MEDIEN IM 3. GOLFKRIEG SEMINARARBEIT Sommersemester 2004 Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaften Universität Klagenfurt 180.052 Kommunikationswissenschaftliche Theorien und Modelle Vortragender: Univ.-Ass. Mag. Carsten Winter Tutorin: Christine Pleschberger Gruppensprecherin: Gorana Gavran Stellvertreterin: Nina Neuner Julia Aichernig Claudia Blasi Lisa Gaggl Ines Hafner Kathrin Sabitzer Ralf Six Martina Steiner Inhaltsverzeichnis: 1 Einleitung 2 Der Irak 2.1 Der Irak in Zahlen und Fakten 2.2 Hintergründe des Irakkrieges 3 Zwei Länder - Zwei Sender 3.1 CNN - Cable News Network 3.2 Embedded Journalists – Eingebettete Journalisten 3.3 Al Dschasira 3.4 Verbindung CNN und Al Dschasira 3.5 FAIR (Fair & Accuracy in Reporting) 4 Wahrnehmung des Irakkrieges 4.1 Angriffsziel Irak 4.2 Die Sprache in der Inszenierung Krieg 4.3 Euphemismen – Die Beschönigung eines grauenhaften Krieges 4.4 Die Achse des Bösen 4.5 Erschaffung eines Feindbildes 5 Encoding/Decoding – Stuart Hall Literaturverzeichnis 1 1 Einleitung „Krisen – Kriege – Kommunikationen“ - Militärputsche, Staatsstreiche, Befreiungskämpfe, innere Unruhen, offene Grenzkonflikte, Bürgerkriege und kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Staaten sind Sonderfälle politischer Konflikte. Alle Konflikte haben – anders als die punktuelle „Ereignisse“ konzentrierte Berichterstattung der Medien suggerieren kann – eine (Vor-)Geschichte, die in der Regel als Krise bezeichnet wird. Krisen werden in Kriegen zugespitzt; kriegerische Auseinandersetzungen können (politologisch) als fortbestehende Krisen verstanden werden, die eine hohe Gewaltintensität aufweisen. Unter einer allgemeineren (soziologischen) Perspektive können Krisen als (vermutete) Bedrohungen zentraler Werte eines Systems definiert werden, die Sicherheit – bis hin zur Gefährdung der Existenz – reduzieren, Zeitressourcen verknappen und Entscheidungsbedarf induzieren. 1 Oft kommt es in der Kommunikation nicht darauf an, ob etwas wahr oder gelogen ist, sondern ob es als wahr oder gelogen hingenommen wird. Eine Information, die niemanden erreicht kann auch nicht als wahr oder gelogen hingenommen werden, weil sie im Bewusstsein und Gedächtnis der Rezipienten gar nicht existiert. Voraussetzung für die Glaubwürdigkeit einer Nachricht ist also ihre Präsentation und Darstellung. Die Nachrichtenpräsentationen in den Medien, besonders im Fernsehen, haben eine Präsentationsform geschaffen, die von vielen Menschen als zuverlässig und seriös geglaubt wird. Wie kein Krieg vorher, wurde der dritte Golfkrieg so zeitnah und detailliert vermittelt. Die amerikanische Regierung hat alles getan um frühere Fehler im Bereich der Transparenz für die Öffentlichkeit nicht zu wiederholen. Die Kriegsberichterstattung ist für sich genommen ein irrelevanter Faktor im Kriegsgeschehen und gewinnt erst durch ihre Kontextfunktion für das Handeln der kriegsführenden Partei an Bedeutung. 1 Löffelholz, Martin: Krieg als Medienereignis, Westdeutscher Verlag, 1993 (S. 11) 2 2 Der Irak Was sind die Hintergründe und die Fakten zum Golfkrieg? 2.1 Der Irak in Zahlen und Fakten Der Irak mit der Hauptstadt Bagdad ist eine Arabische Republik am nordwestlichen Ende des Persischen Golfs, sein offizieller Name ist Al-Jumhuriyah al-'Irqyah (Republic of Iraq). Das Land hat rund 22,5 Millionen Einwohner. Die Staatsform des Irak ist eine autoritäre präsidiale Republik - seit 1979 unter dem Staatspräsidenten Saddam Hussein al-Takriti. Die Medien unterliegen der Zensur, Rundfunk und Fernsehen unterstehen direkt dem Informationsministerium. Die Opposition lebt überwiegend im Exil. Der Irak ist in 18 Provinzen gegliedert und hat eine Landesfläche von 438.317 Quadratkilometer. Die drei nördlichen Provinzen Dohuk, Erbil und As-Suleymania werden nicht von der Regierung in Bagdad kontrolliert, sondern von den Kurdenparteien KDP und PUK. Die Landessprache im Irak ist Arabisch. Kurdisch gilt in den Nordprovinzen offiziell als Amtssprache. Die Staatsreligion ist der Islam. Die Währung ist der Iraqui dinar. Das durchschnittliche Jahreseinkommen pro Einwohner beträgt 845 US-Dollar. Haupt-Ressourcen des Irak sind Erdöl, Erdgas, Phosphate und Schwefel. Wichtigste Importgüter sind Nahrungsmittel, Maschinen und Investitionsgüter, im Export befinden sich vor allem Erdöl, Datteln und Baumwolle. Auf die 1963 erstmals offiziell gehisste rot-weißschwarze Landesflagge mit drei grünen Sternen wurde 1991 zwischen die Sterne die Inschrift "Allahu Akbar" (Allah ist groß) beigefügt. 2.2 Hintergründe des Irakkrieges Der Irakkrieg, auch 3. Golfkrieg genannt, begann im März 2003. Die genauen Gründe für diesen Krieg sind in den verschiedenen Medien äußerst umstritten. Wenn die offizielle Begründung für den Krieg – dass das irakische Regime laut Geheimdienstinformationen eine unmittelbare Bedrohung für das amerikanische Volk darstelle falsch waren, was waren denn die wirklichen Gründe für die Invasion? In 3 der Rede zur Lage der Nation begründete Bush die Rechtmäßigkeit der Invasion des Irak damit, er habe Saddam Hussein „die Chance gegeben, die Inspektoren ins Land zu lassen. Er hat sie nicht rein gelassen,“ fuhr er fort; „und deshalb haben wir nach einer vernünftigen Aufforderung entschieden, ihn von der Macht zu entfernen.“ Die Washington Post gab diese Bemerkung wieder - die in Anwesenheit des versteinert blickenden UN-Generalsekretärs Kofi Annan gemacht wurde und fügte den folgenden taktvollen Kommentar hinzu: „Die Versicherung des Präsidenten, dass der Krieg gegen den Irak begonnen wurde, weil der Irak die Inspektoren nicht ins Land gelassen habe, schien den Ereignissen zu widersprechen, die im Frühjahr diesen Jahres zum Krieg führten: Hussein hatte in Wirklichkeit die Inspektoren ins Land gelassen und Busch lehnte die Fortführung ihrer Arbeit ab, weil er sie für ineffektiv hielt.“ Die New York Times ihrerseits tilgte die bizarre Erklärung des Präsidenten ganz einfach aus ihrem Bericht über die Pressekonferenz. Mehrheitlich wird jedoch vermutet dass die USA mit dem Krieg ihre Stärke demonstrieren wollen, insbesondere auch gegenüber Russland und - was noch wichtiger ist - China. Es geht aber vor allem um die Kontrolle der irakischen Ölreserven und eine Schwächung der OPEC. Wer die weltweiten Ölreserven weitgehend kontrolliert, kann auch die Ölpreise manipulieren. Anhaltend hohe Preise würden z.B. nicht nur den Volkswirtschaften der westlichen Staaten schaden, sondern in zunehmendem Maße auch China. Niedrige Preise wären für das selbst Öl-exportierende Russland schädlich. In diesem Zusammenhang haben die USA auch ein hohes Interesse daran, dass der Dollar die weltweite Ölwährung bleibt. Nur so ist praktisch die gesamte Welt gezwungen, zur Begleichung der Ölrechnungen Dollars zu erwerben. Und nur so können wiederum die USA ihr schon lange anhaltendes Außenhandelsdefizit finanzieren. Es war deshalb mit Sicherheit ein schwerwiegender Fehler des Irak, als er Ende 2000 verkündete, dass er seine Öllieferungen in Zukunft auf Euro-Basis fakturieren würde. Der Krieg