Semester 12.2: Deutsche und internationale Weltpolitik Im Siebenjährigen Krieg siege Friedrich der Große 1763 mit England gegen Frankreich, Österreich, Russland, Schweden und weitere große Staaten. England übernahm damals viele Kolonien. Die historisch wichtigsten Schauplätze waren jedoch die Kolonien in Nordamerika und Indien, die in englische Hand fielen. Damit wurde England die Weltmacht Nr. 1. Ferner wurde Preußen damals die zweite deutsche Großmacht (es entstand der Dualismus). England verlegte seinen militärischen Reichtum aber aufgrund der Revolution 1688 auf die Flotte (der König durfte kein Landheer aufstellen). Daher kämpfte England nicht in Europa sondern in seinen Kolonien. Der einzige Staat, der England weltweit gefährlich werden konnte, war Frankreich. Die „Balance of Powers“ sorgte aber dafür, dass Frankreichs Kräfte in Europa gebunden waren. Frankreich war vor dem Industriezeitalter eines der reichsten Länder der Welt: Es verfügt über sehr gute Böden und hohe Vegetationszeiten. Frankreich musste im Siebenjährigen Krieg an drei Fronten gleichzeitig kämpfen: In Europa (Deutschland), in Asien (Indien) und in Nordamerika. Dieser „Weltkrieg“ hatte zur Folge, dass Frankreich pleite war und (natürlich) verlor. Die Folge aus dieser Finanzmisere war später die Revolution. Frankreich wurde nach der Revolution zu Ende des 18. Jahrhunderts der ansehensreichste Staat in Europa, außer England gab es keinen militärisch ebenbürtigen Gegner. Dies ist auf die Wehrpflicht in Frankreich zurückzuführen, die in den anderen Ländern nicht galt. Außerdem musste/konnte Frankreich keine Kolonien mehr verteidigen und konnte daher unter Napoleon zum ersten Mal seine gesamten Ressourcen bündeln: Frankreich war stark genug, um in Europa eine Hegemonialstellung aufrechtzuerhalten. Napoleon Napoleon hat zuerst Italien, dann Österreich, Spanien und Preußen besiegt. 1812 begann dann der Angriff auf Russland. Frankreich musste sich jedoch zurückziehen, die Grande Armee wurde vernichtet. Russland war also erheblich an dem Niederschlag Napoleons beteiligt. Frankreich wurde unter Napoleon 1813 wieder geschlagen: Dazu waren Russland, Österreich, Preußen, Schweden und weiter Armeen notwenig. Frankreich muss also sehr stark gewesen sein. Das war die Völkerschlacht von Leipzig. 1815 folgte die zweite Niederlage Frankreichs und damit die endgültige für Napoleon: Die Schlacht von Waterloo, in der Frankreich von den Briten und den Preußen besiegt wurde. Nach dem Untergang Napoleons mussten die bisher besetzten Gebiete Spanien, Italien, Deutschland (ohne Österreich), Belgien, die Niederlande und viele weitere mit der neuen Machtleere umgehen. Im folgenden Wiener Kongress wurde Europa neu geordnet. In Deutschland gab es eine Säkularisierung (Verweltlichung; geistliche Staaten verschwinden) und eine Mediatisierung („in die Mitte nehmen“, Reichsstädte verschwinden). Der Wiener Kongress (ab S. 81) Mitten in Europa, zwischen vielen „mächtigen“ Zentralstaaten, gab es viele Fürstentümer, die als Puffer fungierten: GB F D R In Deutschland selber gab es Konkurrenz zwischen Österreich und Preußen: Deutschland war also in sich zerstritten. Folglich waren die Ausgangsbedingungen für eine Deutsche Einigung sehr schlecht. Man dachte sich, dass Europa friedlich bleiben würde, solange niemand die Mitte Europas kontrolliert: Wer die Mitte übernimmt, kann alles kontrollieren. Die Mitte Europas, also die deutschen Fürstentümer, musste aber so stark sein, dass sie nicht einem starken Nachbarn eine leichte Beute wäre. Dies alles war im Interesse der deutschen Fürsten. Politisch war das Ziel klar: In Europa musste eine Ruhephase eingerichtet werden; es musste ein dauerhaftes Gleichgewicht hergestellt werden. Im Zuge der Fragestellung, wie ein „friedliches“ Europa erreicht werden könnten, kam die Forderung auf, dass ein Staat legitim sein müsse. Darauf begründete man, dass die bestehenden Staaten legitim waren und die bestehenden Fürsten legitim waren und nur deren Erben ihre Nachfolger sein könnten. Für Deutschland gab es zwei Folgen: Einerseits kann Deutschland kein Nationalstaat werden (denn es war 1815 keiner), andererseits können die ehemals 300 Kleinstaaten nicht wieder zum Leben erweckt werden (denn es gab sie 1815 nicht). Im zunehmend industrialisierten und bürgerlichen Deutschland kam immer mehr ein deutsches Nationalgefühl auf: Es wurde wieder zu Lasten der Legitimität