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Folien und wichtige Zitate
Vorlesung 1: Einführung; Kant: Kritik der reinen Vernunft, Vorrede B (1787)
Vorlesung 1: Einführung: Aufklärung, Optimismus, sichere Erkenntnis
I. Aufklärung: Tag- und Nachtseiten autonomer Vernunft
II. Organisatorisches und Methodisches
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Wie hört man eine Philosophievorlesung?
IV. Die Kritik der reinen Vernunft, Vorrede B: Der „Skandal“ der objektiven Wirklichkeit und Kants
theoretischer Lösungsansatz
1. Die KrV als epochaler Text
2. Objektivität durch Subjektivität: Die transzendentale Wende
3. Details: Anschauungsformen und regelhafte Begriffe
4. Zusammenfassung: Die transzendentale Wende
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I. Aufklärung: Tag- und Nachtseiten autonomer Vernunft
Kants Definition von Aufklärung:
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit.
Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu
bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am
Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne
Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere Aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes
zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.
II. Zur Methode: Wie soll man eine Philosophievorlesung hören?
Fichte, Wissenschaftslehre von 1804, zur Frage, wie philosophische Vorlesungen gehört und
nachvollzogen werden sollen:
„Der rechte und liebste Zuhörer wäre mir der, welcher den gehörten Vortrag zu Hause für
sich, nicht unmittelbar, denn dies wäre das mechanische Gedächtniß, sondern durch
Nachdenken und Sichbesinnen wieder zu produciren vermöchte, aufsteigend vom
Resultate, womit geschlossen worden, zu seinen Prämissen; vorwärts aus den Prämissen,
wovon angehoben worden, ableitend die Resultate; aus der Mitte heraus, aufsteigend und
ableitend zugleich; und der dies vermöchte mit absoluter Unabhängigkeit von den
gebrauchten Ausdrücken [...]. derjenige [wäre] mir der liebste Zuhörer, der auf eben
dieselbe Weise aus jeder einzelnen Lehrstunde, [...] alle insgesamt herstellen könnte.“
(SW X,97)
IV. Die Kritik der reinen Vernunft, Vorrede B
Kants Kritik der reinen Vernunft als epochaler Text
Kritik der reinen Vernunft (B XL):
„Der Idealism mag in Ansehung der wesentlichen Zwecke der Metaphysik für noch so unschuldig
gehalten werden (das er in der Tat nicht ist), so bleibt es immer ein Skandal der Philosophie und
allgemeinen Menschenvernunft, das Dasein der Dinge außer uns (von denen wir doch den
ganzen Stoff zu Erkenntnissen selbst für unsern inneren Sinn her haben) bloß auf Glauben
annehmen zu müssen, und, wenn es jemand einfällt, es zu bezweifeln, ihm keinen genugtuenden
Beweis entgegenstellen zu können“
Kant möchte diesen skandalösen Zustand beheben. Dazu bezieht er sich auf Wissenschaften,
die bereits vorliegen und die, zum Teil schon seit Jahrhunderten, eindeutig die Kriterien der
Wissenschaftlichkeit erfüllen: Er stellt der Metaphysik bzw. der Philosophie insgesamt die Logik, die
Mathematik und die Physik gegenüber, die allesamt über das Stadium des Herumtappens hinaus seien,
die Mathematik und Logik seit den Griechen (Euklid und Aristoteles), die Physik seit Bacon. Seine
Strategie besteht darin, diesen Wissenschaften „abzulernen“, wie sie sich dieses Verdienstes
bemeistert haben, und dann entsprechendes für die Philosophie zu versuchen. Diese Strategie ist in
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sich zwar verlockend, aber grundsätzlich problematisch: wird dadurch Philosophie nicht von diesen
speziellen Wissenschaften abhängig gemacht? Wie kann Philosophie sicher sein, tatsächlich allgemein
Wissenschaftlichkeit zu sichern, wenn sie sich am Modell einzelner Wissenschaften orientiert?
Kant ist der festen Überzeugung, daß seine Überlegungen anhand von Mathematik und
Naturwissenschaften, daß nämlich Vollzüge des erkennenden Subjekts die Bedingung der Erkenntnis
von Gegenständen sind und nicht umgekehrt unsere Erkenntnisleistungen aus den Gegenständen
abgeleitet werden können, auch auf die Metaphysik übertragen werden können (B XVI):
„Man versuche es daher einmal, ob wir nicht in den Aufgaben der Metaphysik damit besser
fortkommen, daß wir annehmen, die Gegenstände müssen sich nach unserem Erkenntnis
richten, welches so schon besser mit der verlangten Möglichkeit einer Erkenntnis derselben a
priori zusammenstimmt, die über Gegenstände, ehe sie uns gegeben werden, etwas festsetzen
soll.“
3. Details zu Kant: Anschauungsformen und regelhafte Begriffe
Was genau kann man der Mathematik entnehmen?