ist geeignet, von den inneren Problemen der USA und dem sich abzeichnenden Scheitern der US-Globalisierung abzulenken. Es mögen auch gewisse "Rache-Gedanken" im Hinblick auf den 11.9.2001 eine Rolle spielen, obwohl der Irak damit nichts zu tun hatte. Und schließlich dient der Irakkrieg auch dazu, mit Saddam Hussein einen wahrhaft grausamen Diktator zu entmachten. Alte mediale Maßnahmen wie z.B. das Abwerfen von Flugblättern wurden auch in 4 diesem Krieg praktiziert. Amerikanische Flugzeuge haben Hunderttausende von Flugblättern über dem Irak abgeworfen. Wie der Fernsehsender CNN berichtete, wurden die Soldaten Saddam Husseins darin aufgerufen, sich zu ergeben. Außerdem wurde an die Soldaten appelliert, keine Massenvernichtungswaffen einzusetzen. Auf den Blättern wurden ihnen Anleitungen gegeben, wie sie überlaufen und auf welcher Radio-Wellenlänge sie weitere Informationen erhalten könnten. Zuvor hatte Saddam Hussein das Ultimatum von US-Präsident George W. Bush zum Verlassen des Landes in der Nacht zum Donnerstag verstreichen lassen. Die am Montagabend von US-Präsident Bush in einer Fernsehansprache gesetzte 48-Stunden-Frist war in der Nacht um 2.00 Uhr MEZ abgelaufen. Am Dienstagabend hatte US-Präsident George W. Bush die letzten Weichen für den Angriff gestellt: In einem Schreiben an die Vorsitzenden des US-Senats und des Repräsentantenhauses erklärte Bush, da der irakische Machthaber Saddam Hussein offenbar das Ultimatum nicht erfüllen werde, sei Krieg nun das einzig wirksame Mittel gegen ihn. Die diplomatischen Bemühungen garantierten keinen hinreichenden Schutz der USA vor der irakischen Bedrohung. Der Kongress hatte Bush im vergangenen Oktober die Vollmacht für einen Krieg ohne UNO-Mandat unter der Bedingung erteilt, dass er vorab über die Entscheidung informiert werde. 3 Zwei Länder – Zwei Sender Was bedeutet Objektivität im Bezug auf Kriegsberichterstattung? Wie wird unsere Wahrnehmung beeinflusst? In diesem Kapitel wollen wir uns näher mit dem amerikanischen Nachrichtensender CNN und dem arabischen Informationskanal Al-Dschasira auseinandersetzen und sowohl einen kurzen Überblick geben, als auch eine kritische Darstellung von diesen liefern. 3.1 CNN – Cable News Network 5 Fakten über den Sender: Die CNN Nachrichtengruppe ist eine der größten und erfolgreichsten Informationsgesellschaften der Welt. Diese besteht aus sechs Kabel- und Satellitennetzwerken, drei privaten „out- of- home“ Netzwerken, zwei Radionetzwerken, zwölf Webseiten und einer Nachrichtenquelle. Im Zentrum dieser Nachrichtengruppe steht der weltweit bekannte Sender „Cable News Network“ (CNN), der mehr als 77 Mio. US- Haushalte und über 800 Mio. Personen in den Gebieten Europa, Mittlerer Osten, Afrika, Lateinamerika und Asien erreicht. Er erfand das Konzept des 24- Stunden Informations- und Nachrichtenfernsehens und deckt außerdem in seiner Vielzahl von Programmen Themen wie z.B. Wirtschaft, Wetter, Sport, Unterhaltung, Gesundheit und Wissenschaft ab. CNN versucht auf Grund seiner großen Reichweite und Rezipientenanzahl, so wie jede renommierte Fernsehanstalt, objektiv und seriös Bericht zu erstatten. Da der Krieg ein Ausnahmezustand ist, unterlaufen auch „Informationsgiganten“ wie CNN bestimmte Fehler durch falsche Akzentsetzungen und Weglassen von wichtigen Fakten. Dies ist bedauerlich, aber kaum zu vermeiden. Entscheidend ist jedoch, wie mit den Fehlern umgegangen wird. Hier ist ein abschreckendes Beispiel wie CNN mit unangenehmen Wahrheiten im Irak-Krieg verfährt: Mehrere Frauen und Kinder wurden bei einem Checkpoint von US-Soldaten getötet, weil ihr Auto angeblich nicht angehalten hat. Die US-Armee erklärte, dass zuvor Warnschüsse in die Luft und in den Kühler abgegeben wurden. Allerdings befand sich ein in die Truppe eingebundener Reporter der "Washington Post" an diesem Checkpoint und seine Darstellung weicht in wesentlichen Punkten von der offiziellen Erklärung ab. CNN erwähnt zwar den Reporter und seine Darstellung auf ihrer Homepage, doch der Leser wird trotzdem auf die falsche Spur geführt: "In a story on the paper's Web site, The Washington Post reporter wrote that the unit's captain ordered the first warning shot. As the four-wheel drive Toyota continued down the road, the captain ordered one round fired into its radiator. After that failed to stop the vehicle, according to the Post reporter, the captain yelled "Stop him, Red 1, 6 stop him!" That was followed by about a half-dozen shots from the 25 mm cannon on the platoon's Bradley armored vehicle, the reporter wrote." 2 All diese Sätze sind vollkommen richtig - eigentlich. Nur: Die alles entscheidende Information, die die ganze Geschichte in einem völlig anderen Licht erscheinen lässt, fehlt. Laut dem Reporter wurden die beiden Befehle zu den Warnschüssen in die Luft und in den Kühler von den Soldaten NICHT befolgt - entweder weil sie sie nicht gehört haben oder weil sie mit etwas anderen beschäftigt waren. Es hat also keine Warnschüsse und somit auch keine Aufforderung für die Fahrerin gegeben, das Auto anzuhalten. Die erste Aufforderung waren circa sechs Explosivgeschosse, die in der Fahrgastkabine einschlugen. Das ist eine entscheidende Information, die den CNNLesern unterschlagen wird. Und niemand kann ernsthaft sagen, dass es ein "Versehen" oder eine "Schlamperei" war. Dazu ist es zu kunstvoll gemacht: Zumindest kann dem Sender nicht der billige Vorwurf "CNN lügt" gemacht werden. CNN - das gilt auch für das internationale TV-Programm - arbeitet viel subtiler, mit Verdrehungen, mit falschen Akzentsetzungen, mit Weglassen. Im Ergebnis kommt jedoch eine falsche Information beim Publikum an - gibt es dafür ein anderes Wort als Progaganda? Die US-Soldaten haben einfach einen Fehler gemacht; CNN versucht das zu vertuschen. Und im Fernsehen wird die verzerrte CNN-Berichterstattung über den Checkpoint-Vorfall fortgesetzt. Der Sender machte sich sogar die Mühe, eine aufwendige Computer-Animation zu erstellen - und hat wahrscheinlich noch mehr Mühe aufgewandt, um es falsch hinzukriegen. Zuerst wird ausführlich die offizielle Version von den Warnschüssen erzählt, dann wird die Animation an den Anfang zurückgefahren, um die Version des "Washington-Post"-Reporters zu bringen. Leider wurde von CNN diese genauere Identifizierung "vergessen", in der Animation ist lediglich die Rede von einem "Zeugen". So wird CNN unterstellt, dass es sich um einen irakischen Zeugen handeln muss, wobei CNN wohl annimmt, dass irakische Zeugen per se als unglaubwürdig zu gelten haben. Man kann CNN nicht vorwerfen, grundsätzlich Propaganda zu betreiben, keineswegs. In vielen Fällen gibt es dazu auch wenig Grund, etwa bei innenpolitischen US-Themen wie Parteipolitik, Minderheiten, Gesundheitspolitik etc. 2 Werner Schmitz, 05.04.2003, http://archive.infopeace.de/msg02471.html 7 Es gibt aber zwei neuralgische Punkte, bei denen diese feingesteuerte Manipulation des Publikums immer wieder auftaucht: Das ist Israel und die arabische Welt. 3.2 Embedded Journalists Die Berichterstattung im 3. Irakkrieg war