wer bekam wessen Haus?) Die übrigen leeren Häuser sowie weitere, die durch Enteignung von Deutschen beschlagnahmt wurden, sind 1946 von 25 Familien aus verschiedenen Gegenden des Landes (vor allem aus Tatabánya) und 50 Familien aus Egerlövõ (Komitat Heves) in Besitz genommen worden. (> Namensliste der „Telepeschen“) 24 Im Frühjahr 1948 wollte man aus Tarian 2037 Deutsche nach Deutschland zwangsweise aussiedeln. Es blieb aber nur beim Plan. Im Herbst des gleichen Jahres wurden weitere 42 deutsche Häuser für ungarische Umsiedler aus Szögyén/Slowakei geräumt. (> Namensliste der Felvidéker) Weitere 9 deutsche Häuser wurden ganz oder teilweise enteignet, um sie einem öffentlichen Zweck (Post, Apotheke, Polizei usw.) zuzuführen. Ein Vergleich der Ortspläne von 1945 und 1949 zeigt, dass Deutsche im Süden des Dorfes vor der Enteignung weitgehend verschont geblieben sind. Der Grund liegt darin, dass hier (vor allem „Am Nichtsbrot“) arme "Schwaben" lebten. Sie wohnten gemischt mit ebenso armen Ungarn. Im Gegensatz zu den wohlhabenderen Ungarn und Deutschen, die getrennt wohnten. Der Ortsplan von 1949 zeigt uns, wie die einst geschlossene Siedlungsweise der Deutschen aufgehoben wurde. Dasselbe geschah auch in allen deutschen Nationalitäten-Gemeinden, aus denen keine Aussiedlung stattfand. Anfangs gab es im Zusammenleben der 25 Menschen verschiedener Herkunft, Sprache und Religion Schwierigkeiten. Die Spannungen haben im Laufe der Jahre immer mehr nachge-lassen. Das engere Zusammenleben von Deutschen und Un-garn führte zu einem raschen Assimilier-ungsprozess. Glaubte man lange Zeit, das Problem der nationa-len Minderheiten ließe sich nur durch Aussiedlung lösen, so ist man heute der Meinung, es löse sich durch Assimilierung von selbst. Als nüchterner Beobachter rnuß man feststellen, dass dies leider der Tatsache entspricht. So erfreulich die Konzessionen auch sind, die den Ungarndeutschen in letzter Zeit gemacht wurden, so ,traurig‘ ist das Ergebnis. Man bekommt den Eindruck, dass die Hilfsmaßnahmen zur Rettung der Ungarn-deutschen 50 Jahre zu spät eingeleitet wurden. Vergleicht man die Zahl der deutschen Hausbesitzer vor 1945 und 1949, sieht man, dass rund 31 % enteignet wurden, während 17,5 % der einheimischen Ungarn ein Haus erhalten haben. Bei der Beschlagnahme von Ackerland waren natürlich noch mehr Deutsche betroffen als bei den Häusern. Mangels Unterlagen kann man nur mutmaßen über die Höhe der Landenteignung: Sie hat bis 1949 an die 60–70 % betragen. Wegen der Unsicherheit (übertriebene Propaganda im Zusammenhang mit der westlichen Aufrüstung) und des unguten Gefühls, anderen etwas weggenommen zu haben, sind im Laufe der Jahre viele der angesiedelten Ungarn aus Tarian wieder weggezogen. Manche gingen aus Heimweh in ihre Geburtsorte zurück. Viele zogen in die Nähe der Hauptstadt, nach Totis oder Tatabánya. Von den 50 Egerlövöer Familien haben 27 (54 %) ihr Haus verkauft und sind weggezogen. Ebenso handelten 23 (54,8 %) von 42 Szõgyéner Familien. Von den 25 26 ungarischen Siedlerfarnillen aus verschiedenen Gegenden haben 13 (52 %) ebenfalls Tarian verlassen. Eine Mobilität ist indes aber nicht nur bei den angesiedelten Familien festzustellen. Von den insgesamt 117 verkauften Häusern entfallen 44 auf Deutsche (16,24 % aller deutschen Hausbesitzer von 1949) und 9 auf eingesesseneUngarn (19,15 % aller einheimischen ungarischen Hausbesitzer von 1949). Von den 119 enteigneten deutschen Hausbesitzern haben bis Ende 1975 29 (24,37 %) ihr altes Haus zurückgekauft. Weitere 67 deutsche Familien kauften seit 1949 ebenfalls ein Haus. Insgesamt haben in Tarian 129 Häuser durch Kauf den Besitzer gewechselt (manche sogar 2- bis 3rnal). Unter den Käufern sind die "Schwaben" mit 74,42 % vertreten. Der Anteil auswärtiger Zuwanderer liegt bei 17,83 % (23 Häuser). Seit den 60er Jahren ist in Ungarn auch eine starke Zunahme von Neubauten zu verzeichnen. Bis Anfang 1976 wurden in Tarian insgesamt 277 neue Eigenheime gebaut. 217 (78,34 %) gehören davon Deutschen. Als nächststärkste Gruppe sind zugewanderte „Ungarn“ (darunter befinden sich auch Deutsche und Slowaken) mit 38 Neubauten (13,72 %) vertreten. Dann folgen 27 mit 15 neuen Häusern (5,42 %) die eingesessenen Ungarn. Ferner haben 5 Umsiedler aus Szögyén (1,8 %) und 2 aus Egerlövö (0,72 %) ein neues Haus errichtet. ( > Verzeichnis der Neubauten) Auffallend ist der relativ starke Zuzug von auswärtigem „Ungarn“. 23 haben sich ein altes Haus gekauft und 38 ein neues gebaut! Als Hauptgrund hierfür muß wohl die verkehrsgünstige Lage Tarians angesehen werden. Die Industriestadt Tatabánya ist nur 7 km enffernt. Die Busverbindungen dorthin, aber auch nach Budapest, Tata/Totis und Esztergom/Gran sind gut. Nicht zuletzt lockten wohl auch die schönen Bauplätze und die gute Luft die Fremden an. Bemerkenswert ist, dass viele der zugezogenen Ungarn (ähnlich wie die Szögyéner aus der Slowakei) deutsche Familiennamen haben. Bei vielen scheint es sich um magyarisierte Schwaben zu handeln. 1976 gab es in Tarian 737 Häuser.Nimmt man die 444 von 1949 als 100 %, dann macht das 166 %, also eine Zuwachsrate von 66 %. Während der Anteil der "Schwaben" am Wohneigentum 1945 87 %, 1949 60 % betrug, lag er 1976 bei 73 %. Wir sehen also eine aufsteigende Tendenz. Der damalige Besitzstand war folgender: Von den 737 Häusern gehörten 539 Deutschen (73,14 %), 58 einheimischen Ungarn (7,86 %), 16 Siedlern aus Egerlövö (2,17 %), 26 Umsiedlern aus Szögyén (3,53 %), 7 1946 zugewanderten Ungarn (0,95 %), 63 später zugezogenen Ungarn (8,55 %), ferner gab es noch 28 öffentliche Gebäude (3,8 %). Allgemein kann festgestellt werden, dass sich die Wohnverhältnisse seit Kriegsende wesentlich verbessert haben. Neben den Neubauten gibt es viele umgebaute und modernisierte Häuser. Seit dem Bau der Wasserleitung (1973) gibt es in vielen Häusern 28 Spültoiletten und Bäder*. Die Zahl der Wohnräume pro Familie und ihre Einrichtung hat zugenommen bzw. wurde verbessert. Trotz der für die Tarianer "Schwaben" in wirtschaftlicher Hinsicht so positiven Zahlen muß man feststehen, dass sie in sprachlicher Beziehung noch nie in einer so großen Gefahr waren wie in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s. Der Dammbruch, der mit der Zerstörung der geschlossenen Siedlungsweise herbeigeführt wurde, konnte bis heute noch nicht repariert werden. Die Einführung rein ungarischer Straßennamen, Arbeit in einer Umgebung, wo nur ungarisch gesprochen wird, eine Flut von Mischehen und vieles andere mehr haben die Assimilation so sehr beschleunigt, dass sie nicht mehr aufgehalten werden kann. Es sei denn durch die Einführung von muttersprachlichen Unterricht auf allen Ebenen. * Ein enormer Fortschritt gemessen an den katastrophalen hygienischen Verhältnissen im Dorf bis in die 60er Jahre: Waschküche, Badezimmer, fließendes Wasser, Spültoiletten waren den meisten nur dem Namen nach bekannt. Die kleine und große Notdurft wurde nicht selten hinter den Mäststeigen verrichtet. Es war schon als Fortschritt anzusehen, wenn im Hinterhof ein sog. „Reterat“ (Plumpsklo) vorhanden war … Der innerörtlicher Bereich von Tarian Tarian ist heute – wie die meisten Dörfer der Umgebung – ein Mehrstraßendorf. Es liegt – zusammen mit dem benachbarten Héreg – im zentralen Becken des Geretsch-Gebirges. Die Mitte des Dorfes – rund um die r. k. Kirche – liegt auf einer Höhe von 192-193 m NN. Hier befindet sich eine Art Dorfanger, auf dem die Kirche 29 steht. In südöstlicher Richtung von ihr verläuft die Hauptstraße. Die Dorfentwicklung muß von hier ausgegangen sein. Der Untergrund besteht aus mehreren Metern mächtigem Löss . In ihm konnten standfeste – mit Natursteinen ausgemauerte Gewölbekeller unter den Häusern errichtet werden. Eine Besonderheit stellen die sog. unterirdischen Getreidespeicher in den einstigen Vorgärten ("Gartl") auf beiden Seiten der Hauptstraße dar. 1 Nach Josef Mikonya handelte es sich dabei um kegelstumpfartigesenkrechte Schächte. Am oberen Ende hatte der Schacht einen Durchmesser von 50-60 cm, am unteren 120 bis 150 cm. Die Tiefe betrug 350– 400 cm. Der Rauminhalt lag somit zwischen 5 und 7,4 3 m . Hier konnte der Getreidevorrat einer Familie sicher vor Feinden und Feuer aufbewahrt werden. Vor der Einlagerung wurde der Hohlraum mit Strohfeuer getrocknet und von eventuellen Schädlingen befreit. Als Deckel benutzte man rote Marmorplatten, die man zur Tarnung von oben noch mit Erde zudecken konnte. Wollte man der Grube Getreide entnehmen, stieg ein 2 Mensch ein und füllte die Säcke . Ähnliche Getreide30 speicher legte man 1929 beim Ausbau der Hauptstraße 3 von Tolnau frei. Der bei der Ausschachtung der Grundmauern angefallene Löss – im Volksmund „Lahm“ genannt – wurde mit Spreu vermischt als Mörtel benutzt. Die sog. Kotziegel zum Hausbau fertigte man ebenfalls aus Löss und Spreu an. Die Dächer wurden mit dem Rohr der in der Nähe befindlichen Sumpfgebiete gedeckt. Die sog. Langhäuser stehen senkrecht zur Straße. Die Hoffenster und Türen blicken nach S – in Richtung Sonne. Die Rückseite – Grundstücksgrenze zum Nachbarn – war von der Sonne abgewandt. Am unteren Ende der Hauptstraße wohnten die eingesessenen Ungarn, am oberen die deutschen Einwanderer. Mit der allmählichen Zunahme der Bevölkerung in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde die breite Hauptstraße in Richtung NW verlängert. So entstand die Obergasse (Ouwakosn, Felsõ utca, h. Jókai Gasse). Sie wurde nicht mehr ganz so breit angelegt wie die Hauptstraße, aber immer noch etwa 20 m breit. Ebenso breit ist – hinter der Kirche von SW kommend senkrecht auf die Hauptstraße stoßende – Untergasse (Undakosn, Vadász utca). Sie liegt ca. 9 m tiefer als die beiden anderen Gassen. Ist also im Untergrund schon feuchter. Zwei Wassergräben fließen unter sie hindurch. Der eine in der Mitte, der andere am Ende. Hier befand sich einst ein Forsthaus – Restgebäude davon befinden sich hinter der Pension "Sziget". Der ungarische Name der Gasse (Vadász utca: Vadász = Jäger, Förster) ist darauf zurückzuführen. Bis Ende der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts gab es hier rechts der Straße einen großen Ziehbrunnen – 31 direkt gegenüber dem Haus der Gesundheit. Vor diesem bohrte man in den 40er Jahren einen artesischen Brunnen – vom Volk als »Wedöprunna« genannt, nach dem ungarischen Namen "Védõház" für das Haus der Gesundheit. Das sog. "Wedöwossa" erfreute sich bei der Dorfbevölkerung großer Beliebtheit, da es – im Gegensatz zu dem kalkhaltigen harten Wasser der übrigen Brunnen – weich war, und somit gut geeignet zum Kochen und Waschen. An Samstagnachmittagen entstand vor dem artesischen Brunnen großes Gedränge, die Leute fuhren mit ihren Pferde- und Rindergespannen vor, um in großen »Standern« das begehrte Wasser heimzufahren. Anfang der 70er Jahre unseres Jahrhunderts stellte sich heraus, dass das "Wedöwasser" bakterienverseucht ist, deshalb wurde der Brunnen von den Behörden geschlossen. Im oberen Teil der Untergasse – in der Höhe des Rochus-Denkmals – mündet die Hintergasse (Hindakosn, Hátsó utca, heute Ady-E.-Gasse) ein. Sie verläuft parallel zur Obergasse, ist aber viel schmaler als diese. Die Baugrundstücke sind viel kleiner. Die Gärten der linken Häuserreihe grenzen an einen Wassergraben, der seinen Ursprung – z. T. – im Teichtl (ung. Szúnyog tó) hat. In Richtung Totis baute man eine Abzweigung der Hintergasse. 1945 gab es hinter der Kapelle nur noch 4 Häuser. Im Kischtarian (h. Kiskert- oder KleingartenGasse) standen damals links und rechts jeweils 2 Häuser. Zunehmend wurden im 19. Jh. Bauplätze erschlossen, die entweder wegen hohen Grundwasserstandes oder Hügel in der Anfangsphase der deutschen Besiedlung gemieden wurden. So wurde am unteren Ende der Hauptstraße die Senke – heute Móricz-Zsigmond-Platz – und die Löss hügel rund um den Friedhof (Am Berg) erst spät bebaut. 32 Da sich hier ärmere Leute ansiedelten, sind heute noch die Grundstücke sehr klein. Die ebenerdigen Häuser stehen dicht gedrängt. Manche Familien wohnten bis 1945 gar in Höhlen, der 4–5 m hohen senkrechten Lösswände. Von Süden betrachtet, kann man nordwestlich des Friedhofs vier unterschiedlich hoch liegende besiedelte "Terrassen" erkennen. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wurde das Dorf im Westen erweitert. Die Untergasse wurde in Richtung Tatabánya fortgeführt. So entstand die »Neue Welt« (ung. Új világ und Új telep). In den 20er Jahren wurden in der heutigen Linde- und PfadfinderGasse mit FOKSz-Kredit etwa 50 Häuser gebaut. Auch hier wohnten entweder Arbeiter-Bauern oder Häusler, so dass die Baugrundstücke kleiner sind als in der Dorfmitte. In den tiefergelegenen Straßen (Cserkész oder Pfadfinder-Gasse u. a.) steht das Grundwasser so hoch, dass man unter den Häusern keine Keller errichten konnte. Solang es nicht in jedem Hof einen Radbrunnen gab, waren die öffentlichen Brunnen auf Plätzen und Straßen von großer Bedeutung. In der Hauptstraße – vor dem Haus von Johann Pertl (heute Haus-Nr. 20a) – existierte bis in die 50er Jahre ein Radbrunnen. Ferner gab es in der Obergasse bis in die 30–40er Jahre des 20. Jahrhunderts in bestimmten Abständen mitten auf der Straße 4 Brunnen. Sie wurden vor dem Zweiten Weltkrieg zugeschüttet. Die nachsackende Erde zerstört heute noch die Asphaltdecke an den betreffenden Stellen. In weniger breiten Straßen, wie z. B. in der Hintergasse, grub man Brunnen zwischen Straße und Gehweg. An der Straße nach Héreg – im Spann-Gassl – existierte unweit der Brücke bis in die 60er Jahre 33 unseres Jahrhunderts ein Ziehbrunnen. Hier konnten die Bauern bei der Heimkehr vom Hotter ihre durstigen Haustiere tränken. Die Obergassler holten an heißen Sommertagen Gießwasser aus dem Spann-Gassl-Brunnen. Auf dem heutigen Móricz-Zsigmond-Platz gab es auch einen öffentlichen Ziehbrunnen, ebenso in der Senke unterhalb des ref. Friedhofs und der Kellerreihe an der Straße nach Witschke. Diesen nannte man Zigeuner-Brunnen, weil sich hier die "Wosnzigeina" – ähnlich wie im SpannGassl – bei ihren Wanderungen durchs Land einige Zeit aufhalten durften. Für die Bewohner des Nichtsbrot gab es auf der Ost-Seite des kath. Friedhofs einen Radbrunnen. Die Tiefe des jeweiligen Brunnens hing von seiner Höhenlage ab: In 183 m Höhe war er nur 2–3 m, in 193 m Höhe 10 und mehr m tief. Mit der Einschränkung der privaten Viehhaltung und dem Bau einer Wasserleitung (1973) verloren die innerörtlichen Gemeinschaftsbrunnen ihre Bedeutung ganz. Sie wurden nach und nach zugeschüttet. Nach Ausbau eines Freizeitzentrums im Wiesengrund des Schulgartens, nahe der Gaststätte „Fehér Holló“ (Weißer Rabe), ließ die Gemeinde 1993 einen NatursteinSpringbrunnen errichten. 34 Der Friedhof der Katholiken befand sich anfangs – als die Deutschen angesiedelt wurden – vermutlich an der Stelle der heutigen Schule, d. h. in unmittelbarer Nähe der Kirche. Dafür sprechen zwei Gründe: Erstens fand man 1951 beim Neubau der Schule beim Ausschachten des Kellers zahlreiche Knochenreste und sogar einen Goldring; zweitens ist es auch in Deutschland Sitte, die Friedhöfe nahe bei der Kirche anzulegen (Kirchhof). Nach Josef Mikonya soll sich der nächste katholische Friedhof unterhalb des Kalvarienberges befunden haben. Diese Auffassung bestätigt das 1997 zum Vorschein gekommene Dokument von Pfarrer Drághfy aus dem Jahre 1858. Als dieser auch ganz belegt war, legte man am SO-Ende des Dorfes (Am Berg) den heutigen Alten Friedhof an. Gegen diese Auffassung sprechen zwei Grabsteine (siehe bei den Bildern!) – der eine aus 1789, der andere aus 1834. Danach hat man den Alten Friedhof schon vor und nach der Gründung des Friedhofs unter dem Kalvarienberg (1858) benutzt. Dahinter befindet sich seit je her der reformierte Friedhof. Der Alte Friedhof war bis zum Eingangstor im Jahre 1906 ebenfalls voll belegt. Der Neue Friedhof – oberhalb des alten – wurde ab 1907 als Begräbnisstätte der Deutschen eingeweiht, und vom hinteren Ende beginnend – auf der rechten Seite mit Erwachsenen, auf der linken mit Kindern – belegt. In den 60er Jahren ,erreichte‘ die Erwachsenen-Seite das vordere Ende an der Straße. Danach begann man die Gräber auf der Kinderseite von vorn nach hinten anzulegen. Bald werden die Gräber bis zu den Kindergräbern reichen. Ende des Jahrtausends muß man wahrscheinlich mit der Neubelegung des Alten Friedhofs beginnen. In der Mitte der Kinderparzelle befindet sich das Kriegerdenkmal – errichtet ca. 1948 – 35 für die Tarianer Gefallenen des Zweiten Weltkrieges Hier wurden auch die 42 deutschen Soldaten zur ewigen Ruhe gebettet, die 1944/45 in Tarian fielen. Leider sind nur 4 namentlich bekannt: August Hermann Gren (aus Altenkirchen/Westerwald), * Mahlert, 14. Juli 1907 – † 7. März 1945; Herbert Scholz, * 27. Juli 1921 – † 4. Febr. 1945; Ufz. Johann Bamilik 1916–1945; Walter Schubert 1925–1945. Vorübergehend beerdigte man hier auch die fünf Opfer der Revolution vom Herbst 1956. Die in der Gemeinde gefallenen Sowjetsoldaten haben ihr Gemeinschaftsgrab rechts am Eingang des Neuen Friedhofs. Ihrer gedachte man jedes Jahr mit einer offiziellen Kranzniederlegung am »Tag der Befreiung«, am 4. Apr. Der übrigen Opfer des Krieges durfte nicht gedacht werden, weil sie als Feinde des Kommunismus starben. Bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts wurden die Toten – mangels Leichenhalle – in der vorderen Stube ihres Wohnhauses aufgebahrt. Die Leiche wurde am Tag der Beerdigung (Leicht) auf – von 2 Pferden gezogenen – „Totenwagen“ auf den Friedhof gefahren. Mit diesem Totenwagen – der in einem Häuschen an der Héreger Str. untergebracht war – werden bis heute die Toten zum Grab gefahren. Erst danach wurde das von der Gemeinde erneuerte und vergrößerte »Totenhäusel« am hinteren Ende des Alten Friedhofs gemeinsam mit den Reformierten genutzt. 1996 baute man eine neue Leichenhalle am Eingang zum Alten Friedhof. Diese moderne Einsegnungshalle sucht ihres gleichen weit und breit! 36 Das Gerecse-Gebirge Der Gerecse (Geretsch) ist ein Teil des Transdanubischen Mittelgebirges. Er ist die nordöstliche Fortsetzung des Schildgebirges (Vértes). Von diesem ist der Gerecse nur schwer abzugrenzen. Als die Geographie noch »in Kinderschuhen steckte«, zählte man einen großen Teil des Gerecse zum Vértes. Darauf deuten auch die Namen mancher Ortschaften (Vértestolna, Vértesszölös). Die Abgrenzung des Gerecse wird heute folgendermaßen vorgenommen: Im Westen gegen den Vértes (Schildgebirge) durch die Tata-Bicsker (Totis– Witschker) Verwerfungslinie (Hauptstrecke der Eisenbahn), im Norden durch die Donau, im Osten gegen den Pilis durch den Dorog-Piliscséver Graben und im Süden gegen das Ofner Bergland durch das Schambeker 2 Becken. Das so abgegrenzte Gebiet ist an die 600 km groß. Der Geretsch ist ein ungefaltetes Schollengebirge von unterschiedlicher Höhe. Das eigentliche Gebirge besteht aus zwei Ketten, die von Tatabánya aus in nordöstlicher bzw. in nord-ost-östlicher Richtung verlaufen. Letztere ist die namensgebende Hauptkette. Senkrecht zu dieser verlaufen niedrigere Höhenzüge in südlicher Richtung. Während die zwei Gebirgsketten nach Osten bzw. Süden steil abfallen, dachen sie sich gegen Norden – zur Donau hin – allmählich ab. Der höchste Punkt ist der 634 m hohe Gipfel "Gerecse",der nördlich von Héreg liegt. Das Gebirge ist im Osten stark abgesunken. Hier findet man nur einige höhere Berge (z.B. bei Bajót und Heiligenkreuz). Der östlichste Berg ist der 456 m hohe "Nagy Gete" (Großer Geißberg) 37 zwischen Tokod und Dorog. Der zwischen Tarian und Witschke liegende Gipfel "Nagy Somlyó" (Großer Schaumloch; 448 m ) ist der fünfthöchste Punkt, von dem man bei klarem Wetter den Johannis-Berg (529 m) bei Budapest sehen kann. Südlich des Schaumlochs findet man nur noch kleinere Berge und Hügel, die zum Schambeker Becken überleiten. Erdgeschichtliche Vergangenheit Der Untergrund des Transdanubischen Mittelgebirges besteht aus Gesteinen des paläozoischen (Paläozoikum = Erdaltertum) Grundgebirges, welches gegen Ende des Erdaltertums allmählich abgesunken ist. Infolge des Sinkens wurde ein großer Teil des heutigen Ungarns vorn Meer überflutet; nur einige Inseln ragten noch aus den Fluten. Im Laufe von Jahrmillionen lagerten sich im Erdmittelalter (Meso-zoikurn) aus tierischen Resten und von Flüssen mitgeführten Sedimenten die Gesteinsschichten des Gerecse und der benachbartem Mittelgebirge ab. In der Trias, der ältesten Formation des Mesozoikums (Beginn vor 185 Millionen Jahren, Dauer 30 Millionen Jahre), wurden die den größten Teil des Gerecse ausmachenden Kalksteine (Dach- und Wettersteinkalke) und Dolomiten abgelagert. Heute werden die Kalksteine in riesigen Steinbrüchen abgebaut. 38 In Tatabánya wurde aus ihnen Zement, Kalk, Karbid und in Lábatlan an der Donau Zement hergestellt. Im Inneren des Geretsch, wo es keine Industrie gibt, werden aus den zerkleinerten Steinen Landstraßen gebaut und instandgehalten. Im Jura (Beginn vor ca. 195 Millionen Jahren, Dauer 35 Millionen Jahre) entstand der berühmte „rote Marmor“ des Gerecse. Hier handelt es sich ebenfalls um Kalksteine, die in der mittleren Formation des Jura (Dogger = brauner Jura, von vor 172 bis 162 Mio. Jahren vor heute) im Meer abgelagert wurden. Der „rote Marmor“ liegt über den TriasSchichten und ist nur in der Hauptgebirgskette – westlich 39 und nördlich von Héreg – zu finden. Wegen der leichteren Zu-gänglichkeit von Norden wird das rote Gestein in der Nähe der Orte Tardos, Piszke und Süttö gebrochen. Schon in der Zeit König Matthias Corvinus' (1443 bis 1490) wurde der rote Marmor in großen Mengen abgebaut und als Baustein verwandt. Die Treppen und das Geländer sowie der Brunnen im Hof der Visegráder (Plintenburger) Burg des Königs wurden aus diesem Gestein angefertigt. Auch in späteren Jahrhunderten benutzte man es gern als Baustein. Manche in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts von Jakob Fellner gebauten Denkmäler (so die Große Kirche von Totis, die Kirche von Tarian u. a.) sind mit rotem Marmor verziert. Bis in unsere Tage findet das rotbraune Gestein eine vielfältige Verwendung: Als Grabstein, Tür- und Fensterumrahmung, Treppen und Treppengeländer und als Gehwegplatten. 40 In der Kreide (letztes Zeitalter des Erdmittelalters; es begann vor ca. 120 Millionen Jahren und dauerte 60 Millionen Jahre) wurden in unserem Gebiet die KreideSandsteine und Mergel abgelagert. Kreidezeitliche Mergel und im Süßwasser abgelagerte Kalksteine sowie 41 Jura-Kalke gibt es südlich von Lábatlan am Kis-Bersekhegy. Die weißen Sandsteine sind ziemlich weich und lassen sich mit einer Holzsäge gut schneiden. Die Bauern fertigten aus ihnen früher Tor- und Zaunpfähle an. Manchenorts wurden aus ihnen auch Grabsteine hergestellt. Bemerkenswert ist, dass am SW-Rand - im N und O von Tatabánya - neben Trias-Kalksteinen auch Kalke aus dem Eozän anzutreffen sind, so z. B. am Kalvarienberg und Keselö-hegy. Gegen Ende des Jura begann sich das Gebiet langsam über den Meeresspiegel zu erheben. An manchen Stellen des Gebirges sind heute noch die Spuren der damaligem Brandung der Meereswellen zu erkennen. Die Heraushebung, die sich in der Kreide und im Tertiär fortsetzte, ist auf die eurasische Gebirgsbildung zurückzuführen. In dieser Zeit fand auch die Alpen- und Karpaten-Auffaltung statt. Infolge der großen Unruhe im Erdinnem sind die vorher zusammenhängenden Teile des Transdanubischen Mittelgebirges auseinandergebrochen. Dabei wurden die waagrecht liegenden Gesteinsschichten schiefgestellt (dies ist in TatabányaÚjváros u. a. gut zu sehen). Im älteren Teil der Erdneuzeit, im Tertiär (es begann vor 60 Mio. und endete vor 1½ Mio. Jahren), sind manche Stellen des Gerecse weiter gehoben, andere gesenkt oder schräggestellt – stellenweise auch verbogen – worden. In den seichten Buchten des Meeres entwickelte sich infolge der günstigen Lebensbedingungen (warmfeuchtes Klima) eine üppige Pflanzenwelt, aus der im Eozän und Oligozän (Anfang des Tertiärs, vor ca. 48–40 Mio. J.) die Braunkohlen des Tatabánya-Oroszlányer und des Dorog-Tokoder Beckens anstanden. 42 Versuchsbohrungen 1979/80 ergaben, dass Braunkohle auch im Becken von Tarian – im Inneren des Geretsch-Gebirges – entstanden ist. Von Tatabánya, wo die Abbaubedingungen immer schwieriger wurden, verlagerte man schon damals den Bergbau ans S-Ende des Tarianer Beckens, nach Csordakút. Im Tarianer Ortsteil Neue Welt soll die Kohle nur in 35 m Tiefe liegen. Wegen der Energieknappheit sollte hier ein Braunkohlentagebau entstehen. Am Aufbau dieser Kohlenlager sind vor allem tropische und subtropische Pflanzen in sehr reicher Artenzahl vertreten (Palmen, Zimt- und Kampferbäume, Sumpfzypressen, Mammutbäume, Kastanien, Eichen, Kiefern). Die dichte Vegetation der Buchten kam infolge langsamen Sinkens oder einer plötzlichem Verschüttung (Erdrutsch) unter die Erdoberfläche, wo sie unter Luftabschluß und unter hohem Druck verkohlte. Wie aus Funden in der Nähe von Tokod hervorgeht, wurde hier schon in der Römerzeit Kohle im Tagebau abgebaut und zum Heizen von kleinen Schmelzöfen und Wohnhäusern benutzt. Man nimmt an, dass das hiesige römische "Industriegebiet" bis ins 4. Jahrhundert n. Chr. existierte. Danach ist die Kohle wieder in Vergessenheit geraten. Erst im 18. Jahrhundert begann man erneut mit dem Abbau. Der aus dem Ruhrgebiet eingewanderte Bergmann Anton Rückschuß hat 1780 in der Gemarkung von Tscholnok mit dem fachgerechten Bergbau begonnen. Gleichzeitig sorgte er auch für Abnehmer, die er in Pest fand. Im Westen des Gerecse begann die Ausbeutung der reichen Kohlenlager erst ziemlich spät. Bei der Entdeckung der auf 200 Millionen Tonnen geschätzten Tatabányaer Kohlenlager hat sich der Geologe Ludwig 43 Roth besonders verdient gemacht. Dank seiner unermüdlichen Forschertätigkeit konnte der Bergbau in der Grube "Síkvölgy" 1896 beginnen. Die Kohle wurde in Tatabánya wie in Dorog zur Grundlage der Industrie, die heute den meisten Menschen dieses Gebietes Arbeit und Brot gibt. Nur wenige sind sich dessen bewußt, dass der Grundstein für ihre heutige Existenz vor vielen Millionen Jahren gelegt wurde. Gegen Ende des Tertiärs hat sich das Pannonische Meer, welches einst ganz Transdanubien bedeckte, allmählich zurückgezogen. Es hat eine mächtige Tonschicht zurückgelassen. Sie wird als PannoniaSchicht bezeichnet. Am Westrand des Gerecse, in Totis, werden aus dem Ton Brennziegel hergestellt. Die heutigen Oberflächenformen des Mittelgebirges sind bereits vor etwa 1 Mio. Jahren entstanden. Im Eiszeitalter, welches vor ca. 1½ Mio. Jahren begann und 44 vor 16 000 Jahren endete, wurde die Pannonia-Schicht von einer mächtigem Lössdecke überzogen, die im Gerecse bis zu 10 m mächtig ist. Die vom Wind transportierten feinsten Staubteilchen haben sich an den Hängen des Geretschs abgelagert. Im Süden von Tarian u.a. bildet er Steilwände, in die Weinkeller und Höhlenwohnungen gebaut wurden. Die im Volksmund als »Lahmgstetten« bezeichneten Löss gruben lieferten wertvolles Baumaterial: Mit Spreu vermischt fertigte man daraus »Kotziegel« an. Aus denen das Mauerwerk der Bauernhäuser errichtet wurde. Der angefeuchtete »Lehm« wurde auch zum Verputzen von Mauern benutzt. Auf dem gelben Löss bildete sich fruchtbare Schwarzerde. Auf ihr wächst heute u. a. Wein und Obst. Während der Eiszeiten, in denen das nordeutsche Tiefland, das Alpenvorland und die Alpen von einer dicken Eisdecke bedeckt waren, war unser Gebiet eisfrei. Wegen der niedrigem Temperaturen konnten hier nur anspruchslose Polsterpflanzen und niedrige Sträucher existieren. Nur in den Zwischeneiszeiten, deren Klima dem heutigen ähnlich war, konnten sich Laubbäume und andere, höhere Pflanzen ausbreiten. Am Ende der letzten Eiszeit vor ca. 16 000 Jahren begann sich die heutige Pflanzendecke auszubilden. Heimat des Vormenschen Der Mensch hat früh die günstigen Lebensbedingungen (fischreiche Bäche und Seen, wildreiche Wälder und Kalksteinhöhlen) des Geretsch erkannt. Er ist in dieser Gegend bereits in der Altsteinzeit (ca. 650 000 bis 12 000 v. Chr.) anzutreffen. Dies geht aus den Funden von Vértesszölös am Westrand des Gerecse hervor. In den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde dort eine auf 450.000 Jahre geschätzte menschliche Siedlung mit 45 Knochenresten von Wölfen, Hirschen, Bären, Löwen usw. entdeckt. Auf Grund seines Körperbaus und seines Alters wird der Mensch von Vésrtesszölös zu den Vormenschen gerechnet. Wegen seiner Einmaligkeit in Europa ist dieser Fund in kurzer Zeit berühmt geworden. Von 1909 bis 1911 entdeckte man in Totis ca. 250 000 Jahre alte vormenschliche Reste. In der letzten Eiszeit lebte im Geretsch noch das Mammut. Auf Grund zahlreicher Funde aus der Alt-, Mittel(12.000 bis 4000 v. Chr.) und Jungsteinzeit (4000 bis 1800 v. Chr.) sowie der Bronze- (1800 bis 800 v. Chr.) und Eisenzeit (ab 800 v. Chr.) kann angenommen werden, dass es sich hier um eines der ältesten europäischen Siedlungsgebiete handelt. Völkisches Mischgebiet Vor Christi Geburt lebten hier die Illyrer und Kelten. Zu Beginn unserer Zeitrechnung wurde das Gebiet von den Römern besetzt. Anfang des 5. Jahrhunderts finden wir hier die Hunnen. Danach folgten die Langobarden, die Ostgoten und die Awaren. Im 9. Jahrhundert herrschten in dieser Gegend die Slawen. 