Die Kongregation der Schwestern vom Allerheiligsten Heilande genannt "Niederbronner Schwestern" Ein Beitrag zur Geschichte der christlichen Liebestätigkeit der neuesten Zeit Von Dr. Luzian Pfleger Priester des Bistums Straßburg Freiburg im Breisgau 1921 Herder & Co. G.m.b.H. Verlagsbuchhandlung Berlin, Karlsruhe, Köln, München, Wien, London, St. Louis Mo. 2 Imprimatur Argentinae, die 19 Maii 1921 E. Kretz, V.g. ___________ Imprimatur Friburgi Brisgoviae, die 25 Iulii 1921 Carolus, Apps Alle Rechte vorbehalten Buchdruckerei von H e r d e r & Co. G.m.b.H. in freiburg i. Br. 3 Seinem verehrten Oheim Dr. theol. Nikolaus Paulus Päpstlicher Geheimkämmerer und Ehrenkanonikus dem langjährigen Hausgeistlichen des Münchner Herz-Jesu-Klosters in dankbarer Liebe der Verfasser 4 Anmerkung: Die Texte sind in der dem Verfasser vertrauten Rechtschrift wiedergegeben. 5 Vorwort Die Anregung zu diesem Buche ging von Herrn Superior und Kanonikus Hanns aus dem Mutterhause Oberbronn aus, der die Wichtigkeit einer zuverlässigen und quellenmäßigen Geschichte für das innere Leben einer so ausgedehnten Genossenschaft wie die der Niederbronner Schwestern wohl erkannte. Muß nicht in den Seelen der Mitglieder die Begeisterung für ihr Berufsideal wachsen, als sie eine tiefere Erkenntnis besitzen der großen Sache, der sie dienen, und der Familie, der sie angehören? Aber auch für die Allgemeinheit kann eine eingehendere Darstellung einer modernen sozialkaritativen religiösen Genossenschaft nicht ohne tieferes Interesse sein. Ist sie doch geeignet, auch weiteren Kreisen, die vielfach der meist im stillen sich vollziehenden Tätigkeit solcher kirchlichen Organisationen gleichgültig oder gar verständnislos gegenüberstehen, die Augen zu öffnen und ihnen Einblick zu gewähren in die reichsprudelnden Quellen selbstloser Liebe, die auch in einer Zeit, wo brutaler Egoismus und schrankenlose Genußsucht einen großen Teil der Menschheit beherrschen, im Schatten der katholischen Kirche fließen und ihren reichen Segen über die Wüstenstriche menschlichen Elends leiten. Nur zögernd ist der Verfasser dieses Buches der Aufforderung zu seiner Abfassung nachgekommen, weil er vor den Schwierigkeiten zurückschreckte, die eine eindringende Darstellung, vor allem die übersichtliche Gruppierung des gewaltigen, disparaten Stoffes der nicht abgeschlossene Geschichte, sondern noch warm pulsierende Tätigkeit ist, an den Bearbeiter stellen. Nachdem er sich einmal entschlossen hatte, war ihm sein Ziel sofort klar: kein trockenes Gerippe von Daten und Tatsachen zu schaffen, das nur den Freund von Tabellen und Statistiken interessiert, sondern ein wirkliches Hausbuch über und für die Genossenschaft. Es galt also, ein lebensvolles, gemeinverständliches, alle Seiten des Genossenschaftslebens berührendes Bild der Kongregation zu zeichnen, ihr Werden, Wachsen und gedeihen im Fluss der Zeitgeschichte zu verfolgen, den Anteil der beteiligten Persönlichkeiten gewissenhaft zu umschreiben, sie getreulich zu charakterisieren. Es galt, das Hauptziel nicht aus den Augen zu verlieren: die Geschichte der ganzen Genossenschaft, nicht etwa bloß, wie es vielfach geschieht, die Biographie der Gründer als Hauptsache zu betrachten und die Weiterentwicklung des Werkes auf ein knappes Verzeichnis der einzelnen Filialgründungen zu beschränken. Das ist freilich bequemer, aber der Gesamtgeschichte der christlichen Caritas der Neuzeit ist damit nur mäßig gedient. Darum glaubte der Verfasser auch die Hausgeschichte jeder einzelnen Niederlassung berücksichtigen zu sollen. Er hatte, da das Buch vor Kriegsausbruch begonnen war, jede Hauschronik mit einer gewissen Ausführlichkeit behandelt, manche schöne Schwesterntat registriert, die Verzeichnisse der Oberinnen beigegeben. Nur mit Bedauern sah er sich, in Anbetracht der gewaltig gestiegenen Druckkosten, veranlasst, alles bis auf das unumgänglich Nötige zusammenzustreichen. Auch eine Serie für den Statistiker wertvoller Tabellen, wie sie z.B. W. Hohns Buch "Die Nancy-Trierer Borromäerinnen in Deutschland 1810-1899" auszeichnen, mußte wegbleiben, um den Umfang des Buches nicht allzu stark werden zu lassen. Bezüglich der Quellen sei folgendes bemerkt: Neben dem Generalarchiv des Mutterhauses kam vor allem das Ordinariatsarchiv des Bistums Straßburg in Betracht. Es war ein glücklicher Umstand, daß Bischof Andreas Räß, der Hauptförderer des Werkes, alle auf dasselbe bezüglichen Schriftstücke und Korrespondenzen sorgfältig sammelte und verwahrte. Nur so ist es möglich gewesen, über die bereits von der geschäftigen Legende umsponnene Gründungsepoche die nötige Klarheit zu erlangen. 6 Die Korrespondenzen von Bischof Räß mit auswärtigen Kirchenfürsten lagen alle in eigenhändigen Konzepten des Bischofs vor, ebenso die Korrespondenzen der Generaloberinnen in sorgfältig geführten Kopialbüchern. Wertvolle, die Tätigkeit der Schwestern betreffende Angaben über die Frühzeit (besonders über die drei ersten Kapitel des zweiten Buches) lieferten die Aussagen hochbejahrter, jetzt verstorbener Schwestern. So ist das Buch auf zuverlässigen Quellen aufgebaut. Da es die Geschichte einer Kongregation behandelt, deren Mitglieder verschiedenen Nationen angehören, die der unheilvolle Krieg entzweite, so hat der Verfasser sorgfältig alles zu vermeiden gesucht, was hüben und drüben ein empfindliches Gemüt in Wallung versetzen könnte. Dies zu versichern sollte überflüssig erscheinen bei der Schilderung eines Werkes der christlichen Liebe. Denn diese ist inter- und übernational wie die Person des Herrn selbst, der gekommen ist, um den Völkern die Liebe zu bringen. Noch zu danken bleibt mir: so den ehrwürdigen Sekretariatsschwestern Synesia und Gilbert, an deren Tür ich so oft und nie vergebens pochte; der ehrwürdigen Schwester Laurienne, Oberin des Herz-Jesu-Klosters in München, für viele wertvolle Mitteilungen; der greisen Schwester Leonie im Mutterhause, die mit unermüdlicher Geduld viele kleine Bausteine zusammentrug. Vor allem aber meinem lieben Freund Joseph Fischer, Hausgeistlichen zu Oberbronn, der von Anfang an dem Buch und seinem Gedeihen das tatkräftigste und selbstloseste Interesse entgegenbrachte und es in jeder Weise förderte; ihm verdanke ich auch die wertvollen Übersichten des Anhangs. Mit Vergnügen denke ich an die stillen Arbeitsstunden im tannenumrauschten Mutterhause zurück, die mir durch die Gastfreundschaft der ehrwürdigen Generaloberin Schwester M. Livier und die stetige fördernde Teilnahme des Herrn Superiors Hanns mehr Erholung als Mühe schienen. Hat der Verfasser von jeher die bescheidene, in hingebungsvoller Liebe ihre Kranken pflegende Niederbronner Schwester bewundert, so ist diese Bewunderung durch die eingehende Beschäftigung mit ihrer großen Klosterfamilie nur gewachsen. Er schätzt sich glücklich, ihrem aufopferungsvollen Wirken im Dienste der leidenden Menschheit ein bescheidenes Denkmal gesetzt zu haben. Mögen die Schwestern sich dessen freuen und seinem Urheber ein frommes Gedenken bewahren. Straßburg, am Sonntag Trinitatis 1921. Der Verfasser. 7 Inhaltsübersicht Vorwort Seite 5 - 6 Erstes Buch. Innere Geschichte der Genossenschaft. Das Mutterhaus. Erster Abschnitt. Die Anfänge der Kongregation, ihr Werden und Wachsen bis zum Tode der Stifterin (1849 - 1867). Erstes Kapitel. Die Stifterin. Jugend und Vorbereitungszeit. Elisabeth Eppingers Geburt in Niederbronn -- Die Familie -- Lob des Vaters -- Kindheit Elisabeths, ihre frühzeitige Frömmigkeit -- Die Schuljahre; geringes Interesse für die weltlichen Schulfächer -- Eifer für den Katechismus -- Erste Kommunion -- Gelübde -- Leben im Elternhaus -- Mit 17 Jahren krank -- Drei schwere Krankheitszeiten -- Besondere Gnadengaben -- Verkehr mit Gott -- Der Seelenführer, Pfarrer Reichard; dessen religiöse Persönlichkeit -- Charakter der außerordentlichen Gnadengaben Elisabeths -- Kunde davon in der Öffentlichkeit -Stellungnahme des Bischofs Andreas Räß -- Auswärtige Besucher bei der Kranken -- Ihr Einfluß -- Der Vicomte de Bussierre -- Pfarrer Lomnitz -- Lamartine -- Kanonikus Busson; dessen Schriften über Elisabeth sind mit Vorsicht aufzunehmen -- Pius` IX. Ansicht darüber Seite 16 - 24 Zweites Kapitel. Die Gründung der Kongregation. Erfolge und Schwierigkeiten. Elisabeth bittet 1848 um Aufnahme in die Genossenschaft der Schulschwestern von Rappoltsweiler -- Bischof Räß dagegen -- Plan einer eigenen neuen Kongregation -- Neue Gelübde Elisabeths – Reichard schickt dem Bischof die Konstitutionen der zu gründenden Genossenschaft für Hauskranken- und Armenpflege -- Zeitgemäßer Charakter derselben -Pauperismus im Elsaß -- Räß gestattet und begünstigt die Gründung -- Bau des Klosters in Niederbronn durch Pfarrer Reichard -- Ende der Leidenszeit Elisabeths -- Ihre Einkleidung im neuen Kloster (1849) -- Die ersten Schwestern -- Reichard Superior – Anfang der Liebestätigkeit -- Profeß der Oberin -- Existenzmittel der Genossenschaft -- Bau der Kapelle, von Räß konsekriert -- Gegner des Werkes -- Der falsche Ludwig XVII. -- Der Bischof von La Rochelle -- Louis de Cissey verteidigt die Oberin -- Staatsrat Jarcke -- Exerzitien in Notre-Dame -- Lichtblicke -- Stimmen für Elisabeth Seite 24 - 34 8 Drittes Kapitel. Die ersten Statuten. Allmähliche Ausbreitung. Die Feuerprobe im Cholerajahr 1854. Zweck der Kongregation -- Inhalt der Statuten -- Ausbildung der Schwestern -- Die Novizenmeisterin -- Unliebsame Erfahrungen; bald abgeschafft -- Ausbreitung im Elsaß -Glänzende Zeugnisse -- Das Cholerajahr -- Wie die ehrwürdige Mutter die Schwestern anfeuert -- Die Feuerprobe bestanden Seite 35 - 40 Viertes Kapitel. Die staatliche Genehmigung. Erstes Gesuch um dieselbe 1853, ohne Erfolg -- Zweites Gesuch – Die staatliche Anerkennung 1854 Seite 40 - 41 Fünftes Kapitel. Die Gründung der Bruderkongregation und ihr Ende. Der Ankauf von Oberbronn. Unsichere finanzielle Lage -- Superior Reichard gründet eine Genossenschaft von Laienbrüdern für Feldbau -- Ihre Organisation -- Das Bruderkloster in Niederbronn -- Singlingen; das Waisenhaus – Aufhebung der Bruderkongregation -- Erwerb des Schlosses Oberbronn; das Noviziat dorthin verlegt (1858) -- Das Landschaftsbild Seite 41 - 45 Sechstes Kapitel. Die rasche Verbreitung der Schwestern in fremden Diözesen. Lob durch die Bischöfe. Das päpstliche Belobigungsdekret von 1863 und die päpstliche Approbation von 1866. Eifer der Generaloberin für die Ausbreitung -- Filialen in Frankreich, Bayern, Österreich, Ungarn -- Freude des Bischofs Räß -- Stimmen fremder Bischöfe -- Räß erbittet die päpstliche Bestätigung -- Das Belobigungsdekret (1863) -- Römische Wünsche -- Anklagen aus dem Elsaß -- Räß an die Stifterin -- Die päpstliche Approbation (1866) -- Das Fest im Mutterhause -Simonis als Festprediger Seite 45 - 51 Siebtes Kapitel. Ein schwerer Verlust: die Trennung von Wien, Ödenburg und Würzburg (1866) - Der Tod der Stifterin (1867). Befürchtungen des Superiors -- Trennung der Häuser in Wien, Ödenburg und Würzburg, die selbständige Genossenschaften bilden -- Schmerz im Mutterhause -- Tod der ehrwürdigen Mutter und des Superiors Reichard -- Die Persönlichkeit der Stifterin -- Ihre Macht über die Menschen -- Das Urteil bedeutender Zeitgenossen -- Prinzessin Karoline von Hohenzollern, Alexandra von Bayern Seite 41 - 55 9 Zweiter Abschnitt. Krisen und Prüfungen. Der Deutsch-französische Krieg (1867 - 1872). Erstes Kapitel. Generaloberin Schwester Adelinde und Superior Sattler. Die Wahl der Generaloberin -- Ihr Vorleben -- Prof. Sattler Superior -- Seine Persönlichkeit -- Rückverlegung des Noviziats nach Niederbronn -- Prozeß der Erben Eppinger -- Schwierige finanzielle Lage -- Verkauf des Gutshofes Singlingen Seite 55 - 57 Zweites Kapitel. Die Schrecken des Krieges. Die Schlacht bei Fröschweiler und Wörth -- Deutsche Verfolgungstruppen in Niederbronn -- Gefahr des Mutterhauses -- Was die Generaloberin erzählt -Verwundetenpflege -- Opfermut der Schwestern -- Die Vorsehung sorgt -- Folgen des Krieges für die Genossenschaft -- Mangel an Nachwuchs Seite 58 - 62 Drittes Kapitel. Die neuen Statuten und ihre Ablehnung. Sattlers Weggang. Der Superior reist nach Rom, um die päpstliche Approbation der Statuten zu erlangen -Er verfaßt neue, von Räß ermächtigt -- Approbation derselben -- Ihre Ablehnung im Generalkapitel zu Niederbronn -- Räß gestattet die alten vorläufig beizubehalten -- Sattlers Protest – Seine Abberufung -- Der Grundfehler dieser inneren Wirren -- Beurteilung der Sattlerschen Statuten -- Warum die Schwestern sie ablehnen -- Beschwörung der KrisisS. 62 - 64 Dritter Abschnitt. Steigende Entwicklung der Kongregation unter dem dritten Superior Ignatius Simonis (1872 - 1903). Erstes Kapitel. Superior Simonis. Innere Festigung der Genossenschaft. Das Noviziat. Rückblick -- Simonis der zweite Begründer der Genossenschaft – Seine bisherige Laufbahn -- Stand der Kongregation bei seinem Amtsantritt -- Wie er Berufe gewinnt -Ausbildung der Novizinnen – Unermüdlichkeit des Superiors – Exerzitien Seite 65 - 70 Zweites Kapitel. Das neue Verhältnis der Kongregation zu Frankreich. Die reichsländische Regierung. Regelung des Verhältnisses zur französischen Regierung -- Das Kongregationshaus zu Epinal -- Die reichsländische Regierung – Wohlwollen des Statthalters v. Manteuffel -- Die finanzielle Lage – Allmähliche Besserung -- Verlegung von Mutterhaus und Noviziat nach Oberbronn -- Neubauten -- Niederbronn wird Altersheim Seite 70 - 72 10 Drittes Kapitel. Die vorläufige Approbation der neuen Konstitutionen (1877). Räß bittet nachträglich in Rom um Beibehaltung der alten Satzungen -- Neuordnung der Bestimmungen über das Generalkapitel -- Simonis arbeitet neue Statuten aus -- Sie werden in Rom probeweise für fünf Jahre bestätigt -- Rundschreiben der Generaloberin -- Bewährung der Statuten Seite 72 - 74 Viertes Kapitel. Weitere Ausbreitung der Kongregation. Tod der ehrwürdigen Mutter M. Adelinde. Günstige Zeugnisse der Bischöfe -- Kardinal Dechamps -- Freiherr von Ketteler -Erzbischof Gregorius v. Scherr von München -- Die Münchner Noviziatsfrage -- Simonis kämpft für die Einheit der Genossenschaft, in Übereinstimmung mit Bischof Räß -- Friedliche Lösung -Weitere Verbreitung der Kongregation -- Stand von 1891 -- Tod der Mutter Adelinde -- Ihre Persönlichkeit – Begräbnis Seite 74 - 77 Fünftes Kapitel. Schwester Damien, die dritte Generaloberin. Vergrößerung des Mutterhauses. Das Jubelfest 1899. Die Neuwahl -- Vorleben der neuen Generaloberin -- Große Neubauten -- Die Kapelle -Das Krankenhaus -- 120 Neugründungen unter Schwester Damien -- Das fünfzigjährige Jubelfest der Genossenschaft -- Tod der ehrwürdigen Mutter -- Muster einer OrdensfrauS. 77-79 Sechstes Kapitel. Simonis und der Geist der Genossenschaft. Wie der Superior die Schwestern heranbildet -- Seine Erbauungsbriefe -- Der Ordensberuf -- Die Wichtigkeit der klösterlichen Regel – Alles aus Liebe zu Gott und zu Christus -- Das Gebet -- Mangel an Eifer; die Lauigkeit im Beruf -- Selbstverleugnung -- Fröhliche Schwestern -- Der Dienst der Armen und Kranken -- Geistliche Werke der Barmherzigkeit -- Der Geist schwesterlicher Liebe und Einigkeit -- Tadel und Lob -- Schwester Sigismund -- Lob seitens des Stadtpfarrers Wiedemann -- Die Klostergeistlichen von Oberbronn und Niederbronn – Der Redemptoristenorden Seite 79 - 86 Siebtes Kapitel. Schwester M. Macrine Frey, die vierte Generaloberin. Tod des Superiors Simonis 1903. Die Neuwahl -- Früheres Wirken der Schwester Macrine -- Krankheit des Superiors Simonis und Tod -- Großartige Leichenfeier – Trauerrede des Superiors Guerber -- Die Persönlichkeit des Toten -- Sein Wirken für die katholische Sache; der Mann des Volkes -- Die katholische Presse -- Die Missionen -- Selbstlos als Mensch und Freund – Der Politiker -Windthorst – Bismarck Seite 86 - 89 11 Achtes Kapitel. Simonis’ Nachfolger: Konstantin Hanns - Tod der Schwester M. Macrine. Schwester Marie Livier, die fünfte Generaloberin. Fortschreitende günstige Entwicklung der Genossenschaft. Tätigkeit des neuen Superiors Hanns -- Bauliche Veränderungen im Mutterhause -Erwerb eigener Schwesternhäuser auswärts -- Krankheit und Tod der Generaloberin Schwester Macrine -- Ihre Nachfolgerin Schwester Marie Livier -- Das Odilienkrankenhaus in StraßburgNeudorf als Krankenpflegeschule -- Personalstand am 31. Dezember 1913 S. 89 - 92 Vierter Abschnitt. Die Jahre des Weltkrieges. Neuorganisation der Genossenschaft. Die Errichtung von Provinzen. Erstes Kapitel. Die Geschichte der Kongregation während des Weltkrieges. Der Kriegsausbruch -- Fieberhafte Tätigkeit -- Die Kongregation im Dienste des Kriegselends -- Die Häuser in den Okkupationsgebieten -- Zerstörte und beschädigte Niederlassungen im Elsaß und in Nordfrankreich -- Die Waisenkinder von Gebweiler im Mutterhause -- Die Verbindung der durch die Frontlinie getrennten Schwestern mit dem Mutterhause -- Profeß in der Kriegszeit -- Ein Noviziat in Frankreich Seite 92 - 94 Zweites Kapitel. Die Neuorganisation der Genossenschaft. Vier Provinzen. Die neuen Statuten Der Geist der Genossenschaft leidet nicht unter den Kriegsfolgen -- Allseitiges Lob -Kriegsopfer -- Personalstand am 31. Dezember 1919 -- Zunahme -- Die Wirkungen der politischen Ereignisse -- Das Mutterhaus auf französischem Boden -- Neuorganisation und kanonische Errichtung von vier Provinzen -- Der Kardinalprotektor -- Das provisorische Statut der Provinzen -- Die neuen Provinzial-oberinnen – Noviziate in Bühl (Baden) und Neumarkt (Bayern) -- Die revidierten Statuten in Rom -- Personalstand am 1. Januar 1921 S. 94 - 97 ------------------------ Zweites Buch. Bilder aus dem Leben und Wirken der Genossenschaft. Erstes Kapitel. Auf Schlachtfeldern und in Lazaretten. 1. Im Krimkriege. 2. Im italienisch-österreichischen Kriege von 1859. 3. Der deutschdänische Feldzug von 1864. 4. Der Krieg von 1866. 5. Der deutsch-französische Krieg von 1870 – 1871. Im Felde. Vor Paris. In Orléans. Vor Belfort. In Reservelazaretten im Elsaß und im Innern Frankreichs. riegsspitäler auf deutschem Boden. 6. Im bulgarisch-serbischen Krieg von 1885 – 1886. 7. Im Weltkrieg 1914 – 1918. Die Lazarette der Genossenschaft in Deutschland. In anderen Lazaretten. Opfer des Krieges unter den Schwestern. Sonstige Kriegsleistungen. 12 Die französischen Schwestern im Kriegsdienst. Die belgischen. Kriegsopfer. Heimatdienst. Auszeichnugen. Seite 98 - 113 Zweites Kapitel. Im Kampfe gegen verheerende Volksseuchen. 1 . D i e C h o l e r a e p i d e m i e n i m J a h r e 1 8 5 4 u n d 1 8 5 5 . In Straßburg -Opfermut des Bischofs Räß -- Schlettstadt -- Kestenholz -- Gerstheim -- Colmar -Krankheitsbild -- Schwester Caritas -- Die Schwestern in Beaucourt, Mirecourt, Neuf-Château -Im Moseldepartement -- Lob durch den Bürgermeister in Maville, den Pfarrer von Loisy -Anerkennung der Regierung -- Die Presse -- Was die Generaloberin dem Bischof meldet -- Die Seuche von 1855. 2 . D i e C h o l e r a e p i d e m i e n v o n 1 8 6 6 u n d 1 8 7 3 . In Unterfranken und Hessen -- Luxemburg -- Pfalz -- Speyer – Was Schwester Menodora erzählt -- Lob der Behörden – München. 3 . T y p h u s e p i d e m i e n . In der Pfalz -- Güntersleben -- König Ludwig - In Straßburg und Elsaß -- In Lothringen -- Ärztliches Lob -- In Hessen -- Opfer des Berufes -Heldentod der Schwester Quadrata. Seite 113 - 123 Drittes Kapitel. Im Weinberg des Herrn. Sorge der Schwestern um das Seelenheil der Kranken -- Vorwürfe der Gegner unberechtigt -- Verhalten der Diakonissen -- Das Recht der Krankenschwester -- Veredelnder Einfluß ihrer Liebestätigkeit -- Der alte Kapitain -- Die Münchner Schauspielerin -- Das Vinzentiushaus in Karlsruhe -- Der bekehrte Gottesleugner in St. Diè -- Sinnesänderung eines abgefallenen Priesters -- Die Schwestern und die Freimaurer -- Lob durch Kardinal Richard von Paris -- Die Krankenschwester als Friedensstifterin -- Regulierung wilder Ehen -- Was Schwester Ludwina zu Epinal fertig bringt – Im Weltkrieg -- Die Mädchenhorte -- Lobsprüche des Domkapitulars Molitor von Speyer und des Kardinals Langènieux von Reims Seite 123 - 129 Viertes Kapitel. Die sozialökonomische Bedeutung der Kongregation für Staat und Gesellschaft. Notwendigkeit der kirchlichen Wohltätigkeitsgenossenschaften -- Die Hauskrankenpflege heute mehr als anerkannt -- Wichtigkeit der Krankenschwester für die Landbevölkerung -Ärztliche Stimmen -- Die große soziale Gegenwartsbedeutung unserer Kongregation ist die Armenkrankenpflege in Stadt und Land -- Die Bestimmungen der Ordenssatzungen -- Pflege der Reinlichkeit -- Die Schwester ersetzt die Mutter -- Moralischer Einfluß -- Lob des Bischofs von Lüttich -- Fürsorge für Lungenkranke -- Einige Zahlen -- Vorzüge der durch Ordensgenossenschaften geübten Krankenpflege -- Billigkeit -- Sparsamkeit der Schwestern -Modern eingerichtete Krankenhäuser -- Waisenfürsorge -- Kinder- und Jugendfürsorge -Bewahranstalten -- Kein ausschließliches Verdienst Fröbels -- Ihre soziale Bedeutung -- Das Herz-Jesu-Kloster in München -- Religiöse Erziehung der Kinder, doch ohne Übertreibung -Berücksichtigung der Fröbelschen Methode -- Einige Zahlen -- Krippenanstalten -- Kinderhorte - Weihnachtsbescherung -- Handarbeits- und Haushaltsschulen -- Jungfrauenvereine und Mädchenheime -- Volkswirtschaftliche Wertung der geleisteten Arbeit -- Die Krankenschwester - Erfolg der Sparsamkeit -- Entlassung von Staat und Gemeinde Seite 129 - 137 ------------------------ 13 Drittes Buch. Äußere Geschichte der Genossenschaft. Ihre Ausbreitung. Erster Abschnitt. Die im Jahre 1866 abgetrennten Zweige zu Wien, Ödenburg und Würzburg. Erstes Kapitel. Die Niederlassung in Wien und ihre Trennung (1857 - 1866). Anfrage der Gräfin Flora v. Fries -- Einwilligung des Kardinals Rauscher zur Gründung eines Schwesternhauses in Reindorf -- Die ersten Schwestern -- Schwierigkeiten von Seiten des Elisabethenvereins -- Neue Wohnungen -- Waisenanstalt -- Erfolge der Oberin Schwester Theophile -- Filiale in Ödenburg -- Die Frage eines Postulates -- Das Projekt eines Noviziatshauses -- Aufruf für eine Kollekte -- Der Neubau -- Der Kardinal will ein Noviziat errichten -- Widerstand im Mutterhause -- Reise der Generaloberin nach Wien -- Gegensätze zwischen ihr und der Wiener Oberin -- Der Kardinal verlangt ein Provinzialhaus -Stellungnahme des Bischofs Räß -- Die Errichtung eines Wiener Mutterhauses -- Die Wiener Oberin teilt die vollzogene Loslösung von Niederbronn mit -- Beschwerde in Rom, ohne Erfolg -Jetziger Stand der Wiener Genossenschaft. Seite 138 - 144 Zweites Kapitel. Das Haus in Ödenburg, Diözese Raab (1863 - 1866). Gründung -- Wünsche des Bischofs bezüglich eines Noviziates – Die Trennung, zugleich mit dem Wiener Hause -- Später selbständiges Mutterhaus – Wiedervereinigungspläne S. 144 Drittes Kapitel. Würzburg (1854 - 1866). Die erste Niederlassung -- Erfolge -- Andere Gründungen in der Diözese -- Lobsprüche - Schwierigkeiten -- Die Exerzitienfrage und der Bischof -- Die Rolle der Würzburger Oberin -Gegensätze zwischen Niederbronn und Würzburg -- Das Verhalten der Generaloberin -- Bischof Räß zu der Sache -- Würzburg wird selbständiges Mutterhaus -- Brief des Würzburger Oberhirten -- Rückkehr vieler Schwestern -- Die Frage in Rom -- Räß` Vermittlungsversuch erfolglos -- Spätere Annäherungsversuche -- Münnerstadt -- Heutiger Stand der Würzburger Genossenschaft Seite 146 - 151 Zweiter Abschnitt Die Niederlassungen der Genossenschaft in den jetzigen Ländern und ihrer Ausbreitung. Erstes Kapitel. Belgien. 1. Diözese Lüttich. 2. Diözese Mecheln. 3. Diözese Brügge. Seite 151 14 Zweites Kapitel. Die Niederlassungen im Deutschen Reiche. A. Baden. Erzdiözese Freiburg. Die Anfänge in Baden -- Der Vinzenzverein Karlsruhe beruft 1857 Niederbronner Schwestern -- Staatliche Genehmigung, doch mit Einschränkung -- Lob der Schwestern durch Kaplan Höll -- Das Vinzentiushaus – Schwester Bonaventura -- Erteilung der Korporationsrechte -- Tod der Schwester Bonaventura -- Ihre Persönlichkeit -- Hohe Beziehungen -- Das "Neue Vinzentiushaus" -- Das fünfzigjährige Jubiläum -- Schreiben des Erzbischofs Dr. Rörber -- Die übrigen Niederlassungen in Baden Seite 152 - 166 B. Hessen. Diözese Mainz Berufung der ersten Schwestern nach Darmstadt durch Stadtpfarrer Dr. Lüft -- Das Barmherzige Schwesternhaus zu Darmstadt -- Die schwierigen Anfänge -- Wachsende Sympathien für die Schwestern in protestantischen Kreisen -- Finanzielle Unterstützung durch die Direktion des Glaubensverbreitungswerkes zu Lyon, vermittelt durch Bischof Räß -- Der Neubau -- Erteilung der Korporationsrechte -- Staatsrechtliche Lage -- Weitere Entwicklung -Die Oberin Schwester Bonaventura – Stadtpfarrer Beyer -- Bischof v. Ketteler wünscht die Versetzung der Oberin -- Vergebliche Schritte für ihr Bleiben -- Schwester Gorgonia -- Tod Dr. Lüfts -- Wohlwollen des Bischofs v. Ketteler -- Die Kulturkampfzeit -- Das fünfundzwanzigjährige Jubelfest -- Zweiter Neubau und Kapelle 1887 -- Das goldene Jubiläum - Schreiben des Bischofs Dr. Kirstein -- Die anderen Gründungen in Hessen Seite 166 - 176 C. Rheinpfalz. Diözese Speyer. Bischof Nikolaus Weis und die Genossenschaft -- Die ersten Schwestern in Speyer -Fernere Gründungen -- Ausweisungsbefehl seitens der Staatsregierung -- Entrüstung in der katholischen Bevölkerung -- Was die "Deutsche Volkshalle" schreibt -- Einschreiten des Bischofs -- Der päpstliche Nuntius in München -- Schreiben des Reichsrats Graf Arco Valley -Eine von Molitor verfasste Denkschrift -- Lob der Schwestern -- Kritik der Regierungsmaßnahmen -- Bischof Weis an die bayrischen Bischöfe -- Hartnäckigkeit des Regierungspräsidenten v. Hohe – Protest des Bischofs -- Einlenken der Regierung -- Tätigkeit der Schwestern in Speyer im Dienste des Vinzenzvereins -- Beschränkung ihres Wirkungskreises -- Unsicherer staatsrechtliche Lage, erst 1891 geklärt -- Bischof Ehrler -- Die übrigen Häuser der Kongregation in der Rheinpfalz Seite 176 - 186 D. Das rechtsrheinische Bayern. 1. Erzdiözese München-Freising. Die Anfänge in München. Die Stellung der Schwestern im Diözesanverband und die staatsrechtlichen Verhältnisse. Das Herz-Jesu-Kloster. Der Vinzenzverein München beruft 1857 die ersten Schwestern -- Das Vinzentinum -Erzbischof Gregor v. Scherr -- Andere Gründungen in der Diözese -- Wirkungen der Würzburger Vorgänge -- Domkapitular v. Prentner -- Auftauchen der Noviziatsfrage -- Bau des Herz-Jesu- 15 Klosters -- Herr v. Prentner gegen ein Noviziat -- Die Frage der Korporationsrechte -- Die Kongregationsleitung gegen ein Münchner Noviziat – Die Haltung des Bischofs Räß -Sammlungen für das Herz-Jesu-Kloster -- Popularität der Schwestern -- Die Erteilung der Korporationsrechte unter der Voraussetzung eines selbständigen Provinzialhauses – Einweihung der Kapelle -- Der Erzbischof drängt auf ein Noviziat -- Zusage der Münchner Oberin Lukretia -- Eine Entscheidung des Mutterhauses -- Oberhirtliche Anerkennung des HerzJesu-Klosters als Provinzhaus -- Errichtung eines Noviziates -- Die erste Einkleidung -- Ernste Differenzen mit dem Mutterhause -- Bischof Räß gegen das Noviziat -- Superior Simonis handelt nach seinen Weisungen -- Der Rekurs nach Rom, wo das Noviziat aufgehoben wird -Erzbischof Gregor an Räß; dessen Antwort -- Eine Denkschrift Simonis` gegen das Münchner Noviziat -- Weitere Entwicklung des Herz-Jesu-Klosters -- Endliche Lösung der Hauseigentumsfrage und Regelung der staatsrechtlichen Lage -- Neubauten -- Ein Postulat -Die Revolutionstage -- Die übrigen Häuser der Erzdiözese München Seite 186 - 198 2. Erzdiözese Bamberg. 3. Bistum Augsburg. 4. Bistum Eichstätt. 5. Bistum Passau 6. Bistum Regensburg. Seite 198 - 202 Drittes Kapitel. Frankreich. Anfänglich weniger Niederlassungen im Innern Frankreichs -- Gründe dafür -Festsetzung in der Erzdiözese Paris -- Gutachten des Militärgeistlichen Bougereau -- Die staatsrechtliche Lage nach 1870 – Der Kulturkampf -- Nur geringe feindselige Maßnahmen -Die Volkstümlichkeit der Schwestern -- Wachsende Nachfrage -- Die Häuser in den Diözesen Besancon, Châlons, Dijon, Langres, Lille, Nancy, Paris, Reims, Troyes, Valence, Straßburg, Metz Seite 203 - 221 Viertes Kapitel. Niederlassungen in den Diözesen Luxemburg und Basel. Seite 222 -----------------------Nachträge. Erzdiözese Mecheln. Mannheim-Neckarvorstadt. Seite 222 ------------------------ Anhang. Tabellen und Übersichten. I. Die Generaloberinnen. II. Die Generalassistentinnen. III. Die Generalsekretärinnen. IV. Die Provinzoberinnen und ihre Assistentinnen. V. Die Novizenmeisterinnen. VI. Die Postulantenmeisterinnen. VII. Die Zahl der Profeßschwestern 1872 – 1920. VIII. Übersicht über die Ausbreitung der Kongregation in den verschiedenen Bistümern (1850 - 1920). IX. Zusammenfassende Übersicht über die Tätigkeit der Kongregation nach dem Stand vom 31. Dezember 1920. X. Übersicht über die am 31. Dezember 1920 bestehenden Niederlassungen. XI. Aufgehobene Niederlassungen Seite 223 - 238 Anmerkungen Seite 239 - 259 ------------------------ 16 Erstes Buch. Innere Geschichte der Genossenschaft. Das Mutterhaus. Erster Abschnitt. Die Anfänge der Kongregation, ihr Werden und Wachsen bis zum Tod der Stifterin (1849 - 1867). Erstes Kapitel. Die Stifterin. Jugend und Vorbereitungszeit. Das prächtige Gleichnis vom Senfkörnlein, das sich zum weitästigen, mächtigen Baume entwickelt, worunter der Gottessohn das erstaunliche Wachstum seiner aus so geringen Anfängen gewordenen Kirche versinnbildet, kann man auch auf das Entstehen und rasche wachsen der Kongregation der Niederbronner Schwestern anwenden. Aus einem kleinen Samenkorn ist das Werk entstanden. Ein einfaches, ungebildetes Bauernmädchen wählte Gott aus, um die Genossenschaft ins Leben zu rufen. Wiederholt sich hier nicht die Geschichte so vieler kirchlicher und klösterlicher Gründungen vergangener Jahrhunderte? Wie viele der großen Orden und Kongregationen, aus denen der Menschheit unendlicher Segen erwuchs, sind so aus kleinen, unscheinbaren Anfängen hervorgegangen! Am 9. September 1814 wurde E l i s a b e t h E p p i n g e r in dem in einem Tal der Vorvogesen reizend gelegenen Badestädtchen Niederbronn geboren als das älteste Kind des Landwirts Georg Eppinger und seiner Ehefrau Barbara geb. Vogt. Die Familie Eppinger war eine der ältesten ortseingesessenen katholischen Familien Niederbronns. Frommer Sinn und kernige Biederkeit waren von jeher das Erbteil gewesen, das ein Geschlecht dieses Hauses dem kommenden vermachte. Als Georg Eppinger am 12. November 1861 das Zeitliche segnete, hinterließ er der trauernden Witwe die stattliche Zahl von elf Kindern. Die Mutter selbst überlebte ihre älteste Tochter, deren Werk sie in ungeahnter Weise gedeihen sah, um fast 14 Jahre. Sie ist als Neunzigjährige am 24. Februar 1881 gestorben. Eine einfache, aber tiefreligiöse Frau von altem Schrot und Korn, erzog sie ihre zahlreichen Kinder, deren Ernährung nur durch rastloses Arbeiten auf dem nicht übermäßig ausgestatteten Hofgut bewerkstelligt werden konnte, in der Furcht Gottes, getreu den alten Vätersitten, die im katholischen Elsaß auch die Stürme der französischen Revolution überdauert hatten. Am wenigsten Erziehungsarbeit machte ihr die Erstgeborene, wenn sie auch durch ihre schwächliche Körperkonstitution stets ihr Sorgenkind geblieben ist. Was wir im Leben aller hervorragenden und Großes leistenden Menschen feststellen können, nämlich, daß sie schon von den ersten Tagen ihrer Jugend an Anzeichen der künftigen Bedeutsamkeit an sich tragen, davon zeugt auch die Kindheits- und Jugendgeschichte der Elisabeth Eppinger. Früh schon erregte sie Aufsehen durch eine geradezu auffallende Hinneigung zu allem, was mit Gott und Religion zusammenhing. In ihrer Lebensbeschreibung, die sie auf Befehl ihres Beichtvaters diesem in die Feder diktierte, berichtet sie, daß, soweit ihre Erinnerung zurückreicht, sie ein merkwürdiges Wohlgefallen an dem Englischen Gruße empfand, so oft sie ihn von den Eltern beten 17 hörte. Im Alter von vier Jahren konnte sie das Vaterunser, den Englischen Gruß und das Apostolische Glaubensbekenntnis beten. Das Aufsagen dieser Gebete, deren Sinn dem Kinde verborgen war, bereitete diesem das größte Vergnügen. Erlauschte Gespräche über das Leiden Christi entpreßten der Fünfjährigen bittere Tränen. Als sie einmal, an einem Feldkreuz vorübergehend, die Mutter fragte, warum man den lieben Heiland so gekreuzigt habe, gab die Mutter zur Antwort: "Dies, mein Kind, haben unsere Sünden getan." Auf die weitere Frage, was denn Sünde sei, entgegnete die Mutter: "Man begeht eine Sünde und beleidigt den lieben Gott, wenn man nicht mit gefalteten Händen betet, wenn man beim Beten herumschaut, wenn man ungehorsam ist, wenn man mit anderen Kindern sich zankt." Von da ab zeigte das Kind das ernsteste Bestreben, alles das, was ihm der Mund der Mutter als sündhaft angegeben hatte, zu meiden. Vom sechsten Jahre ab begann Elisabeth ihre Hauptfehler, Eigensinn und Neigung zur Heftigkeit - Gebrechen, die sie noch in späteren Jahren belästigten sorgsam zu bekämpfen. Das Leben eines Heiligen, das sie vorlesen hörte, machte auf sie nachhaltigen Eindruck. Heilig zu werden war von nun an ihr sehnlichster Wunsch. Liebe zur Einsamkeit, öfteres Verschwinden, um an abgelegenem Orte zu beten, kleine Abtötungen aus Liebe zum gekreuzigten Heilande, wie das Knien auf hartem Holz, eine wachsende Vorliebe für die kirchlichen Gottesdienste, ein ernstes, sinnendes Wesen, eine sichtliche Abneigung gegen all die kleinen Vergnügen, denen Kinder nachgehen: alles dies ließ darauf schließen, daß Gott mit diesem Kinde besondere Absichten hege. Als Elisabeth das schulpflichtige Alter erreicht hatte, schickten die Eltern sie in die Elementarschule. Zeichen besonderer Begabung waren an dem Kinde nicht zu bemerken. Für die gewöhnlichen Fächer des Lesens, Rechnens und Schreibens zeigte sie wenig Interesse. Ja sie hat es in der letztgenannten Kunst so wenig weit gebracht, daß sie auch in späteren Jahren nur ihren eigenen Namen schreiben konnte. Umso lebhafter erregte der Religionsunterricht, den der treffliche Ortsschullehrer Christian Fleck 1) erteilte, die kindliche, zu Gott hinneigende Seele. Vom zehnten Lebensjahre an nahm sie, wie es damals bräuchlich war, an dem Katechismusunterricht des Pfarrers David Reichard teil, der als Seelenführer und Mitbegründer ihres Werkes eine so wichtige Rolle in ihrem Leben zu spielen berufen war. Von nun an wurde ihre Kenntnis der Geheimnisse des Christentums immer vertiefter. Die Wahrheiten des Katechismus, die der eifrige Seelsorger mit eindringender Wärme den kindlichen Zuhörern vortrug und erklärte, öffneten der kleinen Elisabeth den Blick in eine neue, köstliche Welt, in die sich weniger ihr Verstand als ihr reiches Gemüt versenkte. So wurzelte in einem Alter, das gewöhnlich nur ganz an der Oberfläche des religiösen Lebens haften bleibt, das Gefühlsleben der kleinen Elisabeth ganz in Gott und göttlichen Dingen. Ein klarer Drang nach innerer Vollkommenheit trieb die Seele des Kindes vorwärts und ließ sie in den Übungen des Gebetes und der kindlichen Tugenden ihre höchste Wonne finden. Das zeigte sich besonders zur Zeit, wo sie zum erstenmal zum Tische des Herrn ging. Sie war, der damaligen Gepflogenheit entsprechend, 14 Jahre alt. Mit einer Sorgfalt und einem heiligen Ernst, der in ihrer Umgebung auffiel, hatte sie sich auf diesen wichtigen Tag vorbereitet. Sie bemerkte darüber später gegenüber ihrem Beichtvater: "Ohne es zu wissen, was es war, habe ich kurz vor der ersten heiligen Kommunion oft geistlicherweise kommuniziert. Wo ich mich allein befand und von anderen nicht bemerkt werden konnte, kniete ich nieder, hob meine Hände auf, öffnete meinen Mund und ahmte hierdurch ganz jenen Personen nach, die ich recht andächtig zur heiligen Kommunion hatte gehen sehen. Bei dieser Haltung betete ich innerlich: O mein Jesus, wie will ich mich doch zur heiligen Kommunion vorbereiten! O mein lieber Jesus, könnte ich doch mit rechter Andacht und Liebe vor dir knien! So oft ich von diesem Gebete aufgestanden bin, so fühlte ich in meinem Innern einen großen Trost." Daraus kann man schon die Andacht ermessen, die das Mädchen am feierlichen Tage 18 selbst beseelen mußte. All das äußerliche Drum und Dran, die Teilnahme der Verwandten, die übliche Festmahlzeit im Elternhause, waren ihrer ganz dem tiefen Gefühl des Dankes hingegebenen Seele eine Qual. Acht Tage nach dem Feste bat Elisabeth ihren Beichtvater um die Erlaubnis, ein zweites Mal kommunizieren zu dürfen. Die kirchlichen Behörden waren in diesem Punkte noch nicht so freigebig wie heute. Da Pfarrer Reichard dem üblichen Gebrauche nicht zuwiderhandeln, auch keinen Ausnahmefall schaffen mochte, der ihm Ungelegenheiten bereiten konnte, gab er dem Ansinnen Elisabeths nicht statt. Aber er ließ sich durch ihre dringenden Bitten doch bewegen, ihr acht Tage später die heilige Kommunion zu gestatten. Schließlich durfte sie alle acht Tage kommunizieren, und zuletzt erlaubte der Beichtvater, der sich dem Drängen der von Sehnsucht und Liebe zum leidenden Heilande verzehrten Seele nicht mehr widersetzen konnte, der heranwachsenden Jungfrau die tägliche Kommunion. Sie kannte von jetzt an nur noch einen Wunsch, den Willen Gottes in allem zu erfüllen. Kurze Zeit nach der ersten heiligen Kommunion hatte sie auch für eine bestimmte Zeit vorläufig das Gelübde der Keuschheit in die Hände ihres Beichtvaters abgelegt. So floß zwischen Gebet und Arbeit im Elternhause das Leben der Elisabeth Eppinger bis zu ihrem 17. Lebensjahre dahin. Da führte sie Gott, der sie ausersehen hatte, als Ordensstifterin zahlreiche Töchter dem geistlichen Leben zuzuführen, in die harte Schule des Kreuzes. Hier sollte sie in ihren jungen Jahren vorbereitet, geläutert, geprüft werden im Feuer schwerer Leiden. Hier wollte Christus sie tiefer einführen in die Geheimnisse des inneren, gottseligen Lebens, damit sie später befähigt wäre, als Erfahrene und Bewährte andere zu lehren und zu leiten. Noch ahnte sie nichts von der Sendung, für die sie bestimmt war. Aber seit ihrem zwölften Lebensjahre glaubte sie ihren künftigen Beruf schon zu kennen. Der Anblick vieler Ordensschwestern, die sich in den Sommermonaten der Badekur halber in Niederbronn aufhielten, ließ in ihrer Seele den Wunsch aufsteigen, dereinst selbst als Ordensfrau dem Herrn ihr Leben zu weihen; sie hatte damals Gott innigst angefleht, ihr diese Gnade zuteil werden zu lassen. Aber eine in ihrem siebzehnten Lebensjahre auftretende Krankheit schien die Erfüllung dieses Herzenswunsches in weite Ferne rücken zu wollen. Ein schweres nervöses Leiden, das sie körperlich und seelisch in der empfindlichen Weise quälte, warf sie auf ein dreijähriges Krankenlager. Es war eine überaus harte Zeit der Prüfung; die Kranke aber ging siegreich daraus hervor. Jene ungewöhnliche Energie, die sie später als Generaloberin ihrer Genossenschaft zu so glänzenden Erfolgen führte, ließ in dieser schweren Krise, die dem behandelten Arzte Anlaß zu den ernstesten Besorgnissen gab, ihren Geist über den schwachen Leib siegen; wider Erwartung erholte sie sich endlich. Als eine innerlich Gekräftigte, durch das starkmütig erduldete Leiden von Gott mit reichen Erfahrungen auf dem Gebiete des inneren Lebens Beschenkte schritt sie ihren Lebenspfad weiter, indem sie sich ganz der göttlichen Vorsehung und der Leitung des frommen Pfarrers Reichard überließ, dessen Weisungen sie als den Willen Gottes ansah. Freilich blieb auch nach der Genesung ihr Körper schwach, daß sie nicht daran denken konnte, ihren Lieblingsplan auszuführen. Welche Genossenschaft hätte auch die zu jeder ausdauernden Arbeit Untaugliche aufgenommen? Dazu kam, daß nach wenigen Jahren eine chronische Luftröhrenentzündung bei ihr sich einstellte, die so hartnäckig allen ärztlichen Mitteln trotzte, daß man die Kranke schon für schwindsüchtig hielt. Öfteres Blutspucken konnte die Angehörigen nur in dieser Befürchtung bestärken. 1841 wurde sie wieder für eineinhalb Jahre ans Krankenbett gefesselt; eine dritte schwere Erkrankung, in der sich die Erscheinungen der ersten wiederholten und verstärkten, warf sie im Jahre 1845 abermals aufs Leidenslager, von dem sie sich vier Jahre nicht mehr erhob. Als sie es im Jahre 1849 endlich verlassen konnte, hatte sie 19 der Herr, der alle diese Leiden über sie verhängt hatte, für reif befunden, ihr Werk zu beginnen. Während dieser letzten Schmerzensjahre waren in ihrem inneren und äußeren Leben große Veränderungen vorgegangen, die ihren Namen weit über die Grenzen bekannt machten. Schon nach ihrer ersten Krankheit war die große Veränderung im ganzen Wesen der Kranken ihrer Umgebung aufgefallen. Die Gnadenwirkungen der Leidenszeit prägten sich in ihrer ganzen Persönlichkeit in merkbarer Weise aus. Fromme, gleichaltrige Mädchen fühlten sich zu Elisabeth Eppinger hingezogen, da sie aus dem Verkehr mit ihr reichen religiösen Gewinn zogen. Das Band des dritten Ordens des hl. Franziskus umschlang die Gleichgesinnten, die ihre erleuchtete Führerin nur "die Geistige" nannten. Die folgenden Krankheitsjahre, die Einsamkeit der Krankenstube, die schlaflosen Nächte, die körperliche Gefühlsüberreizung, der ständige Verkehr der weltabgewandten Seele mit Gott, die zur zweiten Gewohnheit gewordene Übung des innerlichen Gebetes brachten die Kranke schließlich in jene eigentümlichen Zustände, die für den Kenner der christlichen Mystik nichts Neues und Überraschendes sind. Wie so viele von Gott begnadigte Geschlechtsgenossinnen in alter und neuerer Zeit glaubte auch Elisabeth Eppinger, in Augenblicken der Weltentrückung von Christus, den ihre Seele sich längst zum Bräutigam erkoren hatte, des direkten Verkehrs gewürdigt zu werden, Weisungen von ihm zu bekommen, die sich auf ihr eigenes und anderer Seelenheil bezogen, ja sogar die Einsicht in zukünftige, bedeutsame Geschehnisse zu erhalten. Der Beginn dieser neuen Entwicklung ihres seelischen Lebens setzt im März 1846 ein; sie wurde, wie überhaupt der ganze Verlauf dieser merkwürdigen Seelengeschichte, aufs genaueste von dem Beichtvater der Kranken, dem Pfarrer David Reichard, verfolgt. Da von nun an das Leben dieses Mannes, der beim Werke der Kongregationsgründung getreulich mithalf, aufs engste mit dem Schicksal und der Führung Elisabeth Eppingers verbunden erscheint, müssen wir ihm vorerst einige Aufmerksamkeit widmen. Johann David Reichard wurde am 17. Oktober 1796 zu Wasselnheim im untern Elsaß geboren. Sein Vater Johann Georg, seines Gewerbes ein Gerber, hatte eine Protestantin geheiratet. Doch diese legte ihrem Sohne, der sich unter der Leitung des eifrigen Pfarrvikars Jakob Geiß für den Priesterstand vorbereitete, keinerlei Hindernis in den Weg. Im Jahre 1819 empfing Reichard die heilige Priesterweihe und wurde als Vikar der altehrwürdigen, bis in die Zeiten der Hohenstaufen hinaufreichenden St. Georgs-Pfarrei der Stadt Hagenau zugewiesen. Er hatte das Glück, durch den vortrefflichen, im ganzen Elsaß hoch angesehenen Pfarrer Felix Karl Poinsignon (gest. 1830) in die Seelsorge eingeführt zu werden. Das war für ihn eine vorzügliche Schule pastoraler Praxis und priesterlicher Selbstvervollkommnung. Alljährlich zog er sich nach dem nahe liegenden altberühmten Wallfahrtsorte Mariental zurück, um hier einige Tage in der Einsamkeit geistlichen Übungen obzuliegen. Seine erfolgreiche Tätigkeit in Hagenau bewog die bischöfliche Behörde, ihm schon nach vier Jahren die schwierige Pfarrei Niederbronn anzuvertrauen. Am 20. Januar 1823 trat er den verantwortungsvollen Posten an. Seit dem 16. Jahrhundert war David Reichard der zweite katholische Pfarrer Niederbronns. Zur Zeit der Glaubensspaltung hatten die Herren von Hanau-Lichtenberg Niederbronn gewaltsam der neuen Lehre zugeführt. Erst nach dem Dreißigjährigen Kriege und der Besetzung des Elsasses durch die Franzosen siedelten sich allmählich wieder einige Katholiken in Niederbronn an. Im Jahre 1780 wurde Niederbronn eine selbständige katholische Pfarrei, deren erster Pfarrer Anton Heinrich Eberle, nachdem er während der Revolutionswirren das harte Brot der Verbannung gegessen hatte, am 20. Dezember 1822 im 72. Lebensjahr starb. Sein Nachfolger Reichard übernahm keine 20 leichte Erbschaft. Die Arbeit in der konfessionell gemischten Gemeinde 2) war schwierig. Aber Reichard war, wie ihm ein ehrenvoller Nachruf bei seinem Tode nachrühmt, als Seelsorger "fromm, bescheiden, klug, wachsam, tätig, fest und im Besitz einer Menge von Kenntnissen, die ihn befähigen, jedem Gegner standzuhalten". Er erteilte den Gläubigen im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse einen klaren und gründlichen Unterricht in der katholischen Lehre, ohne aber die Andersgläubigen zu verletzen. Tolerant im guten Sinne - als Sohn einer protestantischen Mutter wußte er die Überzeugung Andersdenkender zu achten -, hat er doch fest und entschieden die Rechte seiner Kirche gewahrt, so namentlich, als er im Jahre 1838 mit Erfolg Einspruch erhob gegen eine Maßnahme des Bürgermeisters Eugen von Dietrich, der entgegen der bisherigen Übung für Katholiken und Protestanten einen gemeinsam zu benutzenden Friedhof vorschrieb. Unter Reichards mustergültiger Leitung blühte das religiöse Leben in der Pfarrei, die, durch königliche Verfügung im Jahre 1828 zum Rang einer Pfarrei zweiter Klasse erhoben worden war, rasch auf. Nicht wenig trug dazu auch das exemplarische Tugendleben des Pfarrers bei. Nichts kennzeichnet das Leben dieses braven Seelenhirten besser als seine Tagesordnung, an die er sich strenge hielt. Im Sommer stand er um 4 Uhr, im Winter um 1/2 5 Uhr auf; dann widmete er eine ganze Stunde der Betrachtung, als deren Lieblingsgegenstand er das Leiden Christi zu wählen pflegte. Nach der heiligen Messe verharrte er eine halbe Stunde im Dankgebet. Vor den Krankenbesuchen und anderen geschäftlichen Gängen pflegte er nachmittags eine halbe Stunde das heilige Altarsakrament zu besuchen. Aus der heiligen Schrift las er täglich kniend einen Abschnitt, und vor dem Schlafengehen bereitete er die Morgenbetrachtung vor und las das Leben des Tagesheiligen. Ein Mann von dieser Geistesverfassung war wohl in der Lage, einer nach der christlichen Vollendung ringenden Seele als Ratgeber zu dienen. Elisabeth Eppinger hätte sich keinen trefflicheren Beichtvater wünschen können. Seit ihrem neunten Lebensjahre hatte er sie sorgfältig auf dem Weg der Tugend geleitet, hatte in den trüben Tagen der Krankheit sie aufgemuntert und war stets Zeuge gewesen, wie sie unter dem Einfluß der göttlichen Gnade ihre Seele immer mehr von den Fesseln irdischer Dinge befreite. Als nun seit dem Jahre 1846 die Kranke ihn zum Mitwisser außerordentlicher Gnadengaben machte, zweifelte der Beichtvater keinen Augenblick daran, daß er es mit einer Auserwählten zu tun habe, die zu bedeutenden Dingen berufen sei. Es ist hier nicht der Ort, eine Untersuchung darüber anzustellen, inwieweit es sich bei diesen Äußerungen eines hoch entwickelten religiösen Seelenlebens um Tatsachen handelt, die auf direkte übernatürliche Ursachen zurückzuführen sind, oder ob die gemeldeten Ereignisse - Vorhersagen zukünftiger Begebenheiten, Mitteilungen Gottes, Offenbarungen verborgener Dinge aus dem Leben einzelner Menschen - eine andere Erklärungsweise zulassen. Das wäre, da eine eingehende Untersuchung seitens der obersten kirchlichen Behörde seinerzeit nicht vorgenommen wurde und es infolgedessen an durchaus einwandfreiem, zur allgemeinen Klärung der Frage unbedingt nötigem Materiale fehlt 3), nicht möglich. Dies liegt daher auch außerhalb des Rahmens dieser Arbeit, die sich nur mit der Geschichte der Kongregation zu befassen hat. Die Lösung dieser Frage ist für unsere Aufgabe auch von geringem Belang; von jeher hat die Kirche die Heiligkeit ihrer auserwählten Diener nie von außergewöhnlichen Gnadengaben abhängig gemacht, sondern von dem Grade ihres Tugendlebens. Wir mußten aber diese Dinge streifen, weil durch sie Elisabeth Eppingers Name damals außerordentlich weit bekannt wurde. Diesem weitverbreiteten Rufe hoher Gnadenerweise ihrer Stifterin hatte die neugegründete Kongregation nicht zum wenigsten den wunderbar raschen Aufschwung zu danken. Vielleicht bediente sich die göttliche Vorsehung, deren Wege unerforschlich sind, gerade dieses Mittels, um der 21 neuen zeitgemäßen Gründung ein schnelles Wachstum zu sichern. Es fehlte nicht an Zeitgenossen, namentlich unter dem elsässischen Klerus, welche Pfarrer Reichard der Unklugheit bezichtigten, daß er von diesen Vorgängen Kunde in die Öffentlichkeit gelangen ließ. Das geschah allerdings nicht gleich; aber durch vertrauliche Mitteilungen gegenüber befreundeten Mitbrüdern sickerte doch manches durch und drang zuerst in die nähere, dann durch die Niederbronner Badegäste in die weitere Umgebung. Schließlich sah sich Reichard veranlaßt, da die Dinge nicht mehr verschwiegen werden konnten, Mitte Dezember 1847 dem damaligen Straßburger Oberhirten Mitteilung davon zu machen. Dieser Oberhirt war der durch sein früheres segensreiches Wirken in der Diözese Mainz und seine großen Verdienste um das Wiedererwachen katholischen Lebens in Deutschland auch jenseits der Rheingrenze hochgeschätzte Bischof Dr. Andreas Räß 4). Es war für die Zukunft Elisabeths und für die bald erfolgte Kongregationsgründung von entscheidender Bedeutung, daß Räß von Anfang an die Sache der Niederbronner Kranken zu der Seinigen machte und sich rückhaltlos auf ihre und ihres Beichtvaters Seite stellte. Er forderte Reichard auf, ihm in der Folgezeit in regelmäßigen Zeitabständen genauen und eingehenden Bericht über die weiteren Schicksale der Kranken zu geben, ihm ausführlich von ihrem seelischen Zustand und dessen außergewöhnlichen Erscheinungen zu berichten. Ende Juli 1848 begab sich Räß selbst drei Tage nach Niederbronn, um Elisabeth einer eingehenden Prüfung zu unterziehen. Diese Prüfung fiel äußerst vorteilhaft aus für die Kranke. Räß bewunderte in ihr eine hochbegnadigte Seele von lauterster Gesinnung und bestem Glauben, die über jeden Verdacht eines Betruges erhaben sei. Der Besuch des Bischofs und seine hohe Befriedigung über alles, was er sah und hörte, machten auf das Publikum einen günstigen Eindruck, wie Reichard am 30. Juli melden konnte. Es war klar, daß dadurch Elisabeths Ruf mächtig wuchs 5). Es gab freilich in geistlichen Kreisen damals auch Beurteiler, die in der Offenbarung zukünftiger Dinge, welche namentlich den Papst Pius IX. und das Eintreffen der Pariser Februarrevolution betrafen, keine Äußerungen höherer Mächte erblickten, überhaupt diesen Äußerungen des Seelenlebens Elisabeths zweifelnd gegenüberstanden, aber dabei doch dem reichen Tugendleben der Kranken und ihren merkwürdigen Fähigkeiten Gerechtigkeit widerfahren ließen. So spricht sich einer, nachdem er in der angedeuteten Richtung sich geäußert und vor einem vorschnellen Urteil sowohl im zustimmenden als im absprechenden Sinne gewarnt hat, in folgender lehrreicher Weise aus: "Die Erkenntnis des Innern des Menschen, die Wertschätzung der Geister, den moralischen Gehalt vieler scheint sie auffallend richtig zu bestimmen; ihr Eindruck ist wohltätig, und keiner, sagt man, verläßt sie, ohne tief ergriffen zu sein und heilsame Entschlüsse fürs Leben zu fassen. Sie scheint unter die Zahl der natürlich (nicht mechanisch) nach und nach zur Ekstase Gekommenen zu gehören; ihre ganze Geistes- und Lebensrichtung, verbunden mit hohen Gnaden als Lohn ihrer reinen Gottseligkeit, verbunden auch mit einer hinfälligen Körperbeschaffenheit, war dieser Entwicklung günstig." Dieser Kritiker steht trotz seiner Zurückhaltung nicht an, in Elisabeth Eppinger eine Person zu erblicken, mit der Gott besondere Absichten habe, und ihr den Beruf zuzusprechen, "individuell wohltätig auf jene ihrer Zeitgenossen zu wirken, die den Vorteil haben, ihr zu nahen" 6). Diese Zeitgenossen nahten in großer Anzahl. Man muß dabei auch in Betracht ziehen, daß gerade jene Zeit, reich an politischen Ereignissen, welche die Geister in den Zustand großer Erregung versetzten, dem Wunderbaren, Geheimnisvollen eine besondere Aufmerksamkeit entgegenbrachte. Die politischen Umwälzungen in Italien, Frankreich, Deutschland und Österreich, das Unsichere der Zeitlage, die allenthalben zutage getretene Entfesselung religions- und kirchenfeindlicher Triebe, alles dies 22 drängte die besser Gesinnten und Nachdenklichen zu Gott hin. Es erscheint wohl mehr als ein Zufall, daß gerade in den vierziger Jahren eine ganze Reihe gottbegnadeter Persönlichkeiten die heilsbedürftigen Zeitgenossen an das Walten übernatürlicher Mächte erinnerte, die in der allgemeinen Not der Zeit allein den sicheren Weg für den einzelnen und für ganze Völker weisen konnten 7). So erklärt sich auch der große Zulauf von trostbedürftigen, leidenden und zweifelnden Menschen, die sich seit 1847 um das Krankenbett Elisabeth Eppingers drängten. Damit unter diesem Andrang ihr inneres Leben keinen Schaden litte, schrieb ihr der Beichtvater eine feste Tagesordnung vor. Täglich empfing sie morgens um 6 Uhr die heilige Kommunion in Gegenwart vieler Personen, die der Erbauung halber diesem frommen Schauspiel beiwohnen wollten. Danach betet Reichard mit ihr die Litanei des hl. Alphons von Liguori, zu dem die Kranke eine besondere Verehrung hegte, und einige Vater unser für Bischof Räß und seine Diözese. Dann verbrachte sie die Zeit bis 8 Uhr in Stillschweigen und innerer Sammlung, nach 8 Uhr verrichtete der Beichtvater mit ihr einige Gebete und nahm die Offenbarung ihres inneren Zustandes entgegen und der Gnaden, die sie empfangen zu haben vorgab. Er empfahl dann ihrem frommen Gebete die Anliegen der zahlreichen Personen, die sie in geistlicher und leiblicher Not um ihre Fürbitte bei Gott angingen. Von 1/2 10 Uhr bis Mittag hörte sie die zahlreichen Besucher an. Von Mittag bis 1 Uhr war ihr Stillschweigen auferlegt. Dann empfing sie bis gegen 1/2 5 Uhr wiederum Besuche, worauf der Beichtvater mit ihr fünf Vater unser und die Litanei des heiligen Namens Jesu betete für die Personen, die sich ihrem Gebet empfohlen hatten; sie gab ihm hierauf Rechenschaft über das, was tagsüber vorging, über die Gespräche mit den Besuchern, die Ratschläge, die sie ihnen erteilte; all das nahm etwa zwei Stunden in Anspruch; von jetzt an durfte sie nur noch Frauen empfangen bis 9 Uhr. In den drei Jahren vor der Gründung der Kongregation erschienen täglich oft 80 bis 90 Personen in dem Krankenzimmer Elisabeths. Im Jahre 1848 zählte man allein 600 Geistliche, von denen die große Mehrzahl wohl dem Drange beruflicher Neugierde folgte. Es gab unter ihnen auch manche, die sich sehr mißbilligend über diese fortwährenden Besuche aussprachen, welche dem religiösen Innenleben, vor allem der Demut der begnadigten Person nicht förderlich sein könnten. So hatte schon im Oktober 1848 der Profeßor der Dogmatik am Straßburger Priesterseminar, Dietrich 8), welchem Bischof Räß mit der theologischen Untersuchung der Niederbronner Vorgänge betraut hatte 9), den Pfarrer aufgefordert, den Empfang dieser Besuche seinem Beichtkinde ganz zu verbieten. Allein der begonnene Zulauf war nicht mehr zu hemmen. Nicht nur aus dem Elsaß strömte die Menge herbei. Unterm 7. Dezember 1848 berichtet Reichard seinem Bischof, daß alle Augenblicke Personen aus den entferntesten Gegenden Frankreichs ankämen, um die Leidende in ihren Anliegen um Rat zu bitten. Er müsse, da Elisabeth der französischen Sprache nicht mächtig sei, als Dolmetscher dienen; auch kämen zahlreiche briefliche Anfragen. Reichard bat daher den Bischof, da ihm die Erledigung dieser Dinge viel Zeit raubte, um einen Vikar für die Seelsorge. Für die Verbreitung des gottseligen Rufes Elisabeths im Innern Frankreichs sorgte auch einer ihrer begeisterten Verehrer, der im nahen Reichshofen ansässige Vicomte Theodor Renouard de Bussierre 10). Der tiefreligiöse Edelmann war von Anfang an ein treuer Anhänger der Niederbronner Kranken und ist in den Kreisen des französischen Adels eifrig für sie eingetreten. Seine Briefe über die Niederbronner Vorgänge gingen von Hand zu Hand; durch sie wurde auch der Erzbischof von Tours veranlaßt, unterm 20. Januar 1849 bei Bischof Räß nähere Erkundigungen einzuziehen. Am 18. Februar 1850 teilt der Bischof von Nantes dem Straßburger Oberhirten mit, daß 23 ein junger Offizier aus einer vornehmen christlichen Familie, der ungläubig geworden sei, sich bei Elisabeth Eppinger seinen Glauben holen wolle. Man sieht, wie groß bereits der Ruf ist, in dem sie steht. Eine ganze Reihe von Berichten über merkwürdige Bekehrungen lag dem Verfasser vor. Nur ein Beispiel aus vielen sei herausgegriffen, weil dadurch die Macht der Persönlichkeit Elisabeths und ihres religiösen Einflusses auf andere am besten bezeugt wird. Zwei vornehme Franzosen besuchen sie im Sommer 1850. Pfarrer Reichard vermittelte die Unterhaltung. Der eine, ganz ungläubig und fanatischer Religionsspötter, wollte sie aus reiner Neugierde über seine Zukunft befragen. Elisabeth gab Reichard auf dieses Ansinnen hin zur Antwort: "Sagen sie diesem Herrn, daß die Zukunft nicht in seiner Gewalt ist, er soll sich darum nicht kümmern, er soll für die Gegenwart sorgen und sein Gewissen in Ordnung bringen." Diese Antwort machte auf den Fragesteller einen solchen Eindruck, daß er noch am selben Tage bei Reichard seine Beichte ablegte, nachdem er 25 Jahre lang allen kirchlichen Übungen ferngeblieben war. Auch der zweite wurde durch Elisabeths Worte und die eigentümliche Macht ihrer ganzen Erscheinung zu Tränen gerührt und ging nach achtzehnjähriger Unterbrechung wieder zu den Sakramenten 11). Auch leibliche Anliegen empfahl man ihr. Aus den fernsten Gegenden kamen Briefe an sie oder auch an Räß, welche ihr Gebet erflehten. Erwähnt sei hier nur, daß im Juni 1861 der westpreußische Pfarrer Lomnitz aus seinem im Kreise Schwetz gelegenen Dorfe Sewck die weite Reise nach Niederbronn machte, um, wie er schreibt "der dortigen, im Rufe hoher Heiligkeit stehenden Generaloberin des neuen Ordens der Töchter des göttlichen Erlösers, Maria Alphons Eppinger, deren frommen Gebete ich 1855 meine nie mehr erhoffte vollständige Genesung von der wahrhaft lebensgefährlichen, tödlichen Brustkrankheit verdanke, meine Erkenntnis oder vielmehr Dankbarkeit persönlich zu bezeigen" 12). Und setzt es uns nicht in Erstaunen, wenn wir hören, daß selbst der berühmte französische Dichter Lamartine, der damals nicht mehr auf strenggläubigen Boden stand, sich Anfang 1850 dem Gebete Elisabeths empfehlen ließ? 13) Lamartine hatte durch seine Nichte Kenntnis erhalten von dem Dasein und stillen Wirken der Niederbronner Dulderin. Ihr hatte nämlich der seeleneifrige Vikar Reichards, Lienhart, zwei Schriften übersandt, die im Jahre 1849 erschienen waren und sich in ausführlicher Weise mit der Persönlichkeit und religiösen Verfassung Elisabeths befaßten. Mehr noch als die bisher genannten Personen haben diese Schriften den Namen des Niederbronner Bauernmädchens in aller Mund gebracht. Der Verfasser dieser Schriften war der seinerzeit wohlgeschätzte Abbé Claude Ignace Busson aus Besancon, der langjährige Hofkaplan des Königs Karl X., der nach der Julirevolution des Jahres 1830 der königlichen Familie in die Verbannung nach Holy-Rood in Schottland folgte, um dort die Prinzessin Luise, deren Religionslehrer er gewesen war, zur ersten heiligen Kommunion vorzubereiten. Nach der Feier kehrte er im März 1831 nach Frankreich zurück und übernahm in seiner Heimatdiözese zunächst eine Pfarrei, dann die Leitung einer Taubstummenanstalt und verschiedener anderer Werke. Daneben war er noch schriftstellerisch sehr tätig. Zur Kräftigung seiner durch zu strenges Arbeiten geschwächten Gesundheit mußte er auf Befehl der Ärzte sich einer Badekur in Niederbronn unterziehen 14). Hier wohnte er bei Pfarrer Reichard und hatte so Gelegenheit, mit der Person und Lebensweise der Elisabeth Eppinger genau bekannt zu werden. Auch auf ihn machte sie einen tiefen Eindruck, und wie Bischof Räß und zahlreiche Besucher erblickte auch er in ihr ein begnadigtes Werkzeug der göttlichen Vorsehung. Zwischen 1849 und 1853 veröffentlichte er seine " B r i e f e ü b e r d i e E k s t a t i s c h e v o n N i e d e r b r o n n " , deren erste Reihe im Jahre 1849 auch ins Deutsche übersetzt wurde. Diese deutsche Übersetzung trug den Ruf ihrer Tugenden 24 auch in die deutschen Gaue, und so versteht man, daß gleich von Anfang an der neuen Kongregation Mitglieder aus Baden, Hessen, Bayern, Tirol und Österreich zuströmten 15). So glänzend diese Briefe auch geschrieben sind, so sehr mahnen sie den kritisch veranlagten Leser zur Vorsicht; man hat immer und immer wieder den Eindruck, daß der wohlmeinende, geistvolle und fromme Schreiber zu viel von seinem eigenen Denken und Meinen in seine Feder fließen läßt, daß er die schlichten, sich oft wiederholenden, durchaus nicht den Stempel besonderer Originalität tragenden Herzensergüsse der Kranken in ein erborgtes, bestechendes Gewand kleidet 16). Darum wundert es einen nicht, wenn neben zahlreichen begeisternden Anhängern - wie die rasch aufeinander folgenden Auflagen beweisen - Bussons Schriften auch Widersacher fanden, unter denen der Bischof von La Rochelle einer der heftigsten war. Ja auch die höchste kirchliche Behörde, Papst Pius IX., der von Anfang an den Niederbronner Ereignissen, soweit sie seine eigene Persönlichkeit berührten, mit Spannung gefolgt war, da er durch die Fürstin Borghese 17) davon unterrichtet wurde, hat die Veröffentlichungen des Abbé Busson nicht mit Freude begrüßt und gerügt, daß sie ohne die übliche kirchliche Erklärung erschienen seien. Er hat durch die Pariser Nuntiatur seine Eindrücke dem Bischof von Straßburg übermitteln lassen und diesen wegen seines klugen Verhaltens in der ganzen, die Öffentlichkeit so sehr beschäftigenden Angelegenheit belobt, dabei allerdings auch einen leisen Tadel ausgesprochen, daß man, wie er erfahren hätte, zuviel Besuchern zu Elisabeth Zutritt gewähre 18). Doch wir sind, indem wir bei den geschilderten Vorgängen verweilten, bereits etwas vorausgeeilt. Denn mittlerweile war das Lebenswerk, zu dem Elisabeth sich berufen fühlte, bereits Wirklichkeit geworden. Bescheidene Anfänge versprechen schon ein zukünftiges, reiches Blühen. Zweites Kapitel. Die Gründung der Kongregation. Erfolge und Schwierigkeiten. Seit ihrem zwölften Lebensjahre hegte, wie wir gesehen haben, Elisabeth Eppinger den sehnlichsten Wunsch, als Ordensschwester dem Herrn und der Menschheit zu dienen. Ihre Krankheiten ließen die Erfüllung dieses Wunsches als unerfüllbar erscheinen. Da seit der Mitte des Jahres 1848 die vielen von dem Rufe ihrer Frömmigkeit angezogenen Besucher sie belästigten, bat sie trotz ihres Krankheitszustandes um Aufnahme in die Kongregation der Schulschwestern von der göttlichen Vorsehung zu Rappoltsweiler im Oberelsaß 19). Der damalige Superior der Genossenschaft, Bacher, trug kein Bedenken, Elisabeth ungeachtet ihres vorgerückten Alters und der voraussichtlichen Unfähigkeit, sich entsprechend dem Zweck der Lehrkongregation betätigen zu können, eine zusagende Antwort zu geben. "Die Schwestern", so schrieb er an Pfarrer Reichard am 15. August 1848, "fühlen sich glücklich, sie bald mit dem süßen Namen Mitschwester begrüßen zu dürfen. Ich habe den Namen, den sie tragen soll, eigenhändig eingeschrieben, nämlich Schwester Maria Alphonsa Liguori. Ich habe mit dem hochwürdigen Herrn Bischof davon gesprochen, der seine Einwilligung geben wird, sobald es sicher ist, ob es Gottes Wille sei, daß die Kranke Schwester der göttlichen Vorsehung werde. Dies ist zwischen Ihnen und der Kranken auszumachen, mit nachfolgender Genehmigung des Bischofs." 