die Volkssouveränität hoch gehalten; man verachtete die Kleinstaaterei. Die Geschichte ließ sich also nicht im Stadium von 1815 anhalten. Hätte man am Anfang des 19. Jahrhunderts gefragt, ob man ein Kleindeutsches- oder ein Großdeutsches Reich aufbauen sollte, so wäre die Wahl auf ein Kleindeutsches Reich gefallen: Hätte man Österreich mit rein genommen, so wären viele weitere Völker in Deutschland gewesen (Ukrainer, Slowaken, Tschechen, …). Ein Großdeutsches Reich war aber auch außenpolitisch kaum vorstellbar: Es hätte die Balance of Power zerstört; damit wären nahezu automatisch alle Nachbarn gegen Deutschland. Aufstand in Polen 1863 war ein Aufstand in dem russischen Teil Polens. Russland wehrte sich, und die Aufständigen flohen in den preußischen Teil Polens. Preußen trieb sie jedoch wieder zurück in den russischen Teil und machte es den Russen somit möglich, den Aufstand komplett niederzuschlagen. Die Folge war, dass die Russen eine diplomatische Schuld bei den Preußen hatten. Die Emser Depesche Die Vorstellung Frankreichs, auf beiden Seiten von „deutschen“ Machthabern (hier: Hohenzollern) umgeben zu sein, erinnerte stark an Karl V., welcher als Habsburger sowohl die deutsche Kaiserkrone als auch die spanische Krone inne hatte und Frankreich in die Zange nahm. Bismarck trieb die Kandidatur des Hohenzollernprinzen für den spanischen Thron voran, um die Stellung Napoleon III. zu schwächen. Er plant nicht ein, dass die Franzosen von den Vorbereitungen erfahren und der Hohenzollernprinz des Frieden Willens die Kandidatur zurückzieht. Bismarck war gescheitert; sein Königshaus hatte gekniffen. Aus der geplanten diplomatischen Niederlage für Napoleon wurde eine diplomatische Niederlage für Bismarck. Frankreich verlangte aber weitergehend von Preußen, dass die Hohenzollern unterschreiben, nie wieder Anrechte auf den spanischen Thron geltend zu machen. In der Emser Depesche gab nun Wilhelm bekannt, dass er solches Dokument nie unterschreiben würde. Für Bismarck war dies eine „diplomatische Steilvorlage“. Bismarck hatte die diplomatische Schlacht schon verloren. Frankreich hakte jedoch nach, und der König ermächtige Bismarck, mit der Depesche zu machen, was er wollte. Es gelang Bismarck, durch die gekürzte, aber dennoch nicht unverschämte Veröffentlichung der Emser Depesche Frankreich zu einer Kriegserklärung provozieren: Bismarck schreibt, „daß Seine Majestät dem Botschafter nichts weiter mitzutheilen habe.“ Frankreich galt international als Aggressor im folgenden Krieg, Preußens Schuld wurde als klein angesehen. Bismarck hatte also den Faktor „Moral“ auf seiner Seite, und die öffentliche Moral steht immer auf der Seite der Verteidiger. Somit griffen England und Russland nicht ein, außerdem unterstützten die anderen deutschen Staaten (Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen) freiwillig „Preußens“ Krieg. Napoleon muss aber davon überzeugt gewesen sein, den Krieg zu gewinnen: Eine Niederlage konnte für ihn nur sein Aus bedeuten. Napoleon hat also nicht damit gerechnet, auch gegen Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen kämpfen zu müssen. Die Reichseinigung Für Bismarck gab es später drei Gründe, Deutschland zu einen: Preußens Gebiete konnten verbunden werden. Der deutsche Dualismus konnte zu Gunsten Preußens beendet werden. Wenn es der preußische König ist, der den deutschen Wunsch nach Einigkeit erfüllt, so wird das gesamte deutsche Volk ihn als deutschen Kaiser für legitim halten. Die Macht der Hohenzollern konnte also nur durch die Deutsche Einigung gesichert werden. Bismarck gewann also die Bürger für sich, denn er schaffte die Kleinstaaterei ab. Nur so konnte er die Monarchie erhalten. Das deutsche Bürgertum wollte Parlamentarismus, d.h. eine parlamentarische Regierungsform. Bismarck musste genau das verhindern. Ihm gelang die Gradwanderung, das Bürgertum durch die Reichseinigung und ein kaum mächtiges Parlament zu befriedigen und trotzdem dem Kaiser treu zu bleiben. Es gab trotzdem keinen „deutschen Nationalstaat“: In dem Reich fehlte Österreich, also die ehemalige Führungsmacht Deutschlands mit der größten deutschen Stadt Wien. Russland griff nicht ein, weil es seit dem polnischen Aufstand noch Schulden in Preußen hat. England griff nicht ein, weil Frankreich zuvor sein größter weltpolitischer Konkurrent war. Italien griff nicht ein, weil es gegen den Willen Frankreichs Rom vom Papst