896 erfolgte die Landnahme der Magyaren. Nach der Vertreibung der Türken Ende des 17. Jahrhunderts war das Gebiet des Geretsch weitgehend entvölkert. Die Großgrundbe-sitzer (v. a. die Familie Esterházy) riefen deutsche und slowakische Siedler auf ihre Güter. Ähnlich wie zur Zeit der Völkerwanderung ist das Gebiet auch heute noch ein völkisches Mischgebiet. Neben den genannten Nationalitäten trifft man in manchen Dörfern auch seßhaft gewordene Zigeuner an (z. B. Héreg). Ungarische, deutsche und slowakische Gemeinden liegen hier eng beieinander. Die Menschen verschiedener Muttersprache und Herkunft haben sich – 46 sofern sie nicht von ,oben‘ aufgehetzt wurden – immer gut verstanden. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg haben die nationalen Minderheiten viel von ihrer Identität eingebüßt. Fußwanderung durch den Gerecse Wer diese Landschaft richtig kennenlernen will, der muß 1 – mit einer Wanderkarte in der Hand – abseits von den Verkehrswegen ihre Schönheiten suchen. Am besten beginnt man mit der Wanderung in TatabányaUntergalla. Auf dem Berg über dem Stadteil Tb.-Újváros kann man schon von weitem ein großes Vogeldenkmal erkennen. Es wurde anläßlich der Mil-lenniumsfeier 1896 errichtet. Der sogenannte Turul ist der Vogel der altungarischen Sagenwelt. Die ausgestreckten Flügel haben eine Spannweite von mehr als 14 m, das Árpáden-Schwert in den Krallen des Vogels ist 12,5 m lang. Von hier oben hat man eine schöne Aussicht auf Tatabánya, auf das Schildgebirge und in Richtung Totis. Man sieht auch die slowakische Gemeinde Vértesszölös, in deren Nähe die Skelettreste des ältesten Europäers gefunden wurden. In der Nähe des Turuls befindet sich die Höhle "Szelim" und eine weitere kleine Höhle. Beide sind durch paläontologische Funde berühmt geworden. Nach der Sage sollen die Türken hier die Männer der Umgebung ermordet haben. Dies ist aber nur Gerede, in Wirklichkeit sind die Knochenreste viel älter. Vom Turul-Denkmal aus wandern wir nach Osten. Der Weg führt uns über tiefeingeschnittene Hohlwege durch schier unendliche Laubwälder, die nur hier und da durch Lichtungen mit einsamen Forsthäusern unterbrochen sind. In den stillen Bächen verbirgt sich unter Steinen der begehrte Flußkrebs. Einige Kilometer 47 von unserem Ausgangspunkt entfernt befindet sich ein Wildreservat, in dem Anfang der fünfziger Jahre Mufflons (Wildschafe) ausgesetzt wurden. Am Fuße des Pes-kõ-Berges (401 m) gab es einst inmitten einer kleinen Obstplantage ein Pfadfinderheim (cserkészház). Vor dem Zweiten Weltkrieg stand dieses Haus den Pfadfindern zur Verfügung. Danach diente es als Lagerhaus für das Staatsgut von Tarian, schließlich fiel es zusammen und die Plantage verwilderte. In der Nähe wurde aus Kalksteinen auch Kalk gebrannt. Der Aufstieg zur Peskö-Höhle ist ziemlich schwer. Oben angelangt, wird man für die Mühe durch die herrliche Aussicht nach Süden reichlich belohnt. Von hier kann man bei klarer Sicht den ganzen südlichen Teil des Gerecse-Gebirges überblicken. Am nächsten liegt die deutsche Mehrheits-Gemeinde Tarian. In großen Rodungs-inseln liegen die ehemaligen Herr-schaftsgüter Tornyópuszta, Tükrös-puszta und Gyarmatpuszta sowie eine Reihe Einzelhöfe (tanya). Wo einst schmale Ackerparzellen zu sehen waren, liegen heute große, einheitlich bestellte Tafeln. Nach dem Wechsel von der Streifen- zur Blockflur zwischen 1950 und 1990, entstand durch die Auflösung der Staatsgüter und LPGs infolge Reprivatisierung des Bodens eine neue kleinere Blockflur. Wer das Vértes-(Schild-)Gebirge kennt, dem wird auffallen, dass es im Gerecse keine Burgen gibt. Der Grund dafür ist in der Verkehrsfeindlichkeit des letzteren zu suchen. Die großen Verkehrswege nach Westen führen durch die leicht passierbaren Senken des Vértes. Im Mittelalter wurden sie durch Burgen geschützt. In der Pes-kõ-Höhle haben sich nach der Sage die Bewohner von Tarian vor den Türken versteckt. Sie sollen entdeckt und hingerichtet worden sein. Da es sich 48 um eine kleine Höhle handelt, ist diese Annahme zu bezweifeln. Geht man vom Pes-kö aus die sanfte Abdachung nach Norden, kommt man in die kleine deutsche Gemeinde Vértestolna (Tolnau). Etwa zwei Kilometer entfernt liegt das slowakische Dorf Tardos. Von hier gelangt man ohne viel Mühe zu den Steinbrüchen, wo der "rote Marmor" abgebaut wird. Das Gestein liegt in dicken Platten übereinander. Auf dem höchsten Punkt des Gebirges, dem Gerecse-Gipfel (634 m), angelangt, bietet sich auf das silberne Band der Donau, in Richtung Slowakei und Pilis, eine herrliche Aussicht. Hier gibt es ebenfalls eine ganze Reihe von Höhlen und unterirdischen Bächen, deren Wasser zur Donau fließt. Dies wurde mit Hilfe von Färbversuchen festgestellt. Wie sind die Höhlen entstanden? Das meiste Niederschlagswasser versickert im klüftigen Kalkstein. Der Kalk wird vom Sickerwasser allmählich aufgelöst, die Spalten werden zu weitverzweigten Höhlen erweitert. Am Fuße des Berges liegt das ungarische Dorf Héreg. Von hier ist eine andere ungarische Ortschaft, Bajna (Weina), etwa sieben Kilometer entfernt. Weina ist die Heimat des "Teufelreiters" Graf Moritz Sándor. Er war der Schwiegersohn Mettemichs. In der Dorfmitte steht noch das sog. Metternich-Kastell. In der Zeit des Kommunismus wurde es total ruiniert. Der tollkühne Reiter hat allerlei Kunststücke vollbracht, mit denen er die Bewohner von Weina und Umgebung sowie von Budapest und Wien in Erstaunen versetzte. Dabei zog er sich so schwere Verletzungen zu, dass er zwei Jahrzehnte bettlägerig war. Bis zu seinem Tode 1878 war er ein Pflegefall. Sein Grab befindet sich in der Kapelle von Gyarmatpuszta. 49 Von Bajna gelangt man über eine Straße nach Péliföldszentkereszt (Heiligenkreuz), dem weitbekannten Wallfahrtsort. In der Nähe liegt der "Öreg-kõ-Berg", in dem sich eine 35 rn lange Höhle befindet. Aus ihr wurden zahlreiche vorgeschichtliche Knochenreste und Gegenstände geborgen, die auf eine steinzeitliche Besiedlung schließen lassen. In dem benachbarten Bajót befindet sich eine gotische Kirche aus der Zeit der Árpáden, die später im Barockstil umgebaut wurde. Von Heiligenkreuz, das noch mit Wäldern umgeben ist, gelangt man über das Gehöft Orisáp in das trostlose Industriegebiet von Dorog und Tokod. Von dem kahlen 456 m hohen "Nagy Gete" (Großer Geißberg) hat man einen schönen Rundblick auf die Umgebung. Die waldlosen Berge liegen zum Greifen nahe. Die Basilika von Esztergom (Gran) – in der Nähe der Donau – ist ebenfalls zu sehen. Trotz der weniger schönen Industriegebiete im Westen und Osten ist der Geretsch eine schöne und interessante Landschaft. 1) A Gerecse turistatérképe, 1 : 40 000, 1995 Das Tarianer Becken und seine Randberge Die Erde ist mehr als 4,5 Milliarden Jahre alt. Seit ihrer Entstehung ändert sich ständig ihr Aussehen. Auch unsere engere Heimat – das Tarianer Becken in der Mitte des Geretsch-Gebirges – ist erst im Laufe der letzten 225 Millionen Jahre entstanden. Damals – im Erdmittelalter – war das Pannonische Becken und weite Teile Europas und Asiens von einem großen Meer – Thetys genannt – bedeckt. Reste dieses Meeres sind 50 heute noch das Mittel-, das Schwarze und das 1 Kaspische Meer. Aus nördlichen Gebieten Europas und Afrikas flossen viele Flüsse in diese Meeressenke und lagerten ihre Sedimente (Schlamm, Sande, Kieselsteine) ab. Daraus und aus abgestorbenen Meereslebewesen entstanden – in 130 Mio. Jahren – unter Druck mehrere Hundert Meter mächtige Gesteine. Zunächst lagen ihre Schichten am Meeresgrund noch waagrecht. Der Gegendruck aus dem Erdinneren drückte die Gesteine langsam nach oben, so dass vor rund 100 Mio. Jahren im Pan-nonischen Becken immer mehr Inseln aus dem flacher werdenden 2 Meer ragten. Durch weitere Heraushebung in der alpidischen Gebirgsbildung (Entstehung der Alpen und Karpaten) – sie begann am Ende der Kreidezeit vor rd. 100 Mio. J. – zerbrachen die Gesteinsschichten und wurden schräggestellt. Diese Krustenbewegungen waren in den vergangenen 10 Mio. Jahren – im Pliozän/Pleistozän – besonders lebhaft und wiederholten sich mehrmals, so entstand durch die Heraushebung der Randberge und das Absinken des Beckens nach und nach das heutige Bild des Tarianer Beckens. Es ist ca. 12 km lang, 5 km breit und liegt 180-200 m über dem Meeresspiegel.3 Es verläuft im Norden in N-S-Richtung, im Süden in NWSO-Richtung, und verengt sich von 5 km im N auf 1,5 km im S. Das nördliche Ende liegt bei Héreg, das südliche bei Tükröspuszta-Vasztély. Das Becken ist von – in Staffelbrüchen angeordneten – Pultschollen umgeben. Eine Pultscholle ist ein Gebirge, dessen eine Seite steil abfällt, die andere ist ein Flachhang, d. h. er fällt allmählich ab. Im Falle des Tarianer Beckens schauen die Steilhänge in Richtung 51 Becken, während die Flachhänge von ihm abgewandt sind. Die am inneren Beckenrand liegenden Berge – erste Staffel mit Tamás-kõ (281 m), Csurgó-hegy (300 m), Kis Somlyó (382 m) im W des Beckens; Fakó-hegy (269 m), Õr-hegy (230 m), Nagy-Seres-hegy (307 m), Jásti-hegy (334 m), Kis Szenék (295 m) im O – sind rd. 120 m niedriger als die am äußeren Rand liegenden Höhenzüge der zweiten Staffel. Letztere ist besonders gut im W und N ausgeprägt. Hier fand die stärkste Heraushebung statt. Beispiele dafür sind: Gerecse (633 m), Fekete-kõ, Fábián-kõ und Pes-kõ (401 m); südlich von Tarian: Baglyas-hegy (433 m) und Somlyó (448 m). Im O liegen die meisten Höhen nur zwischen 230 und 310 m, lediglich der Szenék – östlich von Héreg – erreicht eine Höhe von 399 m. Zieht man das Gebiet des Tolnauer Beckens in die Betrachtung mit ein, dann kann man im W dieses Beckens noch eine dritte Staffel – mit Öreg-Kovács (554 m), Szénás-hegy (549 m) und Kappan-Bükk (534 m) – erkennen. Der Höhenunterschied zur zweiten Staffel (Pes-kõ) beträgt rd. 130150 m. Das Tolnauer Becken hat eine Höhe von 250300 m über NN, d. h. es liegt 70-120 m über dem Tarianer. Das Tarianer Becken ist als Einbruch der einst zwischen den heutigen Randgebieten bestehenden Gesteinsdecke zu erklären. Während sich die Ränder allmählich herausgehoben haben, sank das einstige Deckgestein im Becken in die Tiefe und wurde von Abtragungsresten der letzten 10–12 Mio. Jahre (Jungtertiär — bis heute) bedeckt. 52 53 Diese Annahme wird durch die gleichartigen Gesteine im W und O des Beckens bestätigt. Aus der Zeit von vor 200 Mio. Jahren (Mittlerer Keuper/Trias) stammt der Dachsteinkalk, der den Pes-kõ, Fábián- und Fekete-kõ im W und das Kajmát-Plateau im N sowie Szenék und den Jásti-hegy im O aufbaut. Ebenfalls aus dem Mittleren Keuper stammt der Hauptdolomit, aus dem die Berge Baglyas, Somlyó und Tornyó im W sowie Nagy-Seres-hegy im O bestehen.3 Die Trias-Gesteine wurden an bestimmten – noch vom Meer überfluteten – Stellen, hier an der W-Flanke und im N der Hauptkette des Gerecse, von Jura-Gesteinen überlagert. Die 172 bis 162 Mio. Jahre alten Braunen Jura- oder Dogger-Ablagerungen „rutschten“ bei der Heraushebung nach W und N vom Dachsteinkalk ab. Sie werden v. a. in Tardos und Süttõ als »roter Marmor« abgebaut. Rötlicher Kalkstein aus dem Dogger – mit Ammonshörnern und Brachiopoden als Fossilien – wurden auch am östlichen Beckenrand (Szenék – NagySeres-hegy) gefunden. Unfruchtbare Roterde aus der gleichen Zeit bedeckt die Ostflanken des Somlyó-Berges und der angrenzenden Felder (Schaumloch-Äcker). Die Kieselsteine sind vom fließenden Wasser abgerundete Steine unterschiedlicher Größe. Je kleiner und runder sie sind, desto älter sind sie und umso weiter wurden sie vom Wasser transportiert. Man findet hier Kiesel, die 420 km weit »gerollt« wurden. Die Feuerstein- und Kalkkiesel des Kajmát stammen vom Berg Steinfels bei Dorog. Sie sind ähnlich wie die am NO-Fuß des Pes-kõ liegenden Kieselsteine ca. 27 Mio. Jahre alt (Miozän).4 Da Kalkgestein wasserdurchlässig ist, löst es sich im kohlendioxidhaltigen Wasser auf. Das nennt man 54 Verkarstung. Dabei entstehen verschiedene Karstformen, wie Höhlen, Dolinen oder Karren. Die miozänzeitlichen Verebnungsflächen auf den – das Tarianer Becken umgebenden – Bergrücken sind klein, und deshalb findet man darauf nur bescheidene Karsterscheinungen. Der Pes-kõ (dt. Höhlenstein) – 3 km lang und 1 km breit – der Tarianer »Haus-Berg« weist nur einige bescheidene Dolinen (bombentrichterartige Vertiefungen von max. 15 m Durchmesser und 1 m Tiefe) an der Oberfläche und 2 Höhlen an der Stirnseite der Felsenwand auf. Diese Höhlen entstanden in den Klüften der 2 – 4 m mächtigen Kalkschichten infolge der Hebungsvorgänge unter Einwirkung von Thermalwasser. Die größere Höhle befindet sich in 350 m über NN. Ihr Vorraum ist ca. 3 m breit, 4-5 m hoch und 3 m tief. Um sie rankt sich eine Sage (> Hotter, Bilder). Die zweite Höhle liegt in der Höhe von 360 m. Bei ihrer Entstehung spielten sowohl Thermal- als auch Karstwasser eine Rolle. Über ihr befinden sich heute noch 40 m mächtige 5 Kalkschichten, die im Miozän 100 m dick waren. In der Zeit vor 30–35 Mio. J. (Oligozän/Miozän) entstanden im Tarianer Becken die dicht unter der Oberfläche liegenden Braunkohlen. Das Becken entstand in mehreren Phasen. Seine Ränder bestehen aus Meereston, Sandton, feinem Sandstein der Oberkreide 3 und des Alttertiärs. Sie treten z. B. beiderseits der Straße am Tarianer Kalvarienberg zutage. Nachdem sich vor ca. 27 Mio. Jahren das Meer aus diesem Raum endgültig zurückzog, lagerten die Bäche aus den Randgebirgen riesige Mengen an Schotter, Kies und Sand im Beckeninneren ab. Das Klima war nach wie vor tropisch-subtropisch. 55 Das Eiszeitalter in unserer Gegend Vor ca. 1,5 Mio. Jahren – im Pleistozän – begann das Eiszeitalter. Es ist in 4–5 Kaltzeiten zu untergliedern. Zwischen ihnen lagen die Warmzeiten. Neben NordEuropa waren fast nur die Alpen und Karpaten von Gletschern überzogen. In unserem Becken gab es während der Kaltzeiten wegen der ca. 5 °C tieferen Durchschnittstemperaturen eine Tundrenvegetation, d. h. hauptsächlich Moose und Flechten sowie kniehohe Sträucher. Die kahlen Felsen des Geretsch wurden durch die Frostsprengung in größere Blöcke zerlegt. Diese bewegten sich im Winter und Frühjahr an den steilen SO-Hängen auf dem oberflächlich auftauenden Frostboden langsam hangabwärts. Sie liegen heute noch am Fuße des Pes-kõ und Fekete-kõ. Der Meeresspiegel lag in den Kaltzeiten 100 m tiefer als in den Warmzeiten. Deswegen gruben sich die Bäche in die Verebnungs-flächen der Tertiärzeit ein (Tiefenerosion). Die von den eisbedeckten Gebirgen wehenden Winde transportierten feinen gelben Staub, den Löss , in unser Becken. Er überzieht – ähnlich einer Schneedecke – die Unebenheiten der Landschaft und bildet an manchen Stellen Steilwände (z. B. im SO von Tarian). Auf ihm entstand die fruchtb In den Warmzeiten – sie dauerten ähnlich wie die Kaltzeiten je Hunderttausend Jahre – lag der Meeresspiegel um 100 m höher als in den Eiszeiten, die Wasserläufe verloren deshalb an Transportkraft und lagerten im Tarianer Becken ihre Schotter und Sande ab und schütteten ihre Täler teilweise zu. Sie trugen infolge Seitenersion die Hänge ab. So entstanden die – teilweise mit Löss bedeckten – II. und III. 56 Schotterterrassen am St.-Ladislaus- und Tarianer Bach 5 südöstlich von Tarian. Infolge des Wechsels zwischen Kalt- und Warmzeiten entstand in unserer Beckenlandschaft eine unruhige Oberfläche. Der Beckencharakter ist am besten noch im N – zwischen Tarian und Héreg – ausgeprägt. Zwischen den Talauen und Hügeln werden die 20-30 m Höhenunterschiede durch sanfte Hänge überwunden. Östlich und südöstlich von Tarian – Sövénykert, Kisszállás, Omlási-rétek, Õrhegy – nimmt die Reliefenergie zu, d. h. die Hänge zwischen den Hügelkämmen und Talauen werden steiler, und somit für die landwirtschaftliche Nutzung unrentabler. Teilweise wird dieser Nachteil durch den Löss boden wettgemacht, im flacheren nördlichen Teil dagegen überwiegen Sandund Schwemmlandböden. In den waldbedeckten Teilen der Randgebirge dominiert der sog. braune Waldboden. Im Niederwald auf verkar-steten Untergrund findet man Humuskarbonatboden (Rendzina). Diese Böden sind – in Jahrmillionen ent-standene – feine Verwitterungsprodukte der Gesteine unter Einwirkung des Klimas, der Witterung sowie der Pflanzen- und Tierwelt. Klimatische Verhältnisse Nach dem Ende der letzten Kaltzeit vor ca. 17 000 Jahren entstand allmählich unser heutiges gemäßigtes Klima. Im Tarianer Becken ist eine feuchtkontinentale Variante des gemäßigten Klimas anzutreffen. Im gesamten Geretsch-Gebirge – so auch in unserem Becken – wurde eine Gesamt-Sonneneinstrahlung von 2 102–104 kcal/cm registriert. Das bedeutet im Jahr 1991 Sonnenstunden. Wegen der großen Entfernung zum Meer sind die Sommer heiß und die Winter kalt. Ferner treten Spätfröste auf. Die Wetterstation auf dem Gehöft 57 Tükrösmajor im S des Beckens registrierte – in 40 Jahren – einen jährlichen Niederschlag von 578 mm, wovon 56,7% in der Wachstumszeit fallen.6 Die regenbringenden Westwinde regnen sich an den Bergen am W-Rand ab. Die Abhängigkeit von der Großwetterlage ist aber auch hier gegeben: Es gibt hier neben sehr trockenen-heißen Sommern auch feucht-kühle, ebenso schneereiche kalte, wie schneearme und milde Winter. Die natürliche Pflanzenwelt Vegetation unserer Gegend ist nach und nach in Tausenden von Jahren seit dem Ende der letzten Eiszeit – unter dem Einfluß des Klimas und Bodens – entstanden. Sie gehört zum pannonischen Florenreich (Pannonicum), innerhalb diesem zur transdanubischen Mittelgebirgsfloren-Region (Bakonyicum) und zu deren Pilischer Unterflorengegend (Pilisiense). Bei ihr handelt es sich um eine Mischform zwischen dem mediterranen Karst-Buschwald, den westeuropäisch-atlantischen Buchen-Eichen-Wald und der osteuropäisch-pontischen Waldsteppe. Nördlich vom Pes-kõ findet man einen geschlossenen Eichenwald, während südlich davon v. a. WaldsteppenVergesellschaftungen überwiegen. Am weitesten verbreitet sind – sogar noch auf den Hügeln um 250 m ü. NN – die Eichen- und Eichenschälwälder (Quercetum petraecerris). Die Kalkbänke und Oberfläche des Pes-kõ sind von Karst-Buschwald der pontischen Kremmelkirsche mit Trockenrasens (Ceraso mahaleb — Quercetum pubescentis und Festucetum pallentis Hungaricum) bedeckt. Bäume und Sträucher bilden ein schier undurchdringliches Dickicht. Hauptvertreter unter den Bäumen sind: Flaumeiche (Quercus pubescens), 58 Blumenesche (Fraxinus ornus) und Elsbeere (Sorbus torminalis). In der Strauchschicht – sie ist unter allen Pflanzenvergesellschaftungen die artenreichste – dominieren Kremmelkirsche (Cerasus mahaleb), Kornelkirsche (Cornus mas, in der örtlichen ua-Mundart: ,Tiendl‘) und Ferula (Ferula sadleriana). An manchen Stellen sind diese Assoziationnen von Hang-Trockenrasen mit Federgras (Stipa pulcherrima) – z. B. am Fakóberg (269 m) – unterbrochen. Unterhalb des Karst-Buschwaldes folgt die Stufe der Schuttabhangwälder, so z. B. am SO-Abhang des Peskõ der Linden-Eschen-Schutt-abhangwald (Mercuriali – 7 Tilietum). Nach Wagenhoffer bekam er wohl seinen Namen von den Linden des Schuttabhangwaldes des 374 m hohen Lindners südlich des Somlyó-Berges. Der ,Schomlochburg‘ genannter Berg (448 m) ist von Weißbuchen-Eichen-Wäldern bedeckt, wobei ein weithin sichtbarer breiter Streifen am N-Hang von Trockenrasen bewachsen ist. Entlang der Bachläufe findet man in den tiefergelegenen Stellen des Beckens Schilf- oder Rohrgebiete sowie Weidenbäume. 59 Fließgewässer des Beckens Die Bachläufe überformten – infolge wiederholter Hebungsvorgänge bis in die jüngste Zeit – die Oberflächenformen des Beckens, so dass eine abwechslungsreiche Gitterstruktur entstand. Die Bruchlinien in Längsrichtung des Beckens bestimmen die Laufrichtung der Bäche, die von den Bewohnern einfach als »Graben« (ung. árok) genannt werden. Nur der längste Bach hat einen Namen: »St.-Ladislaus-Bach«. Er entspringt nordöstlich von Héreg aus den Karstquellen am Fuße des Geretsch-Berges. Durch rückschreitende Erosion arbeitete er sich vom Beckenrand bei Héreg immer in Richtung Pusztamarót vor und zapfte das dortige Becken an. Der St.-Ladislaus-Bach nimmt während seines ca. 25 km langen Laufs alle Bäche des Tarianer Beckens auf: Zuerst drei im N der Gemarkung von Héreg, dann – kurz 60 vor der Héreger Brücke – den aus dem Fekete-kõ und Lovász-hegy kommenden Bach, dann den Bach, der den S des Héreger Hotters entwässert und am Sövénykert vorbeifließt. Bei der Gyermelyer Brücke nimmt er den kurzen Bach vom Csatári-Brunnen auf. Danach fließt er durch die Bruchlinie der Omlás-rét (dt. Bruchwiesen) nach Süden. Unterwegs nimmt er noch von links das Bächlein vom Mogyorós-kút (dt. Haselbrunnen) auf. An der Maaner Brücke mündet schließlich der den W entwässernde – durch Tarian fließende – ca. 7 km lange Bach in ihn. Unweit dieser Brücke wurde Ende der 50er Jahre ein Ministaudamm errichtet und der Bach zu einem Fischweiher gestaut. Bevor der St.-LadislausBach unser Becken verläßt, nimmt er noch weitere Bäche auf: So das Wasser einer Quelle am Fuße der Langen-Äcker, die Bäche, die von Vasztély und Tükröspuszta kommen. Der W des Beckens wird von mehreren Bächen entwässert. Der eine entspringt nördlich von Turni und fließt nach NW am ehemaligen Kühebrunnen vorbei, macht dann an der – aufgegebenen – Kenderesi tanya (Õ Hotter) eine Schleife – unterwegs nimmt er das Wasser mehrerer Quellen auf – und fließt an den Stockwald-Äckern und am Kälberbrunnen vorbei zur Tschurgoheit, wo eine weitere Quelle einmündet. Südlich von Tarian – im Hanfland – erreicht er das eigentliche Becken und mündet – in der Höhe des Kissallasch– in der Rohrteicht-Wiesen in den Tarianer Bach. Der Tarianer Bach wird von drei Zuflüssen gespeist, die alle durch Tarian fließen. Der westlichste entspringt in den Ritschmann-Wiesen und fließt durch den Kleegarten und trennt die Neue Welt und das Hanfland von den übrigen Gassen des Dorfes. Der mittlere entspringt im Teichtl und hat einen kleinen Zufluß von 61 dem einstigen Fegedeki-Brunnen her. Der Bach trennt den Kischtarian von der Hintergasse, überquert die Untergasse und vereinigt sich mit obigem Bach im Bereich des neuen Freizeitzentrums im Schulgarten. Von dort fließt der Bach unter den Gärten der Hauptstraße bis in die Höhe des Móricz-ZsigmondPlatzes, wo er sich mit dem dritten »Graben« vereinigt. Der dritte Bach entspringt im NO des Dorfes aus dem 'Rohr' genannten Sumpfgebiet unter den Gärten der Obergasse. Im Tal zwischen den sog. Schulmeister- und Pfarrer-Feldern und den Gärten der Hauptstraße überquert er im S des Dorfes den Móricz-Platz und vereinigt sich hinter den Gärten der Witschker Straße mit den zwei anderen. Nach dem Dammbrücke verläßt er das Dorf und fließt westlich des Friedhofs und der Preßhäuser – am einstigen Zigeuner-Brunnen entlang – in Richtung des Sumpfgebiets »Rohrteicht-Wiesen«, um sich mit dem westlichen Bach zu vereinigen. Dann strebt er am Ochsenbrunnen vorbei der Maaner-Brücke zu, wo er nach ca. 7 km Länge bei 140–150 m über NN in den St.-Ladislaus-Bach mündet. Sumpfgebiete Die im Jungpleistozän – Beginn vor etwa 300 000 J. – stattgefundenen erneuten Senkungen und Hebungen führten zur Entstehung von Sumpfgebieten im Tarianer Becken. Das Wasser der zahlreichen Karstquellen und der Niederschlag sammelt sich in den Senken. Der Grundwasserspiegel – über undurchlässigen Ton-, Letten- und Mergelschichten gestaut – tritt in tiefergelegenen Gebieten an die Oberfläche. Er liegt im ganzen Becken ca. 150 m über Bereich). In diesen Sumpfgebieten entstand eine meistens von Schilf (Phragmites communis) dominierte 62 Pflanzengesellschaft. An Tieren sind die Frösche am meisten vertreten. Daneben kamen früher noch Unken vor. Fische gibt es kaum. Das Grünfüßige Teichhuhn (,Wossahiendl‘) war im ,Rohr‘ auch anzutreffen. Das größte Sumpfgebiet ist das »Rohr« entlang der Obergasse, im N des Dorfes. Es wird – wie die meisten anderen auch – von einer Quelle (im Volksmund 'Brindl' genannt) gespeist. Im dichten Schilfbewuchs gibt es nur kleinere offene Wasserstellen, wo im Sommer Frösche, Wildenten ('Tuckanten') u.a. zu beobachten sind. In der Zeit der kollektiven Landwirtschaft (1950–1990) dehnte sich die Rohrfläche aus, weil die Nutzung der benachbarten Wiesen eingeschränkt wurde. Infolge des in den 60er Jahren im S des Beckens begonnen Braunkohlenabbaus sank der Grundwasserspiegel ab, was sich auch auf die Sümpfe negativ auswirkte: In dem jetzt z. T. trockenliegenden Rohr leben nun auch Hirsche, Wildschweine und Füchse. Eine ganz andere Zusammensetzung der Pflanzenwelt findet man im 'Teichtl' am Waldrand rechts der Straße nach Tata/Totis. Hier gibt es wenig Schilf, aber dafür mehr Binsen (ung. káka) und ,Tschadig‘ (Schwarzes Kopfriet, ung. csáté). Beide wurden von den Bauern für Bindearbeiten im Weingarten benutzt. Wegen der geringen Wassertiefe trocknete das Teichtl in manchen Jahren aus, dann wurde es als Mähwiese genutzt. Wie der ung. Name übersetzt ,StechmückenTeich‘ schon zeigt, gibt es hier viele Gelsen (>Hotter, Fußnote 3). Ein größeres Sumpfgebiet befindet sich im S des Dorfes im Tal zwischen Kisszállás und dem Wald. Je nach Wasserstand bedeckt diese 'Rohrteicht-Wiesen' mal eine größere, mal eine kleinere Fläche. 