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Politik und Religion im modernen Indien
Einleitung
Epochales Werk Gora: Debatte über kulturelle Identität Indiens und Bedeutung von
Religion, Kaste und Klasse. Setzte Impulse für Fortsetzung der Auseinandersetzung
von Politik und Religion Indiens im Kontext zunehmender Öffnung und wirt.
Einbindung in int. Entwicklungen. Die Existenz Indiens als Land holt den Geist Gottes
aus der jenseitigen Ferne in die Wirklichkeit der Menschen herein. Dies verleiht
Indien eine überirdische Existenzgrundlage. Die Unabhängigkeitsbewegung Indiens
von der kolonialen und fremdkulturellen rel. Unterwerfung wird damit selbst zum rel.
Glaubensakt. Gora weigert sich an eine Form des Religiösen festzumachen, Vielfalt
unterschiedlicher Ausprägungen der Gottesbeziehungen ist eigentliche Wesenszug
Indiens. Gora meint, dass der indische Respekt vor religiöser Vielfalt und die
unterschiedlichen Wege, die zu einem Gott führen, das eigentlich Indische sind und
machen damit das religiöse Wesen dieses Landes aus.
Idee der Volkssouveränität wurde zur wichtigsten ideologischen Rechtsfertigung
des modernen Nationalismus. Das Volk hat eigene Persönlichkeit.
Volkssouveränität bedeutet auch einen nach innen gerichteten Zwang zur
Vereinheitlichung = politische Emanzipation gegen Kolonialherrn.
Prinzip der Volkssouveränität macht Minderheiten zu einem Problem. Vollständige
Beseitigung kultureller Differenzen im Inneren des Landes = geäußert im
Nationalismus.
Modernisierung: vielschichtiger Begriff, Veränderung des Verhältnisses zwischen
Religion und gesell. Bereichen, Dichotomie zwischen Tradition und Moderne,
Tradition mit Religion gleichgesetzt.
Aus Sicht Indiens: Errichtung modernen Verwaltungsstaates, nach westlichen
Prinzipien
strukturierten
Rechtswesens,
Kontakt
mit
Aufklärung,
moderner
Technologie waren Innovationen, die sich am indischen Subkontinent unter
kolonialen Vorzeichen einstellten. Inhalte der Aufklärung wurden im Rahmen eines
repressiv-kolonialen Systems vermittelt. So konnte Indien nicht selbst Motor seiner
Modernisierung werden.
19. und 20. Jhdt wurde Moderne in Indien zu einem umstrittenen Terrain
unterschiedlicher ideol. Lager. Unterschied zum Westen: andauernde Präsenz und
Relevanz von Religion.
1
Diskussion zu Politik und Religion durchlief in Indien unterschiedliche Phasen.
Beginn des indischen Nationalismus 19 Jhdt und durch starke Präsenz rel.
Reformbewegungen spielte Frage der Bedeutung der Religion eine entscheidende
Rolle. Kulturelle Fremdheit der Briten war Anlass zur Reformulierung des eigenen
kulturellen Erbes indem Religion ein tragendes Element darstellt.
Eintritt
Ghandis
in
Unabhängigkeitsbewegung
brachte
neue
Qualität
des
Verhältnisses zwischen Politik und Religion = konsequent integrativer Ansatz.
1920er religös-nat. Lager propagierte Identität des Hindutum.
1952 Gründung Republik Indien und Bemühung säkularen Grundkonsens.
Gleichbehandlung aller Religionen durch Staat sollte friedliche Koexistenz zwischen
den Religionsgemeinschaften und Entfaltung rel. Pluralität innerhalb des Landes
fördern. Im Kabinett des ersten Premierministers Jawaharlal Nehru unterschiedliche
Auffassungen über rechtliche Sonderstellung rel. Minderheiten.
Verlust politischen Hegemonie der Kongresspartei 1970er, veränderten wirt. und soz.
Rahmenbedingungen 80er und 90er Jahre, Aufstieg einer neuen Mittel-
und
Oberschicht als Gewinner der Globalisierung und strukturelle Veränderungen in
demokratischer Landschaft trat Frage nach Verhältnis zw. Politik und Religion wieder
in Vordergrund, vor allem Hinduismus.
Für Thema Politik und Religion im modernen Indien spielt Nationalismus wichtige
Rolle. Performative Nationalbildung: nicht nur sprachliche Konstruktion einer Nation,
sondern ihre Herstellung durch symbolisches Handeln in der Öffentlichkeit.
1. Politik, Nationalismus und Religion im modernen Indien
Eine Idee von Indien: Nationalismus im Kolonialstaat
Ghandi: Diskrepanz zwischen Idee Europa und bestehenden realpolitischen
Verhältnissen (koloniale Bevormundung  degradiert Peripherie im Süden zum
Vorstadium des eigentlich Modernen und Fortschrittlichen; Diskrepanz zwischen zur
Verarmung führender Praxis der Kolonialherrschaft und jüdisch-christliche Merkmale
und aufgeklärte politische Inhalte der Idee Europa)
Idee Europa bei Ghandis politischem Engagement als normatives Ideal im
Hintergrund und als Bezugsrahmen seiner anti-kolonialen Mobilisierungen.
2
 Unabhängigkeitskampes in der ersten Hälfte des 20. Jhdts.: verbreiterndes
Bewusstsein der eigenen politischen und wirtschaftlichen Rechte Indiens 
Diskrepanz nicht mehr gerechtfertigt werden.
 anti-koloniale Emanzipation: Einfordern einer Entsprechung zwischen Realpolitik
und Idee Europa
Neben Rhetorik negativ formulierter Abgrenzung gegenüber kolonialer Herrschaft
bedarf es auch einer positiven Vorstellung vom Danach, einer konkreten Idee des
Eigenen und einer politisch realisierbaren Alternative für das unabhängige Indien.
Zurückweisung europäischer Assistenz auf dem Weg zur Moderne mit dem
Argument der nationalen Selbstbestimmung: Nation (kollektive Identität, Kultur und
Geschichte) unterschiedlich definiert. Differenzen auf Grund zwei Fragen:
a) welche
Elemente
und Traditionsgütereiner kollektive
Identität
Indiens
begründen könnten
b) Verhältnis zwischen Hindus und Moslems
Am Anfang des Diskurses: kooperative Haltung gegenüber Kolonialmacht -> Ram
Roy: 1828 Gründung des Brahmo Samaj: Anerkennung der Briten, aber auch Kritik
an kolonialer Praxis
Im politisch-nationalistischer Diskurs eine duale Aufteilung erfolgt:
a) materielle = äußere Domäne (Wirtschaft, moderne Technik, Wissenschaft 
Überlegenheit der Europäer anerkannt, durch Nachahmung wettmachen)
b) spirituelle = innere Domäne (Überlegenheit Indiens, Einmischung der
Fremdherrschaft
zurückgewiesen,
positiv
definierte
Differenz
zu
Kolonialherren, Indien Stellvertreter des Ostens Herr über das Feld der Kultur
und Religion, sogar offensiver Sendungsauftrag „Spiritualität muss den
Westen erobern“  kolonialer Staat deutliche Einschränkung seiner
politischen und gesellschaftlichen Zuständigkeit  diese Bereiche zu
eigentlichen Schlüsselkriterien, leiteten auf diese Weise kulturell motivierte
Abschüttelung der Fremdherrschaft ein)
Nachdenken über indische Nation: Nationalismus propagiert gemeinsame nationale
Kultur, Staatsbürger als Einheit gesehen
a) national-radikale Flügel des indischen Nationalkongresses unter Führung
von Tilak: Wesen der indischen Nation hat einen kulturellen, nämlich
hinduistischen Charakter; Bipin Pal (Mitstreiter Tilaks): zwei Aspekte bei der
konkreten Gestaltung einer Nation beachtet werden:
3
1. gemeinsame Struktur des Denkens 2. einheitliche, soziale Organisation
Loyalität gegenüber nationalen Idealen und Institutionen stellt einzige Chance
dar, als distinktive und individuelle Nation zu leben
b) National-Liberalen um Gokhale oder Naoroji: Indien als Nation keine
natürlich Konstante der Geschichte, sondern „nation in the making“, muss
durch Prozess aus politischer Emanzipation und Bewusstsein entstehen (im
Sinne einer multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft)
Nehru, erster Premierminister des unabhängigen Indiens: Indien als Nation
resultiert weniger aus der Vergangenheit, wichtiger: prosperierende Zukunft,
vor allem ökonomische und soziale Notwendigkeiten und Kooperation auf
nationaler Ebene als primärer Kitt der Nation; Kultur und Religion als
Gefahrenpotential angesehen (für anti-koloniale Interessen instrumentalisiert,
Gefahr für wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes und Politik
entlang der religiösen Trennlinien von ihm als reaktionär und vormodern
kritisiert, entscheidender Faktor = ökonomische, dadurch religiöse Differenzen
in den Hintergrund treten, dieser Nationsbegriff: kulturell neutral, offen für
ethnische und religiöse Vielfalt) Merkmal postkolonialer Staaten = alle
nationalen Kräfte für die Überwindung der Unterentwicklung mobilisieren
 Nehru in Konflikt mit Ghandi (Nehru lehnt Ghandis expliziten Bezug auf Religion
in seinen Kampagnen ab, für Ghandi ist das Verhältnis von Politik und Religion
jedoch substantiell, für ihn Religion = Glaube an geordnete moralische Herrschaft
des Universums, geht über die verschiedenen Religionen hinaus, Durchdringung der
Politik durch humanistische Religion der Gewaltlosigkeit für Ghandi integrativen
Charakter)
Die Besonderheit des indischen Nationalismus
Debatte um mögliche indische Nation geprägt durch zwei Meinungen: die der
Primordialisten und die der Modernisten.
(Der Ansatz der Primordialisten geht davon aus, dass die Verbindung zwischen
Menschen hergestellt wird durch so genannte "givens" wie Verwandtschaft, Religion
und Territorium. Primordialisten betonen vor allem die emotionale Kraft der
Gruppenidentität und verstehen das Bestreben der Individuen, einer ethnischen
Gruppe anzugehören, weitestgehend als "man's primal need to belonging".
Primordialisten vertreten die Ansicht, dass Ethnizität einen Charakter umfasst, der
ethnische Gruppen als natürliche Gruppen definiert.)
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Alle politische Akteure hatten gemeinsam: historische Tiefe, Indien als geschichtlich
gewachsene Nation (Form der idealisierte Vergangenheit).
„Solidaritätstrationalismus“: Führungskräften in (ehem.) Kolonien erlaubt, eine
kollektive, politisch wirkmächtige Solidarität als emotionale Grundlage eines
Bewusstseins als Nation zu schaffen. (typisches Merkmal des Nationalismus
unterworfener Nationen)
Modernisten: Schaffung einer Nation gleichzeitig mit wirtschaftlichen und sozialen
Veränderungen
Zum
Zeitpunkt
der
Ausbildung
des
kolonialen
Staates
Indien
war
der
volkswirtschaftliche Status nicht adäquat  agrarisch geprägte, vormoderne
Strukturen, koloniale Erschließung: modernes Staatsgefüge übergestülpt, dessen
gesellschaftliche Basis in den 20-er Jahren des 20. Jhdts. die Vorraussetzungen für
ein nationalistisches Engagement bot. Landesweite, einheitliche Verwaltung,
Etablierung des Englischen…. schufen strukturelle Vorraussetzungen für den
nationalistischen Diskurs. Gesellschaftliche Elemente (Kastenwesen, regionale und
religiöse Gemeinschaftsformen) für bessere politische Kontrolle am Leben erhalten.
Abbau
vormoderner
gleichberechtigter
Muster
der
Ungleichheit
Staatsbürgerschaft
blieb
zugunsten
aus