„er fand, daß er nicht dem, was er in der Figur sahe, oder auch dem bloßen Begriffe
derselben nachspüren und gleichsam davon ihre Eigenschaften ablernen, sondern durch
das, was er nach Begriffen selbst a priori hineindachte und darstellete (durch
Konstruktion), hervorbringen müsse, und daß er, um sicher etwas a priori zu wissen, er der
Sache nichts beilegen müsse, als was aus dem notwendig folgte, was er seinem Begriffe
gemäß selbst in sie gelegt hat.“ (BXII)
Erforderlich hierfür ist die Fähigkeit, in den „Formen der Anschauung“, Raum und Zeit, apriori
Konstruktionen vornehmen zu können. Entsprechend für die Naturwissenschaften, wo zu den
Anschauungsformen Begriffe hinzukommen müssen, die aus der Wahrnehmung in Raum und Zeit
regelhafte Urteile ermöglichen:
„richtet sich aber der Gegenstand (als Objekt der Sinne) nach der Beschaffenheit unseres
Anschauungsvermögens, so kann ich mir diese Möglichkeit ganz wohl vorstellen. Weil ich
aber bei diesen Anschauungen, wenn sie Erkenntnisse werden sollen, nicht stehen bleiben
kann, sondern sie als Vorstellungen auf irgend etwas als Gegenstand beziehen und diesen
durch jene bestimmen muß, so kann ich entweder annehmen, die Begriffe, wodurch ich
diese Bestimmung zu Stande bringe, richten sich auch nach diesem Gegenstande, und
denn bin ich wiederum in derselben Verlegenheit, [...], oder ich nehme an, die
Gegenstände, oder, welches einerlei ist, die Erfahrung, in welcher sie allen (als gegebene
Gegenstände) erkannt werden, richte sich nach diesen Begriffen, so sehe ich sofort eine
leichtere Auskunft, weil Erfahrung selbst eine Erkenntnisart ist, die Verstand erfodert,
dessen Regel ich in mir, noch ehe mir Gegenstände gegeben werden, mithin a priori
voraussetzen muß, welche in Begriffen a priori ausgedrückt wird, nach denen sich also alle
Gegenstände der Erfahrung notwendig richten und mit ihnen übereinstimmen müssen.“ (B
XVII)
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Überblick: Der Gang der theoretischen Erkenntnis bei Kant
Materie der Empfindung
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
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
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Zeit
Formen der
Anschauung
Raum
Qualität
Quantität
Relation
Modalität
Einheit /
Realität /
Inhärenz u.
Möglichkeit –
Vielheit /
Negation /
Subsistenz /
Unmögl. /
Allheit
Limitation
Ursache und
Dasien – Nichtsein
Wirkung /
/
Wechselwirkung
Notw. – Zufäll.
Begriffe/Kategorien
ERFAHRUNG
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Vorlesung 2: Kant: Realität absoluter Prinzipien und als-ob-Realität in Kunst und Natur
1. Goethe und Schiller: Ideal und Leben
2. Kurzer Lebens- und Werküberblick zu Kant
3.Erkenntnissicherung für die theoretische Vernunft: Das Subjekt als Garant von Objektivität
4. Grenzen der Erkenntnis und ihre Überwindung
Grenzen der theoretischen Erkenntnis: Regulative Ideen
Überwindung der Grenzen: Praktische Vernunft und Urteilskraft
i. Kategorischer Imperativ: Realität von Freiheit
ii. Ästhetische Urteile: Als-Ob-Realität
Daten zu Werk und Leben Kants
1749
1755
1763
1770
1781
1783
1785
1786
1787
1788
1790
1797
Vorkritisch
Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte
Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels
Magisterpromotion
Principiourm primorum cognitionis metaphysicae nova dilucidatio
Der einzige mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
Prof. für Logik und Metaphysik in Königsberg
De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis
Theoretisch
Verstand
Kritik der reinen Vernunft
(A)
Prolegomena
Kritisch
Praktisch
Vernunft
Ästh./Teleolog.
Urteilskraft
Grundlegung zur
Metaphysik der Sitten
Metaphysische
Anfangsgründe der
Naturwissenschaft
Kritik der reinen Vernunft
(B)
Kritik der praktischen
Vernunft
Über den Gebrauch
teleologischer Prinzipien
in der Philosophie
Kritik der Urteilskraft
Metaphysik der Sitten (
=Metaphysische
Anfangsgründe der
Rechtslehre und der
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Tugendlehre)
Opus Postumum:
Übergang von den
metaphysischen
Anfangsgründen der
Naturwissenschaft zur
Physik
1793
Weiteres
Religionsphilosophie: Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft
Anthropologie: Vpn den verschiedenen Racen der Menschen (1775);
Anthropologie in pragmatischer Hinsicht (1798)
Logik
Geschichtsphilosophie: Ideen zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher
Absicht (1784); Zum ewigen Frieden (1795)
Physische Geographie
Kant hat für sich selbst in Anspruch genommen, die Philosophie und durch die Philosophie alle
Wissenschaften grundsätzlich revolutioniert zu haben. Er nimmt den Begriff einer „Revolution der
Denkart“ mit vollem Bewußtsein für sich in Anspruch. Worin besteht diese Revolution?
„Man versuche es daher einmal, ob wir nicht in den Aufgaben der Metaphysik damit besser
fortkommen, daß wir annehmen, die Gegenstände müssen sich nach unserem Erkenntnis
richten, welches so schon besser mit der verlangten Möglichkeit einer Erkenntnis
derselben a priori zusammenstimmt, die über Gegenstände, ehe sie uns gegeben werden,
etwas festsetzen soll“ (B XVI)
Diese Umwendung der Perspektive versinnbildlicht Kant durch den Hinweis auf Kopernikus; so wie
dieser die Sonne ins Zentrum gestellt hatte, möchte Kant unsere – und das heißt die jeweils von jedem
erkennenden Subjekt zu vollziehende Erkenntnis ins Zentrum stellen.