63 Im N des Sövénykert – an der Grenze zum Héreger Hotter – liegt ein weiteres ,Rohr‘, von einem Bach – der in den Héreger Stier-Wiesen entspringt – duchflossen und gespeist von Sövénykert-Quellen. (Anfang d. 20. Jahrhunderts soll ein Tarianer Bauer bei Schneegestöber auf der Heimfahrt von Héreg mit seinem Pferdeschlitten vom Weg abgekommen und hier – zusammen mit seinen Pferden – ums Leben gekommen sein.) Weitere Schilfsümpfe befinden sich zwischen der Gyermelyer Brücke und dem Csatári-Brunnen sowie am S-Ende des Hotters unterhalb der Langen-Äcker (unweit des Fischteiches). Durch den Bau des Ministaudamms entstand v. a. im N des Fischweihers – in den ehemaligen Wiesen – ein neues Sumpfgebiet mit einer reichen Pflanzen- und Tierwelt. Diesen positiven Aspekt für die Natur mindern die Anglerbuden rings um den Weiher, welche das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen. Literatur/irodalom 1) Die Entwicklungsgeschichte der Erde, Leipzig, 1970, 2 Bd.e, Formationstabelle 2) Udvarhelyi, Károly (Hrsg.), Magyarország természeti és gazdasági földrajza, Budapest, 1968, S. 17 3) Wagenhoffer, Vilmos, A Tarjáni-medence és környéke, Manuskript/kézirat (5 S/o. Text/szöveg + 5 S/o. Abb./ábra), ohne Jahreszahl/évszám nélkül, mit weiteren Literatur-Angaben (s. u.) 4) Vígh, Gyula, Adatok a Gerecse-hegység nyugati részének földtani ismeretéhez, in: Földtani Intézet évi Jelentései 1925-1928-as évekrõl, Budapest, 1935, S. 95 5) Láng, Sándor, A Gerecse perembegysegi részeinek geomorfológiája, in: Földrajzi értesítõ, 1956, Heft 3, S. 177-182 6) Hajósy, Ferenc, Magyarország csapadékviszonyai, 1900-1940, Budapest, 1953, S. 86-89 und 182-183 7) Fekete, G. und Járai-Komlódi, M., Die Schuttabhangwälder der Gerecseund Bakonygebirge, Annales Universitates Scienciarum Budapestensis .... Sectio Biologica, Budapest. 1962, S. 118 64 Deutung der deutschen Familiennamen von Tarian Die Interpretation ungarndeutscher Familiennamen wurde bisher so gut wie außer acht gelassen. Mit dieser Abhandlung soll ein Impuls zur weiteren Erforschung dieses wichtigen Indentifikationsmittels mit unserer Herkunft gegeben werden. Die Namen liefern als relativ altes Sprachmaterial wertvolle – geschichtliche und sprachliche – Erkenntnisse. Seit Jacob Grimm (1785 – 1863) werden die Namen aus älteren Sprachzuständen abgeleitet. Im deutschen Sprachraum gab es bis zum 12. Jh. nur Vornamen. Der Übergang zu erblichen Familiennamen wurde wegen der Ausweitung der Handelsbeziehungen und des Anwachsens der Städte notwendig. Die Rechtsgeschäfte erforderten eine genaue Unterscheidung von Personen, was bei den vorher üblichen Voroder Taufnamen nicht möglich war. In Italien erfolgte dieser Übergang schon im 8./9. Jh. Um 1200 setzten sich – im deutschen Sprachgebiet – die bürgerlichen Namen zu 78% aus Herkunftsnamen [HN] (wie Koblenz, Speyer, Straubinger usw.), zu 20 % aus Ruf- oder Vornamen [VN] (wie Martin, Thoma, Philips, Reiner, Endres usw.) und zu 2% aus Übernamen [ÜN], die nach geistigen und körperlichen Merkmalen gebildet wurden, (wie Klein, Großmann, Sauer, Eberhardt, Eichhardt, Frech, Hartmann, Stark usw.) zusammen. Ab 1300 kamen die Berufsnamen [BN] (wie Müller, Schneider, Schmidt, Tressel usw.) und Wohnstättennamen [WN] (wie Bachmann, Berg, Ortmann, Rosner usw.) in Mode. Während die Berufs65 und Übernamen bis zum Jahr 1500 auf 20 bzw. 30% anstiegen, sank der Anteil der Herkunftsnamen in drei Jahrhunderten auf 30 % ab. Ferner gibt es noch örtliche Namen [ÖN], die auf lokale – örtliche – Namen hinweisen (wie Antretter, Auer, Hollenberger, Stegmaier u. a.) Adam (VN): Beliebter biblischer Vorname (hebräisch = Mensch aus Erde) Aichele*: Deutet auf eine Wohnstätte in den Eichen hin. Ampelner*: Hersteller von Lampen und Gefäßen aus Zinn. Andorfer (ON): Der Vorfahre der Andorfer stammt aus Andorf, einem Dorf in Oberösterreich (unweit von Passau). Heute häufig in S-Deutschland (BadenWürttemberg, besonders in Niederbayern) Antretter (ÖN): Antrat, Antritt sind Höfe in Tirol; trat, tret = Weidetrift; Höfe mit Weidewechselwirtschaft. Kommt heute in Leverkusen, Köln, Lippstadt u. a. vor. Aubele, Aubeli(n) (VN): alemannisch-schwbäbisch für den männlichen VN Albrecht (der an Adel Glänzende). Heute häufig in Oberschwaben, Baden-Württemberg u. a. Auer* (ÖN): Von der Wohnstätte in einem flachen Wiesengelände (= die Au, Aue); als FN oft in München, Mainz, Würzburg, Baden-Württem-berg. Babuschek (slawisch): Großmütterchen, altes Frauchen Bachmann (WN). Nach der Wohnstätte am Bach, einer, der am Bach wohnt. Barthold*: germanischer Personenname (~ Bartheld, Bartels) Baudendistel: Berufsname in Satzform („Bau den Distel“), Distelanbauer: Ein Bauer, der viele Disteln in 66 seinem Acker hatte? Heute in Baden-Württemberg (Achern und Renchen). Bauer (BN): Ähnlich wie Schmidt usw. deutet dieser Name auf den Beruf seines ursprünglichen Trägers hin. Baumgartner [WN]: An Obst- oder Baumgarten wohnend, auch Besitzer von solchen (Obstgärtner) Behringer, Beringer (ON): Einer, der aus Behringen oder Böhringen/Württemberg stammt. Beigelbeck, Beiglbeck (BN): Bäcker, der sich auf das Backen von Beigeln (Mohn-, Nußrollen) spezialisiert hat. Heute in München und Umgebung, BadenWürttemberg (Geislingen, Backnang) Benesch (VN): Tschechisch für den männlichen Vornamen Benedikt (= lat. der Gesegnete) Benisch Benisch (VN) = Benesch, beliebte KF von Benedikt mit slaw. Suffix. Berend*, Berendi ist vom VN Bernd, Bernhard, Behrendt abzuleiten. In den Kanzleien könnte das t mit einem i verwechselt worden sein, so dass aus dem Vomamen Behrendt ein scheinbar ungarischer Familienname Berendi entstand (> Aufzeichnungen in den Tarianer Kirchenbüchern: 1767 und 1768 wurden dem Ehepaar Georg und Anna Berend die Söhne Joseph und Johann geboren; > Namensliste der ersten deutschen Siedler in Tarian). Vielleicht steckt auch eine absichtliche Magyarisierung dahinter. Heute häufig in SW-Deutschland (Trier, Saarburg, Mettlach, Saarbrücken, Mainz), aber auch in Hamburg, Berlin, München, Duisburg. Berger (ÖN): Nach der Wohnstätte am Berge, am Berg Wohnender; eventuell auch Bergmann, Grubenarbeiter (> Hornyák, Huj) 67 Bernwallner (ÖN): Bern = Bären, Wallner = Waldner > der aus dem Bärenwald. Heute in Rottenburg, Freiburg i. Br., Pocking. Blaschek (VN): slawische Form von Blasius (zu Blazek)[ung. Balázs] Braun* (ÜN): Familienname, der sich auf die Augen-, Haar- oder Bartfarbe des Trägers bezieht. Bruder*: Aus vertrauter Anrede entstandener Familienname ( Pratz). Brunner (ON): obd. zu den vielen ON Brunn (Brünn) in Bayern und Tirol; eventuell am Brunnen wohnend oder Brunnengräber, -mann. Heute anzutreffen in Franken und im übrigen Süd-Deutschland. Brunnthaler, Bruntaller*: (ÖN) Einer im einen Tal mit Brunnen Wohnender. Mit -th geschrieben kommt er v. a. in Alt-Bayern vor. Bundschuh (ÜN): Schnürschuh der Bauern im Mittelalter; beim Bauernaufstand 1525 Feldzeichen der Aufständischen; Schnürschuhträger oder aufrührerischer Mensch(?). Heute v. a. in N-Baden und im übrigen Baden-Württemberg weitverbreitet. Ciwis, Civiß: Könnte vom lat. Wort Civis = Bürger kommen, aber wahrscheinlicher ist die Herkunft von Zerbiß, Zerfaß, Zervas, Zirfaß = Servaes, Servatius. Demnach wäre Civiß eine Koseforrn des Vornamens Servatius. Heute in Leverkusen, Krefeld u. a. Czerny (slawisch): ÜN »Schwarz«, d. h. ein Mensch mit dunklen Haaren Dantmann (BN): Tandler, Trödler mit getragener Kleidung handelnd. Heute in Oberbayern anzutreffen. Deberling (BN): Vermutlich von Däbeler, Däbel (Mecklenburg) = mnd. dobeler »Würfelspieler, Würfeldrechsler. Heute in Baden-Württemberg 68 (Heidenheim, Weil der Stadt, Ditzingen u. a.) vorkommend. Denner (zu Tanne): Bewohner einer mit Tannen bestandenen Gegend (Flurname) oder vom ON T(h)ann (~ Don Stuhldon*). In ganz Deutschland weitverbreitet. Dietschi*/ Dietsche: Bedeutete ursprünglich Kloster-, Kirche- in Verbindung mit Schuler (= Schüler) »Kloster-, Kirchenschüler, angehender Kleriker, Student, Scholar«. Oft anzutreffen in Mönchengladbach und Umgebung. Ebert*: VN Eberhart Eberhardt (VN): Nach dem mhd.Vornamen Eberhard = stark wie mhd.Vornamen Eberhard (= stark wie ein Eber). Heute in Dortmund, Düsseldorf, Hannover, Nürnberg, Stuttgart, München, Würzburg, Bruchsal. Eichardt, Eichhardt (ÜN): Hart wie die Eiche, ein starker, ausdauernder Mensch. In Berlin, Erfurt, Münster, Schwerin, Ludwigshafen, Kandel u. a. Eigner: Besitzer eines Eigengutes im Gegensatz zum Erblehen; in Tirol auch oft Hofname. In ganz Deutschland weitverbreitet. Eipl, Eybel, Eibl (ON): Bewohner eines Hauses am Eibengehölz (Flurnamen). Heute vor allem in ODeutschland und Berlin sowie in Dortmund vorkommend. Eiser*: Eisenmann, -händler Ellbacher*: Einer am Ellbach Wohnender (Bach in Saarlouis/Saarland) Elser: ON Elsen, Elsa; ÖN Els = Erle Endres (VN): obd. Formen für Anders, Andres = Andreas (= der Männliche oder der Nacheifernde). Heute in Bayern (Würzburg), Baden-Württemberg, Saarland; Kassel. 69 Erbeskorn (BN): Erbsenhändler; zusammengesetz aus Erbes (mundartl. Erwes = Erbse) und Korn (BN für Getreidehändler). Feil, Fail, Feiler (BN): Feilenhersteller, -schmied. In ganz Deutschland weitverbreitet. Fernekäs, Fernekeß (BN): »fem, firn« = Vojährig, alt, abgelagert (Schnee, Wein), Bauer, der reifen Käse herstellte. In der Pfalz (Worms, Mainz, u. a.) und im Saarland anzutreffen. Filips (VN): Kommt von dem männlichen VN Philipp und bedeutet Sohn des Philipp = Philipps (gr. Pferdefreund). Der erste Filips kam 1883 aus Samed/Szomód nach Tarian. 1923 wurde der Name in Fülöp magyarisiert. Andere Filips mußten in den 30er Jahren ihren Namen in Felhõs ändern lassen. Heute kommt er in Hannover, Hamburg, Dortmund, Karlsruhe und Mannheim vor. Fischer (BN): Familienname, dessen ursprünghche Träger Fischer von Beruf waren. Fleckenstein* (ÖN): Burg in den Vogesen im NordElsaß/Frankreich. Heute in S-Hesen, Odendwald, Spessart, N-Pfalz anzutreffen. Fleischhacker (BN): Bezeichnung für den Metzger oder Fleischhauer. In ganz Deutschland weitverbreitet. Frech (ÜN): Vom mhd. »vrech« (= kühn, keck, verwegen, lebhaft) abgeleiteter Eigenschaftsname. In Südwest-Deutschland u. a. Frey: der Freie im Gegensatz zum Hörigen (Unfreien). In ganz Deutschland weitverbreitet. Fuchs: Teils schlau wie ein Fuchs, teils »rothaarig«, teils Hausname: In Süddeutschland ist es heute noch üblich, dass bestimmte Häuser am Giebel mit Tier- oder sonstigen Figuren geschmückt werden (wie Hirsch, 70 Ochs,Storch, Fuchs). In ganz Deutschland weitverbreitet. Gi(e)gler: von Giegel = Narr. Mit -i- und -ie- geschrieben in ganz Deutschland weitverbreitet. Glas (BN): Glasmann, -händler Goldschmidt (BN): Goldschmied Glück: ÜN zu mhd. 'g(e)lücke' Glück, Geschick, Zufall; Geschickter Mensch Götz (VN): Koseform zu dem männlichen Vornamen Gottfried. Weitverbreitet in ganz Deutschland. Grob (ÜN): leitet sich von grob, derb ab. Vermutlich kommt der später auftauchende Familienname Grof auch von Grob, da das b im Volksmund oft als w gesprochen wird, so dass aus Grob > Grow > Grof wurde. Der erste Grob wanderte 1733 ins Nach-bardorf – Tolnau – ein. Die Grofs kamen im 20. Jh. von dort nach Tarian. Anzutreffen in Bochum, Bottrop, Essen, Herne, Solingen, Mannheim, Konstanz. Grof, Graf: Aufsichtsbeamter mit Gerichtbefugnissen, Verwaltungs-beamter,Vogt, Aufseher, mitunter auch nur im Dienste eines Grafen Stehender (> Grob). Heute anzutreffen in Kaiserslautern, Bad Kreuznach, Esslingen, Sigmaringen, Mannheim, München, Hannover, Düsseldorf und Berlin. Gröschl = obd. Groschen, Gold- oder Silbermünze; inderekter Berufsname: Jemand, der mit Geldeinnehmen zutun hat. Mit -el geschrieben heute anzutreffen in Erlangen, München, Regensburg, Nürnberg, Karlsruhe und Hamburg. Grossmann (ÜN): Ein großer Mensch war Träger dieses Namens. In ganz Deutschland weitverbreitet. Gruber*: Meint den in einer Grube Wohnenden (z. B. Lehmgrube) 71 Hadl*, Hadel: obd. Hettel = Geiß, Ziege; Ziegenhalter, händler Hammer = ÜN von Schmied. Häufig in ganz Deutschland. Handl: obd. Händler. In ganz Deutschland weitverbreitet, besonders aber im S. Hartdegen, Hardegen (ÜN): ndd. Herdegen, Heerdegen; altdeutsch-fränkischer Personenname (Thüringen, Franken); mhd. Degen = junger Held; nd. Haudegen. In ganz Deutschland weitverbreitet. Hartmann* (ÜN): -hard bedeutete ursprünglich »kühn«, ein mutiger Mann. In ganz Deutschland weitverbreitet. Hasenfratz (ÜN): In N-Deutschland bedeutet »fraatz« Fresser, Vielfraß; daraus folgt: Hasenfresser, einer, der viel Hasenfleisch aß. In der Schweiz und am Hochrhein verbreitet. Von dort sollen auch die H. nach Werischwar und von dort über Saar nach Tarian gekommen sein. Heute noch in S-Schwarzwald häufig, aber auch sonstwo anzutreffen. Hau (obd.). Besitzer eines Hauses oder Holzschlages; Hau ist ein Begriff aus der alten deutschen Waldwirtschaft. Früher war der Gemeindewald in Haue oder Holzschläge eingeteilt. Häufig in SÜDWESTDeutschland u. a. Hege (zu Hag, Häge): Dornbusch, Hecke, Hag > am Häge Wohnender. Oft in S-Deutschland anzutreffen. Heidinger (ÖN): Vermutlich Bewohner einer Heide oder eines Ortes in einer Heide. Häufig in Süd-Deutschland, aber auch sonstwo. Heilmann (VN): beliebte KF zu Heinrich. In ganz Deutschland weitverbreitet. Herr: (obd.) ,im Dienste eines Herrn stehend, daher auch Bauernname‘. In ganz Deutschland weitverbreitet. 72 Heßler (ON): Herkunftsname zu den Ortsnamen Hasel, Hesel, Heßlar, Heßler, Häßler (Thüringen, Franken, Westfalen, Hessen). Heute in ganz Deutschland weitverbreitet. Hetzmann: ÜN zu 'hetzen, jagen' Wildtreiber, Jäger; KF zu Herrmann Hilpert*, Hilbert (VN): Althochdeut-scher PersonenName Hildebrecht (= im Kampfe glänzend). In ganz Deutschland weitverbreitet. Höbaus, Höbauß: Wahrscheinlich vom moselfränkischen »Baus« = Hügel Beule (Pausbacke = dicke Backe); hö(ch) = hoch > hoher Hügel = auf einem hohen Hügel Wohnender. Kommt in Deutschland nicht mehr vor. Hodapp, Hodab (ÜN): Hängt mit dem Begriff »däppisch« zusammen. Häufig in N-Schwarzwald, aber auch im übrigen Baden-Württemberg. Hofmann, Hoffmann (BN): Früher Gutsverwalter an herrschaftlichen Höfen (ähnlich Mayer), auch auf Landgütern von Patriziern. Sehr häufig in ganz Deutschland. Hollenberger (ÖN): Nach der Wohnstätte am Hollenberg, d. h. auf einem Berg mit Holundersträuchern. Denkbar wäre auch eine Herleitung von Hohl, Hohlweg. In Großraum Würzburg v. a. anzutreffen. Hornyak, Hornack (BN): wendisch-tschechisch »Berger« = Bergmann (?) > Huj. Beide Formen treten in ganz Deutschland auf. Höß*: ~ Heß; einer, der aus Hessen stammt. Huber (BN): Bauer, Besitzer einer Hufe oder Hube (Hofstätte mit ca. 10 ha Ackerland). Anzutreffen v. a. in S-Deutschland. Huj*, Huy (ÖN): 1) Der Huywald dem Harz im Norden 73 vorgelagerter, bewaldeter Höhenzug, Benediktiner Kloster Huyburg auf der Höhen des Huywaldes; 2) Im Saarland vorkommender Familienname – als Houy geschrieben –, eventuell abzuleiten von frz. »houille« = Steinkohle > BN Bergmann. 3) Stadt in Belgien (Huy) südwestlich von Lüttich. 4) ÜN zu sorb. 'huj, wuj' Onkel, Vetter, Oheim. Als Huy und Houy geschrieben häufig im Saarland und im westlichen Deutschland; mit -j geschrieben v. a. in Baden-Württemberg und Bayern. Imelli (VN): Koseform zu dem männlichen Vorname Immo. In ganz Deutschland nur viermal (Mainz, Aachen u. a.) anzutreffen. Imhoff*: nach der Wohnstätte »Im Hof« Iseli* (BN): Vermutlich von Eisele abgeleitete Kurzform von Eisenhändler. Kommt heute in Baden-Württemberg vor (Weil der Stadt, Leonberg, Ettlingen u. a.). Jelinek, Jellinek, Jelli (?) (ÜN): Slawisch »jelen« = Hirsch > hirschähnliche Erscheinungsform oder Jäger. Heute in Baden-Württemberg und Bayern u. a. anzutreffen. Kahn (BN) = Kahnschiffer, Bootsfahrer. In ganz Deutschland weitverbreitet. Kailbach, Keilbach (ÖN): Anscheinend ein am Bach wohnender grober (?) Kerl. Mit -ai- und -ei- geschrieben v. a. in N-Baden u. a. vorkommend. Kaindl (VN) = Kuenel, Koseform Kainradl = Konrad (bedeutet: der weise Ratgeber). Vor allem in Oberbayern anzutreffen. Kaiser (ÜN): Familienname auch von Bauern, die irgendetwas mit dem Kaiser zu tun hatten, sei es, dass sie nur bei ihm dienten. Käsmann (BN): Käsehersteller, -verkäufer 74 Keller: Kellner, Kellermeister Kienöfner (BN): Kien = harzreiches Kienholz (v. a. Kiefer und Fichte), Öfner = Ofensetzer, -bauer Õ Kienofenbauer Kirschner (BN) = Kürschner, d. h. Pelzverarbeiter, Pelzer Klausenberger (ÖN): Ein am Klausenberg Wohnender; Klause = Einsiedelei (Der Hausname der Tarianer Klausenberger war ,Beckermichl‘.) Zwei in ganz Deutschland (Georgensmünd, Rednitzhembach). Klein* (ÜN): Bezeichnung für kleinwüchsige Menschen. Sehr häufig in ganz Deutschland. Klinge(r) (ÖN): Häufig in S-Deutschland, Bewohner eines Hauses an einer Gebirgsschlucht mit Bach. Sehr häufig in ganz Deutschland. Knopf : Kleiner, runder Kerl (ÜN) oder ein Knopfmacher (BN). In ganz Deutschland weitverbreitet. Koblenz (ON): Der erste Träger dieses Namens stammt aus der Stadt Koblenz, wo die Mosel in den Rhein mündet. Sehr häufig in ganz Deutschland. Kölmel (BN): Alemannisch »Köhl« = Kohl. »Mel« geht wahrscheinlich auf Mehl zurück und steht für Mehlhändler, -verkäufer oder Müller. (Gibt aber mit »köl« keinen Sinn!). Häufig in Baden-Württemberg (Karlsruhe, Rastatt, Ettlingen, Offenburg, Schwarzwald). Krall (zu slaw. kral, krol = König): einst im Dienste des Königs stehender Mensch. Häufig in ganz Deutschland, v. a. aber im N. Kramer*: Krämer, Händler Kranz (BN): Verkürzte Form des Berufsnamens "Kranzbinder, -macher". Sehr häufig in ganz Deutschland. Kraus (ÜN): obd. Krauskopf, -haar 75 Kuntz* Kunz: Koseform des altdeutschen Kaisernamens Konrad (Kunrad) Kupfer* (BN): Bezeichnung für den Kupferschmied. Hat nichts mit dem »Koffer« (in den ua-Mundart »Kupfer« zu tun!). Fast in ganz Deutschland, v. a. in München, Nürnberg, Bamberg, Bad Homburg u. a. Leber (BN): Wohl – von Leberwurst abgeleiteter – Übername des Fleischhackers, Metzgers. Häufig in ganz Deutschland. Leib = Laib: ÜN des Bäckers; mhd. »leip« = Brotlaib oder ahd. »liob«=lieb. Sehr häufig in ganz Deutschland, besonders aber im S. Leininger (ON): nach den ON Leiningen b. Greiz, Leiningen/Hunsrück, Leiningerhof (Dornham) Leske (zu slaw. Les = Wald): Waldbewohner; sorb. Leske= Haselnußstrauch; Vor allem im nördlichen Deutschland anzutreffen. Liebl (VN): obd. Koseform (Lieble, Lieblein) zu Liebhard (= obd. Vorname). In ganz Bayern vorkommend. Lunzer (ON): Stadtname – Lunz – in Nieder-Österreich. Heute v. a. in S-Deutschland. Meitner = Mäutner, Mautner: (bair.-österr.) MautEinnehmer, Zöllner Martin (VN): Nach dem römischen Kriegsgott Mars = der Krieger oder nach dem heiligen Martin. Familien mit diesem Namen nannte man in Tarian auch Merx. Sehr häufig in ganz Deutschland. Marx (VN): Von dem männlichen Vornamen Markus, Mark (= der Hammer) abgeleitet: Sohn des Marks (> Merx).Sehr häufig in ganz Deutschland. Matkovics, Matkovic: Von Matthias abgeleitet mit dem südslawischen Suffix c. Merx (VN) = Marx; abgeleitet von Marks. (> Martin). Sehr häufig in ganz Deutschland, besonders im N. 76 Metlager: Einer, der Met (= gegorener Honigsaft) lagert. Ursprünglich: Metlagerer. Meyer, Mayer*, Maier, usw. (BN): vom Lateinischen »major villae«, Verwalter, Pächter von Höfen; Bewirtschafter des Hauptgutshofs, Gutsverwalter, Aufseher über das bäuerliche Abgabewesen, auch Erbpächter. Mikonya: Vermutlich slawischer Herkunft. Es könnte etwas mit Pferd zu tun haben. (Kónya = Stadt in der Türkei). Kommt in Deutschland heute nur in Mühlacker und Görlitz vor. Monz, Manz (VN): Koseform von dem männlichen Vornamen Mangold. Sehr häufig v. a. in SüdwestDeutschland (Saarland u. a.). Müller (BN): Meint den Mühlenbesitzer oder den in der Mühle Tätigen. Nagel, Nagl: ÜN des Nagelschmiedes Neubauer(BN): Ähnlich wie Bauer deutet dieser Name auf den ausgeübten Beruf hin. (Gegensatz zu Altbauer). Sehr häufig in ganz Deutschland. Niederecker = Ecker, Eck, nach der Wohnstätte an der unteren, niederen Ecke, an der Ecke wohnend; in Tirol: Egger, Egg = Eck. Heute im Großraum München anzutreffen. (Einer davon stammt auch aus Tarian.) Niedermann = der niederwärts – weiter unten – Wohnende Niesner, Nießner (VN): Von Nieß, Niesel, Nißle Koseform von Dionys; ON Niesen. Sehr häufig in ganz Deutschland v. a. im Süden. Oppenauer (ON): Von dem Ort Oppenau im Schwarzwald (östlich von Offenburg) Ort(h)mann: Der am Ort, am Ende des Dorfes, der Straße Wohnhafte. Sehr häufig in ganz Deutschland. 77 Palatin (lat.): Hügel in Rom; frühere Bezeichnung des Pfalzgrafen (Besitzer einer Burg oder Palastes). Heute im nördlichen Baden-Württemberg anzutreffen. Papp: (Bay., Tirol), schwäb. Bapp; mhd. pap = Kinderbrei. Sehr häufig in ganz Deutschland. Pertl (VN): Bertel, Koseform zu Bertold (mhd. »der glänzend Waltende«). Sehr häufig in Oberbayern. Pilsinger(ON): ON Pilsing in Bayern Pinter*: Meint den Fassbinder, obd. Pinder, Pinther. Plett (ON od. BN): Nach den Orten Plettau, Plettenberg; häufig in Hamburg; Plätte = landschaftlich Bügeleisen, Plätterin = Bügelfrau; Platt = Hochläche; bair.-östr. Plätte = flaches Holzboot oder Schiff. Sehr oft im nördlichen Deutschland anzutreffen, aber auch im S. Pokorny (ÜN): Tschechisch-polnisch „untertänig, demütig“, ein dienerhafter Mensch. Sehr häufig in ganz Deutschland. Porst (ÜN): obd. Familienname, der sich von mhd. »borst« = Borste ableitet; ein borstiger, unangenehmer Mensch. Sehr häufig in ganz Deutschland. Pratz (ÜN): Von Brat (slaw. »Bruder«; > Bruder); Angeber, Muskelprotz. Oft im nördlichen Baden-Württemberg, aber auch in Bayern u. a. Prech: Vermutlich eine Abkürzung des Holzhandwerker-Berufs, der Hanf- und Flachsbrechen (uaMundart: Prechln) herstellte. Es könnte aber auch die Koseform von Albrecht Brecht oder Precht dahinter stecken. Als Prech geschrieben kommt der Name in geringer Zahl in Baden-Württemberg und Saarland vor. Mit B geschrieben ist er sehr häufig in ganz Deutschland von N bis S, v. a. aber im westlichen Teil. Puchler: Puchel, Püchl, Püchler = obd. Büchler > am Buchenwäldchen Wohnender. In ganz Deutschland, v. a. aber im S. 78 Reich*: Meint einen reichen Menschen. Reiner (VN): Nach dem männlichen Vornamen Rainer, Koseform von Reinhard oder Reinhold; Reinher war ein beliebter Personenname. In ganz Deutschland, v. a. aber in Bayern und Baden-Württemberg anzutreffen. Reinhardt (VN): Männlicher Vorname – abgeleitet vom germanischen Ragin-, Regin-hard, was »im Rate kühn« bedeutet. (= Ein mutiger, starker Mensch). Sehr häufig in ganz Deutschland, v. a. aber im N. Reiser (oft in Bayern und Baden-Württemberg): Von Reisig, Reisicht, Gesträuch; Beiname der Familien Salzinger Reismüller (ÖN): Besitzer einer Mühle im Reisig, im Gehölz. In Baden-Württemberg und Bayern u. a. anzutreffen. Riemelli* (BN): alemannische Verkleinerungsform von Riemen = Riemenschneider > ÜN des Schusters. Heute ausgestorben. Ries = Sumpfort (ris), feuchte Stelle im Wald; Riese = großer Mensch, ÖN Ries, Rieß. In ganz Deutschland vorhanden. Riesing : Rieser (schweizerisch) alemanische Form von Reiser; zum örtlichen Namen Ries: Reisig, Reisicht, Gesträuch; Ortsname Ries bei Passau. Heute in ODeutschland (Chemnitz, Halle u. a.) anzutreffen. Ritschmann (VN), auch Rutschmann, Rütschmann, obd. Koseform zu Rudolf; ebenso: Rietsch aus Rütsch KF zu Rüdiger bzw. Rudolf; Kommt heute in NordBaden vor. Roland: Paladin Karls des Gr. > VN Roland – germ. Form (H)rodnand = ruhmvoll und kühn. Sehr häufig in ganz Deutschland. Rosner (ON): Bezeichnet die Herkunft von Rosenau (Schlesien, Böhmen, Mähren). Es wäre auch denkbar, 79 dass ein Rosenzüchter gemeint ist. Sehr häufig in ganz Deutschland. Rossmann* (BN): Roßhändler, -bauer. Sehr häufig in ganz Deutschland. Ruppert (VN): KF zu Rupprecht (ruhmglänzend) Ruth*: Biblischer, weiblicher Vorname Sahm, Sam: (Ostpreußen) slaw. Personenname Samo oder Samtweber > Samweber (Hat nichts mit dem ung. Wort »szám« = Zahl, Nummer zu tun!); Kommt heute in Bad Homburg, Frankfurt a. M., Mainz u. a. vor. Salzinger (BN): Salzsieder, -händler; Heute in BadenWürttemberg und Bayern verbreitet. Samweber (BN): Sam(me)tweber oder Samthändler; Kommt in Ost-Bayern vor. Santner (ÖN): Nach einer Wohnstätte auf sandigem Gelände; eventuell auch Sandfuhrmann, Sandgrubenbetreiber (> Sentner); Häufig in München. Sauer (ÜN): Ein böser, grimmiger Mensch; Anzutreffen in Bonn, Ruhrgebiet, Frankfurt a. M., Heidelberg, Hannover, Berlin. Schäffer*, Scheffer* (BN): Schäfer, Schafhirt, -halter Schalkhammer (ÜN): Schalk = Leibeigener, Knecht, Mensch in dienender Stellung, später auch von knechtischer Gesinnung, böser, loser Mensch; Hammer = ÜN von Schmied. Daraus folgt, dass Schalkhammer ein leibeigener Schmied oder Schmiedeknecht war. Ist heute nur zweimal anzutreffen (so in Wolfratshausen). Schaller* (ÜN): mhd. Prahler, Angeber, Aufschneider. Sehr häufig in ganz Deutschland. Schatz (BN): Jemand, der es mit Geld- oder sonstigen Schätzen zu tun hat, Schatzmeister. Sehr häufig in ganz Deutschland. 80 Scheirich (zu Scheuer, Scheune): ein in der Scheuer beschäftiger Mensch. Heute v. a. in Baden-Württemberg und Bayern vorkommend. Schenk (BN): mhd. »schenke« = einschenkender Diener; später auch Hofamt (Mundschenk). Sehr häufig in ganz Deutschland. Scherlein (BN): von obd.