Zusammenleben der Tschechen und der Deutschen in der Tschechoslowakei in den Jahren 1918-1938 →Vor dem Beginn des ersten Weltkriegs waren die tschechischen Länder schon fast seit 400 Jahren unter der habsburgischen Regierung. Die Tschechen hatten Idee, da3 ihre Nation im Rahmen der österreichischen Monarchie, als eine Heimat von mehreren gleichwertigen Nationalitäten existieren kann. In der Innenpolitik versuchten die Tschechen, vor allem die Vorherrschaft des deutschen Elements zu brechen, und in der Au3enpolitik bekämften sie das zu enge Bündnis Österreichs mit dem Deutschen Reich. →Der erste Weltkrieg änderte die Situation völlig. (Die Mehrzahl der Tschechen war auf der Seite der Gegner Österreichs und Deutschlands.) Der 1. Weltkrieg führte nämlich zum – dem Deutschen Reich Zusammenbruch von 4 Reichen - der Österreichisch-Ungarischen Monarchie - dem zaristischen Russland und - dem Osmanischen Reich und zur Entstehung neuen Staaten in Europa – der Tschechoslovakei (28.10.1918) - der Republik Deutschland (9.11. 1918) - der Republik Polen (11.11. 1918) - der Republik Österreich (12.11. 1918) - der Republik Ungarn (16. 11. 1918) - dem Königreich Jugoslawien (1.12. 1918) Am 28. Oktober 1918 wurde auf den Trümmern Österreich-Ungarns die selbstständige Tschechoslowakische Republik proklamiert (spontan, ohne Gewalt, sgn. Humane Revolution).Die Tsch. Republik setzte sich aus den historischen Ländern der böhmischen Krone – Böhmen, Mähren und Schlesien, dem slovakischen Teil Ungarns und der Karpatoukraine zusammen. →Die Deutschen in den tschechischen Ländern waren durch den verlorenen Krieg und seine Konsequenzen sehr erschüttert. Sie wollten nicht zum neuen tschechoslowakischen Staat gehören. Gleich nach der Proklamation der ČSR wollten deutsche Abgeordneten in Wiener Parlament aus den böhmisch-mährischen Gebieten, wo eine deutsche Mehrheit der Bevölkerung wohnte vier kleine Länder bilden (und zwar Deutschböhmen, Böhmerwald-Gau, Deutschmähren und Sudetenland in Schlesien). Diese vier Gebiete wollten sie an die neue österreichische Republik 1 anschlie3en (diese Gebiete umfa3ten ein Drittel des Gebietes der tschechischen historischen Länder). Die Gebiete waren aber von Österreich durch ausgedehntes tschechisches Gebiet getrennt, so da3 dieser Plan keinen praktischen Erfolg haben konnte. →Im Jahre 1919 kam es zur Friedenskonferenz. Die Friedenskonferenz mit Deutschland in Versailles (28. Juli 1919) und mit Österreich in Saint Germain (10.9. 1919) brachten der ČSR nicht nur allgemeine internationalle Anerkennung sondern auch die Festlegung ihrer Grenzen im historisch-territorialen Sinne. (Interessant: Eben die neue Öst. Republik sowie die deutsche Weimarer Republik unter der ersten Staaten waren, die mit ČSR diplomatische Kontakte aufzunahmen.) →Im Jahre 1921 bei ersten Volkszählung in der ČSR wurden unter fast 14 Milionen Einwohner 23% Deutsche gezählt. Diese hohe Prozentsatz der Bürger deutscher Nationalität bedeutete, da3 die ČSR mit einer so zahlreichen etnischen Minderheit in ihrem demokrat. System ernstlich zu rechnen hatte. Die bürgerliche und politische Eingliederung der Deutschen war immer schwer. In den breiten tschechischen Volksschichten wurden die Deutschen noch überwiegend als ein fremdes und gefährliches Element angesehen. Die Tschechen konnten nicht vergessen, da3 die Deutschen sich von der Republik von Anfang an trennen wollten. Für die Deutschen war es auch nicht leicht unter dieser schweren Situation, die neue Republik als ihren Staat anzuerkennen. Sie forderten dagegen, da3 die ČSR zu einem Nationalitätenstaat umgewandelt werde. Das wurde abgelehnt. In der Wirklichkeit hatten die Deutschen in der neuen tsch. Republik grö3ere Rechte als eine Minderheit. Diese Rechte und Vorteile setzten aus der gemeinsamen Vergangenheit des Zusammenlebens in österreichischer Monarchie fort. Es war praktisch nicht möglich, die Ergebnisse des langen kulturellen und wirtschaftlichen Zusammenlebens zu beseitigen. -In Prag hatten die Deutschen ihre deutsche Universität, in Böhmen und Mähren technische Hochschulen, im ganzen Land viele andere Schulen , Theater und Kulturinstitutionen. Auch die deutsche Literatur und Kunst wurde mit der ČSR eng verbunden. Hier sind vor allem die bedeutenden deutschen Schriftsteller zu nennen, die mit der Prager deutschen Literatur eng verbunden waren: Franz Kafka, Rainer Maria Rilke, Franz Werfel, Egon Ervin Kisch, Max Brod. Von den Malern A. Kubin, O. Kokoschka. Von den Philosophen E. Husserl und teilweise S. Freud. 