(Einige) Kantische Grundbegriffe
Kopernikanische Wende
„Man versuche es daher einmal, ob wir nicht in den Aufgaben der Metaphysik damit besser
fortkommen, daß wir annehmen, die Gegenstände müssen sich nach unserem Erkenntnis
richten, welches so schon besser mit der verlangten Möglichkeit einer Erkenntnis
derselben a priori zusammenstimmt, die über Gegenstände, ehe sie uns gegeben werden,
etwas festsetzen soll“ (B XVI)
Transzendental
“Ich nenne alle Erkenntnis transzendental, die sich nicht so wohl mit Gegenständen,
sondern mit unserer Erkenntnisart von Gegenständen, so fern diese a priori möglich sein
soll, überhaupt beschäftigt.” (B 25)
Bedingungen der Möglichkeit
“die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung überhaupt sind zugleich Bedingungen der
Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung, und haben darum objektive Gültigkeit in
einem synthetischen Urteile a priori” (B 197)
Formen der Anschauung (Raum und Zeit)
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“Der Raum ist nichts anders, als nur die Form aller Erscheinungen äußerer Sinne, d.i. die
subjektive Bedingung der Sinnlichkeit, unter der allen uns äußere Anschauung möglich ist.
Weil nun die Rezeptivität des Subjekts, von Gegenständen affiziert zu werden,
notwendiger Weise vor allen Anschauungen dieser Objekte vorhergeht, so läßt sich
verstehen, wie die Form aller Erscheinungen vor allen wirklichen Wahrnehmungen, mithin
a priori im Gemüte gegeben sein könne, und wie sie als eine reine Anschauung, in der alle
Gegenstände bestimmt werden müssen, Prinzipien der Verhältnisse derselben vor aller
Erfahrung enthalten könne.” (B 42)
Begriffe und Urteile
“der Verstand überhaupt [kann] als ein Vermögen zu urteilen vorgestellt werden. Denn er
ist nach dem obigen ein Vermögen zu denken. Denken ist das Erkenntnis durch Begriffe.
Begriffe aber beziehen sich als Prädikate möglicher Urteile, auf irgend eine Vorstellung von
einem noch unbestimmten Gegenstand.” (B94)
synthetische und analytische Urteile
analytische Urteile sind „bloß erläuternd”, synthetische „erweiternd“. Analytische „sagen im
Prädikate nichts, als das, was im Begriffe des Subjekts schon wirklich“ gedacht war;
synthetische Urteile vergrößern die Erkenntnis, „indem [sie] zu meinem Begriffe etwas
hinzutun“ (Prol. § 2)
Kategorien
„Wenn wir von allem Inhalte eines Urteils überhaupt abstrahieren, und nur auf die bloße
Verstandesform darin Acht geben, so finden wir, daß die Funktion des Denkens in
demselben unter vier Titel gebracht werden könne“ (B 95)
transzendentale Deduktion
„Ich nenne daher die Erklärung der Art, wie sich Begriffe a priori auf Gegenstände
beziehen können, die transzendentale Deduktion derselben“ (B 117)
ursprüngliche synthetische Einheit der Apperzeption
„Das: Ich denke, muß alle meine Vorstellungen begleiten können; denn sonst würde etwas
in mir vorgestellt werden, war gar nicht gedacht werden könnte. [...] Also nur dadurch, daß
ich ein Mannigfaltiges gegebener Vorstellungen in einem Bewußtsein verbinde, ist es
möglich, daß ich mir die Identität des Bewußtseins in diesen Vorstellungen selbst
vorstelle“. (B 131f.)
Ideen
„Ich verstehe unter der Idee eine notwendigen Vernunftbegriff, dem kein kongruierender
Gegenstand in den Sinnen gegeben werden kann“ (B 383)
„Folglich werden alle transzendentale Ideen sich unter drei Klassen bringen lassen“: „die
absolute (unbedingte) Einheit des denkenden Subjekts“, „die absolute Einheit der Reihe
der Bedingungen der Erscheinung“, „die absolute Einheit der Bedingung aller
Gegenstände des Denkensüberhaupt”.(B 391)
regulative Prinzipien
„sie [können] nicht sagen, was das Objekt sei, sondern wie der empirische Regressus
anzustellen sei, um zu dem vollständigen Begriffe des Objekts zu gelangen.“ (B 538)
Transzendentaler Idealismus
„Wir haben ... hinreichend bewiesen: daß alles, was im Raume oder der Zeit angeschauet
wird, mithin alle Gegenstände einer uns möglichen Erfahrung, nichts als Erscheinungen,
d.i. bloße Vorstellungen sind, die, so wie sie vorgestellt werden, als ausgedehnte Wesen,
oder Reihen von Veränderungen, außer unseren Gedanken keine an sich gegründete
Existenz haben.” (B 519f)
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Kategorischer Imperativ
„Endlich gibt es einen Imperativ, der, ohne irgend eine andere durch ein gewisses
Verhalten zu erreichende Absicht als Bedingung zum Grunde zu legen, dieses Verhalten
unmittelbar gebietet. Dieser Imperativ ist kategorisch.“ (GMS AB 43)
„Der kategorische Imperativ ist also nur ein einziger, und zwar dieser: handle nur nach
derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz
werde.“ (GMS AB 52)
Ästhetische Urteile
Der Gegenstand eines Wohlgefallens „ohne alles Interesse“ heißt schön.
„Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.“
„so muß das Geschmacksurteil auf einer bloßen Empfindung der sich wechselseitig
belebenden Einbildungskraft in ihrer Freiheit, und des Verstandes mit seiner
Gesetzmäßigkeit, also auf einem Gefühle beruhen, das den Gegenstand nach der
Zweckmäßigkeit der Vorstellung [...] auf die Beförderung des Erkenntnisvermögens in
ihrem freien Spiele beurteilen läßt“ (KU § 35)
Zusammenfassung: Drei „Stämme“ der Erkenntnis (Theoretisch: Verstand; Praktisch: Vernunft;
Ästhetisch: Urteilskraft) mit drei entsprechenden Realitätsbegriffen: Der objektiven Realität äußerer
Dinge; der im Handeln realisierten Idee der Freiheit, die theoretisch unerkennbar ist; der als-ob-Realität
im ästhetischen Urteil, das so vorgeht, als wolle es Gegenstände konstituieren, aber damit nicht ans
Ende kommt (vgl.: Unendlichkeit möglicher Interpretationen eines Kunstwerks).