übernehmen konnte. Das Kissinger Diktat Die Großmächte müssen sich auf Konfliktfelder im Osten konzentrieren. Es darf dennoch keinen Krieg geben, um nicht wieder eine Lage wie vor dem Berliner Kongress zu ermöglichen. Deutschland hat ein Interesse an der Erhaltung des Status quo. Es wäre wünschenswert, wenn man ein ähnliches Interesse in England und in Russland wecken könnte. Diese beiden Interessen (Ablenkung von Deutschland und Status-quo-Politik von England und Russland) lassen sich sehr schwer vereinen. Selbst die Hoffnung, Russland könnte mit dem Status quo zufrieden sein, ist nicht realisierbar: Russland hatte wegen der Unzufriedenheit bereits einen Krieg mit der Türkei angefangen, und der Berliner Kongress hat daran nichts geändert. Der Berliner Kongress Es gab im Osmanischen Reich einen von Montenegro und Serbien ausgehenden Aufstand, der jedoch niedergeschlagen wurde. Russland griff jedoch für die Serben ein und besiegte die Türken. In dem Friedensvertrag wurde für die Bulgaren ein Mittelmeerzugang geschaffen, der indirekt für Russland nutzbar gewesen wäre. Russland wurde also wegen des Panslawismus in einen Krieg gegen die Türkei (osmanisches Reichs) gedrängt und hat dadurch einen Mittelmeerzugang gewonnen. England sah dadurch jedoch „sein“ Mittelemeer gefährdet. Bismarck lud 1878 nach Berlin ein um dort zu vermitteln. Im Ergebnis verhinderten die anderen europäischen Großmächte, dass Bulgarien Zugang zur Ägäis hatte. Weiterhin ließen sie Österreich die Gebiete von Bosnien und Sandschak besetzen, damit auch Serbien keinen Adriazugang erhielt. Folglich war Russland von dem Mittelmeer getrennt. Für diese „Problemaufschiebung“ war hauptsächlich England verantwortlich. Wäre es zu einem Krieg gekommen, hätten die Russen gegen die Allianz aus ÖsterreichUngarn, England und der Türkei verloren. Die Russen hätten Hilfe finden können bei Deutschland oder Frankreich. Es gab keinen Grund für Bismarck den Russen zu helfen, also hätte es ein Bündnis zwischen Russland und Frankreich gegeben. Damit wäre Deutschland in der Falle. Folglich konnte das deutsche Reich in einem Krieg nichts gewinnen. Der Berliner Kongress hat nur die Krise entschärft und nicht das Problem gelöst: Russlands Interessen wurde nicht befriedigt. Das Frankreich-Problem In Frankreich war ein Außenminister an der Macht, der einen Revanchekrieg gegen Deutschland forderte. Hierfür wäre ein Bündnis Frankreichs mit Russland optimal gewesen. Der Zweibund Bismarck versuchte über ein Bündnis seiner außenpolitischen Zwickmühle zu entkommen: Er schloss den Zweibund mit Österreich. Der Österreich-ungarische Partner war für Deutschland derjenige, von dem man allerdings am wenigsten erwarten konnte: Es war ein Vielvölkerstaat, in dem viele Nationalbewegungen ausbrachen. Das Risiko im Zweibund war sehr ungleich verteilt: Aktive Unterstützung war nur für einen russischen Angriff vorgeschrieben. Damit waren alle österreichischen Verteidigungsinteressen abgedeckt. Für einen französischen Angriff auf Deutschland wurde nur eine österreichische Neutralität vorgeschrieben. Der Rückversicherungsvertrag mit Russland 1887 (Jana hat Ahnung) 1887 fühlte sich Bismarck wieder vor einem Krieg (aufgrund einer erneuerten Balkankrise) – dieser hätte das Aus für sein Reich bedeutet. Er musste Russland befriedigen, um den Krieg zu verhindern. Dies geschah mit dem Rückversicherungsvertrag. Es handelt sich um ein Verteidigungsbündnis: Sollte ein Vertragspartner von einer anderen Großmacht angegriffen werden, so würde der andere Vertragspartner zumindest neutral bleiben. Dieser erste Artikel gilt nicht für einen russischen oder deutschen Überfall auf Frankreich bzw. Österreich: der Vertrag soll die Vertragspartner nicht zu einem Angriff auf Frankreich / Österreich motivieren. Im zweiten Artikel gesteht Deutschland den Russen zu, Bulgarien als Interessensgebiet zu betrachten. Damit unterläuft Bismarck die Ergebnisse des Berliner Kongresses. Im „ganz geheimen Zusatzprotokoll“ sagt Bismarck sogar, Russland hätte Ansprüche auf die Meerengen des Bosporus und die Dardanellen. Gleichzeitig unterstützte Bismarck jedoch die Mittelmeerentente: Er signalisierte zur gleichen Zeit den Russen, sie sollten sich die Meerengen unter den Nagel reißen, und den Engländern, Russland dürfte die Meerengen nicht erhalten. Zu diesem Thema gibt es einen Artikel im Brockhaus („Rückversicherungsvertrag und Mittelmeerentente“).