moderner
traditionell
Praxis
soziale
Segmentierungen in modernen, kolonialen Staat hinein übersetzt.
 Kolonialismus als strukturell, organisatorischer Rahmen bot Entstehung von N.
Kultur = erstes Terrain der nationalen Eigenkompetenz, Fokus auf Spiritualität = klare
Strategie der Abgrenzung gegenüber westlichen Kolonialmächten
Hegemonie des Westens nur durch Imitation realpolitische in Frage gestellt werden
 Abgrenzung und Nachahmung = Aspekte der Entstehungsgeschichte eines
nationalen Bewusstseins
Zweite Vorraussetzung neben Kolonialismus als äußeren Rahmen und inneren
Bezugspunkt des Nationalismus ist die kulturelle Vielfalt.
Frage der kulturellen Pluralität: indische Nation (un-)möglich?
 nationale Kulturen nicht als etwas einheitliches, sondern als diskursiven Entwurf
denken, der Differenzen als Einheit oder Identität darstellt (alle vormodernen
Nationen sind kulturell hybrid).
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Nation = zunächst ein sprachliches Konstrukt, bezieht ihre entscheidende Relevanz
für das politische Handeln nicht aus der Tatsache einer gemeinsamen Kultur,
sondern aus dem Glauben daran.
Dritte Eigenheit des indischen Nationalismus ist das Verhältnis von Tradition und
Moderne. Nationalismus bei Modernisten säkular, Religion als „Marker“ von
Gruppenidentitäten. In Indien: keine klare Trennung zwischen Tradition und
Moderne, Tradition nicht das begriffliche Gegenstück zur Moderne, sondern das
notwendige Medium ihrer Reformulierung, Tradition stellt das symbolisch-kulturelle
Repertoire zur Formulierung einer eigenen Moderne
2. Performative Nationsbildung: Religiöse Rituale im politischen
Diskurs Indiens
Eine Nation als soziale Wirklichkeit
Konsequenzen des Nationalismus und der Einrichtung eines modernen, kolonialen
Verwaltungsstaates
hinsichtlich
der
Vorstellungen
von
Gesellschaft
und
Gemeinwesen:
 vormoderne Gesellschaften: lokale Fürstentümer, nicht-nationale Einheiten, als
Vermittlungsinstanzen
 moderner Staat: Zentrum als Vermittler zu Staatsbürgern (verwaltungstechn.
Zentralisierung, Einführung des allg. Wehrdienstes, Etablierung und Kanonisierung
eines einheitlichen Bildungssystems…. = administrative Revolution des modernen
Staates), direkte politische Partizipation am modernen Staat und Teilnahme an
wirtschaftlichen Prozessen und Zugang zu knappen Ressourcen = notwendig im
nation
building

in
traditionell fragmentierten
Gesellschaften
wie
Indien
revolutionäres Potential
 aus sozialen, politischen Reorganisation resultiert Veränderung der Vorstellung
sozialer Räume und Beziehungen! Zwei arten:
1. Vorstellung der Gesellschaft nach innen: neu formulierte, nationale Kultur
(Indien: stark religiös imprägniert) zum Integrationsmaßstab für ihre Bürger und
einzig anerkannte Grundlage aller sozialer Beziehungen und Legitimierung von
Vorherrschaft (nicht durch Verweis auf Geburt); Kultur, Religion definieren das
Eigene, vor allem das Andere, das der Nation nicht zugehörige
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2. Vorstellung der Nation als Ganzes: klare Außengrenzen, Fokus auf kulturelle
Maßstäbe (geteilte Kultur aus Sprache und Religion)  Nation von politischen
Verband losgelöst; Nation durch die Geschichte wandelnde Einheit ihrer Mitglieder,
unabhängig, ob politisch geeintes Territorium oder eigener Staat
 Zusammenhang von Nation und Religion in Indien bis heute unauflösbar (Nehru
versucht diese zu trennen).
Die Politik der religiösen Rituale: Performative Nationsbildung
Nationsbildung = Kommunikationsakt zwischen unbekannten Staatsbürgern und
zwischen diesen mit politischen Eliten
Neue, breitere, kapitalistisch orientierte Kommunikationsformen für Entstehung
nationalen Bewusstseins, nicht zu Lasten des Einflusses von Religion
Ausbildung
einer
modernen,
materiellen
Infrastruktur
=
moderne
mentale
Infrastruktur durchgesetzt, die das eigentliche Rückrad des Nationalismus ausmacht
„innere Nationsbildung“: Verbreitung nationalistischer Sprach-, Denkkategorien auf
dem politischen Feld
„diskursive Strategien“ für Konstruktion von nationaler Identität: drei Aspekte:
a) Inhalt: sprachliche Konstruktion von Nation, gemeinsame Abstammung und
Zukunft, gemeinsame nationale Kultur sowie sprachliche Konstruktion der
Abgrenzung nach innen und außen
b) Strategien:
Vermittlungsebene
zwischen
inhaltlichen
Botschaften
und
Realisierungsmitteln, sind mentale Schemata, Stellungnahmen gegenüber
politischen Status quo und entwerfen Pläne zur konstruktiven Transformation,
Zerstörung, Bewahrung des selben
c) Realisierungsmitteln, -formen: Nation = soziale Denkkategorie, sind nicht
nur mentale Ordnungsprinzipien, müssen einmal produziert und wieder
reproduziert werden = „Setzungsarbeit“ (Bourdieu), öffentliche, rituelle
Handeln zur Aufrechterhaltung der Kohäsionskraft des Kollektivs, Inhalte in ein
aktionistisches
Programm
Entscheidungsschlacht,
übersetzt
Friedensschluss…)
->
(Nationalfeiertage,
Hindu-Rechte singt
seit
Jahrzehnten eine andere Nationalhymne (nimmt Bezug auf hinduistisches
Erbe)  „Setzungsriten“ sollen Fortbestand der kollektiven Identität als
politisches Fundament garantieren
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Drei Funktionen politischer Rituale
Politische Riten bewirken drei Entwicklungen:
a) reproduzieren mentale Infrastruktur und erhalten Kategorien der Einheit
und Differenz
Ritual = kollektives, interaktives, kommunikatives, symbolisches, performatives
Verhalten;
innovative,
traditionalisierende
Eigenschaften;
multimediale
Ausdrucksformen und theatralische Performanz; häufig integrativ, aber auch
aggressive Ausschließung = Instrument zur Erreichung politischer Ziele
Sprache der Rituale = Symbole, Zeichen -> Gruppen können an Hand derer durch
Stereotypisierung, Simplifizierung, Beschwichtigung mit komplexen Situationen
umgehen; religiöse Rituale (mit überirdischen Wesen, Dialog mit dem Jenseits) oft
nicht von säkularen, politischen Zeremonien zu trennen.
Ritual = aktionistischer Formatismus
„nationale Bewegungskultur“ = Nationalismus als politische Programmatik der
Performanz, zwei Aspekte:
1. Ritual bewirkt durch Sprechakt oder Handlung die Herstellung, Realisierung einer
Idee, zunächst abstrakt, durch die Durchführung schafft es Wirklichkeit
2. Ritual ermöglicht breite Partizipation an einem Ereignis und an der hergestellten
Wirklichkeit
b) machen
kollektiven
Zusammenhalt
der
Nation
zur
erlebbaren
Wirklichkeit
politische, religiöse Rituale setzen positive Identität der Gemeinschaft nach innen:
kann überregional verbindend wirken, wenn notwenige materielle Infrastruktur und
Kommunikationsmittel
zur
gemeinschaftsfördernd
und
Verfügung
ziehen
stehen,
Grenzen
zu
religiöse
Praxis
Andersgläubigen,
wirkt
positive
Gemeinschaftsstiftung durch gemeinsame Teilnahme an Ritualen auf politischen
Bereich übertragbar, können kurzfristig soziale Trennlinien nicht aufheben, aber
manipulieren
negative Markierung der Differenz nach Außen: Teilnahme an Ritual der Nation Art
Privileg, Nicht-Staatsbürgern verweigert (deutlich bei Initiationsriten)