Vorlesung 3: Fichte und Schelling: Vom Subjekt zur objektiven Welt und zurück
I. Philosophie der jungen Originalgenies: Fichte und Schelling als Nachfolger, Überwinder und
Überbieter Kants
II. Fichte und Schelling: Daten
III. Philosophie und absolutes Ich: Fichtes Argumente für den Idealismus
IV. Transzendental- und Naturphilosophie: Schellings Ansätze jenseits von Fichte
V. Das Zeitalter der Idealismen
Johann Gottlieb Fichte (1762-1814)
Handwerkerfamilie in der Lausitz
Schulpforte / Studien in Jena, Wittenberg, Leipzig,
Hauslehrer
1794 Professor in Jena
1799 Entlassung (Atheismusstreit)
Intermezzi in Erlangen / Berlin
Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775-1854)
Württemberger Pfarrhaus
Klosterschulen / Tübinger Stift
Hauslehrer
1798 Professor in Jena
1803 Professor in Würzburg
ab 1806 in München: Mitglied der Akademie der
Wissenschaften, später auch deren Vorstand;
Generalsekretär der Akademie der bildenden
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1810/11 erster Dekan und Rektor an der neuen
Universität Berlin
Künste
1820 Erlangen
1827 Professor in München und
Generalkonservator der staatlichen
wissenschaftlichen Sammlungen
ab 1841 Professor in Berlin Berlin: Nachfolger (?!)
Hegels
Wichtige Schriften
Versuch einer Kritik aller Offenbarung
Über den Begriff der Wissenschaftslehre
Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre
Schriften zur Wissenschaftslehre
Grundlage des Naturrechts
System der Sittenlehre
1792
1794/ Über die Möglichkeit einer Form der
1795 Philosophie überhaupt; Vom Ich als Princip der
Philosophie oder über das Unbedingte im
menschlichen Wissen
1796
1797
1798
1799
Bestimmung des Menschen
1800
1801
1802
1803
1804
1807
1809
Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters
Reden an die deutsche Nation
1806
1808
ab
1810
Neue Deduction des Naturrechts
Ideen zu einer Philosophie der Natur
Von der Weltseele, eine Hypothese der höhern
Physik; Allgemeine Uebersicht der neuesten
philosophischen Literatur
Erster Entwurf eines Systems der
Naturphilosophie
System des transscendentalen Idealismus;
Zeitschrift für spekulative Physik
Darstellung meines Systems der Philosophie
Bruno oder über das göttliche und natürliche
Princip der Dinge
Vorlesungen über die Methode des
akademischen Studiums
Philosophie und Religion; Kant-Nachruf
Rede über das Verhältniß der bildenden
Künste zur Natur
Philosophische Untersuchungen über das
Wesen der menschlichen Freiheit
„Weltalter“
Vorlesungen: Geschichte der Philosophie;
Philosophie der Mythologie; Philosophie der
Offenbarung
I. Philosophie der jungen Originalgenies: Fichte und Schelling als Nachfolger, Überwinder und
Überbieter Kants
Die drei größten Tendenzen des Zeitalters, so Friedrich Schlegel 1798 in einem seiner AthenäumsFragmente, also einem der Texte, die die Frühromantik als Richtung mit gleichermaßen künstlerischen
wie philosophischen Ambitionen literarisch charakterisierten, seien die französische Revolution,
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Goethes Wilhelm Meister und Fichtes Wissenschaftslehre. „Wissenschaftslehre“ ist der Titel, den Fichte
für seine Philosophie gefunden hat, sein Versuch, das Wort „Philosophie“ neu und mit besser
Akzentuierung der zentralen Aspekte zu verdeutschen. Wenn „Naturlehre“ eine wissenschaftliche
Behandlung der Natur ankündigt, muß in Analogie dazu eine „Wissenschaftslehre“ eine Wissenschaft
von der Wissenschaft sein. Genau das fordert Fichte: Eine Wissenschaft, die in wissenschaftlicher
Weise die Wissenschaften selbst zum Thema hat.
„Man denke sich den Begriff Ich, und denke dabei an sich selbst. Jeder versteht, was dieß
heißt, jeder denkt darunter etwas, er fühlt sein Bewußtsein auf eine gewisse Weise
bestimmt, daß er sich eines gewißen bewußt ist. Man bemerke es nun, wie man es mache,
indem man diesen Begriff denkt.“ (Fichte: Wissenschaftslehre nova methodo, 1798-99, ed.
Meiner, S. 28f.)
„Man denke sich irgend ein Object, z.B. die Wand den Ofen. Das denkende ist das
Vernunftwesen, dieses frei denkende vergißt sich aber dabei, es bemerkt seine freie
Tätigkeit nicht; dieß muß aber geschehen, wenn man sich auf den Gesichtspunkt der
Philosophie erheben will: Im Denken des Objects verschwindet man in demselben, man
denkt das Object, aber nicht daß man selbst das denkende sei. Indem ich z.B. die Wand
denke, bin ich das denkende und die Wand ist das Gedachte. Ich bin nicht die Wand, und
die Wand ist nicht Ich, beide – das denkende und das Gedachte werden also
unterschieden.. Nun soll ich das ich denken; ich bin also, wie in allem Denken das
handelnde; mit derselben Freiheit, mit der ich die Wand denke, denke ich auch das Ich,
beim Denken des ich wird auch etwas gedacht, es wird aber das denkende und das
Gedachte nicht so unterschieden wie bei dem Denken der Wand. Beide sind eins, das
denkende und das Gedachte. Beim Denken der Wand geht meine Tätigkeit auf etwas
außer mir, beim Denken des ich geht sie aber auf ich zurück.