einzigartig. Vor allem durch den Einsatz von Embedded Journalists versuchten die amerikanischen Berichterstatter den Rezipienten einen ganz neuen Einblick in das Kriegsgeschehen zu geben. Das sind Journalisten, die mit den Truppen reisen und direkte Informationen über das Kampfgeschehen liefern. An die 600 Korrespondenten wurden bereits 2002, im Vorfeld der Kriegserklärung der USA gegen den Irak vorsorglich für diese neue Form der Berichterstattung ausgebildet. Doch es gab auch heftige Diskussionen, ob diese Journalisten wirklich objektiv berichten können, da das amerikanische Heer die Informationen kontrollierte. Sie durften nur das senden, was das Militär freigab. Darüber hinaus war die Sichtweise der eingebetteten Journalisten zu eingeschränkt, um ein Gesamtbild der Lage im Irak zu übermitteln. Es gab zwar gute Bilder von der Front, aber zuwenig Informationen über das Kriegsgeschehen im Allgemeinen. Außerdem wurden die Journalisten schon allein durch das ständige zusammen sein mit den Soldaten gefühlsmäßig beeinflusst und schlugen daher in ihren Berichterstattungen meist einen patriotischen Ton an. Um den Medien diesen Informationsverlust zu ersparen und das eigene Ansehen der Streitkräfte zu erhöhen, bedarf es seitens der militärischen Informationsgeber besserer Schnittstellen zwischen den embedded journalists und den Pressezentren. 3.3 Al-Dschasira Fakten über den Sender: Al-Dschasira ist ein arabischer Nachrichtensehsender gegründet 1996, der seinen Sitz in Qatar (Doha) hat und nach eigenen Angaben mehr als 40 Mio. Zuschauer erreicht. Er gilt als einziger politisch unabhängiger arabischer Satellitensender und wurde deshalb von den Taliban, die von den meisten arabischen und islamischen Staaten abgelehnt werden, geduldet. Private arabische Satellitenstationen existieren zwar bereits seit Anfang der 90er Jahre, deren Geldgeber sind aber meist mit dem politischen Establishment verbunden. Auf Grund dessen und wegen seiner hohen Rezipientenanzahl, hat dieser einen großen Einfluss auf die Meinungsbildung in der 8 arabischen Welt, wo Medien von Informationsministerien kontrolliert werden. Relikt aus einer Zeit, in der zum Großteil analphabetische Bevölkerungen maßgeblich über Fernsehen und Radio beeinflusst werden konnten. Als Scheich Achmad Bin Chalifa al-Thani vor sechs Jahren die Macht in Qatar übernahm, ordnete er gewisse Reformen an. Die Gründung Al-Dschasiras gehörte auch zu seinen Vorschlägen. AlDschasira wird zwar von der Regierung finanziell unterstützt, gestaltet sein Programm aber unabhängig. Trotzdem muss bei großen Medienunternehmen geklärt werden, welchen Einfluss sie auf die Bevölkerung haben und woher der Einfluss kommt. Walter Laqueur, ein Wissenschaftler und Autor zahlreicher historischer Werke und Kommentaren zum aktuellen politischen Geschehen, verweist auf eine Antwort. Er kritisiert die Einseitigkeit, sowohl bei westlichen als auch bei arabischen Journalisten und beschreibt diese, insbesondere in Bezug auf den Nachrichtensender Al-Dschasira folgendermaßen: „Bis zum Ausbruch des Krieges betrieb Al-Dschasira pure Propaganda. Wir sollten nicht vergessen, dass der Sender das Sprachrohr Osama Bin Ladens war. Das gleiche gilt für Al-Dschasiras Berichterstattung über den Irak.(...)Mit dem Ausbruch des Krieges gewann ihr arabischer Patriotismus Oberhand über ihre journalistische Integrität und Objektivität. Und so zeigten sie ihren vielen Millionen arabischen Zuschauern nicht, was wirklich passierte, sondern was diese sehen wollten.(…)Doch die westlichen Nachrichtenagenturen begingen den Fehler, Al-Dschasira für eine unabhängige Informationsquelle zu halten…“ 3 Al-Dschasira ist nach diesen Angaben von Anbeginn Kriegspartei, um genauer zu sein Partei des islamischen Weltbürgerkriegs. Laqueur bedauert in diesem Zusammenhang das Unverständnis des Weißen Hausen und des Pentagon in Bezug auf die Bedeutung der islamischen Propaganda. Denn faschistische Regime beinhalten immer zwei wesentliche Elemente: Terror und Massenbeeinflussung. Der arabische Propagandasender verstärkt seinen Einfluss auf die Rezipienten durch, von der irakischen Regierung, bereitgestelltes Bildmaterial. Auch der AlDschasira Korrespondent Aktham Suliman, ließ durch einzelne Aussagen darauf schließen, parteilich zu senden, und in Folge keinen seriösen Journalismus zu betreiben. Durch diese Entwicklung kommt es dazu, dass verschiedene Journalisten 3 Bergh Peter, Generation Golfkrieg,, Popper-Verlag S.237 9 aus aller Welt diese einseitige Sicht aus Mitgefühl für das blutende arabische Herz übernehmen. Als veranschaulichendes Beispiel dafür dient die Berichterstattung von Tina Hassel, die in einer WDR Sendung (Tagesthemen) den Beschuss auf ein Journalistenhotel und damit verbundene Tötung des Reporters Tareq Ayoub als „Strategie“ bezeichnete. Nach anderen Angaben war der Beschuss die Antwort der US-Soldaten auf vorherige Bombardierung und außerdem wussten sie nach ihren Karten nicht, dass das Palestine-Hotel ein Journalistenhotel war. Diese antiamerikanischen Haltungen sind jedoch, wie schon erwähnt, bei vielen Journalisten vorhanden. Dies lässt sich vielleicht auch auf ein tief sitzendes Misstrauen gegenüber den Amerikanern zurückführen. Auch die Nachrichtenredakteure des ARD und des ZDF pressten alle Informationen zum Thema Irak-Krieg zuerst durch den Filter ihres pazifistischen Antiamerikanismus. Dazu eigneten sich vor allem die Bilder von Al-Dschasira. Diese falsche bzw. „verdrehte“ Weitergabe von Informationen kommt nicht von irgendwoher, da sich die Umma (religiöse Gemeinschaft aller Muslime) immer schon als „Opfer des Westens“ und nicht als Täter begreift. Man verharrt in einem infantilen, frühkindlichen Stadium, da Kinder erst die Fähigkeit zur Selbstkritik, ihre Korrekturfähigkeit erlernen müssen, die Menschwerdung also noch vor sich haben. Die imaginierte Opferrolle wird bevorzugt, deshalb finden sich Muslims, die nach westlichen Maßstäben objektiv und realistisch urteilen, äußerst selten. Sender wie Al-Dschasira und Arab News Network, die in Ägypten viel gesehen werden verbreiteten Propagandaformeln wie „Bagdad brennt“ oder „Massaker in Basra“. Übertrieben ausgedrückt handelt es sich bei der Form des Journalismus von Al-Dschasira um eine Journalismussimulation bzw. eine oberflächliche Anpassung an den Journalismus. 