-bair. Scherl = Schere; ÜN des Scherenschleifers bzw. Scherers (Tuch-, Gewand- oder Bartscherers); Kommt heute in Mittelfranken vor. Schindler (BN): Oberdeutsch-schlesisch der Hersteller hölzerner Dachschindel. Im Mittelalter waren Privathäuser fast nur mit Schindeln gedeckt. Sehr häufig in ganz Deutschland. Schlägel, Schlegl (BN) = obd. Werkzeug zum Schlagen, vielleicht Schlächter. Schleicher*: Ein leise gehender, schleichender Mensch. Schmölz (BN): kommt von Schmalz, d. h. Schmalzhändler. Kommt heute in Oberschwaben (Füssen, Isny u. a.) und im übrigen Süd-Deutschland vor. Schneider* (BN): Berufsbezeichnung. Sehr häufig in ganz Deutschland. Schreck*, Schröck*(bayerisch): Einer, der anderen Angst macht, einen Schrecken einjagt. Schütt = obd. Schütz(e): Meint im allgemeinen den Feldschütz, Flurschütz oder Feldhüter, aber auch den Schützen (= Schießender). Schwarzinger (BN): Meint wohl den Schwärzer, d. h. den Tuchfärber. Der erste Träger dieses Namens kam in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts aus Österreich (Schw. Michael, * in Simonsfeld/NÖ.) nach Tarian. Er war Schmied und k. & k. Pferdearzt i. R. und ließ sich hier als Kuhschmied nieder. Daher der Beiname der Schwarzingers »Kuischmidt«. Heute in 81 Baden-Württemberg, Bayern und Ruhrgebiet anzutreffen. Schweizer: ein aus der Schweiz stammender Mensch Seiler (BN): Hersteller von Seilen, Stricken, Schnüren, Kordeln Seipel*: KF zu Seipolt, Seibold; häufig in Oberschwaben, Bayern Sentner (ÖN): Ähnlich wie Santner von Sand (Sänd) abzuleiten (> Santner). Anzutreffen in BadenWürttemberg, Bayern, aber auch in N- und WDeutschland. Simonek, Schimonek (VN): slawisch-polnische Form von Simon (=Erhörung). Mit Si- geschrieben im westlichen Deutschland von Norden bis Süden; mit Schi- geschrieben in Hamburg und Pinneberg. Singer (ON oder BN): Nach der Stadt Singen westlich des Bodensees oder nach Sänger, Kantor, Musiker. Sehr häufig in ganz Deutschland. Skóza: Slawischer Name, dessen Bedeutung nicht geklärt werden konnte. Kommt in ganz Deutschland nur einmal vor (Grevenbroich). Sommer = Jahreszeitenname, der mit der beruflichen Tätigkeit im Sommer zu tun hat. Sehr häufig in ganz Deutschland, besonders aber im N. Speidler*: Speiel, Speil (obd.), Spail (ua-Mundart) = Holzsplitter, -keil, übertrieben: Grobian. Speier (ON): Dieser Familienname hat seinen Ursprung in der Stadt Speyer am Rhein. Sehr häufig in ganz Deutschland. Springinseis (BN): Satzname, der besagt: »Spring ins Eisengeschäft!«, d. h. Eisenhändler oder -bearbeiter. In Deutschland ausgestorben. 82 Stegmaier (ÖN): An einem Steg ( = schmaler Fußweg) oder Brücke wohnender Maier. = Stegmar ( > Meyer). Besonders häufig in Baden-Württemberg. Stein, Steiner (ON): Kommt von den häufigen Ortsnamen Stein, Steine, Steinau usw. Sehr häufig in ganz Deutschland. Stemmberger*: Flurname Stämmberg, d. h. Berg mit Bäumen (Holzstämmen) Stockbauer (ÖN): An einer geredeten Waldstelle (mit Baumstümpfen) wohnender Bauer. Heute sehr häufig in Bayern, aber auch in Baden-Württemberg. Straubinger (ON): Ist auf die Stadt Straubing in Niederbayern zurückzuführen. Häufig in Bayern. Strehli / Streli (ON): Ostdeutsch-slawischer Ortsname Strehla/Elbe in Sachsen; Strehlen/Schlesien. Mit -i kein einziger in Deutschland, aber sehr viele als Strehl und Strehle. Struphart / Struphaar: Aus Strupp und Hardt zusammengesetzter Name. Strupp = struppig, stachlig, »graunpert«; Hardt = Hirte (von herde, harde). Also ein Hirte mit zerzaustem Haar. Stuldon*, Stuhldon: Zusammengesetzter Name aus Stuhl + Don, d. h. Stuhlhersteller (= Tischler, Schreiner), der Tannenholz (Don, Thon) verarbeitete. Kommt heute in dieser Kombination nicht mehr vor, aber es gibt in Deutschland viele, die Stuhl oder Don, Ton, Thon heißen. Thoma, Toma (VN): Ist eine Form von Thomas (= hebr. Zwilling, Patron der Bau- und Zimmerleute). Häufig in S-Deutschland, aber auch sonst weitverbreitet. Tietschi > Dietschi Tobik (VN) = Tobias (hebr. Gütig ist Gott) mit der slawischen Endung -k (Aus Tolnau heirateten mehrere 83 Tobik-Mädchen nach Tarian.). Bis auf einen ist die FN in Deutschland nicht anzutreffen. Tontsch*: männlicher Vorname, der auf Antonius, Anton zurückzuführen ist. Von diesem FN gibt es heute noch sehr viele in ganz Deutschland. Tressel (BN): Leitet sich vom Drechsler über Drechsel Drexl(er), Dressel, Dressler, Dres(e)l, Tres(e)l ab. In Oberfranken kommt dieser Name heute noch oft vor. Früher gab es Holz-, Knochen-(Bein-), Elfenbein- und Bernsteindrechsler. In Tarian sagt man Tresl, schreibt aber seit den 30er Jahren – madjarisierend – Treszl. In allen Schreibvarianten v. a. in S-Deutschland häufig anzutreffen. Mit -ssel v. a. im SÜDWEST in der weiteren Umgebung von Trier + West-Pfalz, Saarland, aber auch in Nürnberg, Augsburg, Tübingen, Berlin u. a. Mit -ssl, -ßl in Winnenden, Bergelen, Immenstadt usw. Utto ist mit dem VN Otto gleichzusetzen. (= der Besitzende). In München und Umgebung gibt es davon heute vier; einen gibt es in Giengen, dessen Träger aus Tarian stammt. Vetter: Mittelhochdeutsch = Vaters Bruder, Vetter. Sehr häufig in ganz Deutschland. Vogel, Vogl, Fogl (ÜN) bedeutet soviel wie Vogelfänger. Sehr häufig in ganz Deutschland. Walter* > Wolter Walz (VN): obd. KF zu Walt(h)er ( > Wolter). Sehr häufig in ganz Deutschland. We(h)rli / Werle (VN): Auch Wehrle alem. Koseform zu Werner; Werli (Werlin) Wernher. Heutige Verbreitung: Hamburg, Braunschweig, Baden-Württemberg und West-Deutschland. Weiler (ON): Ursprünglich Bewohner einer kleinen Siedlung von der Größe einer ungarischen Pußta (3 bis 84 15 Häuser). In Süd- und Südwest-Deutschland weitverbreiteter Ortsname. Ähnlich wie Filips wurde auch Weiler magyarisiert (1923) in Vértes. Sehr häufig in ganz Deutschland. Weiß (ÜN), damit ist wohl ein Mensch gemeint, der blondes Haar hatte, zur Unterscheidung von schwarzem Haar. Sehr häufig in ganz Deutschland. Weißgerber (mhd. wißgerwer): Der das Leder weißgar macht, mit Alaun gerbt. Sehr häufig in ganz Deutschland. Weißwasser (ON): Nach einer Wohnstätte am weißen – schäumenden – Wasser oder nach der Ortschaft Weißwasser in Sachsen. Heute ausgestorben in Deutschland. Wicha: Vermutlich slawisch »hoch, groß« > ein großer Mensch. Von N bis S häufig anzutreffen. Windisch (= Wendisch): der Wende oder Sorbe (Wenden: eine slawische Volksgruppe in der Lausitz). Sehr häufig in ganz Deutschland. Witek, Vitek (VN): Koseform zum slawischen Personennamen Wito-slaw; Vor allem in N-Deutschland häufig, aber auch in S nicht selten. Wittmer*: ON bei Wolfenbüttel Wolter (VN): KF zu Walt(h)er (> Walz). Besonders in NDeutschland verbreitet. Diese Interpretationen der Familiennamen lassen nur schwer genaue Rückschlüsse auf die Herkunft der Träger zu,da schon vor der Auswanderung nach Ungarn eine starke Durchmischung stattfand. Abkürzungen: KF= Koseform, ON = Ortsname, ÖN = örtlicher Name, VN = Vorname, ÜN = Übername; ahd.= althochdeutsch (800–1000 n. Chr.); mhd = mittelhochdeutsch (1000–1500 n. Chr.); nhd.= 85 neuhochdeutsch (ab 1500 n. Chr.); obd.= oberdeutsch (Sprachraum südl. der Mainlinie). * Namen mit * bezeichnen die ersten deutschen Siedler in Tarian Mitte des 18. Jahrhunderts. > Namensliste der ersten deutschen Siedler. Literatur: Hans Bahlow, Deutsches Narnenslexikon, 576 S., Bindlach, 1990; Werner König, dtv-Atlas zur deutschen Sprache, 248 S., 5. Auflage, 1983; Naumann , Horst, Das große Buch der Familiennanmen, Falken Verlag,1996 Von der Geburt bis zum Kindergarten Wie aus der Geburten-Statistik des Dorfes zu ersehen ist, gab es – wegen der fehlenden Geburtenkontrolle – bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts – v. a. bei den ärmeren Leuten – reichlich Nachwuchs. Reiche Bauern – Deutsche und Ungarn – hatten in der Regel weniger Kinder, um ihren Besitz nicht zu zersplittern. D. h. ihnen muß schon eine Art Verhütung oder Abtreibung bekannt gewesen sein. Die Schwangerschaft – im Volksmund »In-anderenUmständen-sein« genannt – war mehr oder weniger dem Zufall überlassen. So kam es oft vor, dass auch ältere Frauen noch Kinder zur Welt gebracht haben. Eine medizinische Betreuung der Schwangeren war so gut wie unbekannt. Wegen der schweren körperlichen Arbeit, die Frauen auch während der Schwangerschaft in Haus und Feld verrichteten, gab es sicher manche Fehlgeburten. Ebenfalls hoch war – wegen der fehlenden Hygiene und nachgeburtlichen medizinischen Betreuung – die Säuglings- und Kleinkinder-Sterblichkeit. Die Geburt erfolgte so gut wie immer in den beengten räumlichen Verhältnissen der häuslichen Wohnung. Nur die Hebamme und einige erfahrene ältere Frauen waren 86 dabei. Heißes Wasser und saubere Leintücher waren die einzigen hygienischen Hilfsmittel. Traten bei der Geburt Komplikationen auf, wie Steißlage oder war ein Kaiserschnitt notwendig, versuchte man die Gebärende noch mit dem Pferdewagen ins Spital oder zum Arzt zu bringen. Nicht selten starben dabei Mutter und Kind… Jede Familie hatte eine Patenfamilie. Sie übernahmen gegenseitig die Tauf- und Firmpatenschaft aller ihrer Kinder. Das vererbte sich über mehrere Generationen. Die Patenschaft wurde in der Regel von der Mutterseite weitergepflegt. War die Mutter von auswärts, kamen die Pateneltern des Vaters, bzw. deren Kinder in Frage. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zu einer Auflockerung dieser Tradition. Die Patin nannte man Godl (Kautl), den Paten Göd (Keit). Etwa vier Wochen vor der Geburt eines Kindes besuchten die Eltern die Godl, um sie zu bitten, die Patenschaft zu übernehmen. Das bezeichnete man als »Anreden«. Nach der Geburt kam die Hebamme (Heifammin) noch eine Woche zu der Wöchnerin, um das Neugeborene zu baden und um sie in Sachen Hygiene zu beraten. Die junge Mutter blieb im Winter etwa eine Woche im Bett, im Sommer nur drei Tage! Es war 87 Tradition, dass im Wochenbett die Mutter von der Patin versorgt wurde. Sie brachte das daheim gekochte Mittagessen (Suppe, Fleisch und Kuchen) in einem besonderen Essgeschirr – dem sog. Goudlhäifa – mit. Im Gegensatz zu heute taufte man die Neugeborenen schon 2-3 Tage nach der Geburt, damit es im Falle eines frühen Todes – ungetauft – als Heide in die Hölle kommt. Die Anmeldung des Kindes im Pfarramt und im Rathaus nahm die Hebamme vor. In der Regel war die Taufe am Sonntagnachmittag nach der Litanei (Segen). Dem Täufling wurde ein weißes Kleid angezogen, auch das Kissen (Polster) war weiß. Die Godl brachte als Geschenk noch ein weißes Tuch mit, mit dem das Kind zusätzlich zugedeckt wurde. Das Kind wurde nur von der Patin und der Hebamme in die Kirche getragen. Beim Verlassen des Hauses sagte die Godl: »Den Heid tragen wir raus, den Christ bringen wir nach Haus.« Am Abend des Tauftages feierten die Eltern und die Paten ein wenig. Zum Abendessen gab es Hühnersuppe, gekochtes Fleisch mit Tomaten- (Paradeis-) oder Meerrettich- (Krein-) Soße und Gebäck (Pocherei). Die Erstgeborenen bekamen meistens den Vornamen der Eltern, die Nachgeborenen den der Paten- oder Großeltern. In der Ansiedlungszeit gab es noch die Vornamen Heinrich, Konrad, Philipp, Bartholomäus, Joachim. Später kamen immer mehr Johann, Josef, Michael, Georg, Franz, Anton u. a. auf (> Namenslisten). Bei den Mädchen und Frauen gab es anfangs noch Dorothea, Angela, Viktoria und Ottilia, diese wurden dann abgelöst durch Maria, Anna, Theresia, Franziska, Barbara u. a. Diese Vornamen hatten den Vorteil, dass man sie sowohl deutsch als auch ungarisch gebrauchen konnte. Typisch deutsche Vornamen gab es – bis auf einen – schon vor dem Zweiten Weltkrieg keine mehr. 88 Ein alter Mann in der Obergasse – Georg Weiler – wurde Hans-Jürgl-(Hauns-Üagl) Vetter genannt, wohl in Erinnerung an die Herkunft der Vorfahren aus dem Schwarzwald, wo man zu Georg Jürg(l) oder Jörg(l) sagt. Die Nachkriegsjahrzehnte brachten auch auf dem Gebiet der Vornamen eine Madjarisierung: Immer mehr deutsche Eltern gaben ihrem Kind einen ungarischen Vornamen, wie László, Attila, Béla, Tibor, Ildikó, Ilonka, Csilla usw. Damit wollte man auch eine – spätere – Benachteiligung im Leben verhindern. Eine ähnliche Erscheinung gibt es auch in Deutschland, wo Träger ausländischer Familiennamen – gewissermaßen als Ausgleich – typisch deutsche Vornamen haben… Der Säugling war im ersten Lebensjahr in ein Kissen (Polster > Polsterkind) eingewickelt. Das Kind wurde diagonal auf das Kissen gelegt, danach das untere Ende und die zwei Seitenecken eingeschlagen, schließlich mit einer breiten Schleife (Maschn) zusammengeschnürt. Auch die Ärmchen wurden so eingebunden. In dieser – beengten – Lage hatte es nicht viel Bewegungsfreiheit. Es konnte nur auf dem Rücken liegen. Wenn es weinte (röehrte), gab man ihm zur Beruhigung einen Schnuller (Zuzl) oder man formte aus etwas Mohn bzw. Zucker – in ein Taschentuch (Schnäuztiachl) eingebunden – eine kleine Kugel und steckte sie dem Kind in den Mund… Während das Polsterkind anfangs meistens noch im Bett neben der Mutter lag, kam es später in die Wiege (Wieagn). Sie stand längs vor dem Bett der Mutter und konnte von dieser – bei Bedarf liegend – bewegt werden. Größere Kinder lagen – bei Platzmangel und der war immer gegeben – nachts wieder neben der Mutter (Muada). Die Nestwärme tat den Kindern gut. Sie fühlten sich geborgen neben der Mutter. Schon früh begann sie – morgens und abends – mit dem Kind zu beten. 89 Waren die Kinder älter waren, teilten sich machmal 23 Geschwister ein Bett, wobei eines mit dem Kopf auch am Fußende liegen mußte, damit sie genug Platz hatten. Kleinstkinder wurden auch schon aufs Feld mitgenommen. Sie lagen auf dem Wagen, während die Eltern arbeiteten. Bei manchen Kindern löste dieses Alleinsein Ängste aus. Man versuchte die Kinder ohnehin durch Angstmachen vor bestimmten Gefahren, die überall lauerten (z. B. durch Giftschlangen, offene Brunnenschächte), zu schützen. Man erzählte ihnen z. B., dass bei Dunkelheit die »Nachtkuh« (Nochtkuah) käme und die Kinder mitnimmt. Deshalb kehrten die Kinder bei Dunkelheit rechtzeitig heim… Bemerkenswert ist noch, dass in den ersten Lebensjahren bis in die 40er Jahre des 20. Jahrhunderts alle Kleinkinder – also auch die Buben – ein Kleid trugen, das hinter zugeknöpft war! Erst im Kindergarten begann man den Buben Hosen und Janker anzuziehen. Die Mädchen (Madl) trugen schon im Kindergarten die ortsübliche Volkstracht mit Joperl (eine Art Bluse) und Kiedl (Faltenrock). Die ungarischen Mädchen dagegen trugen bereits im Kindergarten ein einteiliges Kleid, d. h. sie waren wie ihre Mütter »herrisch« (hearrisch) gekleidet. Im Sommer gingen natürlich alle Kinder barfuß (bloßfüßig), was manche Fußverletzungen mit sich brachte. Tarian war eine der wenigen Gemeinden in Ungarn, die vor dem Zweiten Weltkrieg einen staatlichen Kindergarten hatten. Vermutlich war beabsichtigt, die deutschen Kinder schon hier in ungarischer Sprache zu erziehen. Da die deutschen Kinder kein Wort ungarisch sprachen, fiel es den meisten sehr schwer, sich einzugewöhnen, zumal sie den ganzen Tag drinbleiben mußten. Über die Mittagszeit mußten sie sich zum 90 Schlafen hinlegen. Da die Zahl der deutschen Kinder überwog, sprachen sie meistens untereinander auch ihre Muttersprache. Als sie dann – wieder getrennt von den reformierten ungarischen Kindern – eingeschult wurden, begannen erst recht die Probleme mit dem Ungarischen, da im Kindergarten, außer einigen Kinderreimen nicht viel hängenblieb… 1) Die Taufe (Artikel über die Tarianer Taufsitten). In: Deutscher Kalender, 1982, Budapest, S. 146/47 So lebten wir früher Einst, als die meisten Menschen noch in der Landwirtschaft beschäftigt waren, herrschte im Juli und August auf dem Dorf ein reges Treiben. Es war die Zeit der Getreideernte. Das »Romocha« – wie man bei uns die Ernte nannte – erforderte viele fleißige Hände, da damals noch alles von Hand gemacht wurde. Als im Juli das erste Getreide reifte, fingen die Bauern mit den Erntevorbereitungen an. Zuerst wurde die Sense (Sengst) gedengelt, d. h. durch Hammerschläge geschärft. Dazu brauchte man ein Dengelstöckel, welches aus einem etwa dreißig Zentimeter langen Rundholz bestand. Dieses war am unteren Ende zugespitzt, damit man es in den Boden schlagen konnte. Am oberen Ende befand sich der Dengelamboß, auf den man die Sensenschneide drauflegte. Mit der linken Hand wurde das Sensenblatt gehalten, mit der rechten Millimeter für Millimeter die Hammerschläge ausgeführt. So ist die stumpfe Schneide langsam wieder scharf geworden. 91 Das Dengeln – bei uns als Dangeln bezeichnet – wurde gewöhnlich im Sitzen ausgeführt. Dazu schlug man das Dengeletöckel in den Boden, daneben legte man eine Wolldecke (Kotzen). Der Dengler setzte sich darauf und nahm das Stöckel zwischen die ausgestreckt auf dem Boden liegenden Beine. Die rhythmischen Klänge des Dengelns waren weit hörbar. Im Gegensatz zur Grassense bekam die Getreidesense noch einen Rechen (Recherl) in die Nähe des Blattes montiert, damit die Halme beim Mähen schön zusammenblieben. Das war für das Garbenbinden, von größter Wichtigkeit. Die schwerste Arbeit bei der Ernte hatte der Mäher (Mohder). Für ihn war es eine große Anstrengung, den ganzen Tag über bei großer Hitze zu mähen. Dies galt besonders für den bis zu zwei Meter hohen Roggen (Trad). Die erste Mohd war die schwerste, da rechts zum Ausholen mit der Sense kein Platz vorhanden war. Eine abgemähte Reihe (Mohd) war etwa hundertzwanzig Zentimeter breit. Alle Mohden wurden so gemäht, dass sich die abgeschnittenen Halme an die noch stehenden anlehnten, was den nächsten Arbeitsgang erleichterte. Der Mäher hatte am Hosengürtel (Housenriema) den Wetzsteinköcher (Kumpf) hängen. In ihm befand sich der Wetzstein (Weitzsta) mit etwas Wasser. Von Zeit zu Zeit mußte die stumpf gewordene Sense mit dem Wetzstein nachgeschärft (gewetzt) werden. Hinter dem Mohder folgte meist eine Frau mit der Sichel in der rechten Hand. Sie hieß bei uns Aufwöhl(n)erin und hatte die Aufgabe, die Halme zu einer Garbe (Gorem) zusammenzuraf-fen. Neben ihr ging der sog. Bandbreiter (Pandlprada), ein Kind, welches die Strohbänder auf den Boden legte, mit denen die Garben zusammengebunden wurden. 92 Wenn genügend Arbeitskräfte vorhanden waren, konnte eine weitere Person das Binden der Garben übernehmen. Zum Binden benutzte man den sog. »Bindnagel« (Pintnogl): Einen ca. 50 cm langen – an einem Ende spitzen – Holzstab. Mit seiner Hilfe wurde das gebundene Strohseil mehrmals gedreht, damit es die Garbe fest zusammenhielt. Die über ein Meter langen Strohseile wurden aus taunassem Stroh vor Sonnenaufgang (da war es noch feucht) gedreht, gebündelt und aufs Feld mitgenommen. War das ganze Feld abgeerntet, begann das Einsammeln der Garben. Sie wurden zu Garbenkreuzen (Mandeln) zusammengesetzt. Ein Mandel bestand aus dreizehn Garben, die kreuzweise – je drei aufeinander – mit den Ähren nach innen gelegt wurden. Die dreizehnte Garbe bildete den Abschluß. Ihre Ähre legte man in Richtung der regeenabgewandten Seite. Nach dem Schnitt folgte das Einfahren (Einfiehn). Zu diesem Zweck wurden die kurzen Wagen zu langen umgebaut. Dies geschah dadurch, dass die Seitenleitern (Latern) ausgetauscht wurden. Nachdem man 93 eine lange Verbindungsstange zwischen Vorder- und Hinterachse eingesetzt hatte, befestigte man die langen Leitern an beiden Seiten mit je zwei Leisten (Leicksen). Um die Ladefläche zu vergrößern, erhielt der Wagen noch einen Ernteaufbau. Dazu brachte man vorne und hinten einen Querbalken an, der etwa einen Meter nach links und rechts über die Leitern hinausstand. An ihnen wurden mit kräftigen Holzstiften zwei Längsstangen befestigt, so dass beim Einfahren des zu dreschenden Korns möglichst viel geladen werden konnte. Bevor das Getreide heimgeholt wurde, mussten – entsprechend den Brandvorschriften – große Bottiche (Stander) mit Löschwasser und Feuerhaken im Hof bereitgestellt werden. Für uns Kinder war das Getreideeinfahren immer eine aufregende Sache. Wir durften auf dem Wagen mitfahren. Auf der Hinfahrt konnte man sich zwischen die weit auseinander-stehenden Leitersprossen setzen und die Beine nach unten baumeln lassen. Während der Fahrt sprangen wir auf und ab Man fühlte sich schon wie ein Erwachsener, wenn man beim Aufladen dem Vater mit der Gabel die Garben reichen durfte. Das Beladen des Wagens mußte sorgfältig vorgenommen werden. Zuerst wurde der untere Teil zwischen den Leitern gefüllt. Am Oberrand der Leitern angelangt, wurden die Garben quer zur Längsrich-tung des Wagens mit den Ähren (Ächa) nach innen auf die 94 Längsstangen gelegt. Nachdem links und rechts eine Reihe Garben gesetzt war, kamen wieder welche in die Mitte. Wenn vier-fünf Lagen so aufeinander gestapelt waren, wurde die ganze Ladung mit dem Wiesbaum gesichert. Der »Wiespaam« war eine kräftige Stange, die in Längsrichtung in der Mitte auf die Ladung gelegt und mit Stricken an den Aufbauten des Wagens festgebunden wurde. Wegen der holprigen Feldwege war es ratsam, beim Beladen des Emtewagens größte Sorgfalt walten zu lassen, um ein Umkippen des Wagens oder ein Abrutschen der Garben zu vermeiden. Das Getreide wurde in den Hinterhöfen der Langhäuser in Form von Getreidemieten – Tristen – gestapelt. Je nachdem, ob ein Bauer viel oder wenig Getreide geerntet hatte, waren die Tristen größer oder kleiner ausgefallen. Es gab Weizen-, Roggen-, Gersteund Hafertristen (Waz-, Trad-, Gerschten- und Hofertristen). Sie mußten fachmännisch gesetzt werden. Die Ähren der Garben lagen stets nach innen zu, um so die Verluste zu verringern. Bei schlechtem Wetter breitete man eine große Leinenplane (Ploche) über den oberen Teil der Triste. Nachdem das Getreide eingefahren war, begann das Dreschen (Maschiniern). Vor Erfindung der Dreschmaschine hatte man mit dem Dreschflegel die Getreideähren ausgeklopft, oder man ließ Tiere über sie laufen. Körner und Spreu wurden bei Wind durch Worfeln voneinander getrennt. Später kam die »Windmühle« in Gebrauch. Sie wurde von Hand angetrieben und diente lediglich durch künstliche Winderzeugung zum Trennen von Spreu und Korn. Kleinere Getreidemengen wurden sogar noch nach dem zweiten Weltkrieg so gedroschen. 95 Um größeren Schaden zu vermeiden, war jeder Bauer bestrebt, möglichst schnell beim Dreschen an die Reihe zu kommen. Das war nicht immer so einfach, da im Dorf höchstens zwei-drei Dreschmaschinen im Einsatz waren. Die Besitzer waren reiche Bauern. Anfangs wurde die Dreschmaschine über einen etwa vier Meter langen, breiten Transmissionsriemen von einer riesigen Dieselmaschine angetrieben. Da dieser Motor sehr schwer war, mußte er von Zugtieren von einem Hof in den anderen gezogen werden; ebenso die eigentliche Dreschmaschine. Später (nach der Elektrifizierung) wurde er von leichteren Elektromotoren oder Traktoren abgelöst. Wegen seiner Größe war es auch schwer, den Dreschkasten, d. h. die eigentliche Dreschmaschine, in die oft engen Hinterhöfe zu schaffen. Manchmal mußten Äste von im Weg stehenden Bäumen abgesägt werden. Um besser rangieren zu können, zogen und schoben oft Menschen diese riesige Maschine. Beim Dreschen waren viele Helfer nötig. Da war zunächst der Maschinist, der für die richtige Aufstellung und das Funktionieren der Maschine zuständig war. Dann kam noch – zumindest nach 1945 – eine Amtsperson – der Kontrolleur – dazu. Er achtete darauf, dass alles, was gedroschen auch gewogen und registriert wurde. Der Sackmann füllte die Säcke mit Korn und legte sie auf die Waage. Die Sackträger trugen die abgewogenen Säcke, die über fünfzig Kilogramm schwer waren, über die schmalen steilen Holzstiegen auf den Speicher (Boden) über dem Wohnhaus. Die Säcke wurden meist gleich ausgeleert. So konnte das Getreide trocknen, und man sparte Säcke, da die leeren wieder zur Maschine zurückgebracht wurden. 96 Auf der Getreidetriste standen zwei Personen, um die Garben mit der Gabel auf den Dreschkasten zu werfen. Dort wurden die Garben von dem Bandöffner (Pandlaufmocha) in Empfang genommen. Die von ihm geöffnete Garbe übergab er dem Fütterer (Fiadara). Er stand knietief vor dem Selbsteinleger und gab die Getreidehalme mit den Ähren voran in die sich schnell drehende – mit Eisenstiften besetzte – Trommel. Im Inneren der komplizierten Maschine wurden Korn, Spreu, Stroh und Schmutz sortiert und an verschiedenen Stellen nach außen abgegeben. Das Stroh wurde über den Schüttler am Hinterende nach außen befördert. Zwei Frauen schoben es von hier mit Holzgabeln zur Strohtriste, auf der wiederum mehrere Männer mit dem Tristensetzen beschäftigt waren. Weitere zwei Personen waren damit befaßt, die Spreu – Amm genannt – mit dem Rechen unter der Dreschmaschine hervorzuziehen. Danach wurde sie in große Körbe getan und meist von Kindern (Ammtroga) in den Schuppen (Schupfe) oder Scheune (Scheuer) getragen. Damit viel Amm hineinging, mußten wir es eintreten, was wegen der Grannen (Kraan) und des Staubes ziemlich unangenehm war. Die Helfer beim Maschinieren kamen aus der Verwandtschaft und Nachbarschaft. Wenn der Drusch fertig war, wurden alle reichlich bewirtet. Das war die ganze Entlohnung für die harte Arbeit. Während die Helfer noch aßen und tranken, bauten die Leute des Nachbarn die Dreschmaschine schon ab und zogen sie in den nächsten Hof, so dass möglichst wenig Zeit mit Stillstand verlorenging. Zum Abschluss der Drescharbeit wurde der Hof aufgeräumt. Die Körnerabfälle kehrte man feinsäuberlich zusammen, um sie an die Hühner zu verfüttern. 97 Die Strohtristen wurden von dem Bauern persönlich „zugemacht“, d. h. nach obenhin verjüngt gesetzt, damit möglichst wenig Feuchtigkeit in sie eindringen konnte. Gersten- und Haferstroh wurden von Weizen- und Roggenstroh gesondert aufbewahrt, da die ersteren mit Kleeheu gemischt zum Füttern dienten. Weizenstroh diente als Streu (Stra) für das Vieh. Aus handgedroschenem Roggenstroh machte man die Schapn (Schauben = gebündeltes Roggenstroh), die man als Matrazenvorläufer ins Bett legte. Die Spreu wurde, mit Rübenschnitzeln und Kleie (Kleiem) vermengt, verfüttert. So schnell wie möglich fuhr man mit dem Weizen und Roggen in die Mühle nach Totis oder Schitte, um Aus dem Mehl neues Brot backen zu können. Frischgebackenes Weißbrot war für uns Kinder damals der Inbegriff von Glück … Am Ende des Sommers waren die Hinterhöfe und vorderen Teile der Gärten voll von Stroh- und Heutristen, zwischen denen man vorzüglich Fangen- und 98 Versteckspielen konnte. Zum Ärger der Eltern kletterten wir manchmal auch auf die Tristen hinauf ... Im Zuge der Aussiedlung, Enteignung und des zunehmenden Drucks auf die Ungarndeutschen ging in den 40er und 50er Jahren die Zahl derer, die noch maschinieren konnten, rapide zurück. Bald gab es niemanden mehr. Heute sieht man nur noch selten die alten Scheuern, Schupfen oder gar die Tristen. Soll man es bedauern, dass mit den gesellschaftlichen und technischen Umwälzungen die alte Form des Erntens und Dreschens verschwand? Außenstehende werden diese Frage mit "ja" beantworten. Sie sehen darin einen Verlust der ländlichem Romantik. Andererseits werden diejenigen, die diese schwere Arbeit verrichteten keine Träne dieser Zeit nachweinen. Bedenkt man, mit wie wenigen Arbeitskräften heute geerntet wird, so sieht man doch deutlich den Fortschritt, der dem Wohl des Menschen dient oder dienen sollte. Nachkriegszeit Als die Sowjets nach langem Kampf unser Dorf am 16. März 1945 zum zweiten Mal besetzten, sagte ein deutschsprechender Soldat der Roten Armee (offenbar ein Volksdeutscher) zu einer deutschen Bauernfrau: »Wenn Sie wüßten, was nach dem Krieg kommt, dann würden Ihnen die Haare zu Berge steigen.