UE Fachdidaktik (Wirtschaft und Europa) SoSe 2012 Gesellschaftliche Veränderungen: Zu- und Abwanderungen nach Österreich im Wandel der Zeit Nenne verschiedene historische Aspekte (ab 1950) welche die Einwanderungsphasen nach Österreich beeinflusst haben. Setze dich mit den Integrationsvereinbarungen seit 2005 auseinander, zeige positive, negative und bewertende Gesichtspunkte auf. Diskutiere deinen persönlichen Standpunkt zu diesem Thema und begründe ihn, der beigelegte Artikel soll bei deiner Diskussion herangezogen werden. Artikel: Abschiebung droht Familie zu zerreißen Akhmed Adzhiakhmayev soll nach Russland zurück, Frau und Kinder bleiben in Wien „Wien- Im Februar hat Akhmed Adzhiakmayev eine Verwaltungsstrafe ausgefasst: 1000 Euro wegen illegalen Aufenthalts. De Zahlungsaufforderung hat ihm, seiner Angela und den gemeinsamen Kindern Medina(9) und Mohammed(8) von neuem drastisch vor Augen geführt, dass ihr Zusammenleben in Österreich wohl bald ein Ende haben wird. Denn obwohl Medina und Mohammed in Österreich geboren wurden und Deut mit Wiener Akzent sprechen, obohl sie und ihre Mutter eine Niederlassungsbewilligung besitzen und Angela bei einer Schuhfirma arbeitet- obwohl sie also alle zusammen eine Familie sind-, steht der 46-jährige Mann aus der russischen Republik Dagestan vor seiner Abschiebung. Im März 2011 wurde sein Asylersuchen abgewiesen. Zwar setzt Rechtsberaterin Katharina Ammann von der Diakonie in einen Antrag auf Rot- Weiß- RotCard für Adzhiakhmayev noch Hoffnungen. Doch: „Ich habe gehört, dass nach Rücksprache der MA 35 mit dem Innenministerium die Ablehnung droht.“ In diesem Fall müsste der Mann nach Russland zurück- wohl für immer: Frau und Kind blieben in Österreich zurück. „Ich bin Russin, aus Moldau, mein Mann kommt aus dem Kaukasus. Wir könnten weder in Monskau noch in Dagestan in Ruhe zusammenleben“, schildert Angela. Nach den Tschetschenienkriegen sei der Hass auf Verbindungen wie ihre da wie dort groß. Dass ihr Mann von Amts wegen gezwungen werden könnte, sie zu verlassen, kommt der 38- Jährigen ungeheuerlich vor. Für die Kinder wäre es eine Katastrophe, wie psychiatrische Atteste besagen. Zumal der Vater nicht zum ersten Mal unter gefährlichen Umständen verschwinden würde. […]“ (DER STANDARD 2012: 9) Zuordnung zu Kompetenzbereich der AHS Oberstufe Lehrplan -Orientierungskompetenz -Synthesekompetenz -Gesellschaftskompetenz Lehrplanbezug 5.+6.Klasse: -Bevölkerung und Gesellschaft: Ursachen und Auswirkungen der räumlichen und sozialen Mobilität in verschiedenen Gesellschaften erkennen -Regionale Entwicklungspfade im Vergleich: Erfassen der Bedeutung grenzüberschreitender Zusammenarbeit für die Raumentwicklung 7. Klasse: -Veränderung der geopolitischen Lage Österreichs: Möglichkeiten für grenzüberschreitende Regionalentwicklung unter dem Einfluss der europäischen Integration erkennen Kleeberger Sandra (0920973) Seite 1 von 4 UE Fachdidaktik (Wirtschaft und Europa) SoSe 2012 -Demographische Entwicklung und gesellschaftspolitische Implikationen: die Lebenssituation ausgewählter Bevölkerungsgruppen vor dem Hintergrund des Phänomens „Fremdsein“ analysieren und bewerten können Anforderungsniveau Der erste Teil der Frage ist unterstes, erstes Anforderungsniveau, es geht hierbei lediglich um eine Reproduktion von Wissen. Der zweite