Verschränkung
von
religiöser,
politischer
Initiation
=
typisch
für
Gemeinschaftsbildung des religiösen Nationalismus in Indien
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 durch massenhafte Teilnahme an öffentlichen, politischen Ritualen: Zustimmung
zur Nation, begründet und bestätigt auch die führende Position der Eliten, setzt
Mindestübereinstimmung mit diesen voraus.
Gelingen von ritueller Setzung einer Gemeinschaft setzt Bedürfnis nach kollektiver
Setzung voraus, Differenz entscheidend -> Selbstbild eines Kollektivs wesentlich
durch Kontrast zu anderen Kollektiv (extrem integrativ – Ghandi oder NationalLiberale verzichten darauf)
Außengrenze der Nation = Medium von Privilegierung, sozialer Marginalisierung,
symbolische Formen der Diskriminierung
Ritual auch gemeinschaftszerstörend: Setzung eines neuen, modernen Kollektivs ->
altes wird abgelöst -> dieser Prozess in sozialer Hinsicht diskriminierend, tendiert zur
Gewalt (Vorstellung von Reinheit und organischer Ganzheit)
 Verschiedenheit kein Faktum, entsteht als politische Kategorie erst in der
performativen Ausführung
c) legitimieren sie Hegemonie und Macht innerhalb der Nation
Indien: Kampf um die Durchsetzung einer bestimmten Interpretation von Nation stellt
auch Kampf um gesellschaftliche Vormacht dar
Konflikt:
nicht
zwischen
Nation
und
Nicht-Nation,
sondern
zwischen
unterschiedlichen Varianten des nationalen Selbstverständnisses
Nationale Führungsrollen müssen sich als Prototypen des kollektiven, kulturellen
Charakters der Nation bewähren und ihre Version vom Selbstverständnis der Nation
als mentale Kategorie mit aktionistischen Mitteln durchsetzen
Sozialer Wandel, basierend auf veränderte materielle Verhältnisse, führt zu Auf- bzw.
Abstieg Teilen der Bevölkerung und Neugestaltung der Riten
„symbolisches Kapital“ (Bourdieu): gesellschaftlich verliehene, individuell oder
kollektiv akkumulierte Kapital der Anerkennung, kann symbolische Wirkung ausüben,
in Form von Anerkennung, Vorherrschaft oder Unterwerfung
individueller Träger: Prestige, Handlungskompetenzen oder Gemeinbesitz aller
Mitglieder einer Gruppe
Nationalismus = kollektive Akkumulation symbolischen Kapitals, das gegenüber einer
externen Kolonialmacht durch die Formulierung einer glorreichen Vergangenheit
oder spirituellen Überlegenheit aufgewertet und für die politisch-ökonomische
Konfrontation aufgerüstet wird
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
Instrument
zur
Verschleierung
realer
(ökonomischer)
Verhältnisse,
Personen/Gruppen mit hohen symbolischen Status können mit symbolischen
Sanktionsmöglichkeiten
gesellschaftliche
Bedeutung
der
materiell
Führenden
beschränken
 Vorherrschaft nicht ausschließlich aufgrund materieller Hegemonie, sondern
Ausbreitung von „symbolischer Macht“ = Dimension des Herrschers, die sich nicht
auf der Ebene der physischen Kontrolle der Beherrschten ereignet, sondern die
Sinnsuche und Erkenntnis anspricht
Vier Wirkweisen nationalistischer Rituale, die das nation building ausgestalten:
1. politisch-nationalistische Rituale sind standardisierend:
Verhaltensformen
aller
Beteiligten
kanonisieren,
verbindlich
vereinheitlichen, konservative Festschreibung von Kultur und Tradition
bewirken, in chaotischen Situationen den Anschein von Ordnung und
Planung verleihen, Mittel = rituelle Wiederholung, vermittelt Kontinuität
2. politisch-nationalistische Rituale sind synchronisierend:
Synchronisierung der symbolischen Aktionen, Rituale konzentrieren
sich auf einen Moment, gewählter Zeitpunkt etwa als Signifikanz im
Jahreskreis (Nationalfeiertag) markiert das kollektive Selbstverständnis
3. politisch-nationalistische Rituale sind emotionalisierend:
Emotionalisierung von Politik für Nationalismus wesentlich – Existenz
der Nation als politisch relevante Kategorie weniger auf ideologischer
Überzeugung als vielmehr auf dem Gefühl der Gemeinsamkeit, positive
Bedeutung
der
Emotion
als
Identifikationsmaßstab,
negative
Anfeindung gegenüber Anderen (Personifizierung der Quelle der
Bedrohung)
4. politisch-nationalistische Rituale sind traditionalisierend:
ergibt sich durch Wiederholung und formaler Standardisierung
„kulturelle Gedächtnis“: Traditionsbildung, Vergangenheitsbezug,
politische Identität bzw. Imagination; ist ein historisches Produkt, gibt
Auskunft (Vorstellungen) über das Woher und Wohin einer Gesellschaft
und liefert praktisches Wissen für deren Verwirklichung; rituelle
Wiederholung sichert die Kohärenz der Gruppe in Raum und Zeit
Politik sucht im Ritual seine Legitimierung, rituell vermittelte
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Nationalismus = politische Reformulierung des kulturellen Gedächtnis
Traditionalisierende Funktion: verleiht Anschein des „immer-schon-so“,
geht zu Lasten alternativer Versionen, Exklusivitätsanspruch des
religiösen Nationalismus umgesetzt, hohe Gewaltbereitschaft
3. Politische Rituale der Reinheit im kolonialen Indien
Die Shuddhi-Bewegung der 1920er Jahre
Mahatma Gandhi und führende Politiker des Indian National Congress initiierten
1919 die Khilafat-Bewegung. Ziel war Erhalt des osmanischen Kalifates und
Stärkung der Einheit zwischen Hindus und Moslems und Erlangung der
Selbstregierung. Prinzip Gandhis: Gewaltlosigkeit. Trotzdem 1921 gewaltsamer
Aufstand in Malabar. Agrarisch moslemische Bevölkerung „Mappilas“ gegen
Kolonialherren.
Monetarisiertes
Steuersystem
schwere
Bürde.
Und
gegen
hinduistische Grundbesitzer und Geldleiher die in enger Kooperation mit Briten
standen. = Abhängigkeitsverhältnisse, wirt. Emanzipation moslemischer Bauern
unmöglich. Auch im Bereich Bildung rückständig. Gewaltsame Bekehrung Hindus
zum Islam. Übertrieben von Presse „Times of India“ dargestellt. Keine genauen
Zahlen bekannt. Frage der Koexistenz in einer Nation. Moplah-Rebellen: entführten
hellhäutige Mädchen der Nair = hohe Kaste und vergewaltigten diese. Andere
wurden zur Konversion gezwungen, wie Moplahs gekleidet.
Aryja Samaj in Panjab verabschiedete aufgrund dieser Berichte eine Resolution mit
Doppelstrategie: Shuddhi und humanitäre Hilfe. Hilfe für Hindus die ihre Häuser
verloren haben oder fliehen mussten. Shuddhi ein rituelles Konzept welches religiöse
Marginalisierung der Konvertierten Hindus beseitigten. Übersetzt gereinigt unschuldig
= shuddh. Reinheit, Vorgang der Reinigung = shuddhi. Kastenzugehörigkeit stellen
Reinheits- und Unreinheitszustand dar. Begriff neu durch polit. Akteure des 19. und
20 Jhdt.
Shuddha
Begriff
existiert
im
praktizierten
Hinduismus
=
Perfektion,
eine
unverheiratete Frau, Wasser aus heiligen Flüssen Indiens.
Rituale der Shuddhi-Bewegung: Rückführung der Konvertierten, Reinigung der
niederkastigen Hindus. Dies geschah unter Einbindung Pandits = hohe Kaste mit
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Monopol der Durchführung von Riten. Ausdehnung der trad. Kompetenz der
Experten von Riten = Brahmanen. Jedoch Unsicherheit über Ausgestaltung von
Riten = Kontroversen.
In Malabar viele Opfer die den Status der Reinheit wiedererlangen mussten 1922
wurden 4 Resolutionen verabschiedet die Ablauf der Zeremonie im Detail regelten:
-
Abschneiden des Haarbundes, Wiederholung von Kalima, Ohrendurchstechen
der Frauen und Tragen der Moplah-Jacke: Frau musste in einem Tempel 3
Tage verweilen, Opfer darzubringen und Namen Narayana und Shiva 3.000
Mal jeden Tag zu wiederholen.
-
Beschneidung und gemeinsames Wohnen: Gebete 12 Tage 12.000 Mal
wiederholen.
-
Essen von Speisen von Moplahs: Sünde im heiligen Fluss Sethu
abzuwaschen. Zertifikat von Tempelautoritäten, 41 Tage Gebete 12.000 Mal
wiederholen.
= Verstöße gegen Reinheitsvorschriften. Sehr strikt dafür das die Hindus
Zwangsweise konvertiert wurden.
Auch
für
Shuddhi-Bewegung
unmöglich
den
Status
der
Reinheit
ganz
wiederzuerlangen. Bsp: Brahmanen = Status durch Geburt erlangen.
Beschneidung endgültig und nicht wieder rückgängig gemacht werden kann, deshalb
Strafe höher. = klassisches Merkmal der Zugehörigkeit zum Islam. Somit
grundlegende Verunreinigung.
Dritte Punkt = Tischgemeinschaft und schwerste Verunreinigung. Tischgemeinschaft
und Verheiraten der Tochter = zentrale Angelpunkte der Kastenordnung.
Rekonversion in Malabar = kreative Schöpfung, Texte mussten gefunden werden.
Devala Smriti Text von hinduistischen Priestern gefunden für Rekonversion. Sehr
alter Text der historischen Scheintiefe verlieh. 90 Verse beschrieb Text die
Reinigung. Mlecchas = Ungläubigen.
Die Konversion von Santals unterschied sich von Resolution von Malabar. Santals
waren keine Hindus, folgten tribalen Religionen die außerhalb der Kastenordnung
praktiziert wurden und keine Reinheitsgebote zwischen Kasten aufwiesen. Deshalb
handelt es sich hier um keine Rekonversion sonder Initiation in Hinduismus.
Shuddhi-Bewegung: Kombination aus reformulierter Tradition und moderner
Nationalstaatsbildung. Verband verwaltungsstaatliche Prozeduren der Registrierung,
wie Staatsbürgerschaft, mir Rituellen Erfordernissen der Reinigung = Integration in
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Verband der Hindus. Formulierung eines hinduistischen Verhaltenskodex. Hindu
betet bei Sonnenaufgang- und Untergang, trinkt kein Alkohol und schützt Heiligtümer
vor Feinden. Shuddhi- Bewegung sollte für Auseinandersetzung mit anderen
Religionen vorbereiten und Verfall des Hinduismus aufhalten.
Shuddhi im größeren Kontext. Religion und soziale Veränderung
Sozialer Hintergrund und Veränderungen des 20ten Jhdts. Nach Ersten Weltkrieg
Zunahme der Mittelklasse und stärkere Politisierung. Zahl der Absolventen von
höherer Bildung stieg in Kriegsjahren an. All National Indian Congress =
Mitgliedschaft stieg an, Rückgang von Juristen zugunsten Ärzten, Journalisten in
führender Schicht. = ideol. Auffächerung. INC baute sein organisatorisches Netzwerk
aus Zweigstellen und Khalifat-Komitees aus. Zuerst hochkastige Hindus der Mittelund Oberklasse und dann Transformation auch andere Kasten teilnehmen.
Hindu-Nationalismus
der
Shuddhi-Bewegung
explizite
Mittelklasseideologie
hochkastiger Hindus. Nationale Kollektivbewusstsein wirkte als Modernisierung
jedoch
traditionellen
Eliten
hoher
Kasten
weiterhin
die
Führung.
Bauern,
niederkastige Hindus und Unberührbare sollten in nationales Kollektiv integriert
werden. Mittelschicht betrieb sozialkonservative Transformation im anti-kolonialen
Politik.
Fixierung
der
Hegemonie
der
obersten
Kasten.
Kasteninterne
Interaktionsmodus wurde von Hindu-Nationalismus zu einem nationalistischen
öffentlichen
Paradigma
des
Kollektives
umformuliert.
Separationslogik
der
Reinheitsvorstellung wurden von Kastengrenzen auf Außengrenzen der Nation
übertragen. Ausgrenzung basiert auf Schema Reinheit-Unreinheit.
Reinheit als politisches Konzept hat Folgen auf Ermordung Moslems in Guajarat
2002. Seit Shuddhi-Bewegung dienst Reinheit als nationaler Integrationsmodus und
Fundament rel-nat Ein- und Ausschließung.
4. Religion als Wählermobilisierung in der indischen Demokratie
Annahme
der
republikanischen
Verfassung
im
Jänner
1952
stellte
die
entscheidenden Weichen für eine demokratische Zukunft.
1975 kam es unter Indira Gandhi zu einem Ausnahmezustand: Indien mittels
Sondervollmachten regiert.
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BJP (Indische Volkspartei):

1980 neu gegründet

bis 1998 gelang ihr Aufstieg von marginalen politischen Kraft zur
Religionspartei

Nutzung von religiös-nationalistischer Mobilisierungen

Mobilisierungsstrategien
(kontinuierliche
Veränderung
der
Strategien)
führten zu Identitätsbildung und Aufbau von organisatorischen Strukturen

Dadurch Festigung der Macht nach Übernahme der Regierungsgeschäfte
1998

Atombombentests 1998 als eine ihrer ersten Amtshandlungen
Religiöse Rituale als demokratische Opposition: Der Ayodhya- Konflikt

1989 Annäherung der BJP an VHP („Welt-Hindu-Rat“; Errichtung einer
Hindu-Nation) und den RSS („Nationaler Freiwilligenbund“) ebnete Weg
für Koalition.

AYODHYA = Geburtsstadt des Gottkönigs Ram. Die Geschichten Rams eine
der wichtigsten rel. Schriften des Hinduismus – 1526 Moslemführer Babar
errichtete Moschee dort – entstand Konflikt.

VHP und RSS
gelang es 1992, Moschee zu zerstören – führte zu
gewaltsamen Unruhen im ganzen Land

Befreiung des Geburtsortes Rams – Kampagne für Erbauung eines RamTempels – Hauptthema der Wahl
BJP kooperierte zeitgleich mit V.P. Singh, ehemaliger Minister der Kongresspartei,
der mit BJP Allianzbildung forcierte. (Advani Parteipräsident)
RSS erhöhte wegen Wahlen den Druck auf BJP und verlangte Stellungnahme zur
polit. Situation (sprach Gründung einer Hindu-Partei explizit an.)
A.B. Vajpayee:

Nummer 2 in der Partei Forcierung des Themas Ayodhya innerhalb der BJP.

