Prof. Dr. Hans-Werner Hahn Vorlesung Wintersemester 2010/11 Mi 8-10 Geschichte des Deutschen Kaiserreichs im europäischen Kontext 1871-1914. 14. Vorlesung: A: Deutsche Innenpolitik 1909 – 1914 / B: Außenpolitik 1890-1905 I. Die Regierung Bethmann-Hollweg Das Deutsche Reich befand sich innenpolitisch 1909 nicht an einem Scheideweg, aber in einer schweren inneren Krise. Der Kaiser war längst nicht mehr in der Lage, den Anspruch auf ein persönliches Regiment zu verwirklichen. Die Exekutive musste angesichts der Fundamentalpolitisierung in der Gesellschaft und des wachsenden Finanzbedarfs des Staates immer mehr Rücksicht auf die Kräfte des Reichstags nehmen. Zugleich war aber der Reichstag selbst aufgrund seiner Zusammensetzung und auch aufgrund der vielfältigen Gegensätze innerhalb der Parteien keine Kraft, die aktiv auf einen Verfassungswandel zusteuerte (Gegensatz der ländlich-agrarischen und der städtisch-industriellen Welt). Inzwischen hatte sich zudem auch die Hoffnung zerschlagen, durch imperialistische Expansion nach außen und eine begrenzte Modernisierung im Inneren die Lage zu stabilisieren. Neuer Kanzler wurde 1909 Theobald von Bethmann-Hollweg. Die Bethmanns waren eine bekannte Frankfurter Bankiersfamilie, die Hollwegs eine hessische Juristensippe. Auch Theobald von Bethmann-Hollweg studierte Jura und stieg in die höhere preußische Beamtenschaft auf. Seit 1905 war er preußischer Innenminister, seit 1907 auf der Reichsebene Staatssekretär des Inneren. Bethmann Hollweg versuchte auch als Kanzler, behutsame Reformen auf den Weg zu bringen und damit den Veränderungsdruck aus der Gesellschaft aufzufangen. Er setzte auf eine Gesetzgebung mit wechselnden Mehrheiten. Das Ganze diente dem Ziel, durch eigene Reforminitiativen die angeschlagene Autorität von Krone und Regierung wieder zu festigen. Eine solche Politik war aber mit der schwarzblauen Reichstagsmehrheit im Grunde nicht zu machen. Die Konservativen lehnten größere Reformen strikt ab und suchten ihr Heil immer mehr in radikaler Abgrenzung gegenüber politischen Veränderungen (verstärkte Kooperation mit den radikalen Kräften der neuen Rechten). Und das Zentrum war ein schwer zu kalkulierender Faktor, weil sich die verschiedenen Flügel der Partei nach 1910 heftig bekämpften (Integralismus-Streit). Auch die Nationalliberalen, die Bethmann-Hollweg wieder enger mit den beiden anderen Parteien zusammenführen wollte, waren gespalten. Der rechte Flügel war für eine erneute Annäherung an Zentrum und Konservative. Die Mitte um den Fraktionsführer im Reichstag – Ernst Bassermann – wollte sich nach allen Seiten offen halten. Die Jungliberalen auf der Linken wollten dagegen die engere Kooperation mit den Linksliberalen und sogar mit der Sozialdemokratie. Der deutsche Föderalismus schlug sich auch in der politischen Kultur weiterhin nieder. Um 1910 schlossen sich im Großherzogtum Baden Nationalliberale, Linksliberale und Sozialdemokratie zum Großblock zusammen. Die süddeutsche Sozialdemokratie war insgesamt reformistischer als die Gesamtpartei, die Konservativen waren in Baden eine Randerscheinung. Monarchie und Bürokratie ermöglichten in den süddeutschen Staaten generell ein weit liberaleres Klima. Der letzte hessische Großherzog Ernst Ludwig fuhr stets nur mit großer Abneigung nach Berlin. Die dortigen Militärparaden und die Hofhaltung des Kaisers waren ihm ein Gräuel. Auf der anderen Seite war er auch unter den Arbeitern seines kleinen Landes beliebt. Dort, wo solche Verhältnisse gegeben waren, war dann auch die Sozialdemokratie reformistischer. Der badische Großblock war aber