« Die einfache Frau konnte damals nicht ganz begreifen, was der Rotarmist eigentlich meinte. Erst ein Jahr später wußte sie, was er ihr damit sagen wollte. Die Hungersnot war noch nicht zu Ende, die Familien beweinten noch ihre im Krieg gefallenen Angehörigen, als im März 1946 ein neues Leid über Tarian kam. 99 1 Am 16. März begann das Requirieren . 2 Unter der Führung eines jungen Mannes – Kállai Miklós – aus Budapest beschlagnahmte man von den deutschen Bauern das Frühjahrssaatgut (Gerste, Hafer, Mais). Dabei wirkte ein kleiner Teil der eingesessenen Ungarn eifrig mit. Es war nicht genug, daß ein Teil des deutschen Vermögens requiriert wurde, zwei Familien mußten ihr Haus ganz räumen. In diese und in zwei leerstehende Häuser wurden eingesessene ungarische Familien eingewiesen. Im März 1946 waren in Tarian »Kontrollkommissionen« tätig. Ihren Namen trugen sie zu recht, denn sie kontrollierten, wer von den Deutschen das meiste Vermögen hatte, den setzten sie dann auf die »Volksbundliste«, ganz gleich, ob er tatsächlich Mitglied des Volksbundes war oder nicht. Im Laufe des Monats März wurden weitere Enteignungen durchgeführt. Die noch nicht enteigneten deutschen Bauern mußten mit ihren Pferdewagen nach Tatabánya–Obergalla fahren und die 52 ungarischen Siedler-(Telepesch) Familien3 aus Egerlövõ (Komitat Heves) mit ihren Habseligkeiten abholen. Außer diesen Siedlern kamen noch etwa 29 weitere Familien, meist kommunistische Arbeiterfamilien aus Tatabánya, nach Tarian. Aus ihren Kreisen rekrutierten sich die Funktionäre der KP. Wir schrieben den 28. August 1947, als die Nachricht eintraf, daß aus Környe/Kirne (Komitat Komorn, ca. 20 km von Tarian entfernt) die ,Schwaben‘ 4 nach Deutschland ausgesiedelt würden . Die Arbeit auf den Feldern wurde wieder eingestellt. Viele Deutsche suchten in der Pfarrei Trost, denn der damalige Pfarrer Imre Fütty stand ihren Problemen aufgeschlossen gegenüber. 100 Die Siedler von Tarian fuhren nach Kirne und nach Budapest in die Ministerien, um zu erreichen, daß anschließend die Tarianer ,Schwaben‘ ausgesiedelt werden. Sie bekamen auch die Zusage, daß ihr Wunsch erfüllt wird. Deswegen haben sie keinen Deutschen mehr aus dem Dorf gehen lassen. Sie standen mit Mistgabeln und Holzhacken an den Ausfallstraßen. Wenn jemand nach Tatabánya auf den Wochenmarkt gehen wollte, dem haben sie alles weggenommen. Es versteht sich fast von selbst, daß die Polizei dabei eifrig mitgewirkt hat. Manche bekamen als Bezahlung für die beschlagnahmte Ware eine Tracht Prügel… Wegen der Einengung der Bewegungsfreiheit und der ständigen Ungewißheit war im Herbst 1947 in Tarian die Verzweiflung groß. Die Gemüter hatten sich kaum beruhigt, als im April 1948 erneut das Gerücht der Aussiedlung auftauchte4. Im Gemeindehaus wurde sogar die Namensliste der auszusiedelnden Bewohner ausgehängt. 2037 ,Schwaben‘ wollte man nach Deutschland vertreiben. Die Leute stellten wieder die Arbeit ein. Sie waren sehr verbittert. Die Männer fertigten große Kisten an, in denen sie das wichtigste Hab und Gut unterbringen konnten. So warteten wir auf die Ausweisung. Es vergingen Wochen, bis sich die Menschen wieder beruhigten. Die Habseligkeiten wurden wieder aus den Kisten geholt. Vor der Ernte enteignete man von den ,Schwaben‘, denen man zuvor noch etwas gelassen hatte, die besten Felder samt Frucht. Die wenigen Deutschen, die im Sommer 1948 noch etwas zu dreschen hatten, wurden beim Dreschen benachteiligt. Zuerst durften die Siedler und eingesessenen Ungarn ihr Getreide dreschen, dann kamen erst die Deutschen an 101 die Reihe. Die noch vorhandenen "Kulaken" (reiche Bauern) kamen natürlich zuallerletzt dran. Vierundzwanzig Stunden nach dem Dreschen mußte sämtliches Getreide mit Ausnahme der Kopfquote und des Saatgutes bei der staatlichen Sammelstelle für wenig Geld abgeliefert werden. Dieser Getreidespeicher befand sich im enteigneten Bauernhaus von Stefan Vértes (Weiler), welches in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts von dem berühmten Barockbaumeister Jakob Fellner gebaut wurde. Trotzdem hat man es abgerissen. Heute befindet sich das Wirtschaftshaus »Fekete-kõ « darin… Im September 1948 begann eine neue Zwangszusammensiedlung der »Schwaben«. In jedem – für Ungarn nicht geeigneten – Haus wurden mindestens zwei deutsche Familien untergebracht. Da nicht genug leere Gebäude zur Verfügung standen, wurden nachträglich auch solche Familien auf die Enteignungsliste gesetzt, die ein größeres Vermögen und ein schönes Haus hatten, obwohl sie sich vorher zu Ungarn bekannt haben. Durch die dauernden Umsiedlungen im Ort und Enteignungen wurde das ganze Dorf durcheinander gebracht. Man war offensichtlich nicht nur auf das Vermögen der Leute aus, sondern man wollte sie auch verunsichern und einschüchtern. Im Oktober 1948 trafen die ungarischen Umsiedler aus der Slowakei, dem ehemaligem Oberungarn (Felvidék = Oberland) in Tarian ein. Es sind insgesamt 43 Familien angekommen. Ihr mitgebrachtes, bewegliches Vermögen wurde aus Svodin/Szõgyén mit 5 Güterzügen bis Totis/Tata transportiert, von dort mit Lastautos nach Tarian gefahren. Es dauerte Wochen, bis der Hausrat der neuen Siedler aus Totis abtransportiert war. Die aus 102 Szõgyén stammenden Ungarn verließen ihre angestammte Heimat unter Zwang im Rahmen des ungarisch-tschechoslowakischen Bevölkerungsaustauschs. Obwohl die Felvidéker (= Oberländer) ihre ganze bewegliche Habe mitbringen durften (Familie Sámson 5 kam mit 14 Waggon Mobiliar an!) und in Tarian Haus und Ackerland bekamen, waren doch viele unter ihnen, die ihrer alten Heimat lange nachtrauerten. Am Rande sei es vermerkt, daß manche Familien von ihnen deutsche Namen hatten wie Schweizer, Wolter, Elser, Stegmar, Hos usw. Ihre Vorfahren sind assimilierte Deutsche aus Német-Szõgyén (Deutsch-Södjen), das mit Magyar-Szögyén zu Szõgyén vereinigt wurde… Ursprünglich hätten die Felvidéker in der 7 km entfernten slowakischen Gemeinde Tardos untergebracht werden sollen, und zwar in den Häusern, die in die Slowakei umgesiedelten Slowaken zurückgelassen haben. Deswegen wurden die Eisenbahnzüge mit dem Hausrat nur bis Totis geleitet, da dieser Bahnhof zu Tardos am nächsten liegt. Die Slowaken von Tardos hatten wenig Ackerland, ihre Häuser waren klein (in einem Hof wohnten nicht selten 4 bis 5 Familien). Sie waren zum großen Teil in den Roten Marmor-Brüchen in der Nähe beschäftigt. Die 1948 ausgewanderten Slowaken ließen so gut wie kein Vermögen zurück. Da für sie die Auswanderung freiwillig war, sind nur wenige – ärmere – Familien aus Tardos fort. Angesichts der schlechten Bedingungen weigerten sich die Felvidéker, nach Tardos zu ziehen. Sie wollten in Ungarn für ihr Haus und Ackerland, welches sie in der Slowakei aufgeben mußten, angemessen entschädigt werden. Was lag näher, als daß man ihnen in den benachbarten deutschen Gemeinden – Tarian, 103 Tolnau, Augustin –, wo es genug schöne Bauernhäuser und Felder gab, auf Kosten der entrechteten ,Schwaben‘ den erlittenen Schaden gutmachte. Nun wohnten in Tarian fünferlei Menschen: Zwei katholische Gruppen (»Schwaben« und Felvidéker) und zwei reformierte Gruppen (eingesessene Ungarn und die Siedler aus Egerlövõ) sowie die religiös indifferente Gruppe der »auswärtigen Ungarn«. Das Zusammenleben dieser durch die Nachkriegsereignisse zusammengewürfelten Menschen war nicht ganz reibungslos. In den ersten Jahren verging kaum ein Wochenende, an dem es keine Schlägerei gab. Jede Gruppe wollte im Dorf den Ton angeben. Die Egerlövõer rauften mit den Schwaben, die Felvidéker mit den eingesessenen Ungarn. Aus Tatabánya mußte öfters die Polizei nach Tarian kommen, um den Messerstechereien eine Ende zu setzen … Im Laufe des Sommers 1949 wurden weitere deutsche Familien enteignet. Die Häuser mußten innerhalb von 8 Stunden geräumt werden. Von dieser Maßnahme waren vor allem die Besitzer von Wirtshäusern (6) und Gemischtwarengeschäften (8) – sofern ihre Häuser nicht schon vorher beschlagnahmt wurden – sowie von Fleischbanken (2) betroffen. Von nun an gab es im Dorf nur noch zwei Wirtshäuser, ein Lebensmittelgeschäft und eine Fleischerei. Besitzer 6 war die »Bauerngenossenschaft« . Zu Beginn der 50er Jahre waren die Meinungsverschiedenheiten zwischen den einzelnen Gruppen noch immer groß, doch war hier und da schon eine Verbesserung des Verhältnisses zu verzeichnen. Die Egerlövõer Siedler – die langsam anfingen wegzuziehen – nahmen teilweise die früheren Besitzer in ihr Haus 7 zurück. Die Felvidéker blieben dagegen unerbittlich . Mit 104 der fadenscheinigen Begründung, daß die Behörden sagen könnten, „Wenn Ihr Euer Haus mit anderen teilt, dann ist dies ein Zeichen dafür, daß es zu groß ist, deshalb geben wir Euch ein kleineres!“, lehnten sie jeden Vorschlag, die früheren, rechtmäßigen Besitzer in ihr Haus aufzunehmen, ab. Wegen dieser starren Haltung bestand zwischen den beiden katholischem Gruppen eine erhebliche Spannung. Die ,Schwaben‘ gaben den Felvidékern die Schuld wegen der Enteignung. Sie warfen ihnen auch unchristliches Verhalten vor, indem sie sagten: „Wenn ihr Felvidéker so religiös seid, warum übt Ihr die christliche Nächstenliebe nicht aus?!“ Doch dies alles nützte nichts. Nach dem Motto »Divide et impera!« (Teile und herrsche!) wurden in Tarian vielfach auch die ,Schwaben‘ gegeneinander ausgespielt, da man das Feld des einen einem anderen gab8. Nicht nur in den Besitzverhältnissen, sondern auch in den Seelen der Menschen wurde ein heilloses Durcheinander angerichtet. Die Folge davon war, daß die ,Schwaben‘ resignierten. Sie zogen sich vollkommen zurück. Niemand wollte etwas von Politik wissen. Die neuangesiedelten Ungarn fühlten sich indessen auch nicht sehr wohl in Tarian. Nach und nach verkauften viele Telepeschen das ihnen anvertraute Haus und zogen entweder wieder nach Egerlövõ oder nach Érd/Hanselbeck. Ein Teil der Felvidéker tat dasselbe. Sie wanderten nach Totis ab. Das Abwandern der Siedler ist teils auch auf die Propaganda zurückzuführen, die dauernd vor der neuen deutschen Gefahr sprach. Auf Grund dessen hofften wiederum viele Schwaben im Stillen, sie würden bald ihr Vermögen zurückerhalten. Es hieß immer: „Jetzt dauert es nicht mehr lang“. Im Oktober 1956 schien es so, als 105 ob diese geheime Parole Wirklichkeit würde. So mancher glaubte schon, die Zeit sei gekommen, um mit den Kommunisten abrechnen zu können. Doch diese Optimisten wurden bitter enttäuscht. Sie mußten – nachdem der Aufstand niedergeschlagen war – für ihr voreiliges Handeln hart büßen … Jahrzehnte vergingen, ein Großteil der Geschädigten ist gestorben. Ihre Kinder und Enkel vergaßen in der materiellen Hetze das Unrecht und ihre Volkszugehörigkeit… Eine teilweise Wiedergutmachung für das erlittene Unrecht erfuhren die Deutschen mit dem sog. Entschädigungsgesetz Anfang der 90er Jahre. Mit den Entschädigungsscheinen haben sie begonnen, wieder Land zu erwerben. Wenn auch nur wenige daran denken, sich wieder als Landwirte zu betätigen. Die 45jährige national-kommunistische Herrschaft in Ungarn ruinierte die Deutschen nicht nur wirtschaftlich, sondern brach auch ihr von den Vorfahren ererbtes Volkszughörigkeitsbewußtsein. Immer weniger junge Menschen erlernen die deutsche Muttersprache. Der Deutschunterricht in der Schule zeigt bei den wenigsten den wünschenswerten Erfolg … Nationalitäten-Gemeinden im Komitat KomornGran Während das Komitat Raab-Ödenburg ganz in der Oberungarischen Tiefebene liegt, gehört das Komitat Komorn-Gran bereits zum Transdanubischen Mittelgebirge und dessen nörd-lichen Ausläufern. Genauer gesagt gehört der nördliche Teil des Schildgebirges, der 106 ganze Geretsch, das Hügelland von Bársonyos, ein kleiner Teil des Pilischergebirges und der Nordostzipfel des Buchenwaldes hierher. Die Nationalitäten-Dörfer findet man hauptsächlich im östlichen und südlichen gebirgigen Teil des Komitats. Der Grund dafür ist im Verlauf der türkischen Grenze (siehe Karte!) um 1600 zu suchen. In den von den Türken besetzten Mittelgebirgen wurden die ungarischen Dörfer zum großen Teil als Folge der ständigen Kampfhandlungen vernichtet. In dem 1683–85 von den Türken befreiten Komitat waren zweiundneunzig Siedlungen verwüstet. Die Bevölkerung wurde auch im Rákóczischen Freiheitskampf (1704–1711) stark dezimiert. Wie im ganzen Land kam es auch im Komorner Komitat im Laufe des 18. Jahrhunderts zur Neubesiedlung der entvölkerten Landstriche. Die weltlichen (Est-erházy, Grassalkovics) und Kirchlichem (Klarissinnen von Alt107 Ofen. en) Grundherren riefen deutsche und slowakische Siedler auf ihre Güter. Aber auch vor der türkischen Zeit muss es hier schon Deutsche gegeben haben. In der Gemeinde Kocs (westlich von Tata/Totis) soll der Wagen (ung. kocsi) erfunden worden sein, nachdem ein gewisser Johann Hammermayer Anfang des 15. Jahrhunderts das 5. Rad ersann. Es befindet sich über der Vorderachse und dient zur Richtungsänderung beim Fahren. 1920 lebten im Komitat Komorn rd. 105000 Menschen, davon waren 82,89 % Ungarn, 12,64 % Deutsche, 3,27 % Slowaken und 1,2 % Sonstige. 1930 waren von 154000 Einwohnern 12,14 % Deutsche und 4,3 % Slowaken. Diese Angaben sind sicher nicht ganz korrekt, da sie aus einer Zeit stammen, in der man alles darangesetzt hat, die Zahl der Nichtmadjaren zu verringern. Die ersten Siedler kamen neun Jahre nach der Vertreibung der Türken, 1694 aus Schwaben nach Dorog. 1699 kamen Elsässer nach Schitte, wo zwanzig Jahre später von 29 Familien 24 deutsche waren. Im Jahre 1700 sollen sich auch 18 Familien aus dem Elsass in Tscholnok niedergelassen haben. Die Haupteinwanderungswellen kamen erst im Laufe des 18. Jahrhunderts. Damals waren auf dem heutigen Gebiet des Komitats 42 Ortschaften (30 deutsche, 12 slowakische) von Nationalitäten besiedelt. So kommt es, dass heute noch von den 72 Siedlungen etwa die Hälfte als Nationalitäten-Dörfer gelten. Die deutschsprachigen Siedler sind hauptsächlich aus dem bairischen Dialektraum (Österreich, Bayern und Böhmen) gekommen. So ist es nicht verwunderlich, dass man 250–300 Jahre nach der Ansiedlung in vielen Gemeinden heute noch den mittelbairischen ua-Dialekt 108 hier hören kann. Das Schwäbische und Alemannische wurde – unter Einfluß von Wien – von dem Bairischen weitgehend verdrängt. In Tolnau finden wir noch einen fränkisch gefärbten Dialekt. In , Woje und Schitte spricht man einen uiDialekt. In den zwei ersteren Dörfern wurden Heidebauern aus West-Ungarn angesiedelt. Fast jedes Dorf hat einen anderen Einschlag in seiner Mundart. Es handelt sich also um Mischdialekte, die sich erst in Ungarn aus Elementen der Urheimat entwickelten. Die jüngste deutsche Gemeinde im Komitat Komorn ist Kirwa. Sie wurde 1785 mit der Ansiedlung von 61 Familien gegründet. Die Masse der Siedler kam aus dem S-Schwarzwald. Infolge Einheirat aus den benachbarten deutschen Dörfern haben auch sie ihren alemannischen Dialekt verloren und nahmen die ua-Mundart an. Auf dem Gebiet des 2250 km2 großen Komitats finden wir 5 Städte, 77 Straßendörfer, Weiler (Pußten) und Einzelhofsied-lungen (Tanyas). Bei den Pußten oder Weilern handelt es sich um kleinere Siedlungen, die einst Mittelpunkte eines Groß-grundbesitzes waren. Der Großgrundbesitzer wohnte im Kastell, seine Bediensteten in den 10-15 Häusern der kleinen Siedlung. Bis Anfang der 90er Jahre waren die Pußten Zentren von Staatsgütern. In den breiten Straßen der Dörfer findet man verschiedene Haustypen. Am weitesten verbreitet sind die ebenerdigen mit dem Dachfirst senkrecht zur Straße stehenden Häuser. Das ist die sogenannte Langhausform. Vor dem Haus hatte man früher einen kleinen Vorgarten (Gartl) für Blumen. In den vergangenen Jahr-zehnten fiel das Gartl Umbauarbeiten zum Opfer. 109 Daran schließt sich der Wohnteil an. Er besteht aus der vorderen Stube (vraunige Stuum), der Küche (Kuchl) und der hinteren Stube (hintrige Stuum). Der Eingang ist an der Hofseite durch die Küche. Von der Straße gelangt man durch das kleine Tor (Türl) auf den Gang (Flur), der bei einfacheren Häusern von einem etwa ein Meter breiten Dachvorsprung überdacht ist. Wohlhabendere Leute bauten einen Säulengang. Der Dachvorsprung ist breiter und durch Säulen abgestützt. In manchen Häusern findet man nach der hinteren Stube eine zweite Küche. An den Wohntrakt schließt sich der Wirtschaftsteil an. Zunächst folgt die Kammer, von der aus man auf den Dachboden (im vorderen Teil des Hauses) und in den Gewölbekeller gelangen kann. Dann folgen die Ställe mit dem Heuboden. Schweine- und Hühnerställe stehen meistens gesondert. Beim Schweinestall älteren Typs handelt es sich um einen Holzstall (Mäststeig), der etwas erhöht auf Balken oder Steinen steht. Bei reicheren Bauern stand quer zum Hof am Ende des Hauses die Scheune (Scheuer). Dahinter standen die Stroh- und Heuhaufen (Tristen). Im Hof findet man neben den Mäststeigen und Ställen für Geflügel noch den Brunnen. Der 10-12 m tiefe Brunnen war früher mit Steinen ausgemauert, heute überwiegen aber die Betonringe. Auf dem Brunnengestell finden wir ein Dach zum Schutz der Walze mit Seil und Eimer (Amber) und des Rades. Der Hof wird auf der Süd- bzw. Ost-Seite von der Rückwand des Nachbarhauses abgeschlossen. An der Straßenfront 110 befindet sich neben dem Türl noch das Tor und Tür an der Straßenseite. Sie ist aber meistens verschlossen. Das oben beschriebene Langhaus ist eine Mischform zwischen dem mitteldeutschen Gehöft und dem südwestdeutschen Einhaus. Häuser ähnlicher Anord-nung – aber dennoch anders aussehend – finden wir in der Pfalz. Wohlhabendere Leute, v. a. Geschäftsleute, haben sich ein Querhaus gebaut. Es steht mit dem Dachfirst parallel zur Straße. Vielfach finden wir in der Mitte eine große Toreinfahrt. An das Querhaus schließt sich nach hinten noch ein Langhaus an. Im Querhaus waren meistens gewerbliche Räume untergebracht. Die Häusler- und Arbeiterhäuser auf den Dörfern bestanden nur aus einer Stube und einer Küche. Daran schlossen sich Kammer, kleiner Stall und Schuppen an. Nach 1945 vollzog sich auf dem Gebiet des Hausbaus auch ein großer Wandel. Der Funktionswandel im Berufsleben der Menschen wirkte sich auch auf Haus und Hof aus. Während früher 80-90 % der Menschen in der Landwirtschaft beschäftigt waren, waren es 1968 nur noch 30 %1. Die Menschen sind in die sich entwickelnde Industrie abgewandert. Die früheren Bauern-häuser wurden Arbeiterhäuser. Die Scheunen wurden abgerissen und die Ställe umgebaut. Falls der Hof breit genug war, baute man an der Straßenfront noch ein zweites Zimmer an. So entstanden L-förmige Haustypen. Die ab den 50-60er Jahren in großer Zahl entstandenen Neubauten sind bereits viereckig mit zwei Zimmern, Küche und Diele. Die zwei Zimmer befinden sich an der Straßenseite. Der Eingang ist an der Hofseite, er führt in das Vorzimmer. Von dort gelangt man in das eine Zimmer und die Küche. In das zweite 111 Zimmer kommt man über die Küche. Im Hof befinden sich die Ställe für die Kleintierhaltung. Obwohl die alten Häuser alle nach dem gleichen Grundschema gebaut sind, haben sie doch ihr individuelles Gepräge. Das läßt sich von den Neubauten nicht mehr sagen. Ähnlich wie im Hausbau läßt sich ein Wandel auch in der Flurform feststellen. Von der Dreifelderwirtschaft über die Fruchtwechselwirtschaft – mit Flurzwang und ohne – führt der Weg zu der großbetrieblichen Landwirtschaft der kommunis-tischen Ära. Während vor 1945 die Gemarkung (Hotter) in viele lange schmale Parzellen geteilt war, gab es von 1950 bis 1993 riesige einheitlich bestellte Tafeln. d. h. eine Großblockflur. Die alte Streifen-Parzellierung ist in gebirgigen Gegenden des Komitats heute noch anzutreffen. In allen Gemeinden unseres Gebiets betrieb man gemischte Landwirtschaft. Das heißt: Die Bauern befaßten sich mit Viehzucht, Ackerbau sowie Wein- und Obstbau. Vor dem Zweiten Weltkrieg überwog im Komitat Komorn die bäuerliche Bevölkerung. Die Zahl der Arbeiter war auf den Dörfern gering, da es kaum Verkehrsverbindungen in die Städte gab. Die Bauern kann man je nach Betriebsgröße in Zwergbauern (unter 1 kj = unter 0,57 ha), Kleinbauern (>1–5 kj = >0,57–2,87 ha), Mittelbauern (>5–50 kj = >2,87–28,7 ha), Großbauern (>50–100 kj = >28,7–57,47 ha) und Großgrundbesitzer (>100- über 1000 kj = >57,47– über 574,7 ha) einteilen2. Wie in der deutschen Urheimat der Einwanderer herrschte auch hier die Realteilung vor, d. h., sie haben ihr Ackerland unter ihren Erben gleichmäßig aufgeteilt. Da die Kinderzahl im Durchschnitt bei 4–5 lag, ist es nicht verwunderlich, wenn die Zahl der kleinen landwirtschaftlichen Betriebe überwog. Aber nicht nur 112 das Feld, sondern auch die Häuser wurden unter den Erben geteilt. So gab es in der Mitte des 20. Jahrhunderts Höfe, wo 2–3 Familien wohnen. Zur Illustration der bäuerlichen Sozialstruktur seien hier einige statistische Zahlen – 1935 veröffentlicht – für den Kreis Totis angeführt*. Von der Gesamtzahl der Bauern gehörten damals 98,66 % zu den Zwerg-, Kleinund Mittelbauern. Sie besaßen zusammen aber nur 42,76 % des Ackerlandes! Während die Großgrundbesitzer mit ihren 0,71 % Anteil 52,95 % der landwirtschaftlichen Fläche bewirtschafteten. Also ein krasses Mißverhältnis in der Verteilung des Landes. Die mittlere Betriebsgröße hätte bei gleichmäßiger Verteilung des Ackerlandes auf alle Betriebe bei 10 kj (5,9 ha) liegen müssen. Die tatsächliche mittlere Betriebsgröße lag bei den Zwergbauern bei 0,4 kj (0,23 ha), den Kleinbauern bei 2,4 kj (1,38 ha), den Mittelbauern bei 13,68 kj (7,8 ha), den Großbauern bei 68,65 kj (39,45 ha) und den Großgrundbesitzern bei 745,81 kj (428,63 ha). Da die Zahl der Kinder groß und das zur Verfügung stehende Land knapp war, blieb für die Jugend nur die Möglichkeit, ein Handwerk zu erlernen oder in die Stadt abzuwandern. Die Abwanderer zog es vor allem nach Budapest, wo sie als Knechte, Kutscher oder Dienstmädchen sehr gefragt waren, sie waren nämlich durchweg fleißig und zuverlässig. Nach einigen Jahren sind die meisten wieder in ihre Heimatdörfer zurückgekehrt, wo sie geheiratet haben und bescheidenes Dasein führten. In 15 deutschen Gemeinden des Komitats wurden in den Jahren 1925-1931 Ortsgruppen des Ungarländischen Deutschen Volksbildungsvereins (UDV) gegründet. Während sich seine Arbeit unter schwierigeren 113 Bedingungen mehr im Stillen vollzog, trat der Volksbund der Deutschen in Ungarn (VDU) 1938–1944 durch seine Versammlungen mehr in die Öffentlichkeit und ins Bewußtsein der Menschen. So kam es denn auch zu mehr Ortsgruppengründungen im Komorner Komitat als beim UDV. Zwischen 1940 und 1942 wurden in 24 Gemeinden Ortsgruppen des Volksbundes ins Leben gerufen. Nur ein Teil, der deutschen sympathisierte mit dem Volksbund (in Tarian 16,8%), der andere Teil ahnte schon instinktiv, was nach dem Krieg folgen wird. Das Engagement der einen und die Zurückhaltung der anderen führte schon Jahre vor Kriegsende zur Spaltung der deutschen Bevölkerung. Die Folgen zeigten sich bald. Mit dem Herannahen der Front (Dezember 1944) wurden von den rund 22000 Deutschen im Komitat Komorn (nach VDU-Unterlagen)3 aus 17 Ortschaften 4800 von der deutschen Wehrmacht evakuiert. Die zurückgelassenen Haustiere und Nahrungsmittelvorräte dienten der Versorgung der Soldaten. Die Zahl von 4800 Evakuierten scheint mir viel zu hoch gegriffen. Aus Tarian z. B. sollen 362 Personen evakuiert worden sein. Josef Mikonya berichtet von 2915. Mir sind namentlich nur 145 bekannt, von denen noch vor Kriegsende 98 zurückgekehrt sind ( > Namensliste). So ähnlich dürfte es auch in anderen deutschen Dörfern gewesen sein. Kaum hatten sich die Menschen von dem Schock des Krieges erholt, folgte 1946 die Enteignung von Deutschen. In erster Linie waren davon die Volksbündler betroffen, aber auch andere. Daraus erkennt man, dass die Zugehörigkeit zum Volksbund nur ein Vorwand war. Aus ärmeren Komitaten des Landes kamen ungarische Siedler in die deutschen Dörfer. Sie erhielten Ackerland, Haus und Vieh. Damit wurde nicht nur der wirtschaft114 liche Ruin der »Schwaben« eingeleitet, sondern auch ihre beschleunigte Assimilierung ins Ungarntum. Die verheerenden Folgen sind heute deutlich sichtbar. 1947 machte sich in den deutschen Dörfern des Komitats wieder Angst und Unsicherheit breit, das Gerücht von der bevorstehenden Aussiedlung der Deutschen ging um. Aber nur aus Kirwa, Leinwar, Somor und kirne erfolgte eine Vertreibung (aus den ersten drei Dörfern schon 1946). Im Jahr darauf sprach man erneut von der Aussiedlung der Deutschen und Slowaken. Tatsächlich wurden aber Slowaken nur aus Bokod, Piliscsév, Tardos u. a. auf freiwilliger Basis in die Slowakei umgesiedelt. Rund 70 000 Slowaken verließen damals Ungarn. Im Austausch kamen Madjaren aus dem ehemaligen Oberungarn in das benachbarte Komitat, aber auch in deutschbewohnte Komitate Süd-Ungarns. Da meist arme Slowaken ihr Glück im Mutterland suchten, die nicht viele Immobilien hinterließen, siedelte man die "Felvidéker" (= Oberländer), wie man die Ungarn aus der Slowakei bezeichnet, hauptsächlich in deutschen Dörfern an. Das machte die Enteignung von weiteren deutschen Familien erforderlich. In mancher Ortschaft lebten nun 45 Sorten Menschen. Die räumliche Enge in den Häusern, die andere Sprache, Religion und Herkunft führte im ersten Jahrzehnt des Zusammenlebens häufig zu schweren Auseinandersetzungen. Im Zuge der Umgestaltung der Wirtschaft und des politischen Lebens (Kollektivierung der Landwirtschaft, Verstaatlichung der Industrie, Machtübernahme der Kommunisten) kam die Bevölkerung des Komitats erneut in Bewegung. Viele ungarische Siedler verließen wieder die Nationalitäten-Dörfer. So mancher früherer Eigentümer kaufte bei dieser Gelegenheit sein Haus 115 wieder zurück. Um den politischen Druck zu entgehen, wanderten auch Deutsche in die industriellen Ballungsräume ab. Immer mehr Menschen suchten ihren Lebensunterhalt in der Industrie. Die Zahl der Pendler, die täglich aus den Dörfern in die Städte zur Arbeit fahren, ist stark angestiegen. Von dem 144 600 ha landwirtschaftlichen Areals des Komitats bewirtschafteten 1968 die Staatsgüter 29 % und die LPGs 35 %. Der Rest entfiel auf die Hofstellen der LPG-Bauern, auf Arbeiter-Bauern und selbständige Bauern. Bei dem – zu dieser Zeit – noch in Privatbesitz befindlichen Ackerland und Weingärten handelte sich um gebirgiges Gelände, das mit Maschinen nicht zu bestellen war. Die Zahl der Staatsgüter wurde von 1952 bis 1968 – durch Zusammenlegung – auf weniger als die Hälfte reduziert. Die durchschnittliche Größe lag 1968 bei 4700 ha! Als in den fünfziger Jahren die Kollektivierung mit allen Mitteln vorangetrieben wurde, gab es in jedem Dorf eine LPG. Viele Gemeinden des Komitats wurden aber erst in den sechziger Jahren zu "sozialistischen Dörfern", was soviel bedeutet, dass es keine selbständigen Bauern mehr gab. Die Kollektivierung erfolgte in allen Dörfern gleich; egal, ob Deutsche, Ungarn oder Slowaken die Bewohner waren. Anfang der 70er Jahre war die Zahl der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften etwa auf die Hälfte zusam-mengeschrumpft, da jeweils zwei zusammengelegt wurden. 