„Rückgewinnung“ des Geburtsortes Ram und forderte Moslems auf,
Ansprüche auf Moschee aufzugeben.
14
Es kam zu Treffen von BJP und der hindu-nationalistischen Shiv Sena Partei:
KOALITION bestätigt! (Geburtsort Rams eigener Punkt der Resolutionen)
M. Pingle:
+ Mitglied des RSS
+ Massenaktion: Heilige Ziegelsteine in Dörfern und Städten verteilen, für Tempelbau
nach Ayodhya gebracht werden (9. Nov.: GRUNDSTEINLEGUNG)
+ Aufschrift der Steine: Shri Ram („Ram, der Herr“) mit Gangeswasser zum Anrühren
von Lehm
Einwände der Kongresspartei und V.P. Singh´s, die Gerichtshöfe entscheiden zu
lassen, zurückgewiesen. Auch RSS protestierte gegen Einbeziehung der Gerichte.
VHP hatte Strategie der offenen Einbindung religiöser Autoritäten; Hinduistische
Priester, Heilige und Asketen
Ram Shila Pujas: „die Verehrung der Ram-Ziegelsteine“
BJP Wahlprogramm: 2 wesentliche Punkte
1. Korruption und Misswirtschaft der Regierung
2. „Befreiung“ des Geburtsortes Rams
Es kam zu Riten der Verehrung, Zeremonie – religiös geladene Atmosphäre.
Premierminister Rajiv Gandhi (Kongresspartei): sprach von baldiger Errichtung der
Ram Rajya (=Herrschaft Rams), um seine Partei in Nähe der VHP-Kampagne zu
positionieren.
Allgemeine Hinduisierung der politischen Praxis brachte auch BJP heftige Kritik
ein. Diese setzte jedoch Kurs der offenen Kooperation und Beteiligung an Kampagne
weiter fort.
Während der Kampagne kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Hindus und
Moslems (öffentliche Prozesssionen von Ram-Verehrern führte zur Gegenwehr von
moslemischen Bevölkerung):
+ es folgte ein Verbot der Pujas
+ Prozessionen benötigten Bewilligungen
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+ VHP wollte Programm der Mobilsierungen nach Ayodhya weiterhin fortsetzen
+ Am Tag der Grundsteinlegung ließ sich VHP mit teilweise bewaffneter
Anhängerschaft auf erweitertem Terrain nieder, um Grundstein zu legen.
(Innenministerium befand Aktion als legal)
= Beispiel performativer Nationsbildung
Stand für die aktionistische und ideologische Neugründung Indiens.
Analog zu Nehrus Rede zum 15. August 1947, als Indien unabhängig wurde,
unterstrich Singhal (int. Präsident des VHP)mit seiner Rede den markierten
Durchbruch zu neuen Idealen und nationaler Freiheit.
+ betonte Ende von 450 Jahren Unterdrückung
+ Indien entdeckt sich quasi neu, als „Hindu-Herrschaft“
+ er warnte vor Übermut und mahnte zur konsequenten Verfolgung der Ziele
Die Grundschemata dieser verschiedenen Stellungnahmen haben bereits bekannte
Muster:

Moslems werden mit Briten als Besatzer Indiens gezeichnet.

Hindus
als
vereinnahmende
hinduistische
Gesellschaft
als
Kollektiv
(„Opferrolle“, Hindus Opfer der Geschichte) = aggressive „Rennaissance“ der
Hindus wird legitimiert.

Rajiv Gandhi profitierte von allgemeinen Hysterie um den Geburtsort Rams =
Strategie, die sich als Fehleinschätzung der Wähler und Stärke der BJP
erweisen sollte.
Wahl: Aufstieg der BJP in der Sitzverteilung (85 Sitze in der Lok Sabha=ind.
Unterhaus;
11,5 %)
Partei gelang zwar Aufstieg, aber Strategie der „Hindu-Herrschaft“ brachte nicht
erhofften Erfolg.
Breite Etablierung in Uttar Pradesh, dem wichtigste Bundesstaat, gelang erst 1991.
Wahl 1989 wahr wohl ausschlaggebendes Ereignis, als motivatorischer Rückhalt und
in sozialer Hinsicht Ausgangspunkt für weiteren Weg.
BJP hatte in obersten Kasten wichtigste politische Klientel.
16
Weiterhin performative Strategien, diesmal als Hauptdarsteller des aktionistischen
religiös-kulturellen Nationalismus. ( --- Notwendigkeit der Transformation der
Kampagnen)
Nationale Politik als Mythologie
Anfang 1990 neu gebildete Regierung unter V.P. Singh – sehr unterschiedliche polit.
Zielsetzungen.
Gemeinsame Zielsetzung: Verdrängung der Kongresspartei aus Regierungsämtern.
BJP Präsident Advani 2-gleisige Strategien:
1. Unterstützung der Regierung
2. Forcierung der hinduistischen Identität seiner Partei unter nationalist.
Vorzeichen
+ VHP wollte mit Kampagne zur Errichtung eines Tempels fortfahren
+ V.P.Singh wurde gewarnt, sprach sich gegen Schaffung einer Hindu-Gesellschaft
aus
Advani
-
kündigte Massenkampagne an, wenn sich Regierung weiterhin gegen Pläne
des VHP stellte
-
griff die Regierung wegen Untätigkeit in Kaschmir an
-
trat über 10.000 km lange Pilgerreise vor allem durch nordindische
Bundesstaaten an. (Ausgangspunkt Somnath; um kollektives Bewusstsein der
Nation weiter zu hinduisieren)
Gleichzeitig begann auch die VHP, seine Kader für die Konfrontation mit Regierung
einzuschwören.(-- „Ram-Lämpchen“ für jeden Haushalt)
3-tägiges parteiinternes Treffen der BJP: bekräftigte Enttäuschung über Regierung;
es wurde Parteikader für Durchführung der Kampagne und Kooperation mobilisiert.
17
Als
politisches
Ritual:
visuelle
Gestaltung
des
Streitwagens
von
Advani
(Fernsehserie nachempfunden – Popularisierung der Geschichten um Ram), um ihn
ins rechte mythologische Licht zu rücken.
Ergebnis:
Perfekt organisierte Kampagne, glich einem Wahlkampf.
Die Grenzen zwischen Politik, Religion und Mythos verschwammen und ermöglichten
es der BJP, unpolitisch zu erscheinen, indem die Geschichte Rams in polit.
Imagination übersetzt wrude.
Theatrilität zum hauptsächlichen Medium und Inhalt der Politik erhoben!
+ Advani wollte durch Pilgerfahrt „Stärkung der nationalen Einheit“, keine Entzweiung
zw. Moslems und Hindus (als Zeichen dafür Moslem als Fahrer)
+ ermutigte lokale Bevölkerung überreichte ihm traditionelle Waffen wie Dreizack,
Schwert, Pfeil und Bogen.
+ Feuerwerke, Opferrituale, Tänze,…
Kritik:
-
Eigentum und Infrastruktur der Regierung missbraucht (Bsp Jeeps)
-
Offene Kult von Waffen
Gleichzeitig verschärfte Advani Ton gegenüber Regierung, schloss Bildung alternat.
Regierung mit Kongresspartei aus. FOLGE: nur NEUWAHLEN möglich!
Während der Reise kam es in Karnataka zu schweren Unruhen zwischen Hindus und
Moslems, deswegen wurde President´s Rule, eine Art Ausnahmezustand, verhängt!
In Folge strenge Restriktionen bei Versammlungen.
Auch in Uttar Pradesh: schwere Ausschreitungen schon vor Advanis Ankunft –
15.000 Aktivisten verhaftet, darunter auch BJP-Politiker Kalyan Singh.
Am 23. September bei der Einreise nach Uttar Pradesh wurde Advani verhaftet!
(heftige Proteste, Reaktionen der Beteiligten vor Ort).
BJP kündigte noch am selben Tag die Unterstützung der Partei für die Regierung
auf.
Premierminister V.P. Singh musste sich Vertrauensabstimmung stellen.
18
Es kam zu Protestwellen gegen die Verhaftung, Gewalt gegen staatliche
Einrichtungen. Gewaltausbrüche forderten unzählige Menschenleben.
Die politische Kampagne des Streitwagens hatte eine neue, nationalistische und
kulturell definierte Geographie etabliert, die Indien als ein sakrales Territorium
darstellte, das seinen Nabel in Ayodhya, der heiligen Pilgerstätte, besaß. (Glaube:
Menschen auf Erde und Götter im Himmel treffen sich und als Pilger kann man von
einer Welt in die andere blicken.)
Gepaart mit dem nationalistischen Programm der BJP wurde der Ort zum
kosmischen Geburtsort der Nation der Hindus.
Ayodhya
-
als weltlicher Ort wird zu Hierophanie, zum Medium der Begegnung mit dem
Heiligen und zum Kulminationspunkt des nationalen, kollektiven Erwachens.
-
Begründet moderne, nationale Gemeinschaft, die sich selbst an Ayodhya
wieder erkennt, sich darin spiegelt.
-
Zum politischen Herkunfts- und Zukunftsmythos der Nation der Hindus
-
Wechselspiel von Nation und Religion leugnete Vielfalt der hinduistischen
Religionslandschaft
-
Wurde zum Ort der Wiedergeburt der Nation
-
Aktive
Beteiligung
an
„Befreiung
Rams“
zum
entscheidenden
Integrationsmaßstab für das neue, hinduisierte Indien (dem vielen rel.
Minderheiten und der Süden des Landes zum Opfer)
Neu gewählte BJP-Präsident: Murli Manohar Joshi
Wahlprogramm:
+ konzentrierte sich auf das Scheitern des Nehru´schen Staates
+ stellte die neue nationale Identität in kultureller, wirtschaftlicher und polit. Hinsicht
in den Vordergrund
+ Hindutva = polit. Version der Hindu-Kultur; als „geopolitisches Konzept“ (auf
gemeinsamer Kultur und Ethos aufbauend)
+ kam noch zu Einigung, neben dem Thema Ayodhya auch die Frage Kaschmirs als
2. Standbein in den Wahlkampf aufzunehmen (beklagte die anhaltende Gewalt im
19
Tal, versprach freie Wahlen und forderte Streichung der Sonderrechte für
Bundesstaat Jammu und Kashmir)
BJP stieg zur zweitwichtigsten politischen Kraft des Landes auf! (119 Sitze; 20 %)
Die Janata Dal, bis dahin 2. stärkste Partei, verlor an Stimmen.
1996 kam es zum Wahlsieg der BJP, jedoch gelang es ihr nicht, eine
Regierungskoalition zu bilden. Neuerlicher Wahlsieg 1998.
Die BJP verdankte einen wesentlichen Teil ihres politischen Potentials der gekonnten
Kombination
theatralischer
Inszenierungen
und
demokratie-politischer
Anforderungen.
Religiöser Nationalismus als Regierungschauvinismus: Die Hindu-Bombe
Premierminister Atal Bihari Vajpayee (BJP): 1998 erster Premiers in der Geschichte
Indiens:
ANORDNUNG VON ATOMTESTS IN MUMBAI!
Indien dadurch zur neuen offiziellen ATOMMACHT! (USA hatte von all dem nichts
mitbekommen – komischer Aspekt)
-
Nur zaghafte Proteste gegen die Tests, Sanktionen durch die USA
-
Aber auch hocherfreute Emotionen und Jubel über die „Superbombe“ in
Hauptstadt
-
BJP versuchte, das Ereignis als nationalistisches Hochgefühl zu inszenieren
-
Nukleartests zum Schauprojekt hindu-nationalistischen Größenwahns
-
Die Koalition erhielt Schub in Richtung Stabilität
-
Nationalismus verstärkt
-
Zündung der Bomben an nationalen Feiertag gekoppelt
-
„nukleares Bewusstsein“ fehlte sogar in städtischer Bevölkerung
-
81 % der Befragten bei Meinungsumfrage begrüßten die Entscheidung
Premiers:
20
Die Tests hätten Indien „neuen nationalen Stolz und neues Selbstvertrauen“
gegeben und bauten auf breiten nationalen Konsens auf.
Advani, nun Innenminister, forderte am Tag vor den Tests in Pakistan den
Bruderstaat auf, seine feindliche Position gegenüber Indien aufzugeben.
Mit
den
Ereignissen
von
1998
wurde
ein
tief
greifender
politischer
Transformationsprozess abgeschlossen. Das Ergebnis war ein hinduistisches
Kollektiv.
Die wesentlichen Eigenschaften dieser Hindu-Gesellschaft:
Die
-
Wehrhaftigkeit
-
Kompromisslosigkeit
-
Härte
-
Physische Überlegenheit
Kampagnen
der
BJP:
nicht
linear,
mussten
auch
Rückschläge
und
Fehleinschätzungen hinnehmen.
Das Wechselspiel aus Religion, Politik und Nationalismus bildete dabei Grundstock
der Auseinandersetzung mit der Kongresspartei um neue Konzepte von Staat und
Gesellschaft, indem sich letztlich global ausgerichtete Hegemonialanspruch eines
militanten Hinduismus durchsetzte.
5. Transformation der Öffentlichkeit: Religion, Politik und
Globalisierung
Die landesweiten Erhebungen wurden 1996 begonnen, als die BJP zum ersten Mal
stimmenstärkste Partei wurde. Seither werden diese Wählerbefragungen vom CSDS
(Centre for the Study of Developing Societies) in Delhi regelmäßig durchgeführt.
Die Wählerschaft der BJP
Es
liegen
Sozialprofile
vor,
die
die
Präferenzen
der
Wählerschaft
nach
unterschiedlichen Kriterien aufgliedern.
21
BJP ist als strategischer Block im Rahmen der umfassenden Parteienkoalitionen
ausgewiesen, nicht als einzelne Partei.
Die Zusammensetzung der Koalitionsparteien variierte, sodass sich auch das soziale
Profil ihrere Wählerschaft änderte.

