MINDERHEITEN IN ÖSTERREICH Ethnische Minderheiten – MigrantInnen Abriß der österreichischen Migrationsgeschichte Ursula Hemetek/Doris Kaiserrainer Für die Entstehung des Nationalstaates Österreich in seiner heutigen Ausdehnung ist das Ende des Ersten Weltkrieges anzusetzen. Die Habsburgermonarchie als Vielvölkerreich war in Nationalstaaten zerfallen, einer davon ist Österreich. Davor und danach war Österreich von Migrationsbewegungen geprägt, sowohl von Ab- als auch von Zuwanderung. "Österreichs Position im europäischen Migrationsgeflecht ist durch einige Besonderheiten gekennzeichnet. Bis ins 19. Jahrhundert waren drei verschiedene Wanderungsbewegungen für die Situation der überwiegend deutschsprachigen Alpenländer der Habsburger-Monarchie charakteristisch: die politisch und religiös motivierte Zwangsaussiedlung von Protestanten, die durch Überbevölkerung ausgelöste Saisonwanderung aus den Alpen- und Karpatenländern in die Agrargebiete des bayerisch-schwäbischen Alpenvorlandes und Innerungarns (Schwabenzüge und Sachsengänger), schließlich die Zuwanderung politischer, künstlerischer und gewerblicher Eliten aus dem Ausland in die Reichshaupt- und Residenzstadt Wien".1 Mit der industriellen Revolution ab Mitte des 19. Jahrhunderts, mit der entscheidenden Verbesserung der öffentlichen Transportmittel und der Liberalisierung der Niederlassungsbestimmungen wurde Wanderung zu einem Massenphänomen. Es bildete sich eine großräumige Ost-West-Verlagerung heraus: Österreich als Zielland für MigrantInnen aus dem Osten und Südosten und als Herkunftsland von Auswanderern nach Westen (z.B. Tschechen und Slowaken in Wien sind ZuwanderInnen dieses Zeitraumes). Dieses Muster prägte das 19. und 20. Jahrhundert und ist auch in der Gegenwart wieder aktuell. An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert vermehrte sich die Zahl der ÜberseemigrantInnen. Zwischen 1900 und 1910 wurde die Habsburgermonrachie zu einem Auswanderungsland ersten Ranges. Allein aus dem Gebiet des heutigen Burgenlandes emigrierten 30 000 Personen in die USA. Allerdings prägte sich zu jener Zeit ein neuer "Migrationstypus" heraus: die Arbeitsmigration, eine Form, die 1 Fassmann, Heinz/Rainer Münz: Einwanderungsland Österreich? Gastarbeiter-Flüchtlinge-Immigranten. Wien 1992, S. 7. zum Unterschied der früheren Siedlungsmigration eine Rückkehr zu Lebzeiten nicht ausschloß. Deshalb stiegen auch die Zahlen der Rückwanderer nach Österreich. "Nach dem Ersten Weltkrieg zwangen Revolutionen, Bürgerkriege und die nationalen Regeln der neuen Friedensordnung Millionen Menschen, die Gegend zu verlassen, in der sie geboren und zu Hause gewesen waren. Es soll in Europa 1926 9,5 Millionen Flüchtlinge gegeben haben". Mit der Gründung Ausländern, die hier mit einem anderen einstigen Heimat der Republik gab es "in Österreich eine Unmenge von geboren und aufgewachsen sind, Menschen, deren Leben nie Land verknüpft war oder die den Zusammenhang mit ihrer längst verloren hatten, Angehörige eines der auf altösterreichischem Boden entstandenen Nachfolgestaaten, ohne Zugehörigkeitsgefühl zu diesen von ihnen bisher nie betretenen Ländern". 2 jedes Aber wenn sie vor 1918 keine Heimatberechtigung erworben hatten, bekamen sie nun keine Staatsbürgerschaft. Zum Teil war die restriktive Haltung ein Gebot der wirtschaftlichen Not. Ab dem Einmarsch Hitlers und dem Anschluß an Deutschland beginnt der Massenexodus von Juden und anderen verfolgten Personen. Laut Auskunft des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstands gelang 125 000 österreichischen Juden die Auswanderung, ca. 45 000 fielen der "Endlösung" zum Opfer. Nach 1945 ist die Migrationssituation geprägt von der Zuwanderung von politischen Flüchtlingen und Wirtschaftsmigranten. Politische