3.4 Verbindung: CNN und Al- Dschasira Was haben diese beiden Sender gemeinsam? Auf den ersten Blick so viel, doch wenn man genauer hinsieht nur so wenig. Sie haben zwar beide Aufklärungscharakter in einem Krieg, der ebenso sehr durch Bilder und Nachrichten wie durch Bomben und Panzer entschieden wird, doch ihre Aufklärung besteht, aufgrund der zwei völlig verschiedenen Standpunkte, aus zwei völlig verschiedenen Aufgaben. CNN versucht der amerikanischen Bevölkerung und dem Rest der Welt 10 den Krieg als Kampf gegen den Terror zu „verkaufen“, während Al- Dschasira vom Heiligen Krieg spricht und der arabischen Bevölkerung das zeigt, was sie sehen will. Weiteres versuchen sie beide ein wachrüttelndes Bild der schrecklichen Geschehnisse zu liefern und die jeweiligen Bevölkerungen zu informieren. Dabei wollen beide objektiv und seriös Bericht erstatten, was allerdings in Gesellschaften wo sowohl Medienzensur als auch Sensationsjournalismus vorherrschen, bestimmt nicht der Fall sein kann. Um den „Phänomenen“ der Informationsverdrehung bzw. Informationsverfälschung vorzubeugen und diese aufzudecken wurde eine Organisation gegründet auf die wir jetzt näher eingehen wollen: 3.5 FAIR (Fairness & Accuracy in Reporting) FAIR (Fairness & Accuracy in Reporting) ist eine nationale Medienüberwachungsorganisation, die seit 1986 die Medienberichterstattung kritisch verfolgt und eine größere Vielfalt in der Presse unterstützt. Sie prüft Medienverfahren, die das öffentliche Interesse, Minderheiten oder anders denkende Standpunkte an den Rand drängen. Als eine Anti-Zensur Organisation deckt diese unbeachtete Geschichten auf und verteidigt arbeitende Journalisten wenn sie „mundtot“ gemacht werden. Als eine progressive Gruppe glaubt die Organisation FAIR, dass strukturelle Verbesserung erforderlich ist, um die dominierenden Mittelkonglomerate aufzulösen, unabhängiges öffentliches Funkwesen herzustellen und starke gemeinnützige Quellen der Informationen zu fördern. FAIR arbeitet mit Aktivisten und Journalisten, mit denen die Organisation in regelmäßigen Kontakt ist. Die Organisation versucht ebenso die Öffentlichkeit zu aktivieren, dass sie sich aktiv mit dem Thema Medien und Berichterstattung beschäftigt und nicht ständig passiver Konsument von Nachrichten ist. Des weiteren veröffentlicht FAIR „Extra!“, das preisgekrönte Magazin über Medienkritik und das wöchentliche Radioprogramm „CounterSpin“, die Sendung die hinter die Schlagzeilen blickt. Um die Funktion dieser Organisation näher zu beschreiben dient folgendes Beispiel zur Veranschaulichung: In der Rede zur Lage der Nation am 28. Januar 2003 von US-Präsident Bush warf er dem Irak vor, er habe versucht, waffenfähiges Uran in Afrika einzukaufen (Der Satz lautet in der deutschen Übersetzung: "Die britische 11 Regierung hat in Erfahrung gebracht, dass Saddam Hussein vor kurzem beträchtliche Mengen Uran aus Afrika beschaffen wollte.") Die unabhängige "FAIR"Organisation, hat in ihrer Erklärung (vom 18. Juli 2003) darauf aufmerksam gemacht, dass es weitere Punkte in derselben und in anderen regierungsoffiziellen Reden gibt, die vorher ebenfalls widerlegt bzw. nicht bewiesen wurden. Insgesamt werden im FAIR-Bericht 6 Punkte genannt, hier ist einer davon: In der Rede zur Lage der Nation hat Präsident Bush behauptet, der Irak habe "versucht, hochfeste Aluminiumrohre zu kaufen, die zur Herstellung von Nuklearwaffen geeignet sind". Einem Bericht der Washington Post zufolge, der Monate vorher, nämlich am 19. September 2002 erschienen war, haben führende Wissenschaftler und ehemalige Waffeninspekteure betont, dass es sehr schwierig sei, solche Rohre für die Uran-Produktion zu benutzen. Viel wahrscheinlicher sei es, dass sie zur Herstellung von Artillerie-Geschossen gedacht waren. Mit solchen und ähnlichen Situationen beschäftigt sich die Organisation FAIR um für Richtigstellung und Aufklärung in den Medien zu sorgen. Trotz aller Bemühungen kommt es jedoch vor allem im Kriegszustand immer wieder vor, dass wichtige Informationen verdreht, weggelassen oder sogar ganz verfälscht werden. Dies kann auch eine Organisation wie FAIR nicht verhindern, da jeder noch so kompetente Journalist sich aufgrund seiner Herkunft, Identität und Erfahrungen nicht von Vorurteilen und subjektiven Aussagen lösen kann. Sogar Joanna Tucker, Manager bei Al Dschasira betont, dass Objektivität in der Kriegsberichterstattung eine Illusion ist. Dennoch sollten wir versuchen diese Illusion zu durchschauen und ihr durch kritische Auseinandersetzung entgegenzuwirken. Dies fällt in einer Welt der Reizund Informationsüberflutung bestimmt nicht leicht, dennoch sollten wir uns immer vor Augen halten dass: Letzten Endes alles was von diesem Krieg bleibt, ein paar Zeilen in irgendeinem Geschichtsbuch sind. 12 4 Wahrnehmung des Irakkrieges Wie nehmen wir Krieg, in den wir medial eingebunden sind, wahr? „Das erste Opfer eines jeden Krieges ist die Wahrheit“. Dieser viel zitierte Ausspruch stammt von Hiram Johnson der im Jahre 1917 Senator für den USBundesstaat Kalifornien war. Wahrheit und Wahrnehmung sind zwei Bereiche die vor allem im Krieg immer mehr unterzugehen scheinen. Am Beispiel des aktuellen Irak-Krieges können wir an uns selbst erkennen, dass es verantwortlichen Politikern und Militärs gleichermaßen gelingt uns durch Bilder und Geschichten so zu manipulieren, dass die Wahrheit kaum noch erkennbar und die Wahrnehmung getrübt ist. Um aber die Aufmerksamkeit des ‚Publikums’ zu erlangen, müssen erst Informationen in unser Wohnzimmer geliefert werden. Dies hat wiederum zur Folge, dass es sich hiermit nicht nur um einen Krieg zweier Länder handelt, sondern in erster Linie um einen Medienkrieg. Einen Krieg wo der Gewinner höhere Einschaltquoten, mehr Aufmerksamkeit und somit eventuell mehr Vertrauen bzw. Glaubwürdigkeit geschenkt bekommt. Die elektronischen Medien, insbesondere das Fernsehen, ist der bedeutendste Medienträger da er uns durch Bild und Ton die schrecklichen Ereignisse eines Krieges mitteilt. Jedoch ist zu beachten, dass die USRegierung durch ihre Stellung eines Informationsmonopols alles daran setzt, einen Krieg zu inszenieren und Bilder zu vermitteln, welche die globale Informationsgesellschaft keinen Zweifel aufkommen lassen, dass in diesem Krieg vielleicht etwas nicht ans Tageslicht kommen könnte. Dieser Medienkrieg ist ein Kampf um die Macht die eigenen Interpretationen des Geschehens als die wirklichen zu vermitteln. Die beiden wichtigsten Instrumente in diesem Kampf sind: Public Affairs Operations (PA, journalistisch geprägte Öffentlichkeitsarbeit des Militärs) Psychological Operations („die Kunst des Lügens“ / militärische Informationsinterventionen mittels eigener und ziviler Medien, Kriegspropaganda) 13 Die Definition dieser Begriffe lautet: „PA Operations verbreiten einen ständigen Fluss glaubwürdiger, rechtzeitiger und präziser Informationen an Militärs, ihre Familien, die Medien und die Öffentlichkeit. Dies kann auch dazu beitragen, feindliche Aktionen zu vereiteln, die den nationalen Willen und die Moral schwächen sowie die Weltmeinung gegen unsere Operationen aufbringen wollen.“4 „Psychologische Kriegsführung... richtet sich gegen ausländische Öffentlichkeiten, um mit ausgewählten Informationen deren Gefühle, Motivationen und Urteilsfähigkeit sowie nicht zuletzt das Verhalten ausländischer Regierungen, Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen zu beeinflussen.