erstens ein Sonderfall, der auf der Reichsebene zu diesem Zeitpunkt nicht denkbar war. Er war auch in vielen anderen Staaten, etwa in Thüringen oder Sachsen, kaum möglich, weil sich hier Bürgertum und Arbeiterschaft zum Teil außerordentlich konfliktreich 1 gegenüberstanden. Zweitens scheiterte aber auch die badische Großblockvariante bald an inneren Gegensätzen. Auf der Reichsebene blieb es daher für den Kanzler überaus schwierig, Mehrheiten für seine Reformversuche zu finden, etwa für eine maßvolle Korrektur des preußischen Dreiklassenwahlrechts. Die Sozialdemokratie nahm die Reformdebatte zum Anlass, mit großen Massendemonstrationen – den Wahlspaziergängen im Berliner Tiergarten mit 250 000 Teilnehmern – die brüchige innerparteiliche Einigkeit wieder zu befestigen. Das zweite Reformprojekt betraf die Verfassung für Elsaß-Lothringen. Vierzig Jahre nach der Annexion kam nun eine Ordnung zustande, die immerhin die Stellung des Landes dem eines Bundesstaates annäherte. Das Reichsland erhielt einen Landtag, der nach allgemeinem Wahlrecht gewählt wurde. Für eine erfolgreiche Integrationspolitik war dies aber zu spät. Auf allen anderen Feldern der Reichspolitik kam unter Bethmann-Hollweg letztlich wenig voran. II. Die Reichstagswahlen von 1912 und die „Politik der Diagonale“ Das Wahlergebnis von 1912 machte deutlich, wie unzufrieden man im Wahlvolk inzwischen mit der Politik der Reichsführung war. Die Konservativen, das Zentrum und die Liberalen büßten nämlich viele Wähler ein. Aber auch die Linksliberalen verloren Stimmen. Dagegen steigerte die Sozialdemokratie ihren Stimmenanteil nun auf knapp 35%. Da auch die Stichwahlabsprachen ihrer Gegner diesmal schlechter funktionierten, kam die Sozialdemokratie nun auch auf 110 der 397 Mandate und war damit erstmals stärkste Fraktion des Reichstages. Das Zentrum als zweitstärkste Partei kam auf gerade einmal 16,4%, hatte aber auch 91 Mandate. Die bisherigen Blöcke – der gescheiterte Bülow Block wie der schwarz-blaue Block – hatten keine Mehrheit mehr. Was waren die politischen Folgen? 1. Die Rechte sah sich in die Defensive gedrängt und schloss sich enger zusammen. Außerhalb des Parlaments fand die sich weiter radikalisierende neue Rechte, allen voran die Alldeutschen, stärkeren Zulauf. Die rechten Verbände riefen 1913 das „Kartell der schaffenden Stände" ins Leben, das von kritischen Beobachtern auch als „Kartell der raffenden Hände" (Agrarsubventionen, Schutz des Handwerks) bezeichnet wurde. Die Konservativen im Parlament, also vor allem die Deutschkonservativen, rückten nun enger an die außerparlamentarische Rechte heran. Dennoch gab es keine Einheit zwischen den eigentlichen Konservativen und jenen Konservativen, die Deutschland im völkischen Sinne umbauen wollten. 2. Nach dem klaren Wahlsieg der Sozialdemokratie hätte eine Mitte-Links-Koalition aller Reformkräfte aus Zentrum, Sozialdemokraten und Liberalen zahlenmäßig zwar eine Mehrheit gehabt, eine solche Koalition war nach 1912 aber politisch noch immer nicht möglich. Die Reichsregierung besaß daher weiterhin einen sehr geringeren Handlungsspielraum. Bethmann-Hollweg konnte nicht offen gegen die Konservativen Front machen, weil diese in Preußen im Abgeordnetenhaus und Herrenhaus, in Militär und Bürokratie, beim Hof und beim Kaiser noch großen Rückhalt besaßen. Bethmann-Hollweg war ja auch preußischer Ministerpräsident, und er hätte seine eigene Position aufs Spiel gesetzt, wenn er hier zu schnell mit Reformen vorangeschritten wäre. Auf der anderen Seite musste er aber auch auf den Reichstag Rücksicht nehmen. Folglich betrieb er