und dritte Teil bezieht sich auf ein höheres Anforderungsniveau, hier geht es um die kritische Auseinandersetzung mit dem Thema zudem trotzdem Hintergrundwissen herangezogen werden kann bzw. soll, sowie eigene persönliche Argumente in eine Diskussion mit einzubringen kommt hinzu. Lösungen Zu- und Abwanderung nach Österreich im Wandel der Zeit Österreich war, wie die meisten anderen europäischen Staaten auch, in den letzten Jahrhunderten ein Auswanderungsland. Erst seit dem Zweiten Weltkrieg haben sich die Verhältnisse verändert. Man unterscheidet vier Phasen: Vom Auswanderungsland zum Einwanderungsland(1950-1974). Mit dem Raab- OlahAbkommen(1961) verständigten sich die Sozialpartner darin, erstmals „Fremdarbeiter“- wie sie damals genannt wurden- nach Österreich zu holen. Die Bundeswirtschaftskammer organisierte die Anwerbung und Anreise der Fremdarbeiter aus der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien. Man wollte eine jährliche Rotation der Arbeitskräfte, um einer dauerhaften Niederlassung vorzubeugen. Migrationspolitik war damals Arbeitsmarktpolitik. Erst ab 1969 stieg die Zahl der Arbeitsimigranten stark an, da es zu einem beginnenden Familiennachzug und zur Kettenmigration(von Bekannten und Verwandten) kam. Zwischen Rückkehr und Niederlassung(1974-1988): Österreich verkündete einen Anwerbestopp, was vor allem die Zahl der Migranten aus dem ehemaligen Jugoslawien beträchtlich sinken ließ. Allerdings bewirkte diese Maßnahme, dass viele aus Angst, Arbeitsplatz und Aufenthaltsrecht zu verlieren, ihre Rückkehr ins Heimatland verschoben. Der Familiennachzug kompensierte die Rückwanderung derer die ihren Arbeitsplatz infolge der schlechteren ökonomischen Situationen verloren hatten. Obwohl viele Gastarbeiter dauerhaft in Österreich wohnten, gab es kaum Bemühungen um eine Integration. Die verstärkte einsetzende Ost- West- Wanderung im Zuge der beginnenden politischen Öffnung der kommunistischen Länder führte zu strengen Prüfung der Asylanträge; die Anerkennungsrate ging stark zurück. Das Ende der Spaltung Europas(1989-1993): Innerhalb von vier Jahren stieg die Zahl der legal anwesenden Ausländer um 80 Prozent. Die Gründe dafür waren unter anderem die Kriege in Kroatien, Bosnien und Herzegowina sowie die boomende österreichische Wirtschaft, die Arbeitskräfte absorbierte. Die Sozialpartner reagierten auf die veränderte geopolitische und ökonomische Situation von bereits länger in Österreich lebenden Arbeitskräften, andererseits aber auch mit einer Limitierung der Zahl der ausländischen Arbeitskräfte, die 10 Prozent des Gesamtarbeitskräfteangebots nicht überschreiten durfte. Von der ungeregelten zur geregelten Migration(1994 bis heute): Bis zu diesem Zeitpunkt war Österreich im öffentlichen Bewusstsein kein Einwanderungsland. Ein Aufenthaltsgesetz erschwerte nun den Neuzugang nach Österreich, jährlich wurden Quoten und Obergrenzen festgelegt. Für den Familiennachzug waren die Quoten sehr gering, was bis heute zu einem beträchtlichen Rückstau führt. Das Integrationspaket von 1997 beschränkte den Neuzuzug weiter. Das gilt allerdings nicht für ausländische Arbeitskräfteaus den EU- Staaten. Auch die Asylpolitik wurde grundlegend neu gestaltet und restriktiver gefasst. Integrationsvereinbarungen Kleeberger Sandra (0920973) Seite 2 von 4 UE Fachdidaktik (Wirtschaft und Europa) SoSe 2012 Seit 2005 müssen neue Zuwanderer und die seit 1.1.1983 in Österreich lebenden Zuwanderer aus Drittstaaten, die eine dauerhafte Niederlassung anstreben, einen Deutschkurs von über 300 Stunden und eine Art Staatsbürgerschafskunde von 30 Stunden absolvieren. Für Analphabeten gibt es einen Alphabetisierungskurs. Nach fünf Jahren besteht bei Nichtabsolvierung die Möglichkeit der Abschiebung. Die Ausnahmen vom Integrationsvertrag(alte, kranke Menschen, Schlüsselarbeitskräfte) wurden reduziert. Die Kosten werden vom Zuwanderer, dem Dienstgeber und dem Bund getragen. Zuwanderung nach Österreich heute Über die jährliche Zuwanderungsquote, in die auch Schlüsselarbeitskräfte und der Familiennachzug von in Österreich lebenden Ausländerfallen, streiten die politischen Parteien heftig. In den letzten Jahren lag diese etwa bei 8000. Ein Teil davon ist für Schlüsselarbeitskräfte und ihre Angehörigen reserviert. Das sind Personen die mindestens 2178 Euro brutto im Monat verdienen. Das neue Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz ermöglicht im Rahmen des Familiennachzugs den nach Österreich geholten Familienmitgliedern, nach einem Jahr einer Beschäftigung nachzugehen. Für Erntehelfer sowie Saisoniers in allen Branchen gelten gesonderte Quoten(besonders in der Landwirtschaft und Gastronomie). Österreich ist seit Jahrzehnten ein Magnet für Arbeitsmigranten, ihre tatsächliche Zahl lässt sich nur schätzen. Neben der durch Quoten geregelten offiziellen Zuwanderung und den Erntehelfern bzw. Saisoniers (über 50 000) gibt es auch Neoösterreicher, also inzwischen eingebürgerte ehemalige Ausländer, die Kinder, Ehepartner und Eltern außerhalb der gesetzlich festgelegten Zuwanderungsquote ohne bürokratische Hürden ins Land holen. 2004 erhielten rund 23000 Drittstaatenangehörige als Familienmitglieder österreichischer Staatsangehöriger eine Aufenthaltsgenehmigung. Völlig im Dunkeln liegt die Zahl jener, die illegal zuwandern; zirca 10 000 wurden 2004 fremdenpolizeilich erfasst, viele an der Grenze zurückgewiesen. Daraus lässt sich allerdings das Ausmaß der illegalen Zuwanderung nicht ableiten. Laut Wiener Büro der „Internationalen Organization for imigration“ wird die Anzahl der illegal erwerbstätigen Einwanderer zwischen 50 000 und 70 000 geschätzt. (HOFMANN e. al. 2006: 55-57) Illegale Zuwanderung- billige Arbeitskräfte Weder streng gehandhabte Asylgesetze noch eingeschränkte Zuzugsbestimmungen oder strikt umgesetzte Quotenregelungen, die die Zahl der offiziell beschäftigten ausländischen Arbeitskräfte reglementieren, konnten die illegale Zuwanderung bisher verhindern. Viele Migrantinnen und Migranten kommen wegen der hohen Lohndifferenzen zwischen ihren Heimatländern und Österreich hierher. Unterstützt wird die Hoffnung auf Arbeit durch die Suche von Arbeitsgebern und Privathaushalten nach billigen Arbeitskräften. Kontrollen durch die Arbeitsmarktverwaltung bestätigen diese Aussage. Illegale verhelfen den Betrieben zu besserer Konkurrenzfähigkeit und höheren Gewinnen, weil sich die Unternehmer die Sozialversicherungsabgaben und Steuern sparen. Dadurch sind die Illegalen aber Konkurrenten der „legalen“ Gastarbeiter mit einer Arbeitsgenehmigung. Das trifft vor allem m Bau- und Reinigungsgewerbe und in den Tourismusbetrieben