“5 Unsere Wahrnehmung von Krieg wird durch PA- und PsyOps natürlich beeinflusst, jedoch ist sie generell davon abhängig was wir zu sehen bekommen. Dies ist wiederum davon abhängig, was uns erlaubt wird zu sehen und somit von der Quelle die uns diese Bilder liefert. In den USA – dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten sind vor allem die Rechte der Reporter und Journalisten begrenzt. Das Pentagon verwehrt den Journalisten, US-Basen in Usbekistan, Pakistan oder anderen Ländern in denen US-Truppen agieren, zu besuchen. Als am 5. Dezember die Opfer der fehlgeleiteten B52-Bombe in die US-Marine-Basis „Camp Rhino“ gebracht werden, müssen die anwesenden Pool-Journalisten in einem Gebäude fernab warten; man will nicht, dass sie Augenzeugen dieser Situation werden. 6 Eine weitere Aufgabe der PA ist es auch, uns möglichst rasch zu vermitteln wer die Guten und wer die Bösen in diesem Krieg sind. Generell wird von den USA das Gefühl vermittelt – „wer nicht für uns ist, ist gegen uns“. Auch die Ausschaltung der feindlichen Informations-Infrastruktur und die Substitution „feindlicher“ Medien im Kriegsgebiet gehören zu den Aufgaben die nötig sind, um uns in unserer Wahrnehmung möglichst nicht anderwärtig zu beeinflussen. Sehr wohl wollte man 4 Department of the Army: Public Affairs Operations. Field Manual 46-1. Washington 1997 Information Operations. Air Force Doctrine Document 2-5, 1998 6 „Tight Control Marks Coverage Of Afghan War.“ Washington Post, 7.12.2001 5 14 uns jedoch nach dem 11. September (der mitunter als einer der Gründe für den jetzigen Krieg aufgezählt wird) beeinflussen. So wurden z.B die Bilder der explodierenden World Trade Center in Endlosschleifen gezeigt und als Zeichen des Patriotismus ergänzten die Nachrichtenredaktionen bei CNN, Fox News Channel und NBC ihre eigenen Grafiken und Inserts um kleine USFlaggen, einige SprecherInnen trugen blau-weiß-rote Bänder an ihrer Kleidung. Ein weiter Punkt der eng mit der Objektivität der Berichterstattung zusammen hängt ist die institutionelle Verschränkung zwischen Medien und Militär/Rüstungsindustrie. Um nur einige Beispiele zu nennen: General Electric produziert F-117 und B-52 Bomber, AWACS Radarflugzeuge und Navstar Spionagesatelitten und ist Besitzer des TV-Networks NBC, eines der fünf größten kommerziellen Fernsehsender der USA Cyrus Vance, früherer US-Außenminister, ist Mitglied im Herausgeberkreis der New York Times und im Vorstand von General Dynamics, einem der größten US-Waffenproduzenten Harold Brown, ehemaliger Verteidigungsminister sitzt im Vorstand des TVSenders CBS 7 Die Affinität der US-Networks zu offiziellen/militärischen Quellen lässt sich nicht nur durch die genannten Verschränkungen erklären. Viel entscheidender ist die Art und Weise der Berichterstattung der JournalistInnen und ReporterInnen. Die Tendenz ist dahin gehend, dass versucht wird möglichst nicht aufzufallen, keine unangenehmen Fragen zu stellen und mit der Masse zu gehen. Es dominieren Emotionalität, Einseitigkeit, Unterwerfungsgesten und Manipulation am Nachrichtenmaterial. Diese Auswirkungen kennen wir zum Teil schon aus früheren Kriegen – zwei Dinge haben sich jedoch grundlegend verändert: 1) Die Informationskriegsstrategen erzwingen eine Kooperation der Medien im eigenen Land oder in allierten Staaten – der Kampf um die Informationsüberlegenheit. Markievicz, Edouard (Media Action International/Genf) Beitrag: „Conflicts and Right to Information, 2001 7 15 2) Die Monopolstellung der Informationsanbieter geht durch die Internationalisierung der Mediensysteme, die Digitalisierung der Nachrichtenübermittlung und das Internet verloren. 3) Es entsteht eine alternative, kritische und unabhängige Informations- und Kommunikationskultur. 8 4.1 Angriffsziel Irak Wie die Medien uns den Krieg verkaufen Einmal mehr rüsten die USA zum Krieg – einmal mehr wird der Wahrheitsgehalt aktueller Nachrichten zunehmend fragwürdig. Leser und Fernsehzuschauer werden mit angeblichen Enthüllungen bombardiert, Nachrichtenagenturen und Fernsehsender kämpfen für die Platzierung exklusiver Nichtigkeiten. Schreckenszenarien sollen Aufmerksamkeit erzeugen: Das Geschäft mit der Angst steigert Quoten und Auflagen. Gegner eines Möglichen Krieges zu Wort kommen zu lassen, passt scheinbar nicht zur Informationsstrategie der Bush-Administration. Politikwissenschaftler Norman Solomon und Auslandskorrespondent Reese Erlich zeigen in dem Buch Angriffsziel Irak - Wie die Medien uns den Krieg verkaufen Berichterstattung in den Medien: Ein Blick von unten von Reese Erlich In dem Bericht von Reese Erlich wird deutlich erkennbar, dass alle Auslandsreporter ziemlich gemeinsame Erfahrungen teilen: miserable Telekommunikationseinrichtungen, argwöhnische irakische Beamte bis hin zu Redakteuren in der Heimat, die einen zur Verzweiflung bringen. Die meisten Journalisten, die lukrative Auslandseinsätze erhalten, machen sich bereitwillig die Ansichten ihrer Oberen zu eigen. Die meisten Menschen in der Welt und die meisten Medien außerhalb der USA und Großbritanniens glauben aber immer noch an nationale Souveränität. Sie vertreten die altmodische Ansicht die auch in der Charta der Vereinten Nationen festgeschrieben ist: „Kein Land hat das Recht, eine ausländische Regierung zu stürzen oder ein anderes Land zu besetzen, selbst wenn die Bevölkerung dort auf schreckliche Weise unterdrückt wird.“ Im Falle des Irak 8 http://www.darmstaedter-friedensbuendnis.de/archiv/2001-12-17-classen.html 16 konnte jedoch trotz zahlreicher Reden und Infomaterialien nicht nachgewiesen werden, dass der Irak eine unmittelbare Bedrohung für seine Nachbarländer darstellt. Angeblich besitzen die USA die besten und freiesten Medien der Welt, doch Erlich’s Erfahrung nach wird dieses berichten immer weniger frei, je höher man in der journalistischen Nahrungskette aufsteigt. Man sollte sich jedoch immer überlegen was man berichtet, denn es könnte schwerwiegende Folgen haben. Ausländische Reporter können sogar gezwungen sein, die USA zu verlassen. Reporter lernen schnell Selbstzensur zu üben – wenn sie es nicht tun werden sie kaltgestellt. Die USamerikanische und die irakische Medienpolitik haben mehr miteinander gemein, als die Herrscher beider Länder zugeben würden. Der Krieg der Medien von Norman Solomon „Ich habe mich in den fünfzig Jahren, in denen ich Reporterin war, immer selbst zensiert“. 9 Es ist uns vielleicht recht, dass Journalisten ihre persönliche Meinung nicht in die Berichterstattung einfließen lassen, wir erwarten jedoch, alle relevanten Fakten geliefert zu bekommen, was jedoch nur selten der Fall ist. In den modernen Nachrichtenstudios Amerikas, sei es beim Fernsehen oder beim Rundfunk, werden keine Peitschen geschwungen. Redakteure, Reporter, Produzenten oder Korrespondenten werden nicht an die Leine genommen. Doch wenige Journalisten, die für die Mainstream-Medien tätig sind, weichen weit vom Weg ab. Im Unterschied zur staatlichen Zensur, die für gewöhnlich leicht zu entdecken ist, geben Journalisten die von ihnen betriebene Selbstzensur kaum jemals offen zu erkennen. Am 8. November 2002, der Tag an dem der Sicherheitsrat der UN die entscheidende Resolution bezüglich des Irak annahm, wurde im Rahmen der Sendung All Things Considered von National Public Radio ein Beitrag seines langjährigen Korrespondenten Tom Gjelten ausgestrahlt. „ Ein Krieg gegen den Irak würde mit einer Bombardierung beginnen und die Mittel für diese Phase der Kriegshandlungen stehen schon zum größten Teil an Ort und Stelle bereit“ berichtete er. Der Ton, in dem er sprach, war beruhigend: Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums sind zuversichtlich, dass der Termin, den die Vereinten Nationen dem Irak eingeräumt Angriffsziel Irak – Wie die Medien uns den Krieg verkaufen, Norman Salomon und Reese Erlich, Goldman Verlag, Deutsche Erstausgabe April 2003) 9 17 haben, sie nicht behindern wird. Sie setzen die Kriegsvorbereitungen in der Zwischenzeit fort. Ein hoher Offizier sagte: „Wenn der Befehl kommt, müssen wir bereit sein, mit dem Rock ’n’ Roll-Tänzchen zu beginnen.