1968 gab es im Komitat 36 LPGs und 9 Staatsgüter. Die durchschnittliche Betriebsgröße der LPGs betrug 1400 ha! Seit der Erhöhung der landwirtschaftlichen Aufkaufspreise und der Liberalisierung auf wirtschaftlichem Gebiet – in den 60er Jahren – ist der materielle Anreiz, in einer LPG zu 116 arbeiten, viel größer geworden. Das führte zur Konsolidierung der großbetrieblichen Landwirtschaft. Von 1960 bis 1968 stieg im Komitat das Jahreseinkommen eines LPG-Bauern von 8993 Forint (Ft) auf 23686 Ft. Das sind rund 2000 Ft im Monat. Zur gleichen Zeit verdiente hier ein Industriearbeiter 2170 Ft/Monat. Während in den ersten Jahren die Deutschen von der Mitgliedschaft in einer LPG nichts wissen wollten, war in den vergangenen Jahrzehnten ihre Zahl ziemlich hoch. In mehreren Gemeinden war ein "Schwabe" LPG-Vorsitzender. Leiter oder Arbeiter, die Deutschen wurden überall geschätzt, weil sie gründlich und zuverlässig waren. Wie hätte sich die ungarische Landwirtschaft entwickelt, hätte es die Kollektivierung nicht gegeben? Da eine weitere Zersplitterung der 1,4 Mio. landwirtschaftlichen Betriebe kaum mehr möglich war, weil sie fast nicht mehr in der Lage waren, die Familien zu ernähren, ist anzunehmen, dass eine ähnliche Entwicklung wie in der westdeutschen Landwirtschaft eingetreten wäre. Das heißt, auch ohne Kollektivierung hätte ein Großteil der Bauernbetriebe aufgegeben werden müssen. Für die Existenz der Nationalitäten hätte das aber eine langsamere Assimilierung bedeutet. Wichtige Schmelztiegel für die Madjarisierung der Natio-nalitäten sind die Industriegebiete um Tatabánya und Dorog. Während die Deutschen und Slowaken sich auf den Dörfern noch einigermaßen halten konnten, wurden sie in den Ballungszentren vom Madjarentum aufgesaugt. Obwohl auf den Dörfern in den vergangenen 50 Jahren die Assimilierung ziemlich weit vorangeschritten ist, findet man bei den Minderheiten noch ein starkes Zusamrnengehörigkeitsgefühl6. Man redet eine Misch-sprache oder Ungarisch, fühlt aber 117 noch deutsch oder slowakisch. Das sieht man auch daran, dass man sich seinen Ehepartner nach wie vor aus der eigenen Volksgruppe sucht. Die allerjüngste Entwicklung brachte allerdings viele Mischehen mit einer hohen Scheidungsrate, was früher gänzlich unbekannt war. Das sind allerdings auch Begleiterscheinungen des modernen Industrie-zeitalters. Das Überleben der Nationalitäten im Komitat KomornGran – wie in ganz Ungarn – hängt davon ab, ob es ihnen gelingt, ihre Jugend in eigenen Schulen in der Muttersprache und Kultur zu unterrichten. Da es dafür keine materielle Grundlage, aber auch keine Einsicht und geistige Bereitschaft gibt, werden die Nationalitäten in absehbarer Zeit verschwinden. Ungarn wird damit auf geistigem Gebiet ärmer werden. Es wird keine Meinungsverschiedenheiten zwischen Ungarn und Nichtungarn geben. Aber das wird nicht bedeuten, dass es nicht andere Konflikte geben wird … ung./deutscher Name Ácsteszer Agostyán-Augustin Aka Alsógalla-Untergalla Baj-Woje (Wallern) BakonysárkányScharkan Csolnok-Tschaunok Ansiedlungszeit Herkunft der Siedler Bevölk.1935/70 18. Jh. aus verschied.Geb. 1733 bair. Sprachraum 600 576 (95% deutsch) 18. Jh. bair. Sprachraum 1735 bair. Sprachr.u. Elsass 1770 (1941) (45% deutsch) 1745 1200 und W-Ungarn 1777/78 dt-e Vereine4 VDU 11.5.41 UDV 16.1.26 VDU 7.7.40 VDU 11.5.41 UDV 25.3.28 VDU 1.12.40 Elsass-Lothringen 1782 VDU 20.1040 bair. Sprachraum u. andere Gebiete 170091738 Elsass 3381 ? 118 UDV 15.1. 26 (88% deutsch) UDV 18.3.30 VDU 10.5.41 UDV 20.2.27 VDU 29.9.40 (57% deutsch) Dág-Dag(ed) 18. Jh. ? VDU 29.9.40 1045 (42% dt.) Dorog 1694 schwäbischer UDV 10.5.31 5863 10000 Sprachraum VDU 30.6.40 (17 % deutsch) Dunaszentmiklós Niklo 18. Jh. bair. Sprachraum UDV 16.1.26 600 586 VDU 10.5.41 (95 % deutsch) Felsögalla-Obergalla 1733 Würzburger Raum UDV 25.3.28 17110 (1941) bair.- alleman. Raum VDU 17.10.40 (13 % deutsch) Kecskéd- Kätschke 173591744 heut. Baden-Württemberg UDV 14.1. 26 1049 1642 VDU 17.11.40 (91 % deutsch) Könye-Kirne 1745 Wieselburger Komitat UDV 13.1.26 2275 4228 VDU 28.7.40 (54 % deutsch) Leányvár-Leinwar 1755 aus versch. dt. Geb. VDU 30.6.40 1326 1520(?) (80 % deutsch) Máriahalom-Kirwa 1785 Geb. des heut. BadenUDV 10.1.26 803 ? Würrtemberg u. a. VDU 29.9.40 (96 % deutsch) Mogyorósbánya 1720 Slowaken u. Deutsche 692 900(?) 18% deutsch Nyergesújfalu- Neudorf 1700,1732 heut. BadenWürttemberg - VDU 8.12.40 2546 4916(?) 17% deutsch Piszke (h. Lábatlan) 1732 Elsaß-Lothringen 1436 4800(?) madjarisiert Süttö-Schitte 1720 Elsass VDU 8.12.40 1600 1803 (? ) 60% deutsch Szomód-Samed 1750 heut. Baden Württemberg 1500 1775(?) madjarisiert Szomor-Sumur 1720 verschied. dt Gebiete 893 667(?) 1737 Schwarzwald und 80% deutsch 2065 2821 bair. Sprachraum 85% deutsch 1702-1732 versch. dt. Gebiete 1499 4500(?) 75% deutsch Tarján-Tarian Tát-Taath 119 UDV 18.1.25 VDU 21.7.40 UDV 18.10.25 VDU 20.10.40 VDU 29.9.40 Várgesztes-Gestiz 1735 VDU 24.2.41 Vértessom1ó - Schemling - 1737 889 1286 deutsch Vértestolna - Tolnau i. Sch. 1733 586 605 bair. u. elsäßischer Sprachraum 361 576 92% deutsch bair. u. elsäßischer UDV 10.3.28 Sprachraum VDU 28.7.40 95% Franken und andere deutsche Gebiete UDV 18.10.25 VDU 20.10.40 Quellen/Forrásmunkák: 1) Statisztikai évkönyv 1968 (Statistisches Jahrbuch Ungarns 1968), S. 49899 2) O'sváth, Andor: Komárom-Esztergom egyelõre egyesített vármegyék múltja és jelene, 1938 (Vergangenheit und Gegenwart der vorläufig vereinigten Komitate Komom und Gran) 3) Tafferner, Anton: Evakuierungsmaßnahmen des Volksbundes .... Volkskalender der Deutschen aus Ungam, München , 1970, S. 51-53 4) Flach, Paul: Die Ortsgruppengründungen des Volksbundes der Deutschen in Ungam, Volkskalender der Deuschen aus Ungam, 1968, S.127-142 5) Mikonya, József, Tarjáni krónika, Tarján község a történelem tükrében (Tarianer Chronik, Die Gemeinde Tarian im Spiegel der Geschichte), 1992, S. 82. o. 6) Demeter Zayzon Mária, Öntudatosodás és önfeladás között– Nemzetiségszociológiai vizsgálatok Komárom-Esztergom megyei németek és szlovákok körében (Zwischen Bewußtwerden und Selbstaufgabe – Nationalitäten-soziologische Untersuchungen in den Reihen der Deutschen und Slowaken im Komitat Komorn-Gran), Tatabánya 1993, 134 o./S., 1 térkép/Karte Besonderheiten der mittelbairischen ua-Mundart Die ua-Mundart ist eine der größten deutschen Dialekte in Ungarn. Sie wird in NO-Transdanubien gesprochen. Der Name »ua« kommt daher, dass das u als Inlaut als ua gesprochen wird: Mutter -> Muada, Blut -> Pluat, Kuh -> Kua u. a. (-> Die Flurnamen...; -> So lebten wir... ) Es ist kein Geheimnis, dass der Weiterbestand der deutschen Minderheit in Ungarn in sehr starkem Maße gefährdet ist. Dies trifft besonders für die Deutschen im Transdanubischen Mittelgebirge zu. Besucht man heute 120 von Deutschen bewohnte Dörfer, hört man nur noch selten ein deutsches Wort. Unterjungen Menschen deutscher Herkunft findet man kaum welche, die den Dialekt ihrer Eltern oder Großeltern sprechen. Woran liegt es, dass die Nationalitätenjugend kein Interesse zeigt für die Sprache der Vorfahren? Sicher spielen dabei die bitteren Erfahrungen, die die ältere Generation in den Jahrzehnten vor und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg gesammelt hat, auch einegewisse Rolle. Wichtiger ist m. E. die Zerstörung der geschlossenen Siedlungsweise der Deutschen. Während früher ganze Dörfer oder Straßenzüge von Deutschen bewohnt waren, ist dies jetzt nicht mehr der Fall. Durch die Aus- und Umsiedlung wurde auch die sprachliche Umgebung radikal verändert. (-> Die Nachkriegszeit) Die Kinder werden dadurch schon auf der Straße mit der Staatssprache konfrontiert. Infolge der Umstrukturierung im politischen und wirtschaftlichen Bereich mußten sehr viele »Schwaben« ihren Beruf in der Landwirtschaft aufgeben und in der Industrie neue Arbeit suchen. Dies hat den Madjarisierungsprozeß ebenfalls beschleunigt. Nach 1945 war es auch mehr Schwabenkindern möglich, höhere Schulen zu besuchen als vorher ( -> Statistik). Das war auch in Tarian der Fall. Jene, die Abitur gemacht oder die Universität besucht haben, sind für das Volkstum verloren, da sie meistens außerhalb ihrer engeren Heimat Beschäftigung finden. Dadurch gehen der deutschen Volksgruppe die Intellektuellen verloren, die für die Pflege der Sprache so bitter nötig wären. So ist es nicht verwunderlich, dass der Weg unserer Landsleute von der Muttersprache über die Misch121 Sprachigkeit früher oder später zur Staatssprache führen wird. Mit anderen Worten: Die Großeltern sprechen fast nur deutsch, die Eltern lernten auch mehr oder weniger nur ungarisch, die Enkel sprechen nur noch ungarisch. Die Massenmedien (Fernsehen, Rundfunk, Presse, Kino) tragen natürlich auch dazu bei, dass die Jugend immer mehr assimiliert wird. Wie die sprachwissenschaftliche Forschung erwiesen hat, ist die Mischsprachigkeit, wie sie auch bei den Min-derheiten in Ungarn anzutreffen ist, mit großen Gefahren für die geistige Entwicklung verbunden. Da der Mensch im wesentlichen einsprachig angelegt ist, besteht die Gefahr, falls er in einem mischsprachigen Milieu aufwächst, dass er weder seine Muttersprache noch die Staatssprache richtig beherrscht. Bei genauem Hinsehen finden wir dies bei der breiten Masse der nationalen Minderheiten in Ungarn bestätigt. Da die Möglichkeit zum nichtigen Erlernen der Muttersprache im Kindergarten und in der Schule für die große Masse der Kinder - trotz der seit 1990 verbesserten Situation - nicht gegeben ist, geht die Jugend unbewußt einen Weg, der zur Einschmelzung ins Staatsvolk führt. Von der psychischen Seite her gesehen ist das verständlich. Vielfach findet man unter Jugendlichen auch die irrige Meinung, es lohne sich nicht, den Dialekt zu erlernen, da er mit dem Hochdeutschen nichts gemein hat. Bei genauem Hinsehen findet man gerade das Gegenteil bestätigt. Beim Sammeln von Wörtern der vom Aussterben bedrohtem ua-Mundart in Tarian und Umgebung sind mir eine Reihe von Besonderheiten aufgefallen, die hier kurz besprochen werden sollen. Bei meiner Arbeit fiel mir auf, dass - wie nicht anders zu erwarten - sehr viele Gemeinsamkeiten mit dem 122 Österreichischen, Bairischen und Süddeutschen vorhanden sind. Auf der anderen Seite sind wiederum viele Wörter anzutreffen, die man im oberdeutschen Sprachraum nicht oder nicht mehr findet. Die Zahl der Lehnwörter aus dem Ungarischen ist auch beträchtlich. Man muß zunächst unterscheiden zwischen Wörtern, die im Hochdeutschen (a) nicht vorkommen und solchen, die zwar vorkommen, aber deren Aussprache in der Mundart anders ist (b). Hier sind nun einige Beispiele zu Punkt a): Für Specht sagt man Pampecker, zur Elster Kagratschkatl, zur Libelle Glasschneider, zum Blutegel Pluatzuzl, für Stechmücke Gelsen oder Gölsn, für (Albino-)Kaninchen Kiniglhas, zur Weintraube Weinper(= Weinbeere), zur Waldrebe Lülischwiedn, zum Meerrettich Krein, für Quecke (= Ackerunkraut) Beier, zur Frucht der Komelkirsche Dirndl-Tiandl, zum Schweinestall Mäststeig, zur Schusterahle Schuhwertl, zur Kommode Schubladkasten, zum Gespräch Dischkursch, zum Rauch Rauger, zum Spielzeug Gespiel-Gspül, zum Kies Schauder oder Schoder, zur Speckgriebe Grammel, zum Hamster Gritsch, für Geschwür Aß, für Eiterbläschen Wimmerl, für Holzschlappen Klumpen, für grobes Sieb Reider, für Rheuma Reißen, für Steingutflasche mit dickem Bauch Plutzer, für nächstes Jahr aufs Johr. Zu schwätzen sagt man neben plappern auch pletschkern oder plauschen, zu ohrfeigen (schlagen) anpritschn, zu anstoßen (mit dem Glas) titschn, zu wärmen gwarmen, zupanieren auspochen, zu kühlstellen einfrischn, zu hören losn, zua ufs Wort hören auflosn, zu verschleppen verza(rr)n (zu zerren), zu verwöhnen vergweinen, zu nach etwas greifen glangen (von langen), zu einpacken einpackieren. 123 Für albern, kindisch pflegt man dalked oder toikert zu sagen, zu laufend, immer wieder alleritt, zu steil (Berg), plötzlich gach, zu langsam stad, zu duftig, duftend gschmecked. Bei Wörtem, die im Hochdeutschen vorkommen, deren Aussprache aber in der Mundart anders ist (b), finden wir vor allem im Bereich der Selbstlaute oder Vokale eine starke Lautverschiebung. So wird das o vielfach als au gesprochen: doch -> dauch, Loch -> Lauch, Brombeere -> Braumb(ee)r. Das ö wird als e oder ei gesprochen: Löffel -> Leiffl, Böschung -> Besching, können -> keinna, das Gröbste -> Greibste. Der ei Laut wird in der Mundart als a gesprochen: heim > ham, Eichel -> Achl, Ei(er) -> Ar, Geiß -> Gaß, aber Weide -> Wiedn, Ziesel -> Zeisl. Die Laute ee, e und er werden zu aa und a: leer -> laar, leeren -> auslaarn, schwer -> schwar. Schere -> Schar. Der Laut ü wird einerseits zu ie und andererseits ie zu ü: viel -» vül. Stiel -> Stül, Kiel ->Kül, Tür -> Tier, grün -> grie(n), Schlüssel -> Schliessl. Ü kann auch als u gesprochen werden: rücken -> rucken, Stück -> Stuck. Der Selbstlaut a wird fast immer als o gesprochen: klagen -> klogen, Hase -> Hos, Wasser -> Wosser, Waage -> Woog. Aber a kann auch als ä gesprochen werden und umgekehrt: scharren -> schä(rr)n, nähen -> nahn-, blähen -> blahn. Bei den Mitlauten oder Konsonanten finden wir nur bei b eine Lautverschiebung: b wird zu w Babi (Barbara) -> Wawi, Schober -> Schauwer, b kann auch als (e)m ausgesprochen werden: verderben -> vrderem, Garbe -> Gorem, Stube > Stuum. Die Endung -ung wird meistens zu -ing: Böschung -> Besching, Leitung -> Leiting, Stimmung -> Stimming. 124 Typisch für die bairische Mundart in NordostTransdanubien ist das Auslassen von Konsonanten: Laden -> Loden -> Loen, Brett -> Brettel -> Breel, stehlen -> stöhln -> stöln. Charakteristisch ist ferner die Unterdrückung des unbetonten e am Ende von Wörtern: Katze -> Kotz, Hase-> Hos. Manchmal wird an das unbetonte e noch ein n drangehängt: Fliege -+ Fliegn. Die Infinitivendung -en der Verben wird meistens als -a gesprochen, z. B. gwarma (wärmen), larma (lärmen). Die Vorsilbe er- wird durch der- ersetzt, z. B. erschießen heißt derschießn -> taschießa. Eigenartig istauch die Befehlsform oder der Imperativ: trinkt -> trinkts, schreibt -> schreibts! Das s kommt von E's (= Ihr), d. h. tinkt E’s = trinkt's! Die Möglichkeitsform oder der Konjunktiv ist auch anders als im Hochdeutschen: Ich täte -> i tared, ich möchte -> i meiched, ich wäre -> i wared. Die Mehrzahlbildung der Hauptwörter folgt ähnlichen Regeln wie im Hochdeutschen: Singular und Plural der Substantive: Föd - Föda, Ocka - Aka, Wiesn Wiesen, Koatn - Kartn, Peik - Peanga, Oafa, Oafn - Öife, Öifn. Es ist interessant, dass in der transdanubischen ua-Mundart von den drei Formen der Vergangenheit nur das Perfekt vorkommt. Man sagt also: »lch hab gesungen«, aber nicht: »lch sang« oder »lch hatte gesungen«. Eine weitere Möglichkeit, die Vergangenheit auszudrücken, ist: »lch habe gesungen gehabt«. Bei dem persönlichem Fürwort „wir" findet man stets „mir". „E's“steht dagegen für „Ihr" und „Sie"(Höflichkeitsform Nominativ Plural). Für „euch, euer" und „Sie" (Akkusativ) verwendet man dagegen „enk, enker, eingi, eingri". Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass in der ua-Mundart (sicher auch in anderen donauschwä125 bischen Dialekten) keine genaue Unterscheidung von(harten und weichen Konsonanten möglich ist: Leiting - Leiding, bumpern - pumpern. Diese Tatsache bereitete uns beim Erlernen des Ungarischen, wo es darauf ankommt, die Mitlaute genau zu unterscheiden z. B. bor (Wein) - por (Staub), manche Schwierigkeit. Aus der Fülle der Lehnwörter aus dem Ungarischen seien auch noch einige Bei- spiele angefiihrt: Pogatscherl - pogácsa, Juari - Gyuri, Joschi - Józsi, Oldamasch - áldomas, Raadasch (Zugabe) - ráadás, Schor (Reihe) - sor, Leckwar - lekvár, Golitzl - gálic, Tschadig - csáté, Tscholomadi - csalamáde, Tschinger csinger, Tschinagel, Tschinogn - csónak. Viele Fremdwörter lateinischer, französischer, italienischer und anderer Herkunft sind unserer Mundart und mit dem Ungarischen gemeinsam: Tschik, Trafik, Paradeis, Paprika usw. In der ua-Mundart gibt es keinen sächsischen Genitiv. Der Genitiv wild durch Umschreibung angedeutet. Man sagt also nicht z. B. »Mayers Haus«, sondern »dem Mayer sein Haus«. Unbekannt ist auch der sogenannte germanische Plural, d. h. die Angabe der Mehrzahl durch ein -s: Jungs, Mädels, Kerls. Als Verkleinerungsform kommt hier nur die Endung -l in Frage: Kind - Kindl (oder Kinderl), Tür - Türl, Brücke - Brickl. In dieser kurzen Abhandlung konnten die wichtigsten Besonderheiten der bairisch-österreichischen Mundart in Transdanubien natürlich nur angedeutet werden. Im Hinblick auf die Erhaltung des deutschen Volkstums hätte man schon vor Jahrzehnten die ungarndeutschen Mundarten erforschen müssen*. Man hätte noch zu einer Zeit, als die Menschen in einem intakten Sprachmilieu lebten, ein ungarndeutsches Wör126 terbuch herausgeben und das der breiten Öffentlichkeit zugänglich machen sollen. In Publikationen (Zeitungen, Kalendern und Büchern) hätten spezifisch ungarndeutsche Wörter mehr Verwendung finden sollen (wie dies in der österreichischen Schriftsprache auch der Fall ist). Mit dem Anschluss Tarians ans Satellitenfernsehen und anschließender Verkabelung sind seit Dezember 1990 im Dorf auch deutsche Fernsehsendungen zu empfangen. Dies wird zwar den Dialekt vor dem Aussteiben nicht retten, aber es könnte dazu beitragen, dass Deutsch im Dorf weiterlebt und gepflegt wird. Dazu wird auch die Partnerschaft mit Staufenberg (seit April 1991) beitragen. Aufgrund der veränderten Lebensumstände ändert sich auch der Mundartwortschatz, alte Wörter - aus dem bäuerlichen Lebensbereich - sterben aus, neue kommenhinzu. Dank des Kontakts der Tarianer mit dem deutschen Sprachraum, der seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts kontinuierlich zunimmt, finden neue Wörter Eingang in die Alltagssprache... *) 1) Huterer, Claus Jürgen, Das Ungarische Mittelgebirge als Sprachraum, Halle/S., 1963 2) Ders., Aufsätze zur deutschen Dialektologie, Budapest, 1991 Nationalitätenprobleme in der r.k. Kirche Nachdem Zweiten Weltkrieg machte die sprachliche Diskriminierung auch vor den Kirchentüren nicht halt. In der Zeit des stärksten Nationalismus zwischen den beiden Weltkriegen hatten die nationalen Minderheiten (Deutsche, Slowaken, Kroaten, Serben und Rumänen) wenigstens teilweise noch Gelegenheit, das Wort Gottes 127 in ihrer Muttersprache zu hören. Dies wurde nach 1945 anders. Von nun an wurde auch in solchen Gemeinden ungarisch gepredigt, in denen die Mehrheit der Gläubigen Nicht-Magyaren waren. Auf politischem Gebiet verhielten sich die Deutschen vollkommen passiv. In den kirchlichen Organisationen blieben sie jedoch weiterhin aktiv. Sicher, die Priester hatten in den gemischtsprachigen Pfarrgemeinden einen schweren Stand, sie mußten die bestehenden Gegensätze, die hauptsächlich wirtschaftlicher und sprachlicher Natur waren, ausgleichen. Im Zeichen des politischen Tauwetters 1955/1956 machte die Regierung auch der deutschen Minderheit Konzessionen. In dieser Zeit erfolgte die Gründung des »Verbandes der deutschen Werktätigen in Ungarn«. In den deutschbewohnten Dörfern wurde die Forderung nach erneuter Einführung der deutschen Sprache in der Kirche immer lauter. In unserer Gemeinde, in der ca. 90 % der Katholiken deutscher Muttersprache waren, wurde die Diskussion darüber mit solcher Heftigkeit geführt, dass zwei Seelsorger nacheinander versetzt werden mussten. Der Tarianer r. k. Pfarrer Dr. Béla Erdössy fasste 1 (1957) seine Meinung über die Nationalitätenfrage folgendermaßen zusammen: „Ich muß gestehen, dass ein großer Teil der Priester, so auch meine drei unmittelbaren Vorgänger auf dem starren nationalistischen Standpunkt steht, der etwa so lautet: ,Wer ungarisches Brot ißt, der soll auch ungarisch reden, wer das nicht tun will, der gehe nach Deutschland.‘ Die Kirche und so auch ich stehen dem Standpunkt des christlichen Universalismus, denn ,Da ist nicht mehr Grieche und Jude, Barbar, Skythe, Knecht und Freier, 128 sondern alles und in allen Christus.‘ (Paulus an die Gemeinde in Kolossä 3, 11). Die Kirche steht also über den Völkern und sie will diese für Christus gewinnen. Pius XI. sagte 1926 zu den Seelsorgern: ,Die Priester sollen bei den Völkern niemals den Eindruck erwecken, dass die Kirche sie in der Aufrechterhaltung ihres angestammten nationalen Charakters hindert. Die Kirche anerkennt alle ererbten Gefühle, so auch das Festhalten an der eigenen Volksgruppe. Sie ist deshalb katholisch, weil sie alle Nationen und Rassen umfaßt und weil die Religion niemals gegen die Erhaltung der nationalem Eigenart benutzt werden kann.‘ (in »Schöne Zukunft«, Jahrgang 6, Nr.11) Hier sei auch der Beschluß der 8. Internationalen Minderheiten-Konferenz vom Jahre 1932 in Genf angeführt: Nach Anhören der berufenen Vertreter der Kirchen stellt der Kongreß mit großer Genugtuung fest, dass seine Forderung, welche sich um die Erhaltung des Volkscharakters bemüht, mit der Lehre der Kirchen übereinstimmt. Die Kirchen bauten seit Jahrhunderten ihr Funktionieren auf die Volkstümlichkeit und sie anerkannten und anerkennen das heilige Recht der Gläubigen, ihre religiösen Pflichten in ihrer Muttersprache zu erfüllen. Er bittet die Kirchen, sie mögen die natürlichen Rechte der Minderheiten unterstützen. Es braucht gar nicht gesagt zu werden, dass die jetzige Verfassung und ihre Exekutive den Minoritäten jedes Recht zubilligt. Natürlich macht sie damit die nach dem Krieg begangenen Fehler nicht gut.« Im folgenden schildert Pfarrer Dr. Erdõssy seine Erlebnisse in der Pfarrgemeinde von Tarian: „Von diesen Thesen ausgebend entschloß ich mich, die stiefmütterliche Behandlung (der Deutschen) zu ändern, welche sowieso nicht mehr aufrechtzuerhalten war, 129 nachdem 1956 die deutsche Sprache in den Schulen freiwilliges Fach wurde, nachdem man im Jahre 1957 deutsche Gymnasien eröffnet hat, 1958 der Ratsvorsitzender einer mit deutscher Muttersprache wurde. Am Christkönigsfest 1957 fügte ich meiner Predigt einige deutsche Worte hinzu und in der Messe wurde auch ein deutsches Lied gesungen. Am 1. Dezember wählten wir dann Herrn Josef S. zum Kantor, von dem wir wußten, dass er uns in unseren sprachlichen Anliegen unterstützt. Das alles geschah nicht wegen der deutschen Sprache, sondern zur Stärkung des Glaubenslebens. In Sachen Sprachengebrauch ist jede Entscheidung dem Oberhirten vorbehalten. Ich versäumte jedoch, die Genehmigung des Oberhirten einzuholen. Es war ein Fehler, vor der Entscheidung der deutschen Sprache in der Kirche Raum zu geben, da wir dadurch auch den Zorn der ,Felvidéker‘ (ungarischen Siedler) hervorgerufen haben. Diese Nachgiebigkeit war aber nur geringfügig. Außer den oben erwähnten Fall erklangen nur ein-zwei Weihnachtslieder nach den Messen. Am 20. Januar 1958 suchte mich eine Delegation unter Führung des Faßbinders Josef Straubinger auf und verlangte mit Nachdruck die Wiedereinführung der deutschen Sprache. Am 2. Februar hielt der Kirchenvorstand in dieser Angelegenheit eine Sitzung ab. Wir haben den Wunsch der Gläubigen mit der Halbierung der Messen umrissen. Die Antwort des Oberhirten gestattet für eine dreimonatige Probezeit monatlich eine deutsche Messe in der Hoffnung, dass dadurch die Zahl der Kirchgänger zunimmt. (…) Die Probezeit ist abgelaufen. Inzwischen hat auch ein Artikel der (Budapester) Neuen Zeitung (14. Febr. 1958) 130 3 die hitzige Gruppe ermuntert. Die Zahl der Kirchenbesucher hat zwar nicht wesentlich zugenommen, die Deutschen waren sich auch nicht einig, die Tonangeber blieben auch weg, aber wir haben die Erlaubnis bekommen. Die Freude verderben die Felvidéker, da sie nicht in die deutsche Messe kommen. In die frühere Messe können sie auch nicht kommen, sie lehnen das Steuerzahlen ab, sie sind auf mich böse. So dass man sich mit der Sache noch befassen muss. In den deutschsprachigen Messen habe ich auch gemeinsame ungarische Gebete eingeführt. So kann nur von gemischtsprachigen Messe die Rede sein. Die Zahl der ungarischsprachigen Messen ist rund 4mal größer als die der gemischtsprachigen. Ich versuchte noch einmal die Sprachenfrage zugunsten der ungarischen Sprache zu regeln. Auf der Sitzung vom 7. Dezember 1958 machte ich verschiedene Vorschläge, die deutschsprachigen Vertreter stimmten jedoch alles entschieden nieder. Die Felvidéker mußten auch einsehen, dass das Nationalitätengefühl sehr tiefe Wurzeln hat, nicht nur außerhalb des Pfarrgemeinderats, sondern auch innerhalb. Unter Vorsitz des Chefs der Diözesankanzlei György Vitányi fand dann am 25. Januar 1959 erneut eine Sitzung statt. Er teilte uns mit, dass von nun an infolge der zunehmenden Madjarisierung der Gemeinde nur noch einmal im Monat im Hochamt und in einer anderen Messe deutscher Gesang erlaubt sei. Dies wurde dann auch nach gewissem Widerspruch und Zögerung verwirklicht. Gott gäbe, dass diese Entscheidung Frieden bringen möge.