1 René Reukauf, Friedrich Schiller Universität Jena HS: "Politics and policies in the West Wing": Politikformulierung in den USA Arbeitspapier zur 8. Sitzung am 2.6.2010 Aufgabenstellung: a) In der Folge „The Stackhouse-Filibuster" geht es, wie der Titel schon sagt, um einen Filibuster. Erläutern Sie mit Hilfe des Dialogauszugs und der Sekundärliteratur, was ein Filibuster ist und welche Bedeutung dieser in der politischen Praxis hat. b) Bei dem Gesetz, gegen das sich der Senator zur Wehr setzt, handelt es sich um ein „omnibus bill". Erläutern Sie diesen Begriff und die praktische Relevanz dieses Gesetzestypus und stellten Sie dar, auf welche Weise das Weiße Haus sein Family Wellness Act ursprünglich durchbekommen will. I. Filibuster 1. Was ist ein Filibuster? Im weiteren Sinn bezeichnet ein Filibuster jedes parlamentarische Vorgehen zur strategischen Verschleppung der Gesetzgebung mit dem Ziel ein Getz zu verzögern, zu modifizieren oder zu Fall zu bringen. (Oleszek, 237) Für gewöhnlich versteht man darunter die Reglung, dass ein Senator (theoretisch) unbegrenzt vor dem Plenum sprechen kann. Die strikte Kontrolle über Debatten im Repräsentantenhaus existiert nicht im Senat. Jeder Senator geniest das Privileg unbegrenzt debattieren zu dürfen. (Vile, 138) Dabei müssen jedoch bestimmte Verhaltensregeln eingehalten werden: „You keep the floor as long as you hold the floor. What does that mean? It means you can't stop talking, ever. You can't eat, and you can't drink, which is fine, because you can't leave the chamber to use the bathroom, either. But all that's nothing compared to this: you're not allowed to sit down. You're not allowed to lean on anything or, for that matter, anyone. “ (C.J. in: The West Wing) 2. Bedeutung für die politische Praxis Die Bedeutung für die politische Praxis entwickelte sich erst in der jüngeren Geschichte: Noch in den 1950ern und 1960ern nutzten nur erfahrene Senatoren, und das nur bei wichtigen Gesetzesvorlagen, den Filibuster. (Singh, 172) 2 Ab Ende der 1960er nutzten auch jüngere Senatoren, und das bei unbedeutenderen Gesetzesvorlagen mit klarem Hintergrund von einzelstaatlichen Interessen, den Filibuster. (Ebd.) Mit steigender Parteiorientierung bei der Gesetzgebung stieg die Anzahl der durch die Opposition initiierten Filibuster. (Ebd.) Seit den 1990ern ist bedingt durch den erhöhten Arbeitsaufwand, die begrenzte Zeitspanne für die Debatten im Plenum und durch umstrittene Gesetzesvorlagen der Filibuster oder die Androhung eines solchen zu einer potenten Waffe der Opposition geworden. Die politische Bedeutung der Verschleppung des Gesetzgebungsprozesses: Während eines Filibusters ruhen sämtliche Gesetzesvorlagen, welche vor dem Plenum debattiert werden sollten. Zwar kann ein einzelner Senator keinen erfolgreichen Filibuster initiieren, doch ist bereits eine relativ kleine Minderheit von acht oder zehn Senatoren im Stande Gesetzesvorlagen zu blockieren. (Vile, 138) Selbst das Androhen eines Filibusters kann die Kongressführung abhalten eine Vorlage einzureichen. Somit erreichen viele strittige Vorlagen nicht einmal das Plenum. (Vile, 138; Oleszek, 237) Wegen der closure rule (s.u) ist bei einer strittigen Gesetzesvorlage faktisch eine Mehrheit von 60 Senatoren notwendig. (Oleszek, 237) Dabei können die Gegner einer Gesetzesvorlage durch die Nutzung eines Filibusters für ihr Anliegen mediale Aufmerkasmkeit generieren. Die Beendigung eines Filibusters: Theoretisch gibt es zwei Möglichkeiten einen Filibuster zu beenden: 1. man kommt der Opposition entgegen und lässt die strittigen Punkte bzw. das Gesetz fallen: Informeller Kompromiss. Oder, 2. man beendet den Filibuster durch das Votum einer qualifizierenden Mehrheit: Closure. (Oleszek, 240) Bis 1917 gab es keine Möglichkeit einen Filibuster durch eine qualifizierende Mehrheit zu beenden. (Vile, 138) 1917 wurde, als Gegenmassnahme die closure rule eingeführt. Ein Filibuster konnte nun zunächst durch zweidrittel Mehrheit beendet werden, ab 1975 durch eine dreifünftel Mehrheit: 60 Senatoren. (Vile 139; Oleszek 240-45) Die politische Praxis zeigt jedoch, dass selbst ein closure ein zeitaufwendiges Unterfangen ist. (Oleszek, 241f) Obwohl der Fillibuster für die jeweilige Senatsmehrheit als eine Last erscheint, sind diese dennoch nicht bereit ihr individuelles Privileg abzuschaffen, denn in einem anderen Fall könnten sie selbst auf einen Fillibuster zur Wahrung ihrer Interessen angewiesen sein. (Vile, 138) 3 II. Omnibus bill 1. Was ist eine omnibus bill? Omnibus bills oder auch megabills sind Gesetzespackete, welche verschiedenste Gesetzeszusätze im Rahmen des Budgetverteilungsprozesses zusammenfasst. (Oleszek, 61). 2. Praktische Relevanz Diese Gesetzgebung wird vor allem bei Bewilligungsprozessen des Haushalts verwendet, bei dem meist wenig Zeit zur Verfügung steht. Das Budget für einzelne Institutionen und Programme wird in Form eines Packetes verabschiedet, was zeit- und ressourcensparend ist. (Oleszek, 61) Omnibus bills haben seit den 80er Jahren deutlich zugenommen. Sie ermöglichen der Parteiführung kontroverse Zusätze in Gesetzespackete zu integrieren und diese dadurch „einzukaufen“ → Bargain-Instrument. (Oleszek, 14) 3. Ursprüngliche Strategien den „Famely Wellness Act“ zu verabschieden Der Family Wellness Act war als eine omnibus bill geplant, welche veschiedene Bewilligungsposten im Gesundheitsbereich finanzieren sollten, vor allem im Bereich der Gesundheitsvorsorge für Kinder. Jedoch sollte sich das Gesetz nicht zu einer „Chrismas tree bill“ (Josh in: The West Wing) entwickeln, in der jeder nach seinem Willen Zusätze anhängen kann, denn dies könnte das gesamte Gesetzesvorhaben scheitern lassen. Nach monatelangen Verhandlungen des WHO mit der Kongressführung beider Parteien war, das Gesetz bereits ausverhandelt. Ein weiterer Zusatz hätte auch eine weitere Verhandlungsrunde und damit auch weitere Kompromisse erfordert. Quellen: The West Wing, The Stackhouse-Filibuster, Staffel 2, Folge 17, (Dialogauszug). 4 Oleszek, Walter J., Congressional Procedures and the Policy Process, Washington, D.C. 20077th, 13-16, 59-61, 237-245 Singh, Robert, American Government and Politics; London 2003, 172f. Vile, M.J.C., Politics in the USA, 138f.