“ Der Kommentar löste keinerlei kritische Reaktionen aus obwohl jeder wusste dass dieser Einsatz mit Sicherheit vielen Menschen das Leben kosten würde! Eine gewählte gefühlslose Ausdrucksweise, mit der die Hörer empfindungslos gemacht und von den menschlichen Katastrophen des realen Kriegs weggelenkt werden sollten. Eine solche Art der Berichterstattung ist risikolos! 10 Die Planer und Macher von Kriegen sind sich jedoch der Kluft zwischen den grausamen Realitäten des Krieges und der professionellen Berichterstattung bewusst. Wenn sich ein Krieg anbahnt werden die meisten Nachrichtenstudios und – büros in Amerika von einem heftigen Leiden heimgesucht. Das Medienereignis besteht im wesentlichen nämlich nur aus einem ständigen Wiedervorwürgen der Informationen die ihnen von oben zugeteilt werden. Moderatoren von Nachrichtensendungen, Generäle, Regierungsvertreter, Reporter und große Experten füllen die Fernsehbildschirme mit Analysen der angewandten Strategie und Taktik. Die mit Computern simulierten Darstellungen loten neue technische Grenzen der Verheimlichung und Verstellung aus, während das Pentagon seine neuesten Kriegstechnologien ausprobiert. Durch Live-Übertragungen mit Hilfe von Satelliten haben wir das Gefühl, unmittelbar am Kriegsgeschehen teil zu haben. Die Zuschauer sitzen zu Hause in ihren warmen, gemütlichen Wohnzimmern während sie mit verfolgten, wie Raketen auf Bagdad niedergingen – als wenn es ich um ein Feuerwerk handelte. Die Mechanismen, die mehr als andere eine Abstumpfung des Menschen bewirken sind im wesentlichen jene die zu seiner Aufklärung beitragen. Das Fernsehen bringt den Krieg in unser Wohnzimmer, doch während wir sehen wie weit weg von uns das Blut fließt und Menschen sich in Todesqualen winden, macht diese Berichterstattung uns nur noch emotional abgestumpfter. Wir werden nicht nur anästhesiert, man versucht uns glauben zu machen, dass unser Bewusstsein dadurch geschärft wird. Wenn das Fernsehen über einen Krieg berichtet, dann sind Angriffsziel Irak – Wie die Medien uns den Krieg verkaufen, Norman Salomon und Reese Erlich, Goldman Verlag, Deutsche Erstausgabe April 2003) 10 18 die Folgen jene, dass sich die Zuseher miteinander verbunden fühlen und das wir uns noch weiter von der wirklichen Verbindung mit anderen Menschen entfernen. Krieg ist eines der gewaltigsten Dinge die einem Land oder einem Volk zustoßen können. Das Fernsehen geht jedoch in sehr subtiler Weise damit um indem es uns zwar mit Fakten wie Tod, Verstümmelung, Verlust konfrontiert - die Erinnerung daran mit dem nächsten Werbespot jedoch allmählich verblasst. Es scheint so, als würde bei einem Krieg niemand mehr sterben müssen, nur weil wir es nicht sehen. Wiederholung ist die Essenz jeder Propaganda und was nicht ständig in den Medien zu hören oder zu sehen ist, gerät bald in Vergessenheit. Doch alle Nachrichten wollen gar nicht gehört werden sowie auch nicht alle Informationen gründlich recherchiert und nachgeprüft werden. Wir nehmen die Berichterstattungen hin wie sie uns geboten werden, da wir in dem Glauben leben, dass es sich wohl um professionellen Journalismus handelt. In Wirklichkeit sind diese Journalisten aber in einem Netz der Medienindustrie gefangen. Dieses wird von Konzernen beherrscht, welche über genügend finanzielle Mittel verfügen um ihre selbst definierten professionellen journalistischen Berichte zu erbringen. Die meisten Massenmedien – Sendeanstalten, Kabelfernsehsender, Zeitungen, Bücher, Filme die Musikindustrie und das Internet werden von großen Konzernen beherrscht. Das hat zur Folge, dass sich die Programmgestaltung nach den Wünschen dieser Konzerne ausrichtet – denn wenn ein Thema gefällt, wird es gesponsert und erscheint somit öfters. Man könnte auch sagen, dass unsere Wahrnehmung im Wesentlichen von den finanziellen Mitteln derer abhängig ist, die uns vermeintlich ihre Wahrheit präsentieren wollen. Ein Beispiel für eine falsche Berichterstattung kann durch den widerrechtlichen Einsatz von UN- Waffeninspekteure im Irak zu Spionagezwecken gegeben werden: Verteidigungsminister Rumsfeld tischte der Öffentlichkeit wiederholt die Lüge auf, dass Saddam Hussein die Waffeninspekteure der UN nun schon fünf Jahre zuvor aus dem Land geworfen habe. Der Irak hat die Inspekteure nicht ausgewiesen. Es war der Leiter der UNSCOM, Richard Butler, der sie unmittelbar vor dem Luftangriff ‚Operation Desert Fox’ zurückzog. 19 Wie die Medien jedoch darüber berichteten wird in den folgenden Beispielen demonstriert: John Diamond in USA Today, 8. August 2002: „Der Irak wies vor vier Jahren die UN-Waffeninspekteure aus und beschuldigte sie, Spione zu sein.“ Bob Woodward in der Washington Post, 17. November 2002: „In dieser Rede wurden die Vereinten Nationen dafür angegriffen, dass sie die Waffeninspekteure im Irak nicht mit Zwang durchgesetzt haben, vor allem in den vier Jahren, seit dem Hussein sie (die Inspekteure) rausgeworfen hat.“ Eine weitere kleine Lüge oder eher Umwandlung wurde nun auch für das Wort KRIEG gefunden. Ersetzt wird es durch das viel harmloser klingende Wort VERTEIDIGUNG. Ebenso versucht man das Image der Kriegsführung durch Aufpolieren der Medien zu verbessern. Die erste Regierung Bush begann also damit, den jeweiligen Operationen Namen zuzuteilen, wie z.B. Just Cause – gerechte Sache, oder Enduring Freedom –dauerhafte Freiheit. Diese sollten die politische Sichtweise prägen. 4.2 Die Sprache in der „Inszenierung Krieg“ Was versteht unsere Gesellschaft unter dem Begriff Krieg? „Krieg ist ein Konflikt zwischen Staaten, Völkern sowie anderen politischen Gruppen der durch organisierten Einsatz von Waffen ausgetragen wird. Krieg bezeichnet somit einen Streit, in der zumindest eine der beteiligten Kriegsparteien ihre Machtansprüche gegenüber der anderen durch eine massive Anwendung von physischer Gewalt, insbesondere zur Tötung von Menschen, geltend zu machen sucht.“ 11 In unserer Gesellschaft hat sich die Bedeutung des Wortes „Krieg“ im Laufe der Jahre verändert. Krieg ist durch die expandierte Reichweite der Medien zu einem allgegenwärtigen Begriff in unseren täglichen Leben geworden. Man verliert aus den 11 http://de.wikipedia.org/wiki/Krieg 20 Augen, dass Krieg mit Tötung, Gewalt und Leid zu assoziieren ist. 4.3 Euphemismen – Die Beschönigung eines grauenhaften Krieges Wie umhüllt man ungern ausgesprochene Tatsachen? Im Duden wird Euphemismus als "mildernde, verhüllende, beschönigende Umschreibung für ein anstößiges oder unangenehmes Wort" beschrieben. 