letztlich eine Politik, die als Politik der Diagonale bezeichnet worden ist. Es war eher eine kurzatmige Politik des Durchwurstelns und des Zeitgewinns. Bethmann-Hollweg suchte vor allem solche Felder, auf denen eine möglichst große Zustimmung im Reichstag zu erwarten war. Am meisten bewegte sich daher noch auf dem Felde der Flotten- und Heeresrüstung. Der Appell an die deutsche Verteidigungsbereitschaft stieß in der öffentlichen Meinung – vor allem im Bürgertum, aber auch in anderen Schichten – stets auf viel Zustimmung (Tradition der Einigungskriege, bürgerlicher und unterbürgerlicher Militarismus (Kriegervereine), Einkreisungsängste). 1913 2 wurde eine Verstärkung der Armee um 131 000 Soldaten und eine Modernisierung der Bewaffnung beschlossen. Bei der Frage, wie die Rüstung zu finanzieren war, setzte eine Mehrheit des Reichstages aber eigene Ideen gegen die Regierung durch. So beschlossen Zentrum, Liberale und Sozialdemokraten gemeinsam eine stärkere Besteuerung der Vermögen (Vermögensabgabe und Vermögenszuwachssteuer), um die mit einer anderen Reichstagsmehrheit verabschiedeten Rüstungsvorhaben sozial verträglich finanzieren zu können. Insgesamt wurde der Reichstag nach 1912 aktiver gegen die Reichsregierung tätig. Er rang ihr neue Zugeständnisse ab und setzte den Kanzler stärker als zuvor unter Druck. Man diskutierte die ungelöste Frage der Kanzlerverantwortlichkeit, man änderte die Geschäftsordnung des Parlaments, um die Exekutive nachhaltiger kritisieren zu können, und sprach dem Reichskanzler in bestimmten Fällen nun auch klar das Misstrauen aus, etwa im Falle der Zabern-Affäre von 1913 (rechtswidriges Vorgehen preußischen Militärs gegen zivile Demonstranten in Elsaß-Lothringen). All dies signalisierte ein neues Selbstbewusstsein des Reichstages. Dennoch erhob das Parlament diesen eigenen Machtanspruch letztlich noch immer zu halbherzig. Der Reichstag war nicht einig genug und hatte auch noch zu viel Respekt vor einer Reichsregierung, die längst nicht mehr so stark dastand wie zu Beginn des Kaiserreichs unter Bismarck. Das politische System befand sich somit in einer Sackgasse. Weder die eine noch die andere Seite war voll handlungsfähig. In der öffentlichen Meinung wuchs die Unzufriedenheit über die vielen steckengebliebenen Reformen. Der Weg in den Krieg schien für die ziemlich ratlos regierenden Kräfte einen Ausweg zu bieten, um die wachsenden gesellschaftlichen und politischen Spannungen zu überbrücken. Dennoch waren es nicht vorrangig diese innenpolitischen Probleme des Kaiserreichs, die den Ausbruch des Ersten Weltkriegs und damit den Beginn des Endes des Kaiserreichs erklären können. Hier spielten vor allem auch außenpolitische Faktoren eine bedeutende Rolle. B. Deutsche Außenpolitik und europäisches Staatensystem 1890 bis 1914. Literatur: Klaus Hildebrand, Deutsche Außenpolitik 1871 - 1918 (= Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Bd. 2), 3., überarb. und um einen Nachtr. erw. Aufl., München 2008. Ders., Das vergangene Reich. Deutsche Außenpolitik von Bismarck zu Hitler 1871-1945, Stuttgart 1995. Gregor Schöllgen/Friedrich Kießling, Das Zeitalter des Imperialismus (Oldenbourg Grundriß der Geschichte, Bd. 15), 5. überarb. und erw. Aufl., München 2009. I. Neuorientierung deutscher Außenpolitik: Bismarcks außenpolitischer Kurs, die Sicherung des Status-quo, schien vielen Deutschen nach der Entlassung des Kanzlers nicht mehr zeitgemäß. Neue Zeitströmungen wie der Nationalismus, der Imperialismus und der Sozialdarwinismus und eine neue Politikergeneration mit dem Kaiser an der Spitze setzten auf eine dynamischere Außenpolitik. Ökonomie, Öffentlichkeit, militärisches Denken und Fragen des nationalen Prestiges gewannen fortan mehr Einfluss auf die deutsche Außenpolitik. Damit begann eine Entwicklung, die schon den Keim des Untergangs deutscher Groß- und Weltmachtpolitik in sich trug. Die relative Geschlossenheit deutscher Außenpolitik löste sich auf, deutsche Außenpolitik wurde in sich widersprüchlich und kurzatmig und rief immer größere Besorgnis bei den anderen Mächten hervor. 