20) Vorerst, bis diese Genehmigung einträfe, ließ das Rappoltsweiler Mutterhaus auf eigene Kosten für 25 die Kranke über dem Schuppen ihrer väterlichen Wohnung zwei eigene Zimmer einrichten, weil durch die vielen Besuche die Eltern in ihrer nicht sehr geräumigen Wohnung gestört wurden. So war tatsächlich Elisabeth Novizin der Vorsehungsschwestern geworden. Superior Bacher wartete nur auf die Einwilligung des Bischofs, um nach Niederbronn zu reisen und der Kranken das Ordenskleid zu überreichen. "Ich bin überzeugt", schreibt er unterm 20. August dem Pfarrer von Niederbronn, "daß der Eintritt der Schwester Maria Alphonsa in unserer Genossenschaft einen guten Eindruck auf unsere Schwestern machen wird. Diese Profeß wird nicht im mindesten den Einfluß hemmen, den diese Person auf andere Kongregationen, auf Priester und Laien ausübt." Aber die Vorsehung hatte bereits anders entschieden. Denn zwei Tage vor diesem Schreiben hatte Bischof Räß brieflich 21) Pfarrer Reichard die Einwilligung zu diesem Plane versagt. Räß meinte, daß durch den Eintritt in eine bestimmte bestehende Genossenschaft der wohltätige Einfluß, den die Kranke bis jetzt auf weite Kreise ausgeübt hätte, eine beträchtliche Hemmung erfahren würde. Diesen Einfluß wolle er der Allgemeinheit gewahrt wissen, man solle in dieser Sache abwarten und nichts übereilen. Bis zu dieser Zeit also dachte Elisabeth in keiner Weise daran, etwa einen neuen Orden zu gründen. Erst in den folgenden Septembertagen kam sie infolge innerer Erleuchtung zu diesem folgenschweren Entschlusse. Im Verlauf des ausgehenden Jahres 1848, das so viel Jammer und Not über die Völker Europas ausschüttete, nahm dieser Plan stets klarere und bestimmtere Gestalt an. Ihr Beichtvater Reichard, der von allen Einzelheiten des sicher heranreifenden, von der Gnade Gottes geleiteten Entschlusses unterrichtet war, erblickte darin endlich das Feld der Tätigkeit, das die Vorsehung endgültig nach langen Leidens- und Prüfungsjahren für Elisabeth bestimmt hatte. Noch wußte die Öffentlichkeit nichts davon. In aller Stille und Bedächtigkeit mußte der große Gedanke der Verwirklichung entgegenwachsen. Aber bereits betrachtete sich die Kranke als erstes Mitglied der zu gründenden Genossenschaft, fühlte gewissermaßen schon die Pflichten, die sie ihr auferlegte. Am 20. Dezember 1848 legte sie mit Zustimmung Reichards folgende Gelübde ab, die zum Teil bloß erneuert wurden: 1. Das Gelübde der ewigen Keuschheit. 2. Das Gelübde des Gehorsams gegen den Beichtvater als ihren geistlichen Führer, zugleich schon als ihren Obern. 3. Das Gelübde der Armut: nämlich nicht mehr zu besitzen, als was zu ihren Lebensbedürfnissen notwendig sei, und dies nur mit Wissen und Gutheißen des Beichtvaters; alles Überflüssige ist für die Ehre Gottes und für die Armen zu verwenden nach Gutdünken desselben. 4. Das Gelübde, niemand als dem Beichtvater, auch keinen anderen Geistlichen, etwas von inneren Leiden zu reden, um Trost zu suchen. 5. Das Gelübde, niemand als den Beichtvater und nur mit dessen Erlaubnis dem Arzte von körperlichen Leiden zu sprechen. 6. Das Gelübde, zur Stärkung und Nahrung des Leibes nichts zu nehmen, als was der Beichtvater gestattet. 7. Das Gelübde, dem Beichtvater ohne Rückhalt alles zu offenbaren, was das innere, geistliche Leben betrifft. 8. Das Gelübde, mit anderen Personen nur von Gott oder von solchen Dingen sich zu unterhalten, die das Seelenheil jener betreffen. 9. Das Gelübde, nicht anzufragen, ob die durch Gott ihr mitgeteilten Gnaden bei andern Gutes wirken oder ob sie Widerspruch erregen. Mit Ausnahme des erstgenannten Gelöbnisses behielt sich der Beichtvater vor, diese Gelübde aufzuheben oder abzuändern. Bereits hatten Elisabeth und Reichard alle Einzelheiten der Neugründung festgestellt und überdacht. Am 22. Januar 1849 konnte der Pfarrer seinem Bischof die Konstitutionen schicken und um deren Approbation bitten. Bischof Räß, der sofort den Plan Elisabeths als dem Willen Gottes entsprechend ansah, stand dem Unternehmen 26 mit freudigem Wohlwollen gegenüber. Aber er übereilte nichts. Sorgfältig prüfte er die Satzungen des neuen Instituts und gab verschiedene Verbesserungen an. Am 2. April sandte Reichard die verbesserte Arbeit ein und bat den Bischof abermals, die Statuten bald zu approbieren, den Superior zu ernennen, diesen zu ermächtigen, die Stiftung zu errichten, der Kranken das Kleid zu geben und ein Haus in Niederbronn zu erwerben. Die etwa vorhandenen Bedenken des Bischofs zerstreute er mit dem Hinweis auf die göttliche Vorsehung, welche die neue Genossenschaft ins Leben rufe und auch für ihren Fortbestand und Unterhalt in wunderbarer Weise sorgen werde. So groß war das Gottvertrauen des frommen Pfarrers, daß er sich ohne Bedenken auf die göttliche Providenz verließ. Dieses Gottvertrauen, einer der rührendsten Züge im Charakter des braven Mannes, der uns noch öfter begegnen wird, wurde reichlich belohnt. Einstweilen konnte er Räß die Mitteilung machen, daß schon eine große Anzahl von Personen sich zum Eintritt gemeldet hätte. Einige von ihnen wären vermögend und würden die Mittel zur Errichtung des Mutterhauses liefern. Das war immerhin schon etwas. Zudem war der Pfarrer, um sich ganz dem neuen Werke mit ungeteilter Liebe widmen zu können, von der Seelsorge entlastet worden durch die Sendung eines zweiten Vikars, der Ende März 1849 ankam. Dies war der fromme, mehr eifrige als kluge Georg Theobald Lienhart, der in der Folgezeit der neuen Stiftung durch reichliche Zuwendung aus seinem Privatvermögen ein großer Wohltäter wurde. Doch welcher Art war nun die neue Genossenschaft, die Elisabeth Eppinger mit Gottes Hilfe ins Leben zu rufe gedachte? In Anbetracht ihrer geringen Bildung und des Mangels an Welterfahrung - sie war kaum aus ihrem Heimatort hinausgekommen müßten wir uns ehrlich wundern, daß in dieser Seele ein so vortrefflicher, wohldurchdachter, den Zeitbedürfnissen aufs höchste entgegenkommender Plan entstand, wenn wir nicht ihr ganzes, von der Gnade so bevorzugtes Innenleben kännten. Nur eine von Liebe zu Gott und zur leidenden, verlassenen Menschheit glühende Seele, die selbst im Feuerofen des Leidens reichlich geprüft worden war, konnte den Gedanken zu einem so gearteten Werke fassen. „Orden der Töchter des göttlichen Erlösers zur Ve rpflegung armer Kranken und Unterstützung anderer Armen, erri chtet zu Ehren des göttlichen Herzens Jesu und des heiligsten und unbefleckten Herzens Mariä, unter Anr ufung des hl. Alphons M a r i a v o n L i g u o r i u n d d e r h l . T h e r e s i a “ , so lautet der ganze Titel der neuen Genossenschaft im ältesten Text der Konstitutionen, der dem Bischof zur Begutachtung übergeben war. In der Einleitung dazu wird darauf hingewiesen, daß es nie an großen mildtätigen Genossenschaften gefehlt habe, welche die leidende und darbende Menschheit in großen Hospitälern versammelte. Aber in kleinen Orten und Städten fehle es an solchen Zufluchtshäusern. "Ein religiöser Orden, der es sich zur heiligsten und wesentlichsten Pflicht macht, die armen Kranken in ihren Hütten ordentlich und gut zu verpflegen und an ihnen die geistlichen und leiblichen Werke der Barmherzigkeit zu üben und die gesunden Armen ebenfalls in ihren Hütten aufzusuchen, damit die wahrhaft Dürftigen unterstützt werden, damit auch im nämlichen Augenblick, da ihnen das Almosen gereicht wird, ihren geistlichen Bedürfnissen abgeholfen werde: ein solcher Orden ist für die Städte und für das Land ein dringendes Bedürfnis, und die Nächstenliebe, so sehr sie auch die Wohltätigkeitsanstalten vermehrt hat, hat jedoch bis auf diese Zeit für einen solchen Orden noch eine große Lücke gelassen." Man sieht also: die H a u s k r a n k e n - u n d A r m e n p f l e g e ist der Zweck des neuen Werkes, das tatsächlich einem dringenden Bedürfnis der Zeit entgegenkam. Der Gedanke zwar, der im Krankenzimmer zu Niederbronn feste Gestalt angenommen hat, war anderswo bereits aufgetaucht und in die Tat umgesetzt worden. Die Zeit des infolge 27 der riesig anwachsenden Maschinenindustrie immer weiter um sich greifenden Pauperismus in fast allen Ländern Europas hatte ja schon vorher den edlen Franzosen Ozanam zur Gründung der Vinzenzvereine veranlaßt, in deren Dienst in der Folgezeit die Töchter des göttlichen Erlösers so oft berufen wurden. Die Hausarmenpflege war ja die wichtigste Aufgabe dieser wunderbaren Organisation. Auch waren schon im Jahre 1842 zu Neisse die "Grauen Schwestern" für ambulante Krankenpflege gegründet worden 22). In den 1845 durch Franziska Schervier in Aachen gestifteten "Armenschwestern vom hl. Franziskus" war neben anderen Aufgaben auch ambulante Kranken- und Armenfürsorge vorgesehen. Das beweist, wie sehr sich gerade seit den vierziger Jahren das Bedürfnis nach solchen Gründungen aufdrängte. Auch im Elsaß nahm die Armut, vor allem auf dem Lande, immer drohendere Formen an. Wo sich Armut und Krankheit verband, war das Elend doppelt schlimm 23). So erklärt sich die freudige Aufnahme, die das Werk Elisabeth Eppingers gleich von Anfang an in weiten Kreisen, namentlich bei allen Fremden der christlichen Wohltätigkeit fand 24). Zu Ehren des göttlichen Herzens Jesu und des unbefleckten Herzens Mariä soll die neue Genossenschaft gegründet werden, denn "die Töchter des göttlichen Erlösers sollen diese heiligsten Herzen hauptsächlich durch Nachahmung in der Wohltätigkeit gegen die Notleidenden verehren, was eigentlich die schönste Verehrung derselben ist". Die heiligen Alphons und Theresia werden als Schutzpatrone gewählt, damit durch deren Fürbitte und Schutz der wahre Ordensgeist stets erhalten bleibe. Über diesen Ordensgeist heißt es: "Der Geist der Töchter des göttlichen Erlösers muß der Geist Jesu Christi, ihres Vaters und Vorbildes, sein. Nach diesem Vorbilde müssen die Glieder des Ordens ihr inneres und äußeres Leben ganz einrichten. Ja der Geist Jesu soll sie beständig und so kräftig beleben, daß er sich in ihrem ganzen äußeren Wesen ausdrücke und somit sich nach dem Ausdruck des Apostels auch das Leben Jesu in ihrem sterblichen Leibe offenbare. Daher müssen sie sich jeden Tag in der Betrachtung des Lebens und besonders des Leidens Jesu üben. Sie müssen trachten, immer vor Gott zu wandeln und deswegen sich in beständiger Gemütssammlung durch unablässiges inneres Gebet zu erhalten suchen. Alles unnütze Geschwätz ist ihnen streng verboten. Ihre Unterhaltung darf nur sein von Gott, vom Wert der Seelen und von der Rettung derselben. Eifrig müssen sie für die Bekehrung der Sünder beten." Die Absicht bei allen guten Werken an Kranken und Armen, an Waisenkindern und sonstigen Verlassenen muß unbedingt rein sein. Die Töchter des göttlichen Erlösers sollen "bei all ihren Liebesdiensten nichts anderes zur Absicht haben, als das Wohlgefallen Gottes zu erlangen, dem göttlichen Herzen Jesu und dem heiligsten Herzen Mariä nachzuahmen, in der Person der armen Kranken die Person Jesu Christi selbst zu bedienen". Die Genossenschaft soll nichts besitzen als die zu ihrem Wirken nötigen Häuser mit Einrichtung. Sie setzt sich zusammen aus Jungfrauen von erprobter Tugend, beseelt von der Liebe zu Gott und den Nächsten. Eine Mitgift wird nicht gefordert. Wenn eine Postulantin freiwillig eine solche bringt oder sonst eine Schenkung macht, wird dies angenommen, um im Sinne des Geistes der Genossenschaft Verwendung zu finden. Den drei üblichen Ordensgelübden fügen die Töchter des göttlichen Erlösers noch das Gelübde bei, den Armen und Kranken zu dienen, an ihnen alle geistlichen und leiblichen Werke der Barmherzigkeit, die durch die Regel vorgeschrieben sind, auszuüben. Der Bischof von Straßburg soll der Ordensobere sein; aber ein von ihm abgeordneter Geistlicher wird das Unternehmen leiten. 28 Die Töchter des göttlichen Erlösers tragen ein besonderes Ordensgewand, das ihrem Berufe entspricht. Mit allen Mitteln der christlichen Klugheit sollen sie die wirklich Armen und bedürftigen Kranken aufsuchen an den Orten, wo sie Niederlassungen besitzen, und in deren Umgebung. Es steht ihnen frei, auch Kranke der wohlhabenden Stände zu pflegen, d o c h d ü r f e n s i e n i e e i n e V e r g ü t u n g b e a n s p r u c h e n . Es ist ihnen aber gestattet, freiwillige Geschenke anzunehmen. Ersparnisse in Geld dürfen nur für den leiblichen Unterhalt des laufenden und des nachfolgenden Jahres angelegt werden. Die Häuser, die einen Überschuß aufweisen, müssen ihn den weniger gut gestellten Niederlassungen abgeben. Das sind die hauptsächlichsten Gesichtspunkte, nach denen das neue Werk sich verwirklichen sollte. Wer möchte in Abrede stellen, daß aus all dem Angegebenen ein weiser und kluger Geist spricht, ein durchaus modernes, aber vom uralten Geiste christliche Wohltätigkeit getragenes Verständnis für die sozialen Schäden der Neuzeit? So erweist sich die arme Bauerntochter von Niederbronn, die nur ihren eigenen Namen schreiben konnte, die aber von der Gesinnung der wahren christlichen Liebe und vom Geiste vollendeter Selbstlosigkeit durchdrungen war, in ganz anderem Maße als Wohltäterin der leidenden Menschheit als jene zahlreichen aufgeblasenen Volksbeglücker, die damals mit verworrenen sozialistischen Theorien die Menschheit beglücken wollten. Gott segnete ihr Werk, weil es keine irdischen, zeitlichen Erfolge suchte, sondern um Gottes Willen gegründet wurde; er segnete es so reichlich, weil seine Dienerinnen selbst alles verlassen mußten, um in freiwilliger Armut Christus nachzufolgen, um den Armen alles zu werden. Denn es bleibt immer wahr: "Wer Großes und Nachhaltiges für die Armen wirken will, der muß selbst arm mit den Armen werden. Er muß sich ganz den Armen weihen, alle Gedanken seines Geistes, alle Kraft seines Herzens, alle Glut seiner Liebe, all sein zeitliches Glück, seine Ehre, sein Vermögen, seine Hoffnung und sein ganzes Leben der Armut opfern, sich opfern, ganz opfern, ohne Rückhalt, ohne je wieder zurücknehmen zu wollen, was er einmal gegeben." 25) Dem Drängen Elisabeths und den Bitten Reichards konnte Räß nicht mehr länger widerstehen. Die feste und bestimmte Zuversicht der beiden, ihr felsenfestes Vertrauen auf die göttliche Vorsehung ließ ihn ohne Zögern die Erlaubnis geben, im Sommer 1849 mit der Gründung zu beginnen. Er hat es nicht zu bereuen gehabt. Von den ersten bescheidenen Anfängen an hat er seine schützende Hand über die neue Kongregation gehalten, hat sie ausbreiten helfen und im In- und Ausland ihr die Wege geebnet. Unter allen geistlichen Genossenschaften seiner Diözese hat Andreas Räß keine so bevorzugt wie die Stiftung Elisabeth Eppingers. Eifrig ging nun Reichard ans Werk. Zunächst galt es, die nötigen Gebäulichkeiten für die geplante Niederlassung zu finden. Von dem Gerber Ignaz Vögele erhielt Reichard schenkungsweise einen 5 Ar großen Garten, einen solchen von 9 Ar mit dem Gerbhaus überließ derselbe für einen Kaufpreis von 10000 Franken; von der Witwe Witt erwarb Reichard einen Hofraum nebst Stallung und Schuppen für 2740 Franken; dazu von Ignaz Vögele noch das Wohnhaus seiner Enkel, eine ehemalige Mädchenschule, für 6000 Franken. Alles dies wurde im Sommer gekauft. Schuppen und Stallung wurden niedergerissen, das Wohnhaus sofort eingerichtet; am westlichen Giebel ließ Reichard ein etwa 4 Meter breites und ebenso langes Chor anbauen. Die Hälfte des Erdgeschosses diente als Schiff der Kapelle, darüber hatte Elisabeth ihr Wohnzimmer, von welchem sie durch eine Fensteröffnung ins Chor sehen konnte, wenn sie krankheitshalber verhindert war, mit den Schwestern dem Gottesdienste beizuwohnen. Der 28. August 1849 war der für die Geschichte der Niederbronner Schwestern ewig denkwürdige Tag, an welchem ihre Stifterin von dem notdürftig eingerichteten 29 Klösterlein Besitz ergriff. Der Vicomte de Bussierre hatte es sich nicht nehmen lassen, mit seiner Gemahlin die Kranke von ihrem Elternhause im Herrschaftswagen nach dem neuen Heim zu überführen. Es schien, als sollte mit dem neuen Beruf die alte Leidenszeit ein Ende haben. In einer Aufzeichnung dieser Vorgänge meldet Reichard: "Nach einer vierjährigen Krankheit, während der sie beinahe immer bettlägerig und sehr schwach war, konnte sie jetzt ohne Hilfe und leicht im Hause herumgehen, um die innere Einrichtung desselben vollends anzuordnen." Mit drei Postulantinnen war sie ins neue Haus eingetreten, im Laufe der Woche wuchs deren Zahl auf zehn an. Am 7. September wurde die bescheidene Kapelle in Gegenwart einiger Geistlicher und Badegäste eingeweiht. Der Abbé Busson richtete an die kleine Schar der Postulantinnen eine Ansprache, in der er sie beglückwünschte zu ihrem Berufe und sie ermahnte, mit ganzer Hingabe ihrer Person dessen Pflichten zu erfüllen. Am 10. September fand eine im Leben einer klösterlichen Genossenschaft nicht minder wichtige Feier statt: die feierliche Einkleidung der Stifterin, welche Pfarrer Reichard im Auftrage des Bischofs vornahm. Nach dem Absingen des Veni Creator hielt Reichard eine Anrede über den Psalmtext (44,10): "Die Königin steht zu deiner Rechten in einem goldenen und vielfarbigen Kleide." Diese Königin, so deutet der Redner den Text, ist die Kirche, das goldene Kleid die Liebe, die verschiedenen Farben versinnbilden die Werke der Liebe. Nach einem Überblick der verschiedenen Orden, die zur Milderung des vielgestaltigen menschlichen Elends im Laufe der Jahrhunderte in der katholische Kirche gegründet wurden, zeigte der Prediger, wie auch die neugegründete Kongregation der Kirche angehöre: "Sie bildet sich mit Genehmigung des obersten Hirten dieser Diözese und steht unter seiner Aufsicht; er genehmigt provisorisch ihre Statuten und Satzungen. Was die Werkzeuge anbelangt, welche diesem Werke vorstehen, so hat sie Gott führwahr aus dem geringsten und schwächsten Stande gewählt. Dies soll uns aber nicht in Staunen versetzen: Gott wollte, daß die Ehre des Erfolges ihm und nur ihm allein zukäme." Mit diesem kleidsamen, würdigen Ordensgewande, das noch heute die Ordenstracht der Genossenschaft bildet, erhielt Elisabeth den Namen M a r i e A l p h o n s , den sie liebgewonnen hatte. Als Schwester Marie Alphons wird sie uns fortan begegnen. Mit Genehmigung des Bischofs wurde sie Generaloberin der neuen Kongregation. Am 25. September erhielten neun aus dem Elsaß stammende Postulantinnen das Ordenskleid. Ihre Namen mögen, da sie die ersten Mitglieder waren, der Nachwelt erhalten bleiben: 1. Magdalena Stohwasser aus Niederbronn; 2. Josephine Bersing aus Straßburg; 3. Sophie Ohl aus Mommenheim; 4. Marie Salome May aus Neuhof bei Straßburg; 5. Franziska Thirse aus Willgottheim; 6. Eleonore Ruf aus Forstheim; 7. Ludovika Riefel aus Andlau; 8. Barbara Mayer aus Thann; 9. Maria Anna Schmitt aus Niederbronn. Mit Einstimmigkeit wurde Magdalena Stohwasser zur Assistentin gewählt. Die kleine Genossenschaft vermehrte sich rasch. Im Laufe des Oktobers kamen elf neue Bewerberinnen und baten um Aufnahme. So war die Kongregation schon auf 20 Mitglieder gestiegen, denen die Oberin mit dem Tugendbeispiel voranleuchtete. Zahlreiche andere Anmeldungen lagen schon vor. Der Ruf der Stifterin verlieh dem Unternehmen eine fast wunderbare Zugkraft, und die Macht ihrer Persönlichkeit wirkte 30 auf ihre Untergebenen mit unwiderstehlicher Gewalt. Mit freudigem Stolze konnte der Superior Reichard dem Bischof bereits von dieser kurzen Zeit melden: "In den schon als Postulantinnen aufgenommenen Jungfrauen weht ein so heiliger Ordensgeist, den man nur in lange geübten Ordenspersonen suchen würde. Erstaunlich ist, wie sie im geistlichen Leben, in der äußeren, aber hauptsächlich in der inneren Abtötung sowie im Eifer, den Armen und armen Kranken zu Hilfe eilen, in so kurzer Zeit vorangeschritten sind." Von Schwester M. Alphons weiß er nur Erbauliches zu berichten: "Fast täglich hält sie Unterricht, und bei jedem Unterricht zerfließen die Postulantinnen in Tränen. Frohsinn, der sich beständig auf dem Angesichte der Oberin abmalt, sieht man auch immerfort in diesen guten Kindern bei ihren Beschäftigungen, in ihren Andachtsübungen und bei ihren Abtötungen." Am 15. Oktober, dem Feste der hl. Theresia, klopfte man zum ersten Male an der Klosterpforte an, um Hilfe zu erbitten für eine arme Frau, die seit einigen Tagen unter Schmerzen ihrer schweren Stunde entgegensah. Schwester M. Alphons schickte sofort zwei Postulantinnen mit Weißzeug und Nahrungsmitteln zu der Kranken. Zwei Tage später ging sie selbst zu ihr hin, wechselte die Bettwäsche und sprach ihr Trost zu; denselben Abend noch wurde die Kranke glücklich entbunden. Am 28. Oktober kam eine protestantische Frau, um die Oberin zu ihrem schwerkranken Mann zu holen. Aber auch auf einem anderen Gebiete hatte man bereits mit der praktischen Liebestätigkeit eingesetzt. Seit dem 18. Oktober, wo die Winterschulen begonnen, nahm man ca. 25 arme Schulkinder auf, von denen die meisten aus weitentfernten Gehöften und Weilern zur Schule mußten; sie erhielten im Kloster ein aus Brot und Suppe bestehendes Frühstück, am Mittag ein Mittagessen. Unterm 30. November meldete der Superior dem Bischof, daß ein Sterbender, der in einer vom Kloster ziemlich weit entfernt auf einer Anhöhe liegenden Hütte wohnte, Schwester M. Alphons rufen ließ. Obschon sie leidend war, bat sie ihren Beichtvater - Reichard blieb es immer -, ihr den Besuch zu ge-statten. "Der Kranke war von inneren Ängsten geplagt; sie sprach ihm Vertrauen auf Gott ein, betete mit ihm, munterte ihn auf und verweilte so bei ihm bis Mitternacht. Der arme Kranke ward sehr getröstet, seine Furcht verschwand, mit fröhlichem Herzen und heiterem Angesichte bedankte er sich bei der Schwester für ihren Besuch. Mehrere Männer, die gegenwärtig waren, standen ganz gerührt und in ehrfurchtsvoller Haltung da. Der Herr verlieh der liebevollen Schwester eine solche Kraft, daß sie sich sogar den andern Tag stärker fühlte." (Reichard an Räß) Auf die protestantische Frau dieses Mannes und andere Andersgläubige machte dieser Besuch einen guten Eindruck. Das Mißtrauen und der spöttische Zweifel, mit dem man in diesen Kreisen dem Werke der armen Bauerntochter begegnete, wichen allmählich einer gewissen Achtung. Am 21. November erhielten die bereits eingetretenen Postulantinnen das Postulantinnenkleid; unter ihnen befand sich eine aus Gruns in Vorarlberg, die aber bald wegen unverträglichen Charakters entlassen werden mußte. Am 27. Dezember empfingen zehn Postulantinnen das Ordenskleid; es waren acht von den zuerst Eingetretenen, deren Namen oben überliefert wurden, und zwei später Angekommene. Am 2. Januar 1850 legt die Oberin feierlich Profeß ab. Nach der erhebenden Zeremonie hielt eine der Novizinnen eine Ansprache an Schwester M. Alphons, und alle, die Postulanten eingeschlossen, gelobten ihr Gehorsam. Am 7. Januar wählten die zehn Novizen zwei Assistentinnen; als erste ging aus der Wahl hervor Schwester Eugenia (Maria Roßler aus Romansweiler), als zweite Schwester Adelheid (Salome May). Die Kongregation bestand jetzt in aller Form. Wovon aber erhielt sich die junge Genossenschaft? Die bescheidenen Räumlichkeiten waren durch den Zuwachs an Bewerberinnen am Anfang des neuen 31 Jahres 1850 bereits zu klein geworden. Im April belief sich die Zahl der Insassen auf über 60 Personen. Der Superior stand vor der schwierigen Frage einen Neubaues. Am 21. März legte er dem Bischof bereits die Pläne vor und berührte auch die Geldfrage. Sein Standpunkt ist immer noch derselbe: "Dieses Werk ist das Werk Gottes; er wird daher für alles Nötige sorgen. Da dieser Neubau unbedingt notwendig ist, wird der Herr uns auch die nötigen Einnahmequellen öffnen. Gott selbst wird bauen, die Mittel werden nicht fehlen." Reichard beweist sodann, daß dieser schöne Gedanke kein bloßes Phantasiegebilde sei. "Wenn man genau alles prüft, was bei dieser Stiftung vor sich ging, kann man nicht zweifeln, daß es Gottes Werk ist. Als wir anfingen, kamen die Gaben von allen Seiten und so reichlich, daß sich die Gesamteinnahme auf über 27000 Franken beläuft. In dieser Summe sind nur 3000 Franken von Mitgliedern der Genossenschaft einbegriffen; auch Naturalienschenkungen im Wert von 6000 Franken sind nicht mitgezählt. Nach Bestreitung eines großen Teils der Kaufsumme, der Kosten für Reparaturen und Instandsetzung, die sich auf 10000 Franken beliefen, blieben uns noch 3000 Franken in der Kasse. Beweist das nicht, daß Gott selbst für sein Werk sorgt? Würde ich mich nicht gegen die Vorsehung Gottes versündigen, wenn ich an ihrem weiteren Schutze zweifelte?" Am folgenden 27. April kann er freudestrahlend melden, daß sein Vertrauen ihn nicht täuschte. "Der liebe Gott ist rasch in seiner Hilfe für sein Werk. Aber was kann nicht anders sein, da der hl. Joseph sein Beschützer und Baumeister ist." 30000 Franken seien ihm bereits zugesichert. "Da zeigt sich der Finger Gottes." Räß selbst übermittelte im Juni eine zu diesem Zweck gemachte Gabe von 1000 Franken. Mit Zuversicht hatte daher Reichard mit dem Bau angefangen. Ende April begann man die Fundamente zu graben; der sumpfige Boden machte das kostspielige Einrammen von Eichenpfählen nötig. Am 19. Mai wurde der Grundstein zum Neubau gelegt 26). Im November konnte er bereits von den Schwestern bezogen werden. Die Bausumme, die sich auf 41723 Franken belief, konnte aus den stets unverhofft eingehenden Spenden beglichen werden. Im folgenden Jahre (1851) mußte Reichard an den Bau einer größeren Kapelle denken. Als am 2. August 20 Postulantinnen das Kleid erhielten, fand die Zeremonie in der Pfarrkirche statt; Bischof Räß selbst war erschienen und nahm sie im Beisein von 18 Geistlichen vor. Er ermächtigte den Superior zum Bau der geplanten Kapelle, deren Grundsteinlegung am 25. September stattfand. Einer der größten Wohltäter, dessen Geberhand nie ermüdete und der auch zu diesem Bau viel beisteuerte, war der Rentner Burgun von Saaralben. Zwei Tage vor der Feier hatte ein Unbekannter der Schwester M. Alphons 1100 Franken abgegeben. Die Briefe Reichards an den Bischof aus den Jahren 1850-1853 sind voll von Berichten unerwarteter Geldspenden, die immer zur rechten Zeit eintrafen. Am 21. Dezember 1852 konnte endlich die Kapelle unter zahlreicher Beteiligung der ganzen Bevölkerung durch Bischof Räß eingeweiht werden, ebenso der von einer Wohltäterin gestiftete gotische Hochaltar aus weißem Marmor. Ein farbiges Glasfenster, das ebenso ein Geschenk war, tauchte das zierliche Chor und den weißen Hochaltar in geheimnisvolles Licht. Die Freude der frommen Genossenschaft über den einfachen, aber geschmackvollen Bau kann man sich lebhaft vorstellen. Er ist im großen und ganzen unverändert geblieben bis auf unsere Tage. Für die neuere Kirchenbaugeschichte des Elsaß bedeutet er einen Markstein: mit ihm hält der so lange verachtet gewesene gotische Baustil wieder seinen Einzug im Elsaß; auch die von Reichard erbaute Kapelle im nahen Jägertal war in gotischen Formen gehalten 27). In dem neuen Heim, das mit Gottes Hilfe so überraschend schnell zustande gekommen war, konnte sich nun die Genossenschaft unter der Führung der frommen Generaloberin für ihre erhabene Mission vorbereiten. Wir haben bisher nur ihr rasches, 32 günstiges Wachstum verfolgt und nicht der Schwierigkeiten gedacht, die sich von Anfang an dem Werke entgegenstellten. Diese blieben, wie zu erwarten war, nicht aus. Alle jene, die von Anfang an die "Schwärmerin von Niederbronn" - als solche betrachtete man sie vielfach - bekämpft hatten, waren auch ihrer Stiftung nicht hold. Dazu kam - was der Geschichtsschreiber nicht unerwähnt lassen darf -, daß Schwester M. Alphons durch ihr Eintreten für einen Abenteurer, der während der zweiten französischen Republik als angeblicher Sohn des hingerichteten Königs Ludwig XVI. Ansprüche auf den französischen Thron erhob, in ganz Frankreich neben ihren zahlreichen Anhängern vielleicht noch mehr Feinde sich zuzog. War es eine Zulassung Gottes, der sie in der Demut erhalten wollte, als er diese Irrung zuließ? 28) Ein heftiger Gegner erwuchs der Stifterin in dem Bischof von La Rochelle, der ihr bewußte Täuschung vorwarf. Schwester M. Alphons litt schwer unter solchen Anschuldigungen. Louis de Cissey, ein französischer Edelmann, der während seines öfteren Aufenthaltes in Niederbronn Gelegenheit genug gehabt hatte, Schwester M. Alphons und ihr Werk kennen zu lernen, suchte in längerem Briefwechsel den Kirchenfürsten eines Besseren zu belehren. In einem ausführlichen Schreiben (Juni 1850) wies er in wirksamer Weise vor allem auf das Werk der Stifterin hin. Als die Stimme eines Zeitgenossen ist das Zeugnis für uns von besonderem Wert: "Ein vor kaum zehn Monaten gegründeter Orden ohne jede sichere Einnahmequelle, der schon eine erste Niederlassung besitzt, die 30000 Franken gekostet hat, und der ein sehr weitläufiges Klostergebäude aufführt, für das die Mittel fließen; ein Orden, der bereits auf die Armen, die er reichlich unterstützt, den denkbar besten moralischen Einfluß ausgeübt hat und diesen Winter täglich 80 Personen nährte; ein Orden, an dem man von allen Seiten Gesuche um Schwestern richtet, der bereits vier Töchterniederlassungen besitzt, der von Postulantinnen in so großer Anzahl aufgesucht wird, so daß man aus Mangel an Raum kaum den vierten Teil aufnehmen kann: erinnert Sie dieser Orden nicht an die Klostergründung der hl. Radegundis zu Poitiers und des hl. Bernhard von Clairvaux? Dieser Orden, der von Anbeginn an in dem hochwürdigsten Herrn Bischof von Buffalo, der nach Rom reiste, das größte Bedauern weckte, daß man noch nicht ausgebildete Schwestern genug hatte, die er nach Amerika mitnehmen könnte, erhielt von ihm das Lob gespendet, daß er einen so wirksamen und glücklichen Einfluß für die Besserung und Bekehrung der armen Volkskreise ausübe, daß er ihm als von der Vorsehung auserwählt scheine, in seiner ungeheuren Diözese die zahlreichen Nichtkatholiken der Kirche zuzuführen." Herr von Cissey hob ferner dem Bischof von La Rochelle gegenüber die hervorragenden Tugenden der Gründerin hervor, wies besonders hin auf ihren Gehorsam und ihre Demut. Bemerkenswert bei dieser Angelegenheit ist die Stellung, welche Bischof Räß gegenüber der Haltung seines Mitbruders von La Rochelle einnimmt. Mit Bezugnahme auf diese schreibt er an Herrn von Cissey unterm 21. Juni 1850: "Wenn ich nicht aus nächster Nähe das sehe, was andere so genau und deutlich aus der Ferne bemerken, so wird mir Gott wohl meine Torheit und meine unfreiwillige Blindheit verzeihen und gestatten, daß die Tausende von wirklichen oder scheinbaren Gunstbezeigungen, die er Schwester M. Alphons erwiesen hat, als ebenso viele mildernde Umstände gelten. Wenn ein in steter Keuschheit und Reinheit zugebrachtes Leben, wenn ebenso zahlreiche als aufrichtige Bekehrungen, wenn ihre weisen Ratschläge und die einfachen und hinreißenden religiösen Unterweisungen, wenn die Werke der Liebestätigkeit, welche jedermann erbauen und in Erstaunen setzen, das Werk des Bösen sind, dann bin ich ganz geneigt, ihm ein Dummheitszeugnis auszustellen." 29) In dieser Zeit der herbsten Prüfung, die Schwester M. Alphons mit Ergebenheit ertrug, erhielt das Mutterhaus in Niederbronn den Besuch eines edlen Mannes, dessen Stimme ebenfalls nicht ungehört verhallen möge. Anfang Mai sprach der treffliche 33 österreichische Staatsrat J a r c k e 30) bei Schwester M. Alphons vor. Vielleicht hatten ihn gerade die Stimmen der Gegner verlockt, an Ort und Stelle selbst sich zu vergewissern, wie es in Wahrheit stehe. Am 7. Mai 1850 schrieb er über seine Eindrücke an Räß: "Ich habe in Niederbronn die gute Elisabeth und in Reichshofen den edlen, liebenswürdigen Bussierre mit voller Muße gesprochen. Der aszetischmoralische Eindruck, den mir die erstere machte, war der einer tiefen Rührung; wer die Elisabeth und den hochwürdigen Pfarrer auch nur zehn Minuten lang gesprochen hat und danach an die Möglichkeit eines menschlichen Betruges glauben kann, der ist kein Menschenkenner." Unter der elsässischen Geistlichkeit fand das Werk von Niederbronn von Anfang an viele Gegner. Das alte Wort vom Propheten, der nichts gilt im Vaterlande, bewahrheitete sich auch hier. Um falschen Gerüchten ein Ende zu bereiten, forderte Räß Schwester M. Alphons auf, unter seiner persönlichen Leitung im Kloster NotreDame zu Straßburg geistlichen Übungen obzuliegen; diese fanden Ende Januar und Anfang Februar 1851 statt. Dem Superior schrieb der Bischof hierüber: 31) "Ich bin sehr zufrieden, daß diese Exerzitien stattgefunden haben, Gott wird seinen Segen verleihen und hoffentlich das Gute befördern." Manche Gegner freilich schöpften gerade aus der Tatsache dieser Exerzitien Stoff zu neuen Angriffen und Anfeindungen, die auch weiter um sich zu greifen drohten. Da ist ein Schreiben des Bischofs an einen deutschen Prälaten von besonderem Interesse 32). Räß antwortet auf dessen Anfrage, "um eine Unwahrheit zu widerlegen": "Vor etwa anderthalb Jahren approbierte der Heilige Vater meine Handlungsweise in der Niederbronner Angelegenheit und gab mir den Rat, die Schwester M. Alphons eine Zeitlang unter eine andere geistliche Leitung zu stellen, nicht als hätte man den mindesten Verdacht gegen den Beichtvater, sondern weil dieses eine allgemeine Vor schrift der K i r c h e s e i . Schwester Alphons stellte sich mit Freuden ein; ich wies ihr ein hiesiges Kloster an, sah und prüfte sie während zwei Wochen jeden Tag und wurde in meiner guten Meinung mehr als bestärkt. Hierauf ließ ich sie wieder nach Niederbronn zurückkehren. Von diesem einfachen und natürlichen Umstande, dem viele Heilige unterworfen wurden, wird nun Anlaß genommen, die Schwester M. Alphons neuerdings zu verleumden und die redlichen Leute irrezumachen. Ihre Anstalt ist blühender als je. Die Schwestern werden nach allen Gegenden verlangt. Die Niederbronner Kongregation ist ganz im kanonischen Geleise. Sie hat einen Superior, einen ordentlichen und einen außerordentlichen Beichtvater. Letzterer ist der hiesige Kanonikus Doffner, ein Mann von scharfem Urteile und kaltem Benehmen. Das Gute, das diese frommen und opferwilligen Personen überall stiften, ist unberechenbar." Auch das Jahr 1852 ließ sich zunächst schlecht an. Von Frankreich her drohten Gewitterwolken. Unterm 5. Februar meldet der Superior mit bedrücktem Herzen seinem Freunde Busson, daß man in Frankreich ihre Sache verlasse, ja sogar verfolge, wenn Gott es zuließe. Nur in Deutschland erweckte der Herr Beschützer. Aber Reichard verzagte nicht. Nichts kennzeichnet besser den Seelenzustand des edlen Mannes als der nachfolgende Erguß seines Herzens: "Wenn ich mich in die Notwendigkeit versetzt sähe, die Pforten des Klosters zu schließen, es zu verlassen und mich nicht mehr mit dem Werke zu beschäftigen, sei es infolge unvorhergesehener Ereignisse, sei es auf Befehl meiner Obern, so würde ich mich augenblicklich unterwerfen. Ich würde sicher darunter leiden und mein Kummer wäre groß; aber ich würde nicht wanken. Was wollen wir, Schwester M. Alphons und ich, denn anders als nur die Erfüllung des göttlichen Willens? Zeigt sich darin der Wille Gottes, so gehorchte ich, ohne mich um die kommenden Dinge zu kümmern. Befreit von aller Verantwortlichkeit des Gewissens, würde ich mich still zurückziehen und mich vor Gott verdemütigen, daß ich fürderhin unwürdig sei, an seinem Werke mitzuarbeiten." 34) 34 Aber die Sonne blickte doch wieder durch die dunklen Wolken; viele Anfragen um Schwestern zeigten, daß es neben den Gegnern auch noch zahlreiche Freunde gab. Bereits schickte sich das katholische B a y e r n an, Töchter des allerheiligsten Erlösers zu begehren. Daß aber in manchen Kreisen das Mißtrauen, das einmal Wurzel gefaßt hatte, nur langsam schwand, zeigt ein bemerkenswerter Brief, den der Redemptoristenpater Aloisius Amhard am 13. August 1858 an Reichard richtete. Er fühlte sich verpflichtet, "ein Geständnis zu machen". Infolge vieler mißbilligender Urteile, die er zu hören bekam, wollte er von den Niederbronner Schwestern nichts wissen. Bei einem Kuraufenthalt in Niederbronn aber habe er unbemerkt aus nächster Nähe seine Beobachtungen angestellt, und diese fielen zugunsten der Schwestern aus. "Ich sehe nun, daß alles Verleumdungen waren, die ich gegen die Schwestern von Niederbronn gehört habe, und daß in der Kongregation nicht nur kein weltlicher und leichtfertiger Charakter herrscht, sondern der Geist Gottes." Schließlich wollte er auch die Stifterin in der Nähe sehen. "Die Unterredung war kurz, ich erkannte aber bald eine hohe Erleuchtung an der ehrwürdigen Mutter. Ihre völlige Ergebung in den heiligen Willen Gottes, ihr großes Verlangen nach Demut und Kreuz, ihre Furcht vor übernatürlichen Erscheinungen, ihre gänzliche Abhängigkeit vom Beichtvater und dem hochwürdigen Bischofe, ihre Einfachheit in der Rede und ihre ungewöhnliche Leichtigkeit, mit welcher sie von göttlichen Dingen redet - alles dieses überzeugte mich, daß ich eine von Gott hochbegnadete Person vor mir hatte. Ich bin sehr zufrieden, sie einmal gesprochen zu haben. Auch habe ich die Regeln der Kongregation mit großem Interesse gelesen und fand darin nicht nur einen frommen, demütigen und aufopfernden Geist, sondern auch viel Klugheit und Menschenkenntnis, namentlich in Rücksicht der Behandlung der Kranken. Ich bin nun gar nicht erstaunt, warum der hochwürdige Bischof von Straßburg mit so großem Vergnügen auf die entstehende Kongregation herabblickt und sich für dieselbe verwendet. Sie ist ein Werk Gottes, er wird dasselbe schützen und pflegen. Ich bin überzeugt, daß sich nicht nur viele Mitglieder der Kongregation heiligen, sondern daß diese auch vielen andern zum Heile gereiche." Das hatte sich schon seit Jahren erfüllt. Ungeachtet aller eben angedeuteten Schwierigkeiten und Anfechtungen hatte in den wenigen Jahren, die vor Abfassung dieses Briefes liegen, die neue Genossenschaft schon unendlichen Segen gestiftet. Auch in Deutschland begann man ihn schon zu verspüren, und am Anfang des Jahres 1855 wurde in der alten Kaiserstadt Speyer vom Geistlichen Rat Molitor dem Werke ein Lob gespendet, das die so viel angefochtene Stifterin, wäre es ihr bekannt geworden, wohl für alle Angriffe entschädigt hätte. "In Niederbronn selbst aber erhebt sich als das sprechendste Zeugnis des Segens, der auf dieser Kongregation ruht, das blühende Mutterhaus, ein neuaufgeführter, großartiger Bau mit einer herrlichen gotischen Kirche. Bedenkt man, daß dies alles in wenigen Jahren durch nichts als Almosen zustande gebracht worden ist, so bleibt nur die Wahl übrig, entweder die fast übermenschliche Energie der Stifterin zu bewundern oder an ein wunderbares Eingreifen der Hand Gottes zu glauben." 35) 35 Drittes Kapitel. Die ersten Statuten. Allmähliche Ausbreitung. Die Feuerprobe im Cholerajahr 1854. Die Erfahrung mußte lehren, ob sich die von der Stifterin und Pfarrer Reichard vor der Gründung des Werkes aufgestellten Konstitutionen bewähren würden. Es zeigte sich, daß nur wenig geändert werden mußte. Der Straßburger Domkapitular Doffner wurde im Jahre 1851 von Räß noch einmal mit der Durchsicht beauftragt. Sie wurden dann, nachdem sie hinlänglich erprobt waren, im Jahre 1855 zum Druck vervielfältigt 36). Zu den früheren Patronen der Genossenschaft, dem hl. Alphons und der hl. Theresia, wurde jetzt der hl. Joseph, dessen schützende Hand so oft sich wirksam erzeigt hatte, gesellt und sein Fest als ein Hauptfeiertag angeordnet. Die praktischen Ziele der Genossenschaft waren nun noch bestimmter hervorgetreten. Demgemäß lautet das erste Kapitel der Satzungen: "Die Ausübung folgender Werke der Barmherzigkeit um Jesu willen sind der Zweck der Kongregation: 1. Die Schwestern der Kongregation verpflegen die kranken Armen in ihren eigenen Wohnungen. Sie lassen sich angelegen sein, ihnen eine zweckmäßige Nahrung, die betreffenden Arzneimittel und die nötige Bett- und Leibwäsche zu verschaffen. 2. Sie verpflegen die Kranken aller übrigen Stände, welche ihre Hilfe verlangen. (Ein Zusatz bemerkt, daß die armen Kranken bei Mangel an Schwestern vorzuziehen sind.) 3. Die kranken Armen, die kränklichen alten Greise und alten Weiber, die verlassen und ohne Obdach sind, nehmen sie womöglich in ihr Haus auf. In den Städten und Ortschaften, wo die rühmlichst bekannten "Kleinen Schwestern" bestehen, werden die armen Greise und die alten Weiber der Obsorge dieser frommen Frauen überlassen. 4. Sie nehmen arme, verlassene Kinder auf und sorgen für sie, bis sie in der Religion genugsam unterrichtet sind und ihre erste heilige Kommunion gemacht haben. 5. Sie unterstützen die Hausarmen durch Kleidung, Nahrung, wo notwendig und tunlich an Geld. 6. Die armen Kinder, welche die Schule regelmäßig besuchen, nähren und kleiden sie nach dem Maße ihres Vermögens. 7. Sie halten eine Arbeitsschule, in welche sie den jungen Mädchen in Handarbeiten, wie im Stricken, Nähen usw. Unterricht erteilen. Sie sind ebenfalls verpflichtet, geistliche Werke der Barmherzigkeit zu üben, so oft sich ihnen die Gelegenheit darbietet. Sie werden daher an den Orten, wo sie ihre Wohltätigkeitsanstalten besitzen, in denselben an Sonn- und Feiertagen die Jungfrauen versammeln, ihnen Grundsätze der Frömmigkeit beibringen und sie zur Übung jungfräulicher Tugenden anleiten und ermutigen. Doch darf dieses nur auf das Begehren der betreffenden hochwürdigen Geistlichkeit und unter deren Leitung geschehen. 8. In den Orten, wo es gänzlich an Mitteln fehlt, einen Lehrer oder eine Lehrerin zu besolden, können die Schwestern eine Armenschule halten, mit Erlaubnis der Unterrichtsbehörde. 9. Die Schwestern werden in Ausübung all dieser Werke der Barmherzigkeit die Ehre Gottes und das Heil der Seelen als ersten und Hauptzweck immer im Auge haben. 36 Jedoch ist hier zu bemerken, daß diese Werke der Barmherzigkeit nur insofern von den Schwestern können in Ausübung gebracht werden, als sie von den wohltätigen Personen des Ortes oder der Umgebung hinsichtlich der nötigen Hilfsmittel und des Lokals unterstützt werden." Das zweite und das dritte Kapitel handeln über die Absicht bei Erfüllung dieses Zweckes und den Geist der Kongregation, Punkte, die wir oben schon berührt haben. Das vierte enthält die Satzungen, welche das religiöse und klösterliche Leben genau regeln: die Übungen der Frömmigkeit; Verhaltensmaßregeln der Schwestern in Betreff der Armut, der Sparsamkeit, der Ordnung, der Reinlichkeit an sich selbst und in ihrem Hause; das Verhalten der Schwestern unter sich und gegenüber weltlichen Personen; den Verkehr mit den Kranken, Bestimmungen über besondere Verhältnisse usw. Aus den Bestimmungen, welche die Bedienung der Kranken betreffen und von der Weisheit und Klugheit der Stifterin zeugen, heben wir hervor: Im Hause des Kranken sollen die Schwestern das Stillschweigen beobachten und nur das Allernötigste reden. "Während dieses Stillschweigens sollen sie in sich gekehrt sein und betrachten, wie sie im Kranken die Person Jesu Christi jetzt bedienen wollen, um Erleuchtung und Einsicht flehen, wie sie während der Bedienung des Körpers auch der Seele, die von ihm um einen so teuren Preis erkauft worden, können zu Hilfe kommen; den Herrn bitten, daß er die Pflege, die sie am Kranken üben werden, so segnen wolle, damit sie zum Heile seiner Seele gereiche." Mit Liebe und Sanftmut erkundigen sie sich bei dem Kranken nach seinem Leiden und bezeigen ihm viele Teilnahme. Die Zeit, die nicht für die Bedienung der Kranken verwendet wird, ist dem Gebete oder irgendeiner nützlichen Arbeit für die Armen oder dem Ordnen des Krankenzimmers zu widmen. Die Schwestern sollen in Gegenwart der Schwerkranken keine wenig erbaulichen Gespräche dulden. Nach der Rückkehr ins Schwesternhaus begeben sie sich vor allem in die Kapelle oder in das Betzimmer, werfen sich auf die Knie nieder, bitten Gott um Erleuchtung und Mut, damit sie über alles, was sich während der Krankenbesorgung zugetragen hat, ihrer Oberin genaue Nachricht geben können. Nur dieser, sonst niemand dürfen sie über Krankheit, Arzt und sonstige Verhältnisse des Kranken reden. Sie dürfen sich auch um die Wahl des Arztes nicht kümmern. Reinlichkeit, Ordnung und Pünktlichkeit in Bedienung der Kranken ist strenge Pflicht. Man begreift, daß Ordenspersonen, die in solchem Geiste sich dem Dienste der Leidenden widmen, von Anfang an von allen denen, welche sie nicht aus falschen Berichten kannten, sondern selbst am Werke sahen, aufs höchste geachtet und verehrt wurden. Diesen Geist den Mitgliedern der Genossenschaft einzupflanzen, war die ständige Sorge der Stifterin. Ihre Unterrichte entsprangen der Fülle ihres ganz für den Ordensberuf schlagenden Herzens. Ihr stand seit der ersten Zeit eine treffliche Novizenmeisterin in der Person der Schwester Marie Joseph zur Seite, die ihr schweres Amt mit ebensoviel Eifer als Erfolg versah. In Abwesenheit der Stifterin führte Schwester Marie Joseph die Aufsicht. "Sie läßt nicht das Geringste durchgehen, überall schafft sie Ordnung", schreibt der Superior an die ehrwürdige Mutter am 14. März 1854. Der schon erwähnte P. Amhard rühmt ihre Offenheit und kindliche Einfalt 37). Der Novizenmeisterin ist ihr Amt nicht immer leicht geworden. Unter den Bewerberinnen, die sich in großer Zahl meldeten, befanden sich manche im vorgerückten Alter, denen es schwer fiel, sich der klösterlichen Regel in allem zu fügen. Das stete Bedürfnis nach Schwestern infolge der überaus schnellen Verbreitung ließ die Oberin mitunter zu rasch Kandidatinnen aufnehmen, die dem neuen Leben nicht gewachsen waren. Auch war, das darf nicht verschwiegen werden, anfangs die Ausbildung des Personals zu schnell vor sich gegangen, so daß es an unliebsamen Erfahrungen nicht fehlte. Aber in welchem Werke, das sich aus Menschen zusammensetzt, sind solche ausgeschlossen? Um den vielen von auswärts gestellten Anforderungen zu genügen, wurden sehr oft 37 Novizinnen als Schwestern auf die auswärtigen Stationen geschickt, und es kam vor, daß solche erst nach Jahren Profeß machten. Erst später wurde ein für allemal festgesetzt, daß die Kandidatinnen ein sechsmonatiges Postulat und ein einjähriges Noviziat im Mutterhause vollendeten, ehe sie zur Gelübdeablegung zugelassen wurden. Anfangs waren auch zwei Klassen von Schwestern vorhanden: die einen für die Krankenpflege, die andern für gröbere, häusliche Arbeiten bestimmt, sog. K o n v e r s s c h w e s t e r n . Weil aber dieses Institut in der Folgezeit gewisse Mißstände zeitigte, indem der gemeinsame Ordensgeist darunter litt, da manche sich zurückgesetzt fühlten, und andere, weniger erleuchtete Geister sich über die Konversschwestern erhaben dünken konnten, verschwanden im Jahre 1872 die Konversschwestern aus der Genossenschaft. Wir haben im vorigen Kapitel die ersten Liebeswerke erwähnt, mit denen die entstehende Genossenschaft noch im Jahre 1849 sich gewissermaßen schüchtern an die Öffentlichkeit wagte. Niederbronn und die nächste Umgebung mußten naturgemäß den ersten Wirkungskreis abgeben. Es galt hier, zunächst alle Vorurteile zu überwinden und durch stilles Wirken die Stimmen des Spottes zum Schweigen zu bringen. Am 28. März 1850, am Gründonnerstag, ließ das Kloster eine Mahlzeit bereiten für die zwölf ältesten Greise von Niederbronn. Der Superior und sein Vikar Lienhard, die ehrwürdige Mutter und einige Schwestern leisteten ihnen Gesellschaft. Am 8. April sodann wurde die erste Niederlassung außerhalb Niederbronn gegründet, im nahen Reichshofen, auf Bitten des Herrn v. Bussierre. Bischof Räß hatte den weisen Rat gegeben, die ersten auswärtigen Stationen in nicht zu weiter Entfernung von dem Mutterhause anzulegen, so daß man die Schwestern noch überwachen und sie stets versetzen könne, wenn es not täte. Diese Maßregel erwies sich für die ersten Jahre als sehr ersprießlich, denn ehe man an Ausbreitung in entfernten Gegenden denken konnte, mußte sich die innere Organisation der Genossenschaft festigen und bewähren. Darum ging man in den ersten Jahren nur ausnahmsweise an Stationsgründungen in fremden Diözesen, und Superior Reichard sprach nur im Sinne des Bischofs Räß, als er diesem mitteilte 38), daß man vor allem an die Bedürfnisse der eigenen Diözese denken müsse. Das geschah denn auch in ausgiebiger Weise. Nach Reichshofen folgte sogleich die Entsendung von Schwestern nach Brumath (24. April 1850), Mommenheim (13. Juni), Andlau (6. August), Hochfelden (Oktober), Hagenau (16. Dezember), Wasselnheim (19. Dezember), Neunhofen (27. Dezember); hier wurde der Grund gelegt zu einem Hause für verwahrloste Kinder, das später nach Niederbronn verlegt wurde. So waren im zweiten Jahre des Bestehens schon acht Niederlassungen, alle zum Teil in nicht zu großer Entfernung vom Mutterhause, gegründet worden. Die Stifterin begleitete die Schwestern selbst auf den neuen Posten. Im folgenden Jahre errichtete das Mutterhaus die Stationen zu Mariental (12. Juli), Gerstheim (15. September), Straßburg (Oktober, zwei Stationen), Zabern (18. November), Jägertal und Wasenberg (November). Diese beiden letztgenannten Stationen, in den Wäldern bei Niederbronn gelegen, waren eine wahre Wohltat für die arme Gebirgsbevölkerung, welcher der Vikar Lienhard aus eigenen Mitteln Kapellen zur gelegentlichen Abhaltung des Gottesdienstes herstellen ließ. Während des Winters 1851/52 ernährte das Kloster gegen 300 Arme und Kinder zu Niederbronn, Wasenberg und Neunhofen. Im Jahre 1852 erfolgten Niederlassungen zu Örmingen im Unterelsaß (17. April) und zu Kientzheim (17. Mai), Geberschweier, Kolmar, La Chapelle, Altkirch im Oberelsaß. Nach Allerheiligen konnte Schwester M. Alphons die erste Kolonie auf deutschem Gebiete gründen: zu Speyer in der Rheinpfalz. Im Elsaß wurden in diesem Jahr noch Stationen zu Rappoltsweiler, Markirch und Mülhausen errichtet. Am Schlusse des Jahres 1852 belief sich der Personalbestand der Genossenschaft auf 153 Personen. 38 Angesichts der vielen Gegner, welche die junge Kongregation hatte, mußte die allgemeine Anerkennung, welche die Schwestern an allen Orten ihrer Wirksamkeit fanden, im Mutterhause ungemein tröstlich wirken. Keiner freute sich mehr darüber als der Bischof selbst, der seinen mächtigen Einfluß überall geltend machte zugunsten des Werkes, das ihm so am Herzen lag. Mitunter veranlaßte er selbst die Berufung von Schwestern, oder er verschaffte ihnen Vorteile, wie ermäßigte Fahrpreise auf der Bahnstrecke Straßburg - Basel 39). Um die staatliche Anerkennung allmählich in die Wege zu leiten, ließ er in allen Gemeinden, in denen die Schwestern Niederlassungen hatten, amtliche Berichte über ihre Tätigkeit einfordern. Alle diese Berichte, meist im Dezember 1852 oder im Januar 1853 abgefaßt, sprechen durchweg in den Tönen höchsten Lobes von dem Wirken der Töchter von Niederbronn; Pfarrer, Ärzte, Gemeindebehörden beeilten sich, ihre Zeugnisse zugunsten der mancherorts mit Mißtrauen betrachteten Genossenschaft abzugeben 40). Namentlich in jenen Orten, die keine Krankenhäuser besaßen, wurde die Anwesenheit dieser frommen, bescheidenen und geduldigen Krankenpflegerinnen mit Freude begrüßt. Die offiziellen, sog. Wohltätigkeitsbureaus (Bureaux de Bienfaisance) betrauten vielfach die Schwestern mit der Armenfürsorge; Vinzenzvereine stellten sie in ihren Dienst; die private Wohltätigkeit benutzte sie als Verwalterinnen ihrer Liebesgaben, und still und unermüdlich walteten die Niederbronner Töchter ihres Amtes und errangen sich schnell die Achtung und Sympathie nicht bloß der Katholiken, sondern auch der Andersgläubigen, denn ihre Liebesdienste erstreckten sich auf alle Notleidenden und Unglücklichen ohne Unterschied des Bekenntnisses. Ihre Fürsorge für verwahrloste und bettelnde Schulkinder, die Sorgfalt, mit der sie sich in den Städten der heranwachsenden weiblichen Jugend annahmen, die Pflege verlassener Greise und alter Frauen wurde überall als eine große soziale Wohltat begrüßt. Für die Armenpflege erwiesen sich diese Schwestern an den meisten Orten geradezu als eine Notwendigkeit. Die seit dem Ende des 18. Jahrhunderts durch die vom französischen Gesetz vorgeschriebenen Wohltätigkeitsbureaus geregelte öffentliche Armenpflege hatte im Laufe der Zeit zu kläglichen Resultaten geführt; dies mußte im Jahre 1854 die Präfekturverwaltung des Unterelsaß selbst zugeben 41). Bei diesem Mißerfolg der staatlichen und gemeindlichen Wohltätigkeitspflege kamen die Schwestern wie gerufen. Freudig versichern - um aus den vielen Berichten einige Beispiele herauszugreifen - Bürgermeister und Rat von Hochfelden 42), daß die Schwestern die besten Verteilerinnen der Almosen seien: "Bei ihnen finden 40-50 arme Kinder, die sonst vor den Türen ihr Brot bettelten, täglich einen gedeckten Tisch. Sie ernähren sie so das ganze Jahr hindurch und gewöhnen sie an ein eingezogenes, christliches Leben. Sie besuchen jetzt regelmäßig die Schule. Außerdem werden noch gegen 20 arme und kranke Personen von ihnen verpflegt und erhalten." "Trösterinnen und Helferinnen der Armen und Kranken" nennt sie der Bericht von Mommenheim; die Schwestern verwalten die Almosen der Gemeinde. "Wie Engel des Himmels vermitteln sie zwischen reich und arm; sie besorgen die Kinder in der Wiege, erziehen sie zur Ordnung, sie sind Schwestern der Liebe für die Kranken, Familienmütter für die Armen." 43) In Reichshofen gibt man der Freude darüber Ausdruck, daß die bettelnden und vagabundierenden Kinder jetzt von den Schwestern zusammengehalten, genährt, gekleidet, zum Gehorsam und zum Schulbesuch angehalten werden. 44) Dasselbe melden die Behörden von Pfirt, Rufach, Altkirch, Dambach (bei Niederbronn), Geberschweier, Gerstheim, Hagenau. "Der Eifer der Schwestern übersteigt alles Lob", meldet der Pfarrer von Wasselnheim dem Bischof 45); in diesem Industrieort, der kein Hospital besitzt, sei für die Arbeiterbevölkerung die häusliche Fürsorge eine Notwendigkeit. "Oft weilen die Schwestern ganze Wochen bei diesen Unglücklichen, opfern sich in wunderbarster Weise auf, nicht nur bei der Linderung ihrer Leiden, sondern auch bei der Pflege ihrer Kinder. Arm und sich auf das 39 Allernötigste beschränkend, erhalten sie keinerlei Bezahlung und begnügen sich mit der allereinfachsten Nahrung." Was das Mutterhaus selbst wirkte, faßte der Kantonalarzt Dr. Kuhn von Niederbronn in die lobenden Worte: "Nicht nur wachen diese frommen Töchter bei den Kranken, lassen ihnen Tag und Nacht die emsigste Sorgfalt angedeihen, wobei sie sich allen Ansteckungen aussetzen und jedem Ekel trotzen, sondern sie dringen auch in die Hütten des Armen, tragen die Tröstungen der Religion hinein, bringen die Reinlichkeit da zur Herrschaft, wo sie wenig geschätzt war, und unterrichten selbst die Kinder in den abgelegenen Weilern, wo es vordem weder Lehrer noch Schule gab." Die Feuertaufe für die Genossenschaft aber brachte das unheilvolle Cholerajahr 1854. Da zeigte sich der überraschten Welt, welche Fülle von Opfermut und Heldengeist sich in der jungen Genossenschaft aufgespeichert hatte. Da wurde offenbar, was Schwester M. Alphons in den Mauern des Mutterhauses in den fünf Jahren seines Bestehens in der Kunst, Menschen für Gott zu bilden, geleistet hatte. Freudigen Herzens zogen die jungen Schwestern in die von der Seuche heimgesuchten Gegenden, wo man ihre Hilfe begehrte. Mutter M. Alphons zögerte keinen Augenblick, den zahlreichen Gesuchen zu entsprechen. Eine freudig zu nennende Aufregung hatte sich der ganzen Gemeinschaft bemächtigt. Die Generaloberin feuerte mit begeisterter, aus der Tiefe ihrer für Gott und die leidende Menschheit glühenden Seele die kleine Schar ihrer Töchter an, die auf das Schlachtfeld der Nächstenliebe hinauszogen. Eine Ohrenzeugin hat ihre Worte getreulich aufgezeichnet. Mutter M. Alphons redete also: "Innig geliebte Kinder! Wie kostbar ist für euch, als Töchter des göttlichen Erlösers, diese schreckensvolle Zeit, in welcher die Krankheiten auf so furchtbare Art ausbrechen, daß die menschliche Natur darob sich entsetzt! Da, liebe Kinder, gilt es die Rettung der Seelen, die, durch das kostbare Blut unseres göttlichen Heilandes erkauft, so schnell, so unvorbereitet vom Tode hinweggerafft werden! O lasst euch deren ewiges Heil euer angelegentlichstes, euer wichtigstes Geschäft sein. Wenn ihr von Müdigkeit erschöpft seid, von Ekel und Widerwillen überfallen werdet, so eilet hin zum Fuße des Kreuzes, betrachtet, für wen und warum der Sohn Gottes eines so schmählichen und bitteren Todes stirbt - für wen? - Ach, für uns alle! - Warum? - Um unsere Seelen zu retten vom ewigen Untergange und uns den Himmel zu öffnen! Da, beim Anblicke unseres am Kreuze sterbenden Heilandes, werdet ihr den Wert der Seelen erkennen, erkennen, wie kostbar eine einzige in seinen Augen ist, da er, um nur eine allein zu retten, bereitwillig gestorben wäre! Fasset also Mut, geliebte Kinder, seid taub gegen die Stimme der Natur, die sich widersetzt, verleugnet und überwindet euch selbst! Welch einen Trost wird es euch gewähren, wenn ihr euch auf eurem Sterbelager sagen könnt: Ich habe meine blühende Jugend dem Dienste des Herrn geweiht! Verzichtet habe ich ihm zuliebe auf alles, was die Welt mir anbot und was ich von ihr erwarten konnte; vergönnt ward mir, als Braut Jesu Christi zu leben, und nun, da ich als Schlachtopfer der Nächstenliebe falle, wird mir das Glück zuteil, als solche zu sterben! Fürchtet euch nicht, geliebte Töchter in Christo, wenn ihr, durch anstrengende Arbeit und Nachtwachen erschöpft, von Ermattung befallen, bei Gebet und Betrachtung euch kalt und trocken fühlet! Um gut zu beten und zu betrachten, ist es nicht notwendig, eine fühlbare Andacht zu haben und Tränen zu vergießen. Erweckt in euch das Verlangen, andächtig zu beten und zu betrachten, verrichtet mit reiner Meinung alle geistlichen und leiblichen Werke der Barmherzigkeit und stellet das übrige Gott anheim. Noch eines muß ich euch empfehlen, liebe Kinder: Hütet euch vor eitler Ehre; fliehet das Lob der Menschen; suchet nie diesen, suchet nur Gott wohlgefällig zu sein! Trachtet durch Liebe, Sanftmut, Demut dem göttlichen Bräutigam nachzufolgen! Er liebt die Demütigen, und ihnen gibt er seine Gnade! Gehorchet euch gegenseitig und liebet 40 einander aufrichtig und herzlich! Vergesset nicht die Worte, die ich euch schon manchmal zugerufen habe: Leidet, betet, schweiget!" Als im Herbst die schreckliche Epidemie erlosch, kehrten die Schwestern ermüdet und furchtbar hergenommen von den Strapazen der harten Zeit, aber begleitet von den Segenswünschen ganzer Provinzen ins Mutterhaus zurück. Die Genossenschaft hatte in schlimmer Zeit die Probe glänzend bestanden, Die Presse und die öffentlichen Behörden geizten nicht mit ihrer Anerkennung 46). Auch die Regierung zögerte nunmehr nicht länger, der Genossenschaft die staatliche Genehmigung zu erteilen. Viertes Kapitel. Die staatliche Genehmigung. Die hervorragende gemeinnützige Bedeutung des Institutes von Niederbronn blieb der staatlichen Behörde nicht verborgen. Schon im Jahre 1852 begann man auch seitens der Regierung, die Dienste der Schwestern zu beanspruchen: bei den großen Überschwemmungen, die manche Gegenden des Elsasses schwer schädigten, wurden auf Wunsch des Präfekten vom Niederrhein, der sich an Bischof Räß gewandt hatte, Schwestern in die am meisten heimgesuchten Gebiete geschickt, um Hilfe in der Not zu bringen 47). Es mußte der Kongregationsleitung sehr daran liegen, im Interesse einer gedeihlichen Weiterentwicklung der Genossenschaft die staatliche Anerkennung zu erlangen, um gültige Verträge schließen und Legate entgegennehmen zu können. Bei dem Erwerb von Liegenschaften hatte die Generaloberin als Vertreterin der Gemeinschaft alles auf ihren persönlichen Namen erworben. Auf die Dauer konnte das nicht geschehen. So begann man im Jahre 1853 Schritte zu tun, um die gesetzliche Anerkennung zu erwirken. Auch hier war es Bischof Räß, der die Angelegenheit in die Hand nahm. Die ehrw. Mutter wandte sich auch an die Gemahlin des Marschalls SaintArnaud 48) zu Paris, eine einflussreiche Dame, die sich von Anfang an für Niederbronn interessierte. Das erste Gesuch des Bischofs wurde abschlägig beschieden; man bedeutete dem Bischof im Kultusministerium, es bedürfe, um eine Genossenschaft mit eigenen Statuten zu genehmigen, eines neuen Gesetzes. Um diese Schwierigkeiten zu umgehen, müßte die Niederbronner Kongregation einfach die Statuten einer bereits anerkannten Genossenschaft übernehmen, dann könne man die Genehmigung durch ein einfaches Dekret erhalten. Anfangs war weder Reichard noch Mutter M. Alphons gewillt, diesem Ansinnen nachzugeben. Unterm 24. Februar 1853 teilte der Superior dem Bischof seine Bedenken mit. Da Räß die Niederbronner Satzungen für gut und dem Geiste der Kirche durchaus entsprechend befunden habe, so brauche man keine Änderung eintreten zu lassen. "Seit der Gründung der Genossenschaft sind jetzt vier Jahre verflossen. Während dieser Zeit haben die Töchter des göttlichen Erlösers ihre Liebestätigkeit zur Zufriedenheit vieler Leute ausgeübt. Beweis dafür sind die offiziellen Zeugnisse. 