12 Jeder Krieg wird auch mit Worten geführt. Sprache wird im Krieg als ein Instrument zur Einschüchterung des Feindes und zur Ermutigung der eigenen Truppen verwendet. Durch die mediale Präsenz von Kriegen, sehen sich die verantwortlichen Politiker gezwungen, zu so genannten Euphemismen zu greifen. Euphemismen dienen also dazu das Image eines Krieges positiv zu beeinflussen. Zum Teil übernehmen die Medien bewusst oder unbewusst diese Euphemismen in der Berichterstattung, sie tragen somit ihren Teil zur Beschönigung des Krieges bei. Die Berichterstattung über den dritten Golfkrieg wurde von einer großen Anzahl von Euphemismen begleitet. An dieser Stelle führen wir einige Beispiele an, um den Begriff "Euphemismus" etwas zu verdeutlichen. In einer öffentlichen Rede wird von den Verantwortlichen nur selten das Wort "Krieg" in den Mund genommen. Es ist zu negativ beladen. Eher werden Euphemismen wie "alle notwendigen Maßnahmen" oder "ernste Konsequenzen" verwendet.Im Bezug auf den dritten Golfkrieg sprach US-Außenminister Colin Powell ebenfalls nicht von Krieg sondern von der "Operation Iraqui Freedom". Die Bezeichnung "Operation" für "Krieg" hat in den USA Tradition, da sie durch diesen Ausdruck den Geschehnissen einen tieferen Sinn geben wollen, denn schon der Afghanistan-Krieg wurde als "Operation Enduring Freedom" bezeichnet. Das Wort "Operation" ist im Gegensatz zum Begriff "Krieg" neutral und nicht negativ besetzt. Das Wort "Freedom" versucht den positiven Hintergrund der militärischen Aktionen zu betonen. Sehr oft wird das Wort "Krieg" auch durch das Wort "insertion" ("Einführung") ersetzt. Der "Luftangriff" ist somit eine "vertical insertion". 12 Im "Geschäft des Krieges" Duden - das Fremdwörterbuch, Dudenverlag, 4.Auflage, Mannheim - Leipzig - Wien - Zürich 21 versucht man also Wörter wie "Tod" oder "sterben" zu vermeiden. An dieser Stelle möchten wir das Beispiel "friendly fire" erwähnen, das in der Sprache der Kriegsinszinierung die Bezeichnung für das versehentliche Töten eigener oder alliierter Soldaten ist.13 "The Pentagon confirmed late Wednesday night that the missible cruise attack was a decapitation attack aimed at eliminating Hussein before the outbreak of war." 14 Mit "decapitation attack" ist der "Enthauptungsschlag" gemeint, was bedeutet den politischen Führer des Gegners zu töten. Der erste Bombenangriff der Amerikaner im dritten Golfkrieg wurde als "decapitation attack" bezeichnet, weil er speziell darauf ausgerichtet war, Saddam Hussein zu töten. Die amerikanische Strategie in den ersten Tagen des dritten Golfkrieges wird mit dem Ausdruck "shock and awe" beschrieben. Dieser Begriff kann vielleicht am besten mit "Schock und Ehrfurcht" übersetzt werden. Es geht darum den Gegner einzuschüchtern und von der eigenen Übermacht zu überzeugen. Im dritten Golfkrieg geschah dies durch massive Luftangriffe, doch dadurch wurde nicht nur Schock und Furcht beim Militär ausgelöst, sondern vor allem Leid und Tod über die Zivilbevölkerung gebracht. Bei dieser Taktik geht es also sowohl um die physische als auch um die psychische Zerstörung des Feindes. Um zu vermeiden über den Einsatz von Atombomben zu sprechen, wird häufig der Euphemismus "the strongest possible response" benützt. Mit Hilfe solcher Euphemismen kann die Realität von Krieg sowohl verändert als auch manipuliert werden. Der Krieg wird somit zum spannenden aber harmlosen Medienereignis. 4.4 „Die Achse des Bösen“ Der Begriff „Die Achse des Bösen“ wurde im Jahr 2002 von George W. Bush in seiner Rede zur Lage der Nation am 29.01. geprägt. Darunter versteht man die so genannten „Schurkenstaaten“ Irak, Iran und Nordkorea. Der Begriff ist eine 13 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.03.2003, Nr. 72 / Seite 9, von Theo Stemmler 14 Keane, Paul: U.S. strikes targets: Cruise missiles launched at Iraqi leadership site. 16.12.2003. <http://www.brewtonstandard.com/articles/2003/11/26/war/war06.txt> 22 Wortschöpfung, die aus Zitaten von Churchill und Reagan zusammengesetzt wurde. Der Begriff Achse wurde zuerst von Churchill verwendet und bezeichnete den Zusammenschluss Deutschland, Italien und Japan im 2. Weltkrieg (Achsenmächte). Der Begriff Reich des Bösen stammt aus dem Kalten Krieg und wurde von Ronald Reagan als Bezeichnung für die Sowjetunion verwendet. „Staaten wie diese und ihre terroristischen Verbündeten stellen eine Achse des Bösen dar, die sich bewaffnet, um den Frieden auf der Welt zu bedrohen. Diese Regime sind eine ernste und wachsende Gefahr, da sie den Besitz von Massenvernichtungswaffen anstreben. Sie könnten Terroristen ihre Waffen zur Verfügung stellen und ihnen damit die Mittel geben, ihren Hass zu verwirklichen. Sie könnten unsere Bündnispartner angreifen und versuchen, die Vereinigten Staaten zu erpressen. Auf jeden Fall wäre der Preis der Gleichgültigkeit katastrophal.“ 15 Erschaffung des Feindbildes am Beispiel des Irakkrieges Die amerikanische Regierung unter George W. Bush versteht es wie keine Andere, ihre kriegerischen Handlungen zu rechtfertigen und den Status der USA als Retter des Weltfriedens zu propagieren. Mit der Verbreitung der Nachricht, dass der Irak Massenvernichtungswaffen besäße, wurde der Staat bzw. Saddam Hussein wieder zum Feindbild Nummer eins der USA. In seinen Reden schürt Bush kontinuierlich den Hass der amerikanischen Bevölkerung auf das Regime Saddam Husseins. Als Beispiel ein kurzer Auszug aus der Rede zur US Küstenwache am Hafen von Philadelphia am 31. 03.2003: “The dictator’s regime has ruled by fear and continues to use fear as a tool of domination to the end. Many Iraqis have been ordered to fight or die by Saddam’s death squads. Others are pressed into service by threats against their children. Iraqi civilians attempting to flee to liberated areas have been shot and shelled from behind by Saddam’s thugs. Schools and hospitals have been used to store military equipment. They serve as bases for military operations. Iraqis who show friendship toward coalition troops are murdered in cold blood by the regime’s enforcers.The 15 http://www.uni-kassel.de/fb10/frieden/regionen/USA/bush-rede.html 23 people of Iraq have lived in this nightmare world for more than two decades. It is understandable that fear and distrust run deep. Yet, here in the city where America itself gained freedom, I give this pledge to the citizens of Iraq : We’re coming with a mighty force to end the reign of your oppressors. We are coming to bring you food and medicine and a better life. And we are coming, and we will not stop, we will not relent until your country is free.” 16 LE MONDE DIPLOMATIQUE: Bush’s Speech to U.S. Coast Guard at port of Philadelphia (31/03/2003). 