IP/10/1207 Brüssel, den 29. September 2010 Freizügigkeit von EU-Bürgern und Lage der Roma: Europäische Kommission befasst sich mit Situation in Frankreich Wie Anfang des Monats angekündigt, befasst sich die Europäische Kommission heute mit den jüngsten Entwicklungen in Frankreich und erörtert die Lage der Roma sowie das EU-Recht der Unionsbürger auf Freizügigkeit. Nach Anhörung von Viviane Reding, EU-Vizepräsidentin und zuständig für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft, László Andor, EU-Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Integration, und Cecilia Malmström, Kommissarin für Inneres, kam die Kommission zu folgendem Ergebnis: 1) Das Recht jedes EU-Bürgers auf Freizügigkeit innerhalb der EU ist eines der Grundprinzipien der Union. Als Hüterin der Verträge hat die Kommission die uneingeschränkte, wirksame Durchsetzung dieses Rechts in allen Mitgliedstaaten sicherzustellen. 2) Es ist Sache und gutes Recht der Mitgliedstaaten, Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in ihrem Hoheitsgebiet zu ergreifen. Dabei dürfen sie jedoch weder gegen die Freizügigkeitsrichtlinie von 2004 und die Grundrechte der Unionsbürger verstoßen noch Staatsangehörige bestimmter Länder oder ethnische Minderheiten diskriminieren. 3) Die jüngsten Entwicklungen in Frankreich hatten einen intensiven Austausch zwischen der Kommission und der französischen Regierung über die Anwendung der EU-Bestimmungen zum freien Personenverkehr zur Folge. Die Kommission nahm folgende Erklärungen der französischen Regierung vom 22. September 2010 zur Kenntnis: - Die Maßnahmen, die die französische Regierung seit Sommer getroffen hat, sollten weder auf eine bestimmte ethnische Minderheit zielen, noch hatten sie eine solche Wirkung; vielmehr wurden alle EU-Bürger gleich behandelt. - Die Dienstanweisung („Circulaire“) vom 5. August 2010, die mit diesem Grundsatz unvereinbar war, wurde annulliert und durch eine andere Anweisung vom 13. September 2010 ersetzt. - Die französische Regierung gewährleistet eine korrekte und nichtdiskriminierende Anwendung des EU-Rechts unter Beachtung der Verträge und der EU-Grundrechtecharta. 4) Die Kommission nahm darüber hinaus die erneute Zusicherung Frankreichs zur Kenntnis, in diesen Fragen eng und loyal mit der Kommission zusammenarbeiten zu wollen. Sie wird sich weiter mit der französischen Regierung austauschen und sendet ihr einen detaillierten Fragenkatalog zur praktischen Umsetzung der politischen Erklärungen zu. 5) Um den Mitgliedstaaten und den EU-Bürgern besonders in strittigen Situationen Rechtssicherheit zu geben, ist es äußerst wichtig, dass die Mitgliedstaaten die verfahrenstechnischen und materiellen Garantien der Freizügigkeitsrichtlinie von 2004 lückenlos und ordnungsgemäß umsetzen. Nach Ansicht der Kommission hat Frankreich diese Richtlinie bislang noch nicht vollständig in innerstaatliches Recht umgesetzt. Wirkung und Transparenz dieser Rechte sind somit nicht gewährleistet. Falls Frankreich bis 15. Oktober 2010 keinen Maßnahmenentwurf und genauen Zeitplan für die Umsetzung vorlegt, wird die Kommission – wie heute beschlossen – das Land in einem offiziellen Schreiben förmlich auffordern, die Richtlinie lückenlos umzusetzen. Das Aufforderungsschreiben würde dann im Rahmen der Vertragsverletzungsverfahren verschickt werden, die im Oktober 2010 eingeleitet werden. 6) Gleichzeitig prüft die Kommission, ob die Freizügigkeitsrichtlinie in allen EUMitgliedstaaten ordnungsgemäß umgesetzt wurde oder ob auch in anderen Fällen Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet werden müssen. Gegebenenfalls wird sie in späteren Runden von Vertragsverletzungsverfahren entsprechende Aufforderungsschreiben verschicken. 7) Wie die Kommission heute wiederholte, stellt die gesellschaftliche und wirtschaftliche Integration der Roma eine gemeinsame Herausforderung für alle EUMitgliedstaaten dar, und sie sind gemeinsam dafür verantwortlich. In der diesbezüglichen Mitteilung der Kommission vom 7. April 2010 sind einige wichtige Maßnahmen zur Verbesserung der Lage der Roma aufgelistet, die auf Ebene der Mitgliedstaaten und auf EU-Ebene möglichst schnell angegangen werden müssen. 8) Auf der Grundlage der Arbeiten der Roma-Plattform und der Roma-Taskforce, die die Kommission am 7. September 2010 eingesetzt hat und die die Verwendung von Mitteln der EU und der Mitgliedstaaten für die Integration der Roma und deren Wirksamkeit untersuchen soll, wird die Kommission im April nächsten Jahres einen EU-Rahmen für nationale Strategien zur Integration der Roma vorlegen. Gestützt auf den Bericht der Roma-Taskforce sollen in diesem Rahmen Vorschläge für einen wirksameren Einsatz von EU-Mitteln für Maßnahmen gegen die Ausgrenzung der Roma für den laufenden und den nächsten Programmplanungszeitraum vorgeschlagen werden. Die vielschichtigen Probleme der Roma werden ausgehend von den zehn Grundprinzipien der Mitteilung für die Integration der Roma behandelt. Gleichzeitig wird die Zusammenarbeit unter den Interessengruppen gestärkt. Zudem soll der EU-Rahmen eine wirksamere Kontrolle und Unterstützung der Maßnahmen der Mitgliedstaaten und der EU zur Integration der Roma ermöglichen. Die Kommission wird im Rahmen der Strategie Europa 2020 die Mitgliedstaaten auffordern, ihre diesbezüglichen nationalen Strategien vorzustellen, beispielsweise in ihren nationalen Reformprogrammen. Die EU-Leitinitiative „Europäische Plattform zur Bekämpfung der Armut” bietet Möglichkeiten zur Koordinierung von Maßnahmen im Hinblick auf prioritäre bereichsübergreifende Anliegen wie die Integration der Roma. Die Europäische Kommission erwartet von den Mitgliedstaaten auch, dass sie bei der Festlegung ihrer nationalen Ziele für Europa 2020 in den Bereichen Armutsbekämpfung, Beschäftigung und Bildung ausdrücklich auch die Roma einbeziehen und entsprechende ehrgeizige Ziele definieren. 9) Die Kommission arbeitet bei der Ausarbeitung des EU-Rahmens für nationale Strategien zur Integration der Roma eng mit allen EU-Mitgliedstaaten zusammen. Die EU-Grundrechteagentur wird an diesen Arbeiten mitwirken. 10) Die Kommission wird dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat vor dem Sommer nächsten Jahres über die Fortschritte Bericht erstatten. 2