180 Schwestern und Postulantinnen tragen ihre Statuten und Regeln im Herzen und halten daran wie an ihrem Leben. Diese Satzungen, welche den heldenmütigen Eifer der Schwestern beleben, ziehen uns alle Tage neue Postulantinnen zu; diese Satzungen jetzt auf einmal ändern, hieße mit einem Schlag die hohe Meinung zerstören, die man bis jetzt von unserer Genossenschaft hatte. Viele werden dadurch veranlaßt werden, sie zu verlassen." Man hatte dem Bischof die Statuten der Kongregation der Schwestern von der guten Hilfe (Soeurs du Bon Secours, dites de Notre-Dame 41 Auxiliatrice, die in Paris in der Rue Notre-Dame-des-Champs wohnten) vorgeschlagen. "Ich glaube nicht", meint Reichard, "daß wir dieser Kongregation Unehre machen würden. Aber wer garantiert uns, daß diese ihre Statuten später nicht auch noch anderen ausgehändigt, welche sich mit Hauskrankenpflege abgeben, aber in anderem Geist und in anderer Form? Dadurch könnte der Begriff unseres Liebeswerkes verwischt oder geschwächt werden. Wer schützt uns gegen Spaltung und Trennungen? Wollte z. B. eines unserer Häuser in Frankreich sich trennen, so wäre dies leicht. Vielleicht ist es besser, eine günstigere Zeit abzuwarten, um von der Regierung die Approbation unserer Statuten zu erhalten. Damit wäre uns für später auch die Anerkennung durch den Heiligen Stuhl erleichtert." Räß möchte doch, so schließt das bewegliche Schreiben, die Aktenstücke noch einmal dem Minister zuschicken und ihn bitten, diese dem Staatsrat zu unterbreiten. Doch waren die Besorgnisse der Kongregationsobern unbegründet. Im Grunde war der vom Kultusministerium angedeutete Weg nur eine unverbindliche Formalität, durch welche man den angesichts der innerpolitischen Lage schwierigen Weg eines neuen Gesetzes umgehen wollte. Als man in Niederbronn darüber aufgeklärt war, wurde am 10. März 1853 das von der Generaloberin und 16 Schwestern unterzeichnete Gesuch um die gesetzliche Anerkennung eingereicht und von Räß befürwortet. Aber es dauerte noch eine geraume Weile, bis der endgültige Bescheid eintraf. Unterdessen ließ die Staatsregierung ihr Interesse an dem Gedeihen des Werkes durch den offiziellen Besuch des Präfekten des Unterelsaß bekunden, der am 27. Mai 1853 in Begleitung des Unterpräfekten von Weißenburg das Kloster und die ehrw. Mutter besuchte. Im darauf folgenden Cholerajahre konnten die Staatsbehörden verschiedener Bezirke dem Heldenmute der Niederbronner Schwestern das schönste Zeugnis ausstellen, ja eine kleine Abteilung war dem französischen Heere auf die Schlachtfelder der Krim gefolgt. Am 6. November 1854 erfolgte dann die ersehnte staatliche Anerkennung, welche der Kongregation die Rechte einer juristischen Person verlieh. Fünftes Kapitel. Die Gründung einer Bruderkongregation und ihr Ende. Der Ankauf von Oberbronn. Von Anfang an hatten die Stifter ihr Werk nur im Vertrauen auf die göttliche Vorsehung gegründet. Wir sahen, wie dieses Vertrauen nicht getäuscht wurde. Die Schwestern betrachteten den hl. Joseph, der ihre besondere Verehrung genoß, gewissermaßen auch als ihren Nährvater, so wie ihn der demütige Glaube Reichards bei Ausführung der großen Klosterbauten als seinen Baumeister betrachtet hatte. Bis zum Jahre 1853 hatten diese Bauten einen Aufwand von fast 130000 Franken erfordert. Dazu kam der Unterhalt der immer zahlreicher werdenden Klosterfamilie, Ausgaben für Kleidung und Reisekosten der auf ihre Mission ziehenden Schwestern, ganz abgesehen von den Unkosten, welche die vom Mutterhaus unterstützten zahlreichen Armen und Kindern verursachten. Sichere Einnahmequellen existierten nicht. In der Hauptsache war man angewiesen auf die sogenannte Mitgift, welche die eintretenden Postulantinnen mitbrachten; aber die größere Anzahl kam mit leeren Händen, und die für die Vermögenderen festgesetzte Summe überstieg 800 Franken nicht. Bevor das Werk in seinen auswärtigen Niederlassungen nicht fest organisiert war, konnten auch die in der Ferne weilenden Schwestern, sofern sie für ihre Dienste in manchen städtischen Anstalten entlohnt oder für ihre Hauskrankenpflege reichlicher beschenkt wurden, das Mutterhaus nicht unterstützen. Die Kongregationsleitung hatte anfänglich 42 durch den Erwerb kostspieliger Häuser in Andlau und Hagenau beträchtliche Summen ausgegeben, statt daß man, wie es von nun an die Regel wurde, die Gemeinde oder wohltätige Vereine für eine Wohnung der Schwestern sorgen ließ, wenn nicht jemand ausdrücklich ein Kapital zum Bau einer Wohnung gestiftet hatte. So taten mitunter an Reichard und die ehrw. Mutter doch sorgenvolle Stunden heran, in denen man mit einigem Bangen in die Zukunft blicken mußte. Seitdem die Anzahl der Niederlassungen sich vermehrte, für welche das Mutterhaus selbst oft schwere Opfer bringen mußte, schloß die Jahresbilanz mit einem beträchtlichen Fehlbetrag ab, der im Jahre 1858 beispielsweise sich auf fast 10000 Franken belief. In einem Augenblick großer Bedrängnis hatte Bischof Räß ein Darlehen von 20000 Franken gewährt - ein Gläubiger, von dem man wenig zu befürchten hatte. Angesichts dieser unsicheren Lage kamen die Obern auf den Gedanken, den Feldbau in größerem Stile zu betreiben, um so das Mutterhaus mit seinen vielen Insassen leichter und billiger mit den wichtigsten Nahrungsmitteln zu versorgen. Die Pachtzinsen der Feldgüter um Niederbronn herum waren nicht hoch. Freilich konnte man den Schwestern die Bewirtschaftung größerer Grundstücke nicht zumuten, und an bezahlte männliche Arbeitskräfte war wegen der nicht rosigen Finanzlage gar nicht zu denken; solche hätten auch von vornherein die Ertragsfähigkeit des geplanten Unternehmens ausgeschlossen. Der Superior wußte Rat; man gründete eine kleine Genossenschaft von Laienbrüdern. Zweck und Einrichtung dieser Bruderkongregation war in ihren Statuten folgendermaßen umschrieben: Die Brüder treiben Ackerbau, um die Produkte ihrer Arbeit zum eigenen Unterhalt und dem der Schwesternkongregation zu verwenden. Sie hängen auch ganz von dieser ab. Ersparnisse dürfen nur für karitative Zwecke angewendet werden, nicht zum Ankauf von Ländereien. Die Kongregation steht unter dem Schutz des hl. Joseph. Aufnahme finden nur Zölibatäre oder Witwer. Sie wird geleitet durch einen vom Bischof zu ernennenden Geistlichen und einen Direktor für die materiellen Angelegenheiten. Die Zentralverwaltung hängt von der Generaloberin ab, der Superior der Schwesternkongregation hat auch die geistliche Oberleitung. Der Beichtvater ist zugleich Novizenmeister. Das Noviziat dauert ein Jahr; dann erhalten die Brüder das vorgeschriebene Kleid und legen nach unbestimmter Zeit mit Genehmigung des Bischofs die drei Gelübde auf fünf Jahre ab. Beim Austritt aus der Kongregation werden die geleisteten Arbeiten nicht vergütet. Die Brüder bebauen ihre und des Schwesternklosters Güter, sie sorgen für die Herbeischaffung des Winterbrennholzes und der nötigen Vorräte, überwachen und leiten die Bauarbeiten und Reparaturen. Sie haben ihren Obern Gehorsam zu leisten, sich in den Tugenden der Einfachheit, Demut, gegenseitigen Liebe, Geduld und Sanftmut zu üben. Da sie das Gelübde der Armut abgelegt haben, dürfen sie ohne Ermächtigung nichts besitzen. Der Name Niederbronn übte Zugkraft aus, so daß eine hinreichende Zahl Kandidaten dem Aufruf Folge leisteten; sie kamen fast alle aus Deutschland herbei; Bayern und Baden lieferten die meisten. Reichard hatte am östlichen Ende von Niederbronn einen Bauernhof mit angrenzenden Grundstücken erworben, der durch Umbau zur Aufnahme der Brüder und ihres geistlichen Leiters hergerichtet wurde. Ende 1854 konnte er schon bezogen werden. Eine kleine angebaute Kapelle wurde am 21. Juni 1855 durch den Domkapitular Doffner, den außerordentlichen Beichtvater der Schwesternkongregation, eingeweiht. Der erste geistliche Vorsteher der Brüdergemeinschaft war Felix Andreck, der sie nach zwei Jahren wieder verließ 49). Neben dem Bruderkloster, auf der sanft aufsteigenden Berghalde, war seit Juni 1853 ein besonderer Friedhof für die Schwestern angelegt worden. Als erste stille Bewohnerin trug man am 18. Juni dieses Jahres die Schwester M. Paul hinauf, die noch 43 auf dem Sterbebette Profeß gemacht hatte. Die feierliche Einweihung des Friedhofes und des großen Kruzifixes fand am 15. Oktober 1855 im Beisein aller Schwestern des Mutterhauses und der Katholiken der Pfarrei statt; bei dieser Gelegenheit hielt der Jesuitenpater Schlosser eine vielbemerkte Predigt. Auch das Bruderkloster erhielt schon bald zwei Filialen: die Gutshöfe Quelingen, im lothringischen Kreise Diedenhofen gelegen, und Singlingen im Kreise Saargemünd. Das Mutterhaus war in den Besitz dieser Güter gelangt durch zwei Schwestern, die Töchter des Friedensrichters Nicolas zu Pont-à-Mousson, die zu Niederbronn eingetreten waren 50). Auf beide Höfe wurden Brüder gesandt, um sie rationell zu bewirtschaften. Da aber Quelingen, dessen Bodenfläche 51 ha umfasste, zu weit entfernt war, so verkaufte die ehrw. Mutter das Gut für 40000 Franken und erwarb für den Erlös ein anderes großes Gut, das 45 ha umfasste, in unmittelbarer Nähe von Singlingen. Hier wurden nun große Umbauten vorgenommen, auch eine neue Kapelle wurde errichtet. Man scheute die großen Unkosten - ca. 100000 Franken - nicht, weil man sich von diesem stattlichen, jetzt schön abgerundeten Gute beträchtliche Einnahmen versprach. Aber diese Erwartungen sollten sich nicht erfüllen. Singlingen ist stets das Sorgenkind des Mutterhauses geblieben. Man mußte schon einen eigenen Geistlichen dort unterhalten 51). Dazu lud sich das Anwesen im Jahre 1861 eine neue Last auf, indem die Kongregationsobern beschlossen, ein Waisenhaus auf dem Gute einzurichten, um der Genossenschaft mehr Sympathien in Lothringen zu gewinnen. Man hatte von Anfang an in den maßgebenden kirchlichen Kreisen der Diözese Metz das Unternehmen in Singlingen nicht sehr freundlich begrüßt. Der Präfekt 52) des Moseldepartements gestattete die Errichtung des Waisenhauses, für das man zunächst Kinder aus der Waisenanstalt St. Nikolaus zu Metz annahm. Im Jahre 1864 siedelten auch die Waisenkinder aus dem aufgelösten Waisenhause Neunhofen, das in der Nähe von Niederbronn vom Mutterhause unterhalten worden war, nach Singlingen über. Eine Zeitlang schien es, als wollte die Kolonie in Singlingen wohl gedeihen. Die ehrw. Mutter zog sich, um sich von Überarbeitung und Krankheitsfällen zu erholen, gerne in die Abgeschiedenheit von Singlingen zurück und sah nach dem Rechten. Noch kurz vor ihrem Tode hatte sie hier drei Wochen zugebracht. Nach ihrem Abscheiden verlegte ihre Nachfolgerin das Bruderkloster in Niederbronn, das bisher als Mutterhaus der Brüdergenossenschaft gegolten hatte, ganz nach Singlingen, um nicht eine doppelte geistliche Leitung zu benötigen. In dem Niederbronner Bruderhof brachte man eine Waisenanstalt unter, welche die Stelle des aufgehobenen Hauses in Neunhofen vertrat. Dazu kam, daß sich die Zahl der Brüder merklich verringerte; neue Anmeldungen erfolgten nicht. Der Personalbestand der Brüdergenossenschaft genügte allmählich nicht mehr den Anforderungen, welche die Gutsbewirtschaftung stellte, und der Betrieb durch Zuhilfenahme bezahlter Taglöhner stellte die Rentabilität des Gutes in Frage, ebenso die weite Entfernung vom Mutterhause. Der spätere Superior Sattler, in dessen Augen die ganze Brüderkongregation keine Gnade fand, weil er sie mit Recht als den kirchenrechtlichen Bestimmungen zuwiderlaufend ansah, wandte sich bei seinem Aufenthalt in Rom mit einer Anfrage an die Kongregation der Bischöfe und Regularen, ob eine solche Gründung den kirchlichen Gesetzen nicht zuwiderlaufe, worauf man ihm bedeutete, daß dieses Institut durchaus irregulär sei. Damit war das Schicksal Singlingens schon entschieden. Bischof Räß löste die Brüderkongregation auf und gestattete, das Singlinger Gut zu verkaufen. Im April 1870 verließen die Brüder Singlingen und zerstreuten sich in alle Welt, einige gingen nach Algerien unter die Fahne des Bischofs Lavigerie 53). Die Schließung des Waisenhauses erfolgte am 1. Juni, und am 26. dieses Monats kehrten auch die Schwestern, die den Haushalt besorgt hatten, ins Mutterhaus zurück. Es war ein Glück, 44 daß sich ein Käufer gefunden hatte, der um eine annehmbare Summe das ganze Anwesen erwarb 54). Kaum einen Monat später brach der deutsch-französische Krieg aus, und die Kaufsumme mußte, wenngleich sie mit den großen Opfern, die man für das Gut gebracht hatte, nicht im Einklang stand, für die nun folgende schwere Zeit als ein Geschenk des Himmels erscheinen. Von ganz anderer Bedeutung aber sollte sich der Erwerb eines anderen Gutes für die zukünftige Entwicklung der Kongregation erweisen: der Ankauf des Schloßgutes von Oberbronn, in nächster Nähe des Mutterhauses. Das erfreuliche Wachstum der Genossenschaft, zu der aus Frankreich, Deutschland und Österreich der Zuzug immer reger wurde, seitdem die Gründung von Niederlassungen die Straßburger Bistumsgrenze weit überschritten hatte, ließ die Obern erkennen, daß auf die Dauer die Gebäulichkeiten in Niederbronn nicht ausreichten. Superior Reichard, der im März 1856 endgültig seine Pfarrstelle aufgab, um sich ganz dem Werke der Genossenschaft zu widmen 55), mußte beizeiten Vorsorge treffen, um das wachsende Personal unterzubringen. Die bereits errichteten Klosterbauten zu vergrößern ging nicht gut an, weil man in der Umgebung keinen Baugrund mehr erwerben konnte. Da bot sich eine unerwartet günstige Gelegenheit. Die Inhaber des am Eingang des Dorfes Oberbronn gelegenen Schlosses Oberbronn 56), die Familie des Grafen Karl August von Strahlenheim, wollte es mit allen Liegenschaften veräußern. Die malerische und gesunde Lage ließen das Anwesen als besonders geeignet für die Anlage eines Noviziates erscheinen. Trotz der wenig günstigen finanziellen Verhältnisse zögerte man im Mutterhause nicht, die gute Gelegenheit zu benutzen, und am 17. Dezember 1857 wurde der vorläufige Kaufakt mit den Erben Strahlenheim abgeschlossen. Bei der niedrigen Kaufsumme von 60000 Franken war das Geschäft für die Kongregation äußerst vorteilhaft. Durch kaiserliches Dekret vom 7. Juli 1859 wurde der Erwerb gesetzlich anerkannt 57). Schon im Sommer 1858 verlegte man das Noviziat nach dem neuen Besitz, der allerdings nur mit ziemlichem Kostenaufwand diesem Zweck dienstbar gemacht werden konnte. Die hölzerne Umzäunung des Parkes und des Gartens wurde durch eine Mauer ersetzt. Der rechte Flügel des oberen Gebäudes, in welchem die Pferdestallungen untergebracht waren, wurde in eine Notkapelle umgewandelt. Darüber legte man die Räume für das Noviziat an. Zum Beichtvater und Hausgeistlichen wurde der Abbé Birgentzle ernannt; die Heranbildung der Novizen oblag auch hier der bestbewährten Novizenmeisterin Schwester M. Joseph. Bis 1870 blieb das Noviziat in Oberbronn, wo es wieder mit dem Mutterhaus in Niederbronn vereinigt wurde. 1880 endlich ist Oberbronn selbst das Mutterhaus, die neue Wiege der Genossenschaft geworden. In den darauf folgenden Jahren hat es allmählich das Aussehen genommen, das heute den Besucher erfreut. Man kann sich für eine große klösterliche Niederlassung, in der junge Menschenkinder sich ausbilden sollen für den erhabenen Beruf der im Dienste der Armen und Kranken sich aufopfernden Klosterfrau, nicht leicht einen passenderen Ort denken. Die brandenden Wogen des unruhigen Weltgetriebes machen Halt vor dieser gesegneten Bergeinsamkeit. Schützend und hegend steigt hinter den Klosterbauten eine waldige, steile Bergwand auf. Wohlgepflegte Weingärten schmiegen sich an den Waldrand, und lichte Haine von mächtigen Edelkastanien verleihen dem Landschaftsbild fast etwas Südländisches. Wenn der Frühling ins Land kommt und die zahllosen Obstbäume auf dem fruchtbaren Hügelgelände ringsum mit weißen und rosaroten Blütenschleiern behängt und der lenzblaue Himmel die grünen Matten und sprossenden Saatfelder anlacht, möchte man sich in ein kleines Stück Paradies versetzt glauben. Dann flöten 45 im prächtigen Klosterpark in dem Buschwerk, das die Lourdesgrotte umgrünt, die Amseln; um die blütenweißen Spalierpyramiden des sanft aufsteigenden, sonnigen Gartens summen die Bienen, und die wärmende Sonne saugt sich gierig ein in die weit geöffneten Fenster des luftigen Krankenhauses, dankbar begrüßt von den Siechen und Müden, die als frühe Opfer ihres harten Berufes in den weißen Kissen gebettet meist mit allen Hoffnungen des Diesseits abgeschlossen haben und still und gottergeben dem Lohne ihres Opferlebens entgegenharren. Steigt man hinter dem Klostergarten den steinigen Bergpfad hinauf und blickt in halber Bergeshöhe, etwa von den Zinnen des Bückelsteinfelsens, ins lachende Land hinaus, so staunt man über so viel prunkende Naturschönheit. Wie Schwalbennester kleben die Häuser des lang gestreckten Dorfes Oberbronn am Bergabhang des Wasenköpfels; manches Dach liegt fast ganz versteckt im Blütenmeer der Kirsch- und Birnbäume. So weit das Auge reicht, sieht man bis an den verschwimmenden Horizont auf den Wiesen und braunroten Äckern des sanftgewellten Landes die Riesensträuße blühender Obstbäume. Die roten Dächer und malerischen Kirchtürme freundlicher Dörfer grüßen von allen Seiten herauf. Das Auge haftet zuerst auf dem ganz unten in der Talsohle versteckten Städtchen N i e d e r b r o n n , dessen saubere Häuser sich um die berühmte Heilquelle scharen, die seit der Römer Zeiten von nah und fern Leidende und Erholungsbedürftige herbeilockte 58). Ein halbes Stündchen davon entfernt ragt der stattliche Kirchturm des Fleckens Reichshofen empor, der sich auf der breiter gewordenen Talebene ausdehnt. Wir sehen eine breite, weiße Fahrstraße diesen Ort verlassen und einen sanft aufsteigenden, waldbewachsenen Hügel sich hinaufschlängeln, der von einer stattlichen, schlanken Kirchturmspitze überragt wird. Dort liegt Fröschweiler und, unserem Auge unsichtbar, zu Füßen des im Nordosten die Aussicht begrenzenden Liebfrauenberges das Städtchen Wörth. Auf diesen Gefilden spielte sich am 6. August 1870 das blutige Drama der großen Schlacht ab. Überhaupt steht man hier auf altehrwürdigem, durch geschichtliche Erinnerungen geheiligtem Boden. Auf dem Ausläufer, den der stattliche Wintersberg jenseits des Tales vorschickt, hatten die Kelten schon ein festes Lager angelegt, und ihm gegenüber, auf dem Berg, an den sich die malerische Wasenburg anschmiegt, schützten die erobernden Römer durch feste Verschanzungen die wichtige Heerstraße, die ins Lothringerland führt und heute noch durch die Festung Bitsch gedeckt wird. Aber auch an religiösen Erinnerungen fehlt es nicht. Im ausgedehnten Flachwalde, der sich nach Sonnenaufgang zu um die Türme der in der Ferne sichtbaren Stadt Hagenau lagert, dem heiligen Forste des Mittelalters, lagen einstmals stattliche Klöster versteckt; die fromme Legende läßt den heiligen Bischof Arbogast, den Patron der altehrwürdigen Straßburger Diözese, im Schatten seiner mächtigen Eichen ein weltabgeschiedenes Klausnerleben führen. Vom Liebfrauenberg bei Wörth drüben grüßen die verlassenen Mauern des ehedem viel besuchten und im Orte Görsdorf zu neuem Leben erwachten Wallfahrtsortes Maria-Eich herüber, und wenn die Luft besonders klar ist, erblickt das Auge weit droben im Süden in der blauen Vogesenkette den auffallenden Bergkegel, auf dessen stumpfer Spitze die liebenswürdige Gestalt der elsässischen Vorzeit, die hl. Odilia, ihr berühmtes Kloster gründete. Unter ihren, der Patronin des christkatholischen Elsasses Schutz hat darum auch die Kongregationsleitung das neue, große Krankenhaus zu Straßburg-Neudorf gestellt. Sechstes Kapitel. Die rasche Verbreitung der Schwestern in fremden Diözesen. Lob durch die Bischöfe. Das päpstliche Belobigungsdekret von 1863 46 und die päpstliche Approbation von 1866. Rascher als man je erwarten konnte, allen Gegnern zum Trotz, denen das Aufblühen des Niederbronner Werkes ein Dorn im Auge war, verbreiteten sich die Schwestern. Die staatliche Approbation hatte der Genossenschaft die feste Grundlage gegeben, auf der sie zunächst im eigenen Lande weitergedeihen konnte. Die aufopferungsvolle Tätigkeit der Schwestern in den Cholerajahren 1854 und 1855 hatte ihnen in den entferntesten Gegenden, wohin die Tagespresse ihr Lob trug, Liebe und Bewunderung eingetragen. Nachdem die Genossenschaft zunächst in der Heimatdiözese festen Fuß gefasst hatte 59), konnte sie daran denken, in anderen Sprengeln Niederlassungen zu gründen. Hatte die Stifterin in wohlberechnender Klugheit anfangs Bedenken getragen, ihre Töchter zu weit fortzuschicken, so entwickelte sie in den späteren Jahren, als sie mit freudigem Dank gegen Gott das Blühen und Gedeihen ihres Werkes verfolgen konnte, eine fast fieberhafte Tätigkeit für dessen Verbreitung, die den bedächtigen Superior nicht ohne Grund zuweilen mit einiger Besorgnis erfüllte. Aber sie wußte solche Anwandlungen mit wirksamen Gründen zu verscheuchen. Als eines Tages eine Postulantin - die spätere Schwester Lukretia - im Refektorium während der Mahlzeit aus dem Buche der Heiligen vorlas, kam die ehrwürdige Mutter in dem Augenblick herein, als die Stelle gelesen wurde: "So sollte sein Name (d. i. Gottes) auf der ganzen Welt verbreitet werden." Da unterbrach sie die Vorleserin, nahm ihr das Buch aus der Hand und verließ den Saal. Lächelnd kam sie wieder zurück und sagte: "Ich war beim ehrwürdigen Vater, habe ihm diese Stelle vorgelesen, weil er immer sagt: 'Aber, ehrwürdige Mutter, schon wieder ein Haus?' und sagte ihm: Ehrwürdiger Vater, will der liebe Gott, daß dieses sein Werk verbreitet werde, so hören Sie auf das, was ich meine." 60) Solchen Vorstellungen setzte der Superior, der der Stifterin fast blindlings vertraute, keine Weigerung entgegen. In der Nachbardiözese Metz war schon im Jahre 1851 zu Saaralben ein Haus gegründet worden. Im folgenden Jahre kam die Diözese Speyer dran, deren Oberhirte Bischof Weis ein vertrauter Freund von Räß war, zunächst eine Station in Speyer, der bald weitere folgten in Landstuhl (1854), Herxheim und Rülzheim (1855). In der Erzdiözese Besançon machte Ornans im Jahre 1853 den Anfang, worauf Marnay (1862) sich anschloß. Im Bistum Nancy leitete die Gründung des Hauses von Pont-áMousson im Jahre 1853 die Errichtung weiterer Stationen zu Lunéville (1855) und Toul (1856) ein. In der Diözese St. Dié erstand Epinal (1855), später Tendon (1856), St. Dié (1864), Gererdmer (1867). Langres erhielt 1857 die erste Niederlassung, Châlons zwei Jahre später. Aber auch über das katholische Deutschland ergoß sich vom Mutterhaus in wenigen Jahren eine ganze Fülle von Filialen. Kaum konnten die Obern den vielen Anfragen genügen, die fort und fort von jenseits des Rheins nach Niederbronn gelangten. Überall wollte man die Töchter des göttlichen Erlösers haben. Und so gingen zahlreiche Schwestern, die einst die deutsche Heimat verlassen hatten, um in Niederbronn ihr Leben Gott und dem Dienste des Nächsten zu weihen, freudigen Herzens in die väterlichen Gaue zurück, wo man sie mit Sehnsucht und Liebe aufnahm. Das Bistum Würzburg wurde am reichsten bedacht; in rascher Folge entstanden die Töchterhäuser zu Kissingen (1855), Werneck (1856), Würzburg (1857), Dettelbach (1858), Kitzingen, Karlstadt, Heidingsfeld, Arnstein, Aschaffenburg (alle 1860), Lohr (1861), Haßfurt (1863), Ochsenfurt und Miltenberg (1865). Leider sollte dieser blühende Zweig bald vom Baume getrennt werden. Das ferne Wien empfing 1857 die ersten Schwestern, ja im ungarischen Lande, zu Ödenburg in der Diözese Raab, entstand im Jahre 1863 eine Filiale, die freilich auch bald mit der Wiener Niederlassung die 47 Verbindung mit dem Mutterhause lösen sollte. Seit 1857 hatte die Münchner Erzdiözese den Niederbronner Schwestern die Tore geöffnet. In der Stadt München selbst entstanden nacheinander drei Stationen, deren eine, das Haus in der Buttermelcherstraße, nach langjährigen Wirrsalen einen großartigen Aufschwung erlebte; dann kam Haidhausen (1858), Fürstenfeldbruck (1859), Laufen (1861), Tittmoning (1865), Tegernsee (1867). Im Bistum Eichstätt wurden Hilpoltstein (1858), und Kipfenberg (1867) gegründet; zukunftsreiche Missionen faßten im Erzbistum Freiburg Wurzel: Karlsruhe (1857), Heidelberg und Rastatt (1859), Bruchsal und Mannheim (1859), während im Mainzer Sprengel das Haus in Darmstadt (1859) den Reigen eröffnete für eine Reihe von Filialen, die noch alle der Energie der Stifterin ihren Ursprung verdanken, so Heppenheim (1861), Bensheim, Dieburg, Seligenstadt (1867). Keiner blickte mit größerer Genugtuung auf dieses Werk wunderbaren Wachsens und Gedeihens als der Straßburger Bischof. Unter seiner schirmenden Hand war das von Gott so reich gesegnete, von den Menschen gepriesene, aber auch angefeindete Werk zu einer Achtung gebietenden Organisation herangewachsen, deren Segen sich über verschiedene Länder verbreitete. Nun fehlte, um die kirchenrechtliche Stellung der Genossenschaft zu begründen, noch die öffentliche Anerkennung durch die oberste kirchliche Behörde, den Heiligen Stuhl. Räß wartete den Erfolg ab, ehe er die kanonische Bestätigung einholte. Er hatte daher in Rom keinerlei Mitteilung gemacht über die Tätigkeit der Schwesterngenossenschaft während der ersten acht Jahre ihres Bestehens. Von anderer Seite aber hatte die Kongregation der Bischöfe und Regularen doch Nachrichten über ihr Dasein erhalten; denn am 16. Januar 1858 fragte der Präfekt dieser Kongregation bei Räß an, ob die unter dem Namen der "Schwestern des göttlichen Erlösers" in seiner Diözese wirkende geistliche Genossenschaft schon vom zuständigen Bischof oder von Rom approbiert sei, welchen Zweck sie verfolge und ob sie nicht mit den unter der Regel des hl. Alphons lebenden Schwestern ähnlichen Namens verwechselt werden könnte. Räß antwortete am 2. Februar und erstattete genauen Bericht über die Niederbronner Kongregation, die Art ihres Wirkens, ihre besondere Kleidung, die sie von anderen Kongregationen unterscheidet. Bis jetzt sei sie nur vom Diözesanbischof und indirekt von andern Bischöfen, in deren Sprengeln sie wirke, approbiert worden. Er hätte um die Approbation von Rom noch nicht nachgesucht, da er warten wollte, bis sich die neue Familie gefestigt, verbreitet und bewährt habe. Gleichzeitig drückt Bischof Räß den Wunsch aus, die Approbation des Heiligen Stuhles für die Genossenschaft zu erhalten. Zu diesem Zwecke richtete er am 12. Dezember 1858 an sämtliche Oberhirten, in deren Diözesen bereits Niederbronner Schwestern tätig waren, die Bitte, sie möchten ihm Zeugnisse über das Wirken und die Führung seiner Schwestern ausstellen, damit er sie dem Heiligen Stuhl unterbreiten könne. Alle angegangenen Prälaten willfahrten sofort diesem Wunsche. Ihre Zeugnisse sind wirkliche Ruhmesblätter im Geschichtsbuche der Kongregation. Der Geschichtsschreiber muß sie sorgfältig buchen. Der Kardinal und Erzbischof von Besançon bezeugt (18. Dezember 1858), daß die frommen Töchter mit Eifer alle christlichen Liebeswerke an Kindern, Kranken und Armen ausüben. Durch ihr strenges, tugendhaftes Leben gereichen sie überall zur Erbauung. Der Bischof von Nancy rühmt ihnen nach, daß sie stets bereit sind, für die leidenden Mitbrüder ihr Leben einzusetzen; alle Werke der Nächstenliebe vollführen sie mit einem über alles Lob erhabenen Eifer und geben das Beispiel jeglicher Tugend 61). Aus seiner Bischofsstadt Langres meldet der Oberhirte, daß die Schwestern jede Art von leiblicher und geistiger Fürsorge den Armen und Leidenden angedeihen lassen und die Verehrung und Sympathie der Gläubigen durch ihr einfaches, unbescholtenes, demütiges und aufopferungsvolles Leben in höchstem Maße erworben haben 62). Der Bischof von St. Dié wünscht sehnlichst, daß die Zahl der Schwestern unter seiner 48 Herde sich vermehren möge, so groß ist ihr Opfergeist und die Liebe zu den Armen und Kranken 63). Auch der Bischof von Metz ist voll des Lobes 64). Die deutschen Prälaten sind nicht weniger freigebig mit anerkennenden Urteilen über das soziale und karitative Wirken der Schwestern in ihren Diözesen. Kardinal Rauscher, der Erzbischof von Wien, lobt ihr erfolgreiches Wirken in der Krankenpflege und in der Erziehung von Mädchen, ihr frommes, demütiges und abgetötetes Leben. Er drückt - das sei besonders hervorgehoben - den Wunsch aus, daß die Genossenschaft, um nicht mit den Redemptoristenschwestern verwechselt zu werden, etwa den Namen "Schwestern vom Allerheiligsten Heilande" annehmen könnte 65). Demnach geht diese Bezeichnung, die seit 1863 eingeführt wurde, auf die Anregung des Kardinals von Wien zurück. Der Münchner Erzbischof Gregorius Scherr bezeugt66), daß die Schwestern Tag und Nacht den Werken der Religion, Frömmigkeit und Barmherzigkeit obliegen und das Lob und die Anerkennung von jedermann errungen haben. In Würzburg hebt der Generalvikar Dr. Reißmann 67) neben dem vorbildlichen Tugendleben den Opfermut der Krankenschwestern hervor, der bei Katholiken und Protestanten ungeteilte Anerkennung finde. Dies habe sich neulich bei dem Begräbnis zweier kurz nacheinander verstorbenen Schwestern gezeigt, die sich im Krankendienst aufgerieben hatten. Aus allen Bevölkerungsschichten sei eine unzählige Menge den Leichen gefolgt. Der allgemeine Wunsch der Bevölkerung gehe dahin, daß die Schwestern sich in ihrer Aufopferung mäßigten. Bischof Nikolaus Weis von Speyer bekundet, daß die Ordensfrauen überall das beste Beispiel geben und durch ihr barmherziges Wirken sowohl der katholischen Kirche zur Zierde als auch dem Staate zum größten Nutzen gereichen 68). Der Erzbischof von Freiburg, Hermann v. Vicari, begleitete die Zeugnisse, die er an Räß übersandte, mit den Worten: "Zu meiner größten Freude haben alle die Priester, welche mit der geistlichen Leitung dieser ehrwürdigen Schwestern betraut sind, ein wahrhaft glänzendes Zeugnis über sie abgegeben." 69) Alle diese Kundgebungen der kirchlichen Autoritäten zeigen hinlänglich, wie rasch sich das Werk der einstigen Niederbronner Bauerntochter die allgemeine Anerkennung erworben hatte. Der aus dem kleinen Senfkorn entsprossene Baum überschattete mit seinem Blätterdache schon weite Striche, und zahlreiche Menschen freuten sich des Segens, den er spendete. Auf die ehrenvollen Zeugnisse seiner bischöflichen Amtsbrüder gestützt, wandte sich Andreas Räß in einem feierlichen Schreiben unterm 29. November 1859 an den Heiligen Vater. Er berichtet darin zunächst in kurzen Worten von der Gründung und dem Zweck der Kongregation von Niederbronn, die von Anfang an sich von jeder Genossenschaft unterschieden habe. Anfänglich war es ein bloß für die Straßburger Diözese bestimmtes Institut zur Pflege der Kranken, Armen und Waisen, aber längst hätte es diese Grenzen überschritten und in anderen Sprengeln Zweigniederlassungen gegründet. Bis jetzt stand die Genossenschaft unter seiner, des Diözesanbischofs, Autorität, dessen süßer Trost es war, den aus bescheidenem Samenkorn geweckten Baum fleißig zu hegen und zu pflegen. Jetzt, nachdem dieser schon reichliche Früchte getragen, nachdem die frommen Jungfrauen sich um die ganze Kirche schon so hochverdient gemacht, nachdem sie namentlich in der schrecklichen Cholerazeit heroische Beweise ihrer Nächstenliebe gegeben haben, möge der Heilige Vater selbst die neue Kongregation in seinen Schutz nehmen, ihr die Rechte und Freiheiten der kanonischen Bestätigung erteilen und ihre Konstitutionen genehmigen, Die zahlreichen beigelegten Zeugnisse der Bischöfe mögen seine Bitten unterstützen. In Rom übereilt man sich nicht. Die Behörden arbeiten mit kluger Bedachtsamkeit. So dauerte es noch mehrere Jahre, bis die päpstliche Bestätigung erfolgte. Vorerst erhielt die Kongregation das übliche Belobigungsdekret, ausgestellt am 49 7. März 1863, wodurch der Heilige Vater das Institut höchlichst belobt und empfiehlt. Diesem Dekret waren noch eine Reihe wichtiger "Bemerkungen" beigegeben, welche folgende Punkte betreffen: 1. Der Name der Kongregation muß geändert werden; sie nennt sich von jetzt ab G e n o s s e n s c h a f t d e r S c h w e s t e r n v o m A l l e r h e i l i g s t e n H e i l a n d . 2. Es müssen Konstitutionen abgefaßt werden, welche einheitlich, klar und vollständig sind. (Es scheint, daß die von Räß vorgelegten, im Jahre 1855 gedruckten Statuten den römischen Juristen nicht zusagten.) 3. In den Konstitutionen darf nichts erwähnt werden von Knaben und Greisen. 4. Die schwierigen Fälle, in denen die Zustimmung des Rates der Genossenschaft erforderlich ist, müssen festgelegt werden: Einkleidung, Profeß, Verkäufe, Aufnahme von Kapitalien, Verträge. 5. Über die Stellung des Diözesanbischofs zur Genossenschaft wird bestimmt: Da es sich um ein über viele Bistümer verbreitetes Institut handelt, sei es feste Gepflogenheit des Heiligen Stuhles, in keiner Weise zu gestatten, daß der Bischof, in dessen Diözese das Mutterhaus liegt, die Oberleitung habe und die Generaloberin ernenne, damit der Jurisdiktion der andern Bischöfe kein Eintrag geschehe; man gestattet nur, daß der Bischof, in dessen Sprengel das Generalkapitel abgehalten wird, als Delegierter des Heiligen Stuhles den Vorsitz im Kapitel führe, die Wahl der Generaloberin bestätige und einen Bericht über den Verlauf des Kapitels an die heilige Kongregation sende. 6. Es ist gegen den gewöhnlichen Brauch, daß die auf drei Jahre gewählte Generaloberin ohne neues Kapitel mit Erlaubnis des Bischofs wieder drei Jahre im Amte bleibt. 7. Den einzelnen Schwestern bleibt es freigestellt, den Ertrag ihres väterlichen Vermögens der Genossenschaft oder sonst jemand zuzuwenden. 8. Novizinnen dürfen während des Noviziates nicht außerhalb des Novizenhauses weilen. 9. In den Konstitutionen muß festgelegt werden, daß die Generaloberin alle drei Jahre einen genauen Bericht über die Lage der Genossenschaft nach Rom sendet 70). In diesen "Bemerkungen" sind so ziemlich alle Bedingungen angedeutet, die eine Genossenschaft zu erfüllen hat, welche die päpstliche Approbation erstrebt 71). Manche von ihnen waren bisher in der Niederbronner Klosterfamilie noch nicht beobachtet worden. Bischof Räß scheint der Stifterin für die innere Leitung der Kongregation weitgehende Freiheit gestattet zu haben, deren selbstherrliche Ausübung wohl einer straff organisierten Disziplin zugute kam, aber bei manchen weniger fügsamen Mitgliedern Anstoß erregte. Daß sich diese bei einzelnen Geistlichen darüber beklagten, ist weiter nicht verwunderlich. Welcher Obere kann es allen Untergebenen recht machen? Die Seele aller gegen die Oberin im angedeuteten Sinne gerichteten Anklagen war der Direktor der geistlichen, unter dem Namen Collège libre zu Kolmar errichteten Lehranstalt, Abbé Martin, ein im übrigen tadelloser, wohlverdienter Geistlicher, der auch bei den Schwestern der Kolmarer Niederlassung das Amt eines Beichtvaters verwaltete 72). Er verlangte im Jahre 1862 vom Bischof tief greifende Reformen im Schoße der Genossenschaft. Es läßt sich heute nicht mehr klar feststellen, worum sich diese Beschwerden drehten. Da sich Bischof Räß nicht veranlaßt sah, jenen Anregungen Folge zu leisten, muß es sich um gut gemeinte Vorstellungen gehandelt haben, die aber weit über das Ziel hinausschossen und vielleicht einige unbedeutende Vorkommnisse über Gebühr aufbauschten. Es handelte sich hier wohl nur um einen Vorstoß von der Seite jener, die noch immer dem Niederbronner Werke nicht gewogen waren. Die große Gefahr dieser Tendenzen lag in der Möglichkeit, daß der Geist der Zwietracht in der bislang mit so sichtbarem Erfolge geleiteten Klosterfamilie sich dauernd festsetzen konnte. Das verhehlte sich denn auch der Bischof nicht, und in seiner feinen, diplomatischen Weise gab er der ehrw. Mutter zu verstehen, daß alles sorgfältig zu vermeiden sei, was bösen Zungen Anlaß zu üblen Nachreden geben könne. "Man sucht", schreibt er ihr am 29. April 1863, "noch immer von verschiedenen Seiten 50 Unzufriedenheit in der Kongregation zu stiften, und ich bemerke mit Betrübnis, daß die Angriffe besonders gegen die ehrw. Oberin gerichtet sind. Da wird es notwendig sein, ehrw. Mutter, den lieben Gott immer inständiger zu bitten, daß er Ihnen mit seiner väterlichen Gnade beistehe und besonders in d e m Kraft und Einsicht verleihe, wo es nottut, um die Gemüter zu gewinnen, die Gewissen zu beruhigen und den Bösen den Mund zu schließen. Englische Geduld und Sanftmut, Abtötung und Selbstbeherrschung, Milde und Liebe gegen alle, Vergessen alles dessen, was uns persönlich unangenehm berührt, Leutseligkeit und Herablassung, Vermeidung dessen, was als Aufwand oder persönliche Schwäche ausgelegt werden könnte, Entfernung von unbegründetem Mißtrauen oder Verdruß, wo bloß persönliche Fragen im Spiele sind, diese und andere Tugenden, ehrw. Mutter, sind lauter übernatürliche Eigenschaften, die in unserer Stellung uns in hohem Grade notwendig sind, besonders wenn man von außen gerne übel nachredet." Am 7. November 1865 bat Bischof Räß zum zweiten Male in Rom um die päpstliche Approbation. Diesmal ließ sie nicht lange auf sich warten; sie erfolgte bereits am 11. April 1866. Dadurch wurde die Genossenschaft als "eine unter der Autorität einer Generaloberin stehende Kongregation mit einfachen Gelübden" anerkannt. Nicht aber war mit dieser Approbation eine solche der Statuten verbunden, welche ausdrücklich einer günstigeren Zeit vorbehalten wird. Nun war das ersehnte Ziel erreicht. Freude und Jubel herrschte im Mutterhause. Am 12. Juni desselben Jahres wurde daselbst die päpstliche Bestätigung durch eine große Festlichkeit gefeiert. Ignaz Simonis, Professor am Priesterseminar zu Straßburg, hielt eine begeisterte Festpredigt 73) über das Wort: "Dies ist der Tag, welchen der Herr gemacht hat; erfreuen wir uns und frohlocken wir an demselben." Der Prediger pries den Tag der päpstlichen Approbation als einen der denkwürdigsten in der Geschichte der Genossenschaft. "Er steht", so führt er aus, "mit goldenen Buchstaben in der Geschichte eurer Kongregation geschrieben. Wenn diese fromme Stiftung, so Gott will, lange, lange, lange in der Kirche Gottes fortbestehen soll, so wird immerdar nach Jahren und Jahrhunderten freudig daran erinnert werden, und die späteren Schwestern werden euer Glück, das Glück jener Schwestern und Vorsteherinnen beneiden, welche unmittelbar der Gegenstand dieses göttlichen und päpstlichen Segens gewesen sind." Der Segen Gottes, der so sichtbar über der Kongregation waltet, und der neue Glanz, der durch die päpstliche Kundgebung über sie ausgestrahlt wird, ist der Gegenstand der geistreichen Festrede: Der Segen Gottes offenbart sich in den verschiedenen Merkmalen des Geistes Gottes, welche der Kongregation aufgeprägt sind. Das erste und größte dieser Merkmale besteht in jener Liebe zum Gekreuzigten, welche sich besonders in der Befolgung der evangelischen Räte kundgibt. Der Welt gegenüber haben aber die Schwestern noch ein anderes Kennzeichen, die aufopfernde Nächstenliebe. "Was ist", so führt der Prediger ferner aus, "der besondere Zweck eures Instituts, wenn nicht die Übung der Nächstenliebe, ja der schönsten, reinsten, aufopferndsten Nächstenliebe? Jesus in seinen Brüdern lieben, Jesus in seinen Kranken pflegen, Jesus in seinen Armen beistehen, das ist eure besondere, eigentümliche Aufgabe. O wie schön ist dieser Beruf, wie ganz der Sendung des Sohnes Gottes würdig, welcher gekommen ist, zu suchen und zu heilen, was verloren war; welcher die Ärmsten, Kränksten und Verlassensten mit besonderer Vorliebe aufsuchte, um gerade an ihnen seine meisten, seine herrlichsten Wunder zu wirken! Diesem Beispiele treu nachzufolgen, habt ihr von Anfang an keine Mühe, keine Beschwernis, keine Ermüdung gescheut, und mit welcher Opferwilligkeit ihr euch hingegeben, das bezeugen die zahlreichen Lücken, welche der grausame Tod in so kurzer Zeit in euren Reihen herbeigeführt hat." Der Prediger schildert dann, wie das Werk, dessen Gründung auch wohlwollenden Männern als ein gewagtes Unternehmen 51 erschienen war, in so kurzer Zeit emporblühte, daß sie jetzt mehr als 700 Schwestern zähle, die in 80 Niederlassungen in verschiedenen Bistümern wirken. "Wie ist es aber gekommen, daß aus einem so kleinen Anfang ein so großer Erfolg, aus einem so kleinen Kern ein so großer Baum hervorgewachsen ist? Dies hat Gottes Hand so gelenkt und eingerichtet. Gott hat hier geschaltet, wie er immer zu schalten pflegt. Er hat erwählt, was in den Augen der Menschen gering und verächtlich war; er hat es erhoben, nicht zur Verherrlichung irgendeines menschlichen Werkzeuges, sondern zur Offenbarung seiner Allmacht, zur Verherrlichung seiner Liebe. So haben alle seine Werke begonnen, so sind sie alle herangewachsen." Aber der Redner spricht auch von den Prüfungen, die darin bestanden, daß mehrere Schwestern ihrem Berufe untreu wurden. Durch die päpstliche Bestätigung hat nun die Kongregation eine neue Festigkeit erhalten, hat eine neue Würde empfangen. "Es ist etwas Großes, wenn ihr vor Freunden und Feinden unter dem päpstlichen Schutze dastehen könnet. Allein, wenn ihr heute an äußerem Glanze zunehmet, so habt ihr noch mehr an wahrer, innerer Würde vor Gott und der Kirche gewonnen. Eure Gelübde werden von nun an gleichsam in die Hände des Papstes gelegt; Jesus Christus nimmt sie an in der Person seines höchsten Stellvertreters auf Erden. Ihr seid von nun an in dieser Beziehung die unmittelbaren Kinder des Heiligen Stuhles; ihr werdet jenen glorreichen Orden zugezählt, welche als die schönste Zierde, als der herrlichste Trost der Kirche dastehen." Nach der kirchlichen Feier soll die Generaloberin den umstehenden Schwestern bedeutet haben, daß der Prediger einst zur Leitung der Kongregation berufen würde 74). Das war ein prophetisches Wort. Siebtes Kapitel. Ein schwerer Verlust: Die Trennung von Wien, Ödenburg und Würzburg (1866). Der Tod der Stifterin. Nicht ungemischt war die Freude, mit der die Generaloberin und ihr treuer, langjähriger Gehilfe, Superior Reichard, die vorhin geschilderte Approbationsfeier begingen. Drei blühende, hoffnungsvolle Häuser hatten sich von dem Mutterhause losgesagt, die Frucht jahrelanger Mühen und Sorgen war unwiderbringlich dahin. Langsam, fast unmerklich hatte sich das Beklagenswerte vorbereitet. Wie alles kam, welches die treibenden Kräfte dieser für das Mutterhaus so schmerzlichen Trennung der Filialhäuser zu Wien, Ödenburg und Würzburg waren, soll weiter unten in eigenen Abschnitten ausführlich behandelt werden. Nur die Befürchtungen, die schon ein Jahr vor der vollzogenen Absonderung jener Glieder der Superior Reichard mit wehmütigen Worten am 20. April 1865 den Schwestern mitteilte, seien hier wiedergegeben, als Ausdruck der trüben Vorahnungen, welche die Seele der Obern durchzogen. Alles, was er von Würzburg vernommen habe, sagt Reichard, bestärke ihn in dem Vorgefühl kommender Prüfungen. Aber in seinem frommen Sinne meinte er: "Wir überlassen uns ganz der göttlichen Vorsehung. Wir begnügen uns mit der Erklärung, daß die Töchter des Allerheiligsten Heilandes überall in Deutschland, Frankreich und in andern Ländern nur eine einzige Körperschaft bilden, geleitet von ein und denselben Obern, beseelt von einem und demselben Geiste, ein und dasselbe Ziel verfolgend. Dies war die Absicht der von Gott geleiteten Gründer. Diese Absicht ist durch die gewichtigsten Gründe gerechtfertigt. Die Töchter des Allerheiligsten Heilandes, die in viel unmittelbarerer und dauernderer Berührung mit der Welt stehen als die Glieder irgendeiner anderen Frauenkongregation, sind dadurch auch mehr der Gefahr der Abwendung ausgesetzt. 52 Der Geist der Einheit, die völlige Unterwerfung unter ihre einzige Generaloberin, die pünktliche Befolgung der heiligen Regel bilden das einzige Schutzmittel gegen die Gefahren, denen sie bei der Erfüllung ihrer so schwierigen Mission ausgesetzt sind. O diese heilige Einheit! Warum sucht man sie jetzt zu vernichten? Warum strengt man sich an, die Kongregation auseinanderzusprengen? Wozu führt man durch Gründung neuer Mutterhäuser und die Ernennung neuer Generaloberinnen eine Trennung vom Mutterhause herbei? Was begünstigt dieses verderbliche Streben? Liegt der Grund darin, daß das Mutterhaus in Frankreich liegt? Aber hat nicht Gott selbst alles so gefügt? Wer sieht nicht ein, daß mit Absicht die Vorsehung das Elsaß auserwählt hat, um da ein Mutterhaus zu errichten, damit aus dieser zwischen Frankreich und Deutschland gelegenen Provinz die Kongregation ihre Hilfe der leidenden Menschheit in beiden Ländern angedeihen lassen kann? Soll das Werk an nationalen Vorurteilen scheitern? Hat dieses nicht in der Geschichte der Kirche Gottes schon so viel Unheil angerichtet? Betrachten wir uns als Kinder der einen und wahren Kirche, in deren Schoß es keine Griechen noch Römer gibt, keine Deutschen noch Franzosen, sondern deren Glieder alle Brüder und Schwestern in Christo sind. Nehmen wir mit Dank die Hilfe an, die Gott uns darbietet, auch dann, wenn er sie uns gewährt durch die Vermittlung eines barmherzigen Samaritans. Und ihr, teure Töchter des Allerheiligsten Heilandes, seid immer diese barmherzigen Samariter, wo ihr auch immer sein möget; seid es selbst in den Ländern, wo man euch das Existenzrecht verweigert, wofern man euch nur duldet und eure Dienste in Anspruch nimmt. Zeiget euch würdig eures Berufes, verharret darin und gehört nicht zu diesen wankelmütigen Seelen, die keinen Bestand haben, nur die Beharrlichkeit wird gekrönt. Lasset euch nicht in Irrtum führen durch den trügerischen Schein, durch welchen Satan euch abspenstig zu machen sucht." Das war der Erguß eines gepreßten Herzens, der dem für die Einheitlichkeit seines Werkes kämpfenden und bangenden Obern alle Ehre macht. Seine trüben Ahnungen erfüllten sich nur zu bald. Von Wien aus kam noch schneller als von Würzburg die für die Obern niederschmetternde Kunde der Trennung: Am 21. März 1866 erklärten die Wiener Lokaloberin Schwester M. Theophila und 24 Schwestern ihre unwiderrufliche Trennung vom Mutterhause Niederbronn und die Errichtung eines eigenen Mutterhauses in Wien. Dieser Erklärung schloß sich die Oberin der Ödenburger Filiale, Schwester Basilista, mit 13 Schwestern an. Drei Monate später kam die gleiche Hiobspost von Würzburg. Am 6. Juni 1866 hatte der König von Bayern diesem Hause die Rechte einer religiösen und zivilrechtlichen Kongregation verliehen und die Würzburger Anstalt als Mutterhaus erklärt; am 15. Juni schloss sich die geistliche Behörde der Diözese dieser Anordnung an, und der Bischof löste den Verband mit Niederbronn. Alle Filialen der Würzburger Diözese gingen dem Mutterhaus verloren; die Mehrzahl der Schwestern allerdings wollte von dieser Entwicklung der Dinge nichts wissen und kehrte ins Mutterhaus zurück. Der Riß heilte nicht wieder, Wien und Würzburg waren für immer verloren. Für die ehrw. Mutter war das ein schwerer Schlag, von dem sie sich nicht wieder erholte. Ohnehin von schwächlicher Konstitution, stets zu nervösen Krisen neigend und Gemütserschütterungen leicht unterliegend, konnte sie den Eindruck, den diese Ereignisse auf sie machten, nie mehr verwinden. Ihre alte Tatkraft war dahin. Im Mai 1867 suchte sie auf dem Gutshofe Singlingen Erholung. Am 1. Juni kehrte sie ins Mutterhaus zurück, mußte aber bald das Krankenlager aufsuchen, von dem sie sich nicht mehr erhob. Ein böses Gehirnfieber warf sie danieder, hoffnungslos. Die Kräfte dieses Menschenlebens hatten sich im harten Ringen um das Wachsen und Gedeihen der Kongregation erschöpft. Sie konnten der schweren Krankheit, welche jetzt mit 53 Heftigkeit einsetzte, keinen Widerstand mehr entgegensetzen. Auf die Kunde dieser traurigen Dinge eilte der Superior sofort von Singlingen, wo er weilte nach Niederbronn. Er ahnte nicht, daß er selbst dem Tode entgegenging. Denn als am 21. Juli die ehrw. Mutter durch einen leichten Gehirnschlag in den Zustand völliger Bewußtlosigkeit versetzt wurde, erschütterte dieser Vorfall den greisen Priester so sehr, daß er am folgenden Tage selbst von einem Schlagfluß gerührt wurde, an dessen Folgen er am 24. Juli verstarb. Am 26. Juli wurde er im Beisein fast aller Oberinnen und zahlreicher Schwestern zu Grabe getragen. Die Stelle des Bischofs, der außerhalb der Diözese weilte, vertrat bei den Leichenfeierlichkeiten der Generalvikar Rapp, der auch die Leichenrede hielt. Da er dem verblichenen sehr nahe gestanden war und von seinen Sorgen wußte, entsprach es wohl der Wahrheit, als er hervorhob, daß die Trennung der Wiener und Würzburger Häuser an seinem voreiligen Tode nicht unschuldig seien. Während sie den teuren Toten zu Füßen des großen Friedhofskreuzes in die Gruft senkten, lag Schwester M. Alphons noch immer bewußtlos auf dem Krankenbette danieder. Erst am 31. Juli rief auch sie der Herr aus dieser Zeitlichkeit ab. Am 2. August wurde sie neben den sterblichen Überresten Reichards beigesetzt, im Schatten des Kreuzes, das ihr im Leben immer vorangeleuchtet hatte. Generalvikar Rapp hat auch sie zur letzten Ruhe geleitet. Nur 53 Jahre hat sie dieser Welt angehört. Eine ergreifende Tragik webt um das gleichzeitige Todeslager dieser beiden Menschen. Keinem war es vergönnt, Worte des Abschieds, der Ermahnung, des Trostes an die weinenden Mitglieder der Klosterfamilie zu richten, welche das Sterbebett umstanden. Heimtückisch hat sie der Tod überfallen, hat ihnen Augen und Mund verschlossen, während in der Brust noch leises Leben atmete. Das mußten die doppelt Verwaisten besonders schmerzlich empfinden. Und doch liegt auch viel Versöhnliches und Tröstliches in dem Gedanken, daß diese zwei bevorzugten Persönlichkeiten, die, in selbstlosem Streben und bewunderungswürdigem Gottvertrauen einig, ihr segensvolles Werk vollendeten, gleichzeitig der dornenvollen Erdenlaufbahn entrissen wurden. Wollte der Herr, der dieses alles fügte, jedem von ihnen den Schmerz ersparen, der uns alle überkommt, wenn wir teuren Abgestorbenen ins offene Grab nachblicken? Auch bei dem Plötzlichen dieses Todes stehen wir nicht unter dem lähmenden, erschütternden Eindruck, den diese Art des Ablebens sonst auf den gläubigen Christen macht. Denn alle, welche den beiden Verstorbenen während ihres Lebens nahe gestanden hatten und welche Zeugen ihres Wirkens gewesen waren, konnten von diesem Leben sagen, daß es stets ein Wandeln vor Gottes Angesicht war. Niemand wohl hatte die verblichene Stifterin besser gekannt als die Novizenmeisterin Schwester M. Joseph. Sie hatte von Anfang an mit ihr die Novizinnen in den Geist der Kongregation eingeführt, ihre Seelen für das große Werk der Nächstenliebe gebildet. Unter dem Eindruck des ungeheueren Schmerzes, der nach dem Doppelbegräbnis über der Genossenschaft lastete, schrieb sie dem Bischof Räß, den das traurige Ereignis tief erschütterte 75): "Groß ist der Schmerz; diejenige, die ich so innig liebte, ist nicht mehr; sie ist hingegangen, um im Himmel die Belohnungen ihrer großen Tugenden zu empfangen. Sie war eine Heilige; während der 18 Jahre, die ich in ihrer Nähe zugebracht habe, habe ich mich nur erbauen können an ihren Tugenden, ihrer Güte, ihrer Aufopferung für uns und für das Werk, das der Herr ihr anvertraut hatte." Der Herr von Cissey, der sie durch seinen öfteren Kuraufenthalt genau kannte, hoffte sogar, daß Gott nach ihrem Tode sie irgendwie verherrlichen werde, und bat bald nachher die Schwestern, sie möchten alles genau sammeln, was auf das Leben der Kongregationsstifterin Bezug habe 76). Leider hat man diesen Rat nicht befolgt. Zu bedauern bleibt, daß aus dem letzten Jahrzehnt ihres Lebens so gut wie keine Aufzeichnungen über sie erhalten sind. Darum ist es dem Geschichtsschreiber, 54 der sein Urteil nur auf glaubwürdige Zeugnisse gründen kann, schwer, ein vollständiges Charakterbild dieser merkwürdigen Persönlichkeit zu entwerfen, welche von den Zeitgenossen am Anfang ihrer Laufbahn so widerspruchsvoll beurteilt wurde. Diese Bauerntochter, die ein so fest gefügtes, segensreiches Institut der christlichen Nächstenliebe begründen konnte, war zweifellos eine außergewöhnliche Erscheinung. In den herben Linien des Gesichtes, dem viele Leidensjahre und das Bewußtsein einer hohen Aufgabe den Stempel stillen Ernstes aufgedrückt haben, ist eine unbeugsame Energie ausgeprägt. Das Bauernmädchen von ehedem, das in der Schule der Betrachtung und des Leidens herangereift war, wußte, was es wollte; in dem schwachen Leibe wohnte eine starke Seele. Mit einer Willenskraft sondergleichen, die auch vor den größten Schwierigkeiten nicht zurückschreckte, hat sie ihr Werk, das so viele Gegner fand, zu so überraschend schneller Entwicklung gebracht. Wohl gab Gott seinen reichen Segen dazu. Aber die Stifterin hat nicht müßig die Hände in den Schoß gelegt und alles vom Himmel erwartet. Mit grenzenlosem Gottvertrauen verband sie auch eine reale Auffassung der Dinge, rasches Handeln, kluge Ausnutzung der gegebenen Umstände. Sie war eine ausgesprochene Regentennatur, die mit kraftvoller Hand die Genossenschaft leitete. Da sie an sich selbst große Anforderungen stellte, verlangte sie auch von ihren Untergebenen viel. Die meisten von diesen waren ihr blindlings ergeben, weil sie ihre Überlegenheit fühlten und bewunderten. Gegen Widerspenstige konnte sie von großer Strenge sein. Es liegt im Wesen solcher starken Willensnaturen, daß sie zu starrem Festhalten an den einmal erprobten Gewohnheiten neigen. Dann sind in größeren Gemeinschaften Konflikte unvermeidlich. Anderseits wieder besaß Schwester M. Alphons das Geheimnis wunderbarer Macht über die Menschen. Nicht bloß der geheimnisvolle Zauber, den der frühe Ruf ihrer Gnadengaben um ihre Person verbreitete, erklärt diese Macht. daß ein Mann von der geistigen und sittlichen Bedeutung des Straßburger Bischofs Räß durch die zahllosen Machenschaften der Gegner Niederbronns nicht bewogen werden konnte, der Stifterin seine Huld und sein Vertrauen zu entziehen, beweist, daß er ganz unter dem Bann ihrer Persönlichkeit stand. Vielen andern, durch Geist, Stellung und Seelenadel hervorragenden Persönlichkeiten erging es ebenso, wie die früher mitgeteilten Zeugnisse beweisen. Auf den im Rufe der Heiligkeit gestorbenen Redemptoristenpater Humarque, der sie gelegentlich eines Kuraufenthaltes in Niederbronn kennenlernte, machte sie einen unvergeßlichen Eindruck, von dem er seinen Mitbrüdern oft erzählte 77). Vom fernen Konstantinopel aus wird sie von Frau de Saint-Arnaud um ihre Gebete bestürmt für ihren Gemahl, den Marschall, damit Gott seine Waffen im beginnenden Kriege mit Rußland segne, denn sie "hat Vertrauen in ihr Gebet" 78). Mit der Prinzessin Karoline zu Hohenzollern stand sie in persönlichem und brieflichem Verkehr. Einen ganz auffallenden Einfluß übte die Schwester M. Alphons auf die Prinzessin Alexandra von Bayern, die Schwester des Königs Max, aus. Sie hatte sie bei ihrem Münchner Aufenthalt kennen gelernt. Den Eindruck, den ihr Besuch machte, teilte Prinzessin Adalbert von Bayern, als sie in Darmstadt die dortige Schwesternniederlassung besuchte, der Oberin Schwester Bonaventura mit. Diese berichtet darüber der Generaloberin: "Die Prinzessin sagte mir, daß Sie in München bei der Prinzessin Alexandra einen außerordentlichen Eindruck gemacht haben; dieselbe sei derart von Révérende Mère ergriffen gewesen, daß sie einen Brief von drei Bogen an ihren Bruder, den König Max, geschrieben habe. Den Eindruck könnte man sich nicht denken, der ganze Hof freue sich darüber, weil die Prinzessin immer ein wenig gemütsleidend war." Die Prinzessin selbst dankte der Generaloberin nachträglich noch "für alle Beweise der Teilnahme, welche Sie mir während ihres kurzen Aufenthaltes in 55 München gaben. Gott möge Ihre mütterlichen Ermahnungen segnen. Mir scheint es, Gott habe bereits Ihr liebes Gebet für mein Nervenleiden gesegnet" 79). Alles das beweist, daß Schwester M. Alphons trotz ihrer niederen Herkunft, trotz des Mangels an höherer Geistesbildung, worauf die Welt so viel Gewicht legt, eine achtungsgebietende Persönlichkeit war. Das Große an ihr ist, daß sie nur für andere lebte, nur für ihr Werk. An ihm hing sie mit jeder Faser ihrer Seele. Der darbenden und leidenden Menschheit um Christi willen zu helfen, die leiblich Kranken und seelisch Gebrochenen zu erquicken und aufzurichten, war die große Idee, deren Verwirklichung ihr ganzes Leben gewidmet war. Nicht eitlem Ruhm ist sie nachgejagt. Sie hat bei allem, was sie tat, nicht sich selbst gesucht. Es spiegelt nur ihre eigene Gesinnung wider, was sie der Darmstädter Oberin Schwester Bonaventura mitteilen ließ, als diese für ihre Verdienste um die Verwundetenpflege im preußisch-österreichischen Kriege mit dem österreichischen goldenen Verdienstkreuz dekoriert wurde 80): "Was Sie selbst betrifft, liebe Schwester Bonaventura, und Ihre Mitschwestern, so suchen Sie immer in Ihren Handlungen die Ehre Gottes und seiner heiligen Kirche, das Heil der Seelen und Ihre eigene Vollkommenheit und geben Sie gar nicht acht auf das, was von außen vorgeht. Sagen Sie mit dem Verfasser der Nachfolge Christi: Heute ist man für mich, morgen kann man wider mich sein. Ich will vor allem trachten, meinem Gott wohlzugefallen, mein Elend immer vor Augen zu haben, damit ich mich nicht selbst erhebe und dadurch Gott mißfalle, dem allein die Ehre gebührt." Zweiter Abschnitt. Krisen und Prüfungen. Der Deutsch-Französische Krieg. (1867 – 1872.) Wie schwer der Verlust war, welcher durch den Tod der beiden Obern die Kongregation betroffen hatte, zeigte sich erst in der Folgezeit recht deutlich. Eine Zeitlang wollte es scheinen, als sei durch den Hingang der Stifterin der alte Geist entschwunden, der bislang die Genossenschaft beseelt und von Erfolg zu Erfolg geführt hatte. Das Gespenst der Zwietracht erhob sich und drohte die Einheit zu zerstören. Der Mann, der das seiner Lenker beraubte Schifflein steuern sollte, besaß bei allem guten Willen nicht das nötige Geschick. Die neue Generaloberin, noch jung an Jahren, ermangelte der nötigen Erfahrung. Dazu kamen bedenkliche finanzielle Schwierigkeiten und zu allem Unglück der Krieg, der der Kongregation schwere Wunden schlug, mochte sie auch auf den Schlachtfeldern und in den Lazaretten in beiden Ländern durch heldenmütige Ausübung der Liebestätigkeit noch so glänzende Erfolge errungen haben. Fünf bange Jahre zogen über das Mutterhaus hin, reich an Sorgen und Prüfungen. Aber auch diese Tage hatten ihr Gutes. Erstes Kapitel. Generaloberin Schwester Adelinde und Superior Sattler. Damit die verwaiste Genossenschaft nicht der Leitung entbehrte, betraute Bischof Räß vorläufig Schwester M. Adelinde mit der Oberleitung und übertrug die 56 Geschäfte des Superiors dem bisherigen Klostergeistlichen Seraphim Schott 81). Infolge der päpstlichen Approbation mußte die Generaloberin nach den kirchlichen Bestimmungen von der Genossenschaft gewählt werden. Da nicht alle Schwestern, die seit fünf Jahren Profeß abgelegt hatten, im Mutterhause sich versammeln konnten, gestattete am 4. September 1867 die Kongregation der Bischöfe und Regularen dem Straßburger Bischof, daß zu dem Kapitel für die Wahl der neuen Generaloberin für diesmal berufen werden sollten die Assistentinnen, alle Oberinnen und eine weitere Schwester aus jeder Niederlassung. Am 22. September - es war ein Sonntag - wurde in Gegenwart des Bischofs der Wahlakt vorgenommen. Mit großer Stimmenmehrheit wurde Schwester M. Adelinde zur Generaloberin erwählt. Schwester M. Joseph behielt die verantwortungsvolle Stelle der Novizenmeisterin. Die neue Generaloberin war erst 32 Jahre alt. Daß man sie trotzdem wählte, ist ein Beweis des hohen Vertrauens, das man in ihre Fähigkeiten setzte. Geboren am 6. November 1835 zu Oberbronn als Tochter des Steinhauers Lorenz Weber, wohnte die kleine Luise im Alter von 14 Jahren der Profeß der Stifterin zu Niederbronn bei. Am 6. November 1851 trat sie dann selbst als Postulantin ein und erhielt am 1. Januar 1852 das Postulantenkleid, am 27. Mai desselben Jahres das Ordensgewand. Als siebzehnjährige Novizin mußte sie schon in Straßburg fast die volle Tätigkeit einer Ordensschwester ausüben. Am 15. Oktober 1856 legte sie ihre Gelübde ab. Nachdem sie in Kolmar und Mühlhausen sich bewährt hatte, schickte sie Schwester M. Alphons am 23. März 1857 nach München, wo sie als Oberin die erste Niederlassung in der Isarstadt einzurichten hatte. War sie schon als einfache Schwester das Muster einer Ordensfrau gewesen, so blieb sie es nicht minder in der neuen leitenden Stellung. Den Mitschwestern leuchtete sie in allen Standestugenden voran. Im Jahre 1861 rief sie die Stifterin ins Mutterhaus zurück und ernannte sie zur Assistentin. Nun lud ihr das Vertrauen der Mitschwestern die schwere Bürde der Oberleitung auf. Mehr Sorge als diese Wahl bereitete dem Bischof die Ernennung eines Superiors. Gern hätte man in Niederbronn Schott als Obern behalten. Sein sanftes, allzeit liebenswürdiges und entgegenkommendes Wesen mochten ihn den Schwestern des Rates als den geeigneten Mann empfohlen haben. Man tat auch Schritte bei Bischof Räß, um Schotts verbleiben im provisorisch übertragenen Amte zu erwirken. Aber Schotts jugendliches Alter - er war nur um ein Jahr älter als die neue Generaloberin - mußte von vornherein diesen Plan als unerfüllbar erscheinen lassen. Nach langem Suchen und Überlegen glaubte endlich Bischof Räß für die Genossenschaft, deren Wohl ihm so sehr am Herzen lag, den richtigen Mann gefunden zu haben. Am 16. Dezember 1867 schreibt der Oberhirte an die von ihm sehr geschätzte Schwester Bonaventura nach Darmstadt, daß er sich endlich entschlossen habe, "nahezu den ältesten Professor aus dem Klerikalseminar als Generalsuperior der Kongregation zu ernennen. Herr Abbé Sattler schreitet den Fünfzigern entgegen, ist schon als außerordentlicher Beichtvater der Kongregation in ihre Interessen und Bedürfnisse eingeweiht, besitzt, wie man mir versicherte, das Vertrauen und zeichnet sich durch Wissenschaft, Klugheit, Frömmigkeit und Eifer aus. Ich habe ihm also ohne weiteres das Superiorat der Kongregation übergeben, obschon ich eigentlich noch nicht weiß, wie ich ihn im Seminar ersetzen werde. Diese Angelegenheit hat mir seit den zwei beweinenswerten Sterbefällen schwere Sorgen verursacht". Am 26. Dezember ging der neue Superior nach Niederbronn, um sich mit der Lage der Dinge vertraut zu machen; am 6. Januar 1868 trat er, von den Schwestern freudig begrüßt, sein neues Amt an. Die Freude war verfrüht. Die Folgezeit lehrte, daß der Bischof keine glückliche Wahl getroffen hatte. Es gelang dem neuen Manne, den sonst die trefflichen Eigenschaften zierten, nicht, auf die Dauer das Vertrauen der Genossenschaft zu gewinnen. Da war ein gedeihliches Zusammenwirken ausgeschlossen. 