Der Begriff oder das Denken des Ich in dem auf sich handeln des Ich selbst, und ein
Handeln im Handeln auf sich selbst, giebt ein Denken des Ich, und nichts anderes“. (a.a.O.
S. 29)
III. Philosophie und absolutes Ich: Fichtes Argumente für den Idealismus
Ziel von Fichtes Philosophie (nach Auskunft der Ersten Einleitung): Den „Grund aller Erfahrung“
darlegen, was nicht mehr aus der Erfahrung selbst heraus geschehen kann.
In den Einleitungen in die Wissenschaftslehre präzisiert Fichte, warum seiner Meinung nach nur ein
„Idealismus“, nicht aber ein „Dogmatismus“ (d.i. ein zur umfassenden Theorie gesteigerter Realismus)
Grundlage der Philosophie sein könne. Keines der beiden Systeme kann das andere direkt widerlegen;
es gibt aber eindeutige Gründe für den Idealismus:
- Der Grund aller Erfahrung muß jenseits der Erfahrung liegen
- „Die Intelligenz, als solche, sieht sich selbst zu“: Diese Doppelstruktur von Selbstreflexivität ist den
Dingen und damit auch dem Dogmatismus völlig fremd
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- Intelligenz muß man „als ein erstes, absolutes hinzudenken“, sie kann, als ein Vermögen, etwas
anzufangen oder sich auf eigene Handlungen zu beziehen, nicht abgeleitet werden
Folgerungen: Man muß „sich selbst zu etwas machen“: vgl. Kants Realisierung von Freiheit im Handeln;
nicht von Tatsachen, sondern von „Tathandlungen“ ausgehen. „Die Intelligenz ist dem Idealismus ein
Thun, und absolut nichts weiter; nicht einmal ein Täthiges soll man sie nennen“. Auf dieser Grundlage
allein sind Systematizität und Wissenschaftlichkeit möglich. Idealismus kann und muß von Freiheit
ausgehen.
IV. Transzendental- und Naturphilosophie: Schellings Ansätze jenseits von Fichte
Schellings Begriff der absoluten Wissenschaft in seinen Vorlesungen über die Methode des
akademischen Studiums (1803): Kants Revolution der universitären Wissenschaften ist wirklich
vollzogen; bevor wir eine spezielle Wissenschaft studieren können, müssen wir uns mit der
allgemeinsten Wissenschaft befassen, in der von Wissenschaftlichkeit schlechthin, vom absoluten
Wissen, gehandelt wird. Im universitären Rahmen ist das unmittelbar plausibel:
„Der besondern Bildung zu einem einzelnen Fach muß also die Erkenntniß des
organischen Ganzen der Wissenschaften vorangehen. Derjenige, welcher sich einer
bestimmten ergibt, muß die Stelle, die sie in diesem Ganzen einnimmt, und den besondern
Geist, der sie beseelt, so wie die Art der Ausbildung kennen lernen, wodurch sie sich dem
harmonischen Bau des Ganzen sich anschließt“. (SW 213)
Ausgangspunkt ist die „Idee des an sich selbst unbedingten Wissens, welches schlechthin nur
Eines ist, desjenigen Urwissens, welches, nur auf verschiedenen Stufen [...] sich in Zweige
zerspaltend, in den ganzen unermeßlichen Baum der Erkenntniß sich ausbreitet.“ Dieses Wissen
ist strikt einheitlich (sonst wären Systematizität und eindeutige Ableitbarkeit unmöglich), aber es
ist – anders als der Ausgangspunkt Fichtes, so jedenfalls Schellings Vorwurf, weder strikt
subjektiv noch strikt objektiv (oder: weder ideal noch real), sondern beides zusammen:
Voraussetzung von Wissen sie die „Uebereinstimmung mit dem Gegenstande“, daß also „das
wahre Ideale allein und ohne weitere Vermittlung auch das wahre Reale und außer jenem kein
anderes sey.“ Schellings Philosophie kann deshalb als eine Identitätsphilosophie bezeichnet
werden, in der Subjekt und Objekt, Ideales und Reales, Geist und Natur, Form und Wesen...
identisch werden. Diese Einheit kann auch als das Absolute bezeichnet werden.
Vorlesung 4
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Der systematische Abschluß des deutschen Idealismus bei Hegel: „was vernünftig ist, das ist
wirklich“ – Religion und Wirklichkeit beim späten Schelling
I. Hegel: Sprache als Weg in die Philosophie
II. Daten zu Hegel
III. Hegel: Denken und Begriff: „Alles, was wirklich ist, ist vernünftig“
IV. Systemformalität und Wissenschaftlichkeit
V. Der späte Schelling: Wirklichkeit vs. Denken
I. Hegel: Sprache als Weg in die Philosophie
„Die Bauersfrau lebt im Kreise ihrer Liese, was ihre beste Kuh ist, dann der Schwarzen, der Scheckin
usw.; auch des Märtens, ihres Buben, auch der Urschel, ihres Mädchens usf. So familiäre Dinge sind
dem Philosophen die Unendlichkeit, das Erkennen, die Bewegung, die sinnlichen Gesetze usf. Und wie
der Bauersfrau ihr verstorbener Bruder und Ohm, so dem Philosophen Platon, Spinoza usf. Eins hat
soviel Wirklichkeit als das andere, diese aber haben die Ewigkeit voraus.“ (Hegel, Wastebook, stw 2,
542)
Dieses Zitat, so skurril es klingen mag, faßt doch wesentliche Züge von Hegels Philosophie zusammen.