Flüchtlinge (die zahlenmäßig größten Gruppen) Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges immigrierten rund 400.000 Volksdeutsche zwischen 1945 und 1950 aus dem Osten nach Österreich. Nach der Niederschlagung des Volksaufstandes 1956 in Ungarn stellten 180.000 Ungarn in den Jahren 1956/57 einen Asylantrag in Österreich. Nach dem Einmarsch der russischen Armee in die Tschechoslowakei im Jahr 1968, der den "Prager Frühling" beendete, kamen etwa 160.000 Menschen nach Österreich. Allerdings stellten nur 12.000 Tschechen und Slowaken 1968/69 einen Asylantrag. Die Verhängung des Kriegsrechtes in Polen zwang etwa 150.000 Polen zur Flucht nach Österreich. 33.000 Polen stellten 1981/82 einen Asylantrag. 2 Kobler, Franz: Recht und Unrecht der Ausweisung. Dargestellt auf Grund der österreichischen Gesetzgebung und Praxis. Wien 1931, S. 6. Durch den Krieg im ehemaligen Jugoslawien wurden Millionen von Menschen in die Flucht getrieben. Österreich nahm in den Jahren 1991/92 rund 100.000 Bosnier als De-Facto-Flüchtlinge auf, wovon 65.000 langfristig integriert werden konnten. Also sind rund 680.000 Menschen, nach groben Schätzungen, seit 1945 nach Österreich aus politischen Gründen zugewandert. Außerdem war Österreich Drehscheibe und Zwischenstation für verschiedenste Migrationen, wie z.B. die russischen Juden. Zwischen 1973 und 1989 kamen rund 250.000 jüdische Emigranten nach Österreich und verließen das Land, bis auf wenige Ausnahmen, in Richtung Israel oder USA.3 Ausländische Arbeitskräfte in Österreich Nachfrage nach Arbeitskräften in den entwickelteren Industriestaaten ab Ende der 50er Jahre setzte eine weitere große europäische Migrationsbewegung in Gang. Diese Wanderung folgte der Logik von höheren Löhnen und findet bis heute statt, wieder in einer Bewegung von Osten nach Westen. "Die zwischenstaatlich organisierte Ausländerbeschäftigung begann in Österreich deutlich später als in Westdeutschland, in der Schweiz oder Skandinavien. Das erste Anwerbeabkommen schloß Österreich 1962 mit Spanien, ein zweites 1964 mit der Türkei, ein drittes 1966 mit Jugoslawien. Mit 220.000 ausländischen Arbeitnehmern erreichte die 'Gastarbeiter'-Beschäftigung 1974 ihren ersten Höhepunkt".4 Ursprünglich wurde an einen kurzfristigen Aufenthalt der Arbeitskräfte gedacht. Die maximale Ausnützung der Arbeitskraft war das Ziel. Man hatte dabei nicht in Erwägung gezogen, daß es sich um Menschen mit emotionalen Bedürfnissen und familiären Bindungen handelte. Mit dem Scheitern des geplanten "Rotationsprinzips" entstand eine Reihe von Problemen, die im ursprünglichen Konzept nicht vorgesehen waren. Die Menschen, die gekommen waren, schufen sich in Österreich einen neuen Lebensraum. Als es nach 1974 zu Phasen ökonomischer Stagnation kam, wurde ein Teil der ausländischen Arbeitskräfte wieder abgebaut, bis 1984 in der Höhe von 10%. Danach kam es zu einem deutlichen Wiederanstieg. Im Juni 1992 arbeiteten rund 284 000 Ausländer legal in Österreich. 3 Fassmann, Heinz/Rainer Münz: Einwanderungsland Österreich? Gastarbeiter-Flüchtlinge-Immigranten. Wien 1992, S. 9-11. 4 Fassmann, Heinz/Rainer Münz: Einwanderungsland Österreich? Gastarbeiter-Flüchtlinge-Immigranten. Wien 1992, S. 14. Aber auch die Abwanderung österreichischer Arbeitskräfte war ab den 50er Jahren beträchtlich. 1992 stand eine Zahl von rund 550.000 legal anwesenden Ausländern in Österreich die Zahl von ca. 430.000 Österreichern im Ausland gegenüber. Zitiert aus: Am Anfang war der Kolaric. Plakate gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Hrsg. von Ursula Hemetek für die Initiative Minderheiten. Südwind Verlag. Wien, 2000. Links Initiative Minderheiten: http://www.initiative.minderheiten.at Wiener Integrationsfonds: http://www.wif.wien.at