zu. In einigen Regionen entstehen lokale „Arbeitsstriche“, an denen diese Arbeitskräfte rekrutiert werden. Die unbekannte Anzahl der illegalen Arbeitskräfte aktiviert Ängste bei der Bevölkerung und stellt in wirtschaftlich schwierigen Zeiten das Prinzip der Toleranz auf eine harte Probe. Das ist auch der Grund für die laufende Verschärfung des Aufenthaltsgesetzes. Die jeweilige Regierung reagierte damit auf die zunehmende Ausländerfeindlichkeit der Bevölkerung. Mit der 2005 verabschiedeten Harmonisierung der Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung für Migrantinnen und Migranten ist es erstmals möglich, das künftig jede Person, die legal in Österreich lebt(Ausnahme: Asylwerber), hier auch arbeiten darf. In der Diskussion um die Zuwanderung gibt es nicht nur verschiedene Meinungen der politischen Parteien und Interessenvertretungen, sondern auch vier unterschiedlich zu bewertende Probleme: das Flüchtlingsproblem, der Arbeitskräftemangel, die Zuwanderung aus Billiglohnländern, die schrumpfende Bevölkerung. Das Flüchtlingsproblem ist mit Quoten nicht zu lösen, da wir sie nach Genfer Flüchtlingskonvention selbstverständliche aufnehmen müssen. Die „Schlüsselarbeitskräfte“ können zwar aus dem Ausland rekrutiert werden, das Reservoir wird aber bald erschöpft sein, da es ja auch andere „anzapfen“ wollen. Außerdem lastet der „Export“ der Ausbildung dieser Arbeitskräfte die Kosten ärmeren Ländern an, die sich dagegen wehren werden. Die Zuwanderung aus Billiglohnländern(z.B. aus dem ehemaligen Osten) wurde durch Quoten geregelt, um Bedarf und Integrationsmöglichkeiten langsam anzugleichen. Dadurch gehen uns aber auch qualifizierte Arbeitskräfte verloren. Kleeberger Sandra (0920973) Seite 3 von 4 UE Fachdidaktik (Wirtschaft und Europa) SoSe 2012 Die schrumpfende Bevölkerung allein durch Zuwanderung aufzustocken, ist nicht unproblematisch, da die Akzeptanz der Bevölkerung dafür nicht unbedingt gegeben ist. Da Perioden schrumpfender Bevölkerung auch Perioden langsameren Wachstums sind, könnte der Verzicht auf Einwanderung auch Verzicht auf Einwanderung auch Verzicht auf Wachstum und technischen Fortschritt bedeuten Eine alternde Bevölkerung wirkt in vielfacher Weise fortschrittshemmend. Was wir brauchen sind also nicht Quoten, sondern Konzepte: Welche Art von Fachkräften wir benötigen, wie und wo wir sie anwerben und vor allem, wie wir sie integrieren. Da das Potenzial im Osten rasch erschöpft sein wird, werden die „Schlüsselarbeitskräfte“ wohl vor allem Asiaten sein, Menschen mit andere Kultur und Religion. „Integration“ durch selbstfinanzierte Deutschkurse samt Prüfung wird die Besten abschrecken. Integration muss ein zweiseitiger Prozess sein, in dem man aufeinander zugeht. Zwar müssen die Zuwanderer selbstverständlich die Menschenrechte einhalten, doch ihre anderen Kulturen werden wird nicht bloß tolerieren, sondern auch achten müssen. (HOFMANN E.AL. 2006: 57) Literaturverzeichnis HOFMANN- SCHNELLER M., DERFLINGER M., MENSCHIK G. & P. RAK (2006): Durchblick 7. Geographie und Wirtschaftskunde für die 11. Schulstufe. Wien: Westermann. BRICKNER Irene (2012): Abschiebung droht Familie zu zerreißen. Akhmed Adzhiakhmayev soll nach Russland zurück, Frau und Kinder bleiben in Wien. In: der Standard 15. März 2012, 9. Kleeberger Sandra (0920973) Seite 4 von 4