Die innige Vertrautheit und Bodenständigkeit der bäuerlichen Lebenswelt, die er bis in
Dialekteigentümlichkeiten nachahmt, fordert er auch von der Philosophie; Philosophie darf nicht bloß
abstrakt sein, sie soll sich sogar nicht einmal bemühen, immer abstrakter zu werden; im Gegenteil,
gefordert ist höchste Konkretheit, verbunden mit dem umfassenden Lebensbezug, der die Gesamtheit
des menschlichen Lebens einbezieht und betrifft. Aus einer solchen Notiz kann man ein weiteres lernen;
Hegel selbst wählt in seinen literarischen Auftritten eine Sprache, die zwischen bäuerlicher Derbheit und
ewigkeitsseliger Abstraktheit changiert.
- Durchdringung von Abstraktem und Konkretem: Die Durchdringung mehrerer Sprachebenen kann
dazu dienen, die von Hegel intendierte Verbindung von Abstraktem und Konkretem dem Leser und
Hörer sofort sichtbar zu machen.
- Hegel selbst ist sich der Schwierigkeiten, Philosophie adäquat zu formulieren, voll bewußt. Ich werde
i.f. einige Beispiele angeben, wie Hegel diesen Schwierigkeiten tatsächlich Möglichkeiten zur
Behandlung philosophischer Probleme abgewinnt.
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- Die Darstellungsthematik ist bereits bei Fichte zentral; auch Schelling sucht zeitlebens nach der
adäquaten Form in der Philosophie. Von daher setzt Hegel, in einem bewußten Umgehen mit Sprache,
eine idealistische Tradition fort.
- Nicht zuletzt verdient Hegels Sprache auch deshalb Aufmerksamkeit, weil man in der Hegel-Kritik der
frühen analytischen Philosophie keinen stärkeren Vorwurf formulieren zu können glaubte als die
Undurchdringlichkeit und Dunkelheit seiner Sprache.
Zusammenfassend: Hegel schwebt ein System der Philosophie vor, „Das Wahre ist das Ganze“. Er
bedient sich in der Sprache der Metapher und Analogie, lehnt diese aber als Methode der Philosophie
ab. Die „Arbeit des Begriffs“, „der Negation“ wird gefordert. Die Absage an die Veranschaulichung
bedeutet nicht, daß im Raum reiner Abstraktion gearbeitet werden sollte; im Gegenteil, und hier darf
man Hegels eigene Sprache beim Wort nehmen: Er zielt auf ein Erfassen von Wirklichkeit, also nicht
nur abstrakt formaler Strukturen, wobei eben die Arbeit des Begriffs fordert, daß Wirklichkeit nicht
einfach mit dem unmittelbar Aufgefaßten identifiziert wird.
II. Daten zu Hegel
Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831)
1770
1788-1793
geb. in Stuttgart; Gymnasium in
Stuttgart
Studium in Tübingen
1793-1801
Hauslehrer (Bern; Frankfurt)
1801
Berufung nach Jena
1807
Zeitungsredakteur in Bamberg
1808
Schuldirektor in Nürnberg
1812
1816
Wissenschaft der Logik
Professor in Heidelberg
Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften
1817
1818
Professor in Berlin
1821
1831
Dissertatio philosophica de orbitis planetarum;
Differenz des Fichteschen und Schellingschen
Systems; Kritisches Journal der Philosophie
Phänomenologie des Geistes
Philosophie des Rechts
Tod in Berlin
Themen des Werks
Wissenschaft der Logik: Seinslogik-Wesenslogik-Begriffslogik
Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften: Logik-Naturphilosophie-Philosophie des Geistes
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Vorlesungen über Ästhetik
Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte
Vorlesungen über die Philosophie der Religion
Vorlesungen über die Philosophie der Kunst
Grundlinien der Philosophie des Rechts
Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie
III. Denken und Begriff: „Alles, was wirklich ist, ist vernünftig“#
Vorrede zu Hegels Philosophie des Rechts: „Was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist,
das ist vernünftig“.
Problem: Wie geht man mit offensichtlicher Unvernunft des Wirklichen um? Es lassen sich einige
naheliegende Überlegungen anstellen:
- Man könnte zwischen eigentlicher und uneigentlicher Wirklichkeit unterscheiden, also annehmen, es
gebe so etwas wie einen Kern der Wirklichkeit, der stets vernünftig sei, während die Unvernunft nur in
der äußeren Einkleidung dieser Wirklichkeit liege. Damit wird die Unvernunft aber marginalisiert, zudem
wird abgelehnt, daß auch etwas Unwirkliches vernünftig sei – daß es also z.B. nötig sein könne,
bestehende Zustände zu verändern und die Welt zu verbessern.
- Man könnte versuchen, Wirklichkeit an Erkennbarkeit zu binden und letztere, als Leistung erkennender
Subjekte, als vernunftgeladenes Verfahren auffassen. Die Vernünftigkeit der Wirklichkeit würde dann
umgedeutet: Man würde nicht mehr, wie man alltagssprachlich sicher täte, unter einer vernünftigen
Wirklichkeit eine solche verstehen, die „gut eingerichtet“, „sinnvoll“ ist, sondern einfach nur eine, die von
vernünftigen Wesen erkannt wird. Hegel scheint aber gerade ganz gezielt mit genau diesen
Alltagsbedeutungen zu operieren!