57 Franz Joseph Sattler, geboren am 5. Februar 1821 zu Egisheim, dem Stammsitz des heiligen Papstes Leo IX., war am 21. Dezember 1844 zum Priester geweiht worden. Nach verschiedenen Stellungen im Lehrfach und in der Seelsorge wurde er am 1. Oktober 1857 Professor der Kirchengeschichte am Straßburger Priesterseminar, 1866 Direktor 82) daselbst und sollte nun die Leitung der Niederbronner Kongregation übernehmen. Sattler war ein Mann von sehr umfassender Bildung. Er beherrschte viele Sprachen und war ein sehr gewandter Lateiner. Von dieser Frömmigkeit beseelt, war er erfahren in den Geheimnissen des inneren religiösen Lebens. Aber er konnte sich nicht dazu aufschwingen, einmal betretene Geleise zu verlassen. Wie er als Lehrer nicht das Geschick besaß, die Lernenden an dem reichen Schatze seinen Wissens teilnehmen zu lassen, so vermochte er auch als geistlicher Leiter der Schwestern nicht, aus dem trockenen Born seines Gemütes lebendiges Wasser zu schöpfen. Ihm fehlte das Geheimnis, die Herzen anzufeuern. Seine wirkliche Herzensgüte drang nicht durch die frostige Atmosphäre, mit der er sein Wesen umgeben hatte. Und so hatte sein Wirken nicht den Erfolg, der im Interesse der Kongregation gelegen hätte. Über dem allzu peinlichen Beobachten juristischer Formeln verlor Sattler den Sinn fürs wirkliche Leben. So kam es, daß an ihm die jugendliche Generaloberin nicht die in den schwierigen Zeiten so nötige Stütze hatte, weil er damals für allzu genau die Vorschriften des Kirchenrechtes befolgte, wonach Frauenklöster sich unter der Leitung der Generaloberin selbst verwalten sollen. Unter der resoluten Führung der verstorbenen Stifterin, welche dem biedern Herrn Reichard in den zeitlichen Angelegenheiten der Kongregation eine ziemlich passive Rolle zugeteilt hatte, mochte dieser Grundsatz sein Gutes haben. Auch die Schwestern, die sich bei Sattler Rats erholen wollten, verwies er meist an die Generaloberin oder an die Klostergeistlichen. So kam es, daß allmählich in Niederbronn, im Mutterhause, wo die Generaloberin ihren Sitz hatte, der gute alte Geist einer Stimmung wich, die nicht von Gutem war, während im Noviziat von Oberbronn unter der bewährten Leitung der Novizenmeisterin, die im Sinne der Stifterin ihres Amtes waltete, alles nach Wunsch ging. Die Generaloberin sowohl als Sattler selbst litten unter diesen Verhältnissen; der Superior glaubte zuletzt, daß durch die Wiederverlegung des Noviziates von Oberbronn nach Niederbronn ins Mutterhaus von selbst eine Gesundung der Verhältnisse eintreten werde. So wurde im Juni 1870 tatsächlich das Noviziat wieder ins Mutterhaus verlegt, während die älteren und kranken Profeßschwestern, um Platz zu machen, nach Oberbronn zogen. Die Zukunft lehrte, daß diese Maßregel vom rein praktischen Standpunkt aus verfehlt war. Sattler hätte, was sein Nachfolger zehn Jahre später tat, das Mutterhaus gleich nach Oberbronn verlegen sollen. Aber auch an anderen großen Schwierigkeiten fehlte es nicht. Es schien, als wollte Gott sein Werk, das er bisher so reich gesegnet hatte, im Feuerofen der Trübsal läutern und prüfen. Nach dem Tode der Schwester M. Alphons nämlich machten einige ihrer Geschwister, die von Feinden des Klosters aufgehetzt waren, einen Prozeß anhängig um die Hinterlassenschaft der Stifterin; sie hofften aus ihrem Nachlaß mindestens 300000 Franken zu erben. Durch notarielles Testament vom 24. Juli 1854 hatte Schwester M. Alphons Bischof Räß zum Erben ihrer sämtlichen Habe eingesetzt. Am 16. April 1856 war das Vermögen des Klosters auf den Namen der Generaloberin übertragen worden 83). Nun strengten die Geschwister Eppinger gegen den Bischof einen Prozeß an auf Herausgabe des Erbes. Das Gericht zu Weißenburg erklärte am 6. Mai 1868 das Testament der Schwester M. Alphons vom 24. Juli 1854 als nichtig. Aber der Colmarer Gerichtshof, an den Bischof Räß appelierte, kassierte das Weißenburger Urteil, weil dem gesunden Menschenverstand widersprechend; er wies nach, daß das väterliche Erbteil der Stifterin in einem Grundstück bestand, dessen Wert 240 Franken nicht überstieg. Die Kläger wurden kostenfällig abgewiesen. 58 Um andere Schulden zu decken, mußte Sattler verschiedene Liegenschaften veräußern, so das einst von der Genossenschaft erbaute Schulhaus zu Jägertal und das Waisenhaus zu Neunhofen sowie das Gut Singlingen. Aus dem Erlös konnten dringende Schulden bezahlt werden; auch sollte er zum Teil zur Errichtung eines ordentlichen Wohnhauses für den Superior und die Klostergeistlichen dienen. Sattler hatte mit der Rückverlegung des Noviziats nach Niederbronn bei dem Kongregationsrat nur durchdringen können mit der Berufung auf die kirchenrechtlichen Vorschriften, welche eine Trennung von Mutterhaus und Noviziat verbieten. Auf die gleiche Weise war es ihm gelungen, auch die Brüderkongregation aufzulösen. Manch andere Neuerungen hätten auch noch die am 7. Mai 1870 von Rom approbierten neuen Statuten gebracht, wenn sie in Kraft getreten wären. Sie waren Sattlers Werk, der noch im Jahre 1869 selbst nach Rom gereist war. Doch davon Näheres im übernächsten Kapitel. Vorerst gilt es, die Schicksale des Mutterhauses während des Krieges zu betrachten, der seine schwarzen Schatten bereits über die Gegend warf. Zweites Kapitel. Die Schrecken des Krieges. Nach der Kriegserklärung vom 19. Juli 1870 wurde Niederbronn sofort der Schauplatz regen soldatischen Treibens. Die französischen Truppen überfluteten das friedliche Städtchen und biwakierten rings auf den Anhöhen. Das Mutterhaus, dessen Obere gleich nach der Kriegserklärung der französischen Regierung das Personal der Genossenschaft zu unbeschränkter Verfügung in der Verwundetenpflege gestellt hatten, mußte in den ersten 14 Tagen täglich 200-300 Soldaten, die auf dem Durchmarsch nach der Grenze begriffen waren, beköstigen, da für die Verproviantierung der Truppen herzlich schlecht gesorgt war. Den Schwestern gereichte es zur besonderen Genugtuung, daß zahlreiche Soldaten die Kapelle aufsuchten und sich durch Gebet und Beicht auf die kommenden ernsten Ereignisse vorbereiteten. Am Morgen des verhängnisvollen 6. August verkündete unaufhörlicher Kanonendonner, daß drüben bei Fröschweiler und Wörth die Schlacht in vollem Gang war. Mit Furcht und Zittern konnten die Insassen des Hauses zu Oberbronn von ihrer Anhöhe das unheimliche Auf- und Niederwogen des Pulverdampfes über dem Sauertale beobachten. Auch im Mutterhause harrte man ängstlich der Dinge, die da kommen sollten. Gegen 4 Uhr nachmittags zogen die ersten Abteilungen der geschlagenen französischen Armee durch Niederbronn und flüchteten sich eilends auf die westwärts gelegenen Berge. Im Mutterhaus fanden viele halbverschmachtete Krieger Erquickung. Um 5 Uhr war der mörderische Kampf in Fröschweiler beendet, und die deutschen Truppen nahmen sofort die Verfolgung auf. Bei Niederbronn hatte sich zur Deckung der Flüchtlinge die frische französische Division Lespart vom Faillyschen Korps aufgestellt. Die deutschen Verfolgungstruppen eröffneten von den Anhöhen aus ein lebhaftes Feuer auf die Lespartsche Division. Eine gewaltige Furcht, die nicht unbegründet war, erfüllte nun die Bewohner des Mutterhauses. Hören wir über diese Schreckensstunden den Bericht der Generaloberin 84). "Während dieser angstund drangvollen Zeit wußten wir keinen besseren Zufluchtsort als unsere Kapelle, wohin sich die ganze Genossenschaft begab und wo eine Partikel des heiligen Kreuzes aufgestellt wurde. Alle knieten vor dem Hochaltar mit ausgespannten Armen, den ganzen Psalter des Rosenkranzes mit dem Zusatz einer Litanei betend. Dort beim göttlichen Heiland und unter Anrufung des Schutzes der lieben Mutter Gottes fanden wir 59 Beruhigung, Trost und Ergebung in dieser so schrecklichen Stunde. Dem besondern Schutze Mariens und des hl. Joseph verdanken wir die Erhaltung unseres lieben Mutterhauses. Denn ohne diesen Beistand hätte das Kloster samt Niederbronn in einem solchen Feuer zu einem Aschenhaufen verwandelt werden können. Als nach und nach das Schießen weniger hörbar wurde, blieb die Genossenschaft noch immer in der Kapelle; ich entfernte mich von ihr, um mich zu erkundigen, wie es möchte aussehen außerhalb des Klosters. Plötzlich hörte ich ein Traben von zahlreichen Menschen und sah von der Höhe eines Fensters, wie eine große Anzahl deutscher Soldaten vor dem Kloster in Reihen sich ordneten und ihre Geschütze richteten, um abzufeuern. Schnell ging ich zur Pforte; im Hofe begegnete mir der hochw. Herr Beichtvater, welcher aus der Kapelle kam. Ich bat ihn, doch mitzugehen; ich blieb mit noch einigen Schwestern an der Pforte zurück. Der Herr Beichtvater ging zum Oberst und bat ihn, dieses Haus zu verschonen, da es ein Kloster der barmherzigen Schwestern sei, worauf der Oberst höflich erwiderte, daß sie nicht schießen würden, wofern nicht gegen sie geschossen werde. Darauf blieb alles ruhig und die Truppen entfernten sich vom Kloster." Auch draußen im Bruderkloster, das gerade am Fuße der von den deutschen Truppen besetzten Höhen an der Reichshofener Straße lag, war die Lage nicht sehr gemütlich. Lassen wir Schwester Beata erzählen, wie es da zuging: "Nach der Schlacht kamen die Franzosen zurück, ganz verschmachtet; wir haben den ganzen Nachmittag ausgeschenkt, was wir hatten. Einer von den Soldaten starb noch am selben Tage in unserem Stall auf dem Stroh im Bruderhof. Danach kamen noch so viele Verwundete, daß wir sie nicht alle aufnehmen konnten; die Kugeln flogen im Hofe nur so herum. Mit einem Wägelchen haben Schwester Galla und ich sie selbst hinein ins Mutterhaus gefahren. Hierauf kamen die Deutschen, die waren geradeso zugerichtet, wir haben sie auch so bedient. Ein Oberst war so gerührt und dankbar, daß er uns Mehl und Fleisch für die Kranken und Kinder schickte. Täglich hatten wir genug zu kochen und auszuteilen." Sobald von den deutschen Truppenteilen der Zweck und die Bedeutung des Mutterhauses, das von einigen anfänglich für eine Kaserne gehalten wurde, erkannt worden war und der vorhin erwähnte Beichtvater Abbé Wernert dem Platzkommandanten die Dienste der Schwestern für die Verwundeten angeboten hatte, wurde die weiße Flagge aufgezogen. Abgesehen von einem Falle, wo einige rohe Soldaten in den Klosterkeller eindrangen und in übermütiger Weise ein Faß Wein auslaufen ließen, hatte das Mutterhaus, dessen Dienste man sehr zu würdigen wußte, nichts von den deutschen Truppen zu erleiden. Plakate an den Klosterpforten warnten alle später durchziehenden Truppen, das Kloster irgendwie zu belästigen. Für die Schwestern begann jetzt eine schwere, arbeitsreiche Zeit. Da die französischen Behörden an eine so nah bevorstehende Schlacht nicht gedacht hatten, fehlte es am Allernötigsten. Zum Glück hatte das Mutterhaus eine große Menge Scharpie zum Versand bereitgehalten; diese leistete jetzt an Ort und Stelle vorzügliche Dienste. Schon am ersten Abend brachte man eine Menge Verwundeter, meist Franzosen, die im alten Klosterhause untergebracht wurden, da das neue Gebäude von Novizen und Postulantinnen ganz besetzt war. In einem Nachbarhause wurden 24 Verwundete einlogiert. Der Klosterhof, auf dem eine Zeltbaracke errichtet war, diente auch als Lazarett; hier walteten Schwester Delphine und Ardaleon mit Novizen ihres Amtes. Im Kloster selbst wirkte die Assistentin Schwester Melanie. Auch das Bruderkloster und ein gegenüberliegendes zweistöckiges Haus wurden mit Verwundeten und Kranken belegt, deren Pflege von den Schwestern Kunigunde und Fides geleitet wurde. Im Kurhaus, damals unter dem Namen "Bauxhall" bekannt, waren 200 kranke und verwundete Soldaten untergebracht. Das Kloster hatte 40 Betten mit frischen Linnen gestellt. Im unteren Saale lagen die schwer verwundeten Krieger. Tag 60 und Nacht wachten und pflegten Schwestern und Novizen des Mutterhauses. Der Klostergeistliche Zimmermann war mit der Pfarrgeistlichkeit von Niederbronn unermüdlich im Spenden von geistlichem und leiblichem Trost. Für die jungen Novizen war es eine harte Schule. Hören wir den schlichten Bericht einer Schwester über das Leben und Treiben im Bauxhall: "Es war ein wahres Elend; die Kranken lagen auf dem Boden auf einem Strohsack; da lag ein Toter, dort röchelte ein Sterbender, hier jammerte ein Verstümmelter; dem einen fehlte der Fuß, der andere hatte keinen Arm mehr. Die Soldaten waren sehr dankbar, sie wußten gar nicht, wie sie den Schwestern ihre Dankbarkeit bezeigen sollten; jene, die nicht mehr reden konnten, drückten durch beredte Blicke ihre dankbare Gesinnung aus." Die Novizen, denen man statt des weißen Schleiers den schwarzen gegeben hatte, wetteiferten miteinander in heldenmütiger Aufopferung. Auch der Bahnhof und die Güterschuppen waren zu einem Spital umgewandelt worden; hier hatten die Schwestern Cölestine, Jérémie, Héliodore und Bassa mit Novizen und Postulantinnen die Pflege übernommen. Im Rathause pflegten die Schwestern Edmund, Appiana, Menodora und einige Novizen. Es gab aber nicht nur Verwundete zu pflegen, sondern auch Typhus, Cholera und Blattern richteten Verheerungen an. Eine Novizin, die Cholerakranke pflegte, erkrankte an Typhus, eine andere, die auf der Blatternstation tätig war, wurde von Blattern und Typhus gleichzeitig befallen; aber beide genasen wieder. Noch ein reizendes Idyll aus dieser schweren Zeit mag uns Schwester Apodemia erzählen, die damals in den Güterhallen pflegte. Gerade wollten die jungen Schwestern von der Nachtwache nach Hause gehen; es war ein bitterkalter Wintermorgen, da fuhr ein Güterzug in den Bahnhof ein, der französische Kriegsgefangene nach Deutschland brachte. Aus einem der geöffneten Wagen beugte sich ein erfroren dreinblickender Soldat heraus, der sich an die Schwestern wandte und flehentlich bat: "Schwester, mir ist so kalt, ich habe nichts am Hals." Schwester Julie bedenkt sich nicht lange und reicht ihm ihr eigenes Tuch, das sie sich vom Hals nestelte. Im Begriffe weiterzugehen, hört sie das jämmerliche Flehen eines zweiten, der sich über seine bloßen Füße beklagte. Auch da weiß das Mitleid des tapferen Schwesterleins Rat. Schwester Apodemia muß schützend vor sie stehen, und hinter diesem lebenden Wandschirm zog sie ihre eigenen Strümpfe aus und reichte sie dem frierenden Mann. Erinnert dieses köstliche Bild nicht an die rührende Geschichte vom Mantel des hl. Martinus? Bis tief in den Februar hinein blieben die Niederbronner Ambulanzen gefüllt. Während dieser Zeit wurden an das Mutterhaus große Ansprüche gestellt in Bezug auf Nahrungsmittel. Aber man litt nie Mangel. Schwester M. Adelinde hebt in ihrem eingangs erwähnten Bericht hervor, daß Gott sichtlich für alle Bedürfnisse sorgte: "Obschon das Kloster arm ist und kein sonstiges Einkommen hat als Gottes väterliche Vorsehung, litt die Genossenschaft keinen Mangel in dieser harten und betrübten Zeit und konnte viele Hunderte gesunde und kranke Militärs verköstigen. Es war fast wunderbar, denn hier in Niederbronn waren keine Lebensmittel mehr zu haben, indem bereits alles aufgezehrt war; ebenso wenig konnte man dergleichen in den nahe liegenden Städten bekommen." Sie fügt noch bei, daß "der Klostergarten in langer Zeit nicht so fruchtbar gewesen ist wie dieses Jahr, wo längere Zeit französische und deutsche Truppen einlogiert waren. Unsere Schwester Gärtnerin empfahl jeden Tag den Garten dem Schutze der armen Seelen". Auch den christlichen Gesinnungen der französischen und deutschen Verwundeten und kranken Krieger, welche die Schwestern pflegten, spendet sie alles Lob. Wie es kam, daß die Klostergemeinschaft keinen Mangel litt, darüber liegt noch ein interessanter Bericht der Schwester Leopold vor. Sie weiß zu erzählen, daß ein "lediger Mann mit Namen Briemer aus Deutschland, der aus Neugierde 85) das Heer begleitet hätte und die Schwestern Kunigunde und Fides bei der tatkräftigen 61 Verwundetenpflege im Bruderkloster beobachtete. Das gefiel ihm, und er bat dann die Schwestern, da er vier Tage und Nächte nicht zur Ruhe gekommen war, um ein Nachtlager; seine Bitte wurde gerne gewährt. Dies war am 6. August, und er blieb dann bei den Schwestern bis Weihnachten. Das Kloster hatte an ihm eine große Stütze. Als keine Nahrungsmittel mehr vorhanden waren, ließen die Soldaten das Rindvieh aus den Ställen des Bruderhofs heraus, um es zu schlachten. Da war aber Herr Briemer gleich beim Oberst, um es zu melden; die betreffenden Soldaten wurden dann bestraft und auf das Tor am Bruderhof wurde geschrieben: Es ist strengstens untersagt, hier jemanden Leids zu tun, es ist ein Lazarett. Die ehrw. Mutter Adelinde sagte oft zu uns: Seht, wie der liebe Gott für uns durch diesen Mann sorgt, wir leiden bei dem Kriege gar keinen Mangel, denn Herr Briemer wartet nicht, bis nichts mehr da ist, er geht schon vorher zum Oberst und meldet, daß wir Nahrungsmittel brauchen. Er wurde dann immer vom Militär aus mit unserem Knecht nach Weißenburg geschickt, um Mehl, Erbsen, Linsen, Bohnen, Reis, Grieß, Zucker und Kaffee mit einer Fuhre zu holen. Die Obersten vom Militär waren den Schwestern sehr wohlwollend wegen der guten Krankenpflege. Auch für Fleisch war gesorgt; es kam von Hagenau." Das Haus zu Oberbronn wurde weniger in Mitleidenschaft gezogen; aber ganz unberührt vom Kriegslärm blieb es auch nicht. Am Nachmittag der Schlacht wälzten sich zahlreiche Schwärme flüchtiger Soldaten durch das Wiesental von Reichshofen herauf gegen Oberbronn. 45 Verwundete erhielten Aufnahme im Kloster und blieben hier bis Februar. Ein Turko, dem ein Bein abgenommen wurde, starb an Blutverlust 86). Das, was das Mutterhaus in Niederbronn selbst an Werken der Nächstenliebe verrichtete, war aber nur ein geringer Bruchteil von dem, was die Schwestern in zahlreichen Lazaretten Frankreichs und Deutschlands leisteten. Das wird an anderer Stelle eigens zu würdigen sein 87). Hier, wo es sich um die Geschichte des Mutterhauses als des Hauptsitzes der Genossenschaft handelt, sind noch die verhängnisvollen Folgen zu erwähnen, die das Kriegsjahr für die gesamte Kongregation nach sich zog. Zunächst mußte die Überanstrengung der Schwestern, dann die ein weibliches Gemüt stark beeinflussenden Bilder des Jammers und der Not, die der Krieg mit sich brachte, auf den Gesundheitszustand der Genossenschaft sehr nachteilig wirken. Am stärksten mitgenommen wurden in Niederbronn die jungen Kandidatinnen. Manche wurden dadurch ganz untauglich für ihren Beruf. So heißt es z. B. in einem Schreiben 88), in welchem die Generaloberin dem Pfarrer Moser zu Friedberg im Württembergischen Mitteilung vom schlechten Gesundheitszustande der Kandidatin Josepha Witt von Wolfersweiler macht. "Es ist jedermann bekannt, daß von Beginn des Krieges an bis jetzt Niederbronn immer Einquartierung und Militärlazarette gehabt hat. Unsere Schwestern hatten anhaltende und anstrengende Kranken- und Verwundetenpflege an der Dienstmannschaft zu üben, und da ihre Zahl hier notwendigerweise beschränkt war, weil in den Filialhäusern derselbe Dienst eben auch zu versehen war, oder weil eine Anzahl von Schwestern bis in die Umgebung von Paris sich begeben mußte, um Lazarettdienste zu versehen, so mußten selbst die Kandidatinnen hier behilflich sein, was sonst in der Regel nicht geschieht, bevor sie nicht wenigstens ein Jahr im Noviziat zugebracht haben. In einer Abteilung des Klosters hatten wir längere Zeit teils Verwundete, teils Blatternkranke, die von Schwestern verpflegt wurden; manche Schwestern erkrankten dabei, sei es, daß sie dasselbe oder ein anderes Übel traf. Auf andere machten dann die öfteren Waffenübungen, meistenteils in unmittelbarer Nähe des Klosters, öfters mit Hurrageschrei verbunden, einen leicht erklärlichen erschütternden Eindruck. Dann Tag und Nacht auf den Füßen sein, das Leiden der Verwundeten ansehen, bald sie mühevoll heben, bald sie verbinden, vielleicht auch einen Ekel fassen oder mitleidig gerührt werden: dies alles 62 kann leicht ein junges Gemüt verwirren oder auch auf die besten Kräfte lähmend einwirken." Auch in vielen Filialhäusern zeigten sich die Folgen der angestrengten, oft das Maß menschlicher Kraft übersteigenden Tätigkeit. Am 22. August 1871 teilt Superior Sattler dem Bischof mit, daß in vielen Häusern durch Tod oder Krankheit der Schwestern Lücken entstanden seien, die man ausfüllen müsse. Eine Filiale der Diözese Nancy mußte aufgehoben werden wegen Mangels an Personal. An Neugründungen waren diese Zeiten nicht reich; das Jahr 1871 hatte deren nur fünf zu verzeichnen. Viele Gesuche um Schwestern mußten abschlägig beschieden werden. Noch im Jahre 1876 teilte Superior Simonis dem Bamberger Professor Heinrich Weber mit: "Wir leiden noch immer an den Nachwehen des Krieges. Es kamen damals zu wenige Postulantinnen. Der Krieg hat seinerseits die Kräfte der Schwestern aufgerieben. Um irgendwie auszuhelfen, mußten wir einer großen Zahl Novizen mit unbeendigtem Noviziate den schwarzen Schleier geben. Diese armen Kinder schmachten und seufzen wie arme Seelen im Fegfeuer nach Noviziat und Profeß. Wir mußten uns befleißen, dieselben nach und nach ins Mutterhaus zu rufen." Dann war auch nicht zu verwundern, daß von den Schwestern, die der Armee folgten, die eine oder die andere im Wirrwarr der Verhältnisse und unter den Gefahren, die das freiere Leben für weniger gefestigte, an eine regelmäßige Ordnung gewohnte Personen mit sich brachte, dem Berufe verloren ging. Aber glücklicherweise brauchte man im Mutterhause nur ganz wenige solcher Fälle zu beklagen. In schwierige pekuniäre Verhältnisse kam durch den Krieg die große Filiale zu Straßburg, weil viele Wohltäter des Hauses infolge der Annexion des Elsasses durch Deutschland die Stadt verließen. Drittes Kapitel. Die neuen Statuten und ihre Ablehnung. Sattlers Weggang. In dem päpstlichen Approbationsdekret vom Jahre 1866 war die Anerkennung der Satzungen der Genossenschaft ausdrücklich auf eine günstigere Zeit vertagt worden. Was den römischen Behörden daran nicht gefiel, war die Nichtberücksichtigung wichtiger Verfassungs- und Verwaltungsfragen. So fügte man wie früher schon dem Lobdekret des Jahres 1863, auch dem Approbationsdokument einige "Bemerkungen" bei, welche bestimmten, daß die Oberin mit absoluter Stimmenmehrheit auf sechs Jahre zu wählen sei; eine weitere Amtsdauer kann nur mit Genehmigung des Heiligen Stuhles erfolgen. Alle drei Jahre muß ein Generalkapitel stattfinden, bei dem Assistentinnen, Visitatorin und Schaffnerin gewählt werden. Für Dispens von Gelübden ist nur der Heilige Stuhl zuständig. Die Mitgift der Schwestern kann nur mit Einwilligung des Heiligen Stuhles verringert werden und ist in sicheren Werten anzulegen. Vor der ewigen Profeß können die Schwestern frei über ihr Vermögen verfügen zugunsten des Verwandten oder des Klosters. Als die Eröffnung des Vatikanischen Konzils angesagt war, glaubte die Oberleitung von Niederbronn die Zeit für gekommen, um endlich die päpstliche Anerkennung der Statuten ins reine zu bringen. Vierzehn Tage vor der Abreise des Bischofs nach Rom begab sich auf Wunsch der Generaloberin der Superior nach Straßburg zum Bischof und empfahl ihm dringend die Angelegenheit der Approbation. Räß versprach mit Freuden, seinen Einfluß geltend zu machen 89). Aber einige Tage darauf wurde Sattler von dem Rate der Kongregation aufgefordert, selbst nach Rom zu 63 reisen, um dort die schnellere Durchführung der päpstlichen Approbation zu betreiben. Nur widerwillig gehorchte der Superior. Er nahm ein Exemplar der alten Statuten von Niederbronn sowie solche anderer Genossenschaften mit sich, damit er für den Fall, daß er selber neue Satzungen ausarbeiten sollte, mit Material versehen wäre. In Rom angelangt, machte er sich gleich ans Werk und wurde ein fleißiger Besucher der Kanzlei der Kongregation der Bischöfe und Regularen. Hier bedeutete man ihm auf seine Anfrage, daß die Niederbronner Schwestern keine Statuten hätten, welche approbiert werden könnten. Sattler verständigte davon sofort Räß, der ihm aber keine bestimmte Weisung gab. Als Sattler ihn endlich fragte, ob er selbst zur Abfassung von Statuten ermächtigt werde, gab ihm Räß zögernd die Erlaubnis. Freilich mußte der Bischof diese Zusage später bereuen. Sofort machte sich Sattler an die Arbeit. Den neuen Satzungen legte er die bereits approbierten Konstitutionen der Schwestern des hl. Joseph zu Chambéry (in Savoyen) zugrunde; von Mitte Januar bis Mitte Februar vollendete er sein Werk, wobei er stets sich Rats erholte bei einem Konsultor der heiligen Kongregation. Dann gab er die von ihm verfassten Konstitutionen dem Bischof zur Durchsicht, der sie samt dem ebenfalls abgeänderten Zeremoniale der Einkleidung und Profeß der Kongregation der Bischöfe und Regularen zustellte. Sattler kehrte nach einem dreimonatigen Aufenthalt in Rom nach Niederbronn zurück. Am 27. Mai 1870 wurden dann die Sattlerschen Statuten für fünf Jahre approbiert. Im Juli kamen sie in Niederbronn an, wurden gedruckt und die Exemplare an die verschiedenen Häuser verteilt 90). Aber der mittlerweile ausgebrochene Krieg machte die Abhaltung des für September 1870 vorgesehenen Generalkapitels unmöglich, auf dem die neuen Statuten offiziell eingeführt werden sollten. Erst am 15. Oktober 1871 konnte das Kapitel eröffnet werden. Superior Sattler mußte allein den Vorsitz führen; weder der Bischof, den er eingeladen hatte, noch der Generalvikar erschienen. Fast alle Schwestern, die erscheinen mußten, waren anwesend, 93 an der Zahl. Aber vor dem 18. Oktober konnte nicht zur Verhandlung geschritten werden, da die Generaloberin, die die Stimmung der meisten Schwestern kannte, den Bischof am 17. Oktober noch einmal persönlich eingeladen hatte, aber ohne Erfolg. Zugleich hatte sich Sattler vom Generalvikar Marula instruieren lassen. Der Verlauf des zehn Tage dauernden Kapitels war recht stürmisch. Nach langem Hin- und Herreden schlug Sattler vor, daß man einstweilen die neuen Statuten beobachte, bis eine im Generalkapitel durchberatene abgeänderte Fassung abermals dem Heiligen Stuhle vorgelegt werden könne. Aber nur die Generaloberin mit einer Minderheit, die sich, von Sattler eingeschüchtert, eines Ungehorsams gegen den Heiligen Stuhl schuldig machen fürchtete, bequemte sich zu dieser Entscheidung. Die allgemeine Erregung allerdings, die sich auch nach dem Kapitel nicht legte, die Beteuerung der Oppositionspartei, daß sie nicht im geringsten daran denke, dem Papste ungehorsam zu sein, sondern überzeugt sei, daß Rom nur zwei Dinge von ihnen fordere: nämlich ihre ursprüngliche Regel zu vervollständigen und, wo es nötig sei, zu verbessern, ließ Schwester M. Adelinde über den Kopf des Superiors hinweg in persönliche Unterhandlungen mit dem Bischof selbst eintreten. Denn es stand nichts Geringes auf dem Spiel, es galt, die Einigkeit der Genossenschaft zu wahren. Das Resultat der Unterredung war, daß Räß gestattete, zu der alten Regel zurückzukehren. Die Generaloberin, die diesen Schritt ohne Vorwissen Sattlers getan hatte, teilte ihm das Resultat mit. Sattler gab dem Bischof in ziemlich scharfer Tonart 91) seine eigene Auffassung der Dinge zu erkennen, erhielt aber keine Antwort. Als die Generaloberin mit Sattler selbst verhandeln wollte, blieb dieser bei seiner Ansicht; er protestierte gegen die Rückkehr zur alten Regel, denn auch der Bischof könne nicht ändern, was die päpstliche Autorität bestimmte, auch er könne einen Kapitelsbeschluß 64 nicht beseitigen. Unter diesen Umständen war es wohl am besten, daß Sattler am 31. Januar 1872 seiner Stellung enthoben wurde. Der Bischof ernannte ihn zum Superior des berühmten Wallfahrtsortes Mariental. Der Grundfehler bei all diesen Irrungen und Wirrungen liegt darin, daß Sattler in bester Absicht - auf eigene Faust hin es unternahm, Satzungen für die Genossenschaft auszuarbeiten, ohne diese überhaupt zu befragen. Sattler konnte sich allerdings darauf berufen, daß er von seinem Bischof dazu ermächtigt sei. Aber war es klug von seiten des Bischofs, Sattler diese weitgehende Vollmacht zu erteilen und die von ihm verfassten Satzungen ohne weiteres vom Heiligen Stuhl bestätigen zu lassen und so die Genossenschaft, die von all den einschneidenden, ihr innerstes Leben berührenden Maßnahmen keine Ahnung hatte, vor eine vollendete Tatsache zu stellen? Die Frage wird kaum zu bejahen sein. Sattler hätte wohl klüger gehandelt, wenn er unverrichteter Dinge nach Hause zurückgekehrt wäre, sobald er die Gewissheit hatte, daß man die alten Statuten nicht approbieren wollte; er hätte dann die Neubearbeitung im Einvernehmen mit den Kapitelsschwestern vornehmen sollen. Die Schwestern ihrerseits mögen dabei auch verkannt haben, daß nach den Grundsätzen der päpstlichen Verwaltung eine Approbation der Regel ohne gewisse Änderungen nicht zu erhoffen war. Die tiefgehende, fast allgemeine Erregung im Schoße der Kongregation muß Bischof Räß doch zur Überzeugung gebracht haben, daß die ganze Sache übereilt war. Man kann es sehr wohl begreifen, daß er in Rom, wo er einer der eifrigsten Vorkämpfer für die Definierung des Unfehlbarkeitsdogmas war, nicht die nötige Muße fand, den Sattlerschen Entwurf gründlich darauf hin zu prüfen, ob er dem ursprünglichen Zwecke der Niederbronner Kongregation gerecht werde. Er hat dann auch keinen Augenblick gezögert, die übereilten Maßnahmen rückgängig zu machen, in einer Weise freilich, die für Sattler nicht schmeichelhaft war. Dieser war das Opfer unhaltbarer Verhältnisse geworden, die er allerdings zum großen Teil selbst verschuldet hatte. Er hätte sich sagen müssen, daß ihn die kurze Zeit seiner Amtstätigkeit doch nicht befähige, eine religiöse Genossenschaft auf eine stark geänderte Grundlage zu stellen. Er war aber zu sehr Stubengelehrter, der vom Studiertisch aus wichtige Fragen lösen zu können vermeinte, bei denen auch die lebendige Erfahrung ein gewichtiges Wort mitzusprechen hat. Es kann nicht geleugnet werden, daß Sattlers Satzungen ein wohldurchdachtes Ganze darstellen. Aber sie sind ein ganz neues Werk, das nicht mehr an die frühere schlichte Regel erinnert. Man begreift, daß die älteren Schwestern, denen jene Satzungen in Fleisch und Blut übergegangen waren, dieses Abweichen von alten, geheiligten Gebräuchen als eine Pietätlosigkeit betrachteten. Schon im April, nachdem Sattler im Rate die Statuten vorgelesen hatte, hatte die Novizenmeisterin Schwester Marie Joseph dem Bischof mitgeteilt, daß manche Schwestern nichts davon wissen wollten; man müsse bei den Regeln der Stifterin bleiben, das Fehlende könne leicht ergänzt werden 92). In mehr als 150 Briefen kommt die Entrüstung gegen diese Reform zum Ausdruck. "Ich gehöre", schreibt Schwester Lukretia, die Oberin des Münchener Kongregationshauses, dem Bischof Räß 93), "zu jenen Schwestern, welche das Glück hatten, unserer ehrw. Stifterin im Leben näher zu stehen, und weiß, wie sie oft selbst noch in ihren letzten Stunden uns ermahnte, ja nichts an der Regel zu ändern." Und von Darmstadt aus beschwört Schwester Gorgonia den Straßburger Oberhirten 94), er möge bewirken, daß das alte Regelbuch beibehalten werde, denn es sei besser, weil klar, bestimmt und kurz, auch der einfachsten Schwester verständlich: "Die älteren Schwestern betrachten es als ein teures und heiliges Vermächtnis ihrer unvergeßlichen ehrw. Mutter an ihre Kinder, sie glauben in den Regeln die Mahnungen und den Geist der ehrw. Stifterin unserer Kongregation fort und fort zu vernehmen." 65 Das sind Stimmen einfacher Gemüter, die sich vom Hergebrachten nicht trennen können. Man erblickte in dieser neuen Regel eine völlige Absage an die alten Überlieferungen. Das war sie zwar nicht. Aber man glaubte, der Superior wolle die Kongregation ihrem ursprünglichen Zweck entfremden, weil er in die Statuten ganze Abschnitte über die Lehrschwestern eingefügt hatte, während doch die Krankenpflege die Hauptsache sei. Als besonders verhängnisvoll betrachteten die Oberinnen das Fehlen zweier Hauptpunkte der alten Regel: der Rechenschaftsablage der Pflegeschwestern nach der Rückkehr vom Kranken und der öffentlichen Anklage äußerer Überschreitungen der Regel. Die Sattlersche Regel war sodann viel zu umfangreich und zu unübersichtlich, da er es versäumt hatte, die Hauptpunkte in Form numerierter, kurzer Paragraphen dem Gedächtnis leichter einprägbar zu machen. Durch das Einlenken des Bischofs, der die Beibehaltung der alten Satzungen vorläufig gestattete, war einer schweren inneren Krisis vorgebeugt worden. Bischof Räß mochte aus den unerquicklichen Vorgängen auch die Überzeugung gewonnen haben, daß er der Generaloberin seiner Lieblingskongregation einen tatkräftigen Mann zur Seite stellen müsse, der die Genossenschaft nach den Jahren der Prüfung einem neuen Aufstieg entgegenführe. Dieser Mann war I g n a t i u s S i m o n i s . 66 Dritter Abschnitt Steigende Entwicklung der Kongregation unter dem dritten Superior Ignatius Simonis (1872 - 1903). Erstes Kapitel. Superior Simonis. Innere Festigung der Genossenschaft. Das Noviziat. Über zwei Jahrzehnte sind über die Genossenschaft dahingezogen. Wir konnten sehen, wie das von der Niederbronner Bauerntochter gepflanzte Bäumlein in dem von Gottes Segen befruchteten Erdreich wunderbar rasch emporwuchs, wie der kraftvolle junge Stamm allmählich seine Äste weit über die Lande ausbreitete, wie aber auch ein starker Sturm einige blühende Zweige abknickte. Wir sahen ferner, wie nach dem rasch erfolgten Ableben der Stifterin der Stamm, den sie pflanzte, im Wachstum zurückblieb. Wir sind Zeugen gewesen der schweren inneren und äußeren Drangsale, welche am Marke der Kongregation zehrten und sie fast mit langsamem Siechtum bedrohten. Aber jetzt stehen wir wieder am Vorabend besserer Zeiten. Die Generaloberin erhält eine kräftige, nie versagende Stütze in dem Manne, den der Bischof nach dem Weggange Sattlers der Genossenschaft zum geistlichen Leiter gab. Er war klein und unansehnlich an Gestalt; aber in dieser wohnte eine starke, vom Geiste Gottes und von der Liebe zur Kirche und den Menschen ergriffene Seele. Von Anfang an hat er seine wunderbare Energie und Arbeitskraft in den Dienst des seiner Obhut anvertrauten Werkes gestellt. Und weil er selbstlos dessen Gedeihen zu fördern suchte, blieb Gottes Segen nicht aus. Man kann ihn ohne alle Übertreibung als d e n z w e i t e n B e g r ü n d e r d e r N i e d e r b r o n n e r G e n o s s e n s c h a f t b e z e i c h n e n . Er hat sie nicht nur nach außen hin ungemein vergrößert, sondern, was noch mehr bedeutet, er hat sie, wenn sie nach den Wirren des Krieges und unter den weniger erquicklichen häuslichen Verhältnissen, die wir kennen gelernt haben, nicht mehr ganz dem Ideale der seligen Stifter entsprechen mochte, innerlich erneuert und ihre Mitglieder zu Ordensfrauen herangebildet nach dem Herzen Gottes. Am 9. März 1872 traf der von Bischof Räß zum Superior ernannte Pfarrer von Rixheim, Ignaz Simonis, in Niederbronn ein. Ignaz Simonis wurde geboren am 12. März 1831 im altertümlichen, durch seinen Wein berühmten Gebirgsstädtchen Ammerschweier im oberen Elsaß. Sein Vater Franz Joseph Simonis und seine Mutter Agathe Schwindenhammer waren sehr begüterte Winzersleute, die ihrem einzigen Sohne - er hatte noch zwei Schwestern - jedes Studium ermöglichen konnten. Der äußerst lebendige, reich veranlagte Knabe hegte schon früh den Wunsch, Priester zu werden. Die frommen Eltern konnten nichts Sehnlicheres wünschen. Im kleinen Seminar zu Straßburg begann Ignaz seine lateinischen Studien, nach deren Vollendung er in das Straßburger Priesterseminar eintrat. Im Alter von 21 Jahren hatte er im Jahre 1852 schon seine theologischen Studien absolviert. Da er erst im Juni 1854 seiner Jugend wegen zur Priesterweihe zugelassen werden konnte, ernannte ihn Bischof Räß, der damaligen Gepflogenheit folgend, zum Lehrer an der neugegründeten geistlichen Lehranstalt, dem sog. Collège libre zu Colmar. Der junge Professor lehrte zuerst Latein und Griechisch, später Physik und Chemie. Das Vertrauen des Bischofs in seine Fähigkeiten berief ihn im Jahre 1863 als Professor der Heiligen Schrift in das Priesterseminar. Der plötzliche Übergang von 67 der Naturwissenschaft zur hebräischen Sprache mag dem Lehrer, der sich in seiner Stellung glücklich gefühlt hatte, nicht leicht geworden sein. Aber als Mann des Gehorsams wandelte er unverdrossen auf den für ihn anfangs dornenvollen Pfaden des Bibelerklärers. Durch die eingehende Beschäftigung mit der Heiligen Schrift aber eignete er sich eine gründliche Kenntnis des Buches der Bücher an, und seine Vertrautheit mit der unerschöpflichen Weisheit der Bibel kam ihm später bei der Ausbildung der Schwestern sehr zu statten. Als Superior Stumpf, der spätere Bischof, die Leitung des Priesterseminars übernahm, trat für Simonis ein abermaliger Wechsel der Lebensverhältnisse ein. Er verließ, dem Zwang der Umstände gehorchend, seine Professur, um eine Stelle als Pfarrer zu Rixheim anzunehmen 95). Das geschah im Oktober 1866. Hier in der stillen Landpfarrei der oberrheinischen Ebene fühlte sich Simonis in seinem Elemente. Er ist seinen Dörflern ein Musterpfarrer geworden, den Kranken ein Tröster, den Armen ein sorgender Vater, der aus dem Schatze seines eigenen reichen Vermögens mit vollen Händen austeilte, der Jugend ein Warner und Lehrer, den Eltern ein stets bereiter Berater und den Kindern ein zutraulicher Freund. So verstand und übte er sein seelsorgerliches Amt, in dem er sich nicht auf das Wirken in der Kirche beschränkte, sondern auch außerhalb Freud’ und Leid mit seinen Pfarrkindern teilte, in gleicher Weise ihren religiösen und wirtschaftlichen Interessen diente. Er ist schon in vollem Sinne das gewesen, was man heute mit dem Ehrentitel eines "sozialen Pfarrers" bezeichnet. Damals schon - um nur dies eine hervorzuheben - hat sich Simonis in einem vielbemerkten offenen Briefe an den Abgeordneten Jules Simon (über die Schulfrage) der traurigen Lage der in den Fabriken arbeiteten Kinder angenommen 96). Stets hat er ein offenes Auge für soziale Schäden und Ungerechtigkeiten gehabt und ein warmes Herz für die Notleidenden und Enterbten dieser Welt. Konnte er ein ergiebigeres Arbeitsfeld finden für sein soziales und karitatives Empfinden als den unbegrenzten Wirkungskreis, den ihm der Bischof durch die Ernennung zum Superior des eminent sozialen Werkes von Niederbronn anwies? Freilich traf ihn, der sich so wohl und glücklich fühlte in der einfachen Seelsorge unter einfachen, noch nicht verhetzten Menschen, die ihn liebten und verehrten, wie ein Blitz aus heiterem Himmel der Befehl des Bischofs, der ihn nach Niederbronn rief. Nur mit blutendem Herzen hat er das teure Rixheim verlassen. Er wußte zu gut, was er verließ, um eine ungewisse Zukunft dafür einzutauschen. Die Schwierigkeiten, vor die ihn die neue Lebensaufgabe stellte, mochten ihm die kommenden Tage nicht im rosigsten Lichte erscheinen lassen. Aber er war zeitlebens ein treuer und ausdauernder Arbeiter im Weinberge des Herrn gewesen, darum begab er sich mit frischem Mut ans Werk. Und Gott segnete es. Räß hatte diesmal den rechten Mann erwählt. Mit 42 Jahren stand Simonis in der Vollkraft des Mannesalters. Er besaß alle Eigenschaften, die ihn zum neuen Amte befähigten. Mit einer durchdringenden Geisteskraft verband er einen eisernen Willen, der von keinem Hindernis zurückschreckte. Seiner tiefen, Verstand und Gemüt durchdringenden Frömmigkeit stand eine bewundernswerte Kenntnis der menschlichen Seele zur Seite, die ihn, der selbst von unbegrenztem Opfergeist durchglüht war, zum geborenen Menschenbildner machte. Als Simonis die Leitung der Genossenschaft übernahm - 1872 -, zählte diese 98 auf 15 Diözesen verteilte Niederlassungen mit 502 Profeßschwestern. Diese Häuser verteilten sich wie folgt: In Deutschland entfielen auf die Diözesen Straßburg 47, Metz 1, Freiburg 12, München 11, Regensburg 1, Eichstätt 2, Speyer 4, Mainz 6 Niederlassungen. In Frankreich zählten die Bistümer Besançon 3, Châlons sur Marne 1, St. Dié 4, Langres 1, Paris 1, Dijon 1, Nancy 2 Häuser. In Belgien war zu Lüttich 1 Haus gegründet worden. 68 Gleich von Anfang an hatte der neue geistliche Leiter das Vertrauen der Genossenschaft gewonnen. Er sah, daß er sich nicht mit der mehr passiven Rolle seines Vorgängers begnügen dürfe, wollte er die Kongregation aus den Schwierigkeiten, in die sie geraten war, heraus und einem neuen Aufschwunge zuführen. Er mußte sein Augenmerk zunächst auf die völlige Wiederherstellung des Geistes der Einigkeit richten, die eine Zeitlang gefährdet war. Dem Einfluß seiner starken Persönlichkeit gelang es über Erwarten schnell. Sodann galt es, den durch die Kriegsjahre zum Stillstand gebrachten Zufluß zum Noviziat wieder reicher anschwellen zu lassen. Keiner verstand dies besser als Simonis. Er sah von Anfang an ein, daß in dem beständigen Anwachsen des Noviziates die beste Gewähr für ein andauerndes Wachstum der Genossenschaft liege. Darum scheute er keine Mühe, für Nachwuchs zu sorgen. Es wurde ihm anfangs nicht leicht. Am 9. Februar 1873 klagt er seinem Bischof, daß die Ordensberufe sich spärlich einstellen. Wir haben oben gesehen, daß er noch im Jahre 1876 einem Freunde über den zu geringen Andrang von Postulantinnen klagen mußte. Doch allmählich wurde es besser. Bald konnte er Bischof Räß die Mitteilung machen 97), daß Gott fortfahre, die Kongregation zu segnen, daß die große Mehrzahl der auswärtigen Häuser in sehr zufriedenstellendem Zustande seien und daß das Noviziat fortwährend zunehme. Seitdem er von Rom aus ermächtigt sei, auch Personen, die das 25. Jahr überschritten hätten, aufzunehmen, habe er für die Zukunft weniger Besorgnisse. Auf seinen zahlreichen Visitationsreisen in Deutschland und Frankreich benutzte er jede Gelegenheit, neue Berufe zu gewinnen. Seine Menschenkenntnis leistete ihm dabei vorzügliche Dienste. Aber er war kein ungestümer und zudringlicher Proselytenmacher. Davor bewahrte ihn schon seine hohe, nur von übernatürlichen Gesichtspunkten geleitete Auffassung des Ordensberufes. Ein Beispiel möge uns zeigen, mit welchem Takt Simonis vorging, wenn er einen Beruf entdeckt zu haben glaubte. Während der jährlichen Exerzitien hatte ihm einst eine Schwester von einem jungen, den gebildeten Ständen angehörenden Mädchen gesprochen, das sich mit Klostergedanken trug 98). Da sie in einer ziemlich weit entfernten elsässischen Stadt wohnte, konnte der Superior sie vorerst nicht persönlich sprechen. Aber ein Brief des Mädchens, den man ihm in die Hände spielte, gab ihm Anhaltspunkte genug. So schrieb er zunächst der Schwester, die ihm von der künftigen Kandidatin gesprochen hatte, daß der Brief des Fräuleins auf ihn einen sehr günstigen Eindruck gemacht habe. Jeder Beruf hat seine eigene Geschichte, aber jeder zeigt auch eine Reihe allgemeiner Kennzeichen, die sich stets wiederholen. "Dieses jedem Berufe gemeinsame Kennzeichen besteht in der Neigung, die Gott einer Seele einpflanzt. Wenn eine Seele sich lebhafter hingezogen fühlt zu einem Leben des Verzichts, der Liebe und des Opfers, wenn dieses Leben sich ihr unter der besonderen Gestalt des religiösen Lebens in einer bestimmten Genossenschaft darstellt, wenn Gott auf besondere Weise die Liebe zu dieser Kongregation tief in dieses Herz eingepflanzt hat, wenn diese Liebe durch fortgesetztes Gebet wächst, wenn die betreffende Person die für diesen Beruf erforderlichen natürlichen Eigenschaften besitzt, wenn endlich der Beichtvater keine Schwierigkeiten bereitet, indem er vielleicht alles als das Spiel einer ungezügelten Einbildungskraft betrachtet, dann scheint es mir, daß man nicht zögern darf und sich für das Vorhandensein des Berufes entscheiden muß." Dieser Fall scheine aber bei dem jungen Mädchen vorzuliegen. "Freilich muß man langsam vorgehen, mit Gebet, Klugheit und Demut; aber wenn man nachgedacht und gebetet hat, dann kommt der Augenblick, wo Gott die Gnade gibt, zu handeln. Es ist wichtig, diesen Augenblick, welcher die Stunde Gottes ist, nicht vorübergehen zu lassen." 69 Dieser Brief, den die Schwester der jungen Dame zustellte, bewirkt, daß diese selbst mit Simonis in brieflichen Verkehr tritt, ihm ihr Herz erschließt und um neuen Rat bittet. Der Superior ist jetzt noch stärker überzeugt als vorher, daß die Briefschreiberin für das Niederbronner Kloster bestimmt ist. Aber er verhehlt ihr nicht, daß der Weg zu Christus auch der Weg des Kreuzes ist. Und er schreibt ihr: "Mein liebes Kind! Ich habe wohl das Recht, Sie so zu heißen, denn Sie sind zu mir gekommen, wie das Kind zu seinem Vater kommt, und Sie gehören von jetzt ab der Seele der Genossenschaft der Töchter des göttlichen Heilandes an. Ich habe mit Sorgfalt und lebhaftem Interesse die Arbeit der Gnade in Ihrer Seele verfolgt. Viele Gebete sind hier für Sie verrichtet worden. Schwester A. hatte mir ihren vorletzten Brief zugestellt, der großen Eindruck auf mich machte. Es war das erste Aufblitzen der Morgenröte, welche jetzt die nächste sichtbare Äußerung Ihres Berufes andeutet. Auf Ihre Frage habe ich nur die eine Antwort: Wir erwarten Sie, und Sie können sich durch eigene Erfahrung überzeugen, daß Gott reich ist an Erbarmung für jene, die ihn anrufen und auf ihn hoffen. Aber Gott will bestürmt werden. Darum weicht eine Prüfung nur, um der anderen Platz zu machen. Sie sind ungefähr am Ende dieser Prüfung angelangt, die darin bestand, daß Sie inmitten der neulich noch so dichten Finsternis, in der sich Ihr Beruf verbarg, den Ausweg fanden. Jetzt beginnt die vielleicht sehr schmerzliche Prüfung, die väterliche Zustimmung zu erlangen, immer und immer zu bitten, geduldig zu warten, vielleicht eine Zeitlang wider alle Hoffnung zu hoffen. Sodann werden die Prüfungen des Noviziates kommen. Diese verschwinden nur, um den Prüfungen des Schwesternlebens Platz zu machen, und wenn Sie am Ende Ihres Lebens zurückschauen, um den durchlaufenen Weg zu überblicken, werden Sie ausrufen: Wie konnte ich so schwach sein in meinem Vertrauen? Wie konnte ich mich so vielen Befürchtungen und Ängsten überlassen? Ich erkenne heute, mein Gott, daß überall deine Hand mich leitete, deine süße, liebe Vaterhand. Verzeihe mir, Herr, mein Mißtrauen, habe Dank für deine Hilfe, habe Dank vor allem für die Prüfungen, die du mir schicktest. Sie waren der Sporn gegen Trägheit, Feigheit und Mißtrauen, sie haben mich gezwungen, aufzuschreien zu dir, mich zu deinen Füßen zu werfen, den Frieden zu suchen in deinem anbetungswürdigen Herzen. Darum haben Sie Vertrauen, liebes Kind, Vertrauen und wieder Vertrauen! Und wenn bisweilen die äußeren Hindernisse unübersteigbar scheinen und die inneren Kämpfe noch stärker zurückzukehren versuchen, dann werden Sie sich um so mehr der göttlichen Güte anvertrauen, welche bereit ist, Sie anzuhören, wenn Sie gebetet, gerufen, geseufzt, gelitten haben." Das ist die Sprache eines Vaters, der die Herzen zu gewinnen versteht, denn er spricht aus der Fülle eines Herzens, das nur schlägt für die, die ihm anvertraut sind. Das sind die goldenen Worte eines Mannes, der in späteren Jahren einmal von sich sagen konnte: "Es gibt mir der liebe Gott die große Gnade, daß ich für euch alle ein Vaterherz habe und das Wohl einer jeden so will, wie ein Vater das Glück eines jeden seiner Kinder wollen kann." 99) Kein Wunder, daß ihm die jungen Seelen ein grenzenloses Vertrauen entgegenbrachten, daß sie seinen Lehren folgten und unter seiner klugen, festen und doch gütigen Anleitung für den entsagungsvollen Beruf der Krankenschwester mit Ernst und Gewissenhaftigkeit sich vorbereiteten. So sehr Simonis an einer zahlreichen Postulantinnenschar hielt, so streng hielt er sich auch daran, nur absolut taugliche Elemente dem Noviziat zuzuführen. Sehr vorsichtig und zurückhaltend zeigte er sich bei späteren Berufen. So schrieb er an einen Freund, der ihm eine bereits neunundzwanzigjährige Kandidatin angemeldet hatte: "Wir nehmen schon welche so auf. Allein ich muß Ihnen zum voraus die Bemerkung machen, daß unter ihnen viele berufen, aber wenige auserwählt sind. Meistens ist die Gesundheit mangelhaft oder der Eigensinn unbeugsam. Ist aber unter diesen beiden 70 Hinsichten die Qualifizierung da, so mag sie kommen. Erst hier aber kann sich zeigen, ob sie zu den wenigen Auserwählten zu zählen sein wird, wie ich es wünsche." 100) Neben der moralischen Tüchtigkeit sah Simonis, wie aus dieser Äußerung sich ergibt, auch auf eine solide Gesundheit bei den Kandidatinnen. Daß es hier oft fehlte, war seine oft wiederholte Klage. Die große Sterblichkeit unter den jungen Schwestern schrieb er diesem Umstande zu. Man hatte ihm einst einen Zeitungsartikel über diesen Punkt zugesandt; offenbar wollte der Verfasser die Überarbeitung der Schwestern als alleinige Ursache hinstellen. Aus einer langjährigen Erfahrung heraus konnte Simonis aber behaupten: "Ich lege sehr wenig Wert auf solche Zusammenstellungen. Man geht bei denselben von Voraussetzungen aus, die nach meinem Dafürhalten nicht richtig sind. Man vergleicht die Sterblichkeit der jungen Schwestern mit irgendeiner anderen Sterblichkeit. Woran liegt aber das? Diese jungen Personen bringen durchweg ihren Todesschein mit sich ins Noviziat herein. Meine Überzeugung ist diese, daß für zwei junge Schwestern, deren Tod hier vielleicht beschleunigt werden kann, mindestens drei anderen das Leben verlängert, eigentlich gerettet wird." 101) An der eigentlichen Ausbildung der Novizinnen, die der Novizenmeisterin obliegt, nahm von Anfang an Simonis den regsten Anteil durch seine trefflichen, von religiöser Wärme getragenen, zu Herzen gehenden Konferenzen, deren Inhalt sich tief in die Herzen der Hörerinnen einprägte. Im Beichtstuhle vervollständigte er die Erziehung, deren Grundlinien er dort zeichnete, durch eine auf die individuelle Eigenart zugespitzte Seelenführung, in der der scharfsinnige Menschenkenner ein Meister war. So gelang es ihm im Laufe seines dreißigjährigen Wirkens, viele Hunderte von jungen Menschen zu jenen aufopferungsvollen, im stillen wirkenden, bescheidenen und einfachen Schwestern heranzubilden, die den guten Ruf der Niederbronner Schwestern in den Ländern deutscher und französischer Zunge hochhielten und vergrößerten. Dank seiner wunderbaren Energie und Arbeitskraft konnte er dieses Resultat erzielen, obwohl ihn politische Geschäfte öfters außerhalb hielten. Seit 1874, wo es dem Deutschen Reich abgetretenen Reichslande gestattet wurde, Abgeordnete in den Reichstag zu wählen, hatte er mit Zustimmung des Bischofs das Mandat des Kreises Rappoltsweiler angenommen. Wohl bedauerte er oft, daß er so viele Stunden der Politik opfern mußte, und nirgends weilte er lieber als im Mutterhaus. "Mit welcher Eile", sagt so schön sein Biograph 102), "kehrte er zurück, wenn er einige Tage in Berlin zugebracht hatte. Um Zeit zu gewinnen, reiste er nachts und kam am frühem Morgen in Oberbronn 103) an. Kaum hatte er das Klostergebiet betreten, da vergaß er die Müdigkeit der Nachtfahrt und eilte zur Kapelle, wo er die heilige Messe mit großer Andacht feierte. Nach der Danksagung schloß er sich im Beichtstuhl ein und blieb dort bis Mittag, ohne an das Essen zu denken. So hielt er es noch im vorgerückten Alter. Das war ihm Herzensbedürfnis, und zugleich gab er seinen Novizen ein herrliches Beispiel. Herr Simonis war in der Tat ein unvergleichlicher Mann der Energie. Das, was den Krankenschwestern not tut, ist eine Seelenstärke, die vor nichts zurückschreckt. Sie müssen wachen, ausharren, pflegen, immerdar trösten, auch wenn Körper und Geist ermatten, wenn ihnen alles widerstrebt, wenn sie Undank und Enttäuschung ernten. Sie müssen sich hinwegsetzen über die Gefahren der Ansteckung und der Erschöpfung, müssen tapfer, heiter und fröhlich dem Tod ins Auge blicken können. Ein solches Leben der Selbstverleugnung und des Heldenmutes setzt eine unbezwingliche Energie voraus. Simonis predigte diese Energie in Wort und Tat. Die Novizin, welche so oft den alten, durch die Last der Jahre gebeugten Superior fast im Sturmschritt die Kanzel besteigen sah, die Zeugin war, wie er sich im Beichtstuhle abmühte, gegen das Erlöschen der Stimme ankämpfte, sich Lasten auferlegte, die ihm niemand zumutete, die vergaß in ihrem Leben nie dieses zugleich große und schmerzliche Schauspiel. Schon im Begriff, 71 zu unterliegen, raffte sie mit einer letzten Anstrengung ihre Kräfte zusammen, wenn sie sich an das Beispiel ihres verehrten Superiors erinnerte." Solche Erinnerungen wurden durch die jährlichen Exerzitien bei den für acht Tage ins Mutterhaus zurückkehrenden Schwestern immer wieder aufgefrischt. Simonis hat von Anfang an alle diese Exerzitien selbst gehalten, sowohl für die deutsch als auch französisch sprechenden Schwestern. Er ist den Deutschen und Französinnen ein gleich liebevoll besorgter Vater gewesen. Das war ja eine Eigentümlichkeit, die dem Mutterhaus und dem Noviziat der Niederbronner Schwestern von Anfang an anhaftete: daß Menschen verschiedener Nationalität, Deutsche, Franzosen, Belgier, sich zusammenfanden, freudig und friedlich mit und nebeneinander das hohe Ziel ihres Berufes erstrebten, der über die von Menschen gezogenen Grenzen nationaler Besonderheit hinaus nur eines verfolgt: um Christi willen allen notleidenden und kranken Menschen ohne Unterschied der Sprache und des Bekenntnisses zu dienen. Mit sicherem Takt hat es Simonis, der sich mit gleicher Leichtigkeit in beiden Sprachen bewegte und für die Eigenheiten jeder Rasse ein feines Gefühl besaß, verstanden, auch nach dem Kriege in seiner zweisprachigen Klosterfamilie Frieden und Eintracht zu pflegen. Denn nach wie vor hatte die Kongregation ihre Sendlinge der Wohltätigkeit nach Westen und Osten auszuschicken. Der blutige Krieg, der die beiden großen Völker zerfleischte, hat die Brücke nicht abgebrochen, über die von dem unter deutscher Herrschaft stehenden Mutterhaus die Schwestern nach dem verkleinerten Stammlande zogen. Zweites Kapitel. Das neue Verhältnis der Kongregation zu Frankreich. Die reichsländische Regierung. Durch den Frankfurter Frieden war das Mutterhaus der Kongregation auf den Boden des neugegründeten Deutschen Reiches gestellt worden. Nun warf sich die schwierige Frage auf: Wie wird sich das Verhältnis der französischen Filialhäuser zur republikanischen Staatsregierung gestalten? Wird man die Rechte des nun deutschen Mutterhauses aufheben und dessen Verbindung mit den französischen Niederlassungen lösen? Oder findet sich eine andere praktische Lösung, die das Weiterbestehen der Genossenschaft auf französischem Boden ermöglicht? Die Frage mußte mit dem Kultusminister zu Paris ausgetragen werden. Kultusminister war nun damals just der ehemalige radikale Abgeordnete Jules Simon, der unter dem zweiten Kaiserreich so stark in antiklerikaler Politik gemacht hatte, derselbe Jules Simon, an den der Pfarrer von Rixheim seinen "Offenen Brief" über die Schulfrage gerichtet hatte. Der alte Radikale war nun glücklich im konservativen Ministerium Thiers gelandet. Superior Simonis hätte sich nun direkt an ihn wenden können. Er zog es jedoch vor, sich der Vermittlung des Bischofs von St. Dié zu bedienen. Aber Schritte mußten unbedingt getan werden, da ein Legat von 2000 Franken, das dem Hause in Epinal zugefallen war, von der Regierung für nichtig erklärt wurde. Doch traf es sich glücklicherweise, daß ein Bericht des Präfekten des Vogesendepartements an den Kultusminister 104) die segensreiche Tätigkeit der Schwestern in Epinal und dem ganzen Departement lobend anerkannt hatte. Der Präfekt, der der Kongregation offenbar sehr gewogen war, hatte in diesem Aktenstück bei der Regierung angefragt, ob sie den Niederbronner Schwestern dieselben gesetzlichen Vergünstigungen weiter gewähren würde wie vorher. Auf Grund dieses Aktenstückes glaubte Simonis durch die Vermittlung des Bischofs von St. Dié ein formelles Gesuch der Generaloberin an das 72 Kultusministerium richten zu können. Darum bat er den Bischof Räß, er möge den Oberhirten von St. Dié in dieser Sache angehen, denn, so fügt er dem Schreiben an Räß bei: "man versichert mir, daß der jetzige Augenblick so günstig ist wie niemals. Um seinen Ministersessel zu behalten, würde Jules Simon sich an die Spitze einer Prozession stellen, wenn es sein müßte, mit einem Rosenkranz, den er von einer Nonne entlehnte, in den Händen." 