Die BJP wird im Vergleich zu allen anderen nationalen Parteienkoalitionen im
überwiegenden Maß von Männern gewählt. (1996: 26,8 % der Männer; 23 %
der Frauen)

Auch 2004 Männerdominanz, obwohl BJP + Alliierte gegen die Koalition
verloren, Regierungsgeschäfte abgeben mussten

Mehr Wähler aus städtischen Raum als aus ländlichem. (ca. 32 % vs. ca. 23
%)

Alter: in allen Altersgruppen etwa gleich stark vertreten, aber abnehmende
Präferenz bei den über 56-jährigen. Popularität bei Gruppe der 18- bis 21jährigen.
Für die Frage des sozio-ökonom. Hintergrundes in Indien ist zwischen Kasten- und
Klassenzugehörigkeit zu unterscheiden.
Die Wahrscheinlichkeit des materiellen Wohlstandes erhöht sich mit der Höhe der
Kastenzugehörigkeit und umgekehrt (aber kein zwingender Zusammenhang
abgeleitet).

hauptsächliche Klientel die hochkastigen Wähler

BJP ist Partei, deren Wählerschaft zu gewichtigem Teil aus obersten
Priesterkaste (Brahmanen) kommt.

1998 konnte Partei in unteren Kasten, kastenlosen Wählerschaft und
tribalen Bevölkerung Terrain gewinnen.
Kampagnen durch Kleinstädte und ländliche Gebiete zielten auf Expansion in diesen
Gesellschaftsschichten ab (teilweise erfolgreich).
National Executive Committee der BJP:
= oberste richtungsweisende Organ für die polit. Linie der Partei (bestand 1998 aus
ca. 55 % Mitgliedern der obersten Kasten.
22
Das
ökonom.
Profil
der
Wähler
(=Klassenzugehörigkeit)
ergibt
linearen
Zusammenhang zw. Einkommen und Wahrscheinlichkeit, dieser Partei Stimme zu
geben.
Wenn man Wählerschaft in 4 Klassen unterteilt: Anteil der Wähler mit Höhe des
Wohlstandes nimmt zu.
Die Niederlage der Partei und ihrere Koalition war auf bessere Koalitionsbildung auf
Seiten der Kongresspartei in alternativen, ökonomisch schwächeren Rängen der
Gesellschaft zurückzuführen (BJP blieb Repräsentantin der aufstrebenden Schicht).
Je höher gebildet und höher der berufl. Status, umso deutlicher Präferenz für
die BJP.
Kaste und Klasse vestärken sich gegenseitig in Wahrscheinlichkeit, BJP zu wählen.
(Wahrscheinlichkeit in unteren Kasten erhöht sich, wenn Wohlstand steigt)
Die BJP Wählerschaft ist ein sozialer Block aus jenen,

die durch wirtschaftl. Liberalisierung und Internationalisierung profitierten und
zur neuen Mittel- und Oberschicht wurden

aus untergeordneten Kasten, die genau dies werden wollten

und aus Anteil sozial Minderprivilegierter, die zunehmend unter Druck geraten
bzw. die neuen ökonom. Möglichk. nicht nutzen können.
Noch einmal zusammenfassend:
Wähler

mit höherer Bildung

höherem wirtschaftl. Status

hochkastiger Herkunft

Männer und Städter
haben Interesse an polit. Kampagnen.
1998: Zündung der Atombombe als großartige nationale Auferstehung inszeniert,
jedoch blieben große Teile der ländlichen Bevölkerung von diesem Geschehen völlig
unberührt.
23
Männliche, besser gebildete Hindus in Berufsfeldern des Kleingewerbes im
Bundesstaat Uttar Pradesh, in dem Ayodhya liegt, befürwortete die Zerstörung eher
als indische Wähler.
Über 40 % der BJP-Wähler befürworteten das Geschehen in Ayodhya, befürworteten
nicht chaotische und Gewalt geladene Zustände, aber hatten Sympathien für das
Anliegen der Kampagne um Ayodhya.
Der soziale Block der Wählerschaft ist vorübergehend, instabil und daher auch
jederzeit auflösbar.
Strukturelle Veränderungen in der politischen Öffentlichkeit
Frage: nach Medien und den sich rasch verändernden Strukturen der Öffentlichkeit.
BJP-Wähler mehr als alle anderen dem massenmedialen Diskurs ausgesetzt
CSDS: 4 Kategorien für die Wählerschaften der einzelnen Parteien unterteilt: von
"den Medien nicht ausgesetzt" bis "stark ausgesetzt".
Zwischen 1983 und 1998 vollzogen sich die raschesten Entwicklungen auf dem
indischen TV-Markt. (enorme Steigerung der medialen Durchdringung Indiens durch
das Fernsehen; instrumentelles Repertoire der Politik erweitert.

Erste quantitative Sprung in diesem Bereich zw. 1984 u 1985 (Ermordung
Indira Gandhis, ihr Sohn Rajiv trat Nachfolge ans Premierminister an)

Indira
Gandhi
hatte
noch
Expansionspläne
des
Staatsfernsehens
umgesetzt

Dezember 1993 83,6 % der Bevölkerung und 64,5 % des ind. Territoriums
konnten Doordarshan (staatliches Monopolfernsehen) empfangen

1998: bereits 86 % der Bevölkerung und 68 % des Staatsgebietes

Reichweite der Kabel- und Satellitennetzwerke erhöhte sich (2000: 19,1 Mio
angeschlossen)

Empfangsmöglichkeiten entwickelten sich parallel
24

im städtischen Raum die durchschnittl. Anzahl von Fernseher wesentlich
höher als auf dem Land

Delhi: ca. 86 % der Haushalte besitzen Fernseher
Konsequenzen für die nationale Politik: Gegen Ende der Amtszeit 1988/89 von Rajiv
Gandhi er Zugang über TV zur Inszenierung seiner Person (visuelle Kampagnen).
Faktor Fernsehen veränderte das Wesen von Kulturproduktion in Indien überhaupt
(Bedeutung der Medien signalisierte Industrialisierung der materiellen Güter und
"Kultur" im Allgemeinen.)
= führte zu ZENTRALISIERUNG DER KULTURPRODUKTION
Uniformisierung der Diskurse betraf
+ Bereich der Kulturproduktion
+ Politik und ihre Vorstellung von Gesellschaft
+ Zukunft
+ nationales Selbstverständnis
--- konnten sich im Zuge dessen effektiver, direkter und rascher homogenisieren und
entsprechend reformuliert werden.
Richtung dieser Vereinheitlichung der Ideen und Bilder.(Vereinheitlichung visuell und
inhaltlich)
Ausstrahlung von Fernsehserien über die mytholog. Inhalte der hinduistischen
Epen ab 1988. (bildete ua den inhaltlichen Bezugspunkt für die hindu-nationalist.
Kampagnen)
Inhalt dieser Serien bewirkte, das Ram in der kollektiven Vorstellung der Hindus von
der Sagengestalt zur historischen Figur wurde.
Auch Ayodhya wurde durch die Serien mit der Stadt in Nordindien gleichgesetzt und
durch diese Popularität zum Politikum.
+ Serien propagieren in sozialer Hinsicht ein problematisches Bild von Gesellschaft
unter der Herrschaft Rams
+ Die Frau Rams Sita als unterwürfig und folgsam dargestellt
25
+ Leben Rams zur Analogie für das Schicksal Indiens als Nation sowie für das
individuelle Leben
+ Königreich Rams stellt eine Art goldenes Zeitalter in der Vergangenheit der
Nation dar, das es in Gegenwart und Zukunft wiederherzustellen gilt.
+ Darsteller von Sita und des Dämons Ravana konnten 1991 für BJP-Wahlkampf
gewonnen werden.
+ Serien halfen mit, das "visuelle Vokabular" zu erweitern, mit dem sich Nation der
Hindus darstellen und politisch inszenieren ließ.
BJP
übersetzte
die
Uniformisierungstendenzen
kulturell-religiösen
der
massenmedialen
ZentralisierungsÖffentlichkeit
in
und
politische
Strategie. (Ram schillernste Figur, Frauen kamen kaum vor.
Das neue Hindutum prasselte aus allen Kanälen der Öffentlichkeit auf indische
Bevölkerung ein.
Advani

beklagte
Einseitigkeit
der
Berichterstattung
und
polit.
Färbun
der
Programmgestaltung

war für Liberalisierung des Medienmarktes (von Rajiv Gandhi abgelehnt)
1991 erste Ansätze der Liberalisierung der Wirtschaft und erste Reformen auf dem
Medienmarkt (Bsp.: CNN berichtete über Golfkrieg der USA im Irak)
Kampagnen wurden bereits von Beginn an auf das mediale Publikum der privaten
Fernsehanstalten und lokalen Zeitungen ausgerichtet.
Strategien der performativen Nationsbildung waren
- zunächst ein Mittel, um Kanäle der Öffentlichkeit zu umgehen
- und für die Botschaften der Partei durch Pilgerreisen und mit Hilfe von lokaler und
englischer Presse alternative Formern der Öffentlichkeit herzustellen.
Durch Liberalisierung des Medienmarktes erkannte BJP die interne Funktionslogik
des jungen Medienmarktes und reagierte politisch darauf.
26
Religiöser Nationalismus als Spiegel sozialer Prozesse

In 1920er Jahren Eintritt der Unabhängigkeitsbewegung in das Zeitalter
der Massenmobilisierung und Massenpolitik

In

anbahnende Krise der Kongresspartei als einzig staatstragende Partei -
1980er
Jahren
internat.
Veränderungen
der
Weltwirtschaft
nachhaltige Erschütterungen des postkolonialen Staates in seiner Realpolitik
und
-----
seiner
führte
schliesslich
ideolog.
zur
polit.
Selbstverständlichkeit.
Ablösung
der
Kongresspartei