3 II. Deutsche Außenpolitik 1890-1897: Neuer Kurs und fehlende Linie. Caprivi versuchte einen behutsamen Neuanfang deutscher Außenpolitik. Der deutsch russische Rückversicherungsvertrag wurde nicht mehr erneuert, weil man Widersprüche im System beseitigen wollte und den Vertrag anders als Bismarck in erster Linie unter dem Aspekt seiner Kriegstauglichkeit beurteilte. Die deutschen Militärs begannen sich auf einen Zweifrontenkrieg gegen Frankreich und Russland einzustellen, eine Annahme, die durch die französisch-russische Militärkonvention von 1892/94 neue Nahrung erhielt. Die Außenpolitik des Reiches kam nun in eine orientierungslose Bewegung, an deren Ende die harte Blockbildung mit Österreich-Ungarn stand. Caprivi versuchte aber auch Großbritannien enger an das Deutsche Reich heranzuführen. Am 1. Juli 1890 kam es zu einem Abkommen zwischen dem Reich und Großbritannien, das koloniale Fragen regelte. Das Reich verzichtete auf eigene Schutzrechte über Sansibar und erhielt dafür den Caprivi-Zipfel (Südwestafrika) sowie die Insel Helgoland. Das Abkommen leitete aber nicht ein engeres Zusammengehen mit Großbritannien ein, das sich auf eine antirussische Blockbildung nicht einlassen wollte. Die Handelsvertragspolitik Caprivis, die den wirtschaftlichen Interessen der aufstrebenden Industriemacht entsprach, führte zwar nochmals zu einer vorübergehenden Rückwendung zu Russland, konnte aber dort keine Kurskorrektur mehr herbeiführen. Es zeigte sich, dass weder Russland noch Großbritannien in ihrer Außenpolitik auf das Reich angewiesen waren. Die Folge war, dass das Reich nun bindungslos zwischen den Weltmächten Russland und Großbritannien hin und her irrte und mit seiner Politik zunehmend alle Mächte irritierte. Typisch für die außenpolitischen Fehlleistungen in der politischen Führung war die Krüger-Depesche, mit der Kaiser Wilhelm II. am 3. Januar 1896 dem Präsidenten der Burenrepublik mit unübersehbarer scharfer Spitze gegen Großbritannien zur Abwehr britischer Vorstöße gratulierte. III. Die Außenpolitik der „freien Hand" und die Isolierung des Deutschen Reiches 1897-1908. Die neue, von Bemhard von Bülow getragene Weltpolitik und die von Admiral Tirpitz konzipierte Flottenpolitik führten zu weiteren verhängnisvollen Fehlentscheidungen. Die Weltpolitik, die durch den wirtschaftlichen Aufbruch der Jahrhundertwende und die wachsende sozialökonomische Macht des Bürgertums begünstigt wurde, sollte auch den Deutschen den „Platz an der Sonne" sichern. 1897 begann die gegen Großbritannien gerichtete Flottenrüstung. Bülow wollte zwischen den Weltmächten England und Russland so lange freie Hand behalten, bis man durch den Aufbau einer großen Schlachtflotte mächtig genug war und gegenüber beiden Weltmächten als starker Partner agieren konnte. Tirpitz dachte schon weiter. Die Flotte sollte gegenüber der Seemacht England nicht mehr nur als Joker in Bündnisverhandlungen dienen, sondern auch Instrument einer offensiven Politik werden. Die anfangs geplante Aufrüstung im Stillen wurde schon dadurch unterlaufen, dass die neue Weltpolitik und das nun immer mehr hervortretende