105) Simonis täuschte sich nicht. Auf die Eingabe des Bischofs von St. Dié antwortete der Kultusminister schon am 29. Januar 1873 106) und zeigte den Weg an, den die Kongregation beschreiten müsse, um zu einem ersprießlichen Ziele zu gelangen. Da das in fremdem Lande existierende Mutterhaus nicht mehr in gültiger Weise die in Frankreich verbliebenen Häuser vertreten könne, für diese letztgenannten aber das kaiserliche Dekret von 1854 seine Rechtskraft beibehalte, müsse man irgend eine französische Niederlassung des Ordens als Hauptfiliale oder Mutterhaus für das französische Gebiet erklären. Die Oberin dieses Hauses oder an ihrer Stelle eine Assistentin würde alle andern französischen Häuser für alle einer gesetzlichen Autorisation bedürftigen Akte, wie Annahme von Schenkungen oder Legaten, Genehmigung von Gütererwerbungen oder Verkäufen, repräsentieren. Ein diesbezügliches Dekret des Staatsrates würde die ganze Angelegenheit im angedeuteten Sinne regeln. Die Generaloberin beeilte sich, die hier vorgeschlagene günstige Lösung anzunehmen, und bereits am 3. Dezember 1873 wurde das Haus zu Epinal, um diese Zeit noch die bedeutendste Niederlassung in Frankreich, durch ein Regierungsdekret als Mutterhaus für das französische Gebiet anerkannt 107). So waren für eine weitere Ausbreitung der Genossenschaft in Frankreich die Wege geebnet. Eine bedeutende Anzahl von Niederlassungen wurden unter Simonis’ tatkräftiger Leitung, wie wir bald sehen werden, hier gegründet. Die neue reichsländische Regierung hatte keinerlei Interesse daran, die Tätigkeit der Kongregation, deren segensreiches Wirken die deutschen Truppen im Felde und in den heimischen Lazaretten dankbar anerkannt hatten, zu beeinträchtigen. Die Militärverwaltung beeilte sich, gleich nach der Annexion Niederbronner Schwestern im Straßburger Militärlazarett anzustellen. Man hatte sich im Mutterhause in der Folgezeit nicht zu beklagen. Im Triennalbericht, den die Generaloberin im Jahre 1880 nach Rom einschickte, wird dankbar vermerkt, daß die elsaß-lothringische Regierung sich der Genossenschaft gegenüber wohlwollend erzeige. Als der kaiserliche Statthalter Freiherr von Manteuffel im Jahre 1880 mit Simonis eine Zusammenkunft hatte, machte er diesem den Vorschlag, daß die Kongregation die Gesuche, die sie der Regierung einreiche, direkt an seine Adresse richte, damit er sie unterstütze und schneller zur Erledigung bringe. Größere Sorgen als die Regelung der gesetzlichen Situation in Frankreich bereitete dem neuen Superior die bedenkliche finanzielle Lage der Genossenschaft. Die Wunden, welche der Krieg in dieser Beziehung geschlagen hatte, vernarbten lange nicht. Schon im November des ersten Amtsjahres klagt Simonis bei dem Bischof über die schwierige Lage des Straßburger Hauses. Und noch drei Jahre später 108) muß er bekennen, daß die materielle Lage der Genossenschaft für ihn ein drückender Alp sei, der ihn Tag und Nacht verfolge. Man lebe sozusagen von der Hand in den Mund. Auch viele wichtige auswärtige Häuser seien infolge der Ereignisse der letzten Jahre in arger Bedrängnis. Es sei ihm ein Rätsel, wie man bis jetzt sich habe durchschlagen können. Dazu trat in nächster Zeit die Frage eines Neubaues. Das Noviziat in Niederbronn war in wenigen Jahren zu eng geworden. Am 23. November 1877 macht Simonis dem Bischof Mitteilung von dieser Sachlage. Die Novizen hätten keine Luft. Nach Oberbronn hinaufzuziehen habe wenig Zweck, denn das dortige Haus sei ebenfalls zu klein. Er 73 trage sich deshalb mit dem Gedanken, ein Grundstück neben dem Kloster zu erwerben. Aber es fehlte das Geld. Doch auch Simonis besaß, wie sein einstiger Vorgänger Reichard, ein gutes Stück Gottvertrauen; er meinte, daß Gott, der sein Volk vermehrt, auch das Geld vermehren könne. Sein Vertrauen wurde nicht getäuscht. Es kamen bessere Zeiten, bereits 1880 war man aus den größten Schwierigkeiten heraus, und zudem fand auch die Frage des Neubaus eine sehr glückliche Lösung. Wegen der übertriebenen Forderungen, welche die Anwohner des Mutterhauses stellten, verzichteten Simonis und der Kongregationsrat auf den Plan eines neuen Novizenhauses in Niederbronn selbst. Dagegen wurde im Laufe des Jahres 1879 ein weiteres Stockwerk über den Oberbronner Schloßräumen errichtet. Am 6. Dezember 1879 traf von Rom die Erlaubnis ein, Noviziat und Mutterhaus von Niederbronn nach Oberbronn zu verlegen. Niederbronn selbst wurde von nun an den altersschwachen und vom Berufe aufgeriebenen Schwestern als Ruhesitz bestimmt. Ein im Jahre 1893 vergrößertes Nebengebäude nahm die Waisenmädchen auf, welche bis jetzt in Oberbronn untergebracht waren. Ein eigener Anstaltsgeistlicher hatte von nun an für die religiösen Bedürfnisse der älteren und jungen Insassen des ehemaligen Mutterhauses zu sorgen. Auf der luftigen Höhe des freundlichen Oberbronn war dem Mutterhause eine glückliche Zukunft beschieden. Drittes Kapitel. Die vorläufige Approbation der neuen Konstitutionen (1877). Die größte Schwierigkeit, die der neue Superior in der Genossenschaft vorfand, war die durch das Eingreifen des Bischofs nur vorläufig geregelte Frage der Statuten. Sattlers Reformversuch war kläglich gescheitert. Da aber die von ihm verfaßte Regel in Rom approbiert worden war, mußte Bischof Räß nachträglich für seine im Interesse der Kongregation angeordnete Beibehaltung der alten Satzungen die päpstliche Zustimmung erbitten. Er tat dies unterm 18. Juni 1873 in einem längeren Schreiben an den Heiligen Vater, worin er die durchaus ablehnende Haltung der großen Mehrheit der Genossenschaft gegenüber den approbierten Statuten betont; er habe nicht anders handeln können, als deren Zurückziehung anzuordnen; die alte Regel solle in Kraft bleiben, bis eine geeignete Neubearbeitung unterbreitet werden könne. Nun sei aber auch die sechsjährige Amtsdauer der 1867 gewählten Generaloberin bald verstrichen, die Neuwahl könne nur mit Erlaubnis des Heiligen Stuhles stattfinden. Er schlage eine solche unter folgenden Bedingungen vor: Wahlberechtigt sollen alle Lokaloberinnen sein, dazu aus jedem mehr als zwölf Schwestern zählenden Hause noch eine von ihren Mitschwestern delegierte Schwester. Es dürfe nur eine beider Sprachen mächtige Generaloberin gewählt werden. Auch der Rat muß bei dieser Gelegenheit neu gewählt werden auf sechs oder wenigstens drei Jahre. An diese Wahl soll sich ein Generalkapitel zur Beratung wichtiger Fragen anschließen, an dem sich beteiligen: die neue Generaloberin mit dem Rate, die gewesene Generaloberin und die Oberinnen jener Häuser, in denen sich mindestens zwölf Schwestern befinden. Wenn die Zahl von dreißig Teilnehmerinnen nicht erreicht wird, soll sie durch passende Auswahl, die der Rat trifft, auf diese Höhe gebracht werden. Diese letzte Maßregel, die Anzahl der Kapitelsberechtigten möglichst zu beschränken, war eine Eingebung des Superiors, der die Vorgänge des vorausgehenden Kapitels (1871) sich nicht wiederholen lassen wollte 109). Zugleich sollte auf diesem Kapitel die brennende Frage eines Noviziates in München besprochen 74 werden 110). Dieses Kapitel fand in gewünschter Weise statt; am 2. Dezember 1873 konnte Simonis dem Bischof berichten, daß Schwester M. Adelinde von einer großen Mehrheit wiedergewählt worden sei. Als noch im Sommer des Jahres 1873 Simonis, der im April eine eingehende Denkschrift über die Zurückweisung der Sattlerschen Statuten nach Rom eingesandt hatte, durch Monsignore Luca verständigt wurde, daß man die approbierten Statuten Sattlers wieder umarbeiten und mit den alten Satzungen der Stifter übereinstimmen lassen könne 111), machte sich Simonis eifrig ans Werk, diese für die innere Organisation der Genossenschaft so wichtige Angelegenheit ins reine zu bringen. Im Sommer 1875 konnte er Räß den von ihm ausgearbeiteten Entwurf schon unterbreiten. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger, der die Genossenschaft nicht zu Rate gezogen hatte, legte er seine Arbeit sämtlichen Lokaloberinnen, die sich in den jährlichen Exerzitien im Mutterhause eingefunden hatten, zur Diskussion vor. Einstimmig billigte man diese Satzungen, die kein Abweichen, sondern nur eine den geänderten Zeitverhältnissen und praktischen Bedürfnissen der Genossenschaft angepaßte Verbesserung der alten Regel waren 112). An deren Geist, der der Genossenschaft ihr eigentümliches Gepräge gab, wollte er nicht rütteln. Als ihm der Bischof den Entwurf, den er dem Domkapitular Freyburger zur Begutachtung übergeben hatte, mit einer Reihe von Veränderungen zurückschickte, erklärte der Superior höflich, aber bestimmt, daß manche dieser Änderungen der Genossenschaft eine andere Richtung geben würden 113). Bischof Räß, der sich auf seinen Mann verlassen konnte, ließ ihn gewähren. Am 30. Juli 1977 endlich wurden diese neuen Statuten auf Grund einer Reihe von Empfehlungsbriefen der Bischöfe jener Bistümer, in denen die Genossenschaft wirkte, vom Heiligen Stuhle für fünf Jahre probeweise approbiert. Diese neuen Statuten stellen der Umsicht und Klugheit, dem Scharfblick und praktischen Sinn ihres Verfassers ein glänzendes Zeugnis aus. In klarer und lichtvoller Weise fassen sie Zweck und Organisation der Genossenschaft, Aufnahmebedingungen, Pflichten der Schwestern zusammen; nichts Wichtiges ist übergangen, alles Überflüssige vermieden. Die sprachliche Fassung ist so bündig und einfach gehalten, daß auch Menschen von bescheidenster Begabung jede Bestimmung ohne weiteres zu erfassen vermögen. Die Organisations- und Verwaltungsfragen, die in der alten Regel nur eine ungenügende Behandlung gefunden hatten, sind mit aller wünschenswerten Deutlichkeit bis ins einzelne behandelt. Von besonderer Wichtigkeit ist die Bestimmung, daß die Generaloberin, die mit dem Rate alle sechs Jahre zu wählen ist, wenigstens 40 Jahre alt und der deutschen und französischen Sprache mächtig sein muß. Ihre Pflichten und notwendigen Eigenschaften sind ausführlich behandelt. "Die Generaloberin wird sich vor allem befleißen, bei den Schwestern eine hohe Achtung und Schätzung ihres heiligen Berufes aufrechtzuerhalten und den Novizen die Kenntnis ihrer Pflichten, mit einem großen Eifer dieselben zu erfüllen, beizubringen. Sie wird mit aller Liebe, aber auch mit aller Festigkeit Sorge tragen, daß die Schwestern durch treue Beobachtung der Gelübde und der Satzungen den Geist der Kongregation bewahren. Sie wird ihr Amt als ein ihr von Gott selbst anvertrautes ansehen und sich öfters erinnern, daß sie für jede Schwester, wie auch für alles Gute, das die Schwestern wirken sollen, Rechenschaft ablegen wird." Das Institut der Laienschwestern, das Superior Sattler noch in seine Statuten aufgenommen hatte, ist von Simonis aufgegeben worden. Mit außerordentlicher Freude wurde im Mutterhaus die Approbation der neuen Statuten begrüßt. Die Generaloberin Schwester M. Adelinde gab dieser Freude im September desselben Jahres Ausdruck durch ein langes, vom Geiste heiligen Eifers und glühender Berufsfreude durchwehtes Rundschreiben an alle Filialhäuser. Sie dankt 75 Gott, daß die Kongregation diese Satzungen besitzt. "Bisher lebten wir nach dem Regelbuche, welches unsere innigverehrte Stifterin ausgegeben, und von den so zahlreichen kraft- und segensvollen Unterrichten, durch welche sie uns in das Leben der Kongregation einweihte. Dieses Regelbuch haben wir bis auf den heutigen Tag sorgfältig bewahrt, und dessen Aufnahme in die neuen Satzungen bürgt uns dafür, daß dessen Vorschriften für die Zukunft bestehen werden. Ebenso werden wir die schönen Seiten, welche demselben vorangehen, und worin der Geist der Kongregation so lebhaft geschildert wird, bewahren. Die Belehrungen, welche die selige Stifterin uns gab, sind auch bei weitem nicht vergessen, und wenn deren Gedanken dem Gedächtnis der meisten unter uns nicht mehr gegenwärtig sind, so erinnern wir uns immer freudig der Gefühle, welche sie in uns hervorriefen. Diese Gefühle waren bis jetzt unser Leben und unsere Kraft, und wir hegen die Hoffnung, dieselben bis in den Tod zu bewahren. Allein die Zeit war gekommen, wo diese ihre Anempfehlungen schriftlich aufgezeichnet werden mußten. Die Reihen der Ältesten unter uns haben sich vielfach schon gelichtet, und groß ist die Zahl der Schwestern, welche nicht gehört haben, was wir einst hörten. Es war auch notwendig, die Organisation der Kongregation für die Zukunft festzustellen und vor allem die Bestätigung der heiligen Kirche als das Siegel Gottes selbst über das Ganze herabzurufen. Diese Bestätitigung solle uns nicht nur die Versicherung geben, daß die Kongregation ein Gott angenehmes und dem Geiste des göttlichen Heilandes entsprechendes Werk ist, sondern auch mit dem Vertrauen durchdringen, daß diese Anempfehlungen, welche wir damals mit so inniger Wonne anhörten und welche nun den Text selbst der Satzungen bilden, geeignet sind, uns zum glücklichen Ziele zu führen, nach welchem wir alle streben." Sie empfiehlt mit warmen Worten ihren Mitschwestern die Beobachtung der Satzungen. "Durch deren treue Verfolgung werden wir zeigen, daß wir für die Welt gekreuzigt sind und die Welt für uns gekreuzigt ist, und daß wir uns in unserem Herzen im Kreuze des lieben Heilandes rühmen. Dann werden wir aber die Wahrheit des Wortes erfahren: Jenen, welche diese Regel befolgen, sei der Friede und die Barmherzigkeit Gottes. Die erste Frucht dieser Treue wird also der Friede sein. Glücklich die Seelen, welche diesen Frieden kennen. Sie sind jene Friedfertigen, welche Kinder Gottes genannt werden. Wir werden den Frieden haben im Geiste, den Frieden im Herzen, den Frieden unter uns, den Frieden mit Gott. In unsern äußerlichen Pflichten aber werden wir die Gnade haben, diesen Frieden in die Seele unserer Armen und Kranken strahlen zu lassen." Diese Satzungen bewährten sich in der Folgezeit glänzend. Das Generalkapitel des Jahres 1882 prüfte sie abermals sorgfältig. Viertes Kapitel. Weitere Ausbreitung der Kongregation. Tod der ehrwürdigen Mutter M. Adelinde. In dem vorhin berührten Rundschreiben hatte die Generaloberin auch der zahlreichen günstigen Zeugnisse gedacht, welche die Bischöfe der verschiedenen Diözesen über das segensreiche Wirken der Genossenschaft nach Rom geschickt hatten. "Wir waren alle im Mutterhause innig gerührt, als wir sahen, mit welchem väterlichen Wohlwollen die hochw. Herrn Bischöfe die Kongregation dem Stellvertreter Jesu anempfahlen, und wir konnten nicht genug für diese so liebevollen und günstigen 76 Zeugnisse danken." Diesen Zeugnissen aus dem Jahre 1877 schlossen sich andere im Jahre 1883 an, welche ausnahmslos voll der größten Anerkennung sind für das selbstlose Wirken der Schwestern in den deutschen, französischen und belgischen Diözesen. Sie zeigen auch, welche weite Verbreitung unter der Leitung der Schwester M. Adelinde und des Superiors Simonis die Genossenschaft im Laufe der Jahre gefunden hat. Neue Wirkungskreise hatten sich eröffnet in Frankreich in den Diözesen Versailles, Cambrai, Reims; in den übrigen Diözesen hatten sich die Häuser beträchtlich vermehrt. Aus der belgischen Diözese Mecheln, wo im Jahre 1879 in Brüssel eine vielversprechende Filiale eröffnet wurde, berichtet der Kardinal Dechamps 114), daß er die Schwestern und ihre Tätigkeit in jeder Beziehung nur loben und empfehlen könne. In Mainz lobte der große soziale Bischof Ketteler in einem Schreiben an die Generaloberin 115) den großen Eifer, den die Niederbronner Töchter in seinem Sprengel betätigen, "wodurch sie allenthalben die Verehrung und Liebe der katholischen Bevölkerung und selbst Andersgläubiger sich erworben haben". In Bayern war die Bamberger Erzdiözese neu hinzugekommen, und in den übrigen Sprengeln folgte eine Niederlassung der andern. An erster Stelle steht das Erzbistum München-Freising, obschon es gerade hier nicht an Schwierigkeiten fehlte. Superior Sattler und die von ihm nicht gut beratene Schwester M. Adelinde hatten im Jahre 1869 der Absicht des Erzbischofs Gregorius v. Scherr, in München ein eigenes Noviziat zu errichten, ein Entgegenkommen bewiesen, welches Superior Simonis im Einverständnis mit Räß für sich als nicht verbindlich erachtete. Ihm schien ein Noviziat in München nur eine Vorstufe zu einer vollständigen Losreißung der bayrischen Häuser. Auch wenn sich diese Befürchtung als irrig erweisen sollte, so schien ihm durch ein vom Mutterhaus getrenntes bayrisches Noviziat eines der wertvollsten Güter der Genossenschaft, die Einigkeit, in Frage gestellt. Und so führte er, der seine ganze Persönlichkeit einsetzte für die ihm anvertraute Genossenschaft, mit der ihm eigenen Zähigkeit den Kampf für das, was ihm zum Gedeihen der Kongregation als unerläßlich schien. Er hatte in seinem Bischof den stärksten Rückhalt. "Ich wünsche", schrieb er am 2. Mai 1873, als sich der Gegensatz zwischen ihm und dem Münchner Oberhirten aufs schärfste zugespitzt hatte, "nur nach Ihren Anweisungen zu handeln. Wohl will ich mich in alle Wendungen des Kampfes fügen, will alle Kampfhiebe ertragen, wenn Sie wünschen, daß ich den Kampf fortsetze, um die E i n h e i t d e s N o v i z i a t e s u n d d e r K o n g r e g a t i o n a u f r e c h t z u e r h a l t e n . Aber ich will mich auf dem für mich so neuen Kampfplatze nur so weit vorwagen, als Sie mir angeben. Wenn wir siegen, so geschieht dies nur durch die formelle Autorität Roms, und dann loben wir Gott. Werden wir besiegt, dann wird es meine Pflicht sein, zu Ihren Füßen mein zerbrochenes Schwert niederzulegen, in der Überzeugung, daß der richtige Mann jeder andere ist als ich, der ich die Niederlage erlitt." In diesen Worten liegt der Schlüssel zur Beurteilung der wichtigen Rolle, welche Simonis in diesem Streit, worin es sich für ihn um Sein oder Nichtsein des Niederbronner Werkes handelte, gespielt hat. Er ist Sieger geblieben in diesem Streite, den wir eingehend darstellen werden 116). Aber zwei Jahrzehnte vergingen, bis die hochgehenden Wogen sich glätteten und eine Lösung gefunden wurde, die beide Parteien befriedigte. Als Simonis im Jahre 1872 die Leitung der Genossenschaft übernommen hatte, zählte diese 98 Niederlassungen. Im Jahre 1880 waren es schon 120 geworden, die von ca. 800 Schwestern versehen wurden. Ein Jahrzehnt später, im Jahre 1891, zählt die Genossenschaft 207 Häuser, die sich auf 26 Diözesen verteilen. Der Personalbestand beläuft sich auf 1421 Profeßschwestern, 94 Novizen, 59 Postulanten. Im Jahre 1900 können die Obern dem Heiligen Stuhl abermals eine bedeutende Zunahme melden. Jetzt sind es 1800 Schwestern geworden, 130 Novizen, 65 Postulanten; die Zahl der Filialhäuser ist auf 261 gestiegen, davon entfallen 83 auf 77 Elsaß-Lothringen, 41 auf Bayern und 19 auf die Rheinpfalz, 49 auf Baden, 16 auf das Großherzogtum Hessen, 47 auf Frankreich, 4 auf Belgien, 1 auf die Schweiz, 1 auf Luxemburg. Einem Freunde, der sich über diese ungeahnte Entwicklung der Genossenschaft wunderte, antwortete Simonis 117): "Wir sind gerade wie vor 40 Jahren in einem steten Werden begriffen. Man dürfte glauben, daß ein anderer Plan hier nicht existiert, als sich planlos dem Plan der Vorsehung anzuvertrauen." Die Vorsehung freilich hatte in Simonis auch den Mann gesandt, der das Werden der Genossenschaft in zielbewußter, kraftvoller Weise leitete. Er ist der Generaloberin Schwester M. Adelinde ein unermüdlicher Berater und eine nieversagende Stütze gewesen. Sie brachte ihm ein grenzenloses Vertrauen entgegen. Dreimal wurde sie von ihren Mitschwestern zur obersten Leitung der Genossenschaft berufen; 18 Jahre lang hat sie mit großem Erfolg und reichem Segen das verantwortungsvolle Amt der Generaloberin verwaltet. Sie konnte mit Genugtuung im Jahre 1884 dem Bischof mitteilen, daß der Geist der Kongregation und der Stand der Disziplin in den einzelnen Häusern gut sei. Nur zweimal in sechs Jahren habe man Dispens von den Gelübden begehren müssen. Die Schwestern seien mit Leib und Seele ihrem Berufe ergeben und erzeigten bei der Pflege der Kranken einen Eifer, den man oft eher zügeln als anfeuern möchte. Als sie diesen Bericht abfaßte, ahnte sie nicht, daß sie dem Tode nicht mehr fern sei. Im Verein mit dem Superior hatte sie bereits den Plan zu wichtigen baulichen Änderungen im Mutterhaus gefaßt: zum Neubau einer Kapelle und eines großen Exerzitienhauses. Sie sollte die Ausführung nicht mehr erleben. Schon zu Anfang des Jahres 1885 war sie vom Schlage gerührt worden, hatte sich aber wieder erholt; doch ein zweiter Schlaganfall machte ihrem arbeitsreichen Leben am 9. Mai desselben Jahres ein Ende. Nicht unvorbereitet ist sie vom Tode ereilt worden. Ihr ganzes Leben, heißt es mit Recht auf ihrem Totenzettel, ist eine immerwährende Vorbereitung auf den Tod gewesen. Alle Mitschwestern haben stets in ihr das Vorbild einer Ordensperson erkannt und verehrt. "Vom Geiste des Gebetes tief durchdrungen, verstand sie es ganz besonders, denselben ihren Mitschwestern mitzuteilen. Als die Vorsteherin von allen hielt sie es für ihre größte Pflicht, in der treuen und pünktlichen Beobachtung aller Ordensregeln allen voranzugehen." Zwei Eigenschaften sind hervorzuheben: ihre Seelenruhe und ihr Gleichmut inmitten der größten Schwierigkeiten und eine außerordentliche Herzensgüte. Diese Seelenruhe bekundet ein Vertrauen auf Gott, das man nur im Leben der Heiligen zu finden pflegt. Sie glaubte mit unerschütterlicher Überzeugung an Gottes leitende Vorsehung. Was ihr begegnete, sah sie als von Gott kommend an und harrte stets ruhig und ergeben der Erfüllung seines heiligsten Willens entgegen. Lassen wir den lieben Gott sorgen, pflegte sie zu sagen, er leitet alles zum Besten. In ihrer leitenden Stellung hatte sie nichts von der Einfachheit und Demut verloren, die sie schon als junge Schwester zierten. Sehr bezeichnend für ihren Ordensgeist ist ein kleines Ereignis, das die Zeugen desselben nie vergessen haben. Sie war schon Assistentin bei der ehrwürdigen Stifterin, als ihr diese wegen irgendeines Fehlers eine harte Buße auferlegte: sie mußte vor allen Schwestern niederknien und um Verzeihung bitten für das etwaige Ärgernis, das sie gegeben hatte. Schwester M. Adelinde nahm ohne Widerrede diese Verdemütigung auf sich 118). Als Oberin hielt sie besonders darauf, daß der Geist der Armut bei den Mitgliedern herrschte. Gleich nach dem Kriege, am 6. April 1871, hat sie in einem Zirkular alle in der Ferne weilenden Mitschwestern aufgefordert, daß sie ihr Augenmerk auf die heilige Armut richten sollen; alles Überflüssige sei zu vermeiden, man solle sich mit dem Notwendigen begnügen: "Wir müssen auf die erste Armut und Einfachheit zurückkommen, die wir im Anfange 78 hatten, um jenen inneren Trost zu verkosten, welcher die Frucht der Losschälung und Verachtung aller Bequemlichkeit und zeitlicher Güter ist." Auch hierin ist sie stets mit leuchtendem Beispiel vorangegangen. Anspruchsloser als sie ist kaum je eine Schwester gewesen. Für die Leiden und Widerwärtigkeiten von Mitschwestern, die sich bei ihr beklagten, war sie eine gütige Trösterin; ihr Trost schloß fast stets mit den Worten: "Es ist alles bald vorüber, der Himmel ist alles wert; wenn wir einmal beim lieben Gott sind, dann werden wir froh sein, daß wir etwas gelitten haben." Ihr Tod versetzte die ganze Genossenschaft in tiefste Trauer. Die Beerdigung gestaltete sich zu einer großartigen Kundgebung, die von der allgemeinen Hochachtung zeugte, die ihr auch außerhalb der Kongregation entgegengebracht wurde. Außer vielen Hunderten ihrer Mitschwestern, dem Noviziat, Postulat und den Waisenkindern von Niederbronn folgten dem Sarge 20 Geistliche, darunter ein Vertreter des Bischofs von St. Dié, zahlreiche Schulschwestern, eine große Anzahl Einwohner der Stadt Niederbronn und der umliegenden Ortschaften ohne Unterschied der Konfession, der Bürgermeister von Niederbronn, Baron von Türkheim, und der Bürgermeister von Oberbronn. Sie fand ihre letzte Ruhestätte neben der Stifterin. Fünftes Kapitel. Schwester Damien, die dritte Generaloberin. Vergrößerung des Mutterhauses. Das Jubelfest 1899. Am 25. Juni 1885 wurde unter dem Vorsitze des vom Bischof delegierten Generalvikars Anton Nägelen die Neuwahl der Generaloberin vorgenommen. Die fast einstimmige Wahl fiel auf die Schwester M. Damien. Sie ist auch in der Folgezeit mit Einstimmigkeit stets wiedergewählt worden. Am 2. April 1831 hatte Luise Richert - das war ihr bürgerlicher Name - zu Winzenheim im Oberelsaß das Licht der Welt erblickt. Ihre Eltern waren achtbare, religiös gesinnte Winzersleute. Die Mutter starb ihr früh weg, und so mußte das junge Mädchen selbst ihre jüngeren Brüder erziehen und das Hauswesen führen. Schon da fiel ihr entschlossenes und charakterfestes Wesen, sowie ihr praktischer Sinn auf. Bei all den häuslichen Arbeiten und Sorgen begleiteten das tieffromme Mädchen klösterliche Gedanken. Sie war 19 Jahre alt, als sie ihrem Vater von der Absicht sprach, in ein Kloster zu treten. Der Witwer wollte begreiflicherweise nichts davon wissen, er konnte die so brauchbare Stütze seines Hauswesens nicht entbehren. Erst als der Vater eine zweite Ehe einging, konnte Luise ihr Vorhaben ausführen. Als zweiundzwanzigjährige Jungfrau trat sie im April 1853 zu Niederbronn ins Mutterhaus ein, von der ehrw. Mutter M. Alphons aufs freudigste empfangen. Im Dezember desselben Jahres empfing sie das Ordenskleid und wurde als Schwester M. Damien in das Haus zu Straßburg geschickt zur Übernahme der Krankenpflege. So groß war das Vertrauen der Stifterin in die jugendliche Schwester, daß sie diese bei einer längeren Erkrankung der Novizenmeisterin Schwester M. Joseph an deren Stelle berief. Im Jahre 1856 wurde sie in die Industriestadt Thann im Oberelsaß gesandt zur Gründung einer Niederlassung, die sie nach Überwindung einiger sehr harter Jahre einem guten Gedeihen entgegenführte. Die Obern übertrugen der ausgezeichneten Verwalterin im September 1862 die Leitung des wichtigen Hauses zu Mühlhausen, mit dem ein im Entstehen begriffenes Waisenhaus verbunden war. Es gelang ihr, die Anstalt in die Höhe zu bringen, und auch nach dem Kriege von 1870, währenddessen sie in 79 Mühlhausen den Verwundeten Samariterdienste erwies, verstand sie es, die schwierige finanzielle Lage durch äußerste Sparsamkeit glücklich zu überwinden. Nun machte sie das Vertrauen ihrer Mitschwestern zur Leiterin der ganzen Genossenschaft. Mit Mut, Eifer und Gottvertrauen übernahm sie das schwere Amt, das an ihren durch übermäßige Arbeit geschwächten Körper große Anforderungen stellte. Im Jahre 1886 wurde mit den geplanten Neubauten im Mutterhaus begonnen. Die alte Kapelle war längst zu klein geworden; in den Tagen der gemeinsamen Exerzitien reichte der enge Raum kaum aus. So war ein neues, geräumigeres und freundlicheres Gotteshaus ein dringendes Bedürfnis. Am 31. Juli 1886 segnete der Superior den Grundstein zum Bau ein, der in der Fortsetzung des rechten Flügels des alten Strahlenheimschen Schlosses errichtet wurde. Das Erdgeschoß des schmucken Kirchenbaues wurde zu einem großen Speisesaal eingerichtet. Zugleich wurde an diesen rechten Flügel, von dem sich die Kapelle rechtwinkelig nach Norden abzweigt, ein gewaltiger dreistöckiger Bau aufgeführt, der nur dazu dienen sollte, während der jährlichen geistlichen Übungen die aus der Ferne herbeieilenden Schwestern zu beherbergen. Viele stattliche Baumriesen des alten Schloßparkes mußten verschwinden. Auch das große eiserne Kruzifix, das den Hof beherrschte, wechselte seinen Standort und wanderte hinunter in den Park unter die breiten Äste mächtiger Tannen. Zwei Jahre dauerten die Bauarbeiten. Am 30. Mai 1889 weihte der Straßburger Bischof Peter Paul Stumpf den von Superior Simonis in München erworbenen Hochaltar ein. Es war das einzige Mal, daß dieser Oberhirte, der seit 1881 Koadjutor des greisen Bischofs Andreas Räß war und schon 1890 starb, im Mutterhaus weilte. Bischof Räß, dessen unermüdlicher Fürsorge die Genossenschaft nicht zum geringsten Teil ihre großartige Entwicklung verdankte, hatte im Alter von 93 Jahren am 17. November 1887 sein tatenreiches Leben beschlossen. Die schmucke Kapelle erhielt im Jahre 1891 eine weitere Zierde durch die Orgel, welche am 10. August dieses Jahres durch den Pfarrer Hansmännel von Niederbronn eingeweiht wurde. Der durch den imponierenden Klosterbau nunmehr prächtig eingerahmte, sanft ansteigende Hof wurde in demselben Jahre mit einem Standbilde des heiligen Erzengels Michael geschmückt. Mit hoher Befriedigung konnten die Obern nun auf das vollendete Werk blicken. Aber noch fehlte etwas: ein sonnig gelegenes, den Anforderungen neuzeitlicher Gesundheitspflege durchaus genügendes Sanatorium für die kranken Schwestern. Eifrig betrieb Schwester M. Damien, die auf das Wohl ihrer Mitschwestern ständig bedacht war, die Verwirklichung dieses Planes, dessen Vollendung sie leider nicht mehr erleben sollte. Der Bau wurde im Jahre 1899 begonnen und konnte am 17. Februar 1901 von Simonis eingeweiht werden. Durch einen geschützten Gang mit der Kapelle verbunden, in deren Längsrichtung er sich erhebt, bietet er seine breite Front der Sonne entgegen, die bis tief in den Abend hinein ihre belebende Wärme in die hellen, freundlichen Räume spendet, vor deren Fenstern sich der wohlgepflegte Garten und der prächtige Park ausdehnen. Unter Mutter Damiens energischer Leitung, die in Simonis den eifrigsten Förderer fand, nahm, wie wir schon oben andeuteten, die Genossenschaft einen erstaunlichen Aufschwung. Über 120 Filialhäuser hat sie ins Leben gerufen. So konnte sie mit den Gefühlen höchster Freude und des Dankes gegen Gott am 28. August 1899 das Fest des fünfzigjährigen Bestehens der Genossenschaft feiern. Das war in der Tat ein goldenes Jubelfest, wenn es auch dem Wunsche des Superiors gemäß nur im engsten häuslichen Kreise gefeiert wurde. Der Stotzheimer Pfarrer Glöckler, selbst ein Sohn Niederbronns, der von den ersten Jahren der Gründung an die wechselvollen 80 Geschicke der Kongregation miterlebt hatte und ein persönlicher Freund der Stifter gewesen war, hielt bei diesem Anlaß die Festpredigt in der Klosterkirche des alten Mutterhauses zu Niederbronn 119). Von allen Seiten liefen Glückwunschschreiben und Telegramme ein. Keines erregte größere Freude als jenes des Kardinals Rampolla, das den Segen Sr. Heiligkeit des Papstes Leo XIII. übermittelte. Zwei Tage vorher hatte Superior Simonis auch ein überreich warmes Gratulationsschreiben des päpstlichen Nuntius zu Paris, Lorenzelli, erhalten, der ihm von München her ein lieber Freund war. Zwei Jahre vor diesem Jubeltage, am 10. Juli 1897, war die ehrw. Mutter zum dritten Male zur Generaloberin gewählt worden. Als das neue Jahrhundert anbrach, trat sie in ihr 70.`Lebensjahr. Der vorausgegangene Winter hatte ihren ohnehin schwachen Körper ganz gebrechlich gemacht. Mit Gefühlen ohnmächtigen Schmerzes mußten die Mitschwestern mitansehen, wie das Lebensflämmlein der geliebten Mutter immer träger und trüber flackerte. An einem Sonntag, es war der 29. April 1900 1 Uhr nachmittags, erlosch es ganz. Eine, die fast ein halbes Jahrhundert lang Leid und Freud’ der Genossenschaft mitgetragen und mitgefühlt hatte, die ihre ganze Kraft für deren Wohl und Wehe eingesetzt und sie in den letzten Jahren ihres arbeitsreichen Lebens zu so glänzenden Erfolgen gebracht hatte, war nicht mehr. Am 1. Mai wurde sie von zahllosen Leidtragenden zur kühlen Gruft auf den stillen Klosterfriedhof geleitet. Schwester M. Damien war das Muster einer vollendeten Ordensfrau. Es gab für ihr gesamtes Handeln und Denken nur eine Richtschnur: Gott! Auf ihn, den Schöpfer aller Dinge, zielte alles hin. Dessen Wille war für sie in der heiligen Regel verkörpert. Darum war es, als sie Generaloberin geworden war, ihre Hauptsorge, den heranzubildenden Schwestern die unbedingte Notwendigkeit der Regelbeobachtung einzuschärfen. Sie wußte, daß eine klösterliche Genossenschaft ohne den strengen Geist des Gehorsams gegenüber den Satzungen den Keim der Zersetzung in sich trage. Sie war allen Dispensen und Erleichterungen durchaus abhold. Gegen Mißbräuche, die sich eingeschlichen hatten, ging sie mit unnachsichtiger Strenge vor. Gegen alles, was nur entfernt an Luxus erinnern konnte, schritt sie mit Schärfe ein, drängte aber auf peinliche Sauberkeit. Ihr fester Charakter machte sie zur Generaloberin wie geschaffen. Es war nicht möglich, in Sachen, die das allgemeine Wohl der Genossenschaft dringend erheischten, ihr Zugeständnisse abzuringen. Da blieb sie fest. Dabei besaß sie ein goldenes Herz, das im jahrelangen Verkehr mit den Waisenkindern zu einem unversiegbaren Born mütterlicher Liebe geworden war; dessen Segen ergoß sich über alle, die mit ihr lebten. Für die kranken Mitschwestern war sie von rührender Liebe. Gerne milderte sie für diese die Strenge der Regel und gewährte reichlich Erleichterungen. Darum ward sie von allen wie eine Mutter geliebt und nach ihrem Heimgang aufrichtigst betrauert. Der Superior selbst, dessen Lebensabend langsam heraufdämmerte, beklagte ihren Tod als einen schweren Verlust. Das schönste Lob, das er ihr spendete, waren die schlichten, aber vielsagenden Worte: "Gutes, viel Gutes vollbringend ist sie durchs Leben gegangen." 120) Sechstes Kapitel. Simonis und der Geist der Genossenschaft. Es hieße die großen Verdienste des Superiors Simonis um das innere Leben der Genossenschaft nur halb andeuten, wenn man eine Seite seiner Tätigkeit vergessen wollte, die für die Pflege und Erhaltung des wahrhaften Ordensgeistes von größter 81 Wichtigkeit war: seinen erbaulichen Briefwechsel mit den Schwestern, die fern vom Mutterhause ihren Beruf ausübten. Durch eine rege Korrespondenz, die durch bestimmte Gelegenheiten, hohe kirchliche Feiertage, Namenstagsfeste, Jubiläumsfeiern u. dgl. äußerlich veranlaßt war, blieb der geistliche Direktor der Genossenschaft mit allen ihren zahlreichen Mitgliedern stets in enger Fühlung. "Ich liebe", schrieb er gegen Ende seines Lebens den Schwestern zu Diedesfeld 121), "diesen brieflichen Verkehr um so mehr, da er wieder allerlei Gutes in den Herzen hervorruft. Es ist wie ein persönlicher Besuch nebst Gegenbesuch. Die Schwestern leben jedesmal wieder neu auf. Sie werden wieder mehr zu klugen Jungfrauen des Evangeliums, indem sie den Vorrat der Lampen erneuern." Viele Tausende solcher Briefe hat der unermüdliche Mann geschrieben. Sie legen nicht nur Zeugnis ab von seiner tiefen Kenntnis des menschlichen Herzens, sondern auch von seiner gründlichen Erfahrung im geistlichen Leben. Greifen wir aus der verschwenderischen Fülle schöner und erbauender Gedanken einige zur bleibenden Erinnerung heraus. Sie veranschaulichen am besten den Geist, von dem der Superior seine Schwestern beseelt wissen wollte 122). Immer und immer suchte der Superior die Schwestern zu begeistern für ihren B e r u f , den sie frei gewählt haben. "Es ist ein herrlicher Weg, durch welchen es dem lieben Gott gefallen hat, euch bis zur jetzigen Stunde zu führen. Schauet ihn jetzt an mit einem tief dankbaren Rückblick. Seht, aus welcher Armut und Armseligkeit der liebe Gott eine jede von euch herausgeholt hat, dem Leib’ sowie der Seele nach. Ihr seid Beamte des lieben Gottes, seid durch Gottes Vorsehung zu den allerschönsten und gesegnetsten Werkzeugen seiner Vorsehung geworden. Erkennt es, bekennt es, verherrlicht ihn." 123) Dem Briefschreiber schwebt ein schönes Bild vor Augen: "Ich fühle", schreibt er ein andermal, "mich oft gequält wegen aller unserer Schwestern. Ich habe vor mir ein Ideal, ein wahrhaft himmlisches Bild von dem, was ihr Leben zu sein hat, damit sie wahre Schwestern des allerheiligsten Heilandes werden. Ja, solche müsset ihr sein, liebe Schwestern, vor Gott, solche vor den Herren Geistlichen, vor den Christen und vor den Unchristen, solche unter euch selbst. Man muß euch als wahre Schwestern des allerheiligsten Heilandes erkennen, wenn man euch vor dem Tabernakel sieht, auf der Straße, beim Kranken. Wenn euch aber jemand in eurem Denken, Wollen und Lieben sehen würde, wie euch der liebe Gott in eurem Innern sieht, dann erst recht sollte dieser jemand in euch ein Wunder der Gnade ansehen können, wo er sich in der Schule Jesu Christi selbst einfinden und erbauen könnte." 124) Darum stellt er die Forderung auf: "Werdet Schwestern eine jede, aber Schwestern durch und durch. Das Bild, das ich mir so vor Augen stelle, möge ja kein Trugbild werden. Es darf dieses Bild so wenig trügen, als da trügen darf das Kleid, das ihr tragt." 125) "Dann", schreibt er einmal, "bildet die ganze Kongregation nur eine große Familie. Es gilt nun darum, daß ein jedes Haus recht musterhaft dastehe in der Haltung der Satzungen, jede Schwester musterhaft im Geiste der Kongregation. Ich denke, wie unglücklich es wäre, wenn irgendein Haus, irgendeine Schwester von dieser Berufstreue abstehen würde. Diese wären tote Äste am wunderbar schönen Baum. Auf daß dieses Unglück nie vorkomme, muß eine jede äußerst sorgfältig wachsam sein, über sich selbst wachen, um ja nie den Eifer und die Gewissenhaftigkeit vermindern zu lassen. Es muß eine jede Oberin ein sorgfältig offenes Auge haben, auf daß der böse Feind keiner Schwester irgend etwas anhaben könne, wodurch er die Arme einmal bemeistern könnte. Aber mit all diesen Mitteln würde noch nichts oder nur wenig gewonnen sein, wenn nicht der liebe Gott immer und immer wieder den Berufsgeist erneuern würde. Dazu müssen die heiligen Festtage der Kirche dienen. Wir müssen jetzt das schöne Weihnachtsfest dazu benützen. Eine jede von euch muß da wieder wie 82 neugeboren werden für den Beruf, sich dafür ganz begeistern und eine noch nie gekannte, noch nie geübte Liebe und Demut in sich hervorrufen." 126) Die Berufsfreude und Berufstreue ruht aber zuallererst auf der B e o b a c h t u n g d e r R e g e l . Der Superior wird nicht müde, dies immer und immer wieder in Erinnerung zu bringen. "Haltet eure Regel, das möchte ich euch stets vor Augen stellen, stets in die Ohren einflüstern, so aber, daß es euch vollständig ins Herz dringe, daß es euch in Mark und Bein, in Fleisch und Blut übergehe. Eine Schwester hat ihren Wert, eine Kongregation hat ihren Wert, je nachdem die von der Kirche gutgeheißene Regel treu und liebevoll beobachtet wird. Treu! Ihr möget nie aus irgendeinem Grunde, nie auf Zureden von irgend jemand von der Haltung eurer Satzungen irgendwie abweichen. Was die Satzungen verlangen, das befolget in allen Stücken; was den Satzungen zuwiderläuft, das erlaubet euch nie. Eine Schwester muß so mit den Satzungen verschmolzen sein, daß, wer einmal die Redens- und Lebensart einer Schwester kennt, sagen könne, daß er die Regel und Lebensart von allen Schwestern der Kongregation kennt. Liebevoll! Die Regel soll aber nicht einfach aus Zwang befolgt werden, obwohl sich jede Schwester auch Zwang antun muß, um die Regel zu befolgen, wenn es anders nicht gehen will; obgleich die Oberin mit Festigkeit daran zu halten hat, wenn es mit einer Schwester anders etwa nicht gehen will. Allein dies sind doch nur Ausnahmefälle. Die Regel soll einfach aus Liebe zu Gott, aus Liebe zu den Gnadenmitteln des lieben Gottes gehalten werden. Darum ist die Regel an und für sich nicht unter Sünde verpflichtend. Was wäre das aber für eine hübsche Schwester, welche da sagen würde: Ich will alles tun, was nicht gerade Sünde ist. Die Regel ist euch in der unendlichen Güte Gottes als Gnadenmittel gegeben, um euch zu heiligen. Befolget eure Regel freudig, herzlich, liebevoll, mit Gebet in schwesterlicher Liebe zueinander. Haltet euch fest an die Oberin, Oberin und Mitschwestern fest an der Regel." 127) Denn der G e h o r s a m "ist eure Zierde, doch nicht eine irdische, sondern eine himmlische Zierde. Ihr vollbringet den Willen Gottes hier auf Erden, gerade wie die Engel ihn dort im Himmel vollbringen. Ihr wisset nicht, ihr ahnet nicht, was das für ein herrlicher Schmuck in eurem Leben ist. Auch ist es dasjenige, dem der tierische Mensch in uns am meisten widerstrebt. Habet aber die großartigste Sorgfalt in euch, um diesen Schmuck, welches der Gehorsam ist, in seinem vollen Glanze zu bewahren und an euch zu tragen als die Zierde eures ganzen äußeren und inneren Lebens. Daran erkennt Gott sein Werk, wenn ihr seinen Willen in der Liebe des Heiligen Geistes vollbringet." 128) "Wie sehr gehen wir doch immer irre, wenn wir uns vom Gehorsam entfernen. Durch seinen Gehorsam bis zum Tode des Kreuzes hat der liebe Heiland nicht nur Gott den Vater auf das großartigste verherrlicht, sondern er hat die durch uns verletzte Ehre Gottes in vollem Übermaße wiederhergestellt. Eine Schwester aber, die gehorsamt, nimmt an diesem Werke der Genugtuung einen steten Anteil." 129) "Ohne Gehorsam ist ja das Klosterleben nichts als eine verpfuschte Existenz. Befraget euch aber nie, warum die Oberin euch gerade dieses und nicht jenes auferlegt, und ob ihr nicht glücklicher wäret auf einer anderen Mission oder in einem andern Dienst oder bei einem andern Kranken. Sobald ihr, um euch zum Gehorsam zu entschließen, zuerst nach dem Warum fraget oder diese Frage an andere stellt, so löset ihr den Gehorsam dadurch förmlich auf. Anderseits, sobald ihr euch die Frage stellt, ob ihr bei einer andern Beschäftigung nicht glücklicher wäret, so spannt ihr die Ochsen hinter den Wagen an. Das Glücklichsein soll nicht vorn beim Wagen unseres Lebens angespannt werden, es folgt nach. Nicht aber so soll es verstanden werden, daß ihr nachher v i e l l e i c h t glücklich sein werdet, sondern ihr werdet es ganz sicher sein. Ihr werdet es um so sicherer sein, je weniger ihr es suchet." 130) 83 In allem soll die Schwester Gott vor Augen haben, alles aus Liebe zu Christus tun, überhaupt im Glauben wandeln. "Habet immer, ja immer den lieben Gott vor Augen, liebe Schwestern. Freuet euch auf jede Andachtsübung, auf jede Übung der Geduld, auf jede Pflichterfüllung. Aber damit ihr dazu gelanget, diese Freude stets in euch zu erwecken und zu nähren, müsset ihr ein neues Licht in euch aufkommen lassen. Ihr dürfet nicht so reden, wandeln und euch gehen lassen, wie es euch gerade drum ist, nach Laune, Leidenschaft oder sonst irdischem Sinne. Werdet Kinder des Glaubens. Der liebe Heiland ist in eurer Gemeine stets gegenwärtig, da ihr im Namen Jesu versammelt seid. Erwecket oft den Glauben an diese seine dortige Gegenwart. Redet dann mit ihm und bittet ihn, er möge euch recht erleuchten, beglücken, mit Liebe erwärmen und antreiben." 131 "Alles muß in Liebe getan werden, in Liebe zu Gott, den wir überall, zu allen Zeiten und bei allen Dingen gründlich lieben sollen, auch in Liebe zum Nebenmenschen, auf welchen eure Liebe zu Gott stets ausstrahlen soll." 132) "Zwei große Hindernisse treten oft unbemerkt ein. So groß sie auch sein mögen, sie bleiben unbemerkt. Das eine liegt darin, daß wir uns allmählich daran gewöhnen, die Pflichten gewohnheitsmäßig zu verrichten. Wir sind dazu unendlich geneigt. Wir werden aber dabei leicht vom lieben Gott abgewendet. Dieselbe Pflicht, durch welche wir dem lieben Gott zugeführt werden sollten, dient eben dazu, daß wir ihn geradeso vergessen wie die Weltleute bei ihren Pflichten. Denn nicht die Heiligkeit der vollbrachten Werke ist es, die uns in Vereinigung mit Gott bewahrt, sondern die Sorgfalt, mit welcher wir uns bemühen, dabei alles im Hinblick auf Gott zu tun. Das andere Hindernis liegt darin, daß wir bei den Pflichten es vergessen, an unserer eigenen Selbstverleugnung und Heiligung zu arbeiten." 133) Über der äußeren Beschäftigung darf man nicht sich selbst vergessen. "Es ist notwendig", wird einer Schwester geschrieben, "daß Sie immer eine Zeit für sich haben, wo Sie beten und betrachten können. Glückselig, sagt die Heilige Schrift, sind diejenigen, welche die Lehren Gottes ergründen und dieselben von ganzem Herzen zu befolgen sich bestreben. Der Berufsgeist muß stets erneuert werden. Sie sind nämlich für den lieben Heiland ins Kloster gekommen. Sie haben ihn als Vorbild zu nehmen, und eine jede muß ein heiliges Feuer in sich haben, um stets in die Fußstapfen des lieben und anbetungswürdigen Vorbildes einzutreten." 134) Dieses heilige Feuer kann aber nur durch ständiges G e b e t brennend erhalten werden. "Wir sind immer am Gebet zu arm. Es fehlt uns an Eifer, an Liebe, an Demut, an heiligen Begierden danach. Und doch ist es nur mit vermehrtem Gebet, daß wir alle diese Mängel irgendwie zu ersetzen imstande sein werden. Der liebe Heiland kann uns in allen Stücken als Vorbild dienen. Indem er aber allen ohne Ausnahme vorschreibt, daß sie immer beten müssen und nie aufhören dürfen, so ist er selbst als der große Betende gekommen. Mit Beten ist er zur Erde herabgestiegen, mit Beten ist er von hinnen geschieden. Das Beten verwob sich mit allen seinen Arbeiten, Leiden und Liebeswerken. So zierte er alles in seinem Leben mit Gebet, das Gebet aber zierte er mit seinen Werken. So muß es auch bei euch werden, liebe Schwestern. Euer Leben muß mit dem seinigen eine wunderbare Ähnlichkeit tragen. Ähnlich sind eure Werke mit den seinigen. So sehr hat er euch seine Liebe erwiesen bei eurem Berufe. Allein das Beten muß, gerade wie bei ihm, sich mit den Werken verbinden, die Werke zieren, durch die Werke geziert und verherrlicht werden." 135) „Es kann euch nie etwas, auch nicht die größte Tätigkeit nach außen oder sonst irgend etwas anderes vom Gebetseifer oder von der Gebetstreue dispensieren. Wenn eine Schwester das Gebet einmal unterläßt, so geht es ihr wie einer Lokomotive, die nicht mehr geheizt wird. Es verliert sich alles bei einer, die nicht mehr betet. Sie ist nicht mehr das Werkzeug Gottes, sondern das Werkzeug des Teufels. Sie zerstört der Frieden, sie fühlt sich unglücklich, sie urteilt, sie verliert den Geist des Glaubens; sie nagt an demselben wie eine Ratte, 84 um auch bei den Mitschwestern den Glauben und die Liebe zu zerstören. Sie urteilt, sie tadelt; Widerwillen gegen das Gebet steigt in ihr auf. Während des Gebetes, das sie in Gemeinschaft verrichtet, steigen ihr dann weltliche, stolze, sinnliche, gehässige Gedanken auf; sie gibt ihnen nach und hat den Frieden Gottes nicht mehr." 136) "Das Beten ist für das Seelenleben ebenso notwendig als das Atmen für das Leben des Leibes. Es gibt aber ungemein viel engbrüstige Gebete auf Erden. Diese werden nicht aus voller Brust, nicht aus der Tiefe des Herzens hervorgestoßen. Die betende Schwester glaubt dann zuerst nicht recht an ihr Gebet. Dann wird es schlecht verrichtet. Dann leidet aber auch der Klostergeist allmählich an Dürrsucht. O wenn ich nur allen Schwestern das Beten recht einprägen könnte." 137) Aber der Mann, der so das Beten empfiehlt, vergißt nicht, auch einmal hinzuzufügen: "Viel beten, doch nicht in Erwartung der Erhörung einschlafen." Ein Zustand, vor dem der Superior nicht genug warnen kann, ist der M a n g e l a n E i f e r , d i e L a u i g k e i t . "Wir sind nie in Sicherheit vor uns selbst. Die große Gefahr, in der wir uns stets befinden, besteht darin, daß wir den früheren Eifer wieder fallen lassen. Hat doch jede ihre Glücksstunden im Leben gehabt, wo sie ein heiliger Eifer beseelte und beglückte. Ihr habt damals den Entschluß gefaßt, ins Kloster zu kommen. Alles, was euch das Kloster anbieten konnte und auch anbot, war euch damals willkommen. Ja, es wäre eine jede auch bereit gewesen, mehr Opfer zu bringen, schwerere Opfer. Weil aber dieser damalige Eifer so angesehen wurde, als sei er uns angeboren, da versäumte das arme Herz das Rufen zu Gott und die Selbstbekämpfung. Der Eifer zur Verbreitung und zur Befestigung des Reiches Gottes nahm ab." 138) Der Eifer kann nur aus wahrhafter S e l b s t v e r l e u g n u n g seine Nahrung ziehen. "Wenn eine Schwester nicht glücklich ist, so kommt es daher, daß sie sich nicht selbst verleugnet hat. Ist eine glücklich, so hat sie’s ihrer Selbstverleugnung zu verdanken. Schaut eine aber bald rechts, bald nach links, so kommt es daher, daß sie wohl der Befolgung einer oder der andern schlimmen Neigung entsagt hat für den Augenblick, dabei aber nicht sich selbst in ihrer ganzen Persönlichkeit verleugnet hat. Und an dem muß eben von jeder gearbeitet werden." 139) Superior Simonis will nur fröhliche Schwestern. Mürrische und trübselige Gesichter können am Bette des Kranken nicht gedeihlich wirken. "Ihr sollet, liebe Schwestern, die Freude auf eurem Gesichte herumtragen, eure Kranken und Kinder lehren und mitreißen, auf daß ihr sie alle durch Wort und Beispiel dazu bringet, sich in Gott zu freuen und Gott in Freude zu dienen." 140) "Ich möchte es euch recht ans Herz legen, daß ihr rechte Trägerinnen, rechte Ausstrahlerinnen, rechte Spenderinnen der Freude in Gott bei allen zu sein habt, bei allen ohne Ausnahme. Es soll niemand je bei euch irgendeine Traurigkeit oder Schwermut finden. Euer Leben, wenn ihr’s recht einsehet, ist so vom lieben Gott gesegnet, daß es nicht anders als ein Stück Himmel auf Erden anzusehen ist. Mit Freude seid ihr in dasselbe eingegangen, mit Freude müsset ihr in demselben verharren, arbeiten, dulden, kämpfen, beten, betrachten und dem lieben Gott danken. So werdet ihr euch heiligen, andere heiligen, Gott verherrlichen." 141) "Eine jede soll Freude am Dienste Gottes haben, Freude am Zusammenleben und Zusammenwirken, Freude daran, daß ihr euren Kranken und Armen die Leiden teilen und lindern dürfet, auch Freude an euren verschiedenartigen Gebeten. Was man aber mit Freuden tut, das macht man gut." 142) "Die Seelenfreude ist allerdings oft eine besondere Wonne, mit welcher es Gott gefällt, uns hienieden schon zu belohnen. Allein dieselbe ist auch eine Gewissenspflicht. Wir sollen freudig werden wollen, freudig uns stimmen, uns selbst beglückwünschen, daß wir dem lieben Gott dienen dürfen; ihm herzlichst danken, indem wir erklären, wiederholt erklären, daß wir ihm mit der vollen Freude unserer Seele dienen wollen. Wir sollen diese Freude in das Herz einpflanzen, 85 sie im Gesichte ausstrahlen lassen, sie den uns umgebenden Personen beizubringen suchen, sie gerne mit allen teilen. Besonders aber müssen wir fürchten, eine Störung der Freude weder bei uns selbst noch bei andern hervorzubringen. Bei uns selbst kommt sie aber hervor durch Laune, durch gekränkten Stolz, durch Befriedigung der Sinnlichkeit, wie dieselbe auch befriedigt werden mag, durch Eifersucht, durch Haß, durch Verzweiflung, durch Lauigkeit im Gebet, durch besondere Freundschaft oder Anhänglichkeit, durch Übertretung des Gehorsams, durch unnützes Nachdenken über Dinge, die uns nichts angehen oder die uns nicht zu Gott führen. Alle diese Dinge müssen gemieden werden, wenn wir den lieben Gott in Freude dienen wollen." 143) Der Hauptzweck der Genossenschaft: der Dienst der A r m e n u n d K r a n k e n , wird immer und immer wieder den Schwestern vor Augen geführt. "Euer Haus ist ein beständiges Ein- und Ausgehen von Kranken; die Kranken, die da kommen, die sind ähnlich dem Bettler, dem einst der hl. Martinus die Hälfte seines Mantels verehrte. Ihr verehrt diesen Kranken eure Pflege, euer Herz, die Hälfte eures Daseins. Und siehe, der göttliche Heiland will sich durch eure Pflege geehrt, geheilt finden. Und wenn diese Kranken dann aus dem Hause hinauskommen, so sollen sie ganz umgewandelt sein. Sie sollen durch den erneuten Glauben, die erneuerte Frömmigkeit sich so zu Gott hingezogen fühlen, daß sie Gott nicht genug danken können, daß er sie durch die Krankheit zu den Schwestern hingeführt hat." 144) "Pfleget eure Kranken sorgfältig aus Liebe zu Jesus, welcher für sich annimmt, was den andern getan wird." 145) "Es soll euch der Armen und Armseligen erbarmen. Der liebe Gott will euch mit vielen, recht vielen solcher Armen und Kranken in Verkehr bringen, damit recht viel, vielmal euer Herz aufgefordert werde, sich immer mehr zu erweichen und zu erbarmen. Nehmet diese Einladungen Gottes immer alle von seiner Hand an, und was ihr tuet, tuet es fromm für Gott. Tuet es aber liebevoll für die Waisenkinder. Das Gefühl der Erbarmung, das ihr stets im Herzen des lieben Heilandes schöpfen und erneuern müsset, muß sich bei ihnen bestens an den Tag legen. Habt ihr euch schon manchmal die Frage gestellt: Warum verwendet gerade mich der liebe Gott bei diesem widerwilligen Kranken? warum mich bei diesen unangenehmen, bösartigen, schwachköpfigen bornierten Kindern? Ei, ei, einfach deshalb, damit ich ihm bei diesen Kranken, diesen Kindern etwas von jener Liebe vergelte, die er mir entgegenbringt. Er, er ist’s, der mir unter diesen armen Gestalten entgegentreten will. Eine jede dieser Armseligen ist an und für sich geeignet, uns Ungeduld und Widerwillen einzuflößen. Da hören wir aber den göttlichen Heiland uns zurufen: Habt Erbarmen mit mir! Was du an diesen, am letzten von diesen tust, das tust du mir! Diese lieben Kleinen sind nicht minder eure Schätze, als die Armen von Rom einst die Schätze der Kirche für den heiligen Märtyrer Laurentius waren. Liebet sie, liebe Schwestern, liebet sie von ganzem Herzen. Verachtet sie nie, nie! Verlanget nie, daß euch die Bürde dieser lieben Kinder weggenommen werde. Obendrein bestrebet euch, euch demütig zu benehmen vor den Kindern, die ihr als eure Herren ehren und behandeln dürfet." 146) Aber auch die geistlichen Werke der Barmherzigkeit sollen eine Hauptsorge der Schwestern sein. "Erwecket in euren Herzen einen solchen Seeleneifer, daß ihr denselben nach allen Seiten hin ausdehnt, um die Bekehrung von allen ohne Ausnahme zu erhalten. Wo immer die Schwestern hinkommen, soll ihr Wirken und ihre Frömmigkeit wie ein Sauerteig sein, um das Reich Gottes dort einzupflanzen und auszudehnen." 147) "Darum setze ich bei den Eigenschaften, die ich bei euch auffinden will, einen durchgreifenden Seeleneifer voraus. Derselbe soll euch stets vorbereiten, damit das einer jeden von Gott verliehene Talent brauchbar werde. Dann aber auch soll derselbe Seeleneifer euch recht antreiben, dieses Talent: die körperliche sowie die geistige Kraft und die übernatürlichen Gnaden, mit vollstem Geiste der Aufopferung für die Seelen zu verwenden. Ihr habt, wenn ihr sie recht verwenden wollt, eine 86 wunderbare Standesgnade, um die Menschen zum lieben Gott aufschauen zu machen. Suchet Gott für euch selbst, in eurem persönlichen Leben. Strebet danach, selbst immer das Herz nach oben gerichtet zu haben, und ihr werdet gleichsam, ohne es selbst zu merken, die Seelen der andern zum lieben Gott hinwenden. Auch werden es die Leute gern von euch annehmen, durch euch zu Gott gebracht zu werden, wenn sie sehen, daß es eure eigene Speise der Seele ist, mit Gott zu verkehren und für ihn zu arbeiten." 148) Nicht bloß die Armen und Kranken soll das Herz der Schwestern in Liebe umfassen, sondern s i e s e l b s t sollen durch das Band schwesterlicher Liebe und herzlicher Einigkeit miteinander verbunden sein. "Diese gegenseitige Liebe unter euch soll ein Zeichen sein, daß Jesus selbst zu uns gekommen ist, um uns die Liebe des himmlischen Vaters zu überbringen. Es soll nie das Ende eines Tages kommen, ohne daß sich eine jede von euch das Zeugnis geben könne: Heute habe ich mich aber beflissen, meine Mitschwestern glücklich zu machen." 149) "Wir wären ungemein gesegneter, um Seelen für den lieben Gott zu gewinnen, wenn wir die Barmherzigkeit besser auszuüben verständen. O liebe Schwestern, fanget hierzu damit an, daß ihr untereinander zuvorkommend seid und euch gründlich liebet, lieb anredet, lieb behandelt, lieb erduldet. Diese schwesterliche Liebe wird euch ein Wegweiser sein zu unglaublichen Segnungen Gottes." 150) "Im großen Durchschnitt habe ich immer gesehen, daß ihr euch gutmütig untereinander vertraget und daß ihr einander ebenso beistehet in den verschiedenen Arbeiten. Doch hat auch dieses übrigens so schöne Benehmen manchmal etwas Not gelitten, bald nach der einen, bald nach der andern Seite hin. Staunet ja nicht darüber, daß ihr etwas Mühe habt, die Mitschwestern zu ertragen, oder auch darüber, daß die Mitschwestern Mühe haben, euch zu ertragen. Um die Erträglichkeit in einer Klostergemeinde hervorzubringen, ist schon eine gegenseitige schwesterliche Liebe notwendig, eine wahre Liebe für Gott und in Gott." 151) "Es ist ein Verstoß gegen das klösterliche Leben, wenn eine Schwester die Bemerkungen einer Mitschwester nicht gut annimmt, wenn sie ihr dafür grollt, aufredet, ein Gesicht macht oder den Kopf hängt. Dadurch wird ein allgemeines Ärgernis gegeben, der Seelenfrieden bei der sich lieblos benehmenden Schwester tief gestört, ein Schleier der Trauer über die ganze Gemeine ausgebreitet und dem Teufel des Grollens die Türe des Herzens erschlossen." 152) Das ist die Stimme des Tadels, mit der der Briefschreiber nie zurückhielt, wenn es sein mußte. Weit öfter aber lobte er. Gerne gab er seiner Freude Ausdruck über das viele Erfreuliche, das er sah, und liebte es, das Beispiel einer eben verstorbenen Schwester den lebenden vor Augen zu halten, die den Klostergeist verkörperte. So schreibt er den Schwestern zu Viernheim: "Der Tod der Schwester Sigismund hat mir recht wehe getan. Ich habe dieselbe durch das Klosterleben hindurchgehen sehen mit jener Geradheit und Einfachheit, die ihr alle bei ihr gekannt habt. So wie ich sie am ersten Tage des Postulates gesehen habe, so habe ich sie noch gesehen am letzten Tage ihrer Krankheit. Gott suchend, Gott liebend, gottergeben, von Gott alles annehmend, mit dem lieben Heiland stets sagend: Ja, Vater, weil es dir so gefallen hat. So hat sie die Belehrungen ihres Noviziates angenommen, so die Arbeit auf ihrer Mission, so die Prüfung ihrer Krankheit, so die erbauliche Vorbereitung auf ihren Tod. Es ist mir ungemein schmerzlich gewesen, daß wir diese Schwester verloren haben. Doch ist es mir auch ungemein wohltuend, daß wir Schwestern haben, deren Leben so einfach, gottergeben und freudig zerfließt, wie das Leben der Schwester Sigismund zerflossen ist. Gott gebe, daß diese einfache Geschichte die Lebensgeschichte einer jeden von euch sei; sie ist durchs Leben gegangen und hat sich immer in Gott erfreut. Solche Schwestern sind eine Freude für Gott, und wenn wir uns hinlänglich aus dem 87 Schmerze, sie verloren zu haben, herausgearbeitet haben, so müssen wir uns über ihren vor Gott so kostbaren Tod erfreuen." Diese Blütenlese genügt, um den gewaltigen Einfluß erkennen zu lassen, den Simonis auf die Schwestern, die er heranbildete, ausübte. Darum liegt keinerlei Übertreibung in den Worten, welche Stadtpfarrer Wiedemann von Worms im Jahre 1901 an den greisen Superior richtete 153): "Sie, hochw. Herr Superior, sind es vor allem, denen Worms das Glück des Besitzes von Schwestern verdanken muß. Sie haben mit erleuchtetem Verständnis die Schwestern zu hoher Begeisterung für das Ordensleben zu erziehen verstanden. Sie haben ihnen wahrhaft klösterlichen Geist eingehaucht, der Fleisch und Blut durchweht; Sie haben ihnen Liebe zum Gehorsam eingeimpft, kurz: Sie haben es verstanden, wahre Töchter des allerheiligsten Heilandes heranzubilden, wie deren unsere Zeit bedarf." Der Chronist der Kongregation darf einen verdienstvollen Mann nicht vergessen, der mehrere Jahrzehnte hindurch der treue und eifrige Mitarbeiter des Superiors beim Werk der religiösen Heranbildung und Leitung der Schwestern war: den Klostergeistlichen F l o r e n z W o l f f , einen Priester mit allen Tugenden seines Berufes, von schlichter Einfachheit, größter Frömmigkeit und Herzensgüte. 40 Jahre hindurch hat er äußerst segensreich gewirkt. Am 8. November 1910 konnte er in Oberbronn sein fünfzigjähriges Priesterjubiläum feiern, bei welcher Gelegenheit Domkapitular Schickelé seine hohen Verdienste um die Gesamtkongregation feierte 154). Am 17. Juni 1911 ist er sanft im Herrn entschlafen. - Seit der Gründung der Genossenschaft haben folgende Priester als Klostergeistliche gewirkt: G a p p , zuerst Pfarrvikar bei dem Stifter Reichard, mit dem er in das neugegründete Mutterhaus übersiedelte; er wirkte teils hier, teils im Bruderkloster Singlingen bis 1862; F e l i x A n d r e c k , vom Oktober 1855 bis November 1856; F . J . B i r g e n t z l e , im Noviziat zu Niederbronn, dann in Oberbronn von 1856 bis 1870; I g n a z V i x 1856 bis 11. Dezember 1866, seinem Todestage; er ruht auf dem Klosterfriedhof; S e r a p h i n S c h o t t , 1866 - 1867, nach Reichards Tod provisorischer Superior bis zum Amtsantritt Sattlers, später Generalvikar und Domkapitular; F r . J o s . H e i n r i c h , vom Februar bis 7. April 1868, seinem Todestag, begraben auf dem Klosterfriedhof; J o s e p h W e r n e r t , Dezember 1867 bis November 1871, später Superior des Wallfahrtsortes Mariental; F o r t u n a t u s Z i m m e r m a n n , zuerst in Singlingen, dann in Oberbronn, 1867 - 1876; F . A . B e c h t , in Oberbronn 1876 - 1879, in Niederbronn 1879 - 1882; F l o r e n z W o l f f , 1871 - 1880 im Noviziat in Niederbronn, 1880 - 1911 in Oberbronn; K a r l K o l b , in Niederbronn 1882 - 1888; E d m u n d B r a u n , ebenda von 1888 - 1911, gestorben 1. Juni 1911 und begraben auf dem Klosterfriedhof 155). Sein Nachfolger in Niederbronn wurde im August 1911 L e o H a e g e l i n . Im September 1904 übernahm der freiresignierte Pfarrer von Singrist, E m i l G o e t z , die neugeschaffene Stelle eines zweiten Klostergeistlichen im Mutterhaus Oberbronn. Nachfolger Wolffs wurde im Juni 1911 J o s e p h F i s c h e r , ein gewiegter Liturgiker, durch dessen rastlose Bemühungen die Pflege des neuen Choralgesangs im Mutterhaus bemerkenswerte Erfolge zeitigte. Während längerer Krankheit ersetzte ihn Pfarrer Kieffer von Oberbronn. Es erübrigt noch, dankbar der Verdienste des Redemptoristenordens zu gedenken, dessen Patres seit Beginn des neuen Jahrhunderts im Mutterhause jährlich die Exerzitien leiteten. Siebtes Kapitel. 