Pluralisierung der Parteienlandschaft

Ökonom. Nationalismus der BJP in 2. Hälfte 80er/90er soll vor allem
hochkastige Wähler der unteren Mittelschicht der Städte in Kleingewerbe und
Handel ansprechen. (Zunahme der Belastungen, Konkurrenzdruck auf dem
Markt)
Programm des Swadeshi und des "integralen Humanismus" der BJP
- kulturell orientierte Entwicklungskonzepte
- wirtschaftlich sehr stark nationalistisch ausgerichtet
- versprachen "HUMANISIERUNG" der Politik
- BJP befürwortete ökonom. Nationalismus
- ausländ. Konkurrenz nur in ausgewählten Bereichen wie Energie und Infrastruktur
zugelassen.
---- von Liberalisierungen profitierten Mittel- und Oberschicht stark. (wichtigste
Rückhalt der Partei)
Kulturell-religiöse Nationalismus der BJP:
ist ein dreifaches demokratiepolitisches Instrumentarium, entfaltet Attraktivität für
sehr unterschiedliche Gesellschaftsschichten.
1. Hindu-Nationalismus als symbolisches Kapital für die aufstrebende Mittel- und
Oberschicht.
27
Neue Selbstbewusstsein Indien als Atommacht hat mit Problemen der untersten
Schicht
nicht
Aufstrebende
das
Schicht
Geringste
projeziert
ihre
zu
nationale,
tun.
innenpolitische
Selbstwahrnehmung auch nach außen.
2. Ungeahnte Möglichkeiten des materiellen und gesellschaftlichen Aufstiegs der
unterkastigen Wähler durch Liberalisierungen
3. BJP vermochte Kongresspartei im urbanen Raum kurzfristig abzulösen (durch
Internationalisierung
und
Rückzug
des
Staates
unter
Druck
geraten)
BJP versuchte ihre polit. Anhängerschaft in unteren Kasten und bei kastenlosen
Hindus
zu
verbreitern
(Kampagnen)
Das Wesen des Hinduismus auch im postkolonialen Indien exklusivistisch und
nationalistisch reformuliert.
Nationalstaatl. Zugehörigkeit wird immer enger an Kriterien der Hindu-Kultur
gebunden, um
(1) Unterordnung der Anderen unter einen Mainstream zu erzwingen, aber auch
(2) um ein Eigenbild der Makellosigkeit als nationale Geschlossenheit zu inszenieren.
(Uniformisierung)
Neuformulierung des religiösen Erbes des Hinduismus, dabei wird ihre Interpretation
des
religiös-kulturellen
Eigenen
mit
den
Erfordernissen
moderner
Nationalstaatlichkeit im Kontext postmoderner Marktmechanismen abgestimmt.
ART VON IDENTITÄTSKONSTRUKTION:

vergrössert internen Widersprüche

höhere Opferzahlen, die dieser "WILLE ZUR REINHEIT" provoziert.
6. Hindu-Nationalismus
als
Polit-Show:
Ergebnisse
und
Schlussfolgerungen
Strategien der Vermittlung politischer Inhalte: Diskurs und Performanz
28
Dreifache Unterteilung: Inhalte, Strategien, Realisierungsmittel -> mit diesen
Versuchen Nationalisten ihre Version der Nation durchzusetzen
Für konkrete Analyse zwei Aspekte übrig geblieben:
1. Diskurs: diskursive Strategien bereiten den theoretischen, konzeptionellen
Boden des religiösen Nationalismus als politisches Programm, entwerfen
kollektives Selbstverständnis der Nation
2. Performanz: fungiert als aktionistische Methodik der Umsetzung und
Vermittlung des Nationalismus
diskursive, inhaltliche Strategien des Hindu-Nationalismus:
historisch, aber auch zukunftsorientierte Argumentation  Akteure nicht nur auf
politischem Feld, auch Kader des RSS, VHP, versuchen abseits der Politik Aufbau
der Nation gemäß ihres Verständnisses
argumentative Legitimation in Bezug auf Geschichte Indiens einseitig und selektiv
 einzelne Elemente eines hindu-nationalistischen Geschichts-, Gegenwarts- und
Zukunftsverständnisses herausgegriffen, stark ideologisch gefärbt
 sehen sich selbst als Instrumente einer historischen Mission
Historisierung der Gegenwart aus Sicht des Hindu-Nationalismus = Kreislauf
Kernstück = Ausgangs- und Endpunkt =
Das goldene Zeitalter:
-
gesellschaftlicher, politischer, wirtschaftlicher Idealzustand
-
mythologisch formulierte Historisierung der „Herrschaft Rams“
-
allgemeine Gerechtigkeit und Wohlfahrt im Inneren sowie Machtfülle und
Stärke nach Außen
-
geeinte Hindu-Nation als kulturelles und spirituelles Vorbild für die gesamte
Welt
-
Illusion des Miteinanders von Menschen und Göttern
↓
Innerer Zerfall:
-
Perversion des Kastensystems: keine „organische Arbeitsteilung“ mehr,
sondern autonomisierte Diskriminierung durch den Status der Geburt
29
-
Aufkommen der Unberührbarkeit als Stigmatisierung von Hindus; war
unbekannt im Goldenen Zeitalter, schwächt nun den inneren Zusammenhalt
der Hindus
-
Rückgang des Anteils der Hindus an Gesamtbevölkerung (Beginn der
Volkszählungen 1911 durch Briten: numerische Konkurrenz zwischen
Religionsgemeinschaften entstanden)  Gründe: Bekehrungen und religiöskulturelle (Verbot von Wiederverheiratung von Witwen und Kindern etc.) 
untergraben die Stärke der Hindus
-
Buddhismus und Jainismus: historisch angeblich aus Hinduismus entstanden,
propagieren absolute Gewaltlosigkeit, die die Nation der Hindus für Gewalt
von außen angreifbar und verwundbar macht (gleich gilt für Ghandi),
Gewaltlosigkeit wird von der Hindu-Rechten nach 1920 stark kritisiert
↓
Äußere Bedrohung:
-
christliche Missionare gewinnen Anhänger unter den Unberührbaren und
unteren Kastenhindus
-
„Invasion des Islam“ erfolgreich aufgrund der mangelnden Gegenwehr der
Hindus
-
Monotheistische Religionen des vorderen Orients im Vorteil im religiösen
Überlebenskampf aufgrund kirchlich-organisatorischer Geschlossenheit 
einerseits kritisiert andererseits mit hinduistischer Toleranz konterkariert 
Hindu-Nationalismus Lob für eigene Offenheit, aber auch Ansporn zur
Imitation (Ziel des VHP: quasi-kirchliche Strukturen für Hinduismus schaffen)
↓
Victimization:
-
Hindus werden zu „Opfer im eigenen Land“, macht Gegenwehr notwendig
-
im
Kolonialstaat:
Moslems
und
Christen
kooperieren
mit
Briten
->
gemeinsame Unterwerfung der Hindus
↓
Organisation:
-
„Militarisierung der Hindutums“ zum wehrhaften Kollektiv; aggressive Offenheit
als notwendiger Kampf ums Überleben
30
-
Beseitigung der gesellschaftlichen Übel im Inneren (Unberührbarkeit,
Diskriminierung der untersten Kasten etc.) durch Suddhi
-
Organisation
und
körperliche
Ertüchtigung
gegen
den
„kollektiven
Minderwertigkeitskomplex der Hindus“
-
Stärkung der nationalen Kohäsion durch Etablierung eines nationalkulturellen
Mainstreams (Hindutva)
-
Wehrhaftigkeit nach außen: „Hindu-Bombe“, Aufrüstung als Mittel zur
Erlangung gebührender, alter internationaler Größe
-
gesamtgesellschaftliche Aufrüstung mit Reinigung und sozialer wie religiöser
Reinigung kombiniert
↓
Fernziel = Goldene Zeitalter: …………
Ausgangs- und Endpunkt hindu-nationalistischer Diskurse ist eine Utopie
Performanz = Stadium der Realisierungs- und Umsetzungsstrategien
Theoretiker des politischen Liberalismus = John Rawls
 „übergreifender Konsens“ und „öffentliche Vernunft“ geprägt 

Ziel: allgemein anerkannten, demokratisch funktionierenden politischen
Konsens zu formulieren und friedliche Koexistenz unterschiedlicher kultureller,
religiöser Lager innerhalb einer demokratischen Gesellschaft zu ermöglichen

Ausgangspunkt bei Rawls: „Faktum des Pluralismus“ = Vielfalt an religiöser,
philosophischer, moralischer Lehren = unverrückbare Vorraussetzung für die
politische Konstitution von Staaten in der Moderne

Herstellung des Konsens unterliegt gewissen Regeln (Nachhaltigkeit):
Gleichheit der Bürger, Grundfreiheiten, Gestaltung der sozialen
wie
wirtschaftlichen Ungleichheiten nach dem Prinzip der Vorteilhaftigkeit für
jedermann

Formulierung eines Konsens: Regeln folgen um Erfolg zu haben:
a)
Konsens selbst ist eine moralische Konzeption für die Grundstruktur
eines demokratischen Verfassungsstaates (wichtigsten politischen,
wirtschaftlichen und sozialen Institutionen)
b)
Konsens muss religiös, philosophisch, moralisch neutral sein
c)
Konsens muss auf die „intuitiven Gedanken“ zurückgeführt werden, die
als bereits existierender, unbewusster Konsens aus der vergangenen
31
gesellschaftlichen Praxis abgeleitet werden kann
Indien:

teilt „Faktum der Pluralität“ als Vorraussetzung aller Politik und Staatlichkeit

Hindu-Nationalisten verfolgen zweidimensionale Strategie:
a)
Hindutva als religiös-kultureller Nationalismus zwingt religiöse
Minderheiten zur Unterordnung, schließt diese von der Formulierung
nationalen Selbstverständnisses aus  Untergräbt Konstituierung
eines Konsenses
b)
mit Hilfe der Strategien der performativen Nationsbildung Formulierung,
Inszenierung eines übergreifenden Konsenses  Hindu-Rechte:
beschränken sich auf allgemeine Merkmale der Hindus (Verehrung der
Kuh, die Gottheit Mutter Indien, der Geburtsort Rams…) = sind keine
religionsspezifischen Inhalte, sondern lose Symbole des NichtIslamischen, Nicht-Christlichen  darauf konzentrieren sich die
politisch-rituellen Kampagnen und reformulieren diese wenigen Aspekte
im Kontext politischer Erfordernisse (Bspl.: Wandel Gottkönig Rams vom
Mildtäter zum aggressiven Kreuzritter gegen Moslems)

Veränderung religiöser Ausdrucksformen: Wandel hin zum öffentlichen
Spektakel

beide Aspekte: radikalisieren religiöse Inhalte und betonen stärker die
Funktion der Abgrenzung gegenüber Andersgläubigen

Ergebnis der religiösen Konsensbildung: keine liberaldemokratische, offene
Gesellschaft, sondern eine nationalistische Übereinstimmung möglichst aller
Hindus (politische Liberalismus wurde diese
Vorraussetzung niemals
akzeptieren)
Religiöser Nationalismus als Feld der Politik
Die indische Nationalismus Forschung ist vielfältig und umfasst vielfältige
theoretische Ansätze:
Nationalismus in historiographischen Abhandlungen wird als säkulares modernes
Phänomen betrachtet und stark abgegrenzt zu einer religiösen-kulturellen Definition
einer indischen Nation.
32
„Kommunalismus“ (communalism):
1920er erlebte der Hindu-Nationalismus seine Hochkonjunktur. Der Nationalkongress
interpretierte religiöse Formen des Nationalismus als Opposition zum eigenen N. und
stritt sogar ab, dass es sich dabei um N. handle.
„Kommunalismus“ selbst war ein Relikt kolonialer, orientalistisch beeinflusster
Geschichtsschreibung.
Bipan Chandra:
Laut ihm definiert im „Kommunalismus“ die Religion die sozialen Beziehungen der
Menschen und bestimmt auch die säkularen, d.h. weltlichen Interessen einer Gruppe.
Interreligiöse Gewalt: Gewalt dient der Verbreitung der Ideologie und Ideologie der
Rechtfertigung der Gewalt (WECHSELWIRKUNG)
Die Grundlage dafür: ein falsches Bewusstsein der sozialen Wirklichkeit in
Indien!
Religion: Instrument, mit dessen Hilfe sich die Eliten politische und wirtschaftliche
Vorherrschaft und Ressourcen sichern wollen
A.R. Desai (1948):
Verbindung zwischen Deindustrialisierung Indiens unter den Briten und der
Entstehung des Nationalismus.
weiters:

Panikkar: Aufwertung und genauere Betrachtung des kulturell-religiösen
Zusammenhanges auf lokaler Ebene.