“ 131 Eines Tages werden die Historiker dieses nationalistische, unchristliche Verhalten der Oberhirten und Pfarrer der Ungarischen Katholischen Kirche gegen über den Ungarndeutschen verurteilen. Wie obiges Zitat zeigt, haben sie den Wunsch nach deutschen Gottesdiensten mit fadenscheinigen Argumenten abgelehnt. Den Wunsch von zweitausendeinhundert eingesessenen Deutschen ablehnend erfüllten sie den Willen der etwa 200 eingesiedelten Felvidéker… Seither sind rund 40 Jahre vergangen und an der sprachlichen Situation der Tarianer »Schwaben« hat sich nichts verändert. Einige Pfarrer zeigten in dieser Zeit Verständnis für die Deutschen, so z. B. Otto Kormos und Gábor Vendrey, aber alles blieb beim alten! Ohne die Opferbereitschaft der Tarianer Deutschen, auch der im Westen lebenden, wäre die r. k. Kirche heute eine Ruine! Sie haben – trotz der diskriminierenden Behandlung durch die Kirchenführung – die von ihren Ahnen erbaute Kirche nicht im Stich gelassen … Die Lage hat sich Anfang der 90er Jahre sogar noch verschlechtert: Jahre lang gab keinen Pfarrgemeinderat. Nach der dem Sturz des Kommunismus keimte erneut die Hoffnung, dass sich in dieser Angelegenheit etwas zum Besseren verändern werde. Ich schrieb 1989 zwei offene Briefe an die Vorsitzenden der ungarischen und deutschen Bischofskonferenzen.2 Der ungarische Oberhirte zeigte sich – wie ich aus seiner Umgebung erfuhr – darüber erbost! Obwohl er kurz zuvor bei einem Besuch in der Karpato-Ukraine die dortigen Ungarn zum Festhalten an der Muttersprache ermunterte, hielt er es noch nicht einmal für nötig, auf meine Bitte – den Ungarndeutschen speziell auch in der 132 Erzdiözese Gran dieselben Rechte einzuräumen – zu antworten ... Der Ortspfarrer wehrt die Bitte nach deutschsprachigen Gottesdiensten in gewohnter Manier ab: Die Leute würden kein Deutsch mehr verstehen! Darüber gibt es natürlich keine Untersuchung. Der Pfarrer spricht selber kein Wort deutsch, wie sollte er die Lage beurteilen? Sporadisch abgehaltene deutsche Messen sind sehr gut besucht! Römisch-katholische Pfarrer von Tarian 1 Koller, Johann Georg 1756 – 1762 2 Légrádi, Ferenc 1762 – 1807 3 Viturka, Georgius 1807 – 1810 4 Balásy, Ferenc 1810 – 1814 5 Szent Iványi, József 1814 – 1850 6 Dragfy, Nándor 1851 – 1879 7 Toczek, János 1879 – 1904 8 Pálmai, Ferenc 1904 – 1914 9 Niederrnann, Josef 1914 – 1937 10Lezsánszki, József 1937 – 1947 11 Fütty, Imre 1947 – 1948 12 Szabó, Lajos 1948 – 1957 13 Dr. Erdössy, Béla 1957 – 1960 14 Kormos, Ottó 1960 – 1968 15 Miklós, László 1968 – 1971 16 Parádi, Gyula 1971 – 1976 17 Juhász, László 1976 – 1983 18 Vendrey, Gábor 1983 – 1989 19 Varga, Lajos 1989 – 133 Reformierte Seelsorger 1 P. Pátkai, Sámuel 1732–1763 2 Von 1763 bis 1785 keine Matrikeleintragungen 3 Györi, Imre 1785–1801 4 Kenesey, József 1801–1806 5 Sólyomfi, Gábor 1806–1811 6 Torday, Mihál 1811–1848 7 Horváth, Sámuel 1848–1850 8 Szabó, Pál 1850–1859 9 Gál, Lajos 1860–1866 10 Balassa, Lajos 1867–1868 11 Somogyi, Antal 1869–1875 12 Mészáros,Károly 1775–1876 13 Kelemen,János 1877–1887 14 Virágh,Sándor 1887–1891 15 Pongrácz,János 1891–1892 15 Nagy, Kálmán 1892–1907 16 Besse, Lajos 1908–1953 17 Kocsis, Sándor 1954–1955 18 Perjési, Ferenc 1955–1959 19 Vargha, Kálmán 1959–1970 20 Németh, Lajos 1970–1972 21 Szabó, István 1972–1977 22 Németh, Lajos 1978–1981 23 Máté, Sándor 1982–1985 24 Tóth, Péter 1986–1989 25 Tislér, Géza 1989–1990 26 Szücs, Antal 1991– 2) Mitgeteilt von Pfr. Antal Szücs, 1995 134 Dorfrichter von Tarian 1 Werli, Simon 1774 2 Weiler, Nikolaus 1780 3 Kranz, Josef 1787 4 Iseli, Josef 1790 5 Sedelmayer, Adam 1800 6 Miller, Johann 1804 7 Lottenberger, Stefan 1809 8 Újszászi Péter 1819 9 Iseli, Peter 1826 10 Somogyi István 1845 11 Bachmann, Martin 1846 ? ? 12 Götz, Paul 1858 ? ? 13 Mayer, Martin 1894 14 Pertl, Johann 1900 15 Berendi, Michael 1903 16 Schalkhammer, Andreas 1907 17 Weiler,Franz 1919 18 Goldschmidt, Franz 1924 19 Pertl, Georg 1927 20 Goldschmidt, Franz 1934 21 Kranz, Anton 1939 22 Szalai László 1945-50 3 Ratsvorsitzende Über die Amtsinhaber der Ratsvorsitzenden in der Zeit von 1950 bis 1990 liegen keine genauen Aufzeich135 nungen vor. Sie wurden von der kommunistischen Partei je nach Bedarf ein- und abgesetzt. Diese Zeit ist in der Gemeindegeschichte als eine Phase der Stagnation anzusehen, obwohl wichtige Maßnahmen – wie die Erweiterung des Dorfes, der Bau der Wasserleitung 1973 – in diese Epoche fallen … Namen der Ratsvorsitzenden in der Reihenfolge ihrer Amtszeit mit 1950 beginnend und 1990 endend: 1 2 3 4 5 Molnár Károly 6 Rajna Sándor 7 Dékány János Ollé Gábor Balogh Ferenc Kupor Józsefné Korpás Sándor 3) Mikonya, József; S. 30. Von wann bis wann sie ihr Amt ausgeübt haben, konnte J. M. nicht ermitteln. Die Schreibweise der Familiennamen wurde der deutschen Rechtschreibung angepasst. 136 Die Tarianer reformierte Kirchengemeinde A tarjáni református hitközösség Wie aus der Zeittafel ersichtlich, wurde Tarian nach seiner Vernichtung durch die Türken (1529) erst wieder 1640 mit reformierten Ungarn besiedelt. Sie hatten ab 1646 eine Pfarrgemeinde. 1673 (nach anderen Angaben 1674) wurde ihr Seelsorger vor den Gerichtshof nach Preßburg zitiert. Über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt. Aufgrund der als Carolina resolutio genannten Gesetze Nr. 25 und 26 des Jahres 1681 wurde die Tätigkeit der reformierten Kirche und die Gründung von Konfessionsschulen erlaubt. Daraufhin wurde 1682 in Tarian auch die reformierte Schule gegründet. Sie bestand aus einem Klassenraum in einem Bauernhaus. 1731 wurde in der 2. Carolina resolutio das Recht auf freier Glaubensausübung in den 1681 aufgezählten Ortschaften bestätigt. Tarian gehörte sicher zu den genannten Siedlungen, denn 1732 begann hier der erste – namentlich bekannte – ref. Pfarrer Sámuel P. Pátkai seine Tätigkeit. (> Namensliste der ref. Pfarrer) In seine Dienstzeit fiel die Ansiedlung der ersten 40 deutschen r. k. Siedler (1737). Wie sich der doppelte Gegensatz – Religion und Volkszugehörigkeit – auf das Zusammenleben der Ungarn und Deutschen auswirkte, wissen wir nicht. Sicher war die Verfügung des Grundherrn, Josef Esterházy, vom 5. Februar 1747, die von den Calvinisten genutzte Kirche samt der 65 Pfund Glocke an die Katholiken zu übergeben, nicht geeignet, den Frieden zu fördern. Auch dann nicht, wenn es sich um die 137 Rückgabe einer ehemaligen katholischen Kirche handelt, wie behauptet wird. Die feindliche Haltung des Grundherrn und der r. k. Kirchenführung gegenüber den Reformierten wirkte sich bestimmt auch auf das gemeine Volk aus. Dennoch wird nirgendwo über offene Konflikte zwischen beiden Volksgruppen berichtet. Im Endeffekt saßen beide im gleichen Boot, d. h. sie waren bis 1848 Leibeigene (Fronbauern) und danach Klein- und Mittelbauern, die hart für ihr tägliches Brot arbeiten mussten. 1758 – nach anderen Quellen 1763 – stellte die ref. Kirche ihre Tätigkeit in Tarian ein und nahm diese erst wieder 1783 bzw. 1785 auf. Die letzten Eintragungen von reformierten Christen in die r. k. Matrikel von Tarian erfolgten am 11.März 1787, am 10.Mai 1788 und am 13.Dezember 1789. Von 1779 bis 1785 dauerte der Neubau der ref. Kirche im Hinterhof des Pfarrhauses. Offensichtlich ließ es der Grundherr nicht zu, sie auf einem Dorfplatz zu errichten, sondern nur im Hinterhof, in gleicher Höhe wie die Scheunen. ( > Foto) Die Häuser der Calvinisten befanden sich – seit jeher – in der Nähe ihrer Kirche. So kam es auch zu einer räumlichen Trennung der beiden Glaubensgemeinschaften. Die Reformierten wurden von uns nach dem Reformator Johann Calvin (1509–1564) Calviner genannt (korrekt muss es Calvinisten heißen). Schräg gegenüber des ref. Pfarrhauses (heute: Rákóczi Str. 61) wurde 1910 eine neue ref. Schule gebaut. Hier wurden alle ref. Kinder des Dorfes von dem jeweiligen Kantor-Lehrer in einem Klassenraum unterrichtet. 1948 wurden beide Schulen – die katholische und reformierte – verstaatlicht. Obwohl das 138 ref. Schulgebäude (heute: Rákóczi Str. 66) 1991 der ref. Kirchengemeinde zurückgegeben wurde, ist es ungewiß, ob es jemals wieder eine ref. Schule geben wird, da es zu wenig ref. Kinder gibt. Aber auch die katholische Kirche wird wohl aus Kostengründen keine eigene Volksschule haben wollen. Während des Ersten Weltkriegs wurde eine Glocke der ref. Kirche für Kriegszwecke requiriert (ähnliches geschah auch mit einer Glocke der r. k. Kirche im Zweiten Weltkrieg). Die ref. Kirche wurde im Zweiten Weltkrieg von einem Artilleriegeschoss getroffen. Der Schaden wurde nach dem Krieg bald behoben. In den folgenden Jahrzehnten verschlechterte sich der bauliche Zustand der Kirche immer mehr. In den 80er Jahren stellte man fest, dass die Holzbalken der Deckenkonstruktion vermodert sind, so dass man – wegen Einsturzgefahr – schon an die Schließung dachte. Als der damalige Seelsorger Péter Tóth 1989 zu Studienzwecken in die USA ging, wandte er sich mit Bittbriefen an die Hilfsorganisation der amerikanischen Kirchen. Das Kuratorium einer kirchlichen Stiftung bewilligte 21000 US-$ für die Renovierung der ref. Kirche von Tarian. Die Gläubigen im Ort sammelten 35000 Ft, so dass – mit obiger Summe – im Endeffekt 2,1 Millionen Ft zur Verfügung standen. Damit konnte die Kirche ganz erneuert werden. 1991 sind folgende Arbeiten durchgeführt worden: In die Decke wurden neue Betonträger eingezogen. Die Decke selbst errichtete man aus betonierten Kassetten. Ein neuer Dachstuhl mit Eternitplatten bedeckt, neuer Anstrich der Turmverkleidung sowie neue Dachrinnen kamen hinzu. Die Wände bekamen einen neuen Putz und Anstrich. Außerdem hat man alle Fenster und Türen erneuert 139 sowie einen Mosaikfußboden gelegt. Sándor Kiss und seine Familie warben als Kirchendiener unter den ref. Gläubigen freiwillige Helfer, die den örtlichen Baumeister Andres Straubinger bei den Renovierungsarbeiten unterstützten. Die so eingesparten Gelder erreichten die Summe, die das Presbyterium und die Gläubigen als Bargeld sammelten. Trotzdem reichte das Geld nicht auch noch für die Renovierung des Pfarrhauses. Es konnte nur mit einem Außenputz versehen werden. Wegen der Überalterung der Gläubigen und der verschlechterten Lebensbedingungen, muss die Innenrenovierung des Pfarrhauses für spätere Zeiten verschoben werden. Nach Aussagen vom damaligen Pfarrer Antal Szûcs* – er wohnte in Héreg und betreute auch die dortigen ref. Gläubigen, heute lebt er als Pensionär in Tarian – gab es Ende 1995 in Tarian 160 Erwachsene und 30 Kinder calvinischen Glaubens. Die Abnahme der Geburten und die größere Alterssterblichkeit wird zu einem weiteren Rückgang der Calvinisten führen ... 140 Reprivatisierung von Grund und Boden Die wirtschaftliche Grundlage von Tarian war von jeher der Boden. Seinet wegen kamen die ersten deutschen Siedler in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts hierher, als in ihrer alten Heimat das Ackerland zu knapp wurde. Als die Zahl der Einwohner des Dorfes immer größer wurde, nahm auch die Größe der Bauernbetriebe – trotz langsamer Vergrößerung des Hotters – ab (> Statistik). Die Nagyatádische Bodenreform von 1920 brachte in Tarian keine wesentliche Besserung (> Zeittafel). Manche konnten ihre Familie nur ernähren, indem sie als Tagelöhner oder Industriearbeiter Geld verdienten. Die Bodenreform von 1946 war der Anfang vom Ende der ungarndeutschen Bauernhöfe. Landesweit wurden neben den Großgrundbesitzern auch die deutschen Mittel- und Kleinbauern enteignet. Diese Enteignungswelle war etwa 1960 mit der Vollkollektivierung der Landwirtschaft abgeschlossen. Wegen der ungerechten und entschä-digungslosen Enteignung der »Schwa-ben« klangen in deren Ohren die Propaganda-Schlag-wörter »Befreiung« und »Bodenreform« wie Hohn! Jahrzehnte vergingen, bis 1989/90 der Kommunismus in Ungarn abgewirtschaftet hatte. Nach dem Übergang zu einer demokratischen Regierungs- und marktwirtschaftlichen Wirtschaftsform beschloß am 15. März 1990 das ungarische Parlament die Entschädigung der ehemaligen (Land-)Besitzer, wobei die Ungarndeutschen zunächst ausgeschlossen blieben. Später zeigte sich das Parlament großzügiger und beschloß auch die Entschädigung der ausgewiesenen Ungarn141 deutschen. Viele der Enteigneten erlebten diese Wiedergutmachung nicht mehr … Da das Land arm war, konnte es den Betroffenen den erlittenen Schaden nur teilweise ersetzen und das auch nur in Form von „Entschädigungsscheinen“ (ung. kárpótlási jegy), die sie bei der Versteigerung von Land und sonstigen Immobilien einlösen konnten. In Tarian kam es im September 1993 zur Landversteigerung aus dem Besitz der LPG. 88 Tarianer und 14 Auswärtige aus Tatabánya, Totis und Kirne – von denen 5 aus Tarian stammen – erwarben dabei 606,7825 ha Land. Nach der Nutzungsart überwiegt das Ackerland, dann folgt der Wald und schließlich Weide-, Öd- und Sumpfland. Insgesamt wurden von den 88 Tarianern Entschädigungsscheine im Wert von 9,97 Millionen Forint (Ft) bei der Versteigerung umgesetzt. Je nach der Größe des enteigneten Vermögens fiel die Höhe der Entschädigungssumme unterschiedlich aus. Von Null bis 10000 Ft erhielten 9 Familien (10%), von 11000–30 000 Ft 11 Familien (12,2%), von 31 000–60000 Ft 13 Familien (14,4 %), von 61 000–100 000 Ft 18 Familien (20 %), von 101 000–200 000 Ft 26 Familien (28,9 %), von 201 000 – 300000 Ft 8 Familien (8,9 %), von 301000– 400000 Ft 1 Familie, von 401000–500 000 Ft 2 Familien ((2,2 %) und von 501 000–650 000 Ft 2 Familien (2,2 %). Die neuen Landbesitzer mußten sich – aufgrund des Gesetzes XXV/23/1 aus dem Jahre 1991 – verpflichten, das Land in den nächsten 5 Jahren nicht aus der landwirtschaftlichen Produktion herauszunehmen, es seuchen- und unkrautfrei zu halten. Bei Nicht-einhaltung dieser Verpflichtung geht das Land entschädigungslos in den Besitz des Staates über. 142 Da man mit den Entschädigungsscheinen sonst nicht viel hätte anfangen können – es sei denn, man hätte sie zu einem Bruchteil ihres Nennwertes gegen Bargeld an Spekulanten verkauft – war es wohl die beste Lösung, mit ihnen Land zu kaufen. Natürlich bietet das Land heute nicht mehr die Sicherheit, wie einst bei unseren Vorfahren. Kaum einer der neuen Besitzer denkt daran, sich als Bauer niederzulassen. Sie sehen es eher als eine Anlage an, die nicht so schnell an Wert verliert, wie das Geld. Im Hinblick auf die angestrebte Mitgliedschaft Ungarns in der Europäischen Union (EU) wird das so erworbene Land – angesichts der Überproduktion und großen Subventions-Brachflächen – auch von seinem bisherigen Wert verlieren… Ungarndeutsches Jugendlager Tarian ist seit September 1995 um eine Einrichtung reicher: Damals wurde in Anwesenheit hochrangiger Politiker aus Deutschland und Ungarn das Jugendlager eingeweiht. Die mit deutscher Finanzhilfe von rund einer halben Million Mark errichtete Jugendbegegnungs- und Fortbildungsstätte liegt in einer malerischen Umgebung – umgeben von bewaldeten Gebirgszügen – ein Kilometer von Dorf entfernt. 143 Sie besteht aus einem schmucken Gemeinschaftshaus mit einem großen Versammlungsraum, Küche, sanitären Anlagen und Schlafräumen in der Mansarde. Daneben gibt es noch fünf kleinere Häuser mit je drei Dreibettzimmern und einem größeren Aufenthaltsraum mit Kochnische. Ferner ist auf dem Gelände noch eine kleine Dienstwohnung für die von der Gemeinde angestellte Jugendpflegerin. Diesen Posten hat Frau Ildikó Erös, geb. Szalczinger inne. Ihre Aufgabe ist es, die Jugendlichen zu betreuen und Beschäftigungen in deutscher Sprache durchzuführen. Nach 1990 sah die Gemeinde Tarian eine Chance, etwas für die Verständigung der hier lebenden Nationalitäten zu tun. Nach Auflösung der kommunis-tischen Arbeitermiliz war ihr Schießplatz auf diesem Gelände verwaist. Da es seit der Bodenreform von 1920 zum Tarianer Hotter gehörte, stellte die Gemeinde bei der Staatlichen Vermögensverwaltung den Antrag, den Platz wieder an sie zurückzugeben. Vor der Bodenreform befand sich an dieser Stelle Wald. Nach der Rodung haben unsere Eltern hier 5–10 m breite Äcker erworben, die sie Stockfeld nannten. Sie hatten ihre Raten dafür noch 144 nicht abbezahlt, als man ihnen das Land wieder ohne Entschädigung abnahm. Das neugegründete Staatsgut Tornyópuszta bewirtschaftete die Felder von 1946 bis 1956. Nach dem Volksaufstand von 1956 hat die Arbeitermiliz (ung. munkás-örség) von Tatabánya hier einen Schießplatz errichtet. Am 20. Dezember 1993 ist das Gelände wieder in den Besitz der Gemeinde übergegangen. Bevor es genutzt werden konnte, mußte es zunächst entsorgt werden, d. h. von Munition und Altöl gereinigt werden. Anschließend wurde unter Vermittlung von Géza Hambuch vom Deutschen Verband in Budapest ein Antrag an das Auswärtige Amt in Bonn auf finanzielle Unterstützung zum Bau einer Jugendbegeg-nungsstätte gestellt. Zunächst wurde ein Zuschuß von DM 450000,-- gewährt. Später kamen noch weitere 68000,-- DM hinzu. Die Partnergemeinde Tarians, Staufenberg/Hessen, beteiligte sich am Bau mit Baumaschinen und anderen Geräten. Die Finanzhilfe aus Deutschland wird als eine Art Wiedergutmachung an den Ungarndeutschen für den erlittenen Schaden nach 1945 betrachtet. Der Aufenthalt von Jugendlichen hier soll zum gegenseitigen Verständnis der verschiedenen BevölTarian ist seit September 1995 um eine Einrichtung reicher: Damals wurde in Anwesenheit hochrangiger Politiker aus Deutschland und Ungarn das Jugendlager eingeweiht. Die mit deutscher Finanzhilfe von rund einer halben Million Mark errichtete Jugendbegegnungs- und Fortbildungsstätte liegt in einer malerischen Umgebung – umgeben von bewaldeten Gebirgszügen – ein Kilometer von Dorf entfernt. Sie besteht aus einem 145 schmucken Gemeinschaftshaus mit einem großen Versammlungsraum, Küche, sanitären Anlagen und Schlafräumen in der Mansarde. Daneben gibt es noch fünf kleinere Häuser mit je drei Dreibettzimmern und einem größeren Aufenthaltsraum mit Kochnische. Ferner ist auf dem Gelände noch eine kleine Dienstwohnung für die von der Gemeinde angestellte Jugendpfle-gerin. Diesen Posten hat Frau Ildikó Erös, geb. Szalczinger inne. Ihre Aufgabe ist es, die Jugendlichen zu betreuen und Beschäftigungen in deutscher Sprache durch-zuführen. Nach 1990 sah die Gemeinde Tarian eine Chance, etwas für die Verständigung der hier lebenden Nationalitäten zu tun. Nach Auflösung der kommunistischen Arbeitermiliz war ihr Schießplatz auf diesem Gelände verwaist. Da es seit der Bodenreform von 1920 zum Tarianer Hotter gehörte, stellte die Gemeinde bei der Staatlichen Vermögensverwaltung den Antrag, den Platz wieder an sie zurückzugeben. Vor der Bodenreform befand sich an dieser Stelle Wald. Nach der Rodung haben unsere Eltern hier 5–10 m breite Äcker erworben, die sie Stockfeld nannten. Sie hatten 146 ihre Raten dafür noch nicht abbezahlt, als man ihnen das Land wieder ohne Entschädigung abnahm. Das neugegründete Staatsgut Tornyópuszta bewirt-schaftete die Felder von 1946 bis 1956. Nach dem Volksaufstand von 1956 hat die Arbeitermiliz (ung. munkásõrség) von Tatabánya hier einen Schießplatz errichtet. Am 20. Dezember 1993 ist das Gelände wieder in den Besitz der Gemeinde übergegangen. Bevor es genutzt werden konnte, mußte es zunächst entsorgt werden, d. h. von Munition und Altöl gereinigt werden. Anschließend wurde unter Vermittlung von Géza Hambuch vom Deutschen Verband in Budapest ein Antrag an das Auswärtige Amt in Bonn auf finanzielle Unterstützung zum Bau einer Jugendbegeg-nungsstätte gestellt. Zunächst wurde ein Zuschuß von DM 450000,-- gewährt. Später kamen noch weitere 68000,-- DM hinzu. Die Partnergemeinde Tarians, Staufenberg/Hessen, beteiligte sich am Bau mit Baumaschinen und anderen Geräten. Die Finanzhilfe aus Deutschland wird als eine Art Wiedergutmachung an den Ungarndeutschen für den erlittenen Schaden nach 1945 betrachtet. Der Aufenthalt von Jugendlichen hier soll zum gegenseitigen Verständnis der verschiedenen Bevölkerungsgruppen beitragen. (UP, 11/95, S. 31) 147 Weihnachten früher Als die Menschen noch viel ärmer waren als heute, standen die christlichen Feiertage viel höher im Kurs als in der jetzigen Zeit. Die Kinder freuten sich schon Wochen vorher auf das Christkindl. Die Eltern und älteren Geschwister verstanden es, den Kleinen die Ankunft des Jesu Kindes so spannend erscheinen zu lassen, dass wir es kaum erwarten konnten, bis Weihnachten kam. Bis zu einem bestimmten Alter glaubten wir, dass an Heiligabend die Christkindl wirklich über eine „Himmelsleiter“ vom Himmel herabsteigen und von Haus zu Haus gehen, um die Frohbotschaft über die Geburt Christi zu verkünden. Vor Einbruch der Dunkelheit schauten wir schon neugierig die Gasse entlang, wo am Dorfrand die Himmelsboten herabsteigen sollten. Die Erwachsenen besorgten schon Tage vorher einen Weihnachtsbaum aus dem Weinamer Wald. Da es keine Fichten gab, diente bei uns ein anderer Nadelbaum, der Wacholder – Kronawittn genannt – als Weihnachtsbaum. Dieser wurde liebevoll mit Nüssen, Äpfeln und Salonzucker geschmückt (auf'kranzelt). Als es dunkel wurde, gingen die Christkindl – am Ende der Straße beginnend – von Haus zu Haus, um den Kleinkindern die Geburt Christi zu verkünden. Die Kinder mußten hinter dem Tisch sitzend auf die Ankunft der Christkindl warten. Bevor sie die Stube betraten, gab man ihnen den geschmückten Weihnachtsbaum und die Geschenke, ohne, dass die Kinder das sahen. Sie stellten alles auf den Tisch. Singend trugen sie den Text des Christkindlspieles vor. Neben der religiösen Unterweisung diente der Besuch der Christkindl auch 148 der Disziplinierung der bösen Kinder, die anstelle von Geschenken die Rute bekamen! Auch für die braven Kinder fielen die Geschenke ziemlich bescheiden aus. Wenn man einen Bleistift, einen Bleistiftspitzer oder eine Tafel Schokolade bekam, war man schon überglücklich. Da Süßigkeiten rar waren, wurden nach Weihnachten die Salonzucker vom Weihnachtsbaum heimlich gegessen. Bis Ende der 40er Jahre war die Sprache der Christkindl deutsch. Danach ungarisch. Später gab es wegen des atheistischen Drucks auf die Jugend, keine Jugendliche mehr, die Christkindl spielen wollten … Ende der 60er Jahre erlaubte man wieder das deutsche Christkindlspiel. Lehrerinnen ließen von ihren Schülern den Text aufschreiben ( > unten). Damit begann die Wiederbelebung einer alten Tradition. Ob es je gelingen wird, das Tarianer Christkindlspiel so neu zu beleben, wie es früher war, ist fraglich. Man kann nicht Lebensformen einer kleinbäuerlichen Gesellschaft in eine Industriegesellschaft übertragen. Andere Lebensumstände bedingen auch andere Formen der Religiösität. 149 Text des Christkindelspiels Personen: Josef, zwei Engel, zwei Hirten 1. Engel: Gelobt sei Jesus Christus, schön' guten Abend gebe Euch Gott! Von Gott, von Gott sind wir gesandt. Den Zepter in meiner Hand, die Krone auf unser'm Haupt, das hat Gott, der Vater, uns erlaubt. Maria, Maria tritt herein mit deinen zwei Hirtelein! Maria: Herein bin ich getreten. Wenn alle Kinder schön fleißig beten und singen, dann werd' ich ihnen die goldenen Gaben bringen. Wenn sie aber nicht schön fleißig beten und singen, dann wird die Rute umherspringen. 2. Engel: Maria, Maria sprich nicht so hart, es wird geschehen nach Deinem Wort. Maria: Jetzt will ich mich noch einmal bedenken, noch werde ich den Kindern die goldenen Gaben schenken. 1. Engel: Es soll sein, oh herzliebster Josef mein. Komm rein und wieg das Kindelein ein! Josef: Wie soll ich das Kindelein einwiegen? Ich kann meinen alten Steifbuckl nicht bücken. Jungfrau rein, ich wieg' das kleine Kindelein ein. Engel und Maria: Es soll sein, oh herzliebster Josef mein! /Refrain/ Was soll dem Kind seine Wiege sein? Josef. Krippe soll die Wiege sein! Engel und Maria: Es soll sein .... /Refrain/ Was soll dem Kind sein Hemdelein sein? Josef: Schlarlein* soll sein Hemdlein sein! Engel und Maria: Es soll sein .... /Refrain/ Was soll dem Kind sein Name sein? Josef: Jesus soll sein Name sein! Alle: Jesus soll sein Name sein. Gloria, Gloria, wie einig ist das Leben. Wir wiegen mit Freude das kleine Jesulein, und lass uns stolz Dir dienen in alle Ewigkeit. 150 Auf, auf Ihr Hirten, das Schäflein das schläft, das Kind ist geboren, wir haben's gesehen. Die Engel vom Himmel sie kommen herab, sie eilen, sie eilen zum Bethlehem-Stall. Dort finden sie das Kindelein. DasKindelein grüßen, da fallen sie alle zu Füßen. Oh Jesulein süß und oh Jesulein süß, der Tag ist vergangen, die Nacht kommt herbei, ist Jesus, Maria und Josef dabei. Gelobt sei Jesus Christus in aller Ewigkeit! Glückselige Feiertage! Spannt ein, spannt ein in unseren Wagen, dass wir die Straße den Himmel hochfahren! Wir wünschen Euch, glückselige Weihnachtsfeiertage! 1) Gesammelt im Auftrag von Theresia Lunczer von Tarianer Schülerinnen des Kossuth-Gymnasiums Budapest. Veröffentlicht in: Unser Hauskalender 1990, S. 141/42 Schlar = Schleier Heiligenkreuz Im Morgengrauen – wir sagten dazu »Vortogs« – versammelten sich die Tarianer Wallfahrer vor der Kirche, um mit der Fußprozession nach Heiligenkreuz zu wallfahren. Schon Tage vorher wurde unter den Burschen abge-sprochen, wer das schwere 151 Metallkreuz und die Kirchenfahnen tragen wird. Es war eine Auszeichnung, aber auch eine schwere Aufgabe, wenn man als Träger ausersehen wurde. Auf dem rund 32 km langen Hin- und Rückweg wechselten die Träger einander ab. An der Spitze der Prozession ging der „Kreizltroga“ dann folgte der Pfarrer mit den Ministranten und nach ihnen die Gläubigen. Die Fahnenträger gingen an beiden Seiten. Zunächst ging es betend und singend auf der steinernen Landstraße bis Héreg, von dort am Ostrand vorbei auf Feld- und Waldwegen über Wald-lichtungen mit Wiesen und Obstanlagen (Szénás-rét und Hosszú dülö). Dann im Wald bis zu dem Forsthaus mit Ziehbrunnen (in der nähe des Weilers Pusztamarót). Hier wurde eine Rast eingelegt. Dann ging es unterhalb des Gehöfts „Cservölgyi major“ vorbei, über die Straße Bajna-Bajót, der Bajóter Bach wurde überquert und der Fußweg über den Kökényes-(Schlehen-) Berg genommen. Der Anstieg von 180 auf 313 m Höhe machte vielen Wallfahrern zu schaffen. Kleinkinder, die zum erstenmal mit einer Prozession mitgingen, fürchteten diesen Berg besonders, da man ihnen erzählte, dass sie oben angelangt, eine eiserne Kette durchbeißen müßten! Sie waren natürlich erleichtert, als sie feststellten, dass das Ganze nur ein Scherz war. Nach dem Abstieg kam man auf die Straße von Bajót nach Heiligenkreuz. Bevor der vom Wald umgebene Wallfahrtsort erreicht wurde, formierte sich die Prozession erneut, um so feierlich Einzug halten zu können. Man zog zunächst an den unterhalb der Kirche beiderseits der Straße haltenden Pferdewagen vorbei, und ging dann an den Verkaufsständen entlang in die Kirche. Am Vormittag nahm man an einer Messe teil, dann traf man sich mit den anderen Pilgern, die mit dem 152 Wagen oder Kutsche kamen, um etwas zu essen, Geschenke einzukaufen. Besonders beliebt waren die bunten LebzeltenRosenkränze („Löbzöten-Petten“), die man – um den Hals gehenkt – als Geschenk für die Daheimgebliebenen mitbrachte. Nach der Litanei und den Besuch des Kalvarienbergs sowie der Lourdes-Grotte am späten Nachmittag hieß es den 3-4stündigen Rückweg anzutreten. Kurz vor Einbruch der Nacht kam die Prozession in Tarian wieder an. Viele Schaulustige warteten schon an der Héreger Straße und im SpannGassl auf sie. Die Teilnehmer riefen den Wartenden zu: »An scheina Gruaß von Halignkreiz!« Die Mitbring-sel machten besonders die Kinder froh. Die Prozession zog – unter Glocken-geläut – noch in die Kirche, wo sie sich auflöste. Für die Teilnehmer ging ein ereignisreicher Tag zu Ende... Wie ging's weiter nach 1950? Viele ältere Landsleute unserer Gegend, kennen diesen bekannten Wallfahrtsort. Sie sind schon als Kinder gern dorthin gepilgert. Für alle war die Wallfahrt nach Heiligenkreuz (ung. Péliföld-szentkereszt) stets ein schönes Erlebnis. Als Bub war ich immer überglücklich, wenn ich mit dem Wagen mitfahren oder mit der Prozession mitgehen durfte. Um meine Jugenderlebnisse aufzufrischen, entschloß ich mich bei meinem Besuch in der alten Heimat (1965), auch Heiligenkreuz aufzusuchen. Die Sonne schien heiß vom wolkenlosen Himmel, als wir uns zu dritt, zu Fuß und zum Teil mit dem Bus, auf den Weg nach dem lange nicht gesehenen Wallfahrtsort machten. Der von bewaldeten Höhen umsäumte Ort schien unter der drückenden Mittagssonne wie ausgestorben. 