22.11.2003. < http://www.monde-diplomatique.fr/cahier/irak/a10004> 16 24 5 Encoding/Decoding – Stuart Hall Allgemeine Erklärung Codierung Bedeutungsstrukturen I ——————— Wissensstrukturen technische Bedingung Produktionsbedingung ______________________ Decodierung Bedeutungsstrukturen II ——————— Wissensstrukturen technische Bedingung Produktionsbedingung Stuart Hall beschreibt sein Modell als einen Kreislauf, wo jeder einzelne Moment in der Verbindung des Kreislaufes als Ganzes notwendig ist. Jeder dieser Momente hat seine eigene Modalität und spezifische Existenzbedingungen, darum kann jeder von ihnen eine eigene Bruchstelle oder Störung konstituieren. Halls Kommunikationsmodell beruht auf der These, dass die Aussagen kultureller Texte bei der Produktion kodiert bzw. verschlüsselt werden. Um ein kulturelles Produkt zu produzieren, sind technische Infrastrukturen und ein bestimmter Wissensrahmen notwendig. Er geht davon aus, dass Medien Macht haben, da sie Rahmen und Kategorien bereitstellen in denen der Rezipient die Wirklichkeit wahrnimmt und interpretiert. Er sieht den Prozess der Medienrezeption als aktiven Prozess. 25 Verständigung ist laut Hall nur dann möglich wenn der Rezipient und der Produzent eines medialen Textes kulturelle Codes miteinander teilen. Unter kulturellen Codes versteht er festgelegte Systeme von Regeln, durch die der Rezipient deuten kann wie die Botschaft vom Produzent gemeint war. Bedeutungsstruktur I und Bedeutungsstruktur II sind nicht dasselbe, bilden keine „unmittelbare Identität“. Die Kodes der Kodierungs- und Dekodierungsprozesse müssen nicht vollkommen symmetrisch sein. Die Grade der Symmetrie hängen von den Äquivalenzverhältnissen zwischen kodierendem Produzent und dekodierendem Rezipient ab. Doch dies hängt wiederum von der Identität zwischen den Kodes ab, die unvollständig oder fehlerhaft übertragen, verzerren oder unterbrechen was gesendet wird. Der Rezeptionsprozess ist abhängig von den spezifischen, kontextbestimmten Sicht- und Deutungsweisen der Nutzer. Folglich können Medienbotschaften die auf eine bestimmte Art und Weise kodiert wurden, auf vollkommen andere Art dekodiert werden. Beispiele Halls Modell besteht aus verschiedenen Komponenten, die zusammen einen Kreislauf der Kommunikation ergeben. Hier haben wir versucht das Modell auf unsere Arbeit umzulegen, um es so leichter verständlich zu machen und den Einfluss der verschiedenen Faktoren auf den Kommunikationsprozess aufzuzeigen. Wir beginnen mit der technischen Infrastruktur. Dazu gehören Kameras, Mikrophone, Satellitenverbindungen, eben die ganze Technik. CNN verfügt natürlich über bessere technische Vorraussetzungen als Al Jazeera, und hat es somit auch leichter seine Nachrichten schnell zu verbreiten. Ein weiterer Faktor sind die Produktionsverhältnisse bzw. die Produktionspraktiken. Dazu zählen zum Beispiel Geldflüsse und auch der Einfluss aus Politik und Wirtschaft. Eine bedeutende Rolle kommt auch dem Wissensrahmen zu. Er beeinflusst wie eine Nachricht kodiert und dekodiert wird und ist bei jedem Menschen unterschiedlich. 26 Einige Faktoren wären zum Beispiel Kultur, Bildung, Sprache, Ethik, Religion, und die Angehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Schicht. Bedeutungsstruktur 1 ist die Nachricht, die vom Sender mit einem bestimmten Inhalt und bestimmter Intention kodiert wird. Man will ein bestimmtes Bild vermitteln. Bedeutungsstruktur 2 ist die Nachricht die vom Rezipienten decodiert wird. Es muss aber nicht sein, dass der Rezipient die Nachricht so versteht wie es die erste Bedeutungsstruktur vorgesehen hat, denn das würde voraussetzten, dass die Wissensrahmen von Sender und Empfänger identisch wären. Der Sender kodiert also die Nachricht mit einer bestimmten Bedeutung und der Rezipient dekodiert sie und interpretiert sie subjektiv. Das Programm als Sinntragender Diskurs wird zur Schnittstelle zwischen Sender und Empfänger. Produktion von Kommunikation Al Jazeera vs. CNN Beide Sender haben einen bestimmten Wissensrahmen: Ethik Konfliktfelder Sensationshascherei Verletzung der Privatsphäre Aktualitätszwang Konsumspürbarkeit Kodieren der Nachricht: Die Nachricht wird vom Sender mit einer bestimmten Botschaft an den Rezipienten kodiert. Das geht natürlich nicht ohne die geeignete technische Infrastruktur und die richtigen Produktionsverhältnisse. Das Programm als Sinntragender Diskurs erreicht den Rezipienten. Dekodieren Der Rezipient dekodiert die Nachricht seinem Wissensrahmen entsprechend. Wenn wir also ein und dieselbe Nachricht in den USA und im Irak senden, würde sie von einem Iraker anders dekodiert als von einem Amerikaner. Der letzte wichtige Faktor sind die Produktionsverhältnisse der Rezipienten, das heißt, wie erhalten sie die Information. In den USA hat jeder Haushalt mindestens einen Fernseher, während es im Irak nur 10 Prozent der Gesamtbevölkerung sind. 27 Literaturverzeichnis http://www.erdkunde-online.de http://www.heute.t-online.de/ZDFheute/artikel/0/0,1367,POL-0-2038528,00.html http://.heute.t-online.de/ZDFheute/artikel/28/0,1367,POL-0-2032924,00.html Reese Erlich, Norman Salomon: Angriffsziel Irak – Wie die Medien uns den Krieg verkaufen, Goldman Verlag, Deutsche Erstausgabe April 2003 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.03.2003, Nr. 72 / Seite 9, von Theo Stemmler http://www.digitalnpq.org/global_services/global%20viewpoint/04-09-03.html http://www.hausrissen.org/forschung/analyse/krieg_sprache.htm http://www.digitalnpq.org/global_services/global%20viewpoint/04-09-03.html http://www.brewtonstandard.com/articles/2003/11/26/war/war06.txt http://www.net-lexikon.de/Achse-des-Boesen.html www.fair.org/whats-fair.html, www.uni-kassel.de/fb10/frieden/themen/Medien/fair.html www.journalismus.com/aktuell/kommentare/20030407.html http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/11205/1.html http://www.americanet.de/patriotismus.html english.aljazeera.net/NR/exeres/5D7F956E-6B52-46D9-8D17-448856D01CDB.html 28 Hübner, Emil: Das politische System der USA, 1991 Mann, Michael: Die ohnmächtige Supermacht, Warum die USA die Welt nicht regieren können, Campus Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2003 (S. 130-154, 258-311) Todd, Emanuel: Weltmacht USA, Ein Nachruf, Piper Verlag GmbH, München 2003, 2. Auflage (S. 39) Till, Bastian: 55 Gründe, mit den USA nicht solidarisch zu sein, Pendo Verlag GmbH, Zürrich 2002 Junker, Detlef: Power and Mission – Was Amerika antreibt, Verlag Herder Freiburg im Breisgau, 2003 (S. 151-175) Löffelholz, Martin: Krieg als Medienereignis, Westdeutscher Verlag, 1993 Kocks Klaus, Merten Klaus, Brickwedde-Stümpel Katja, Wienand Edith: Von gerechten Krieg – Berichterstattung der Deutschen Presse zum Irak-Krieg, LIT Verlag Münster, 2003 Rados, Antonia, Live aus Bagdad – Das Tagebuch einer Kriegsreporterin, Wilhelm Heyne Verlag München, 3. Auflage, 2003 Oppenheim, Roy: Krieg der Bilder, Sauerländer Verlag, 1990 Albrecht, Ulrich: Medien zwischen Krieg und Frieden / Ulrich Albrecht ... (Hrsg.). Mit Beitr. von Jörg Becker ...., Nomos-Verlag., Baden-Baden, 2002 „Generation Golfkrieg“ von Peter Bergh, Popper-Verlag, Berlin 2003 Dokumentationsfilm von Jehane Noujaim „Control Room – Regie im Krieg“ 29