- Man könnte drittens versuchen, die Möglichkeit eines strikten Gegensatzes von Wirklichkeit und
Vernünftigkeit dadurch zurückzunehmen, daß man betont, es seien überall in der Welt auch zumindest
Aspekte des Unwahren, Vernunftwidrigen enthalten; damit aber würde man zugleich strikte Wirklichkeit
ablehnen, und müßte wieder zeigen, wie auch dort, wo wir scheinbar reine Vernunft haben, sich
Unwahrheit einmischt.
Keiner dieser drei Vorschläge ist unmittelbar überzeugend; dennoch finden sich Elemente aus allen
dreien in Hegels eigenem Vorgehen. Ich verfolge dazu die Überlegungen Hegels in der Vorrede, ein
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Unterfangen, in dem man immer wieder auf sofort zustimmungsfähige Überlegungen zur Philosophie
überhaupt stößt, die aber eben unter der verstörenden Annahme durchgehender Vernünftigkeit der
Wirklichkeit schwer zu akzeptieren sind. Ich möchte aber dennoch die zustimmungsfähigen Punkte als
Argumentationshilfen sammeln.
1. Die Konkretheit von Philosophie
Stellung der Philosophie zur Wirklichkeit: „die Philosophie, weil sie das Ergründen des Vernünftigen ist,
eben damit das Erfassen des Gegenwärtigen und Wirklichen, nicht das Aufstellen eines Jenseitigen ist,
das Gott weiß wo sein sollte“.
26 „Das was ist zu begreifen, ist die Aufgabe der Philosophie, denn das was ist, ist die Vernunft.“
Philosophie ist „ihre Zeit in Gedanken erfaßt“. – Konkretheit bedeutet also auch, daß Philosophie und
Philosophiegeschichte ein flexibles, immer wieder je nach konkreter Situation neu zu bestimmendes
Unternehmen darstellen. Philosophie ist nicht einmal abgeschlossen und dann nur äußerlich
anzuwenden.
Philosophie kommt immer zu spät: „die Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechenden
Dämmerung ihren Flug.“
2. Wissenschaftlicher Charakter der Philosophie
Frage (15f.): Natur gesetzlich – geistiges Universum dem „Zufall und der Willkür preisgegeben“,
„gottverlassen“?
Gedanken – Gesetz engstens verbunden!
Gegen Erbaulichkeit, subjektives Gefühl
„Darauf kommt es dann an, in dem Scheine des Zeitlichen und Vorübergehendenn die Substanz, die
immanent, und das Ewige, das gegenwärtig ist, zu erkennen.“ Unendliche Mannigfaltigkeit konkreter
Verhältnisse als äußere Hülle erkennen! (Beispiel: Fichte zu Paßwesen). Heißt das aber nicht genau,
daß man doch den suspekten Weg geht, gerade die störenden Aspekte der Konkretheit einfach
wegzulassen?
Offensichtlich braucht man eine Methode, die es gestattet, Gesetzlichkeit (als Aspekt der gedanklichen
= vernünftigen Bestimmung), Konkretheit im Sinne der vollgültigen Bestimmung jedes einzelnen, und
ein Absehen von den bloß äußerlichen Einzelheiten zu verbinden.
3. Hegels Methode: Dialektik
Die methodische Grundforderung Hegels kann in einer Weise formuliert werden, die stark an Schellings
Identitätsformulierungen anklingtz: „Einheit der Form und des Inhalts“; „denn die Form in ihrer
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konkretesten Bedeutung ist die Vernunft als begreifendes Erkennen, und der Inhalt die Vernunft als das
substantielle Wesen der sittlichen wie der natürlichen Wirklichkeit“.
Methode: 12: „Fortschreiten von einer Materie zu einer andern und des wissenschaftlichen Beweisens“;
Form des Wissens; Wahrheiten sind alt, müssen also nur noch (S. 13) begriffen werden; „dem schon an
sich selbst vernünftigen Inhalt auch die vernünftige Form zu gewinnen, damit er für das freie Denken
gerechtfertigt erscheine“.
Merkmale der Methode also: Fortschreiten, nicht bei einmal Erzieltem stehenbleiben; es gibt nichts
wirklich Festes; Konkretheit mit Wesenserkenntnis verbinden. Nehmen wir einen weiteren Aspekt aus
unserem eingangs entwickelten Forderungskatalog dazu: die Unwahrheit, die Negation, den
Widerspruch positiv einbeziehen.
Forderungen: „Das Wahre ist das Ganze“, keine Trennung von „Gang“ und „Resultat“; der Gang der
Erkenntnis muß aufbewahrt werden. Philosophie ist kein Denken in feststehenden Resultaten, Denken
hat sich stets in Form von Bewegungen zu vollziehen. Bewegungen gehen von einem Anfang zu einem
Ende, der Ausgangspunkt der Bewegung wird verlassen, am Ende sieht man aber den Anfang nicht
mehr. Hegel stellt das an jedem einzelnen Satz dar. Sagt man „Gott ist das Sein“, gibt man also eine
formale Definition, so geht man von einem Definiendum aus und langt bei einem Definiens an – dabei
verschwindet der Anfang. Dies gilt für jeden Satz, jeder Satz enthält also in sich eine Bewegung
(‚spekulativer Satz’), die sein eigentliches Ziel, eine feststehende Bestimmung zu liefern, unterläuft. Von
daher widerspricht auch jeder Satz seinem explizit oder implizit in Anspruch genommenen Ziel, nämlich
dem, bei einer festen Bestimmung anzukommen. Die philosophisch-methodische Kunst hat also darin
zu bestehen, diese Bewegung zu konstatieren, sie sozusagen festzustellen, ohne die Bewegung damit
zu beenden.