88 Schwester M. Macrine Frey, die vierte Generaloberin. Tod des Superiors Simonis 1903. Am 11. Juni 1900 ging aus der Wahlurne als Generaloberin hervor Schwester M. Macrine. Geboren zu Mühlhausen am 1. Mai 1845, trat Magdalena Frey, die im elterlichen Hause eine tiefchristliche Erziehung erhalten hatte, nach dem Tode ihrer Mutter am 6. April 1875 ins Mutterhaus zu Niederbronn ein. Nach ihrer Profeß, die am 17. Dezember 1876 erfolgte, begann die nunmehrige Schwester M. Macrine im Hause zu Straßburg ihren Ordensberuf auszuüben, wo sie bis im Februar 1880 mit solchem Erfolg wirkte, daß die Obern sie als Oberin nach Weißenburg schickten. In dieser Stellung war sie bis 1884 tätig; in gleicher Eigenschaft stand sie der Niederlassung zu Avenay (Dep. Marne, Frankreich) vor, bis sie im Jahre 1886 zu dem wichtigen Amte einer Novizenmeisterin ins Mutterhaus berufen wurde. Elf Jahre lang wirkte sie äußerst segensreich in der Heranbildung berufsfreudiger, frommer Ordensfrauen. Im Verein mit der ehrw. Mutter M. Damien verfaßte sie die jetzt noch gebräuchliche Hausordnung und Regel des Noviziates. Im Jahre 1897 wurde sie in den Rat gewählt mit der Aufgabe, die Häuser zu visitieren. So erwarb sie sich, nachdem sie bereits in allen übrigen Ämtern reiche Erfahrungen gesammelt hatte, auch eine eindringende Kenntnis der Gesamtlage der Kongregation und war, seitdem sie nach dem Tode der Schwester Tharsilla (gest. 1898) das Ökonomat übernommen hatte, in allen Verwaltungszweigen trefflich bewandert. Darum war ihre Wahl zur Generaloberin in jeder Beziehung ein glückliches Ereignis. In ihr erhielt der Superior eine vortreffliche und verständnisvolle Mitarbeiterin. Leider sollte ihm diese Mitarbeiterschaft nicht lange vergönnt sein. Denn auch bei ihm fing es an, Abend zu werden. Er hatte in den 30 Jahren, die ihn an der Spitze der Kongregation sahen, sein Leben buchstäblich aufgerieben. Nun ging es nicht mehr. Im Jahre 1900 hatte er zum letzten Male im schönen Herz-Jesu-Kloster zu München, das er so sehr liebte, den Exerzitien der bayrischen Schwestern vorgestanden. Sie selbst zu predigen, wie es früher stets seine Gewohnheit war, ist ihm in den letzten Jahren nicht mehr möglich gewesen. Seine Kräfte verfielen zusehends. Es war ein bitteres Gefühl für den Mann, der zeitlebens in rastloser Arbeit aufgegangen war und in seiner Strenge gegen sich selbst jede Erholung als Zeitverlust angesehen hatte, sich immer mehr zur Untätigkeit verurteilt zu sehen. Schon im Jahre 1898 hatte er sein Reichstagsmandat aufgeben müssen, das er schon das vorige Mal nur wider Willen von seinen politischen Freunden sich hatte aufdrängen lassen. Als er im Winter 1899 das große Pariser Haus in der Rue Bizet besuchte, fühlte er zum ersten Mal das Anpochen des nahenden Todes, indem ihn auf offener Straße ein wenn auch leichter Schlaganfall überrascht hatte. Er erholte sich verhältnismäßig leicht und suchte in der Folgezeit zweimal Erholung im Bade Contrexéville. Der Tod der ehrw. Mutter M. Damien erfüllte ihn mit trüben Ahnungen. Das Schicksal seiner lieben Genossenschaft beschäftigte damals seine Seele besonders lebhaft. Er schrieb an seine Nichte, die Baronin Sensburg: "Wie wird es in der Zukunft um die Kongregation bestellt sein? Gott allein weiß es. Die Schwestern sind ein guter Same, der draußen ausgestreut ist. Ihr Geist ist gut; sie wirken Gutes. Der liebe Gott segnet sie reichlich. Die wenigen Tage noch, die mir Gott zum Leben läßt, will ich anwenden, um guten Samen über die Welt zu säen. Wenn ich ihn nur von dort oben aufgehen sehe." 156) Dieses Bewußtsein, nicht umsonst gelebt, sondern durch sein Wirken in der Kongregation der Kirche und der Menschheit genützt zu haben, war ihm ein Trost in den Tagen der Ermattung und der Altersschwäche. Am 16. Dezember 1901 schrieb er, schon mit zitternder Hand, einer Schwester, die ihr fünfundzwanzigjähriges 89 Profeßjubiläum feierte: "Ich gratuliere herzlich, liebe Schwester R. Es ist etwas, wenn man im Kloster 25 Jahre Profeß zählt. Allein es muß zugleich auch mir gratuliert werden, da ich die schönen Früchte sehe, welche die vor 25 Jahren gepflanzten Bäume gebracht haben. Ja, danken wir dem lieben Gott aufs beste. Unser Leben ist also nicht ganz unnütz vorübergegangen. Es gilt aber nicht einfach darum, daß wir fortfahren, uns Mühe zu geben, sondern es muß der 17. Dezember 1901 für uns ein neuer Ansporn sein, um von heute an mit jedem Tage demütiger, eifriger und großmütiger an Gottes Ehre zu arbeiten." Als er dies schrieb, war er schon fast immer ans Zimmer gebannt. Nur der vortrefflichen Pflege, die ihm Schwester Milburga, die langjährige, treubesorgte Schaffnerin des Priesterhauses, angedeihen ließ, und der erstaunlichen Energie des Greises war es zu danken, daß der morsche Lebensfaden nicht schneller abriß. Am 31. Juli 1902 feierte Simonis im Kreise zahlreicher Verwandten 157) und Freunde sein Namensfest. Mit einem letzten Aufwand von Kraft ließ er bei der Beantwortung aller Trinksprüche seinen Geist und seinen Humor spielen. Es war das letzte Aufflammen regen Lebens gewesen. Auch die Feder, die er am Schreibtisch so unermüdlich gehandhabt hatte, mußte er jetzt ruhen lassen. Er konnte, wenn es sein Schwächezustand erlaubte, nur noch diktieren. Mühsam hatte er seine letzten Worte gekritzelt, die gewissermaßen der Abschiedsgruß an seine Töchter sind: "Ich habe euch ermutigt, ich ermutige euch noch jetzt und werde euch noch weiter ermutigen. Im Tode werde ich zum Abschied euch noch Mut zusprechen." Dann kam ein monatelanges stilles, trauriges Dahinleben im Krankenbette und im Lehnstuhl, ein müdes, langsames Hinüberdämmern, das nur durch Beten unterbrochen war. Am 11. Februar 1903 ist Ignatius Simonis, mit dem Rosenkranz, den er gerne und so oft betete, im Lehnstuhl sitzend, friedlich ins Jenseits eingegangen. Er hat ein Alter von 72 Jahren erreicht. Es war der Tod des Gerechten. Sein Leben ist nach einem schönen Bibelworte voll Mühe und Arbeit und darum köstlich gewesen. Die Leichenfeier, die am 14. Februar stattfand, zeigte, welch großen Ansehens der Verblichene sich erfreute. Sie nahm ihren Anfang um 9 Uhr morgens in Oberbronn. Am Vorabende schon hatte Stadtpfarrer Grußenmeyer von Schlettstadt, ein Freund des Toten, den versammelten, aus der Ferne herbeigeeilten Schwestern dessen Verdienste gepriesen 158). Der Sarg war in der schwarz ausgeschlagenen alten Kapelle aufgebahrt. Domkapitular Schott, der vor 1870 als Klostergeistlicher im Muterhaus gewirkt hatte, segnete die Leiche ein, Generalvikar Schmitt sang das Traueramt, wonach der siebenundsiebzigjährige Superior der Straßburger Barmherzigen Schwestern und ehemalige Reichstagsabgeordnete Joseph Guerber, der mit Simonis Schulter an Schulter gekämpft hatte, die Kanzel bestieg und dem toten Freunde die Trauerrede hielt. "Er ruhet und wir trauern", mit diesen markigen Worten fing der greise Prediger seine ergreifenden, vom Schluchzen der Schwestern oft unterbrochenen Ausführungen an 159). Der hochw. Herr Bischof Dr. A. Fritzen, der es sich nicht hatte nehmen lassen, dem hochverdienten Manne die letzte Ehre zu erweisen, hielt das Libera ab, worauf sich der unabsehbare Zug der Leidtragenden, die von nah und fern herbeigeeilt waren, nach dem Klosterfriedhof zu Niederbronn in Bewegung setzte. Als Vertreter des hochw. Herrn Erzbischofs von Freiburg war Domkapitular Schenk erschienen. Neben mehreren Straßburger Domherren und unzähligen Geistlichen bemerkte man Angehörige verschiedener Orden, einige elsässische Reichstagsabgeordnete, Vertreter aller katholischen Blätter des Elsasses, die Bürgermeister und Ratsmitglieder der Gemeinden Niederbronn, Oberbronn u. a. m. Stadtpfarrer Prälat Frey von Colmar sprach die letzten Gebete am Grabe, das die irdischen Überreste des Verewigten aufnahm. 90 Superior Guerber hatte seine Trauerrede mit dem inhaltsreichen Satze geschlossen: "Auf den Leichenstein des Verstorbenen oder unter das Kreuz über seinem Grabe setzen Sie die Worte: Ein Mann des Volkes, ein Führer der Seelen, ein Priester nach dem Herzen Gottes." Kürzer und treffender hätte man den Verewigten nicht charakterisieren können. Er war ein Mann des Volkes, der mit ihm dachte und fühlte und für alle seine Nöte ein warmes Herz hatte. Er war es als Pfarrer und als Leiter seiner Genossenschaft, denn was erstrebte er als solcher anders, als daß er die Schwestern heranbildete zu Wohltäterinnen für die Armen und Kranken der unteren Volksschichten, zu Müttern der Waisen und Trösterinnen der Hilflosen und Verlassenen? Er war ein Mann des Volkes, der jahrzehntelang dessen materielle und geistige Interessen im Reichstage vertreten hatte. Er war ein Führer der Seelen - darüber brauchen wir hier, nach allem Vorausgegangenen, nicht mehr viele Worte zu verlieren. Wie viele er im Schoße seiner teuren Genossenschaft nicht bloß selbst zu ihrem ewigen Heile führte, wieviel mehr er noch durch den Seeleneifer, den er zeitlebens in seinen Töchtern genährt und zu hellem Feuer entfacht hatte, für Gott gewann, wer könnte sie zählen? Er war ein Priester nach dem Willen Gottes. Er war es von ganzem Herzen und ganzer Seele. In diesem von inniger Herzensfreude gewählten Berufe ging er auf. All sein Streben und Trachten war nur darauf gerichtet, wie er das Reich Gottes auf Erden vergrößern, wie er den Einflußbereich der katholischen Kirche, deren Diener er war, erweitern könnte. Darum ließ er sein Wirken über den gewöhnlichen seelsorgerlichen Pflichtenkreis hinausgreisen auf alle Gebiete, auf denen er die Macht des religiösen Gedankens zur gebührenden Geltung bringen wollte. Zu einer Zeit, wo eine ausgesprochene katholische Presse in seiner Heimat so gut wie nicht existierte, ist er als einer der ersten auf den Plan getreten und hat mit einer Rührigkeit und einem Opfermut ohnegleichen einer überzeugungstreuen katholischen Presse die Wege geebnet. Als Pfarrer zu Rixheim gründete er den "Volksboten", das "Odilienblatt", die "Heilige Familie", und wo irgendwie Volksblätter auftauchten, bemühte er sich, sie zu verbreiten. Sie waren ihm Apostel im weltlichen Kleide, Prediger, deren Ruf weiter hinaushallte als das Wort von der Kanzel, und oft wirksamer war 160). Auch durch rege eigene Mitarbeit hat er die Presse unterstützt 161). Er faßte diese Arbeit als ein Apostolat auf, dem sich keiner entziehen dürfe, der die nötigen Fähigkeiten besitze. Noch auf anderem Gebiete betätigte sich der apostolische Eifer von Dr. Simonis: auf dem Gebiete des M i s s i o n s w e s e n s . Die Glaubensboten, die nach fernen Weltteilen zogen, um Christi Lehre unter den wilden Heidenvölkern zu verbreiten, klopften nie vergeblich an seine Türe. Er schätzte sich direkt glücklich, ihnen reiche Unterstützung zuteil werden zu lassen. Wenn Bischof Allgeyer aus der Kongregation der Väter vom Heiligen Geiste - ein Schüler von Simonis - eine seiner Missionsstationen in BritischOstafrika Simonisdale genannt hat, so hat der freigebige alte Herr diese Ehre reichlich verdient, denn er hat fast sein ganzes sehr beträchtliches Vermögen für Missionszwecke verwendet. Bei seiner weitverzweigten Tätigkeit ist Simonis nie im äußeren Wirken aufgegangen. Wenn er bei der Heranbildung von tüchtigen, ihrem Ordensberufe gewachsenen Schwestern so glänzende Erfolge erreicht hat, so geschah es nur, weil er das, was er lehrte, aus der Fülle des eigenen reichen Herzens schöpfte. Eine auf gesunder Grundlage ruhende, allem Übertriebenen und Außergewöhnlichen abholde Frömmigkeit war eine seiner schönsten Priestertugenden. Er hat die Flamme der Gottesliebe, die in seinem Herzen glühte, nie ausgehen lassen. Auch wenn er auf Reisen war, trug er zwei Bücher ständig bei sich: Das Neue Testament und die vier 91 Bücher der Nachfolge Christi. Darin schöpfte er die innere, lebendige Kraft, die auch andere beleben konnte. Er war ein edler Mensch. Nichts Kleinliches war in dem kleinen, gedrungenen Manne mit dem breiten, unendlich gütigen Gesichte. Güte und Wohlwollen für die Mitmenschen, namentlich für die Armen und Unglücklichen, war ein Hauptzug seines Wesens. Für seine Freunde, deren er überall viele zählte, war ihm kein Opfer zu groß. In Gesellschaft war er ein ausgezeichneter Unterhalter. Mit feinem Humor wußte er stets seine geistreichen Plaudereien zu würzen. Als politischer Redner verfügte er in hohem Grade über die Kunst der Improvisation und die Gabe, den Gegner stets geschickt anzugreifen. Darin berührte er sich mit Windthorst, der ihn von den elsässischen Abgeordneten am meisten schätzte und mit ihm besonders befreundet war. Bismarck aber hat aus seiner Antipathie für den scharfzüngigen Reichsländer Simonis nie ein Hehl gemacht. Als letztes Vermächtnis hinterließ er seiner geliebten Genossenschaft sein väterliches Haus in Ammerschweier. Achtes Kapitel. Simonis` Nachfolger: Konstantin Hanns. Tod der Schwester M. Macrine. Schwester Marie Livier, die fünfte Generaloberin. Fortschreitende günstige Entwicklung der Genossenschaft. Über drei Monate dauerte es, bis der Straßburger Oberhirte Dr. Adolf Fritzen einen Mann fand, der Simonis’ verantwortungsreiches Erbe übernahm und die geistliche Leitung der Genossenschaft antrat. Dies war ein Pfarrer zu Neudorf (bei Basel), L u d w i g K o n s t a n t i n H a n n s 162). Über die Lebenden steht dem Geschichtsschreiber kein Urteil zu. Der Chronist der Genossenschaft muß aber doch, den kommenden Geschlechtern zum Nutzen, in aller Kürze das schon buchen, was der neue Superior zur weiteren Entwicklung der Genossenschaft beigetragen hat. Es ist nicht wenig. Nach der inneren Festigung, die Simonis der Kongregation gebracht hatte, konnte sich Superior Hanns einer Reihe dringend notwendiger praktischer Arbeiten widmen, die ein bemerkenswertes Organisationsgeschick zu günstiger Vollendung brachte. Es handelte sich zunächst um sanitäre und andere bauliche Arbeiten im Mutterhause selbst. Vor allem wurde die unpraktische Sakristei durch einen gefälligen Anbau bedeutend vergrößert und geschmackvoll möbliert; zugleich wurde auf der gegenüberliegenden Chorseite ein geräumiges, durch eine Glaswand abgeschlossenes Oratorium für die Kranken errichtet. Im Herbst 1912 erfolgte die Ausmalung der Klosterkapelle. Die Anlage einer Zentralheizung für die Kapelle und das Krankenhaus entsprach einem längst gefühlten Bedürfnis 163. Nicht weniger auch die im Jahre 1907 erbaute Wasserleitungsanlage, welche das ganze Haus mit trefflichem Gebirgsquellwasser versorgt. Dadurch war auch die Möglichkeit gegeben, den zahlreichen Insassen des Hauses eine ausreichende Badegelegenheit zu schaffen. In diesem Jahre wurde das Priesterhaus mit einer Zentralheizung versorgt. Nun kam die Reihe an die in Niederbronn von ihrer Tätigkeit ausruhenden älteren Schwestern; längst waren die Räume des alten Mutterhauses für das Altersheim zu klein geworden. Ein geräumiger, stattlicher Neubau mit Waschküche, Bädern, Wasserleitung erstand im gleichen Jahre 1907. Aber auch nach außen erstreckte sich die Sorge des rührigen Organisators. 1905 -1906 wurde das vom verstorbenen Superior der Genossenschaft überlassene 92 Anwesen Simonis’ zu Ammerschweier zu einem Erholungsheim für kränkliche, überarbeitete Schwestern eingerichtet. Für den gleichen Zweck wurde 1909 ein Anwesen in Trippstadt (Rheinpfalz) erworben und ausgebaut. Dazu kam der Erwerb eigener Schwesternhäuser für die Krankenpflegestationen zu Karlsruhe und Mühlhausen (1905), der Neubau des Arbeiterinnenheims in Mühlhausen (1906), große bauliche Veränderungen im Waisenhause zu Thann (1906), der Bau eines Saales für den Jungfrauenverein zu Brumath (1907); der Neubau eines Schwesternhauses für die Krankenpflegestation zu Straßburg-Neudorf und Geispolsheim (Unterelsaß); ferner der Neubau des Knabenwaisenhauses zu Thann und die Gründung eines Heims für Ladnerinnen: des Elisabethenhauses zu Karlsruhe (alles im Jahre 1908). Die ehrw. Mutter M. Macrine stand bei all diesen durchgreifenden Änderungen und Verbesserungen, die alle auf das Gedeihen der Genossenschaft abzielten und zugleich ein beredtes Zeugnis für ihre Lebenskraft sind, dem neuen Superior tatkräftig zur Seite. Mit inniger Freude konnte sie das blühende Wachstum der Genossenschaft verfolgen, die Jahr für Jahr allenthalben neue Niederlassungen zu gründen vermochte. In den neun Jahren, während sie die Oberleitung der Kongregation führte, sind 38 auswärtige Stationen gegründet worden, und die Zahl der Schwestern hat sich um fast 600 vermehrt. Die Kongregation hatte eine überraschende Ausdehnung gewonnen, ihre Leitung stellte daher auch große Anforderungen an die Generaloberin. Mutter Macrine ist ihnen reichlich gerecht geworden. Sie ging in der Sorge für deren Wohl und Wehe förmlich auf, kannte keine Rast und Ruhe und hatte für die kleinsten Anliegen ihrer Mitschwestern stets ein geneigtes Ohr. Aber die unermüdliche Arbeit untergrub langsam ihre Gesundheit. Ein bedenkliches Herzübel zehrte an ihren Kräften, ohne daß ihre nähere Umgebung, durch ihr blühendes Aussehen getäuscht, darum wußte. Schwester Macrine gehörte zu jenen seltenen, willensstarken Naturen, die nicht nur den Geist, sondern auch den Leib sicher in Gewalt haben. Mit der Energie, die ihr ganzes Schwesternleben auszeichnete, hielt sie aus auf dem dornigen Arbeitsfelde, bis sie nicht mehr konnte. Während der Exerzitien des Jahres 1909 hatte sie mühsam noch den Schwestern die üblichen Konferenzen gehalten und alle Schwestern einzeln empfangen. Aber gegen Schluß ging es nicht mehr. Der Wille konnte der unterliegenden Natur nicht mehr befehlen. Öfters auftretende Krisen, beängstigende Erstickungsanfälle ließen die Mitschwestern nicht mehr im Zweifel über den Ernst der Lage. Auch sie selbst wußte, daß das Ende nahte. Es war rührend, wie sie die Schwestern aufforderte, ihr eine glückliche Sterbestunde zu erflehen. Sie hatte den Tod nicht zu fürchten. Aber die Verantwortung ihres mühevollen Amtes ließ die zarte, äußerst gewissenhafte Seele doch mitunter erzittern vor den Schauern des nahen Todes. Dann siegte ihr unerschütterliches Gottvertrauen und die Zuversicht auf den Beistand der von ihr stets kindlich verehrten Gottesmutter und des hl. Joseph, und himmlischer Friede senkte sich über ihre Seele, als sie, im Lehnstuhle sitzend, die heilige Wegzehrung empfangen hatte. Weinend waren die Schwestern Zeugen des feierlichen Aktes. Das war am Donnerstag, den 29. Juli. Am folgenden Morgen regelte sie ihre zeitlichen Angelegenheiten. Dann verharrte sie in ernsten, frommen Gedanken und wiederholte mit zitternden Lippen das Gebetlein, das sie täglich verrichtet hatte: "Mein Gott, ich bringe dir durch die Hände Mariä, meiner teuern Mutter, das völlige und ganze Opfer meines Lebens. Ich opfere es für die heilige Kirche, für die Kongregation und die Ehre Gottes." Um 2 Uhr begann der Todeskampf, um 1/2 9 Uhr - 30. Juli 1909 - gab sie in den Armen der Schwester Livier, ihrer künftigen Nachfolgerin, ihre reine Seele dem Schöpfer zurück. Am 2. August wurde sie unter Beteiligung zahlreicher Geistlicher verschiedener Diözesen auf dem Klosterfriedhof zur letzten Ruhe gebettet. Mehr als 300 Schwestern, die zu den Exerzitien ins Mutterhaus gekommen waren, erwiesen der 93 verstorbenen Mutter die letzten Ehren. Ein Teilnehmer, der die Verstorbene kannte, schrieb damals 164): "Ein ergreifender Anblick war es, auf dem Friedhofe die verwaisten Postulantinnen, Novizinnen und Schwestern zu sehen, die ihre gute Mutter beweinten und ihr ein letztes Mal schmerzerfüllt ins Grab nachblickten. Zeigte dieselbe doch im Verkehr mit ihren zahlreichen Kindern, den Schwestern, stets etwas unbeschreiblich Herzliches. Jede Schwester, die ihr nahte, hatte das Gefühl, als sei sie die einzige, der sie ihr Interesse und ihre Fürsorge zuwandte. Mit dem Tode dieser besten Mutter fand aber auch ein Leben seinen Abschluß, das wie selten eines reich an Arbeit und Segen, reich an Tugendadel und Opfergeist war." Sie hat ein Alter von 64 Jahren erreicht. Das Vertrauen der Schwestern bei der am 6. Oktober 1909 stattfindenden Wahl neigte sich der bisherigen Novizenmeisterin, Schwester Marie Livier, zu, die fast einstimmig zur neuen Generaloberin gewählt wurde 165). Im Geiste ihrer edlen Vorgängerin leitete sie die Kongregation weiter, die von Jahr zu Jahr sich günstiger fortentwickelte. Im verständnisvollen Einvernehmen mit dem geistlichen Direktor war sie ständig bemüht, all den Anforderungen, welche die neueste Zeit an die Krankenpflegegenossenschaft stellte, nach Möglichkeit nachzukommen. Gleich in die erste Zeit ihrer Wirksamkeit fiel die Verwirklichung eines weitschauenden, für die berufstechnische moderne Ausbildung des Krankenpflegepersonals äußerst bedeutsamen Planes, der schon Anfang 1909 im Kongregationsrate auf Anregung des Superiors beschlossen war: der Bau des großen, nach den modernsten Errungenschaften der Hygiene eingerichteten St. Odilienkrankenhauses in StraßburgNeudorf. Im Juli 1912 konnte es bereits eröffnet werden 166). In diesem Krankenhause wurde mit staatlicher Genehmigung eine Krankenpflegeschule errichtet, in welcher die Schwestern die staatliche Krankenpflegeprüfung ablegen können. Auch andere Krankenhäuser der Kongregation erfuhren bedeutende Ausgestaltungen. So wurde die viel besuchte Klinik der Rue Bizet zu Paris durch den Bau eines neuen Flügels vergrößert; ebenso das Colmarer Krankenhaus in der Rösselmannstraße. Leider hat der Ausbruch des Krieges die Vollendung dieses Baues unterbrochen, desgleichen den Neubau der Waisenanstalt zu Gebweiler. Den Waisenhäusern hatte in letzter Zeit die Kongregationsleitung besondere Aufmerksamkeit geschenkt. 1911-1912 war der Neubau des Waisenhauses Mühlhausen-Dornach entstanden, 1913-1916 war das Mädchenwaisenhaus in Mühlhausen (Burggasse) umgebaut, 1914 die Anstalt in Thann mit neuen Ökonomiegebäuden versehen worden. Bis zum Ausbruch des Krieges waren unter der neuen Generaloberin etwa 25 Niederlassungen neu gegründet worden. Viele Anfragen um weitere Gründungen mußten abschlägig beschieden werden, obschon die Zahl der Schwestern ständig angewachsen war. Während Ende des Jahres 1900 die Genossenschaft 1800 Mitglieder zählte, die sich in 261 Niederlassungen auf 26 Diözesen in Deutschland, Frankreich, Schweiz, Belgien und Luxemburg verteilten, ergab der Personalstand am 31. Dezember 1913 die ansehnliche Zahl von 2588 Mitgliedern in 310 verschiedenen Häusern 167). Das Jahr 1914 ließ sich ebenfalls recht hoffnungsvoll an. Da entstand der furchtbare Weltbrand, in dem zwar die Genossenschaft eine glänzende Gelegenheit fand, ihr segensreiches Wirken zu betätigen, der aber für sie auch von schwerwiegenden Folgen begleitet war. Vierter Abschnitt. Die Jahre des Weltkrieges. Neuorganisation der 94 Genossenschaft. Die Errichtung von Provinzen. Erstes Kapitel. Die Geschichte der Kongregation während des Weltkrieges. Im Juli 1914 fanden, wie sonst in jedem Jahre, die geistlichen Übungen der französischen Oberinnen statt. Am 23. dieses Monats verließen sie in freudiger und gehobener Stimmung das gastliche Mutterhaus, um mit neuem Mut auf ihre Posten zurückzukehren. Kein Mensch dachte damals noch an die furchtbaren Dinge, die in so kurzer Zeit über die Welt hereinbrechen sollten. Am 4. August sollten ihre deutschen Mitschwestern zu den Exerzitien eintreffen. Aber die sich überstürzenden Ereignisse, die Erklärung des Kriegszustandes am 31. Juli, die am 1. August verkündete Mobilmachung, das gewaltige Auflodern des Kriegsbrandes, all diese die Völker erschütternden und alle Gemüter aufwühlenden Geschehnisse fanden ihren Widerhall auch in den Reihen der Genossenschaft. Das Wort "Krieg", das während eines fast ein halbes Jahrhundert dauernden Friedenszustandes zwischen den Völkern Mitteleuropas seinen Schrecken sozusagen verloren hatte, weil man es bloß aus den Schulbüchern kannte, erfüllte mit einem Male die Gemüter mit namenloser Angst. Die zwei Völker, deren Töchter sich im Mutterhause jahrzehntelang zu gottgefälliger, christlicher Liebesarbeit zusammengefunden hatten, standen sich wieder feindlich gegenüber. Mit Furcht und Zittern schauten die Insassen des Mutterhauses den kommenden Ereignissen entgegen. Die Erinnerungen an die blutigen Augusttage von 1870, die sich in unmittelbarer Nähe des ersten Mutterhauses in Niederbronn abgespielt hatten, wurden lebendig. Werden die entzweiten Völker wiederum in diesem Landstrich aufeinanderprallen? Tag und Nacht hörte man das dumpfe Rollen der Züge, die Mannschaften und Material nach dem Westen schafften. Dann drang der Geschützdonner der Schlacht bei Saarburg herüber. Ihr Ausgang ließ die anfänglich gehegten Befürchtungen nicht eintreten. Auf einer weit rückwärts gelegenen Linie spielte sich das blutige Schauspiel ab; Belgien, Nordfrankreich, das südliche Elsaß, Täler und Kämme der Vogesen mußten die zerstörende Wucht der modernen Kriegstechnik über sich ergehen lassen. Wie eine Insel des Friedens lag während der endlos scheinenden Blutjahre das Mutterhaus da, und seine Bewohner konnten dem Herrn danken für den gnädigen Schutz, den er ihnen zuteil werden ließ. Aber bald begann es sich auf dieser Insel zu regen. Eine fieberhafte Tätigkeit hob an, hier und überall, wo die Schwestern des Allerheiligsten Heilandes ihre Niederlassungen hatten. Die für den 8. September 1914 angesetzte Einkleidung und Profeß war des Krieges wegen auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Dafür trafen am 9. September die ersten Verwundeten von der Westfront im Mutterhause ein, das die Räume des Exerzitienhauses als Lazarett zur Verfügung gestellt hatte. Die Pflege verwundeter und kranker Soldaten, das war nun das große Liebeswerk, welches die Hauptkraft der Kongregation in Anspruch nahm. In Elsaß-Lothringen, Baden, Hessen, Bayern stellte sie der deutschen Heeresverwaltung 19 ihrer Häuser zur Verfügung; in diesen und in 114 anderen Lazaretten wirkten 664 Schwestern. Die Schwestern auf der französischen Seite standen in opfervoller Liebestätigkeit hinter ihren deutschen Mitschwestern nicht zurück: über 200 Schwestern verteilten sich auf die Lazarette. Der Verlauf der Kriegsereignisse hatte bewirkt, daß von den französischen Niederlassungen mehrere in das deutsche Okkupationsgebiet fielen: Lille, La Madaleine-lez-Lille, Roubaix, Rimogne (Ardennen), Witry-lès-Reims, Le Tuquet. 95 Umgekehrt kamen folgende elsässische Häuser in den Bereich der französischen Besetzung: Dammerkirch, Hüsseren, Malmerspach, Moosch, Sentheim, Thann und Weiler bei Thann. Leider fielen auch manche Filialen teilweise oder ganz der Kriegsfurie zum Opfer. Im südlichen Elsaß erlitten die Häuser in Sulz, Alt-Thann, das Waisenhaus in Thann starke Beschädigungen; die Arbeiterküche in Gebweiler wurde ganz zerstört. Im Dezember 1915 mußte das Haus in Altkirch geräumt werden; im Februar desselben Jahres hatten die Schwestern des Spitals zu Hirsingen ihre Kranken ins Lothringische und Luxemburgische flüchten müssen. Im Juni 1917 mußte das Mädchenheim in Regisheim aufgegeben werden. Ganz zerstört wurde gleich zu Beginn des Krieges das Haus in Saales. Noch schlimmer erging es den nordfranzösischen Häusern. Im Dezember 1914 wurde das Greisenasyl in Pont-à-Mousson gänzlich durch Granaten zerstört und das Waisenhaus daselbst, das 1915 verlassen werden mußte, stark mitgenommen, ebenso die dritte Schwesternniederlassung in dieser Stadt. Unter dem harten Schicksal der Stadt Reims litten auch die drei Schwesternhäuser: zwei davon, im Faubourg Cérès und in der Rue Ponsardin, wurden ganz zertrümmert, das dritte, in der Rue Pontgivart gelegen, erlitt starke Beschädigungen. Am 6. November 1915 erhielt das Mutterhaus zu den Verwundeten, die es beherbergte und pflegte, eine große Anzahl neuer Gäste: es kamen 68 Mädchen des bedrohten Waisenhauses von Gebweiler, am 14. Januar 1916 folgten ihnen 51 Knaben von ebenda. Die Kinder blieben bis zum 1. März 1919, so daß die Küche des Mutterhauses während der ganzen Kriegszeit ohne die kranken Soldaten, die bis Herbst 1917 hier weilten, ca. 350 Menschen zu ernähren hatte. Doch sorgte Gott und die aufopferungsvolle, rastlose Arbeit der Ökonomieschwestern dafür, daß niemand Mangel litt. Die Schlachtfront bildete eine unübersteigbare Mauer zwischen dem Mutterhaus und seinen in Frankreich weilenden Töchtern. Glücklicherweise waren diese nicht ganz verwaist. Schwester Séraphine, die Assistentin und Visitatorin der französischen Häuser, weilte gerade bei Kriegsausbruch jenseits der Vogesen und konnte nicht mehr zurückkehren. So vermochte sie die Leitung der französischen Schwestern in die Hand zu nehmen und nach dem Rechten zu sehen, den Lazarettdienst zu regeln und den ganzen Betrieb der Genossenschaft aufrechtzuerhalten. Das Schwesternhaus zu Porrentruy in der neutralen Schweiz bildete den Verknüpfungspunkt mit der ehrw. Mutter, so daß man auch im Mutterhause ziemlich auf dem laufenden blieb über die Schicksale der Schwestern auf der anderen Seite der Front. Zweimal konnte hier die Generaloberin mit Schwester Séraphine zusammentreffen, zweimal auch versuchte sie, ihre Töchter in dem besetzten Nordfrankreich zu sehen und in ihrer Bedrängnis zu trösten. Das erstemal gelangte sie nur bis Brüssel, das zweitemal bis Lüttich. Die erste Profeß während der Kriegszeit erfolgte am 19. März 1915. Diese für das Leben einer religiösen Genossenschaft so wichtige Feier wiederholte sich in den weiteren Kriegsjahren mit der üblichen Regelmäßigkeit. Aber auch in dem durch die Kriegsfront vom Mutterhause abgetrennten Gebiete vergaß man nicht, für den Nachwuchs Sorge zu tragen. Schwester Séraphine errichtete im Frühling 1915 im Schwesternhause zu Thaon (Vogesen) ein Postulat, und am 25. Oktober 1915 konnten bereits einige Einkleidungen erfolgen. Die Neueingekleideten wurden sofort zur Ausübung ihres Berufes an die Orte geschickt, wo man ihre Hilfe benötigte. Da der Krieg kein Ende zu nehmen schien, mußte man an ein regelrechtes N o v i z i a t denken. Ein solches wurde am 20. Juni 1918 kanonisch errichtet und in dem Schloß La Vezoucière zu Bouère (Dep. La Mayenne) untergebracht. Im folgenden Jahre, am 16. Juli, machten die hier ausgebildeten Novizinnen im Mutterhause zu Oberbronn Profeß. 96 Dieses befand sich nun, nach dem Ausgang des Weltkrieges, wieder auf französischem Boden. Zweites Kapitel. Die Neuorganisation der Genossenschaft. Vier Provinzen. Die neuen Statuten. Wenn der Chronist einen Rückblick wirft auf die langen Kriegsjahre, so kann er zunächst mit einem Gefühl dankbarer Freude feststellen, daß die Befürchtung, es möchte durch das lange Fernbleiben so vieler Schwestern von den Orten ihrer gewohnten Wirksamkeit, durch das freiere, ungebundene Leben in den Lazaretten, durch den andauernden Verkehr mit andersdenkenden, ganz verschiedenen Lebenskreisen angehörigen Menschen doch eine merkbare Lockerung der religiösen Disziplin Platz ergriffen haben, nicht zutraf. Gott sei Dank, unsere Schwestern haben sich, ganz verschwindende Ausnahmen abgerechnet, wacker und fest gehalten und dem altbewährten Ruf der Genossenschaft alle Ehre gemacht. Kranke und Ärzte, Weltdamen und Lazarettgeistliche aller Konfessionen waren einig in der rückhaltlosen Anerkennung ihrer Opferwilligkeit, Selbstlosigkeit und musterhaften Lebensführung. Auch eine andere Befürchtung, die man zu hegen berechtigt war und die sich nach 1870 verwirklicht hatte, erwies sich als unzutreffend: nämlich die Sorge um den Personalbestand. Zwar verminderte der lange Krieg, der die weiblichen Arbeitskräfte in ihren Familien immer unentbehrlicher machte, die Zahl der Kandidatinnen. Auch riß die aufreibende Tätigkeit in den Lazaretten und die Arbeitsüberbürdung der Schwestern in ihrem heimatlichen Wirkungskreise, und zumal die Grippeepidemie von 1918, große Lücken in die Reihen der Kongregation. Trotz dieser ungünstigen Faktoren war die Gesamtzahl der Profeßschwestern, die sich am 1. Januar 1914 auf 2587 belief, am 31. Dezember 1919 auf 2656 gestiegen. Mit nicht geringer Sorge mußte man sich fragen: Welche Folgen wird der Krieg auf eine Kongregation haben, deren Mitglieder zwei sich feindlich gegenüberstehenden Nationen angehören? Welches wird die Stellung der auf deutschem Gebiet gelegenen Niederlassungen zu dem nunmehr zu Frankreich gehörenden Mutterhaus sein, in dem die Zentralleitung ihren Sitz hat? Werden die politischen Ereignisse für die während siebzig Jahre hindurch erhaltene Einheit, die auch nach 1871, als das Mutterhaus mit dem Elsaß an das Deutsche Reich kam, zum großen Segen der Genossenschaft bestehen blieb, verhängnisvoll werden? Die Vorsehung hat auch da alles zum Besten gelenkt. Das neue politische Regime, das nach dem Waffenstillstand vom 11. November 1918 der deutschen Regierung im Elsaß folgte, beließ den Schwestern deutscher Nationalität völlige Freiheit. Wer in sein altes Vaterland zurückkehren wollte, konnte im Einverständnis mit der Kongregationsleitung es tun. Manche taten es; die meisten, die sich im Elsaß eingelebt hatten, zogen es vor, an ihrem altgewohnten Wirkungsorte zu verharren, und ihrem Verbleiben und Wirken wurden von den Behörden keine Schwierigkeiten in den Weg gelegt. Die politischen Veränderungen haben besonders die Lösung zweier für die Kongregation lebenswichtiger Fragen beschleunigt, die schon vor dem Kriege aufgeworfen worden waren: die R e v i s i o n i h r e r K o n s t i t u t i o n e n und eine Neuorganisation durch E r r i c h t u n g v o n P r o v i n z e n . Die alten Konstitutionen mußten mit den neueren kirchlichen Rechtsbestimmungen in Einklang gebracht 97 werden, und eine Gliederung in Provinzen wurde durch die große Ausdehnung der Genossenschaft gefordert. Beides war daher auch schon von den römischen Behörden, denen die Kongregation, da sie auf Grund der Approbation vom Jahre 1866 päpstlichen Rechtes ist, direkt untersteht, angeraten worden. Am 13. November 1912 hatte die Heilige Kongregation für Ordensleute von Rom aus in ihrer Antwort auf den vom Mutterhause eingesandten Triennalbericht den Wunsch ausgedrückt, daß man in den für die endgültige päpstliche Approbation zu revidierenden Konstitutionen die Einteilung der Genossenschaft in Provinzen vorsehen möge. Während einer Romreise im Herbst 1913 hatte der Superior des Mutterhauses dieserhalb mit den Konsultoren der Heiligen Kongregation für Ordensleute Rücksprache genommen und die ersten Schritte eingeleitet. Der Weltkrieg unterbrach das geplante Werk, und erst nach Friedensschluß konnte es ernstlich in Angriff genommen werden. Von großem Nutzen für die Förderung des diesbezüglichen Verhandlungen mit den römischen Behörden war der Umstand, daß auf die Bitten der Generaloberin der Heilige Vater im Oktober 1919 der Genossenschaft einen K a r d i n a l p r o t e k t o r in der Person Sr. Eminenz des Herrn Kardinals Wilhelm van Rossum aus dem Redemptoristenorden gab 168), der ihr in der schwierigen Zeitlage seine tatkräftige Unterstützung zuteil werden ließ. Am 10. Oktober 1919 begehrte die Generaloberin in Rom, daß man ihre Genossenschaft in vier Provinzen einteilen möchte. Schon am 3. Dezember willfahrte die Heilige Kongregation für Ordensleute diesem Ansuchen, so d a ß v o n d i e s e m Zeitpunkt ab das Institut der Niederbronner Schwestern in vier Provinzen gegliedert ist, und zwar in zwei französische und zwei d e u t s c h e . Die erste französische Provinz umfaßt die Niederlassungen in den Bistümern Straßburg und Metz, ferner die Häuser in Luxemburg und in der Schweiz. Zur zweiten französischen Provinz gehören die Filialhäuser in den übrigen französischen Diözesen und die belgischen Niederlassungen der Diözesen Brügge, Lüttich und Mecheln. Die erste deutsche Provinz wird gebildet durch Bayern mit der Rheinpfalz, die zweite durch Baden und Hessen. Da in den bisherigen Konstitutionen Provinzen nicht vorgesehen waren, genehmigte der Kardinalprotektor im Einverständnis mit der Heiligen Kongregation für Ordensleute unterm 16. Januar 1920 für die Verwaltung dieser Provinzen ein provisorisches Statut, das bis zur Approbation der neuen Konstitutionen Geltung haben sollte. Dieses Statut hat folgenden Wortlaut: 1. Eine jede der vier Provinzen wird im Generalrat durch eine Assistentin vertreten. Zu diesem Ende wird die jetzige Zahl der Generalassistentinnen von vier auf sechs erhöht. Die zwei neuen Generalassistentinnen werden bei mündlich oder schriftlich abgegebener Stimme mit Stimmenmehrheit der jetzigen Generalassistentinnen durch die Generaloberin ernannt. 2. Mit Stimmenmehrheit ihres Rates bei geheimer Stimmabgabe ernennt die Generaloberin die Provinzialoberinnen, Provinzialassistentinnen und die Provinzialökonomin. Alle werden aus der Provinz entnommen, zu der sie gehören. 3. Mit Stimmenmehrheit des Provinzialrates bei geheimer Stimmabgabe ernennt die Provinzialoberin direkt die Lokaloberinnen derjenigen Häuser, welche weniger als sechs Schwestern zählen. Die Generaloberin dagegen ernennt, nach entgegengenommenem Gutachten ihres Rates und dem der Provinzialoberin, die Lokaloberinnen der übrigen Häuser sowie die Novizenmeisterin. Der Provinzialoberin steht es zu, die Kandidatinnen in das Postulat aufzunehmen. Die Postulantinnen zur Einkleidung und die Profeßschwestern zur 98 Erneuerung der zeitlichen Gelübde zuzulassen. Die Zulassung der Novizinnen zur ersten Profeß sowie der Profeßschwestern zur Ablegung der ewigen Gelübde ist der Generaloberin vorbehalten. Die Provinzialoberin darf ohne die ausdrückliche Erlaubnis der Generaloberin nichts Wichtiges vornehmen, als da wäre: ein neues Werk, Verkauf- oder Kaufakt, neue Gründung, Veräußerung. 4. Bezüglich aller übrigen Einzelheiten hat man sich an das gewöhnliche Recht zu halten, bis die definitiven Konstitutionen durch den Heiligen Stuhl approbiert sind. Auf Grund dieses Statuts wurden zu Provinzialoberinnen ernannt: für die erste französische Provinz, mit dem Sitz in Oberbronn, Schwester Isidore Schultz, zuletzt Oberin in Porrentruy; für die zweite französische Provinz, mit der Niederlassung in Avenay (Marne) als Provinzialhaus, Schwester Vincent de Paul Paronelli, bisher Vorsteherin des Hauses in Brüssel; für Baden und Hessen, mit dem Provinzialhaus zu Bühl in Baden, Schwester Gaudentia Knörzer, zuletzt Oberin der Niederlassung in der Großmerzelstraße zu Mannheim, und für die bayrische Provinz, mit dem Provinzialhaus zu Neumarkt in der Oberpfalz, Schwester Urbicia Bogensperger, bisher Oberin im Vinzentinum zu München. Im Zusammenhang mit der Errichtung von Provinzen und mit Rücksicht auf die neue Grenze zwischen Deutschland und Frankreich mußte auch die Frage der G r ü n d u n g n e u e r N o v i z i a t s h ä u s e r gelöst werden. Das Noviziat im Mutterhaus zu Oberbronn, in welchem bisher alle Kandidatinnen ohne Ausnahme auf das Ordensleben verbereitet wurden, konnte ohne weiteres als das für die beiden französischen Provinzen gemeinsame Noviziat weiterbestehen. Für die beiden deutschen Provinzen wurden, wie es unter den obwaltenden Verhältnissen am zweckmäßigsten war, zwei getrennte Noviziate errichtet. Die Kandidatinnen aus Baden und Hessen wurden zunächst im alten Vinzentiushaus zu Karlsruhe untergebracht. Hier begannen sie im März 1919 ihr Postulat und erhielten hier auch am 8. September das Ordenskleid. Unterdessen war die Errichtung eines Noviziats im neuerworbenen P r o v i n z i a l h a u s " M a r i a h i l f " z u B ü h l in Baden ins Auge gefaßt worden. Am 1. August 1919 erteilte hierzu das erzbischöfliche Ordinariat in Freiburg die Genehmigung, und am 17. Oktober desselben Jahres erfolgte von Rom aus nachträglich die kanonische Errichtung dieses Noviziats, nachdem die ersten Novizen und die neuen Postulantinnen am 15. September von Karlsruhe dahin übergesiedelt waren. Die erste Einkleidungsfeier im Bühler Noviziatshause fand alsdann am 19. März 1920, die erste Profeß am 16. September 1920 statt. Für die bayrische Provinz dachte man zunächst daran, das Noviziat im HerzJesu-Kloster in München unterzubringen, da dieses das einzige der Kongregation gehörige Haus in Bayern war, welches hinreichende Räumlichkeiten bot. Aber der Erzbischof von München, Exzellenz Dr. v. Faulhaber, trug lange wegen der unruhigen politischen Zeitläufe Bedenken, der Errichtung eines Provinzialhauses und Noviziates in München zuzustimmen. Doch gestattete er im Januar 1920 die provisorische Errichtung eines solchen für zwei Jahre, und im Februar erfolgte die kanonische Errichtung seitens der römischen Behörden. So konnte daselbst am 19. März 1920 die erste feierliche Einkleidung stattfinden. Von all diesen Maßnahmen des Heiligen Stuhles betreffs der Neuorganisation der Genossenschaft machte die Generaloberin am 1. März 1920 sämtlichen deutschen Oberhirten, in deren Sprengel die Schwestern sich niedergelassen, offizielle Mitteilung. 99 Für das Provisorium in München konnte schon bald darauf eine glückliche endgültige Lösung gefunden werden. Im Sommer 1920 gelang es nämlich der Provinzialoberin, ein zum Provinzial- und Noviziatshaus sehr geeignetes Anwesen, das Kurhaus Wildbad zu N e u m a r k t im fränkischen Jura, zu erwerben. Auf die Bitte der Generaloberin genehmigte am 24. Juli 1920 die Heilige Kongregation für Ordensleute die Verlegung des Noviziats von München nach Neumarkt und beauftragte den hochw. Herrn Bischof von Eichstätt, Dr. Leo v. Mergel O.S.B., mit der Ausführung dieses Reskripts. In einem gnädigen Schreiben benachrichtigte dieser Kirchenfürst unterm 28. August die ehrw. Mutter, daß mit dem 29. August 1920 das Noviziat in München aufgehört habe zu existieren und mit demselben Tage in Neumarkt kanonisch errichtet sei, und versicherte: "Ich zweifle nicht, daß aus der neuen Stätte größter Segen hervorgehen wird, auch für das leibliche Wohl der Novizinnen." Gleichzeitig mit diesen Bemühungen um die Neuorganisation der Kongregation, die Errichtung der Provinzen und der neuen Noviziate hatte es sich die Zentralleitung angelegen sein lassen, die Revision und endgültige Approbation der Konstitutionen vorzubereiten. Zu wiederholten Malen wurden dieserhalb die Konsultoren der Heiligen Kongregation für Ordensleute, P. Steiger S.J. und P. Sordet C.SS.R., zu Rate gezogen, und dank ihrer hingebungsvollen Mitarbeit konnte gegen Ende des Jahres 1920 der Entwurf der neuen Konstitutionen fertiggestellt werden. Da die Zeitverhältnisse ein Generalkapitel in der von den alten Statuten vorgeschriebenen Zusammensetzung noch immer unmöglich machten, mußte sich nach den Weisungen des Heiligen Stuhles der Generalrat damit begnügen, diesen Entwurf mit den Im Januar 1921 zu Oberbronn versammelten vier Provinzialoberinnen und deren Assistentinnen durchzuberaten. Der hierbei festgesetzte Text der neuen Konstitutionen wurde alsdann an die römischen Behörden eingesandt. Der Personalstand der Genossenschaft belief sich im Januar 1921 auf 2721 Profeßschwestern und 172 Novizinnen. 100 Zweites Buch: Bilder aus dem Leben und Wirken der Genossenschaft. Erstes Kapitel. Auf Schlachtfeldern und in Lazaretten. 1. Im Krimkriege. Die skandinavische Schriftstellerin Helene Nyblom schrieb im Jahre 1903: "Als die englische Miß Nightingale im Krimkrieg mit ihrem vielen Gelde und ihrem guten Herzen zur Armee reiste, um den Verwundeten zu helfen, gewann sie die Sympathie der ganzen Welt. Teils war ihre Aufopferung so schön, und teils war es so etwas Ungewöhnliches, daß so etwas von einer protestantischen Dame ausgeführt wurde. Zu gleicher Zeit, da Miß Nightingale in der Krim war, schickte Frankreich eine Schar Vinzenzschwestern nach der andern hinüber. Davon stand nichts in den Zeitungen. Es war ja jahrhundertelang etwas Gewöhnliches, daß diese Schwestern sich opferten. Sie hatten auch kein eigenes Vermögen, keinen Namen. Sie sind jede für sich eine Nummer in der Barmherzigkeitsarmee." 169) Diese etwas bitteren Worte sind nicht ganz ohne Berechtigung, wenn man an die überschwenglichen Lobeserhebungen denkt, mit der damals und bis in die neueste Zeit hinein die zweifellos hochverdiente und tapfere Engländerin, die Begründerin des englischen Krankenpflegewesens, überschüttet wurde, während man vergebens nach einer bescheidenen Anerkennung der Dienste der katholischen Krankenschwestern in der Literatur über den Krimkrieg sucht. Der im Jahre 1854 zwischen Rußland und der von England und Frankreich unterstützen Türkei ausgebrochene sog. Krimkrieg ist für die Geschichte der Kriegskrankenpflege deshalb von besonderem Interesse, weil hier schon vor der Genfer Konvention von den Franzosen zum erstenmal der Versuch gemacht wurde, weibliche Hilfskräfte in ausgedehnterem Maße als bisher 170) in den Ambulanzen des Kriegsschauplatzes zu verwenden. Während die Engländer anfangs für ihre Truppen nicht die geringste hygienische Vorsorge getroffen hatten 171), gewann die französische Heeresverwaltung eine Anzahl Ordensschwestern für die Feldlazarette. Bis Ende November befanden sich in der Krim im französischen Lager 62 Pflegerinnen aus religiösen Genossenschaften 172). Die französische Regierung hatte von der jungen Niederbronner Genossenschaft zehn Schwestern für den so weit entfernten Kriegsschauplatz begehrt. So viel konnte das von allen Seiten in Anspruch genommene Mutterhaus zwar nicht abgeben, immerhin schickte Mutter Alphons fünf mutige, zu jedem Opfer bereite Schwestern mit der französischen Expedition. Unter ihnen befand sich die spätere Darmstädter Oberin Schwester Bonaventura, die nachher ihren Mitschwestern oft von den ausgestandenen Leiden und Entbehrungen erzählte. Eine Organisation des Sanitätsdienstes im neuzeitlichen Sinne war natürlich nicht vorhanden; wegen der zu rasch erfolgten Kriegsausrüstung fehlte es am Nötigsten. Die Belagerung von Sebastopol während einer heftigen Kälteperiode vermehrte die Zahl der Kranken. Dazu wütete die Cholera in schrecklicher Weise unter den Truppen. Teilnehmerin war auch die im Jahre 1885 als 101 Oberin zu Speyer verstorbene treffliche Schwester Lucia. Von ihr meldet der unbekannte Verfasser ihres schönen Lebensbildes 173): "Mit andern Schwestern ihrer Kongregation folgte sie der französischen Armee vor Sebastopol zur Pfleger der verwundeten Soldaten. Nur selten und höchst ungern konnten ihr über das dort Erlebte einige Worte entlockt werden. Die Szenen traten zu grauenhaft vor ihre Seele. Sie selbst half verwundete und verstümmelte Soldaten mitten aus dem Kugelregen in die Lazarette tragen. Unter den dort Verwundeten und von ihr Gepflegten befand sich auch ihr eigener Bruder." 2. Im italienisch-österreichischen Kriege von 1859. In diesem für Österreich so unglücklich verlaufenen Kriege war es die Filiale zu Wien, welche auf Verlangen des Kriegsministeriums eine Anzahl Schwestern mit dem österreichischen Heere nach der Lombardei sandte 174). Unter ihnen befand sich nachweislich Schwester Maria Bona, die auch im Kriege von 1870/71 in bayrischen Feldlazaretten tätig war und im Jahre 1880 (30. März) im Militärlazarett zu Straßburg verstarb und unter militärischen Ehren bestattet wurde. Desgleichen gingen von Niederbronn aus mit der französischen Armee mehrere Pflegerinnen, unter denen sich wiederum die erprobte und mutige Schwester Bonaventura befand. 3. Der deutsch-dänische Feldzug von 1864. Bei Ausbruch der schleswig-holsteinischen Kriegswirren forderte der Kardinal Rauscher, der die Wiener Niederlassung der Niederbronner Schwestern von Anfang so sehr begünstigte und der Kongregation in der Wiener Erzdiözese eine schnelle Verbreitung wünschte, die Oberin des Wiener Hauses, Schwester Theophil, auf, dem Kaiser direkt eine Anzahl von Schwestern zur Verwundetenpflege anzubieten 175). Der Kardinal stellte es als gewiß hin, daß man am kaiserlichen Hof wenigstens 20 Schwestern begehren würde; tatsächlich verlangte ein kaiserlicher Adjutant diese Zahl. Da aber die Wiener Filiale so viele Schwestern allein nicht stellen konnte, mußte das Mutterhaus Schwestern aus andern deutschen Häusern aussuchen, die der mühseligen Aufgabe der Etappenlazarettpflege gewachsen waren. Das nahm einige Zeit in Anspruch. Am 15. Februar hatte die Wiener Oberin Schwester Theophil die Hilfe ihrer Kongregation angeboten. Da sich aber bereits zahlreiche andere religiöse Genossenschaften gemeldet hatten 176), nahm das Kriegsministerium das Anerbieten zwar dankbar an, behielt sich aber vor, "erst im Falle weiterer Notwendigkeit von dem Angebot tatsächlichen Gebrauch zu machen und zählt für diesen Fall auf die opfervolle Bereitwilligkeit" der Kongregation. Mittlerweile waren von Karlsruhe die Schwestern Afra und Gunthilde, von Heidelberg Schwester Godberta, von Darmstadt Schwester Eustachia und Adolpha in Wien eingetroffen. Wenn diese und andere Schwestern des Wiener Hauses auch nicht mehr dem Heere nach Schleswig folgen konnten, so fanden sie doch in den Schlössern der Fürsten Auersperg und Kinsky, die man zu Lazaretten eingerichtet hatte, auf Monate hinaus reichliche Beschäftigung. Der Feldzug war so schnell beendigt, daß das Kriegsministerium weitere Pflegerinnen im Felde nicht mehr zu begehren brauchte. Es waren übrigens, wie Schwester Theophil am 5. März nach Niederbronn berichtete, vom böhmischen, österreichischen und ungarischen Hochadel soviele Lazarette eingerichtet worden, daß man sich förmlich um die Verwundeten riß. 102 Zwei Jahre später, als der deutsche Bruderkrieg entbrannte, sollten die Schwestern reichlichere Gelegenheit zur Betätigung ihres Pflegedienstes erhalten. 4. Der Krieg von 1866. Nur die Nachrichten über die Tätigkeit von Schwestern hessischer und bayrischer Häuser in diesem Kriege liegen vor, da das Wiener Haus sich kurz vor Ausbruch des Krieges vom Mutterhause getrennt hatte. Am 2. Juli 1866 stellte das Ordinariat der Erzdiözese München-Freising im Auftrag der Stadtkommandantschaft von München an die Generaloberin zu Niederbronn die Anfrage, ob und unter welchen Bedingungen sie geneigt wäre, für die Feld- und Landspitäler Pflegepersonal zu stellen. Umgehend (6. Juli) erklärte sich Schwester Alphons bereit, für die Lazarette Münchens 14 Schwestern, die sofort abreisten, zur Verfügung zu stellen. "Sollte aber diese Zahl nicht hinreichen, so bitte ich um baldigen Bericht, dann werde ich all mein Möglichstes tun und diese Zahl vergrößern. Gemäß unsern Statuten haben wir für die Ausübung all dieser Werke der Barmherzigkeit keine andern Bedingungen zu stellen als die Vergütung der Reisekosten der Schwestern und den Unterhalt einer stärkenden Nahrung in solcher Anstrengung." Diese Schwestern wirkten unermüdlich in den Lazaretten, die man in ihrem Haus zu München, dem sog. Vinzentinum, sowie in Holzbaracken und in den Nachbarhäusern untergebracht hatte. Die Königinmutter, welche die Kranken besuchte, sprach den Schwestern in warmen Worten ihre vollste Anerkennung aus. Die hier gepflegten Verwundeten kamen alle aus den blutigen Gefechten bei Kissingen (10. Juli) und Aschaffenburg (14. Juli). Am Tag nach dieser Schlacht begehrte Graf Görz, Angehöriger des Johanniterordens, telegraphisch bei der Oberin des Darmstädter Hauses, Schwester Bonaventura, einige Schwestern. Sofort leistete die ebenso energische als umsichtige Oberin dem Rufe Folge und machte sich mit den Schwestern Marceana, Franka, Eulalia, Cypriana auf die Reise. Als sie in Dieburg anlangten, war die weitere Bahnverbindung gesperrt. Die freiwillige Sanitätskolonne von Dieburg requirierte sofort einen Wagen, mit dem die Schwestern dem Schlachtfelde zueilten. In Stockstadt aber wurden sie von einem preußischen Offizier als "Kriegsgefangene" erklärt, falls sie nicht umkehrten. Mit dem Hinweis auf das Telegramm des Grafen Görz weigerte Schwester Bonaventura sich entschieden, umzukehren. Sofort umgaben den Wagen 6 Mann mit geladenem Gewehr und eskortierten die Schwestern nach Aschaffenburg, wo sie im Lauf des Nachmittags ankamen und drei Stunden auf dem Stiftsplatz unter militärischer Bewachung warteten, bis Graf Görz sie aus der mißlichen Lage befreite. Die Schwestern wurden dann in das Militärlazarett und in die Forstakademie geführt, wo die ersten Verwundetentransporte ankamen. Sofort ging es an die traurige Arbeit; bis am nächsten Morgen waren 300 Mann mit Hilfe der Sanitätskolonne von Schmutz gereinigt und verbunden. 150 Mann, die leichtere Verwundungen hatten, wurden in die Kaserne übergeführt, während 150 Schwerverwundete bis Mitte September in der Pflege der Schwestern im Militärlazarett blieben. Nachträglich war auch noch die junge Schwester Leonie in Aschaffenburg angelangt. Ein Teil der Verwundeten des hiesigen Lazaretts kam nach Darmstadt in das ebenfalls von Niederbronner Schwestern geleitete Barackenlazarett, der andere Teil wurde nach Fürstenau gebracht, wo die Schwestern Gorgonia und Cypriana bis Ende September weiter pflegten. Im eigenen Hause in Darmstadt hatten die Schwestern ebenfalls ein Lazarett eingerichtet, in dem an 60 Verwundete, meistens österreichische Italiener, liebevolle Aufnahme fanden. Auch in der städtischen Turnhalle und im großherzoglichen Palais pflegten die Töchter von Niederbronn. Viele wurden auch an andere Orte gerufen, so 103 nach Lohr, Rothenfels, Neubrunn, Babenhausen, Fehlheim, wo nicht bloß Verwundete, sondern auch an ansteckenden Krankheiten daniederliegende Soldaten, meist cholerakranke, der Pflege bedurften. Zwei Schwestern waren im Schlosse zu Erbach tätig. Durch unermüdliche, rastlose Aufopferung zeichnete sich Schwester Bonaventura aus. Die äußere Anerkennung von höchster Seite ließ nicht lange auf sich warten. Am 10. Februar wurde ihr durch den österreichischen Gesandten in Darmstadt, Graf Honosz, das goldene Verdienstkreuz mit der Krone mit beifolgendem Schreiben überreicht: "Hochw. Frau Oberin! Die aufopfernde Fürsorge, welche die verwundeten k. k. Soldaten in dem Kloster, dessen Oberin Sie sind, gefunden, hat Seiner K. K. Apostolischen Majestät volle Würdigung erhalten. Der Gedanke, daß den österreichischen Kriegern in ihren schweren Leiden die sorgsamstem Pflegerinnen zur Seite standen, die mit echt christlicher Liebe unablässig bemüht waren zu lindern und zu trösten, hat Sein väterliches Herz mit aufrichtiger Dankbarkeit für Sie und die übrigen Angehörigen des Klosters erfüllt. Indem ich daher beauftragt wurde, Ihnen als ein Zeichen Allerhöchster Anerkennung das goldene Verdienstkreuz mit der Krone zu überreichen, habe ich gleichzeitig die Bitte an Sie zu richten, den Schwestern Gorgonia, Cypriana, Amalia, Lindana und Tyba den wärmsten Dank Sr. Majestät des Kaisers ausdrücken zu wollen." 5. Der Deutsch-Französische Krieg von 1870 – 1871. a) Im Felde. Von Anbeginn dieses folgenschweren Krieges an hat die Niederbronner Genossenschaft auf seiten beider Kriegführenden all ihre Kraft eingesetzt zur Linderung des großen Elends, in Feldspitälern hinter der Schlachtfront sowohl als in den im ganzen Land zerstreuten Lazaretten. Betrachten wir zunächst ihre Beteiligung an der Verwundetenpflege in unmittelbarer Nähe der Schlachtfelder. Gleich nach der Schlacht bei Weißenburg pflegten mehrere Niederbronner Schwestern in einer zu Sulz unterm Wald - dem Hauptquartier des preußischen Kronprinzen - errichteten Feldbaracke. Die in Weißenburg selbst stationierten Schwestern halfen die Verwundeten auf dem Schlachtfelde sammeln und verbinden. Was die Genossenschaft nach der Schlacht bei Wörth an den Verwundeten tat, haben wir in der Geschichte des Mutterhauses eingehend gewürdigt. Am 29. Juli 1870 folgten auf Wunsch des bayrischen Kriegsministeriums acht Schwestern dem bayrischen Hauptfeldspital V 177) als Krankenpflegerinnen. Zuerst trat dieses Spital in der badischen Stadt Bretten vom 31. Juli bis zum 28. August in Tätigkeit; die hier verpflegten Verwundeten waren meist kriegsgefangene Turkos aus der Schlacht bei Wörth. Am 28. August rückte das Feldspital der Armee ins feindliche Land nach und machte zunächst in Niederbronn Halt, wo es sich im Kurhaus einrichtete. Die von München aus mitgekommenen Schwestern waren Schwester Tibba, Ludovica, Dalmatie, Gervasia, Castelle, Joel und Claudiana. Ihnen war die bereits in den vorausgegangenen Feldzügen erprobte Schwester Bonaventura als Oberin vorgesetzt worden. Von Niederbronn aus kehrten die Schwestern Joel und Claudiana nach München zurück, sie wurden durch die Schwestern Eugène und Amarine ersetzt. 104 Am 23. September brach das Etappenlazarett von Niederbronn auf, um langsam dem Heere zu folgen. Am 3. Oktober 178) kam es zu Coulommiers unweit Paris an, vor dem sich das deutsche Belagerungsheer zusammengezogen hatte. "Kaum war das Spital aufgeschlagen", so erzählt Schwester Gervasia, "so kam Befehl, schnell abzubrechen, da das Spital abgefangen werden könne. Wir reisten auf Wägen weiter, kamen in einen Wald und fanden den Weg nicht mehr heraus; da wurde ein Förster mit Gewalt aus seinem Haus geholt und mußte uns den Weg zeigen, bis wir den Wald verlassen hatten." Am 8. Oktober kamen sie in Corbeil a. d. Seine an. Eine Reihe von ihren Bewohnern verlassener Schlösser wurde nun zu Lazaretten eingerichtet, in die sich die Schwestern verteilten. Aus dem Mutterhaus wurden noch andere Schwestern nachgeschickt, da die vorhandenen Kräfte nicht ausreichten. So finden wir in weit auseinanderliegenden Etappenlazaretten die Töchter von Niederbronn an der Arbeit, der sie sich unter großen Entbehrungen und Strapazen unterziehen. Mit den Truppen teilen sie die trostlosen Tage der Belagerungsarmee vor der französischen Hauptstadt. Mehr als eine wurde krank. Schwester Amarine starb als Opfer ihres Berufes den Heldentod. Sie war, als sie das Mutterhaus verließ, kaum von einer schweren Blatternkrankheit genesen. Da warf sie, am Sylvestertag 1870, ein böser Typhus im Etappenlazarett zu Soisy (nördlich Paris) aufs Krankenlager, das sie nicht mehr verlassen sollte. Der Stabsarzt hoffte, sie retten zu können. Noch am 12. Januar schrieb Schwester Bonaventura von Soisy aus der ehrw. Mutter, daß man vorläufig noch beruhigt sein könne, und daß sie in guter Pflege sei. "Sie macht mir", schreibt Schwester Bonaventura, "den Eindruck einer reinen Seele, die der liebe Gott zu sich nehmen will. Sogar der Arzt sagte, das ist eine unschuldige Seele. Sie selbst ist ruhig und gottergeben." Sie hatte die heiligen Sterbesakramente mit solcher Andacht empfangen, daß der Stabsarzt zu Tränen gerührt war. Sie durfte die Heimat nicht wiedersehen. Am 19. Januar ist sie still verschieden. Unter militärischen Ehren fand sie ihre letzte Ruhe auf der Soldatengrabstätte zu Soisy, inmitten der tapfern Krieger, denen sie die letzten Lebensstunden versüßt hatte. Es waren schwere Tage für die Schwestern im Feldlager vor Paris. Mit beweglichen Worten schrieb Schwester Bonaventura nach dem Mutterhaus 179): "Ich bitte dringend, uns zwei Schwestern zu schicken, damit wir nicht alle erliegen. Die Beschießung von Paris geht Tag und Nacht fort und so heftig, daß unsere Betten von der Erschütterung sich von der Wand entfernen. Grimmig ist die Kälte. Ach, der Kranken sind so viele, ich komme vom Sterbenden zum andern zum Verbinden; jener wird eben mit den heiligen Sterbesakramenten versehen, und so geht es fort und fort.... O beten, beten Sie für uns; noch haben wir Mut, aber wird die Kraft reichen? Es ist die große Barmherzigkeit Gottes, daß wir uns so opfern können, lauter Gnade. Wird auch für uns die Erlösung schlagen? Ja, wir hoffen und vertrauen auf Gottes mächtigen Beistand; ich bin nicht undankbar gegen den lieben Gott. Nie, nie hätte ich geglaubt, daß ich nach so vielen Leiden, noch bei solchen Strapazen, Mut und Kraft hätte. Beten Sie für uns alle, daß alles zur größeren Ehre Gottes und zum Heile der Seelen gereichen möge; ob wir leben oder sterben, wenn wir nur in der Gnade Gottes und unseres heiligen Berufes sind." Sie teilt mit, daß die Schwestern auf einzelne Schlösser zur Pflege verteilt sind und bittet am 12. Januar dringend um warme Unterkleider und Strümpfe für die Schwestern wegen der großen Kälte; die Schwestern hätten alles an die Soldaten verteilt. Sie verlangt auch für das Lazarett von Ferrières weitere Schwestern und meldet wiederum: "Schrecklich schießt es vor Paris; gestern war, wie ich hörte, wieder ein Ausfall. Die armen Leute sind hier in einer wahren Verzweiflung; gestern hörte ich, wie sie vor Verzweiflung Gott lästerten. Eine Frau sagte: Gott w a r , aber er ist nicht mehr! Mir schauderte; auch uns bangt sehr. Gestern war ein höherer Offizier hier, der sagte, er hoffe, daß wir in 4-6 Wochen heimkämen. Gott gebe es!" 105 So kam es auch. Am 9. März erhielt Schwester Bonaventura mit ihren sechs zuletzt dem bayrischen Hauptfeldspital Nr. V zu Soisy und Etiolles zugeteilten Schwestern die Erlaubnis zur Heimfahrt. In dem von Hauptmann Keber ausgestellten Fahrtausweis ist hervorgehoben, daß die Schwestern während des ganzen Feldzuges ihre Pflicht mit der größten, uneigennützlichsten Aufopferung und treuester Hingebung erfüllt haben. Den Schwestern, welche im 12., zum II. bayrischen Armeekorps gehörenden Aufnahmefeldspital zu Ferrières-le-Buisson (südlich von Paris) tätig waren - es waren die Schwestern Neomisia, Ursule, Michäa und Veridiana -, spendet der Hauptmann Bernhold in einem Bericht (9. März 1871) an die Generaloberin folgendes Lob: "Das diesseitige Aufnahmefeldspital hätte ohne die aufopfernde, liebevolle, hingebende, engelgleiche Pflege der verehrten Schwestern nicht die trefflichen Resultate leisten können, welche es wirklich geleistet hat. Infolge dieser wahrhaft musterhaften, edlen Hingabe für die Kranken, infolge der trotz vieler ansteckenden Krankheiten unerschrockenen, aufmerksamen Pflege bei Tag wie bei Nacht sah sich das unterzeichnete Kommando verpflichtet, sämtliche Schwestern wegen hervorragender, ausgezeichneter Leistungen durch das königliche bayrische II. Armeekorpskommando zum Militärverdienstkreuze in Vorschlag zu bringen." Als der großherzoglich hessische Oberrechnungsrat Backé im September 1870 mit einem Sanitätszug des Roten Kreuzes nach den Schlachtfeldern von Gravelotte fuhr, nahm er einige unserer Schwestern mit: Schwester Ludan aus Seligenstadt, Schwester Amelie, Vitalina und Siegbert aus Darmstadt. Sie suchten die Verwundeten, die hinter die Front getragen wurden, auf den Verbandplätzen auf. Bei Vionville gerieten sie fast in das feindliche Feuer. Sie übten unerschrocken ihr Liebeswerk aus bei den Gefechten von St. Privat, Mars-la-Tour, Pont-à-Mousson. Sie blieben sodann längere Zeit in den dortigen Feldlazaretten zurück. Nach der Schlacht bei Orleans (2.