2 Diese kulturelle deutsch-tschechische Verbundenheit bildete ganz gute Voraussetzungen für das weitere Zusammenleben beider Nationen unter den neuen dem. Bedingungen. →Aber schon nach der ersten Parlamentswahlen im Jahre 1920 hatten fünf deutsche poltische Parteien 73 Abgeordnete im tsch. Parlament. Aber nur zwei Parteien wollten pozitiv politisch mit der Tschechen zusammenarbeiten. Das gro3e Problem war immer noch der Sprachen kamf, der aus der Vorkriegszeit fortsetzte. Die Gesetzgebung bestimmte die tschechische Sprache (neben der slowakischen) als die amtliche Staatssprache. Die ethnischen Minderheiten hatten im Sinne der internationalen Bestimmung das Recht auf vollen offiziellen Gebrauch ihrer Muttersprache in den Kreisen, wo sie mehr als 20% der Bevölkerung hatten. Trotz dieser Probleme im ersten Jahrzehnt Existenz der Tsch. Rep. schien es noch möglich, die tsch.-deutsche Beziehungen zu verbessern. Zu der Verbesserung der gegenseitigen Beziehungen half in gro3er Ma3e auch die wirtschaftliche Prosperität der ČSR, indessen Deutschland von der hohen Inflation betroffen war (in der drei3iger Jahren gehörte die ČSR unter die zehn entwickeltesten Staaten der Welt). →Leider wurde die Tschechoslowakei auch von der allgemeinen ökonomischen Krise in den 30er Jahren betroffen. Besonders betroffen wurde gerade das hochentwickelte Industriegebiet des Sudetenlandes. Die wachsende wirtschaftliche und soziale Spannung trug zur Wiederentstehung der Nationalitätprobleme bei. Die Deutschen in den Randgebieten Böhmens, Mährens und Schlesien begannen sich, als eine feste ethnische Ganzheit zu fühlen und immer mehr die Bezeichnung „Sudetendeutsche“ zu benutzen. Viele sudetendeutsche begannen immer mehr ihre Blicke auf benachbarte Deutschland zu richten, wo im Jahre 1933 Adolf Hitler die Macht ergriffen hat und durch seine nationalsozialistische Propaganda alle Deutschen in einem gro3en Reich verbinden wollte. In dieser Zeit wurde von Konrad Henlein die SUDETENDEUTSCHE PARTEI (SDP) gegründet, zu der sich bald zwei Drittel der deutschen Bevölkerung bekannten. Nachdem die SDP im Jahre 1935 einen gro3en Erfolg in den ČSR – Parlamentswahlen (durch 44 Abgeordnete) erreicht hatte, orientierte sich immer mehr an Hitlers Machtpolitik und steigerte ihre nationalpolitischen Forderungen gegenüber der ČSR-Regierung. Auf anderer Seite blieb die Tschechoslowakei offen den deutschen Emigranten, die vor Hitlers Regime aus Deutschland fliehen mussten (z. B. Th. und Heinrich Mann, Theodor Lessing). 3 Tausende von ihnen gewährte die Tsch. Rep. nicht nur Asyl, sondern auch eine umfassende Unterstützung. 1936-1938 →In der zweiten Hälfte der 30er Jahren wurden die Beziehungen zwischen den Deutschen und den Tschechen in der ČSR immer mehr gespannter. Seit Dezember 1935 stand an der Spitze der Republik Dr. Edvard Beneš (1884-1948). Die Repräsentanten der Sudetendeutschen, K. Henlein und K.H. Frank steigerten ihre politische Forderungen , die aus Nazi-Deutschland inspiriert wurden. Im Februar 1937 versuchte die ČSR-Regierung noch einen friedlichen Ausgleich mit der deutschen Minderheit zu erreichen, und zwar durch Verhandlungen über die Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse im Grenzgebiet. Die Leiter der SDP waren dagegen und begannen direkte Verhandlungen mit Hitler über die Anektierung des Sudetenlandes zum Reich. In dieser komplizierten internationalen Situation blieb die ČSR von ihren bisherigen Verbündeten ganz verlassen (wegen der zögerlichen und nachgiebigen britisch-franz. Politik). Im September 1938 steigerte Hitler weiter seine Forderung für die Sudetendeutsche bis zu voller Autonomie. Hitler drohte den Repräsentanten der Westmächte mit dem Krieg gegen die ČSR und dadurch auch gegen sie. Die beuauftragten westlichen Politiker, Chamberlain für Gro3britanien und Daladier für Frankreich, wollten aber keinen neuen Krieg mit Deutschland riskieren. Auf der Konferenz in München am 29.-30.9. 1938 unterlagen sie schlie3lich dem faschistischen Druck und vereinbarten im sog. „MüNCHER ABKOMMEN“ die Abtretung der ČSR-Grenzgebiete an Hitlers Deutschland. Sudetenkarte (56kB) 4 Siedlungsgebiete der Sudetendeutschen 1935 Entwicklung der Landesgrenzen 1918 bis 1938 (24kB) 5 (28kB) 6