153 Außer ein paar spielenden Kindern war kein Mensch zu sehen. Die Wirtschaftsgebäude des ehemaligen Klosters standen verwahrlost da. Schon an dem nicht mehr vorhandenen Zaun und Tor merkte man sofort, dass sie den Besitzer gewechselt haben. Die Wallfahrtskirche sah damals noch fast so aus wie vor zwanzig Jahren. Leider ließ sich nicht dasselbe auch von dem einst so schönen, über zweihundert Jahre alten Kalvarienberg sagen. Die Kreuzweg-Stationen waren alle beschädigt. Durchweg merkte man die Spuren mutwilliger Zerstörung. Dies galt ganz besonders für den letzten Teil des Kreuzwegs. Unser Besuch in Heiligenkreuz wäre unvollständig gewesen, hätten wir nicht auch die von der Kirche einen halben km entfernte Lourdes-Grotte besucht. Wo an Wallfahrtstagen Tausende von Menschen zur Muttergottes beteten, trafen wir jetzt nur drei Pilger an. Geschichte des Wallfahrtsortes Trotz seines unscheinbaren Äußeren hat der Ort eine große geschichtliche Vergangenheit. Von Funden aus der Umgebung schließt man darauf, dass hier schon der Mensch der Steinzeit, aber auch der Bronze- und Eisenzeit gelebt hat. Nach der Befreiung des Landes von der türkischen Herrschaft in den Jahren 1683/84 wurde die nähere und weitere Umgebung des heutigen Wallfahrtsortes von deutschen und slowakischen Kolonisten besiedelt. Sie waren, ähnlich wie die wenigen eingesessenen Ungarn, zum größten Teil katholisch. In den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts begann sich das religiöse Leben in der Diözese Gran von der langen islamischen Herrschaft allmählich zu erholen. 154 Aus dem Protokoll einer kirchen-amtlichen Kontrolle von 1732 in Heiligenkreuz erfahren wir, dass die baufällige schwibbögige Kirche an den Festtagen KreuzAuffindung (3. Mai) und Kreuz-Erhöhung (14. September) von großen Menschenmengen aus den umliegenden Dörfern besucht wurde. Über die Entstehung der Wallfahrten ist in dem Schriftstück folgendes zu lesen: »Es ist unbekannt, wie die Heiligenkreuzer Wallfahrten entstanden sind.« Nach mündlicher Überlieferung soll ein pflügender Bauer ein Kreuz gefunden haben, welches den Ausschlag für den Bau der Wallfahrtskirche gegeben haben soll. 1738 ließ Fürstprimas, Erzbischof Emmerich Esterházy die heute noch stehende Kirche und ein Kloster erbauen. Obwohl die Bauzeit zehn Jahre betrug, waren die Kirchenmauern so schwach, dass man es nicht wagte, aus Backsteinen einen Turm daraufzuset-zen. Aus diesem Grund hat die Wallfahrtskirche auch heute noch einen Holzturm. Die ersten Priester von Heiligenkreuz waren Einsiedler. 1763 hat Erzbischof Franz Barkóczy die wegen ihrer Strenge berühmten, bloßfüßig und ohne Kopfbedeckung gehenden Nazarener hier angesiedelt. Sie konnten aber in Heiligenkreuz nicht lange tätig sein, da Joseph II. 1782 alle Eremitenorden aufgehoben hatte. In der Zeit danach waren an dem Wallfahrtsort weltliche Seelsorger tätig. Als Fürstprimas Johann Scitovszky den Entschluß faßte, den Paulaner-Orden in Ungarn wieder heimisch zu machen, bestimmte er Heiligenkreuz als Stätte ihres Wirkens. 1860 ließ er aus Polen drei Patres und einige Brüder kommen, die aber wegen der schlechten Lebensverhältnisse nach sieben Jahren das Land wieder verließen. Die Pfarrei wurde nachher wieder von 155 weltlichen Priestern verwaltet. 1906 machte der damalige Erzbischof Vaszary einen neuen Versuch, die Paulaner in Heiligenkreuz anzusiedeln. Nach dreijähriger Tätigkeit haben aber auch sie den Wallfahrtsort für immer verlassen. Im Jahre des Konstantin-Jubiläums, 1913, wurde hier der Salesianer-Orden ansäßig. Die von Don Bosco gegründete Salesianische Gesellschaft wurde auf ungarischem Boden von dem ehemaligen Direktor des ungarischen Gymnasiums in Fiume, Dr. Karl Zafféry organisiert. Johann Csernoch, Erzbischof von Gran, hat ihn mit seiner kleinen Gruppe eingeladen, nach Heiligenkreuz zu kommen, um dort die erzieherischen und sozialen Ideen Don Boscos zu verwirklichen. Trotz der Schwierigkeiten während des Ersten Weltkrieges begann der junge Orden in Heiligenkreuz mit der Aufbauarbeit. 1925 wurde das alte Kloster aufgestockt. 1931 begann man den Kalvarienberg nach dem Plan von Zoltán Gáthy umzubauen. Nach seiner Fertigstellung war es einer der schönsten Kalvarienberge des Landes. Bis 1922 war am Wallfahrtsort gleichzeitig auch ein Konvikt. Seit 1936 existierte in Heiligenkreuz eine theologische Hochschule der Salesianer. 1932 baute man eine steinerne Verbindungs-straße bis zur Orisáper Abzweigung. In den Jahren des Zweiten Weltkrieges wurde ein großes Unterkunftshaus für die Pilger gebaut. Der Krieg hatte hier glücklicherweise keinen nennenswerten Schaden angerichtet. Nach 1945 wurde der Ort an Wallfahrtstagen wieder von großen Menschenmengen besucht. Die Prozessionen kamen nicht selten aus 40 bis 50 km Entfernung. Alle Nationalitäten (Ungarn, Deutsche und Slowaken) suchten und fanden hier Trost. Die wichtigsten 156 Wallfahrtstage sind: Der 3. Mai (Auffindung des Heiligen Kreuzes), der 14. September (Anbetung des Heiligen Kreuzes) und der 20. Oktober (St. Wendelinus). Den letzteren haben die »Schwaben« aus der alten Heimat mitgebracht. ( > Die Heiligen von Heiligenkreuz) Seit der Ansiedlung der Salesianer ging es mit der Entwicklung ständig aufwärts. Die Priester von Heiligenkreuz waren nicht nur gute Seelsorger und Wirtschaftler, sondern auch vorbildliche Kindererzieher. Sie wußten die Jugend zu fesseln. Die segensreiche Arbeit der Salesianer nahm im Jahre 1950 in Heiligenkreuz ein jähes Ende. Der Orden wurde vom Staat aufgelöst. Die Priester sind zum Teil in Pfarreien versetzt worden. Die Klostergebäude, das Unterkunftshaus für Pilger, das Gebäude der theologischen Hochschule sowie das Ackerland (ca. 35 kj = 20 ha) und der Wald wurden enteignet. Die am Wallfahrtsort verbliebenen drei Seelsorger mußten ein Jahr lang in einem Zimmer wohnen, während die übrigen Gebäude versiegelt waren und leer standen. 1951 hat man der Kirche wieder einige Räume vom Kloster zur Verfügung gestellt. 1953 richtete man in den bislang leerstehenden Gebäuden eine Bergbauschule ein. Hier wurden Hauer (Steiger) der nahegelegenen Grube Mogyorósbánya ausgebildet. Die erwähnten mutwilligen Zerstörungen am Kalvarienberg waren ihr Werk. Heiligenkreuz ist heute auch mit dem Bus zu erreichen: Von Gran aus über Dorog, Tokod oder Taath; von Schambek aus über Somor und Weina; von Tatabánya über Tarian und Weina. Viele Pilger nutzen nun diese günstige Gelegenheit, dem Gnadenort einen Besuch abzustatten. Am schnellsten kommt man natürlich mit dem eigenen PKW dorthin. 157 Neubelebung des religiösen Lebens Im Herbst 1989 empfing uns bei einem Besuch – ähnlich wie schon 1965 – ein Bild der Trostlosigkeit: Verfallene Wirtschaftsgebäude, die kleine Wallfahrtskirche auf dem Hügel verschlossen. Auf einem vergilbten Zettel an der Tür stand: Honig zu verkaufen. Es schien so, als ob der Niedergang des Wallfahrtsortes seit meinem letzten Besuch fortgeschritten wäre... Links um die Kirche herum wollten wir auf den einst so herrlichem Kalvarienberg gehen. Alles schien ausgestorben und menschenleer, als wir plötzlich auf eine junge Frau mit einem Kreuz um den Hals stießen. Sie rechte hinter der Kirche Heu zusammen. Noch bevor wir »Guten Tag!« wünschen konnten, kam sie uns mit einem »Gelobt sei Jesus Christus!« zuvor. Ich war überrascht, hier eine Vertreterin der Kirche anzutreffen, da seit dem Tod des letzten Pfarrers die Pfarrstelle verwaist war. Schnell kamen wir ins Gespräch. Die junge Frau gab uns bereitwillig Auskunft. Ob sie einem neuen, hier ansässigen Orden angehöre? – wollte ich wissen. Daraufhin erzählte sie uns, dass sie als gemischte Gruppe seit 1989 mit Erlaubnis des Erzbischofs von Gran hier leben. Der Gruppe gehören achtzehn Personen im Alter von 21 bis 28 Jahren an, darunter drei Ehepaare mit 5 Kindern, ein verlobtes Paar und Alleinstehende. Auch ein Novize, d. h. ein Klosterbruderanwärter, gehörte zu ihnen. Der Älteste unter ihnen ist der »Pastor«, d. h.Gruppenleiter. Die Vereinigung trägt den Namen »Gemeinschaft des Löwen von Juda und des Opferlamms« (ung. A Júda Oroszlánja és az Áldozati Bárány Közössége). Sie ging aus einer Budapester Betgemeinschaft hervor. Ziel dieser Vereinigung ist die 158 Förderung des christlich-jüdischen Dialogs und die Kontemplation (Beschaulichkeit) ... Unsere Gesprächspartnerin lud uns, nach der Besichtigung des Kalva-rienberges, zu einem Besuch in die Kirche ein. Die Kalvarienstationen wiesen – trotz begonnener Aufräumarbeiten – noch Spuren mutwilliger Zerstörungen auf. Unweit von hier befinden sich deutsche Soldatengräber. Die Soldaten fielen im März 1945 beim deutschen Rückzug. Beim Verlassen des Kalvarienberges kamen wir am ehemaligen Pilgerheim vorbei, das nach 1948 zunächst in eine Steigerschule und später in ein Gefängnis umgewandelt wurde. (1990 wurde es aufgelöst.) Vom Berghang konnten wir Gefangene und Wärter beobachten. Der Gegensatz zu früher wurde einem dadurch besonders bewußt... Im schlichtem sauberen Gotteshaus wartete bereits unsere Gesprächspartnerin. Andere Mitglieder der religiösen Gemeinschaft traten in Erscheinung: Ein junger Mann kniete – tief versunken – im Altarraum und betete, andere kamen hinzu. Wir religiös abgestumpften Westler waren beeindruckt von so viel Frömmigkeit und innerer Ruhe, die diese jungen Leute ausstrahlten. Der Geist von früher scheint in ihnen weiter zu leben. In der Sakristei erfuhren wir, dass die Gemeinschaft ihren Lebensunterhalt durch den Verkauf von lkonen, Honig und Gesangscassetten bestreitet. Die lkonen werden in eigener Werkstatt (St. Josef) hergestellt, die Cassetten und der Honig sind ebenfalls Eigenproduktion. Die Heiligen von Heiligenkreuz In der Kirche fielen uns zwei Heiligenstatuen auf. Beim genauen Hinsehen entdecktem wir den hl. Wendelinus, nach dem die Stadt St. Wendel im Saarland benannt ist. 159 (In der dortigen Basilika steht der Sarkophag des Heiligen.) Ihm gegenüber steht die Statue des hl. Florian. Die Entdeckung von gleich zwei Heiligen aus dem deutschen Sprachraum in diesem entlegenen Winkel Ungarns war für uns ein zusätzliches Erlebnis. Wie kam die deutsche Heiligenverehrung nach Ungarn? Darüber gibt es keine genauen Aufzeichnungen. Ebenso wenig weiß man über die Entstehungsgeschichte des Wallfahrtsortes. Nach der Legende soll ein Bauer beim Pflügen auf ein Kreuz gestoßen sein. Dieses Datum wird als »Tag der Kreuzauffindung« (4. Mai) bezeichnet. Das ist auch die Zeit der Frühjahrswallfahrt. Bemerkenswert ist, dass der Todestag des hl. Florian mit diesem Tag übereinstimmt! 160 Die Herbstwallfahrt am 20. (21., 22.) Oktober erinnert an den hl. Wendelinus. Die Kreuzerhöhungswall-fahrt findet am 14. September statt. Wegen der großen Dichte deutscher Dörfer in der Umgebung ist anzunehmen, dass deutsche Einwanderer im 18. Jahrhundert „ihre“ Heiligen mitgebracht haben. Der Wallfahrtsort soll seit 1735 bestehen. Viele Orte wurden zur gleichen Zeit mit Deutschen und Slowaken besiedelt, die nach Heiligenkreuz pilgerten und so zu seinem Aufblühen beitrugen. Dies ist auch aus der Kirchengeschichte des einige Kilometer entfernten deutschen Dorfes Taath zu entnehmen. Was wissen wir über »unsere« Heiligen? Warum haben unsere Vorfahren gerade sie verehrt? Auch hierüber ist nichts genaues bekannt. Aber vielleicht gibt uns ihre Lebensgeschichte eine Erklärung über ihre Verehrungswürdigkeit. Der heilige Wendelin soll der Legende nach ein irischer Königssohn gewesen sein. In Wirklichkeit war er vielleicht ein fränkischer Einsiedler des 6. Jahrhunderts. Er beschloß, das Weltliche zu meiden und sich ganz Gott zu weihen. Deshalb wurde er in der Gegend von Trier Einsiedler. Er war nahe am Verhungern, als ihn der Graf von Tholey (Saar) zu seinem Schweinehirten machte. Wegen seiner Tüchtigkeit wurde er bald auch Hirte über die übrigen Tiere. Weil ihn das Gesinde verleumdete, zog er sich wieder in die Einsiedelei zurück. Hier besuchten ihn die Bauern in Scharen, um sich bei ihm Rat zu holen, wenn ihr Vieh erkrankte. Wegen seiner Beliebtheit beim Volk wurde er dann schließlich Abt des Klosters Tholey. Er starb im jahre 617. Sein Grab in St. Wendel ist seit dem Jahre 1000 bezeugt. 161 Der hl. Wendelinus wird in rund 160 Wallfahrtsorten als beliebter Vieh- und Feldpatron verehrt. Deshalb liegt zu seinen Füßen ein Lamm und hält er einen Hirtenstab in der Hand. Da unsere Ahnen fast alle Bauern waren, ist es nicht verwunderlich, dass sie gerade ihn verehrten und um seine Hilfe flehten. Der hl. Florian soll um 250 n. Chr. in dem kleinen Dorf Zeiselmauer (damals Römisches Reich, heute NiederÖsterreich) geboren sein. Er genoß eine christliche Erziehung, die ihm u. a. durch seine Mutter zuteil wurde. Schon in jungen Jahren war er ein erfolgreicher Beamter und einer der einflußreichsten Männer der römischem Verwaltung. Als die Christen-Verfolgungsdekrete des Kaisers Diokletian veröffentlicht wurden, floh er nicht – wie viele andere – in die Berge, sondern bekannte sich zu seinem Glauben. Weil er – trotz Folter – seinem Christentum nicht abschwor, wurde er zum Tode verurteilt und am 4. Mai 297 in der Enns ertränkt. Er soll in St. Florian begraben sein. Der barocke Neubau der dortigen Stiftskirche wurde zwischen 1686 und 1708 errichtet. In dieser Zeit zogen die ersten Auswanderer nach Ungarn. Die Standhaftigkeit des hl. Florian mag ihnen – umgeben von Not und Tod – beim Aufbau eines neuen Wallfahrtsortes ein leuchtendes Vorbild gewesen sein. Sein Märtyrertod war während der wechselvollen 255jährigen Geschichte des Ortes nicht nur für die Gläubigen, sondern auch für die verfolgten Priester der letzten Jahrzehnte ein gutes Vorbild … 162 163 Über das Schweineschlachten 1 Bevor mit der Mast begann, wurden die Ferkel kastriert , so ließen sie sich besser mästen. Gemästet wurde mit Küchenabfällen, die im sog. Trankeimer (Trankamba) gesammelt wurden. Daneben bekamen die „Mäistsäu“ noch Gersten- und Maisschrot, damit sie möglichst viel an Gewicht zunahmen. Während früher das ungarische Landschwein Mangalica gehalten wurde, wird neuerdings mehr Fleischrassen der Vorzug gegeben, da das Schweineschmalz von Pflanzenölen verdrängt wurde. Hausschlachtungen wurden in Tarian nicht vom Fleischhacker, sondern vom Schlachter (Schlochta) durchgeführt. Er war hauptberuflich Bauer, verdiente sich in den Wintermonaten mit dem Schlachten etwas dazu. Sein Werkzeug bestand aus einem langen Schlachtmesser, einer Wurstspritze (mit verschiedenen Trachterln für Blut-, Leber- und Bratwurst), einer Fleischwolf (Fleischmühl), einem Holzstab (Staberl) zum Reinigen der Därme und einer Handvoll dünnen Holzstäbchen (Spahnl) zum Verschließen der Blut- und Leberwürste. Dazu kam noch der Klauenzieher (Klauenziaga), ein Eisenhaken mit Griff zum Abziehen der Klauen. Alles in einen Tornister gepackt, machte sich der Schlachter in aller Herrgottsfrühe auf zu den Leuten, die ihn zum Schlachten bestellten. Das Schwein bekam am Vorabend schon nichts mehr zu fressen, damit seine Därme leer waren. Während in den Kesseln schon das Wasser kochte, bot man dem Schlachter noch einen Schnaps oder Glühwein an. Dann ging es an die Arbeit: Einige kräftige Männer zerrten das Schwein aus der Mäststeige, warfen es zu 164 Boden, legten es auf eine Seite und hielten es fest. Der Schlachter näherte sich mit einem langen Messer, stach in den Hals und durchschnitt die Halsschlagader. Das herausströmende Blut wurde in einer tiefen Schüssel aufgefangen und gleichzeitig mit einem Holzlöffel umgerührt, damit es nicht gerinnt. Daraus machte man später die Blutwürste. Das tote Schwein wurde in eine große Holzmulde – in jüngster Zeit in eine Stahlblechwanne – gelegt und mit dem kochendheißen Wasser überbrüht. Damit das heiße Wasser überall die Haare weichmachte, wurde es mit langen Eisenketten im Trog öfters herumgedreht. Gleichzeitig kratzten die Helfer mit scharfen Messern die Borsten ab. Von den Füßen wurden auch die Klauen abgezogen. Wenn das Abkratzen beendet war, wurde das Schwein über dem Trog auf ein großes Brett gelegt und mit den Hinterbeinen nach oben auf den Galgen (Goling) gehengt. Dieser ist ein großes Holzgestell mit einem dicken Querbalken und zwei Stützen am Rand. Die Sehnen an den Unterschenkeln der Hinter-beine wurden freigelegt und das Schwein mit kräftigen Holznägeln am Querbalken befestigt, danach hob man die Stützen langsam, bis der Galgen – an die Hauswand gelehnt – aufrecht stand. Dann hat man das Schwein von oben nach unten auf der Bauchseite aufgeschnitten, wobei die inneren Organe in einen Weiling (große, tiefe Emaille-Schüssel) gelegt und zur Weiterverarbeitung ins Haus gebracht wurden. Magen, Dick- und Dünndarm sowie Harnblase (Bloder) sind auf dem Misthaufen entleert worden. Danach wurden sie mit dem Staberl umgeletzt, d. h. umgestülpt, mit Essigwasser und einem Holzschaber gereinigt. Inzwischen bereitete man schon die Füllung 165 für die Blutwürste, manchmal auch Leberwürste sowie Bratwürste vor. Der Schlachter bestimmte die Gewürzmischung und die Art sowie Menge der Zutaten. In die Bratwürste kam mit dem Fleischwolf zerkleinertes mageres und fettes Fleisch gemischt mit rotem Paprika, Knoblauch und Salz. Gebraten wurden sie nur am Schlachttag oder 1-2 Tage danach. Sonst aß man sie nachdem Räuchern roh. Sie wurden luftig auf dem Boden aufgehängt und hielten sich Monate lang. Für die Blutwurst wurde eigens weißes Kastenbrot im häuslichen Backofen gebacken. Das dann in Würfel geschnitten mit dem Blut und den Gewürzen vermischt die Füllung ergab. Die 100–200 kg schweren Mastschweine schlachtete man vorwiegend im Winter. Dank der vielen helfenden Hände konnte man an einem Tag das ganze Fleisch verarbeiten. In großen Kesseln – meist in tragbaren Kesselöfen (Kestlheisl), die im Hof standen – wurden die Blut- und Leberwürste sowie der Schwartenmagen (Schwoatnsock) ausgekocht. Die Füllung für letzteren bestand aus allerlei – weniger guten – Fleischsorten, z. B. Ohren, Kopf, Schwanz, die im Kessel gekocht (Kestlfleisch) und danach kleingeschitten – mit Gewürzen vermischt – in den Magen und die Harnblase (Ploda) gefüllt wurden. Danach wurden sie wieder im Kessel gekocht. Schließlich legte man ein Brett mit einem Gewicht darauf, damit sie eine abgeflachte Form bekamen. Falls der Schwartenmagen nicht frisch verzehrt wurde, hat man ihn noch geräuchert und so für längere Zeit haltbar gemacht. Beim Kochen der Blut- und Leberwürste platzte die eine oder andere, das ergab zusammen mit dem Kochwasser die sog. Wurstsuppe, die man am Schlachttag und einige Tage danach aß. Auch die 166 Verwandten und Nachbarn waren froh, wenn sie davon bekamen. Die Helfer aßen auch noch Kesselfleisch mit Brot, bevor die Hausfrau sie am Ende des Schlachttages – beim sog. Wurstmahl (Wuaschtmoi) – mit Bratfleisch, Würsten u. a. reichlich bewirtet hatte. Die 5–10 cm dicken Fettschichten der Mangalica hat man in Würfel geschnitten und im Kessel »ausgelassen«, d. h. so stark erhitzt, bis das Schmalz aus dem Fettgewebe herausgelöst war (Schmoizauslossn). Danach schöpfte man das heiße Schmalz in eine sog. „Schmalzdose“ (Schmoizteisn) ab. Das waren ca. 20-l-Eimaille-Eimer mit einem verschließbaren Deckel. Die übriggebliebenen Grieben (Grammeln) hat man noch ausgepreßt und längere Zeit aufgehoben. Man aß sie kalt – gesalzen – mit Brot oder aufgewärmt mit Pellkartoffeln. Das nicht zu Würsten verarbeitete Fleisch – Schinken, Speck u. a. – wurde ein-zwei Wochen in große Holzgefäße in eine Salzlösung gelegt und danach im häuslichen Rauchfang geräuchert. Nach dieser Salzund Rauchkonservierung hängte man es auf dem luftigen Speicher (Boden) auf, wo es in den Wintermonaten steinhart gefror. Bis in den Sommer hinein war das ein Nahrungsvorrat für die hart arbeitenden Menschen. 1) Diese Arbeit wurde von dem sog. „Fadlschneider“ durchgeführt. Das Mundartwort »Fadl« für Ferkel kommt aus dem Bairischen »Fackl«. Über die Reinhardt-Erbschaft Die Älteren unter den Tarianern werden sich noch erinnern, dass 1958 der ehemalige Notar Endre Pataky 167 ein Schreiben an die Reinhardt-Verwandtschaft herausgegeben hat, in dem er sie darüber informierte, dass ein reicher Verwandte von ihnen in Indien ein großes Vermögen hinterlassen hat. Die Nachricht schlug wie eine Bombe ein: Jeder, der irgendeinen Verwandten gleichen Namens unter seinen Vorfahren hatte, meldete sich im Rathaus, um von dem sagenhaften Vermögen etwas zu bekommen … Wer war dieser reiche Mann, dessen Goldvermögen seit mehr als 100 Jahren in weiten Teilen Europas die Reinhardt-Verwandten in helle Aufregung versetzt? Er soll Walter mit Vornamen geheißen haben und um 1720 geboren sein. Als Geburtsort geben die Presseberichte viele Orte an, so Kopenwien bei Würzburg, Straßburg, Vorarlberg, St. Anna/Rumänien, Slawonien/Kroatien, Luxemburg und natürlich Tarian und Untergalla/Ungarn. Er soll – als Tischlergeselle, Söldner oder Offzier – gegen Mitte des 18. Jahrhunderts nach Indien gekommen sein, wo er 1757 an der Seite der Franzosen gegen die Engländer gekämpft hat. Über seine »Heldentaten« als Soldat gibt es auch unterschiedliche Aussagen. Später schlug er sich auf die Seite der Inder und trat in den Dienst des Großmoguls von Delhi. Dieser schenkte ihm für seine Verdienste das Fürstentum Sardhana, wo er aus Baumwoll- und Zuckerrohrplantagen ein großes Vermögen erwarb. Er heiratete das Tanzmädchen Begum Sumroo. Sein Fürstenhaus richtete er in der Stadt Agra ein, wo er 1778 starb. Sein Grabmal ist bis heute erhalten geblieben. Da Reinhardt keine Nachkommen hatte, adoptierte er David Ochterlong, den unehelichen Sohn seiner Frau. Sie verwaltete das Vermögen Reinhardt bis zu ihrem Tode im Jahre 1836. Im gleichen Jahr übernahm die englisch-indische Regierung die Verwaltung des 168 Vermögens. Die drei Erben von David Ochterlong – der 1851 starb – prozessierten gegen diese Entscheidung. Sie erhielten 1856 eine Abfindung von 250000 Pfund. Sie prozessierten weiter; der letzte Prozeß in dieser Sache fand 1872 statt. Später erst wurden die in Deutschland und anderen europäischen Ländern lebenden – echten und vermeintlichen – Verwandten Reinhardts auf das riesen Vermögen aufmerksam. Seither geistert dieses Thema durch die Boulevardpresse. Anwälte, Konsulate und einfache Leute nahmen sich der Sache an. Es wurden Interessengemeinschaften gegründet und viele Zeitungsartikel geschrieben. Manche haben sich in den finanziellen Ruin gestürzt, nur um an die 2 t Gold heranzukommen. Alles war umsonst! Das letzte „Goldfieber“ erfaßte die Tarianer 1988. Damals glaubten noch viele an die große Erbschaft. Wir sollten diesen Traum endlich vergessen! Auszug aus dem Gesetz Nr. LXXVII des Jahres 1993 über die Rechte der nationalen und ethnischen Minderheiten auf dem Territorium der Republik Ungarn (Am 7. Juli 1993 vom Parlament angenommen) § 11 Die einer Minderheit angehörenden Personen haben das Recht, die familienbezogenen Traditionen der Minderheit zu achten, die familiären Beziehungen zu pflegen, ihre Familienfeste in ihrer Muttersprache zu begehen und die Abwicklung der damit verbundenen kirchlichem Zeremonien in ihrer Muttersprache zu beanspruchen. 169 § 12 (1) Die einer Minderheit angehörende Person hat das Recht, den eigenen Vornamen und den ihres Kindes frei zu wählen, ihren Vor- und Zunamen entsprechend den Regeln ihrer Muttersprache in das Personenstandsbuch eintragen zu lassen und in amtlichen Dokumenten – in dem durch Rechtsnormen festgelegten Rahmen – anzuführen. Im Falle der Eintragung mit nichtlateinischer Schreibweise ist die gleichzeitige Anwendung der phonetischen Schreibweise mit lateinischen Buchstaben verbindlich. (2) Auf Wunsch können die Eintragung in das Personenstandsbuch und die Ausstellung sonstiger persönlicher Dokumente – laut Festlegungen des Absatzes (1) – auch zweisprachig erfolgen. § 13 Die einer Minderheit angehörende Person hat das Recht a) auf das Kennenlernen, die Pflege, Mehrung und Weitergabe ihrer Muttersprache, Geschichte, Kultur und Traditionen; b) auf Teilnahme am muttersprachlichen Unterricht und Bildung-, c) auf Schutz der mit ihrem Minderheitendasein zusammenhängenden persönlichen Daten entsprechend den Festlegungen in einem gesonderten Gesetz. § 14 Die einer Minderheit angehörende Person hat das Recht, sowohl zu staatlichen und gemeinschaftlichen Institutionen der Mutterländer und Sprachnationen zu 170 auch zu in anderen Ländern lebenden Minderheiten Beziehungen aufrechtzuerhalten. Kivonat az 1993-as LXXVII-es sz. törvénybõl a Magyar Köztársaság területén élö nemzetiségi és etnikai kisebbségek jogairól (jóváhagyva a parlament 1993. július 7-i ülésén) 11. § Egy kisebbséghez tartozó személyeknek joguk van, a kisebbség családi tradicióinek tiszteletben tartására, a családi kapcsolatok ápolására, családi ünnepségeiket anyanyelvükön megtartani és azokkal kapcsolatos egyházi szertartásokat anyanyelvükön igénybevenni. 12. § (1) Egy kisebbséghez tartozó személynek joga van, saját és gyermekének keresztnevét szabadon választania, családés keresztnevét az anyanyelvének helyesírási szabályai szerint az anyakönyvbe bevezetetni és hivatalos okmányokban – a jogszabályok által meghatározott formában – feltüntetni. Nemlatin írásmód esetén egyideijüleg a fonetikus írásmód latinbetükkel kötelezö. (2) Kivánatra az anyakönyvi bejegyzések valamint egyéb személyes okmányok kiállítása – az (1) fejezet meghatározása alapján – kétnyelvüen is törtenhet. 13. § Egy kisebbséghez tartozó személynek joga van 171 a) anyanyelvének, történelmének, kultúrájának és tradícióinak megismerésére, ápolására, gyarapítására valamint továbbadására; b) az anyanyelvi oktatáson és müvelödésen résztvennie; c) egy külön törvény meghatározása alapján a kisebbségi léttel összefüggö személyi adatok védelmére. 14. § Egy kisebbséghez tartozó személynek joga van, anyaországainak és nyelvinemzetiségeinek valamint más országokban élö kisebbségek állami és közösségi intézményeivel kapcsolatokat fenntartani. 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 Im hinteren Bereich des Hofes der Langhäuser befanden sich die Mäststeigen. Bei ihnen handelten sich um hölzerne Schweineställe, die aus einem überdachten Teil und einem Auslauf bestanden. Darin hatten ein-zwei Mästschweine Platz. Wenn sie 100-150 kg schwer waren, wundensie in den Wintermonaten geschlachtet. Sie lieferten fürs ganze Jahr Schinken, Speck, Wurst und Schmalz. Die Hausschlachtung war eine wichtige Säule der Selbstversorgung der Dorfbevölkerung. 186 187 Köchinen auf der Hochzeit von Franz Salzinger und Kathi Simanek in den 1950er Jahren 188 Hochzeitszug in der Obergasse Mitte der 1950er Jahre Männer nach der Messe, von links nach rechts: Fuchs, Fülöp (Filips), Steiner, Singer, Weiler, Stein, Marx und Schatz 189 Dorfmitte: Pertlsches Haus mit einem gemeindeeigenen Radbrunnen. In den 50er Jahren wurde er zugeschüttet. Nach der Enteignung Ende der 1940er Jahre befand sich hier die Zentrale der LPG. Das eiplsche Haus am Berg (heute Moritz-ZsigmondPlatz): Nach dem die Familie Eipl ausstarb, kaufte der Gemeinde das Haus und richtete darin ein Dorfmuseum ein. 190