deutsche Prestigebedürfnis das Streben nach raschen Erfolgen begünstigte. Zwischen 1897 und 1899 erwarb das Reich die chinesische Kolonie Kiautschou und einige weitere, eher wertlose pazifische Inseln (Karolinen- und Marianeninseln, Samoa). Im Grunde manövrierte sich das Reich mit seiner ungeschickten Politik und dem Auftreten seiner Repräsentanten weiter selbst ins Abseits und verstärkte das Misstrauen der Nachbarn (z. B. Hunnenrede Kaiser Wilhelms am 27. Juni 1900 bei der Verabschiedung des deutschen Korps zur Bekämpfung des chinesischen Boxeraufstandes). Ungenutzt blieb auch die Chance, die sich an der Jahrhundertwende aus dem britischen Angebot zu neuen Bündnissondierungen ergab. 4 Die sogenannte Faschoda-Krise (britisch-französische Konflikte im Sudan) signalisierte London, dass es die eigenen Kräfte zu überspannen begann. Angesichts dieser Konflikte warb der britische Kolonialminister Chamberlain für eine Allianz mit Deutschland und Amerika. Auf der deutschen Seite glaubte man aber, die Briten angesichts der tiefgehenden britisch-französischen wie britisch-russischen Gegensätze hinhalten zu können. Schon wenig später begann Großbritannien aber damit, auf seine weltpolitischen Hauptrivalen zuzugehen und einen Ausgleich zu suchen. 1904 einigte man sich in London mit Paris über die lange so strittigen Kolonialprobleme, vor allem in Afrika, und schloss die so genannte „Entente cordiale". 1907 ging Großbritannien dann auch mit Russland eine ähnliche Konvention über die Streitfragen in Asien ein. Das Deutsche Reich konnte fortan nicht mehr von den kolonialpolitischen Gegensätzen der anderen Machte profitieren und geriet zunehmend in die Isolierung. Dies zeigte bereits die erste Marokkokrise von 1905/06. Marokko war seit den 1890er Jahren verstärkt in das Blickfeld deutscher und französischer Wirtschaftsinteressen geraten. Anfang 1905, kurz nach der Entente Cordiale, ergriff Frankreich eine neue Initiative und verlangte vom Sultan zahlreiche Wirtschaftsreformen, die das Land praktisch zu einem französischen Protektorat gemacht hätten. Ende März landete dann der deutsche Kaiser Wilhelm II. in der marokkanischen Hafenstadt Tanger, um die deutschen Ansprüche in Marokko deutlich zu machen. Die französische Regierung stimmte erst nach deutschen Kriegsdrohungen einer internationalen Marokko-Konferenz zu, die Anfang 1906 in der spanischen Stadt Algeciras stattfand und auf der ein Großteil der französischen Forderungen erfüllt wurde. Auch der deutsche Dreibund-Partner Italien stützte die französischen Ansprüche. Während der Marokkokrise hat das Deutsche Reich nochmals versucht, mit Russland ins Geschäft zu kommen. Hintergrund waren der russisch-japanische Krieg von 1904/05, der mit einem Sieg der Japaner endete, und die 1905 ausbrechende erste russische Revolution. Das Deutsche Reich wollte dies nutzen, um das angeschlagene Zarenreich für eine Allianz zu gewinnen. Mitte 1905 vereinbarten Wilhelm II. und der seit 1894 regierende Zar Nikolaus II. im norwegischen Björkö einen Defensivvertrag. Er wurde jedoch politisch nicht umgesetzt. Es zeigte sich, dass das zeitweilige Einverständnis von zwei verwandten und befreundeten Monarchen nicht mehr ausreichte, um Grundlagen einer neuen Bündnispolitik zu schaffen. Statt des deutsch-russischen Bündnisses kam es dagegen 1907 zur oben erwähnten britischrussischen Konvention. Großbritannien ließ sich damit noch nicht fest in ein antideutsches Bündnis einbinden, stand aber fortan eher im Lager der russischfranzösischen Allianz als auf Seiten des Zweibundes zwischen dem Reich und Österreich-Ungarn. 5