Hegels Terminus: Dialektik. Schematisch: These – Antithese – Synthese. Aber: Diese Methode darf
nicht als formales Verfahren verstanden werden. Ich schlage vor, Dialektik viel eher am Muster eines
solchen Satzes sich zu veranschaulichen: Der Widerspruch läge dann darin, daß der Satz nicht erreicht,
was er eigentlich, durch seine Form ganz automatisch, zu erreichen sucht. Nicht jeder Widerspruch zu
einer Aussage ist also ein dialektisch interessanter Widerspruch (also nicht „Gott ist das Nichts“ statt
„Gott ist das Sein“), sondern relevant ist nur der Widerspruch, der sich immanent notwendig, quasi
automatisch, aus einer Behauptung ergibt. Widersprüche sind immer bestimmte Widersprüche. Die
Synthese ist ebenfalls nicht einfach „Gott ist sowohl Sein als auch Nichts“ oder „in einer Hinsicht das, in
der anderen jenes“, sondern Synthese kann nur darin liegen, daß man sieht, wie beides notwendig
zusammenhängt und sich auseinander ergibt, und dann die Notwendigkeit dieses Fortgangs in die
Wahrheitsbedingungen eines Satzes hineinnimmt, also eine Konzeption entwickelt, in der es zur
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Wahrheit der Definition Gottes als des Seins gehört, daß daraus sich ebenso ein Verlust Gottes im Sein
ergibt.
Dies kann nur wiederum in Form eines Systems erfolgen, das aber nun nicht mehr durch eine
anfänglicher Einheitsbehauptung, sondern nur durch einen immanenten Fortgang konstituieren kann:
„Das Wahre ist das Ganze“.
V. Der späte Schelling: Wirklichkeit vs. Denken
Schellings Ziel: Wirklichkeit neu denken. Wirklichkeit kann nicht im Begriff aufgehen; auch ein Begriff
muß sich ja auf etwas beziehen, das ihm vorausliegt. Dringlich wird für Schelling eine neue Behandlung
der Wirklichkeit anhand bestimmter, ihrerseits wirklicher, Phänomene, insbesondere solchen aus der
Religion. Die späteste Philosophie Schellings kulminiert entsprechend in einer Philosophie der
Offenbarung. Dieser engere religionsphilosophische Kontext dient Schelling dazu, allgemeinere
Strukturen offenzulegen.
Schellings Spätphilosophie wendet sich neben der Offenbarung auch der Mythologie zu. Mythologie als
etwas, das erst auf dem Weg zur Rationalität steht; Mythologie gehorcht innerer Notwendigkeit,
während Offenbarung ein Akt der Freiheit (hier: der Freiheit Gottes) ist. Was soll nun eine „Philosophie“
der Offenbarung leisten? Man könnte meinen, so Schelling, wenn man „unter Philosophie eine
Wissenschaft, welche die Vernunft rein und bloß aus sich selbst erzeugt“ verstehe, müsse eine
Philosophie der Offenbarung „die Ideen der geoffenbarten Religion als nothwendig, als reine
Vernunftwahrheiten darstellen oder auf solche zurückführen.“ Gegen ein solches Programm spricht aber
die Wirklichkeit, die Offenbarung für den Gläubigen hat. Diese gehört für Schelling unabdingbar zu dem
Phänomen, das er verstehen möchte. Ins Philosophische übertragen, wäre Offenbarung ein
Gegenstand, der dadurch ausgezeichnet ist, daß man von ihm nur durch Erfahrung wissen kann. Wenn
man diese Erfahrung anerkennt, ergeben sich aufregende weitere Fragen: die Philosophie kann dann
nämlich etwa zur Frage fortschreiten, warum denn Gott Schöpfer sein wollte, wobei sich diese Frage
eben nur auf Grundlage der Einsicht in die Tatsächlichkeit der Schöpfung stellt und nur auf dieser
Grundlage Aussicht auf Beantwortbarkeit hat.
XIV 13: „Das letzte Ziel des Wissens kan nur seyn, etwas zu erreichen, wodurch es selbst in Ruhe
gesetzt wird. [...] Aller Zweifel hört daher nur bei einem Letzten auf, von dem ich nur noch sagen kann,
daß es Ist.“ XIV 14: „Das Letzte, in dem alles Wissen ruht, kann nicht ohne Grund seyn“: „That eines
überkreatürlichen Wesens“.
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XIV15: „Der Glaube, um darauf zurückzukommen, darf also nicht als ein unbegründetes Wissen
vorgestellt werden, man müßte vielmehr sagen, er sey das allerbegründetste, weil er allein das hat,
worin aller Zweifel besiegt ist, etwas so absolut Positives, daß aller weitere Uebergang zu einem andern
abgeschnitten ist.“
XIV 23: „wenn die Vernunft alles Seyn (und daher umgekehrt alles Seyn die Vernunft) ist, es nicht
geringe Schwierigkeit hat, die Unvernunft herbeizuschaffen, deren es doch bedarf, die wirkliche Welt zu
erklären“. Man kann das direkt auf Hegel beziehen: Wenn alles Sein Vernunft ist und umgekehrt, kann
beides nicht mehr durcheinander erklärt werden, man braucht also zur Erklärung des Seins etwas ganz
anderes: eine Unvernunft, ein Irrationales, auch: ein Unbewußtes.
Stichwort: positive Philosophie, eine Philosophie, die nicht Bedingungen für Phänomene oder
Wissenschaft rekonstruiert, nicht Sachverhalte konstruiert, sondern von einer nicht hintergehbaren, also
als gesetzt, „positiv“, anzunehmenden Realität ausgeht, die dann notwendig jenseits des menschlichen
Verstandes, seines Denkens und Begriffs liegt: eine immanente Grenzreflexion von Vernunft.
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