-4. Dezember) waren von der bayrischen Heeresleitung sofort einige weitere Schwestern von München nach Orleans bestellt worden, um die zahlreichen verwundeten Krieger auf der Fahrt zur Heimat zu begleiten. Sie fuhren mit einem Lazarettzug nach der von bayrischen Truppen besetzten Stadt, suchten die in Privathäusern notdürftig untergebrachten Soldaten auf und halfen ihre Überführung zum Bahnhof überwachen. Sie begleiteten den Zug auf der Fahrt nach Sachsen, wo die Verletzten in der Nähe der Stadt Dresden in Krankenhäusern untergebracht wurden. Dann kehrten die Schwestern, unter denen sich Schwester Lucienne und Bona befanden, nach München in die dortigen Lazarette zurück. Auch bei den Kämpfen vor Belfort zeichneten sich unsere Schwestern durch Mut und Unerschrockenheit aus. In Altkirch pflegten Schwester Attala und Eleonore in der neuen Fruchthalle, während die aus dem nahen Hirsingen herbeigeholte Schwester Lazarus in der alten Fruchthalle 75 Verwundete betreute. Aber die tapfern Pflegerinnen begnügten sich nicht mit der Pflege unter dem sichern Dache. Hören wir, was Schwester Lazarus später gerne darüber erzählte; ihre einfachen Worte sind beredt genug: "Die Deutschen wollten die Höhen gegen Belfort zu stürmen. Aber der Feind hat sie, wenn sie fast oben waren, stets heruntergeschossen. Viele stürzten auch ins Wasser, das unten am Berg vorbeifloß. Da kamen die Schwestern und zogen sie heraus und ließen sie durch die Sanitäter auf einem Karren, auf den man 6-7 Mann legen konnte, nach Altkirch in die Fruchthalle führen. Hier behielt man sie so lange, bis man sie weitertransportieren konnte. Sobald ein Gefecht anfing, gingen die Schwestern 106 in Begleitung der Sanitäter hinaus und suchten die Verwundeten auch auf dem offenen Felde. Bei manchem gingen sie vorbei und glaubten, er sei tot. Die riefen dann: Schwester, Schwester, nehmen Sie mich auch mit. Dann luden sie sie auf, manche von ihnen sind bald gestorben. Unter ihnen waren auch mehrere Offiziere, die schon länger ihre österlichen Pflichten nicht mehr erfüllt hatten. Die haben mit großer Andacht die heiligen Sakramente empfangen und sind gut gestorben." Unerschrocken und heldenmütig versahen die Schwestern der Niederlassung zu Belfort selbst ihr mühseliges, hartes Amt während der bösen Tage der Belagerung durch die deutschen Zernierungstruppen. Vier von ihnen, die Schwestern Huna, Achille, Benigne, André, erhielten für ihren Opfermut von der französischen Gesellschaft für Verwundete ein Bronzekreuz mit schriftlicher Belobigung. Schwester André war, als sie Suppe unter die Armen verteilte, von einer platzenden Granate verwundet worden. Eine andere Schwester fiel bei der Pflege typhuskranker Soldaten der Seuche zum Opfer. Ehrende Auszeichnungen wurden auch den Schwestern Begga und Joachim für treues Aushalten im Militärlazarett zu Straßburg zuteil. Als während der schrecklichen Belagerung dieser Festung die Blattern ausbrachen, berief die Militärverwaltung einige Schwestern der Straßburger Filiale zur Pflege der Verwundeten und Blatternkranken. Die ersten Schwestern waren Schwester Adolphe, Adria, Michel, Felicie und Marine. Später vermehrte sich ihre Zahl, und sie erwarben sich durch ihre rastlose Aufopferung auch die Anerkennung der deutschen Verwaltung, so daß nach dem Kriege die Krankenpflege in diesem großen Hospitale der Niederbronner Genossenschaft anvertraut blieb bis zum Ende des Weltkrieges. b) In andern Reservelazaretten im Elsaß und im Innern Frankreichs. In Mühlhausen, der weitbekannten oberelsässischen Industriestadt, bildete sich bei Kriegsausbruch sogleich ein Komitee von Ärzten und vornehmen Damen beider Konfessionen, um die Verwundetenpflege zu organisieren. In dieses Komitee wurde auch Schwester Damien, damals Oberin der in der Burggasse gelegenen Mühlhauser Niederlassung der Kongregation, aufgenommen. Man stand einer völlig neuen Aufgabe gegenüber, die viel Kopfzerbrechen verursachte. Um so froher waren die Mitglieder über die praktischen Angaben, welche Schwester Medula aus ihren während des deutsch-österreichischen Krieges in der Verwundetenpflege gewonnenen Erfahrungen machen konnte. Nach ihren Vorschlägen wurden drei Lazarette eingerichtet und mit lauter neuen Betten versehen. Eines befand sich in einem Vereinsgebäude der GayLussac-Straße, das zweite war in einem Schulhaus in der Köchlinstraße, das dritte in der Stationsstraße in der alten Gendarmerie untergebracht. Als Ende September die ersten Verwundeten kamen, wurden die Schwestern aus der Burggasse in diese drei Lazarette geschickt. Von den 25 Schwestern dieses Hauses blieben nur vier daheim, um die 80 Waisenkinder zu ernähren und zu überwachen. Die rührige Oberin überwachte die Pflege in den Kriegsspitälern, stand den Schwestern mit Rat und Tat bei, tröstete und ermutigte die Schwerverletzten, erschien überall, wo Leid und Kummer besonders groß waren. Wenn aus dem Belforter Operationsgebiet Züge voll Verwundeter und Gefangener ankamen, war sie mit einigen Schwestern und hilfsbereiten Damen stets am Bahnhof zu finden, verteilte Speisen und Erfrischungen, half gelockerte Verbände in Ordnung bringen, sprach den durch Kampf und Entbehrungen heruntergekommenen Gefangenen, die nach Deutschland überführt wurden, gütige und lindernde Worte zu. Der Krieg stürzte die Mühlhauser Filiale, die ohnehin stets mit Not und Sorge zu kämpfen hatte, in bittere Armut. Doch machte die 107 aufopferungsvolle Tätigkeit, welche die Schwestern in dieser schweren Zeit an den Tag legten, sie unter der Stadtbevölkerung, namentlich unter den Andersgläubigen, sehr populär. Ein bekannter Arzt, der von den "Rosenkranzbeterinnen" vorher nichts wissen wollte, ist nachträglich ihr bester Freund geworden. In der zweiten Kriegshälfte, als die Kämpfe in den burgundischen Gebieten und um Belfort sich abspielten, wurde Schwester Damien von der deutschen Heeresverwaltung um einige Schwestern gebeten für die Kriegslazarette, die in dem weiter südlich gelegenen Marktflecken Dammerkirch eingerichtet werden mußten. Sie begleitete selbst dorthin die Schwestern Phocas, Jules, Fortuna und Acheul 180). Schwester Phocas kann uns darüber anschaulich berichten: "Als wir gegen Dammerkirch kamen, waren alle Wege durch Militär und Pferde gesperrt. Schwester Damien war aber flink und schlüpfte durch die Pferde, und wir machten es nach. So gelangten wir in die Aufnahmebureaus, wo man uns den verschiedenen Lazaretten zuwies. Tag und Nacht gab es Arbeit. Bei den Schulschwestern waren Betten für uns aufgestellt, wo wir ein wenig ausruhen konnten, wenn die Müdigkeit uns übermannte; aber wir kamen fast nie zum Schlaf. Unser Tisch war militärisch; da gab es Suppe mit Rindfleisch und ein kräftiges Stück Kommißbrot. Es kam auch vor, daß wir Ungeziefer die schwere Menge in die Kleider bekamen. Das Elend, das wir hier sahen und mitmachten, kann man gar nicht beschreiben. Die Verwundeten brachte man auf Leiterwägen herbei; oft waren Tote darunter. Das war ein Gedränge beim Abladen! Zweimal täglich kam der Sanitätszug, mit dem die an inneren Erkrankungen Leidenden und Leichtverwundeten weitertransportiert wurden, damit die Schwerverwundeten Raum hatten. So ging es lange Zeit fort. Einmal geschah es, daß ein verwundeter Franzose auch weitertransportiert werden sollte. Ich sagte dem Arzt, daß man ihn unmöglich fortlassen könne; doch bestand er auf seinem Vorhaben. Da zog ich den Franzosen an, aber er blieb tot in meinen Armen. Einmal hat mich in einem Lazarett, wo auch Typhuskranke waren, nachts der Schlaf bezwungen. Ich war auf einem Koffer, der in einer Ecke stand, eingenickt. Auf einmal hörte ich schreiende Hilferufe. Drei Typhuskranke mit hochgradigem Fieber krochen draußen im Hausflur herum und wollten fort. Meine Kräfte reichten nicht aus, sie wieder ins Bett zu bringen. Ich mußte den Wachtposten von draußen zu Hilfe rufen. Ein andermal versuchte ein Typhuskranker, der ständig nach seiner Familie verlangte, zum Fenster hinauszusteigen. Unglücklicherweise fiel ihm ein Gewehr, das ein Posten stehen gelassen hatte, in die Hand, und als ich ihn am Hinaussteigen verhindern wollte, ging er mit der Waffe auf mich los. So konnte er ins Freie gelangen. Draußen war große Kälte und hoher Schnee. Das Frieren machte ihn ruhiger, und wir konnten ihn wieder hereinbringen. Er ist auch wieder gesund geworden. - Als beim Kriegsschluß die Lazarette geleert wurden, begleitete uns der Herr Stabsarzt heim nach Mühlhausen und sagte zu Schwester Damien: "Hier, Frau Mutter, übergebe ich Ihnen wieder Ihre Kinder, so wie Sie mir dieselben anvertraut haben." Dann überreichte er ihr ein Zeugnis mit dem Ehrenkreuz für jede einzelne. Schwester Damien aber lehnte dieses mit bescheidenen Worten ab, indem sie auf das Kreuz hinwies, das wir auf der Brust tragen, wir hätten genug an diesem zu tragen, vielleicht könnte er andere damit glücklicher machen." Soweit die gute Schwester Phocas, die stets gerne an jene Dammerkircher Tage zurückdachte. Der unermüdlichen Oberin in der Burggasse ist für ihre und ihrer braven Schwestern Aufopferung noch eine besondere Anerkennung gezollt worden; sie erhielt am 31. Dezember 1871 ein Schreiben der Kaiserin Augusta, worin diese für die Pflichterfüllung der Schwestern dankt, sie habe "den Verwundeten und Kranken der 108 deutschen wie der französischen Heere in vollster Selbstverleugnung unermüdliche Pflege und christlichen Trost gewährt." Von kleineren elsässischen Lazaretten, in denen unsere Schwestern pflegten, kommen in Betracht solche zu Bitschweiler (bei Thann), wo Schwester Egberta für treue Pflege eine Auszeichnung erhielt; zu Markolsheim, wo die Schwestern Hilda und Plautilla tätig waren. Hier war der große Saal des Gemeindehauses zu einem Notspital umgewandelt worden. Hierher kamen meist deutsche Verwundete aus den Kämpfen mit den Franktireurs des Weilertales und von den Festungen Schlettstadt und Breisach. Deutsche Verwundete aus dem Belagerungskampfe von Straßburg wurden auch viele gepflegt in dem von unsern Schwestern geleiteten Krankenhause zu Brumath (bei Straßburg). Verwundete aus den Vogesenkämpfen waren ferner untergebracht in dem Waisenhause zu Gérardmer. Die hier stationierten drei Schwestern waren unermüdlich in der Pflege der vielen an Typhus und Blattern erkrankten Soldaten. Große Verdienste um das französische Heer erwarben sich die Niederbronner Schwestern, abgesehen von dem bereits erwähnten Belfort, auch in der Festung Epinal, wo sie mit gleicher Hingabe sich den französischen und gefangenen deutschen Verwundeten widmeten, und in der Schweiz bei den Soldaten Bourbakis. c) In Kriegsspitälern auf deutschem Boden. Im Kriegslazarett zu Saarlouis pflegte Schwester Matthias deutsche und französische Verwundete mit rührender Opferliebe. "Ich befinde mich wohl und gesund", schrieb sie am 28. Februar 1871 nach Niederbronn, "viele Arbeit habe ich, nichts schreckt mich zurück, je mehr und schwerer, desto besser; ich denke, der liebe Gott wird meine geringe Arbeit segnen. Die Franzosen waren froh in ihren schweren Leiden und Krankheiten, daß sie jemand fanden, der sich ihrer liebevoll annahm und mit ihnen reden konnte. Ich danke dem lieben Gott von ganzem Herzen, weil ich so manchen Kranken Trost und Hilfe leisten kann." Der Lazarettinspektor Mayer bestätigte 181), "daß sie mit dem größten Fleiße und der größten Opferwilligkeit dem beschwerlichen Dienste der Krankenpflege sich gewidmet habe. Sie hat Unbeschreibliches geleistet; ich habe öfter gebeten, sie solle wenigstens nachts ruhen, sie aber opferte Tag und Nacht sich derart, daß es ein Wunder ist, wie sie es aushalten kann." In Darmstadt errichtete das englische Rote Kreuz auf dem Hofe des Niederbronner Schwesternhauses eine Lazarettbaracke, in welcher 180 Verwundete Aufnahme fanden. Zwölf Schwestern besorgten sie unermüdlich. Die übrigen waren außerdem in zwei andern Darmstädter Lazaretten tätig, ebenso in Babenhausen und Lohr. Das Darmstädter Haus wurde auch durch die vom Kaiser Wilhelm gestiftete Kriegsdenkmünze ausgezeichnet 182). In Worms wurde unsern Schwestern ebenfalls ein Lazarett überwiesen, wo sie von August 1870 bis zum 2. Juni 1871 ununterbrochen tätig waren. Der Zweigverein Worms des großherzoglich hessischen Hilfsvereins für die Krankenpflege und Unterstützung der Soldaten im Felde drückte der Kongregationsleitung in beredten Worten seinen Dank dafür aus (6. Juni 1871): "Die Schwestern sind während zehn Monaten in dem Barackenlazarette der Station I unseres Vereins bei der Pflege der Verwundeten ununterbrochen tätig gewesen und haben während dieser langen Dauer unter vielen Mühseligkeiten eine so bewunderns-werte Hingebung an ihren edlen Beruf kundgegeben, so viel Segen und so unendliche Wohltat gespendet, daß wir es als eine Pflicht unserer Dankbarkeit erkennen müssen, Ihnen, ehrw. Frau Generaloberin, hiervon Kenntnis zu geben." Er 109 dankt besonders deshalb, "weil es unserm Vereine nur durch die Hilfe der Schwestern möglich war, die Werke der Wohltätigkeit in so ausgezeichneter Weise zu üben, wie es in unserer Station geschehen und überall im weiten deutschen Vaterlande und nicht minder von den bei uns mit gleicher Liebe und Sorgfalt verpflegten Angehörigen der feindlichen Armee in rührendster Weise anerkannt ist." In Bensheim wurde das Schwesternhaus als Lazarett eingerichtet. Die Insassen und sonstigen Kranken wurden im Gymnasium untergebracht. Am 2. August kamen die ersten Verwundeten an, bis Jahresschluß waren es deren 169, bis 1. April, wo das Lazarett aufgehoben wurde, kamen noch 114 dazu. Die Bensheimer Schwestern erhielten ebenfalls die kaiserliche Kriegsdenkmünze zuerteilt. Auch im Großherzogtum Baden waren die Niederbronner Schwestern eifrig am Liebeswerke in den Lazaretten. In ihrem Vinzentiushaus in Karlsruhe verpflegten sie 164 Verwundete 183). In den zu Heidelberg errichteten Kriegsspitälern waren acht Schwestern tätig. In Mannheim pflegten etwa 10 Schwestern im gräflich Oberndorfschen Hause, das als Offizierslazarett eingerichtet worden war unter der Bedingung, daß die in Mannheim stationierten Niederbronner Schwestern die Krankenpflege übernähmen. Alle daran Beteiligten erhielten die großherzogliche Erinnerungsmedaille "zum Gedächtnis an die Opferwilligkeit und Hingebung durch Pflege der Verwundeten". In einem andern Mannheimer Kriegsspital wirkten unsere Schwestern, von denen einige aus Karlsruhe herüberkamen, ebenfalls. Desgleichen in Rastatt. Als hier die schwarzen Blattern ausbrachen und die davon befallenen Soldaten im Gefängnis untergebracht waren, stand ihnen Schwester Christine viele Wochen lang Tag und Nacht unermüdlich bei. Das Essen reichte man ihr zu einem Fenster herein. In Pforzheim pflegten in dem für Verwundete von Sedan errichteten Lazarett fünf Niederbronner Schwestern. Im linksrheinischen Bayern pflegte Schwester Cyrille gleich zu Beginn des Krieges zu Speyer in einem schnell errichteten Zeltspital viele Schwerverwundete; ihr wurde eine Auszeichnung zuteil. Mehrere Schwestern wirkten in dem Kriegsspital auf der Villa Ludwigshöhe. Die Oberin des Speyerer Hauses, Schwester Lucia, erhielt mit einem ehrenvollen Begleitschreiben der Kaiserin Augusta das Verdienstkreuz für deutsche Frauen und Jungfrauen und später (am 14. Juli 1871) das bayrische Verdienstkreuz. Aus dem Hause in Rülzheim pflegten zwei Schwestern in einem Schlosse zu Königsbach. In München waren ca. 15 Schwestern in der Lazarettpflege beschäftigt. Im Lehel, beim heutigen Vinzentinum, war eine Baracke aufgeschlagen worden. Nur Schwerverwundete fanden Aufnahme. Auch zwei französische Offiziere waren dabei, von denen einer am Typhus starb; der andere, aus Epinal, wurde von Schwester Januaria im Mai 1871 nach der Heimat geleitet. Graf Arco-Zinneberg nahm sich der beiden Gefangenen aufs liebevollste an. Schwester Januaria weilte während zweier Monate mit einer andern Schwester auch auf einem in der Nähe von Nürnberg gelegenen Schlosse des Fürsten von Schwarzenberg, der zahlreiche verwundete Krieger aufgenommen hatte. Auch der Fürst von Löwenstein hatte zu Wertheim auf seinem Schlosse ein kleines Lazarett eingerichtet, in dem unsere Schwestern Edessa und Amalia die Kranken besorgten. Auch im Krankenhause zu Tittmoning wurden 14 Soldaten verpflegt. 6. Im bulgarisch-serbischen Krieg von 1885 – 1886. 110 Als im Herbst 1885 der bulgarisch-serbische Krieg ausbrach, erbat die Prinzessin Luise von Battenberg, die Mutter des Fürsten Alexander von Bulgarien, durch die Vermittlung der Darmstädter Oberin Sidonia im Mutterhause Oberbronn eine Anzahl Schwestern zur Verwundetenpflege in der bulgarischen Hauptstadt Sofia, wo das Sanitätswesen sehr im argen lag. In Darmstadt, der Heimatstadt des bulgarischen Fürsten, hatte sich ein "Hilfskomitee für Verwundete und Kranke der bulgarischen Armee" gebildet unter dem Protektorat der Prinzessin Luise. Es hatte 4000 Mark gesammelt, um das Nötigste für Verwundetenfürsorge anzuschaffen, da in dem Balkanstaate es an allem fehlte. Obwohl damals das Mutterhaus nicht an überflüssigem Personal litt, gingen Superior Simonis und die ehrw. Mutter sofort auf den Wunsch der hohen Dame ein. Sie bestimmten für die mühselige Mission die Schwestern Fulrade aus Straßburg, Ado aus Mühlhausen, Antholiana aus Weißenburg, Innocentia aus Mannheim und Allyre aus Darmstadt. Die Prinzessin, zu Tränen gerührt über die prompte Willfährigkeit, sorgte in jeder Weise dafür, daß den mutigen Schwestern ihre Aufgabe erleichtert würde. Sie hatte für jede einen zweckmäßigen Pelzmantel für die lange Reise bereitliegen. Am 22. November 1885, einem Sonntag, traten die Schwestern mit zwei Diakonissen in Darmstadt die Reise an. Ein Oberförster des Fürsten, der die Reise nach Sofia schon öfters gemacht hatte, war nebst einem andern Herrn ihnen als Reisebegleiter beigegeben worden. Am Donnerstag abend kamen sie, nach einem kleinen Aufenthalt in Bukarest, in Rustschuk an. Hier übernachteten sie, um am Freitag die Reise nach Sofia zu Wagen anzutreten. Lassen wir Schwester Fulrade diese Fahrt schildern: "Wir fuhren vierspännig, je zwei Schwestern in einem Wagen. Die Reise war lang und beschwerlich, es sind 328 Kilometer von Rustschuk nach Sofia. Oft fuhren wir den ganzen Tag über öde, unbewohnte Gegenden. Wenn wir abends spät in einer Herberge anlangten, mußten wir uns selbst das Abendessen herrichten, denn Frauen haben wir nirgends welche angetroffen, ausgenommen hier in Sofia. Doch war das Wetter, Gott sei Dank, sehr günstig; wir hatten weder Regen noch Schnee, noch große Kälte, der Weg war gut bis an den großen Balkan, wo die Pferde bis an die Knie im Schlamm versanken. Wir mußten aussteigen und zu Fuß gehen. Das Wetter war prächtig, auf der Höhe des Gebirges schien die Sonne so heiß wie im Elsaß während des Monats Mai. Endlich sind wir Dienstag, den 1. Dezember, ungefähr 9 Uhr abends in Sofia angelangt, wohl sehr ermüdet, aber doch gesund. Wir übernachteten im Hotel "Bulgaria", wo wir über Mittwoch noch ausruhten. Donnerstag in der Frühe haben wir unsere Mission angetreten." Diese stellte keine geringen Anforderungen an unsere guten Schwestern. Damals befanden sich in Sofia mehr als 2000 Verwundete. Um das Elend zu lindern, waren englische und russische Schwestern erschienen, Diakonissen aus Berlin, ferner Nonnen aus drei Wiener Kongregationen, darunter 12 aus der im Jahre 1866 von Niederbronn getrennten Genossenschaft. Man wies unsern Schwestern das zu einem Lazarett umgewandelte Gymnasiumsgebäude an, in welchem sie 110 Verwundete antrafen. Vier rumänische Ärzte leiteten die Anstalt, wovon einer deutsch, die andern drei alle französisch sprachen. So war es den Schwestern leicht, sich mit ihnen über alle die Pflege betreffenden Maßnahmen zu verständigen. Zuerst hatten aber die Schwestern eine heillose Arbeit zu bewältigen, die sie mehrere Tage in Anspruch nahm: den ungeheuren Schmutz zu beseitigen, den sie überall antrafen, Ordnung und Sauberkeit in die Zimmer zu bringen, vor allem aber die Verwundeten selbst vom Unrat und den Mengen wimmelnden Ungeziefers zu säubern. Verwundert schauten die bulgarischen Krieger, welche die Notwendigkeit dieses Reinemachens schwer einsahen, diesem Tun und Treiben ihrer freundlichen Pflegerinnen zu, erkannten aber dankbaren Blickes die Wohltat sauberer Betten und 111 gebadeter Körper an. Die Schwestern bedauerten nur, sich mit diesen Männern nicht unterhalten zu können. Die selbstlose Aufopferung, das Interesse, das man ihnen hier entgegenbrachte, die rührende Pflege setzten diese einfachen, gutmütigen Menschen, die vom Schicksal nie verwöhnt waren, in Erstaunen und erweckte in ihnen eine grenzenlose Dankbarkeit. Die Leichtverwundeten wetteiferten miteinander, den Schwestern mit kleinen Dienstleistungen die Arbeit zu erleichtern. Mit einer Art religiöser Ehrfurcht verehrten sie diese Frauen, die aus dem fernen Westen kamen, um ihnen Samariterdienste zu leisten. Die Briefe der Schwestern können nicht genug das anständige, respektvolle Betragen dieser einfachen Naturkinder loben und anerkennen. Freilich, Arbeit und Entbehrung gab es in Hülle und Fülle. Als Wohnung diente ihnen ein einziges Gemach in einem Privathause. Es war Eß-, Schlaf- und Wohnzimmer und Küche zu gleicher Zeit. Zwei Schwestern verbrachten die Nächte immer in den Krankensälen. Ein großer Trost war es für sie, daß ab und zu ein Kapuzinerpater, der mit einem Ordensgenossen in Sofia ein kleines Klösterchen bewohnte, in ihrer Wohnung das heilige Meßopfer darbrachte und ihnen die heiligen Sakramente spendete. Am Weihnachtsabend konnten sie der Weihnachtsmette beiwohnen, welche der Erzbischof von Philippopel zelebrierte, und aus dessen Hand die heilige Kommunion empfangen. Der hohe Herr unterhielt sich mit ihnen eingehend und gab seiner Anerkennung, daß sie aus so weiter Ferne dem Ruf der Nächstenliebe gefolgt waren, bewegten Ausdruck. Viele Mühe kostete es den Schwestern, sich an die bulgarische Kost zu gewöhnen. Sie erhielten das Mittagessen aus dem Gasthaus; fast immer bestand es aus Büffel- und Pferdefleisch, ab und zu mit etwas Reis; Gemüse war keines aufzutreiben. Das Frühstück und Abendbrot bereiteten sie sich selbst in ihrer Wohnung, die den Ansprüchen eines zivilisierten Europäers auch nicht in allem genügen mochte. Aber die Schwestern setzten sich gerne über alle die großen und kleinen Unannehmlichkeiten hinweg im Hinblick auf das große Werk, dem sie dienten. Sie waren mit allem zufrieden. Mit köstlichem Humor schrieb Schwester Ado (12. Januar 1886): "Der Direktor vom Hause sowie die ganze Umgebung sind sehr gut für uns Schwestern; wir haben über nichts zu klagen, weder über Nahrung noch sonst etwas. Sogar in der Nacht wird uns noch vorgepfiffen von den Mäusen, sie springen oft im Zimmer auf und ab, so daß wir uns der Prügel bedienen müssen, um Ruhe zu bekommen. Unsere Buben singen und pfeifen den ganzen Tag und sind sehr gut und artig gegen die Schwestern." Und Schwester Innocentia kennzeichnet am besten die gute Stimmung, die alle beseelte: "Wie oft, liebe ehrw. Mutter, sagen wir unter uns, wenn Sie nur eine Viertelstunde bei uns weilten, Sie hätten gewiß Freude an uns Kindsköpfen. Wir sind so glücklich und zufrieden, wenn uns auch die Arbeit über den Kopf hinauswachsen will. Es ist sonderbar, der liebe Gott trägt uns nicht nur auf den Händen, er nimmt uns auch noch auf die Arme; wir verdienen es gewiß nicht, daß es uns so gut geht, es ist das fromme Gebet vom lieben Mutterhause und der ganzen Kongregation. Vielmal Vergelt's Gott! Erwidern können wir das Gebet nicht, aber wir bemühen uns, dankbar zu sein in unsern Werken, daß durch das, was wir unsern armen Tröpfen tun, der Segen über das liebe Mutterhaus herabkommen möge." In besonderer Weise nahm sich ihrer der protestantische Pfarrer Koch an, der vom Fürsten beauftragt war, danach zu sehen, daß es den Schwestern gut ergehe. Am 23. Januar verließen sie nach vielen Wochen unermüdlicher Arbeit, betrauert von ihren Pflegebefohlenen, die Bulgarenhauptstadt. Alle übrigen Schwestern und Pflegerinnen waren schon abgereist. Kurz vor der Abfahrt mußten sie bei dem Archimandriten (dem griechischen Hauptpfarrer) zu Tisch erscheinen. Ein deutscher Arzt machte den Dolmetscher. Der Geistliche ließ ihnen immer und immer wieder den 112 tiefgefühlten Dank aussprechen für alles, was sie den armen Söhnen seines Volkes getan hatten. Als sie im Spitale Abschied nahmen, weinten die rauhen Krieger und küßten ihnen wiederholt die Hände. Die Rückreise nahmen sie über Serbien; wohlbehalten kamen sie im Mutterhaus an, herzlich begrüßt von den Obern und Mitschwestern. Als Ausdruck der Dankbarkeit für die "den Kranken und Verwundeten in Sofia mit großer Umsicht, Sorgfalt und Aufopferung geleisteten Hilfe" übermittelte das Darmstädter Hilfskomitee der Hauskasse des Mutterhauses 500 Mark. Vom Fürsten Alexander aber erhielten die Schwestern alle zur Auszeichnung das bulgarische rote Verdienstkreuz. Er ahnte damals wohl noch nicht, daß er selbst in kurzer Zeit die Dienste der Darmstädter Schwestern nötig haben würde. Als er im Jahre 1887 dem bulgarischen Thron entsagen mußte und nach Darmstadt zurückkehrte, wurde er von den schwarzen Blattern heimgesucht. Die Schwestern Martiniana und Prudentienne pflegten ihn wochenlang in der aufopferndsten Weise. Um den treuen Pflegerinnen sich in besonderer Weise erkenntlich zu zeigen, wollte sie der dankbare Fürst auf seine Kosten nach Rom reisen lassen. Er fragte dieserhalb bei Bischof Haffner von Mainz an, der ihm jedoch bedeutete, nur die Generaloberin könne hier eine Erlaubnis erteilen 184). Eine persönliche Anfrage des Fürsten im Mutterhause in dieser Angelegenheit 185) wurde aber unter Berufung auf die Satzungen abschlägig beschieden. Zur bleibenden Erinnerung stiftete dann Fürst Alexander ein Glasgemälde in der Kapelle des Darmstädter Hauses, bei deren Konsekration er anwesend war. 7. Im Weltkrieg von 1914 – 1918. Nach dem Kriege von 1870/71 ist sowohl Deutschland als Frankreich die Organisation der Kriegskrankenpflege seitens der Militärbehörden und freiwilliger Vereine planmäßig ausgebaut worden. Diesen Bestrebungen stand unsere Kongregation nicht gleichgültig gegenüber. Die in Frankreich lebenden Mitglieder hatten seit 1912 ein festes Abkommen getroffen mit dem im Dienst des Roten Kreuzes stehenden, stets bereiten Kriegsspital von Anet (Eure et Loire). In Bayern schlossen sich einzelne Häuser der durch den Kgl. Bayrischen Hausritterorden vom hl. Georg geschaffenen Organisation zur Pflege verwundeter und kranker Krieger an. In Baden bestand der Anschluß an den Badischen Landesverein vom Roten Kreuz. Im Elsaß waren Vereinbarungen mit den Militärbehörden getroffen. Der gewaltige Umfang des großen Völkerkrieges stellte die Genossenschaft allerdings vor viel schwerere, größere Aufgaben, als in Friedenszeit vorgesehen war. Es ist dem Chronisten deshalb auch nicht möglich, die opfervolle, mühselige Tätigkeit der Schwestern im einzelnen zu verfolgen; er muß sich mit allgemeinen Angaben begnügen und kann, da es ihm für die ganze Kriegsdauer an anfallenden, genauen Daten fehlt, auch den zahlenhungrigen Statistiker nicht befriedigen. Es genüge die Feststellung, daß unsere Schwestern glänzend abgeschnitten haben, daß sie Bewunderungswürdiges leisteten. Zahllose dankbare Anerkennungen von Verwundeten und Kranken, von Ärzten und Lazarettvorständen aus Deutschland und Frankreich bezeugen es hinlänglich. Was D e u t s c h l a n d anbetrifft, so stellten sich sofort bei Kriegsausbruch 667 Schwestern in den Dienst der Kranken- und Verwundetenpflege. 18 Schwestern waren im Etappengebiet tätig: 12 im Kriegs-Seuchenlazarett des VII. Reserve-Armeekorps zu Lille, 2 in einem Etappenlazarett zu Grandpré im 113 Argonnenwald, 4 zu Moureaux in Nordfankreich im 7. Feldlazarett des II. bayrischen Armeekorps. Die Kongregation selbst stellte 19 Lazarette zu Verfügung: in E l s a ß L o t h r i n g e n ihre Häuser Brumath, Colmar, Mühlhausen (3), Niederbronn, Oberbronn, Pfalzburg, Saaralben; in B a d e n Karlsruhe (2), Mannheim (Alphonsushaus); in H e s s e n Darmstadt, Gießen, Worms; in B a y e r n Edenkoben, Lichtenfels, Maikammer. Insgesamt pflegten unsere Schwestern in 135 Heimatlazaretten, die wir hier aufzählen. Die eingeklammerte Ziffer gibt die Anzahl der dort stationierten Pflegerinnen der Genossenschaft an. 1. Im rechtsrheinischen Bayern. Bamberg: Reservelazarett Luitpoltsäle (10), Ordenslazarett in der Kgl. Residenz (5), Garnisionslazarett (2), Vereinslazarett Luitpoltschule (3), Reservelazarett IV Lehrerseminar (3); Faulenbach: St. Ulrichsheim (7); Freising: Vereinslazarett (3); Füssen: Vereinslazarett Seilerwarenfabrik (2), Städtisches Spital (2), Distriktskrankenhaus (3); Ingolstadt: Reserve-Garnisonslazarett Brückenkopf (6); Kronach: Kathol. Arbeitervereinshaus (3), Distriktskrankenhaus (4); Lichtenfels: Vereinslazarett Schützenhaus (1), Schwesternhaus (2); München: Vereinslazarett Antonienstraße (17), Vereinslazarett Kurzstraße (10), Vereinslazarett Dr. Decker (8), Vereinslazarett Augenklinik von Herzog Karl Theodor(11); Nürnberg: Blindenheim (2), Justizpalast (8), Turnhalle (2), Kathol. Gesellenhospiz (2), Sebastiansspital (3), Kriegsgefangene (2); St. Ottilien: Reservelazarett (9); Wolfratshausen: Winterschule (2). 2. Rheinpfalz. Deidesheim: Spital (3), Nähschule Schwesternhaus (1); Edenkoben: Schwesternhaus (3); Hardthausen: Schulhaus (1); Herxheim: Armenhaus (2); Königsbach: Rotes-Kreuz-Lazarett (2); Maikammer: Schwesternhaus (3); Neustadt: Vereinslazarett V Neustadt(2), Vereinslazarett Mußbach (1); Rheingönheim: Mozartschule (2); Schifferstadt: Schwesternhaus (3), Mühlenlazarett (2); Speyer: Priesterseminar (11), Marienheim (6), Lehrerseminar (3), Vereinslazarett (2), Vinzentiushaus (6). 3. Elsaß-Lothringen. Ammerschweier: Reservelazarett (2); Barr: Städtisches Krankenhaus (3); Bischweiler: Spital und Jutespinnerei (3); Brumath: Schwesternhaus (2); Colmar: Krankenhaus Rösselmannstraße (8), Bischöfliches Konvikt (6), St. Josephsschule (8), Drei-Ähren (2); Gebweiler: Mittelschule und Haus Schlumberger (9); Hagenau: Kaufhaus, Vereinshaus (4); Hochfelden: Reservelazarett VII Spital (2); Hüningen: Vereinslazarett (2); Kneuttingen: Lazarett De Wendel (2); Mariental: Kloster Karmel (3), Priesterhaus (2); Markolsheim: Hilfslazarett (1); Niederbronn: KlosterWaisenhaus (7), Klosterhof (2); Oberbronn: Reservelazarett Kloster (16); Oettingen: Spital (3), Gemeindelazarett (2); Mühlhausen: Krankenhaus Burggasse (22), Waisenhaus Dornach (3), Kathol. Vereinshaus Dornach (2), Arbeiterinnenheim Thenardstraße (3); Pfalzburg: Vereinslazarett Schwesternspital (5); Reichshofen: Reservelazarett (1); Saaralben: Schwesternkrankenhaus (2); Schlettstadt: Reservelazarett Gymnasium (4); Saarunion: Städtisches Krankenhaus (4); Straßburg: St. Odilienkrankenhaus (28), Garnisonslazarett I (35), Ledigenheim (4), Neuhof (4), Bahnhof (4); St. Ludwig: Vereinslazarett (5); Wanzenau: Reservelazarett (2); Wasselnheim: Städtisches Krankenhaus (4); Weißenburg: Reservelazarett (1); Zabern: Knabenschule (12), Garnisonslazarett (2), Höhere Töchterschule (5), Vereinshaus (2), Missionshaus (1). Dazu kommen noch 16 Lazarette in der Nähe des Operationsgebietes, in denen nur vorübergehend Verwundete gepflegt wurden, die direkt aus den Gefechten gebracht worden waren. Erwähnt sei nur das Bischöfliche Gymnasium Zillisheim, das im Anfang des Krieges bewegte Tage sah. Sonntag, den 9. August, brachte man die ersten Kranken und verwundeten Franzosen in das Haus. Nach zwei Tagen erschienen die deutschen Truppen, von denen viele Hunderte im 114 Gymnasium Quartier und Verpflegung fanden; etwa 80 Mann mußten wegen Hitzschlag oder Marschunfähigkeit im Lazarett behandelt werden. Am 19. August kam es dann in der Nähe zu einem Gefecht mit den aus Belfort anrückenden Truppen. Mehr als 1200 schwerverwundete Krieger, meistens Franzosen, wurden in das Haus gebracht; die Schwestern des Hauses, die geistlichen Professoren, mehr als 20 französische Ärzte hatten Tag und Nacht vollauf zu tun, um das namenlose Elend zu lindern. Nach einigen Tagen wurden die transportfähigen Verwundeten weiterbefördert, und Ende August waren nur noch wenige Kranke vorhanden. Wenige Tage darauf räumten die französischen Truppen die Gegend. 4. Im Großherzogtum Baden. Baden-Baden: Landesbad (8); Breisach: Festungshilfslazarett Ihringen (6) und Lilienhof (3); Ettlingen: Reservelazarett (12); Freiburg: Reservelazarett Werderschule (11), Karlsschule (12), Kunstfesthalle (14); Gernsbach: Vereinslazarett (2); Karlsruhe: Vereinslazarett Neues Vinzentiushaus (14), Altes Vinzentiushaus (10), Reservelazarett Lehrerseminar I (14), Privatlazarette St. Elisabethenhaus (3) und Herz-Jesu-Stift (5); Mannheim: Vereinslazarett St. Alphonsushaus (3), St. Josephshaus (7); Oberkirch: Vereinslazarett Spital (2), Altes Schulhaus (2); Schwetzingen: Schloß (12); Wertheim: Hotel Held (2); Wiesloch: Vereinslazarett (2); Waldkirch: Realschule (2). 5. Großherzogtum Hessen. Bensheim: Vereinslazarett Spital (11); Darmstadt: Schwesternhaus (15), Frauenklinik (3), Haus Hachenberg (1), Hochschule (1), Seuchenlazarett (1); Dieburg: Vereinslazarett (1); Friedberg: Blindenanstalt (3); Gießen: Schwesternkrankenhaus (4), Garnisonslazarett (5); Großsteinheim: Kreiskrankenhaus und Schloß (7); Heppenheim: Vereinslazarett (4); Oppenheim: Vereinslazerett Kasino (1); Seligenstadt: Kreiskrankenhaus (5), Reservelazarett Riesensaal (3); Viernheim: Vereinslazarett Spital (4); Worms: Hilfslazarett St. Martinsstift (6), Vereinslazarett Turnhalle (2). 6. Großherzogtum Luxemburg. Rümelingen: Krankenhaus (1), Vereinshaus (1), Grube Steinberg (1). Im weiteren Verlauf des Krieges wurden viele dieser Lazarette aufgelöst. Die Zahl der ausgebildeten Laienpflegerinnen wurde immer größer, so daß nach und nach viele Schwestern wieder in ihren alten Beruf, wo sie nötiger waren denn je, zurückkehren konnten. Viele hatten sich auch aufgerieben im harten Dienst und bedurften der Ruhe. Am 1. Januar 1917 verteilten sich noch 416 Schwestern auf 90 Lazarette, 12 waren noch in der Etappe tätig. Ein ungefähres Bild von der geleisteten Arbeit geben folgende Gesamtziffern: Bis zum 1. Januar 1917 belief sich der Kriegsdienst der deutschen Schwestern auf 347541 Tagespflegen und 43493 Nachtwachen. Auch in den Reihen der Schwestern forderte der harte Krieg seine Opfer. 22 starben infolge von Krankheiten, die sie sich während ihres Dienstes in den Lazaretten zugezogen hatten. Ihre Namen seien der Nachwelt aufbewahrt: Es starben im Jahre 1915 die Schwestern: A r b o g a s t a (gest. 29. September zu Hemsbach), E m a s i a (gest. 9. Oktober zu München); im Jahre 1916: F r i e d b e r t a (gest. 17. Januar zu Oberbronn), F l o r i a n e (gest. 13. Februar zu Oberbronn); im Jahre 1917: X a v e r i n e (gest. 5. Januar zu Straßburg), T h e r m a (gest. 26. Januar zu München), A n a c l e t a (gest. 17. Januar zu Füssen), A r s a c i a (gest. 9. Juni zu Straßburg), C l i c e r i a (gest. 27. April zu Oberbronn); im Jahre 1918: D e l p h i n a (gest. 4. Februar zu Straßburg), G e r a s i m a (gest. 1. November zu Mannheim), D a n i e l (gest. 23. Oktober zu Straßburg), I t h e r i a (gest. 115 23. November zu Oberbronn), C a r o l a (gest. 18. Dezember zu Karlsruhe), A c a c i a (gest. 27.Oktober zu Straßburg); im Jahre 1919: C a t h a r i n a und P o t a m i a n a (beide gest. 1. Februar zu Darmstadt), B e r b e l i a (gest. 3. März zu Fürstenfeldbruck), F e r n a n d a (gest. 6. März zu Bamberg), K i l i a n a (gest. 29. August zu Bamberg); im Jahre 1920: N o t b u r g i s (gest. 10. Januar zu Oberbronn). Außerdem erkrankten 60 weitere Schwestern im Dienste, konnten sich aber größtenteils wieder erholen. Mit der Kranken- und Verwundetenpflege ist die karitative Kriegsarbeit der Genossenschaft nicht erschöpft. Es wurden beträchtliche Mengen erwärmender Kleidungsgegenstände angefertigt und ins Feld geschickt, desgleichen Liebespakete und erbauliche Schriften. Obdachlose Flüchtlinge erhielten in den elsässischen Häusern Herberge und Zehrung. Durchziehenden Truppen wurden Erfrischungen gereicht. Zahllose Kriegerkinder fanden Aufnahme und Verpflegung in unsern Kinderbewahranstalten und Krippen. An einzelnen volkreichen Orten übernahmen die Schwestern die Säuglingspflege der Kriegsfürsorge und verabreichten armen Wöchnerinnen kräftige Nahrung. In Frankreich zeigt sich dasselbe Bild opfervoller Tätigkeit. Über 200 Schwestern waren im Lazarettdienst tätig. Sie verteilten sich am Anfang des Krieges auf folgende Orte: Anet (eure et Loire), Bar-sur-Aube, Belfort (Militärlazarett, Seuchenlazarett, Retenans, Morvillars), Châtillon-sur-Seine, Celles-sur-Plaine, Dijon, St. Dizier (Haute Marne), St. Dié, St. Ay (Loiret), Fontenay-sous-Bois, Le Héron (Seine infer.), Le MesnilFontenay (Seine et Oise), Laneuveville-les-Raon (Vosges), La Norville (Seine et Oise), Lunéville, Le Perreux (Seine), Nancy (Clinique Vautrin, Hôpital auxiliaire 3 und 14), Schloß Les Perrais, Paris (Rue Bizet und Hôpital des Quinze-Vingts), Romilly-surSeine, Rimogne (Ardennes), Roubaix (Ambulances Ségur, St. Louis, Haumont), Savigny-sur-Orge (Seine et Oise), Solesmes (Benediktinerabtei), Raon I’Etape (Etappenlazarett), Reims, Pont-à-Mousson, Châlons-sur-Marne, Langres; im besetzten Elsaß: Moosch, Malmerspach, Dammerkirch; in Belgien: Lüttich und Anderlecht. An Kriegsopfern sind zu beklagen: Schwester J g n a c e , am 4. Januar 1916 zu Moosch von einer Granate getötet und auf dem Militärfriedhof daselbst beigesetzt. Infolge Erkrankung im Lazarettdienst verschieden die Schwestern: im Jahre 1915: O c t a v i e (gest. 7. März zu Paris); im Jahre 1916: B e r c h m a n s (gest. 5. Januar zu Darney, Bosges), A n t o n i a (gest. 9. September zu Nancy); im Jahre 1918: H e r m e l a n d a (gest. 1. August zu Malmerspach), I s a i e (gest. 4. Dezember zu Darney), M . H e n r i e t t e (gest. 4. Juni zu Solesmes); im Jahre 1919: B e r n a d e t t e (gest. 31. Januar zu Paris), P h i l i p p i n e (gest. 19. März zu Paris), J u c o n d i n a (gest. 21. Februar zu Belfort); im Jahre 1920: M . J o s e p h (gest. 5. April zu Oberbronn). Auch in der Kriegsfürsorge der Heimat leisteten die französischen Schwestern Beträchtliches. Vor allem nahmen sich die in der Nähe der Kriegszone gelegenen Häuser der zahllosen Flüchtlinge an, die bei den großen Offensiven das Hinterland aufsuchen mußten. Durchziehende Soldaten wurden erquickt, Verwundeten die Verbände erneuert. Kleidungsstücke für Krieger wurden ausgebessert. Viel wurde für Kriegswaisen getan. In Belgien widmeten sich die Häuser von Anderlecht und Brüssel (Rue Clemenceau) über die Kriegsdauer hinaus diesem Liebeswerk. So hat auch im großen Weltkrieg die Genossenschaft den schweren Anforderungen, welche die Not der leidenden Menschheit an sie stellte, in glänzender 116 Weise genügt. Eine große Anzahl von Schwestern hüben und drüben sind mit Auszeichnungen bedacht worden. Zweites Kapitel. Im Kampfe gegen verheerende Volksseuchen. 1. Die Choleraepidemien im Jahre 1854 und 1855. Die Liebe ist stärker als der Tod. Die wahre Nächstenliebe, die aus der übernatürlichen Gottesliebe hervorgeht, scheut auch die Todesgefahr nicht, wenn es gilt, dem gefähr-deten Nebenmenschen beizustehen. Die pflichttreue Krankenschwester tritt furchtlos und opfermutig an das Bett auch solcher Kranken, die mit ansteckenden Übeln behaftet sind. Sie weiß, daß sie nur der Pflicht ihres selbsterwählten Berufes gehorcht, daß ihr Leben in Gottes Hand steht, dem sie es restlos geweiht hat. Sie eilt mit Freuden auch an das Lager jener, vor denen der gewöhnliche Mensch mit Angst und Schrecken zurückweicht, weil ihn der Ekel vertreibt oder Ansteckungsfurcht zurückschaudern läßt, etwa an das Bett eines Cholerakranken. Die Cholera! Es gab eine Zeit, wo schon dies bloße Wort starken Schrecken verbreitete; damals, als die schreckliche Seuche ganze Gegenden verheerte und Städte und Dörfer entvölkerte, wo sie als unheimlicher Gast aus Asien einwanderte und den Westen Europas überrumpelte. Im Jahre 1830 drang sie bis Polen vor, dann immer weiter nach Westen. 1849 suchte sie zum erstenmal das Elsaß heim und forderte in der Stadt Straßburg 173 Opfer 186). Fünf Jahre später trat sie aber mit größerer Wucht auf, sowohl im unteren wie im oberen Elsaß und in den benachbarten Vogesengebieten. Am meisten wurden die armen Bevölkerungskreise heimgesucht. Der seit Jahren anhaltende schlechte Geschäftsgang in der Industrie hatte große Armut und Not in weitere Kreise getragen, und gerade hier, wo es an richtiger Ernährungsweise fehlte, fand die furchtbare Krankheit einen günstigen Boden. Da kamen die Töchter der jungen Niederbronner Genossenschaft als rettende Engel, um die von allen verlassenen Cholerakranken in schnell eingerichteten Spitälern oder in ihren armseligen Behausungen zu verpflegen. Die staatlichen Behörden wußten nichts Besseres zu tun, als Niederbronn um Hilfe anzugehen. Wir haben schon früher die rührenden Worte mitgeteilt, welche Mutter M. Alphons zum Abschied an ihre Töchter richtete, die nach allen Richtungen hinauszogen, um die verseuchten Orte aufzusuchen. Da war es zunächst Straßburg, wo die fürchterliche Krankheit ganz heftig auftrat. Bischof Räß, der unerschrocken von Krankenbett zu Krankenbett eilte 187), gab mit vielen Mitgliedern der Geistlichkeit ein leuchtendes Beispiel des Opfermutes, dem unsere Schwestern unerschrocken folgten 188). Schwester Mathilde, André, Eugenie erhielten später vom Präfekten des Departements öffentliche Belobigungen 189). Schnell gewöhnten sich die jungen Schwestern an die schrecklichen Szenen, welche diese Seuche mit sich brachte. Von Schlettstadt erzählte Schwester Bonaventura, daß sie vier Wochen lang in kein Bett kam und oft so müde war, daß sie über den Toten einschlief. Auch im nahegelegenen Kestenholz, in welchem das Übel unverhältnismäßig viele Leute wegraffte, eilten unsere Schwestern von Haus zu Haus. Ihrer unermüdlichen Pflege verdanken viele die Genesung. Von Gerstheim berichtete der Herr v. Bancalis den Obern, daß von den im Dorfe auftretenden Cholerafällen keiner tödlich verlief, dank der verständnisvollen, unermüdlichen Pflege der Schwestern. 117 Auch in Colmar wütete die furchtbare Krankheit vom 9. August bis 4. November in unheimlicher Weise: 339 Menschenkinder hat sie in dieser kurzen Zeit vernichtet. Die davon Befallenen spürten zuerst eine drückende Schwere im Kopf, dann wühlenden Schmerz im Unterleib; Durchfall und heftiges galliges Erbrechen stellten sich ein; entsetzliche Krämpfe in den Wadenmuskeln, auch in der Brusthöhle erschütterten den ganzen Körper, der meist nach und nach von einer eisigen Kälte befallen wurde. Oder die Cholera trat ganz plötzlich in einer mehr trockenen und nervösen Form auf, ohne die üblichen Begleiterscheinungen des Durchfalls und Brechens; ein fürchterlicher Krampf legte sich auf die Brust und verrenkte die Glieder in schrecklichen Zuckungen. Schwindel und Herzklopfen befiel die armen Opfer, die von furchtbarer Angst geplagt wurden 190). Der Puls wurde immer schwächer, die Kranken verfielen im Gesicht, die Augen sanken tief ein, der Körper bedeckte sich mit klebrigem Schweiß, die Stimme wurde heiser, so daß die Kranken nur noch lispeln konnten. Die Haut nahm eine blaugraue Färbung an, die Krämpfe wurden heftiger, furchtbarer Durst, Brennen im Mund und eine unerträgliche Hitze im Magen erhöhten die Schmerzen des Kranken, der bis zur Auflösung bei voller Besinnung blieb; eine hochgradige Gleichgültigkeit gesellte sich zu diesem Zustand. Wenn nicht eine kräftige Reaktion im Körper auftrat, erfolgte der Tod rasch 191). Die Regierung ergriff alle damals üblichen Maßregeln; sie ließ an die arme Bevölkerung wegen der herrschenden Lebensmittelteuerung während der Dauer der Krankheit täglich eine kräftige Fleischsuppe austeilen 192). Für die Zeit der Epidemie wurde die Zahl der Niederbronner Schwestern, die seit 1853 in der Stadt eine Niederlassung hatten, von vier auf acht erhöht. Sie pflegten an zwei Orten die Cholerakranken, bei den Brüdern und im alten Unterlindenkloster. Hier waren ständig 40 Kranke untergebracht. Schwester Caritas, damals im jugendlichen Alter stehend, pflegte mit einer Magd diese Kranken allein. Zwei Schwestern einer andern Genossenschaft, welche mithelfen wollten, trieben die furchtbaren Szenen bald wieder von dannen 193). Sechs Wochen lang hat die tapfere Schwester den Ort des Grauens nicht verlassen. 27 Nächte kam sie in kein Bett. Helfend und tröstend wandelte sie von einem Krankenlager zum andern, wischte hier den klebrigen, übelriechenden Schweiß von einer eiskalten Stirne, hielt dort die in gräßlichem Krampfe zuckenden Glieder fest, half den im Todeskampf Röchelnden die letzten Gebete verrichten, reinigte das Lager des einen vom ekelerregenden Unflat und suchte bei einem andern, dessen Körper in Eiseskälte erschauerte, die fliehende Wärme zurückzurufen. Oft griff sie mit dem Arzte zu verzweifelten Mitteln, um dies zu erreichen; man bettete die Ärmsten in eine Kiste voll erhitzten Sandes, und sehr oft trat dann eine wohltätige Reaktion ein. Aber bei vielen, vielen war alles Bemühen vergebens, in wenigen Stunden wurden sie eine Beute des Todes. Es kam vor, daß Schwester Caritas mit der Magd während einer einzigen Nacht acht Leichen in den Keller trug. Eine grausige Szene ist ihr im Gedächtnis haften geblieben: sie hatte soeben einen Toten im Keller aufgebahrt, als dessen Arme und Beine sich noch einmal in wilden Zuckungen bewegten; zu Tode erschrocken, weckte sie den Arzt, der aber nur das eingetretene Ableben feststellen konnte. Das schreckliche Krankheitsgift hatte in dem abgestorbenen Organismus nachgewirkt 194). In der Brüderanstalt war das Elend nicht minder groß. Schwester Juconde, die dort pflegte, erzählte oft, daß die Kranken so rasch nacheinander starben, daß sie die Leichen nicht schnell genug auf dem Rücken in die Totenkammer schleppen konnte. In der Ratssitzung vom 31. Oktober 1854 lobte der Bürgermeister von Colmar den "wahrhaft wunderbaren Opfermut" der Niederbronner Schwestern öffentlich und stiftete ihrer Niederlassung zum Zeichen des Dankes 500 Franken. Desgleichen bat der Präfekt des Oberrheins den Bischof Räß, der Generaloberin im Namen der Regierung 118 für die heldenmütige Aufopferung der Colmarer Schwestern zu danken 195). Schwester Timothée aber war der Seuche zum Opfer gefallen, Schwester Adelinde, die bereits angesteckt war, genas wieder. Anfang Oktober verlangte der Präfekt des Oberrheins durch Bischof Räß zwei weitere Schwestern für die von der Cholera heimgesuchte Gemeinde Beaucourt (Kanton Delle) 196). Der böse Gast wich aber bald aus diesem Dorfe. Die Schwestern konnten wieder abreisen, zum großen Bedauern des Pfarrers, der sich nicht lobend genug aussprechen konnte über den Segen, den sie während ihrer kurzen Anwesenheit verbreiteten. "Katholiken und Protestanten, Ungläubige und fromme Christen, alle mußten dem Eifer und dem Opfergeist der guten Schwestern Anerkennung zollen." 197) Der Bürgermeister Mény von Belfort erhielt auf sein dringendes Begehren ebenfalls zwei Schwestern, die sich in der Pflege der Cholerakranken rühmlich auszeichneten. Auch im Departement der Vogesen (Vosges) rief man die Hilfe Niederbronns an gegen die auftretende Cholera. Der Präfekt von Epinal begehrte nicht weniger als 20 Schwestern, von denen 10 nach Mirecourt, 10 nach Neuf-Château sich begeben sollten (Epinal, 20. August). Mutter M. Alphons willfahrte bereitwilligst dem Wunsche, konnte aber nur acht Schwestern entbehren. Von Neuf-Château und Mirecourt aus verteilten sich die Schwestern auf die umliegenden Ortschaften. Die Unterpräfekten dieser beiden Kreise waren des Lobes voll für die allen Anstrengungen und Gefahren trotzenden Krankenpflegerinnen 198). Der Pfarrer Thouvenet von Valfroicourt (Kanton Vittel), wo zwei Schwestern den Cholerakranken beistanden, überhäuft ihr Wirken mit den höchsten Lobsprüchen 199). Anfang August erbat auch die Regierungsbehörde des Moseldepartements Niederbronner Schwestern. In Mars-la-Tour und einigen andern Orten in der Umgebung von Metz war ebenfalls die Seuche aufgetreten, wenn auch nicht im größeren Umfange. Weil aber die Bevölkerung von einer Panik ergriffen war, hielt es die Behörde für angebracht, durch Entsendung von Schwestern beruhigend zu wirken. Zunächst wurden vier Schwestern nach Mars-la-Tour geschickt und zwei nach Waville (Kanton Gorze). Der Bürgermeister dieses letzten Ortes fühlte sich veranlaßt, dem Präfekten für die Wohltat dieser Entsendung zu danken und ihn zu bitten, diesen Dank auch der Kongregationsleitung zu übermitteln: "Ohne die schnelle Hilfe, welche die Schwestern Tag und Nacht den Kranken angedeihen lassen, wären schon viele gestorben. Sie erfüllen ihre Sendung mit aller Hingebung, welche nur der größten Liebe entspringt. Sie ersetzen zugleich den Arzt durch die Ratschläge, die sie den Kranken geben, und dank ihrer Fürsorge ist bis jetzt nur eine geringe Zahl der Seuche erlegen. Jedermann fürchtete sich vor ihr, und niemand wagte den Cholerakranken zu nahen, nur sie allein schauderten vor keinem Falle zurück. Mit einem Wort, die Schwestern sind der höchsten Achtung und des größten Lobes würdig." 200) Und als die Seuche, zu der sich noch ein ansteckendes, bösartiges Schweißfieber gesellt hatte, vorüber war, schrieb der Pfarrer von Waville an die ehrw. Mutter 201) folgende begeisternde Lobesworte, die der Geschichtschreiber der Genossenschaft der Nachwelt nicht vorenthalten darf: "Ich danke dem Vater der Barmherzigkeit, der mir zu Beginn meiner seelsorgerlichen Tätigkeit das erbauliche und trostreiche Schauspiel der Hingebung und Frömmigkeit der Schwestern Francisca und Agape gewährte. Ja, ehrw. Mutter, ich bin in der glücklichen Lage, Ihnen sagen zu können, daß Ihre zwei Kinder während des Aufenthalts in Waville sich als würdige Töchter des göttlichen Erlösers gezeigt haben. Ohne Rast und Ruhe haben die beiden Schwestern den zahlreichen Kranken meiner großen Pfarrei die eifrigste Fürsorge angedeihen lassen. Mit der zärtlichen Sorgfalt einer Mutter weilten sie am Bette der Betrübten, schreckten vor keinem Opfer zurück, verrichteten die niedrigsten Dienste und unterzogen sich mit wahrer Freude allem, wovor bei einer so schrecklichen Krankheit die Natur zurückschaudert. Wie wohl tat es, sie beim 119 Liebeswerke zu beobachten, bei dem sie weder an Gesundheit noch an Nahrung und Ruhe dachten! Wie oft waren die Nächte Zeugen ihres Opfermutes! Ein bißchen Schlaf schien ihnen, deren Körper durch die Mühsale eines langen Tages ermattet war, schon zuviel. Was aber am meisten Freude gewährte, waren ihre tröstenden, heiligen Gespräche. Ihre Worte des Glaubens drangen in die Seelen ein und trösteten wunderbar die Sterbenden. Wenn ich wußte, daß eine Schwester bei Todkranken weilte, konnte ich ruhig schlafen. Stets waren die Schwestern an meiner Seite, wenn ich den Sterbenden die heiligen Sakramente reichte, ermunterten sie und halfen auch die Toten begraben. Bei aller Arbeit, die sie erschöpfte, schienen die Schwestern immer wohlauf zu sein." In gleich lobenden Ausdrücken ergeht sich der Pfarrer von Loisy bei Pont-à-Mousson, der ebenfalls zwei Schwestern zur Cholerapflege in seiner Gemeinde gehabt hatte; er spricht mit Rührung und Dank von ihrer "grenzenlosen Hingebung und wunderbaren Abtötung" 202). Unter den Schwestern, die von Pont-à-Mousson aus die umliegenden Ortschaften bedienten, zeichnete sich namentlich Schwester Gabriel aus. Als öffentliche Anerkennung für diese Dienstleistungen im bösen Cholerajahre bekam die Genossenschaft von den Präfekten des Vogesen- und Moseldepartements im Namen des Kaisers eine Bronzemedaille zugestellt 203). Die Colmarer Schwestern erhielten zum Zeichen des Dankes vom fanzösischen Kultusministerium eine Gratifikation von 300 Franken 204). Der Präfekt des Niederrheins dankte dem Bischof von Straßburg im Namen der Regierung für die opfervollen und mutigen Dienste, welche der Klerus, die Barmherzigen Schwestern und die Niederbronner Genossenschaft in den schweren Tagen der Cholera der leidenden Menschheit geleistet haben 205). Der "Niederrheinische Kurier" aber, das offizielle Regierungsblatt von Straßburg, feierte in einem begeisterten Lobartikel auf die Tätigkeit des katholischen Klerus während der Cholerazeit auch in gebührender Weise die Verdienste der jungen Niederbronner Genossenschaft, die auf diese Weise einen geradezu glänzenden Beweis für ihre Existenzberechtigung gegeben habe 206). Bischof Räß, dem die schnelle Entfaltung der Kongregation so sehr am Herzen lag, wußte die Aufopferung der Schwestern wohl zu schätzen. Um sich genauer zu unterrichten über das, was sie im Dienste der Liebe in den Choleramonaten geleistet hatten, begehrte er von der ehrw. Mutter die Berichte, welche die Schwestern etwa nach Hause geschickt hätten. Er erhielt darauf (1. Dezember 1854) von ihr folgendes Schreiben, welches einesteils ihre demütige Gesinnung in helles Licht stellt, andernteils aber ein anschauliches Bild liefert von der heldenmütigen Aufopferung der jungen Schwestern und dem vortrefflichen Geiste, von dem die Genossenschaft in ihrer Wiegenzeit beseelt war. "Was die Berichte der Schwestern betrifft, so haben wir diese nicht aufbewahrt; sie haben sich meistens damit begnügt, uns den Zustand ihrer Gesundheit und ihren Aufenthaltsort mit wenigen Worten anzugeben, welche die Eile, die sie hatten, zugleich aber auch ihren Mut und ihre Entschlossenheit kundgaben. Erlauben mir Ew. Bischöflichen Gnaden, derselben hier zu bemerken, daß ich, die eitle Ehre und das Wohlgefallen an sich selbst wie das Feuer fürchtend, bei der Bildung und Leitung der Schwestern beständig dahin arbeite, daß dieselben recht viel an Gott und an die treue Erfüllung ihrer Berufspflichten denken, auf dasjenige aber, was sie gewirkt und geleistet haben, nur insofern achten, um das Fehlerhafte, das sich dabei einschlich, zu vermeiden und zu verbessern. Indessen kann ich nicht umhin, meine geistlichen Töchter auf die Gnaden, die ihnen von oben zufließen, aufmerksam zu machen, damit ihr Mut und ihre Entschlossenheit vermehrt und ihre Dankbarkeit gegen Gott angeregt werde, damit sie sich immer mehr an ihn anschließen und ihm allein in allem die Ehre geben. Ich kann also Ew. Bischöflichen Gnaden über die Dienstleistungen der Schwestern keinen andern Bericht zusenden als denjenigen, der mir mündlich von 120 ihnen mitgeteilt wurde, und was ich mit eigenen Augen gesehen habe. Als die 18 Schwestern, die nach Lothringen gesandt wurden, nach und nach zurückkamen, war ihr Gewand - das einzige, welches eine jede mitgenommen hatte - zwar nicht unreinlich, doch so übelriechend, daß es gleich gewaschen werden mußte. Sie erzählten mir, daß in manchen Orten, wo 50-60, ja oft noch mehr Kranke hart daniederlagen, wo ganze Familien ausstarben und wo nur eine oder zwei Schwestern sich befanden, diese Tag und Nacht auf den Füßen gewesen, von einem Haus zum andern geeilt und oft 5-6 Tage nicht zu Bett gekommen seien. Am Lager der Kranken und Sterbenden aber seien sie manchmal sowohl im Gesicht als am Gewande vom Erbrechen der Kranken über und über mit Unflat bedeckt worden, ohne für sich mehr tun zu können, als Gesicht und Kostüm schnell mit einem Tuche abzuwischen und alsdann mit erneutem Eifer ihre Liebesdienste fortzusetzen. 'Empfandet ihr denn keinen Ekel, keinen Widerwillen?' fragte ich. 'Jawohl', antworteten sie, 'wir schauderten oft zurück, allein der Gedanke, es gilt hier die Rettung der Seelen, ermunterte uns bald wieder. Da rief einer: Helft, Schwester, helft, damit ich nicht zugrunde gehe; schon zehn Jahre sind verflossen, seitdem ich nicht mehr gebeichtet habe, und jetzt muß ich sterben! Dort schrie ein anderer: Ach, verlaßt mich nicht in der Gefahr ewigen Untergangs; schon seit drei Jahren habe ich die heiligen Sakramente nicht mehr empfangen und stehe jetzt an der Pforte der Ewigkeit! Manche wollten vom Beichten nichts reden hören und waren zuerst wie verstockt, gingen aber doch endlich in sich und wurden mit den heiligen Sakramenten versehen.' "Kaum waren die sechs letzten Schwestern erschöpft und ermattet heimgekehrt, so erhielt ich das Begehren des Präfekten 207), ihm 20 unserer Schwestern zu senden. Dies war nicht möglich. Da aber diese sechs mich inständig baten, sie hinzuschicken, willfahrte ich ihrem Verlangen. Solche und ähnliche Vorgänge und Berichte haben mich mehrmals veranlaßt, Gott innigst zu danken, daß er den guten Kindern so wunderbar beigestanden, sie so mächtig gestärkt und ihre Mühe und Arbeit so reichlich gesegnet hat, und ihn zu bitten, dieselben nur vor eitler Ehre zu schützen, wie er sie vor Ansteckung und Furcht vor der Krankheit bewahrt hat." Im folgenden Jahre 1855 wurde das Elsaß abermals von der schrecklichen Seuche heimgesucht. Zwar forderte sie nicht so viele Opfer wie im Vorjahre, wütete dafür aber um so stärker in Gegenden, die vorher verschont geblieben waren, vor allem in Niederbronn und seiner Umgebung. Da erwies sich abermals die Genossenschaft als ein wahrer Segen. Tag und Nacht pflegten die Schwestern die in fürchterlichen Krämpfen sich windeten Kranken zu Niederbronn und Reichshofen 208). Die Schwestern Vitalis (aus Rufach) und Praxedis (aus Niederschäffolsheim) ließen dabei ihr junges Leben. Für die vielen verwaisten Kinder gründete Mutter M. Alphons das Waisenhaus zu Neunhoffen 209). Auch in Hagenau und Schlettstadt gab es für die Schwestern reichlich Arbeit 210). Besonders stark war Mühlhausen im Oberelsaß betroffen. Unsere Schwestern, die seit kurzem (1853) hier ansässig waren, erregten durch ihre Selbstlosigkeit hohe Bewunderung. Zwei wurden vom Bürgermeister der Gemeinde Pfaffenheim, wo die Seuche mehr als 100 Opfer hinwegraffte, gerufen. Auch die Stadtverwaltung von Sulz (Oberelsaß) ließ zwei Schwestern zur Cholerapflege kommen 211). Für besonders aufopfernde Pflege im Oberelsaß erhielten vom Ministerium zu Paris die Schwestern Libère und Thecla Belobigungen 212). Im Jahre 1856 machte sich die Cholera immer noch bemerkbar. So in Neundorf bei Basel, wo die Schwestern Emanuel und Benedicte 213) die Kranken besorgten. Viele verwaiste Kinder fanden im Waisenhaus der Mühlhauser Niederlassung Aufnahme. 1857 begehrte die Gemeinde Sulzmatt zwei Schwestern für die Cholerakranken. 121 2. Die Choleraepidemien von 1866 und 1873. Dem deutsch-österreichischen Kriege von 1866 folgte als unheimlicher Gast die Cholera durch die deutschen Gaue 214). Der unterfränkische Kriegsschauplatz war besonders stark heimgesucht. Nicht weniger als 14 Schwestern wurden von Darmstadt aus nach Aschaffenburg, Neubrunn, Lohr und andere fränkische Orte gebracht, wo teils die Feldtruppen teils die Ortseinwohner von der Seuche zu leiden hatten. In dem Städtchen Rothenfels bei Würzburg pflegte Schwester Bonaventura mit zwei andern Schwestern cholerakranke Soldaten; dank ihren Vorsichtsmaßregeln griff die Seuche nicht um sich. Mit dem Segen Gottes, so schrieb der Ortspfarrer Barthelme ins Mutterhaus (8. Februar 1867), kamen wenige Erkrankungsfälle vor, und die Schwerkranken wurden durch die liebevolle, sorgfältige Pflege größtenteils wieder geheilt. Auch ins Hessische griff die Krankheit über. Nach Fehlheim, einer Filiale der Pfarrei Bensheim, wurden im September die Schwestern Landelina und Cyprian von Darmstadt aus gerufen. In dem kleinen Orte hatte der Schrecken die Menschen völlig gelähmt. Bei Ankunft der Schwestern lagen drei Tote schon einige Tage unbeerdigt in den Häusern, weil aus Furcht vor Ansteckung niemand sie zu beerdigen wagte. Zuerst mußten die Schwestern die Leichen in die Särge schaffen, ehe sie ihr Wirken beginnen konnten. 