Paul R. Brass: Nationalismus = Elitenphänomen; dient Erhöhung des
Zusammenhaltes der Gruppe – garantiert Interessenswahrnehmungen im
öffentlichen
Raum.
(MOBILISIERUNG
durch
gelungene
Auswahl
an
religiösen Symbolen möglich!)
In den 1980ern kam es zur Veränderung der Nationalismus-Forschung, da breite
Beschäftigung mit A. Gramsci einsetzte = Neubewertung religiöser und kultureller
Aspekte in der Geschichte!
Parta Chatterjees:
1. Werk: Schema „passsive Revolution“ Gramscis
Dreierschritt:
33

Moment des Aufbruches (von religiösen Nationalisten initiiert – Kultur bildete
Terrain des strategischen Wettkampfes um Autonomie und nationales
Selbstbewusstsein)

Moment des Manövers

Moment der Ankunft
Er verweist auf eine duale Aufteilung der Wirklichkeit für die Bewertung von Kultur
und Religion innerhalb des politischen Diskurses im kolonialen Indien.
2. Werk:
erweitert; erklärt die Konstitution von Differenz in kolonisierten
Gesellschaften überhaupt.
Hintergrund
für diese
Herangehensweise
= Interpretation
von
Kultur
als
„Kampfschauplatz“; als Territorium der Auseinandersetzung um gesellschaftliche
und politische Hegemonie. (Gramsci – Gefängnishefte)
Historische Block:
Kultur dient der Formierung eines „historischen Blocks“:
unterschiedliche gesellschaftliche Klassen, die wegen Interessenskoordination zu
strategischen Kooperation zusammenfinden und mit Hilfe von Kultur und Religion
den Anspruch auf Vorherrschaft durchsetzen.
Andere indische Sozialwissenschafter gehen einen Schritt weiter, indem sie
versuchen einen quasi „indischen“ Begriff von Eigenrecht und Autonomie in
Abgrenzung zur westlichen Dominanz zu entwickeln. (Begriff an vormodernen
Lebensweisen der indischen Bevölkerung orientiert, Begriff ist aber nicht modern
oder postmodern!)
„Postnationalismus“:

Blick auf strukturelle Gewalt gegenüber den rel. und kulturell marginalisierten
Gruppen der postkolonialen Gesellschaft.

Modernes Modell von Nationalstaatlichkeit sprengen

Fehlentwicklungen und gewaltgeladenen Momente der Durchsetzung des
nationalen Selbstbewusstseins durch Kritik anzuprangern

Alternative Ansätze zur politischen Organisation
34
Wichtigste Veränderung: Neubewertung von Kultur und Religion in Fragen der
Staatlichkeit!
Religiöser Nationalismus als diskursives als auch als performatives Feld
verstehen:
Begriff des Feldes von Pierre Bourdieu geprägt, muss aber neu interpretiert werden.
Gesellschaft = Ansammlung von unterschiedlichen Strukturen, die nach jeweils
eigenen Spielregeln funktionieren und Macht und Vorherrschaft verleihen bzw.
legitimieren.
Strukturen: Ökonomie, Politik, Religion, Kunst,.. sind Strukturen, die Gesellschaft
durchziehen und eigene autonome Bereiche des Lebens begründen.
Diese Bereiche = Felder
Felder prägen zweierlei Bereiche:

Welt der Vorstellungen

Handlungen (Möglichkeiten von Aktionen festlegen)
Politisches Feld:
Ort, wo „miteinander konkurrierende Akteure politische Produkte“ erzeugen.
(Programme, Analysen, Kommentare, Konzepte; aber auch die PROBLEME
SELBST UND IHRE LÖSUNGEN!)
„Formulierungsgewalt“:
-
Innerhalb der Felder die
Problem- und Lösungsformulierung an sich zu
binden und die eigene Version gegenüber Konkurrenten durchzusetzen.
-
Praxis der Politik zu bestimmen
Staatlichkeit:
- politisches Feld verwandelt sich zu Feld des Nationalismus, das nach Spielregeln
funktioniert
- die moderne Staatlichkeit setzt Rahmenbedingungen, auf die die unterschiedlichen
Versionen der Nation (siehe „Formulierungsgewalt“) als politisches, vorgestelltes
Kollektiv zu reagieren versuchen
35
- verlangt kulturelle Uniformisierung des Kollektiv ( -- Verwaltungsapparat,
Zusammenhalt der Bevölkerung als Staatsbürger)
- verlangt die Formulierung kulturelle Kriterien der Ein- und Ausschliessung, um
Grenzen der Verwaltung auch ideologisch zu markieren.
- fordert Formulierung
von anwendbaren Kategorien, um Staat als kognitive
Kategorie durchzusetzen (gesamtstaatliche, nationale Definition)
Es entsteht heterogenes Feld des Nationalismus (unterschiedliche Versionen der
Nation,..), jedoch hat Diskurs des N. geteilte Spielregeln, gemeinsame Leitlinien.
Rel. Nationalismus realisiert genau die gleichen Erfordernisse wie der säkulare.
Historische Umbrüche im ökonom. & politischen Feld einer Gesellschaft sind Zäsuren
alternativer nationalistischer Ideologien. ( - weil sie Kampf um Hegemonie als
sozialen Raum kulturell konkretisieren)
In den 1990ern kam es zu Paradigmenwechsel:
-
Hindu-Nationalismus schliesst an „säkularen“ N. der Kongresspartei an.
-
In Städten änderten sich gesellschaftl. Rahmenbedingungen = ZÄSUR
-
Alternativversion angenommen
-
Neue religiös gefärbte Nationalismus im Inneren
-
Urbane Oberschicht verlangte nach int. Position Indiens als Global Player
-
Konkurrierenden Versionen im Feld des N. beeinflussen Auftreten Indiens
nach außen
-
Entwicklungen der ind. Wirtschaft und militärischen Kapazität
-
Internen Vorgänge in Indien werden für Position des Landes als regionaler
und internationaler Machtfaktor für internationalen Beziehungen von
Bedeutung sein
Rabindranath Tagore (Schriftsteller, Nobelpreisträger):
Er hielt nationalistische Denkweise in Bezug auf sein Land für unangebracht.
N.
hat
inhumanen
Abstraktionsgrad
von
Realität.
(„OKTOPUS
VON
ABSTRAKTIONEN“)
Nationalismus = Wurzel des Übels, verursacht Leid und Gewalt
+ er eröffnet neue Horizonte in Kritik an N.
36
+ N. als politisches Instrument bringt Zwang zur Homogenisierung und Drang
nach Stärke mit sich.
Ausweg:
1. Föderalismus auf staatlicher Ebene
2. „intensiven Internationalismus“
3. Prinzip der Neutralität auf außenpolitischer Ebene
Notwendig: gewaltfreie Umsetzung!
7. Indien als Kampfschauplatz religiösen Fundamentalismus
und Terrorismus
Einschränkung der Diskussion von Fundamentalismus, Terrorismus auf Indien als
Staat unzulässig -> grenzüberschreitende Phänomene (bes. Beziehung zwischen
Indien und Pakistan)
Möglichkeiten von Fundamentalismus und religiös motivierter Gewalt im
Hinduismus
Begriffliches Verständnis im Falle des Hinduismus:
monotheistischen Religionen des vorderen Orients (Islam, Christentum)
->
Buchreligionen, schriftliche Grundlage als Fundament -> entsprechend radikal,
wörtlich, diskussionslos umgesetzt
Ghandi – Hinduismus: „….Hinduismus keine exklusive Religion… Platz für die
Verehrung aller Propheten dieser Welt…. Lebt auf diese Weise mit allen Religionen
in Frieden….“  kann von Fundamentalismus gesprochen werden? Da: dogmatische
Offenheit, keine Berufung auf singuläres schriftliches Fundament.
Zentrale Vorraussetzung für Entstehung von Fundamentalismus = Situation des
beschleunigten Wandels
Beginn der fundamentalistischen Bewegung: 19. Jahrhundert (bis in die Gegenwart)
Entscheidend: Wandel als Krise, massive Bedrohung für Lebensweise und Werte
gedeutet wird
Zentrum fundamentalistischer Weltbilder: Abschließung ausgewählter Elemente
der
Tradition,
Festschreibung,
monopolisierte
Verwaltung
der
Tradition,
Absolutheitsanspruch  hat primär nichts mit der tatsächlichen Existenz eines
Fundaments (Buches) zu tun  Zweck: Solidaritäts- und Identitätsstiftung im Sinne
einer zukunftsorientierten, totalen Neugestaltung der Welt; keine Pluralität akzeptiert
37
Entscheidender, gefährlicher Schritt ist einzelne, selektive Elemente der Tradition zu
verabsolutieren und diese so zu handhaben, als seien diese Fragmente der Tradition
selbst
das
Fundament
der
Religion

dadurch
Denk-,
Reflektionsverbot
universalisiert.
 Prinzip der willkürlichen Abschließungsbewegung – jede Weltanschauung kann
fundamentalistischen Charakter annehmen!
Fundamentalismus: Vorstellung von Differenz zu einem als feindlich empfundenen
Anderen (offensive Abwehrreaktion), aktive Bekämpfung
Politik = entscheidendes Terrain zur Durchsetzung, Fundamentalismus als Strategie
der Politisierung kultureller Differenz (Politisierung des Religiösen und Besetzung des
Politischen durch religiöse Sprache und Logik)
Gewalt im Hinduismus: orientalistisches Fremdbild von Indien im 19. Jahrhundert –
Hinduismus als Religion der Toleranz und Gewaltlosigkeit  im Laufe religiöser
Reformbewegungen zu Eigenbild umformuliert. Anfänge des 20. Jahrhundert (HinduNationalismus): Militarisierung des Hindutums  keine neuen Formen (hinduistische
Epen beinhalten Elemente der Kriegerethik…), Gewalt und Hinduismus durchaus
vereinbar: es existieren Kriegerkasten, deren Standesethik die Ausübung von Gewalt
ist.
Religiöser Terrorismus als Kommunikationsform
Rel. Fundamentalismus: Ablehnung, Anfeindung jeglicher Form von Differenz sowohl
gegenüber anderen Religionen wie auch innerhalb der eigenen
Langfristiges Ziel = Vernichtung der Differenz
Religiöser Terrorismus – drei Wesensbestimmungen:
a) Methode = Gewalt
b) Auswahl der Opfer (häufig: zivile Opfer als Mittel für einen anderen, politischen
Zweck)
c) Zielsetzung (zentral ist die politische Wirkung)
Strategischen
Absichten
–
Unterscheidung
zwischen
direkt
und
indirekt
einbezogenen Personengruppen:

Direkte Opfer und jene, die die Tat selbst ausführen

Indirekte
potentiellen
Opfer,
jene
Nächsten
„Noch-eimal-Davongekommenen“,
(Verbreitung
größtmöglicher
Angst
die
und
Schrecken)  sind eigentliches Publikum der Aktion
38
 gelingt Terrorakt: klimatische Veränderungen in der Zielgesellschaft hat
unmittelbare politische Konsequenzen, Handlungszwänge für politischen Gegner
geschaffen

vorrangige
Ziel
des
Terrorismus:
atmosphärische
Transformation
der
gegnerischen Gesellschaft
Terrorismus ist dann religiös, wenn er seine ideologische Letztbegründung in einem
kosmologischen Endzeitkampf sieht.
Religiöser Terrorismus ist eine Kommunikationsstrategie und funktioniert analog
zur performativen Nationsbildung:
-
Nur
dann
sinnvoll,
wenn
von
einer möglichst
breiten
Öffentlichkeit
wahrgenommen und interpretiert
-
Eigentliche Zielsetzung der Gewalt vom Gewaltakt selbst losgelöst, nur Mittel
zum Zweck -> eigentlicher Inhalt = zeichenhafter Eindruck der Gewaltaktion
-
plötzliche Entladung von Gewalt: punktuelle Wehrlosigkeit, Unterlegenheit und
Schwäche des Gegners dargestellt
 Der eigentliche Inhalt terroristischer Gewalttaten besteht sowohl in der
symbolischen Kommunikation mit der Öffentlichkeit als auch in der Transformation
von Wirklichkeit.
Drei unterschiedliche Formen von Terror betrachtet: kommunale, interreligiöse
Gewalt von Hindus gegen Moslems, Terror islamischer Fundamentalisten, Rolle des
Kaschmir-Konfliktes.
Religiös motivierter Terrorismus in Indien
1. Interreligiöse Gewalt von Hindus gegen Moslems
„Gujarat 2002“: Gewalt zwischen Hindus und Moslems -> neue Qualität des Terrors
und fundamentale Krise des indischen Staates
27. Februar 2002: in Godhra (Bundesstaat Gujarat) – Sabarmati-Express angehalten,
nachdem ein Wagon Feuer gefangen hatte, 58 Insassen (ausnahmslos Hindus,
Großteil Pilger) verbrannten  unter den Pilgern: viele aktive Anhänger des VHP
39
unmittelbar nach dem Anschlag: indische Öffentlichkeit sprach von gezielten
Terroranschlag islamischer Fundamentalisten (Akt der Provokation)  nationale,
lokale Regierung unterstützten diese Version
VHP rief zu Generalstreik auf  Auftakt einer Gewaltwelle (2 000 Menschen,
Mehrheit Moslems, starben)
in mehr als 20 Städten in Gujarat brachen Unruhen aus, Ausgangssperren verhängt
Reaktion der politischen Führung: Versäumnisse, stille Duldung (= Gegenterror)
März: Premierminister Vajpayee rief zur Ruhe und Frieden auf, April: Vajpayee
mahnte Moslems endlich zu lernen, mit anderen Religionen in Frieden zu leben
Lokalregierung in Gujarat unter Chiefminister Narendra Modi (BJP): mitverantwortlich
für Unruhen, verhinderte nicht Wüten der Banden des VHP, Plünderungen
moslemischer Geschäfte, Zerstörung Kultureinrichtungen, moslemischer Häuser,
Ermordung Moslems  wurden mit Hilfe staatlicher Daten (Wählerlisten,
Wohnungsverzeichnisse) organisiert
Narendra Modi: Verfechter des politisch-gesellschaftlichen Konzeptes der HinduRashtra (Herrschaft der Hindus in Indien), Gehilfe in der Umsetzung eines
moslemfreien Gujarat
Untätigkeit der BJP-Regierung in Gujarat = durch den Staat selbst mitgetragener
Terror gegen religiöse Minderheit  VHP: keine unmittelbaren oder spätere
Sanktionen durch den Staat und die Justiz
Errichtung über 30 Flüchtlingslagern in Gujarat, unzureichendes finanzielles
Engagement der Regierung, Versorgung durch NGOs übernommen
 politische Führung von Gujarat nutzte terroristischen Akt zur Mobilisierung
radikaler, gewaltbereiter hindu-fundamentalistischer Organisationen, um daraus
politischen Profit im Sinne demokratischer Unterstützung in der Hindu-Wählerschaft
zu ziehen
Narendra Modi: Anfeindung gegen Minderheit = notwendige Selbstverteidigung der
Hindus, mobilisierte mit politischen Ritualen seine Wähler im Namen eines fiktiven
religiösen Überlebenskampfes der Hindus
Erste Gelegenheit: 2002 Pilgerreise (Yatra) durch Ahmedabad unter strengsten
Sicherheitsvorkehrungen, Exodus tausender Moslems aus dem Stadtgebiet bewirkt
40
 moslemische Bevölkerung aufgefordert, aus Anlass ihres Moharram-Festes keine
Prozessionen zu unternehmen, da sie ansonsten selbst für etwaige Gewalt
verantwortlich wären
Yatra verlief ohne Gewalt
Juli 2002: Modi ersuchte um Termin für Neuwahlen, für Dezember angekündigt
Modi organisierte die Pilgerreise des Stolzes quer durch Gujarat  Wahlprogramm
bestand im Wesentlichen aus alten Stereotypen und Anfeindung gegen Moslems
(spielte z.B. auf das Klischee der numerischen Übervorteilung der Moslems an ->
durch ihre höhere Fertilität hätten sie bald die Vorherrschaft in Indien)
Ergebnis der Wahlen deutlich: BJP Zweidrittelmehrheit.
Empirische Studie zu politischen Vorgängen in Gujarat, die noch vor der Wahl
durchgeführt wurde:
-
Modi ging als die mit Abstand fähigste politische Persönlichkeit aus den
Wirren der Unruhen hervor
-
quer durch alle Bildungsniveaus Unwissenheit über die Verhältnisse der
Minderheiten (v.a. Moslems)
-
Zusammenhang zwischen der Intensität der interreligiösen Voruteile und dem
Hang, der BJP die Stimme zu geben, nachgewiesen
„Gujarat 2002“: besondere Form des Terrors  Intention (Vernichtung von
Einrichtungen der Minderheit und ihrer wirtschaftlichen Infrastruktur) ging über
Schaffung des Klimas von Angst und Schrecken hinaus; durch exemplarische Morde
langfristige ökonomische und soziale Verdrängung abgezielt; durch kollektiven,
anhaltenden Angstzustand soll Vertriebenen es unmöglich gemacht werden, in ihre
Häuser, Geschäfte zurückzukehren
 Arbeitsteilung zwischen regierenden BJP, die dadurch politisches Profil als
„Beschützer der Hindus“ gewann und den radikalen Hindu-Organisationen, die die
Gewalt ausführten
Gegen die Verwendung des Begriffs Terrorismus in diesem Zusammenhang:
-
keine punktuellen, zeitlich äußerst begrenzten Anschläge
41
-
es findet keine Umkehrung der Machtverhältnisse statt (eigentliches Ziel des
Terrorismus; in diesem Fall: religiöse Mehrheit agiert in Absprache mit
staatlichen Autoritäten gegen eine ohnehin marginalisierte Minderheit)
-
besondere Dynamik durch die Verbindung mit demokratischen Vorgängen wie
Wahlen
Terror aus dem radikal-islamischen Milieu
Beginn
einer
Serie
politisch
höchst
effektvoller
Anschläge
islamisch-
fundamentalistischer Gruppierungen im Oktober 2001:
o Anschlag auf das Lokalparlament  Organisation Jaish-e-Mohammed (JeM,
Armee Mohammeds) zugeordnet (enge Verbindung zu Osama bin-Ladens alQuaida), Attentäter stammten aus Pakistan
 innerindisches Verhältnis zwischen Hindus und Moslems stark belastet
o JeM mit in Kaschmir operierenden Lashkar-e-Taiba (LeT, Herr der Reinen)
Anschlag im Dezember 2001 auf das tagende Nationalparlament in Neu-Dehli
 konnte verhindert werden (LeT: Heiligenverehrung unter Moslems
bekämpft, intolerant gegenüber lokalspezifischen Glaubensformen des
indischen Islams)
 Premierminister Vajpayee (BJP): reagierte mit Truppenaufmarsch entlang
der Grenzen, obwohl Anschlag missglückte -> Keil in die vorübergehenden
bilateralen Annäherungen zwischen Indien und Pakistan getrieben

beide
Anschläge:
bewusste
politische
Provokation,
strebten
politische
Sachzwänge anstrebten
Konflikt in Kaschmir = Schlachtfeld in einem global geführten Krieg um die
Wiedererrichtung des Kalifates und der politischen Einheit aller Moslems unter seiner
Führung; eigentliche Gegner ist somit nicht nur Indien als Besatzer, sondern der
Westen in ihrer Existenz.

terroristische
Aktivitäten
der
LeT
in
Zusammenhang
mit
hindu-
fundamentalistischen Gewalteskalationen
Beispiel: der indische Zweig der LeT, die Tanzim Islahul Muslimeen (TIM,
Organisation für die moralische Verbesserung der Moslems) unmittelbar nach einer
Serie von Ausschreitungen gegen Moslems gegründet. 1993, ein Jahr nach
Zerstörung der Babri-Moschee: TIM trat in Erscheinung mit Bombenanschlägen
42
o Anschlag der LeT auf religiöse Einrichtung der Hindus (Akshardham-Tempel)
in Gujarat 2002  folgte zeitlich auf die Pogrome gegen Moslems in Gujarat
o Anschlag 2005 auf das vom indischen Staat streng abgegrenzte Terrain der
1992 zerstörten Babri-Moschee  alle Beteiligten getötet  schnelle Reaktion
hindu-fundamentalistischer Organisationen  VHP: Druck auf die politische
Führung in Delhi und die BJP, diese sollen sich wieder stärker um die
Anliegen des VHP und des RSS kümmern
alle diese Beispiele: Terrorismus als Kommunikationsstrategie
islamistische Gruppierungen: hervorragende interne Organisation, Nutzung des
Internets -> können sehr flexibel in Indien operieren
Die Bedeutung des Kaschmir-Konfliktes
2002: militante Islamisten (Unterorganisation des LeT) attackieren Gruppe von
Hindu-Pilgern im Kaschmir-Tal
Kaschmir
Konflikt
zwischen
Indien
und
Pakistan:
Stellvertreterkrieg
der
fundamentalistischen Gruppierungen (radikal-islamische Gruppen agieren blutig,
hindu-fundamentalistische rhetorisch, aktionistisch)
 Verständnis des RSS einer indischen Nation = Kaschmir und Pakistan sind ein
„organischer“ Teil Indiens  Konflikt nur durch die Auslöschung Pakistans als Staat
zu lösen  Lösung unmöglich, weil Verhandlungspartner das Existenzrecht
abgesprochen wird
islamistische Gruppierungen: Kaschmir = Prototyp des globalen islamischen
Befreiungskampfes und Front gegen die Feinde der weltweiten Neo-Umma (neu zu
schaffende Gemeinschaft aller Moslems)
indische Teil des Kaschmir-Tals: zunehmende Fundamentalisierung geht zurück auf
veränderte politische Rahmenbedingungen Mitte der 80-er  innerindische
Anfeindung der moslemischen Minderheit
seit 1999: Prozess der „Talibanisierung“ des Kaschmir-Konflikt setzte ein und schuf
damit eine zusätzliche bilaterale Konfliktdimension zwischen Indien und Pakistan
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