35 Personen waren von der Seuche befallen, und kein Arzt war am Orte ansässig. Abwechselnd kamen zwei Ärzte von Bensheim und gaben den Schwestern die nötigen Medikamente. Um die Schwestern selbst kümmerte sich keine Behörde. Ein mitleidiger Bürger stellte ihnen eine Kammer mit einem Strohsack und einem Stuhle zur Verfügung; der Lehrer Selbst sorgte für ihre Nahrung. Am 21. September mußte Schwester Cyprian durch Schwester Urban abgelöst werden, weil sie selbst angesteckt worden war; doch kam sie mit dem Leben davon. Nach Heppenheim wurde die schreckliche Krankheit durch preußische Exekutionstruppen verschleppt. Damals weilten drei Schwestern im Orte. Sie bekamen Cholerakranke ins Armenhaus, welche Schwester Nympha pflegen mußte, während die beiden andern Schwestern Ursuline und Flaminia die übrigen Kranken im Schulhause pflegten. Schwester Nympha ist ein Opfer ihres Berufes geworden. Eines Morgens besuchte sie um fünf Uhr die heilige Messe, mußte aber während derselben infolge plötzlichen Unwohlseins die Kirche verlassen. Am Nachmittag war sie bereits eine Leiche. Seltsam ist der Umstand, daß im folgenden Jahre ihre eigene Schwester, Schwester Lintrudis, in Mühlhausen ebenfalls der Cholera zum Opfer fiel. Wenn die Epidemie in dieser Stadt auch nicht so stark um sich griff wie im Jahre 1855, so verliefen dafür die meisten Fälle tödlich. Die Schwestern aus der Niederlassung in der Burggasse scheuten auch diesmal keine Gefahr und standen unermüdlich den Kranken und Sterbenden bei. Die junge Schwester Lintrudis, die erst vor vier Wochen ihre Profeß abgelegt hatte, kam eines Morgens früh von einer Nachtwache nach Hause, schon den Todeskeim in sich tragend. Ihre Füße trugen sie kaum mehr, sie war, als sie anlangte, bereits ganz blau, und noch am selben Abend war sie eine Leiche. Sie war das letzte Opfer, das die Seuche in der oberelsässischen Industriestadt forderte. Unter großer Teilnahme der Bevölkerung wurde sie zu Grabe getragen, und der damalige Stadtpfarrer Sester sprach in der ergreifenden Leichenrede den Gedanken aus, daß Gott vielleicht von der unschuldigen Schwester für die Stadt Mühlhausen das Opfer ihres jungen, frühvollendeten Lebens abforderte. Im Jahre 1866 wurde auch Luxemburg teilweise heimgesucht. Mehrere Schwestern wurden begehrt. So war Schwester Richardis in der Gemeinde Monnerich 122 sehr segensreich tätig. "Ihr Andenken", schrieb der Ortspfarrer (13. September 1866), "wird noch lange unter uns fortleben. Kaum war die gute Schwester am Krankenbette tätig, so hatte sie durch ihre Aufopferung und ihr Gebet mit den Kranken der Krankheit die Spitze abgebrochen." In Bettemburg pflegten die aus früherer Zeit mit dem bösen Gast vertrauten Schwestern Juconde und Emanuel. Sie haben - nach einem Schreiben des Dechanten Mayer (27. September 1866) - durch ihre Sorgfalt mehreren Personen das Leben gerettet. In demselben Jahre erhielten unsere Schwestern von dem Gemeinderate des lothringischen Ortes Saaralben eine öffentliche Dankesbezeigung für ihre Aufopferung während der hier herrschenden Choleraepidemie. Im folgenden Jahre (1867) trat die Cholera an einigen Orten in der Pfalz auf. Unsere Schwestern pflegten in Maudach und Friesenheim. Das Präsidium der pfälzischen Regierung dankt am 4. Oktober der Oberin in Speyer für "das menschenfreundliche Wirken, die opferfreudige, furchtlose Ausdauer, welche von den Schwestern bei Verpflegung der Kranken geübt wurde“. Die Schwestern Afra, Fredine, Asella und Lucienne zu Speyer erhielten für hervorragende Leistungen während der Choleraepidemie in der Pfalz eine königliche Anerkennung (12. September 1867). Zum Zeichen des Dankes "für die unermüdliche, unerschrockene und aufopfernde Tätigkeit und die liebevolle Behandlung der Kranken" während der Choleratage stiftet der Gemeinderat von Maudach den Speyerer Schwestern 60 Gulden. Die Gemeinde Friesenheim war mit dem gleichen Dankesbeweis vorausgegangen 215). Auch das bischöfliche Dekanat des Landeskapitels Speyer sprach den mutigen Schwestern für ihr "opfermutiges und erfolgreiches Wirken" den wärmsten Dank aus. Die Stadt Speyer selbst wurde aber in dem Cholerajahre 1873 durch die Seuche stark in Schrecken gesetzt 216). Hören wir über den Verlauf und die Verheerungen der Seuche und die Tätigkeit unserer Schwestern einen anschaulichen Bericht der Schwester Menodora, welche Zeugin der harten Tage war 217). "Zum Pflegen waren da Schwester Lucia, die Oberin, Schwester Fredine, Afra, Asella und ich; später bekamen wir noch vier Novizen aus dem Mutterhause zur Aushilfe. Die Cholera wütete in fünf tiefgelegenen Straßen der Stadt, wo Wasser in den Häusern stand, da der Rhein ausgebrochen war; sie fing im Juli 218) an und hörte im Oktober auf. Die ersten Tage pflegten Schwester Fredine und ich in der Stadt. Dann mußten wir beide ins Bürgerspital, denn was man nur noch in daselbe in einen Absonderungsbau bringen konnte, kam hinein. Wir hatten zwei Säle für die Genesenden, drei für die andern; es war schrecklich, wir hatten mitunter vier bis fünf Tote in einer Nacht, und es blieb uns manchmal nichts anderes übrig, als sie gleich in den Sarg zu legen. Es läutete keine Glocke, damit die Leute nicht noch mehr erschraken; die Toten wurden sofort ins Leichenhaus auf den Gottesacker gebracht. Ein Tag war besonders schrecklich, wo die ganze Zeit der Leichenwagen durch die Straßen fuhr. Unsere Oberin Schwester Lucia wurde von der Krankheit befallen, genas aber wieder. Schwester Hilarion, die eben von einem Kranken kam, wurde um Mitternacht plötzlich von der Seuche ergriffen, am Mittag war sie, noch keine 28 Jahre alt, bereits eine Leiche. Wir beiden Schwestern legten sie in den Sarg und siegelten ihn zu. Wir Schwestern im Spital mußten den Kranken, die im Anfang der Krankheit waren, heiße Sandbäder geben und ganz warme, aufregende Getränke, damit sie in Schweiß kamen; viele wurden dadurch gerettet. Bei der Cholera stellte sich heftiges Erbrechen, Durchfall und Blutstockung ein; wir mußten die Kranken auch reiben. Am 14. Oktober, als die Cholera aufhörte, wurde ich infolge der Anstrengung und eines Schreckens von der Krankheit befallen, spät abends durch den hochw. Herrn Geistlichen Rat Schwarz mit den heiligen Sterbesakramenten versehen. Nach ihm kam Herr Kaplan Molz, brachte mir noch das fünffache Skapulier, damit ich nicht ohne dasselbe sterbe. In der Nacht auf Theresiatag ging's besser. Als ich etwas erholt war, kamen Schwester Fredine 219 und ich wieder ins Schwesternhaus 123 zurück." Die beiden tapferen Schwestern erhielten von Herrn Medizinalrat Heim zwei goldene Kreuze zum Lohne für ihr aufopferndes Wirken. Die kgl. pfälzische Regierung geizte auch diesmal nicht mit ihrem Lobe. Sie übermittelte (20. Oktober 1873) "in dankbarer Anerkennung der aufopfernden Pflege, welche die barmherzigen Schwestern während der herrschenden Choleraepidemie den Kranken zuteil werden ließen", dem Speyerer Hause 150 Gulden mit dem Wunsche, "daß ein angemessener Teil dieser Summe den an der Krankenpflege beteiligten Schwestern zu ihrem persönlichen Besten überlassen werden möge". Die gleiche Summe stiftete (27. November 1873) der Stadtrat der Gemeinde Speyer. Auch während der schweren Choleraepidemie, die zu gleicher Zeit in München so viele Opfer forderte 220), waren unsere dortigen Schwestern unermüdlich tätig. Dabei zeichneten sich besonders durch große Opferwilligkeit aus die Schwestern Caritine, Joel, Claudiana, Exuperia, Tibba und Benedicte. In deren Armen starb im Hause der Buttermelcherstraße Schwester Prosper, die sich die Krankheit bei der Pflegetätigkeit zugezogen hatte. Sie war das letzte der vielen Opfer, welche die böse Seuche in München forderte 221). 3. Typhusepidemien. Einem andern furchtbaren Feinde der Menschheit hatten unsere Schwestern ebenfalls öfters gegenüberzutreten: dem Typhus. Wir finden sie zuerst im Kampf mit dieser Seuche im Jahre 1855 in der Rheinpfalz, wo die Gemeinden Pirmasens und Hambach schwer darunter zu leiden hatten. In demselben Jahre ließ der Präfekt des Oberrheins zwei Schwestern nach Altkirch kommen, wo der Typhus im Gefängnis und im Krankenhause mächtig aufgetreten war 222). Die kgl. bayrische Regierung erbat im Jahre 1860 von der Würzburger Filiale der Genossenschaft zwei Schwestern für eine in Ober- und Unterwallbehrungen und in Güntersleben ausgebrochene Typhusepidemie, ebenso im folgenden Jahre zum gleichen Zweck für die Gemeinde Mellrichstadt. 1863 grassierte die Epidemie wieder sehr heftig in Güntersleben bei Würzburg. Schwester Lazarus und Osmund wurden hingesandt. Die Krankheit war bei ihrer Ankunft schon eine Woche vorher ausgebrochen und hatte täglich ein halbes Dutzend Menschenleben vernichtet. Durch die unermüdliche Pflege der beiden Schwestern wurde die Gewalt der Seuche gebrochen; niemand mehr starb. Jede von ihnen besorgte eine Dorfhälfte. Drei Monate lang hatten sie angestrengten Dienst. Während dieser Zeit kamen sie in kein Bett; das Höchste, was sie sich leisten konnten, war eine halbstündige Ruhe auf einem harten Holzstuhle. Vormittags kochte Schwester Lazarus im Schulhause kräftige Fleischbrühe, welche von den sechs gesund gebliebenen Dorfbewohnern ausgetragen wurde. Sonst wanderten die Schwestern von Haus zu Haus, wuschen und kämmten die Erkrankten, brachten die Betten in Ordnung und führten gewissenhaft die Anordnung der beiden von Würzburg herbeigeeilten Ärzte aus. Mit bewunderungswürdiger Geduld lagen sie ihren schweren Pflichten ob. Eines Tages kam König Ludwig I., der von dem großen Elend des heimgesuchten Ortes gehört hatte, von Aschaffenburg herüber, erkundigte sich teilnehmend nach dem Schicksal der Kranken und drückte den Schwestern seine Bewunderung aus für ihre rastlose Tätigkeit. Als die Mehrzahl der Einwohner auf dem Wege völliger Besserung war, wurden die sechs Gesunden, welche den Schwestern in der Bedienung der Kranken beigestanden hatten, auch krank; doch gelang es der Pflege der Schwestern, sie zu retten. Nach dem Aufhören der Seuche zogen sich die beiden Schwestern in ihr Würzburger Klösterlein zurück. Doch vier Wochen nachher 124 warf die tückische Krankheit den braven Pfarrherrn Wehner 223) aufs Krankenlager; nach wenigen Tagen verschied er; Schwester Lazarus drückte ihm wehmütig die Augen zu. Als im Jahre 1872 in Straßburg und in den umliegenden Dörfern der Typhus ausbrach, widmeten sich zahlreiche Schwestern mit gewohnter Opferwilligkeit der Pflege der Angesteckten. Schwester Adria ist dabei ein Opfer ihres Berufes geworden. Schwester Adelphe wurde nach Sulzbad geschickt, wo sie vier Wochen lang Tag und Nacht am Lager der Typhuskranken wachte, und durfte gleich nachher zu demselben harten Dienste für sechs Wochen nach Geispolsheim übersiedeln. Mit ihrem Leben mußte im Jahre 1874 im Straßburger Militärlazarett, wo der Typhus ausgebrochen war, Schwester Urban ihren Heldenmut bezahlen. Ein glänzendes Begräbnis mit militärischen Ehren ist ihr zuteil geworden. In Gerlachsheim (Baden) herrschte im Jahre 1879 der Typhus in heftiger Weise. Den Schwestern Ludmilla und Perseveranda, die mit dem bösartigen Charakter der Krankheit durch langjährige Erfahrung wohlvertraut waren, gelang es durch unermüdliche, weise Pflege, der Seuche fast alle Angesteckten zu entreißen. Mit dem gleichen Erfolge war Schwester Elise aus der Filiale Wertheim in der Gemeinde Freudenberg tätig, in welcher im Jahre 1882 der Typhus etwa 70 Personen aufs Krankenlager geworfen hatte. Nur wenige wurden eine Beute des Todes. Mit welcher Sorgfalt und Sachkenntnis unsere Schwestern bei solchen ansteckenden Seuchen vorgingen, erhellt aus einem bemerkenswerten Berichte, welchen der Kantonalarzt von Bitsch, Dr. Willigens, im Jahre 1884 über die Pflegetätigkeit einer Schwester an die Kreisdirektion von Saargemünd sandte. Es handelt sich darin um die Schwester Felicienne, welche auf Bitten der Gemeinde Liederscheidt in Lothringen die Pflege einer typhuskranken, siebenköpfigen Familie übernommen hatten. Der Arzt schreibt: "Wir waren so glücklich, in dieser Schwester eine Wärterin zu haben, welche allen, auch den härtesten Ansprüchen in bezug auf umsichtsvolle und aufopfernde Krankenpflege gerecht geworden ist. Diese ebenso verständige als praktisch geschulte Wärterin hatte gleich das Jammerhaus von Grund aus umgestaltet, Zimmer und Fußböden gereinigt, die Krankenbetten gesäubert, für frische Wäsche gesorgt, die alte Wäsche desinfiziert, die Fenster - zum Schrecken der Dorfbewohner - weit offen gehalten, um der gesunden Luft freien Zutritt zu gestatten. Wenn man ins Haus trat, war keine verpestete Luft mehr zu bemerken, und den Kranken sah man das Gefühl der Behaglichkeit an. Dabei gewissenhafte und pünktliche Befolgung der ärztlichen Vorschriften in Reichung der Medikamente und Nahrungsmittel, in den gründlichen Körperwaschungen sämtlicher Kranken usw. Da bei einer Entfernung von 13 km tägliche Besuche des Arztes nicht möglich waren, so schickte sie sehr verständig verfasste, ausführliche Krankenberichte, sogar mit Angabe der Morgen- und Abendtemperaturen. So hat sie wochenlang Tag und Nacht unermüdlich und segensreich gewirkt, mit einer Hingebung und Aufopferung, die gewiß weit über die gewöhnliche Pflichterfüllung hinausgeht. Ich halte es für eine Pflicht, und es ist mir zugleich eine Freude, dieser so verdienstvollen, ganz von der Heiligkeit ihres freigewählten Berufes durchdrungen und dabei so bescheidenen Schwester öffentlich meinen Dank und den Ausdruck meiner Hochachtung darzubringen." 224) Das Beispiel besonderer Umsicht bei dieser so gefährlichen Seuche gibt uns auch Schwester Cyprian. Als in Klein-Krotzenburg (Hessen) im Jahre 1892 mehrere Personen unter der typhösen Erscheinung erkrankten, ließ Schwester Cyprian, da kein Arzt im Ort war, den Kassenarzt rufen und bat ihn, Desinfektionsmittel zu verschreiben. Doch dieser wollte nicht an Typhus glauben. Als die Schwester auch beim Bürgermeister nichts erreichte und die Erkrankungen sich vermehrten, wandte sie sich vertraulich an den Kreisarzt. Sie gab ihm zugleich an, daß die ersten Erkrankungen alle 125 im Umkreis eines Brunnens vorkamen, der direkt an der Abortgrube lag. Nach Prüfung der Verhältnisse ließ der Kreisarzt sofort den Brunnen schließen und bemerkte: wenn die Schwester nicht gewesen wäre, so wäre ganz Krotzenburg ausgestorben. Es würde zu weit führen, alle die Fälle aufzuzählen, wo die Niederbronner Töchter mutig und erfolgreich den Kampf gegen heimtückische Typhus- oder sonstige Epidemien aufnahmen. Mehr als eine fiel bei solchen Gelegenheiten dem Tode zum Opfer, den sie nie scheuten. Denn ihre Nächstenliebe war stärker als der Tod. Einige Namen solcher tapferen seien hier noch genannt, die dem Verfasser dieser Zeilen zufällig bekannt geworden sind; wie viele andere aber aus früheren Zeiten sind auf ähnliche Weise den Heldentod christlicher Nächstenliebe gestorben, deren Namen von den Menschen vergessen, aber mit goldenen Lettern im Buche der Vergeltung aufgezeichnet sind? Am 11. Februar 1869 verschied Schwester Calixte in ihrem 29. Lebensjahre zu Belfort an Typhus, den sie sich bei der Pflege kranker Soldaten zugezogen hatte. Das gleiche Los widerfuhr am 10. Dezember 1875 der Schwester Jsidore zu Châtillon-surSeine, welche eine am Typhus erkrankte Familie gepflegt hatte. An ihrem Grabe, das die ganze Bevölkerung des Ortes umstand, hielt der Bürgermeister der auf dem Felde ihres Berufes gefallenen Toten einen begeisterten Nachruf 225). Auch Schwester Acheul, deren Tätigkeit wir schon bei der Darstellung der Kriegskrankenpflege gewürdigt haben, starb auf diese Weise. Sie war einem typhuskranken Bahnbeamten beigestanden, als sie infolge Ansteckung an derselben Krankheit zu Witry-les-Reims am 16. Dezember 1898 starb; die Eisenbahngesellschaft der Westbahn ließ sich bei ihrem Begräbnis durch eine Abordnung von 18 Beamten vertreten. In Witry-les-Reims war ein Jahr vorher - am 21. August 1897 - Schwester Florent ein Opfer ihres Berufes geworden; bei der Pflege eines an Dysenterie Erkrankten hatte sie sich die gleiche Krankheit zugezogen. Sie sollte in Reims beerdigt werden, aber die Pfarrgemeinde protestierte dagegen und ließ es sich nicht nehmen, der opfermutigen Verstorbenen auf gemeinsame Kosten an Ort und Stelle eine würdige Grabstätte zu bereiten. An Typhusansteckung starb ferner am 5. Dezember 1897 zu Barr im Elsaß Schwester Berthold. Desgleichen Schwester Bertrand zu Roubaix; sie verschied am 21. Oktober 1898, zehn Tage nach dem Tode des Kranken, den sie unermüdlich gepflegt hatte. Einst hatte sie sich ins tiefe Wasser gestürzt, um ein ertrinkendes Kind zu retten: was Wunder, wenn ihr Begräbnis sich zu einem großartigen, wenn auch tränenreichen Triumphzug gestaltete, der im Grunde ebensosehr der alles überwindenden christlichen Liebe galt als der stillen bescheidenen Schwester, die nie an sich, sondern nur an andere dachte. Ein wahrhaft christlicher Heroismus tritt uns entgegen in dem Tode der Schwester Quadrata, die am 1. März 1883 im blühenden Alter von 28 Jahren zu Lunéville am Typhus starb. Diese Schwester verkörpert das Jdeal einer wahren Tochter des göttlichen Erlösers, der sein Leben hingab für die Menschen. Im Jahre 1881 kam sie aus dem Hause zu Thann nach der Station Lunéville. Da sie der französischen Sprache nicht mächtig war, konnte man sie zunächst nur in der Küche verwenden. Das war für sie, die mit allen Fasern ihres Herzens die leidenden Menschen liebte, ein großes Opfer. Am Kochherde konnte sie ihrem Tatendrange nicht genugtun. Darum benutzte sie jede Gelegenheit, sich die notwendigen Elemente der fremden Sprache anzueignen, um in der Krankenpflege wirken zu können. Nach fast drei Jahren wurde ihr Herzenswunsch erfüllt. Man wies ihr einen typhuskranken Studenten der Medizin zu. Drei Wochen pflegte sie den jungen Mann, den die tückische Seuche sichtlich dem Tode entgegentrieb. Die Schwester war untröstlich. Da reifte in ihrer reinen Seele ein heldenmütiger Entschluß. Indem sie in der heiligen Einfalt ihres frommen Gemütes sich sagte, daß ein Arzt der Menschheit größere Dienste leisten kann als eine kleine, 126 unbedeutende Krankenschwester, flehte sie zu Gott, er möge das Opfer ihres eigenen Lebens annehmen und den jungen, hoffnungsvollen Mann, der mit dem Tode rang, der leidenden Menschheit erhalten. Und Gott schien Wohlgefallen zu finden an ihrer Bitte. Denn es geschah, daß sie alsogleich vom Typhus ergriffen wurde, während der Kranke, den sie mit ihrer rührenden Sorge umgeben hatte, so schnell genas, daß er dem Sarge der Hingeschiedenen mit tränenden Augen folgen konnte. Still und unerkannt ging diese Schwester durchs Leben; aber wer möchte allen irdischen Ruhm gegen ein solches Ende eintauschen? Drittes Kapitel. Im Weinberg des Herrn. Als die Schwestern, welche im Cholerajahre 1854 nach dem lothringischen Dorfe Waville geschickt waren, nach vollendeter Mission nach Hause zurückkehrten, schrieb Rousset, der Inspektor der öffentlichen Armenpflege, aus Metz an die Obern des Mutterhauses folgende bemerkenswerten Worte (1. Oktober 1854): "Die Hingabe, der unermüdliche Eifer, die Klugheit, welche die Schwestern bei der Pflege der zahlreichen Kranken von Waville an den Tag gelegt haben, sind ihre geringste Wohltat. In seiner unendlichen Güte hat Gott sich Ihrer heiligmäßigen Schwestern bedient, um ein Volk, das sich seit Jahren vom Wege des Glaubens und kirchlicher Pflichterfüllung entfernt hatte, wieder zu ihm zurückzuführen. Vor kaum drei Monaten hat mir der hochw. Herr Bischof von Metz mitgeteilt, daß in seiner ganzen Diözese ihm diese Gemeinde am meisten Kummer bereite; heute ist die Umwandlung vollständig! Unter dem wohltätigen Einfluß der Schwestern, dank ihrer rührenden Fürsorge, ihren frommen Unterweisungen, ihrer aufopfernden Liebestätigkeit ist das Eis gebrochen, die Einwohner sind eifrige Christen geworden und bekennen laut ihre Dankbarkeit gegenüber diesen frommen Töchtern, deren Gott sich bediente, um dieses Wunder zu wirken." In diesen Worten ist jene andere Seite der christlichen Liebestätigkeit berührt, die über dem leiblichen Wohle des Menschen sein geistliches, ewiges Wohlergehen nicht außer acht läßt. Von Anfang des Bestehens der Genossenschaft an haben die Stifter diese Seite der Wirksamkeit ihrer Mitglieder stets betont und eingeschärft, und ihre Nachfolger haben es nicht anders gehalten. Die Pflegerinnen der Armen und Kranken sollten zugleich eifrige Mitarbeiterinnen sein im Weinberge des Herrn. Das Seelenheil der ihnen anvertrauten Kinder und Kranken soll ihnen nicht weniger am Herzen liegen als die Gesundheit des Körpers. Darum heißt es auch so schön und richtig in einem von den Obern im Jahre 1884 nach Rom gesandten Rechenschaftsbericht: "Die Schwestern sind für die Seelsorge einer Gemeinde eine wertvolle, oft unentbehrliche Hilfe. Es gibt Städte, wo ohne die Vermittlung der Schwestern der Geistliche zu vielen Kranken nicht gerufen würde; wo sie weilen, wird er fast nie zurückgewiesen. Oft handelt es sich um Kranke, welche nach 20, 30 ja 40 und mehr Jahren wieder ihre religiösen Pflichten erfüllen und eines christlichen Todes sterben. Unter den Kranken, die auf diese Weise wieder zur Kirche zurückkehren, befanden sich solche, welche geschworen hatten, im Unglauben zu sterben, in dem sie beständig gelebt hatten." Der Geschichtsschreiber der Genossenschaft, dessen Hauptaufgabe darin besteht, ein möglichst allseitiges Bild ihres Wesens und Wirkens zu entwerfen, darf deshalb auch an der vorhin angedeuteten rein geistigen Seite der christlichen Liebestätigkeit nicht achtlos vorübergehen. Er weiß zwar, daß gerade diese Art des Wirkens der Schwestern jenen Leuten höchst unangenehm ist, welche allem Religiösen 127 gleichgültig oder feindlich gegenüberstehen, und daß man im Lager der Gegner der katholischen Krankenpflegekongregation gerne das ausgeprägte christliche in der Berufstätigkeit der Schwestern als Angriffspunkt herausgreift. Es fehlt nicht an Ärzten, welche jede religiöse Einwirkung der Pflegeschwestern auf den Kranken als einen Übergriff auf andere Rechte betrachten. Sie hätten recht, wenn dadurch der Heilungsprozeß erschwert würde, vor allem, wenn es sich um Angehörige anderer Konfessionen handelte. Jede Proselytenmacherei ist bei einer Institution, die sich im Dienste der Kranken aller Bekenntnisse widmet, von vornherein ausgeschlossen. Aber anders liegt die Sache, wenn es sich um Schwerkranke ihres Glaubens handelt. Da zeichnet die Ordensregel der Schwester kurz und bündig ihr Verhalten vor: "Sobald eine Gefahr beim Kranken eintritt, soll die Schwester Sorge tragen, daß ein Priester berufen werde. Zeigt sich der Kranke bereitwillig, die heiligen Sakramente zu empfangen, so soll sie ihm zur Vorbereitung und Danksagung behilflich sein. Zeigt er sich nicht bereitwillig, so wird sie alles, war ihr die Klugheit eingeben kann, aufbieten, um ihn für die Hilfsmittel der Religion zugänglich zu machen. Zu diesem Zweck wird sie noch mehr beim lieben Gott als beim Kranken zudringlich sein; bei diesem aber wird sie ihre Pflichten nur um so demütiger, sanftmütiger und opferwilliger erfüllen." Das ist nichts anderes, als was auch die evangelische Diakonisse als ihre "köstlichste Aufgabe" betrachtet, "die Gottlosen der Kirche zuzuführen" 226). "Kann das ein Vergehen sein, wenn die pflegende Schwester, die vielleicht allein die Situation des Patienten kennt, ihn auf seine Pflicht aufmerksam macht, ihm die volle Wahrheit betreffs seines Zustandes in schonender Weise beibringt? Ist das nicht vielmehr wahre Liebe und Barmherzigkeit gegenüber der sentimentalen Gewissenslosigkeit selbst der nächsten Verwandten, den Kranken in totaler Unkenntnis zu lassen, ja ihn in Hoffnungen einzulullen, die lauter Täuschungen sind?" 227) So erscheint es mit gutem Recht der am Bette eines hoffnungslos erkrankten Menschen stehenden Schwester als ein letzter, wichtigster Akt der Nächstenliebe, den sie ihm gegenüber während der kurzen Spanne Zeit, die ihm zu leben noch übrig bleibt, betätigen kann, wenn sie ihn vor dem ewigen Unglück bewahrt. Es ist nicht immer eine leichte Aufgabe. Ihr Beruf in den Krankenhäusern und Privatwohnungen führt sie mit allerlei Menschenkindern zusammen. Aber ein wenig Geduld, kluges, taktvolles Abwarten, ein bißchen natürliche Frauenklugheit, und wenn alle anderen Mittel versagen, die Zuflucht zum Gebete bringen die treubesorgte Hüterin meist doch zum Ziele. Oft genügt schon die stille und vor nichts zurückschreckende Pflegetätigkeit der Schwester, um den Kranken besseren Gefühlen zugänglich zu machen. Da war Ende der 1880er Jahre in St. Amarin (Oberelsaß) ein fünfundachtzigjähriger ehemaliger Kapitän der französischen Armee, der sich auf strenge Anweisung des Arztes eine unserer Schwestern als Pflegerin gefallen lassen mußte. Er tut es nur widerwillig, denn das klösterliche Gewand kann er nicht leiden. Jedes religiöse Gefühl ist schon längst in ihm erstorben. Mißtrauisch und mürrisch betrachtet er den unbequemen Gast. Allein je mehr er verwundert zusieht, wie die Schwester still und geschäftig ihres bei der besonderen Art seiner Krankheit nicht angenehmen Amtes waltet, um so nachdenklicher wird er. Die frühere Abneigung verwandelt sich in festes Zutrauen; die betende Schwester läßt in ihm die frommen Erinnerungen aus der Jugendzeit, das Bild seiner gottesfürchtigen Mutter aufsteigen. Und siehe, er bittet die Schwester, daß sie ihm von Gott und religiösen Dingen spreche, daß sie ihm das längst vergessene Vaterunser lehre. Nur von der Beichte darf sie ihm noch nicht reden, das verträgt der alte Soldat nicht. Er wird von Tag zu Tag schwächer. Als ihn die Schwester einst wieder gewaschen und in frisches Linnen gebettet hatte, glänzt eine Träne der Rührung in den müden Augen. Nun hält die Schwester den Augenblick für gekommen: "Wie wäre es, 128 wenn Ihre Seele jetzt auch so gereinigt wäre wie Ihr Körper? Wie glücklich würden sie sich dann fühlen!" Sie hatte richtig gerechnet. Nach einigen lahmen Einwendungen war der alte Brummbär gewonnen. Mit großer Ergriffenheit empfing er die heiligen Sterbesakramente und ging nach einigen Tagen ruhig und glücklich in die Ewigkeit ein. Durch das unentwegte stille Wirken einer Schwester wurde auch eine bekannte Münchner Schauspielerin auf dem Sterbebett für Gott wiedergewonnen. Auch sie hatte sich auf Befehl des Arztes dazu bequemen müssen, bei einer schweren Erkrankung eine unserer Schwestern herbeizuziehen. Als ausgesprochene Religionshasserin brachte sie der Schwester nur Spott und Hohn entgegen, behandelte sie grob und ungezogen. Aber lautlos und ohne Widerwillen versieht die Pflegeschwester ihr undankbares Amt, begegnet der launenhaften, mürrischen Kranken stets mit derselben und unerschütterlichen Liebenswürdigkeit und Sorgfalt. So geht es fast ein Vierteljahr, währenddessen die Schwester ohne Klagen und Murren alle giftigen und bissigen Ausfälle der Patientin gegen ihre religiösen Übungen ertragen hat. Da bemerkt sie eines Tages Tränen in den Augen der abgezehrten Theaterdame. Sie fragt nicht nach deren Ursache, sie wartet ab. Am folgenden Tage ersucht dann die Kranke schluchzend die Schwester, sie möge sie wieder beten lehren, "denn", so fügte sie bezeichnenderweise bei, "es muß doch etwas Höheres geben als dieses irdische Leben, da Sie sonst nicht ein Vierteljahr lang mich mit so unendlicher Opferwilligkeit und Geduld ertragen hätten". So hatte auch diese in der Trugwelt des Theaters verlorengegangene Seele den Glauben ihrer Kindheit wiedergefunden und konnte getröstet und gestärkt zu Gott eingehen. Um ihr diese große Gnade zu vermitteln, hatte Gott sich der selbstlosen Liebe der Krankenschwester bedient. Eine Aufzeichnung aus dem St. Vinzentiushause in Karlsruhe zählt für das erste Halbjahr von 1883 allein 40 Fälle auf von Sterbenden, die nach langjähriger Unterbrechung wieder gläubig die Sakramente empfingen. Ähnliche Fälle ließen sich zu Hunderten erwähnen. Sehr oft aber sind größere Schwierigkeiten zu überwinden gewesen, namentlich bei solchen Personen, in denen ein seit langen Jahren durch schlechte Lektüre oder verderblichen persönlichen Umgang genährter fanatischer Religionshaß alle guten Regungen erstickt hat. Aber die Liebe ist geduldig. In St. Dié, der hübschen französischen Vogesenstadt, war ein Herr L. B. von allen Gutgesinnten gefürchtet wegen seiner sprichwörtlichen Religionsverachtung; nichts war ihm heilig. Er war bekannt als Verfasser abscheulicher Lieder auf den Heiligen Vater. Er war nicht davor zurückgeschreckt, die heilige Beichte zu verhöhnen, indem er unerkannt in einem Beichtstuhl mehrere Personen Beicht hörte und sich nachher mit dieser Heldentat brüstete. Da warf ihn im blühenden Sündenzustande eine Lungenkrankheit danieder. Schwester Pauline benachrichtigte den Pfarrer, der aber wenig Hoffnung hatte, dieses verirrte Schäflein zurückzuführen. Doch vor der sanften Überredungsgabe der Schwester zerfloß sein Haß. Reuig kehrte er zur Kirche zurück, und da er genas, machte er durch sein frommes Leben das frühere Ärgernis wieder gut. Wie reich muß sich nicht eine solche Schwester belohnt fühlen für die Mühen ihres Berufes, wenn Gott sie als Werkzeug benützt, einen Verlorengeglaubten wieder heimzuführen! Schwester Bernardine konnte aus Lille mit bewegtem Herzen im Jahre 1882 eine noch auffallendere Sinnesänderung eines Verirrten ihren Obern berichten. Es handelte sich um einen alten, seit vielen Jahrzehnten seinem Berufe untreu gewordenen Priester, der an den Folgen eines schlechten Lebenswandels dem Grabe entgegensiechte. Mit Spott und häßlichen Schimpfworten empfing der verkommene Greis die Schwester, die sein Elend lindern sollte. Aber stumm betete sie am Bette sitzend ihren Rosenkranz und hielt dem keifenden Manne mit ernstem Blick ab und zu das Kruzifix vor Augen. Das entwaffnete schließlich den von Gewissensqualen gefolterten Todeskandidaten. Und einem inneren Drange folgend erzählte er seiner Pflegerin die lange Geschichte seines 129 verlorenen Lebens. Kann es für mich verfluchten noch eine Rettung geben? Aber mit eindringlicher Beredsamkeit pflanzte die Schwester tröstliche Hoffnung in das verzweifelnde Gemüt. Zum erstenmal nach vielen Jahrzehnten fing diese verirrte Seele wieder an, zu beten, und nach Ablegung einer reuevollen Lebensbeichte verklärte der Gottesfriede die Todesstunde des Unglücklichen, den Gottes Langmut und Erbarmung dem ewigen Verderben entrissen. Gerade die Schwestern der französischen Niederlassungen wissen von sehr zahlreichen Konversionen von Mitgliedern der kirchenfeindlichen Freimaurerei zu erzählen. Oft kam es auch vor, daß ein Angehöriger dieses Geheimbundes nicht gestattete, daß kranke Mitglieder seiner eigenen Familie mit den letzten Tröstungen der Religion versehen würden. Aber stets gelang es der unermüdlichen Geduld und dem Gebete der pflegenden Schwestern, den Widerstand zu überwinden und die Sterbenden mit Gott versöhnt aus dem Leben scheiden zu sehen. In Langres hat (im Jahre 1881) eine Schwester eine schwerkranke Dame zu pflegen. Ihr Mann verbietet der Schwester aufs strengste, ihr von religiösen Dingen oder gar vom Beichten zu sprechen. "Ich litt furchtbar", so erzählte die seeleneifrige Krankenschwester, "angesichts solcher Verhältnisse. Ich sah diese arme Seele der Ewigkeit entgegengehen ohne die Gnadenmittel der Religion. Ich weinte im stillen und betete unaufhörlich; der liebe Gott hat mein Seufzen erhört. Auf einmal ließ mir der Gatte völlig freie Hand, ich verlor keine Zeit, um einen Priester zu rufen. Die arme Kranke empfing die heiligen Sakramente mit vollem Bewußtsein, und drei Stunden später verschied sie, indem sie mir vorher für das dankte, was ich für sie getan. Ich bin ganz abgemagert vor Kummer, um so größer war dann meine Freude." Redet nicht echt apostolischer Geist aus diesen schlichten Worten? Es ist der Geist, den der Erzbischof von Paris, Kardinal Richard, in einem Schreiben an die Generaloberin 228) an den Schwestern rühmt mit den Worten: "Seit langer Zeit schon habe ich die Gelegenheit, alles Gute zu würdigen, das Ihre Schwestern in den Stadtvierteln von Paris verrichten, in denen sie Niederlassungen besitzen. In der jetzigen Zeit ist es mir ein großer Trost, zu sehen, daß die Genossenschaften der Krankenschwestern sich vergrößern. Ihre Gegenwart am Bette der Sterbenden wird notwendiger als je; denn selbst in den christlichen Familien denkt man nicht genug daran, den Priester zu Schwerkranken zu rufen." Die Liebe versöhnt! Wo sie herrscht, verbreitet sich Frieden. Sie tötet den Haß und stellt zerrissene Bande wieder her. Eine Schwester aus St. Amarin mag uns erzählen, wie sie den häßlichen Unfrieden aus einer Familie gebannt hat: "Im letzten Sommer (1879) pflegten wir einen Mann, der an einem Blutsturz erkrankt war. Seine Frau und seine Kinder hatten ihm wegen seines schlechten Lebenswandels das Haus verboten. Von jedermann verachtet, brachte er die Nächte im Stalle zu, und als er krank wurde, wollte ihn niemand aufnehmen. Als wir davon hörten, nahmen wir uns seiner an und pflegten ihn nach Kräften. Die Hingabe der Schwestern machte auf ihn einen solchen Eindruck, daß er nach einem Priester verlangte und zweimal eine reumütige Beichte ablegte. Als es ihm besser ging, brachten wir ihn, vom Bürgermeister und der Polizei begleitet, zu seiner Frau zurück, die ihn verstoßen hatte. Die Gatten versöhnten sich und lebten von jetzt an im schönsten Frieden miteinander." Unzählige ähnliche Fälle liegen vor, wo durch die Vermittlung der Schwestern vor dem Bette eines sterbenden Vaters oder einer mit dem Tode ringenden Mutter langjähriger Familienhader beigelegt wurde. Schwester Pauline meldet aus St. Dié: "Ein alter Notar, der seit 20 Jahren seine fromme und würdige Gattin und seine fünf Kinder verlassen hatte und mit einem Frauenzimmer zusammenlebte, fiel in eine tödliche Krankheit. In seinem Testament hatte er ein Begräbnis ohne Priester vorgesehen. Aber auf unsere Vorstellungen hin ging er in sich; Gott schenkte ihm die Gnade einer aufrichtigen 130 Bekehrung. Um das langjährige Ärgernis wieder gutzumachen, ließ er die Frauensperson aus seinem Hause weisen und erflehte die Verzeihung seiner Gattin, die ihm gerne gewährt wurde. Mit ihr und mit Gott versöhnt, schied er aus dem Leben glücklich und zufrieden." Der seeleneifrigen Schwester ist die Sünde ein Greuel, und sie sucht sie zu verhindern, wo es in ihrer Macht steht. Aus der vorhin genannten Stadt weiß Schwester Adèle ein erfreuliches Erlebnis zu berichten: "Ein junges Mädchen, das nach seiner ersten heiligen Kommunion mit den besten Vorsätzen ins Leben hinausging, hatte das Unglück, in die Hände eines alten Lüstlings zu fallen, dessen Geliebte sie wurde. Als sie plötzlich schwer erkrankte, bat man uns, ihr beizustehen. Wir taten es unter der Bedingung, daß ihr Verführer keinen Schritt mehr in ihre Wohnung setze. Als die Krankheit sich verschlimmerte, ermahnte die pflegende Schwester sie, ihr Gewissen in Ordnung zu bringen, da es sich um eine glückliche oder unglückliche Ewigkeit handle. Sie schenkte den Ermahnungen Gehör und bat um einen Geistlichen. Mit solcher Zerknirschung bekannte sie die Verfehlungen ihres Lebens, daß sie sich ernstlich entschloß, einen andern Wandel zu beginnen." Wie oft ist es dem wohltätigen Einfluß der Schwestern gelungen, wilde Ehen zu regulieren. Wo gute Worte fruchtlos blieben, hielt man auch mit entschiedenen Vorstellungen nicht zurück. Auf diese Weise erzielte Schwester Ludwine, die überhaupt mit Unerschrockenheit aufs Ziel losging, einen bemerkenswerten Erfolg. Sie war im Jahre 1880 in Epinal tätig. Da wurde sie nach einem entfernten Fort der Festung geschickt, um eine an der schwarzen Gelbsucht erkrankten Dame zu pflegen, welche in unerlaubter Verbindung mit dem Festungskommandanten lebte. Da begab es sich eines Tages, daß ein Soldat der dreihundertköpfigen Besatzung wegen irgendeines Vergehens in Arrest geführt wurde. Vorher sollte er genau untersucht werden, ob er keine verbotenen Gegenstände, namentlich Tabak bei sich hätte. Der Sträfling wollte sich dies aber nicht gefallen lassen, setzte sich zur Wehr und vergriff sich tatsächlich an seinem Vorgesetzten; da er auch noch einen Fluchtversuch wagte, verschlimmerte sich seine Lage. Der Kommandant wollte die Angelegenheit dem Kriegsgericht übergeben. Da der betreffende Soldat in vierzehn Tagen seine Dienstzeit vollendet hatte und zu Hause von seiner armen, bejahrten Mutter, deren einzige Stütze er war, mit Schmerzen erwartet wurde, hatte Schwester Ludwina Mitleid mit dem armen Menschen und beschloß, bei dem Kommandanten für ihn einzutreten. Allein dieser versicherte der Schwester, daß das strenge Gesetz ihn verpflichte, den Fall beim Kriegsgericht anhängig zu machen. Da meinte die Schwester: "Nun, wenn Sie den Mann ins Unglück bringen müssen, so kann ich auch die Dame nicht weiter pflegen, denn sie ist nicht Ihre angetraute Frau, und es verträgt sich nicht mit meinem Ordenskleide, hier zu bleiben, wenn Sie mir nicht versprechen, sich trauen zu lassen." Das war dem Offizier sehr peinlich, denn die Dame war sterbenskrank, und doch mußte er im Interesse der militärischen Zucht den Soldaten zur Anzeige bringen. Da verfiel er auf folgenden Ausweg. Er ließ die gesamte Mannschaft antreten und rief auch Schwester Ludwina herbei. Dann wurde der Gefangene vorgeführt, und unter lautloser Stille und gespanntester Aufmerksamkeit der Besatzung erklärte der Kommandant, daß ihn die Schwester um Gnade für den Sträfling gebeten habe. Er lege nun der versammelten Mannschaft den schwierigen Fall vor und fragte sie, ob sie für Gnade oder die Strenge des Gesetzes stimmen. Wie aus einem Munde erscholl der Ruf: "Gnade! Gnade!" Eine Träne der Rührung stahl sich in das Auge des Offiziers. Der Gefangene aber warf sich der Schwester zu Füßen, um ihr zu danken. Da ertönte von den Lippen der rauhen Krieger der begeisterte dreihundertstimmige Ruf: "Es lebe die gute Schwester!" Nun meldete der Kommandant diesen merkwürdigen Vorfall dem Kriegsgericht, das in Anbetracht der besonderen Umstände Gnade für Recht walten ließ und den Häftling 131 freisprach. Die Schwester ihrerseits drang weiter in den Kommandanten und ruhte nicht, bis er ihr das ehrenwörtliche Versprechen gab, nach der Genesung der Kranken sie vor Gott und der Welt zum rechtmäßigen Weibe zu machen. Groß war die Freude der tapferen Schwester, als sich nach kurzer Zeit der Kapitän mit seiner nunmehrigen Gattin im Schwesternhause vorstellte und sich bedankte für das Glück, das ihm der Mut und die Entschlossenheit der Schwester bereitet habe. Wie eifrig und erfolgreich haben nicht nur unsere Schwestern in diesem Sinne während des großen Weltkrieges gewirkt! Wie vielen sterbenden Kriegern in deutschen und französischen Lazaretten haben sie zu einem christlichen Tode verholfen nach einem langen gottentfremdeten Leben! Wie manches Mal gelang es ihnen, wilde Ehen zu regulieren! Wie oft können die französischen Schwestern melden, daß durch ihre Bemühungen im Unglauben aufgewachsene Soldaten in den Lazaretten die erste heilige Kommunion empfingen oder nicht Getaufte sich für die heilige Taufe vorbereiten ließen! Es würde zuweit führen, hier diese Fälle alle aufzuzählen. Das sind so einige Beispiele von der seelsorgerlichen Hilfsarbeit unserer Schwestern. Viele ihrer neben der eigentlichen Berufsarbeit laufenden Werke, wie Mädchenhorte und Jungfrauenvereine, verfolgen direkt die angedeuteten Zwecke. Für alle Leiterinnen solcher Institutionen können die angedeuteten Worte gelten, welche Stadtpfarrer Wiedemann im November 1913 der verstorbenen Oberin Cäciliana zu Worms ins Grab nachrief: "Sie rief den schönen Marienverein ins Leben, dem sie als Präfektin vorstand. Mit mütterlichem Rate stand sie jedem rettend und helfend zur Seite. Ihr unermüdlicher Geist ruhte noch nicht, sie sah die Gefahren, die den alleinstehenden jungen Leuten draußen drohen. Um diesen Gefahren zum Teil abhelfen zu können, erachtete sie es als ein Bedürfnis, im Martinsstift diesen jungen Leuten einen guten Mittagstisch zu bereiten sowie Gelegenheit zu geben, ihre Mittagspause dort zu verbringen." 229) Alle die zahlreichen sozialen Werke, welche in der älteren, mehr noch in der neueren Zeit von den Niederlassungen unserer Kongregation in den Groß- und Industriestädten ins Leben gerufen wurden, dienen nicht zum geringsten Teil der sittlich-religiösen Hebung und Förderung der so leicht gefährdeten weiblichen Jugend. So sind die Schwestern des Allerheiligsten Heilandes fleißige und erfolgreiche Arbeiterinnen im Weinberge des Herrn. Daß der Herr ihre Arbeit reichlich segnet, ist ihr schönster Lohn und ihr bester Trost. Sie sind auch heute noch dem alten Geiste treu geblieben, den die selige Stifterin in die Herzen ihrer ersten Töchter gepflanzt hat. Auch auf ihre Nachfolgerinnen passen die schönen Worte, welch Domkapitular Molitor zu Speyer einst zum Lobe der jungen Genossenschaft gesprochen hat: "Das ganze Tagewerk der Schwestern und sehr oft noch die Stunden in der Nacht sind ein fortgesetztes, unermüdliches Opfer. Sie besuchen die Armen, sie reinigen ihre verpesteten Stuben, sie säubern die verwahrlosten Kinder, sie ermahnen zur Arbeit, zum Gebet, zum Kirchengange, sie pflegen die verlassenen Kranken, sie trösten die Sterbenden und schmücken die ärmste Dachkammer reinlich aus, wenn der Priester die heilige Kommunion bringt. Dabei hat immer ihre barmherzige Liebe ihr Hauptaugenmerk auf die geistige Not gerichtet, und die Predigt des Evangeliums, die sie in den Häusern an jung und alt richten, ist darum so eindringlich und erfolgreich, weil sie wenig Worte machen, es aber an der Predigt durch die evangelische Tat nicht fehlen lassen. Da sie ärmer, notdürftiger leben als die Darbenden selbst, so können sie mit allem Nachdruck zur Armut im Geiste, zur Ablegung des Müßigganges, zur Geduld und Ergebung in der Not ermahnen." 230) Es bleibt immer wahr, was der Erzbischof von Reims, Kardinal Langénieux, einst dem Superior Simonis schrieb 231): "Jede Pfarrei, welche neben einem frommen Pfarrer eine von Euren Töchtern besitzt, ist sicher, daß der Glaube geweckt wird und daß die Kinder und Kranken sich heiligen." 132 Viertes Kapitel. Die sozialökonomische Bedeutung der Kongregation für Staat und Gesellschaft. Nichts kann mehr für die Notwendigkeit und die sozialökonomische Bedeutung der kirchlichen Wohltätigkeitsgenossenschaften sprechen als die Tatsache, daß die radikale französische Regierung gleich nach Ausbruch des Weltkriegs die früher erlassenen ordensfeindlichen Dekrete wieder aufhob. Sie tat es, der Not gehorchend, nicht dem eigenen Triebe, weil sie einsah, daß alle jene Organisationen der kirchlichen Wohltätigkeit schlechthin unersetzlich seien. Der Geschichtsschreiber der Niederbronner Genossenschaft wird es daher auch nicht unterlassen, auf deren sozialökonomische Bedeutung für den Staat hinzuweisen, und zeigen, was eine solche karitative Genossenschaft für die darbende und leidende Menschheit leistet. Schon oben ist dargelegt worden, daß die Gründung der Genossenschaft einem dringenden Bedürfnis der damaligen Zeit entgegenkam 232); als besonders wohltätig wurde gleich in den ersten Jahren ihres Bestehens die Ausübung der ambulanten Krankenpflege empfunden. Heute, wo auf die Pflicht des Staates in der Krankenfürsorge immer mehr hingewiesen wird 233), wo namentlich die Notwendigkeit der Hauskrankenpflege sowohl in den Armenvierteln der Großstadt als auf dem abgelegenen Dorfe von Ärzten und Volksfreunden immer mehr betont wird, zeigt es sich, daß unsere Genossenschaft mehr als je Daseinsberechtigung hat, und daß sie dem modernen Staate kostbare und - was besonders hervorzuheben ist - doch nicht kostspielige Dienste leistet. "Mehr und mehr", sagte Professor Rumpf im Jahre 1896 gelegentlich der Berliner Gewerbeausstellung, "wird es in das Bewußtsein des Volkes übergehen, daß die Krankenschwester eines der wichtigsten Organe der öffentlichen Gesundheitspflege, insbesondere der chronischen Krankheiten ist. Dann wird nicht allein in Krankenhäusern Platz für Schwestern sein, das kleinste Dorf wird eine oder mehrere Schwestern haben, welche der Pflege der Kranken und der Sorge für die Umgebung dieser leben." 234) Diese Tätigkeit vor allem in der Gemeindekrankenpflege ist von Anfang an als ein besonders segensreiches Arbeitsfeld der Kongregation betrachtet und mit größtem Erfolg bebaut worden. Kaum drei Jahre nach dem Entstehen der Genossenschaft konnte der Niederbronner Kantonalarzt Dr. Kuhn das Wirken der Schwestern in anerkennender Weise folgendermaßen charakterisieren: "Nicht nur wachen diese frommen Töchter am Bette der Kranken, lassen ihnen Tag und Nacht die eifrigste Sorge angedeihen, wobei sie sich den Gefahren ansteckender Krankheiten aussetzen und jedem Ekel trotzen, sondern indem sie in die Hütte des Armen eindringen, bringen sie die Tröstungen der Religion mit sich, vertreiben durch Sanftmut die Rohheit und bringen die Sauberkeit zur Herrschaft da, wo man sie bisher nicht kannte." 235) In diesen wenigen Worten ist die ganze soziale Bedeutung der privaten Krankenpflege anerkannt. Heute ist man in maßgebenden Kreisen mehr noch als früher von dieser Bedeutung durchdrungen, namentlich für die Armenkrankenpflege. Welche mannigfachen Aufgaben hier der Krankenschwester harren, und wie schwer und verantwortungsvoll, aber auch wie segensreich ihr Wirken ist, sagt uns treffend Dr. Jakobsohn: "Zweifellos bildet die Armenkrankenpflege bzw. die Gemeindekrankenpflege den schwierigsten und verantwortungsvollsten Zweig der privaten Krankenwartung. Diese Tätigkeit umfaßt eine Reihe von Aufgaben, welche von 133 vornherein nicht unmittelbar zum eigentlichen Pflegedienst am Krankenbette, wie er in der Hospitalpflege oder in der Privatpflege in begüterten Kreisen vor sich geht, gehören, aber doch der Lage der Sache nach untrennbar mit ihr verbunden sind. Die Krankenpflegepersonen, welche in der Armenkrankenpflege arbeiten, müssen nicht nur sich die Fürsorge für die ihrer Obhut unterstellten Kranken angelegen sein lassen, sondern es fällt ihnen auch eine wichtige und sehr bedeutungsvolle volkshygienische Aufgabe zu. Sie sind als die besten und wirksamsten Pioniere gesundheitlicher Lebensweise anzusehen, als die berufenen Träger sanitärer Aufklärung, die geeigneten Zerstörer des Aberglaubens auf dem Gebiete des Gesundheits- und Krankenpflege, welche so oft die Ursachen des menschlichen Elends, des körperlichen wie auch des geistigen Siechtums, der Ausbeutung der verheerenden Volksseuchen sowie die unüberwindlichen Hindernisse der Krankenbehandlung und Genesung bilden. Vermöge ihrer intimen Stellung in den mittellosen Familien, in denen sie häufig auch die Sorge für den Haushalt, die Obhut der Kinder usw. übernehmen müssen, gelingt es ihnen oft besser noch als dem ja nur kurze Zeit verweilenden Arzte, erziehlich zu wirken, von schädlichen Lastern zu entwöhnen und zu fruchtbringender Arbeitsamkeit anzuregen. So wird die Tätigkeit der Gemeindekrankenpflegerin zu einer in prophylaktischer, therapeutischer und sozialer Beziehung gleich wichtigen." 236) Die hier angedeuteten Aufgaben sind stets von den Niederbronner Töchtern bei der Ausübung ihres Berufes erfüllt worden. Aus den anerkannten Satzungen der Genossenschaft mag einiges die Krankenpflege Betreffendes hier eingefügt werden. Der erste und wichtigste Zweck der Genossenschaft ist die ambulante Krankenpflege, vor allem in den Wohnungen der Armen. Darin, daß die Kongregation bis heute der A r m e n k r a n k e n p f l e g e in Stadt und Land sich vorzüglich gewidmet hat, liegt ihre große soziale Gegenwartsbedeutung. An erster Stelle der Konstitutionen heißt es: "Die Schwestern pflegen die Kranken in deren eigenen Wohnungen. Sie suchen besonders die armen Kranken auf und lassen sich angelegen sein, ihnen eine angemessene Nahrung, die betreffenden Arzneimittel, die notwendige Bett- und Leibwäsche zu verschaffen." Bei Ausübung der Krankenpflege sollen die Schwestern "weder beschwerende Mühsale noch Verdemütigungen, weder Abwillen noch Gefahren für ihre Gesundheit oder ihr Leben scheuen. Sie werden ihren Eifer mit dem Gedanken nähren, daß sie für Gott arbeiten, der ihnen den Beruf geschenkt und ihre Belohnung sein will. Sie werden sich befleißen, in den Armen und Kranken unsern Herrn Jesus Christus zu ehren, der vom Himmel gekommen ist, die Wunden unserer Seelen zu pflegen, und welcher die Verheißung gegeben, daß er alles, was wir für den letzten der Seinigen tun werden, als ihm selbst getan annehmen wird". Das Verhalten dem Arzte gegenüber wird treffend dahin bestimmt: "Es ist den Schwestern verboten, sich in die Wahl eines Arztes für die Kranken einzumischen. Sie sollen sich angelegen sein lassen, die Vorschriften des Arztes richtig aufzufassen, um sie dann pünktlich zu beobachten." Im übrigen haben sie sich nur um das Wohl des ihnen anvertrauten Kranken zu bekümmern. "Gespräche sowie das Lesen über Politik, Gemeinde- oder Pfarrangelegenheiten sind den Schwestern verboten. Wenn in einer Gemeinde Zerwürfnisse vorkommen, so werden die Schwestern nicht Partei ergreifen. Auch in Familiengeschäfte werden sie sich nicht einmischen. Sind sie bei Reichen, so werden sie sich wohl hüten, die Klagen der Dienstboten anzuhören." Nach diesen allgemeinen Voraussetzungen eines ersprießlichen Krankendienstes werden folgende hygienische Maßnahmen befohlen: "Die Schwester wird die Reinlichkeit herstellen oder bewahren bezüglich der Person des Kranken und dessen Lagers, in den Gefäßen zu dessen Bedienung, im Krankenzimmer und in allem, was sich darin befindet. Sie wird die Auslüftung und 134 Beleuchtung desselben besorgen, aber dergestalt, daß es dem Kranken nicht unbequem werde. Dieselbe Reinlichkeit sollen die Schwestern an ihrer eigenen Person beobachten. Die Hände waschen und die Kleider reinigen, so oft als es nützlich sein kann, doch ohne einen Ekel oder Widerwillen merken zu lassen. Die Schwester wird die Ordnung handhaben: a) in der Person des Kranken, damit sowohl für die Anständigkeit als für sein Wohlergehen Fürsorge geschehe und er passend zugedeckt sei; b) im Krankenzimmer, damit alle, auch die geringsten Gegenstände, welche der Schwester anvertraut sind, sich immer am gehörigen Platz befinden. Die Aufmerksamkeit und die Opferwilligkeit der Schwester sollen sich dem Kranken zu erkennen geben in der Pünktlichkeit, mit welcher er gepflegt wird; denjenigen aber, die ihn besuchen, in der Reinlichkeit, Ruhe und Ordnung, welche im Zimmer herrschen. Sie wird besonders fürsorgen, daß der Kranke nicht aufliege und aus Mangel an Pflege noch Wunden erhalte. Den Schwestern wird dringend empfohlen, die ihnen gegebenen Vorsichtsmaßregeln, besonders bei ansteckenden Krankheiten, nicht zu vernachlässigen. So sollen sie nicht ohne Ursache zu nahe am Krankenbette stehen, Verbindungen nicht ohne Fürsorge vornehmen, wenn sie selbst etwa eine wunde Hand haben, den Hauch des Kranken nicht ohne Notwendigkeit unmittelbar einatmen, das Bett etwas ausdünsten lassen, bevor sie es zurichten usw. Liegen arme Eltern krank danieder und ist niemand da, um an hilfebedürftigen Kindern Mutterstelle zu versehen, so wird sich die Schwester eine Pflicht daraus machen, ihre Fürsorge diesen Kindern reichlich zuzuwenden." Diese letzgenannte Bestimmung ist von besonderer sozialer Bedeutung; denn gerade in der Armenkrankenpflege kommt sehr oft außer der eigentlichen Pflege des Erkrankten noch die Sorge um die Aufrechterhaltung und Unterstützung des ganzen Hauswesens hinzu, wenn nämlich die Hausfrau selbst erkrankt ist, ganz fehlt oder für den nötigen Lebensunterhalt sorgen muß. Dann obliegt der pflegenden Schwester auch die Fürsorge für die unerwachsenen Kinder, sie ist Krankenpflegerin und Mutter zugleich, muß sich in Fällen bitterster Armut - die in Großstädten viel häufiger vorkommen, als man ahnt - um das Beschaffen der nötigen Nahrung, ja auch der Kleidung und der Bettwäsche kümmern: kurz, sie ist in verzweifelten Lagen für viele Familien der rettende Engel, der nicht nur in hygienischem Sinne aufklärend wirkt, geordnete Zustände in verrotteten Familien anbahnt, sondern auch durch sein ganzes Wesen und Auftreten einen sittlich veredelnden Einfluß auszuüben imstande ist. Es ist kein geringes Lob, das am 20. August 1883 der Bischof von Lüttich, Viktor Joseph, in einer Zuschrift an den Heiligen Stuhl unsern Schwestern spendet: "Am meisten aber leuchtete ihr Eifer in der Pflege der kranken Armen, denen sie nicht bloß Heilung des Körpers, sondern auch der Seele unaufhörlich angedeihen lassen. Während sie aber auf diese Unglücklichen die Fülle ihrer barmherzigen Liebe ergießen, führen sie durch ihre liebevollen Ermahnungen und ihr Beispiel die Familienangehörigen zur Besserung ihrer Sitten und Ausübung der Tugenden. Daher geschah es, daß das ärmste Viertel der Stadt, in dem allerlei Laster grassierten, durch den heilsaman Einfluß der Schwestern so sehr sich änderte, daß es die Bewunderung des Pfarrklerus und aller Gutgesinnten erregte." In manchen Städten verbinden unsere Schwester mit der gewöhnlichen Krankenpflege seit einigen Jahren noch die spezielle Fürsorge für Lungenkranke. Die eigens dafür angestellten Schwestern machen in regelmäßigen Zwischenräumen ihren Rundbesuch bei den vom Armenarzt ihnen bezeichneten Tuberkulösen, um sich genau 135 über ihren jeweiligen Zustand, Fortschritt oder die Verschlimmerung der Krankheit zu unterrichten und die entsprechenden Maßnahmen zu treffen nach den Anordnungen des Arztes. So sind gerade für die Armenbevölkerung der Großstädte die Stationen für ambulante Krankenpflege eine soziale Wohltat ersten Ranges, und gerne erkennen die Gemeinde- und Gesundheitsbehörden die Leistungen der Schwestern an 237). Die Größe dieser Wohltat erhellt am besten aus einigen Ziffern. Wir greifen ein Jahr aus der Vorkriegszeit heraus, das Jahr 1913. Die Genossenschaft besaß allein im Deutschen Reiche 212 Stationen für ambulanten Krankendienst mit 786 Schwestern. Diese pflegten 46714 Kranke. Die Zahl der Nachtwachen - die Tagpflegen und die unzähligen kleineren Dienstleistungen lassen wir unberücksichtigt, da nicht alle Stationen darüber berichtet haben - betrug 81707. Dabei ist zu beachten, daß eine große Zahl der Stationen der bäuerlichen Bevölkerung auf dem Lande zugute kommen, und daß sehr viele dieser Stationen schon zu einer Zeit gegründet waren, wo der Wert dieser sozialen Einrichtung noch nicht so allgemein anerkannt war wie heute 238). Das ist ein Verdienst, das man unserer Genossenschaft im Vereine mit andern kirchlichen Krankengenossenschaften, "bei deren Mitgliedern hohe Leistungsfähigkeit mit größter Opferwilligkeit gepaart sich findet" 239), nicht hoch genug anrechnen kann. Noch im Jahre 1899 konnte der oldenburgische Regierungsrat Düttmann mit Bezug auf kirchliche Krankenpflegevereinigungen sagen: "Was die letzten Jahrzehnte auch an verheißungsvollen Anfängen auf dem Gebiete der Ausbildung von Krankenpflegerinnen gebracht haben, das Schwergewicht liegt auch heute noch immer bei den konfessionellen Genossenschaften, deren werbende Kraft durch jene Konkurenz, wenn man sie so nennen darf, nicht geschwächt, sondern eher gesteigert ist." 240) Diese Worte, die sich auf die kirchlichen Genossenschaften beider Konfessionen beziehen, gelten im gewissen Sinne auch heute noch. Trotz der ständigen Zunahme eines weltlichen, auf Erwerb angewiesenen Pflegerinnenpersonals, dessen berufstechnische Ausbildung wir vollauf anerkennen, wird gerade für die ambulante Armenkrankenpflege die Tätigkeit katholischer Ordensgenossenschaften nicht entbehrt werden können. Einmal, weil diese ein echtes Karitaswerk sein muß. "Höhere, übernatürliche Beweggründe müssen dieser Tätigkeit, welche immer aufreibend und voller Gefahren ist, jene Weihe verleihen, die man sonst als selbstverständlich voraussetzt, wenn das Weib den Kranken unterschiedslos, vorab den männlichen, heute hier und morgen dort, wie eine Schwester dem Bruder, die intimsten Dienste leisten soll." 241) Dazu kommt, daß gerade die katholischen Genossenschaften bezüglich des Kostenpunktes ganz geringe Anforderungen stellen. Was Düttmann im allgemeinen über die bescheidenen Bedingungen der Krankenpflegeorden sagt, findet in der Chronik der meisten unserer Schwesternniederlassungen eine zutreffende Illustration: "Nicht selten wird nur die Bereitstellung eines kleinen Häuschens, in dem dann außer der Wohnung der Schwestern vielleicht einige Krankenbetten aufgestellt werden, beansprucht und erwartet, daß die Mittel zur Unterhaltung der Schwestern durch milde Gaben gedeckt werden." 242) Wie bescheiden, ja ärmlich sind die Anfänge vieler Niederlassungen gewesen, und welches Maß an Opferwilligkeit und Selbstverleugnung wird mitunter von den Schwestern gefordert! Man muß sich oft wundern, wie sie mit dem wenigen, was ihnen zum Lebensunterhalt zu Gebote steht, nicht nur sich selbst erhalten, sondern auch noch für Arme und Notleidende sorgen und durch eine ans Wunderbare grenzende Sparsamkeit manche Anstalten zu blühender Entwicklung bringen konnten. In der persönlichen Bedürfnislosigkeit und Genügsamkeit des um Gottes Lohn arbeitenden Personals liegt vielfach die Erklärung dafür, daß so große Resultate mit möglichst geringen Mitteln erzielt werden konnten; es ist dies wiederum ein nicht zu unterschätzendes sozialökonomisches Moment, das im 136 staatlichen Haushalt den Wert unserer Genossenschaft nicht gering anschlagen läßt 243). Neben den Niederlassungen für ambulante Krankenpflege und oft mit diesen eng verbunden sind eine stattliche Reihe von mehr oder weniger ausgedehnten, modern eingerichteten Krankenhäusern, die von der Genossenschaft teils in eigener Regie teils im Auftrag von Gemeinden oder karitativen Vereinen betrieben werden 244). Die größeren Krankenhäusern sind zugleich die praktischen Krankenpflegeschulen für die Schwestern, die hier die theoretische Ausbildung ergänzen. Eine vorzügliche, staatlich genehmigte Krankenpflegeschule ist seit 1912 in dem allen Anforderungen neuzeitlicher Hospitaltechnik genügenden stattlichen St. Odilienkrankenhaus zu Straßburg-Neudorf in Betrieb 245). So ist für die tüchtige Ausbildung bestens gesorgt, und die vielfach gegen das katholische Ordenskrankenpflegepersonal geäußerten Bedenken entbehren der begründeten Unterlage 246). Mit dem engeren Krankendienst ist aber die soziale Bedeutung der Kongregation nicht erschöpft. Auch in der sonstigen Armenfürsorge leistet sie Beachtenswertes; Zeuge dessen sind die Armen- und Pfründnerhäuser, deren es 1913 in Deutschland 40, in Frankreich 6 waren. Dazu kommt eine ausgedehnte Waisenfürsorge. Im Elsaß allein besitzt die Genossenschaft fünf eigene Waisenhäuser, die im Jahre 1913 877 Waisenkinder erzogen; auf die den Schwestern anvertrauten Anstalten des übrigen damaligen Deutschlands entfällt ebenfalls eine beträchtliche Zahl, so daß für das Deutsche Reich (mit Elsaß) im Jahre 1913 1737 Waisen der Pflege der Genossenschaft unterstanden, während französische Waisenhäuser ca. 200 Kinder aufwiesen. Mit bestem Erfolg war die Kongregation bemüht, aus den ihr anvertrauten Zöglingen nützliche Glieder der menschlichen Gesellschaft heranzubilden, begabten Kindern konnte vielfach auch eine höhere Bildung auf den Lebensweg mitgegeben werden. In beträchtlichem Maße ist die Genossenschaft auch auf dem so wichtigen Gebiete der K i n d e r - u n d J u g e n d f ü r s o r g e tätig. Die große soziale Bedeutung der Kinderbewahranstalten ist heute, im Zeitalter des Industrialismus, wohl unbestritten. Mit der zunehmenden Erkenntnis dieser Bedeutung hat sich die Niederbronner Genossenschaft, obschon sie die Krankenpflege als Hauptzweck betrachtet, auch dieses Zweiges moderner Wohlfahrtspflege angenommen 247). Vielfach hängt ja die Kinderbewahranstalt aufs innigste mit der Armen- und Waisenpflege zusammen, in allen jenen Fällen, wo die Familie nicht in der Lage ist, die Erziehung der Kinder richtig und genügend zu leiten, sei es, daß der Erwerb die Mutter aus der Kinderstube verbannt, sei es, daß eine leider in Großstädten nur zu häufig auftretende sittliche Verwilderung des Familienlebens eine geordnete Erziehung unmöglich macht. Da springt die rettende Liebe ein, und die Barmherzige Schwester wird in Wahrheit all den Kleinen, mit denen sich die Mutter tagsüber nicht abgeben kann, zur zweiten Mutter und übt an den armen Würmchen ein nicht geringeres Werk der christlichen Liebe als am Bette des Kranken. So erklärt es sich, daß zahlreiche, im Dienst der Krankenpflege stehende katholische Orden sich schon früh an dem eminent sozialen Werke der Kleinkinderschulen beteiligt haben, wenn auch die landläufige Literatur, die sich in Verherrlichung Fröbels, des Begründers der Kindergärten, nicht genug tun kann, von diesen gleichgearteten Bestrebungen nichts verzeichnet. Mit Recht sagt daher ein Erzieher: "So groß auch das Verdienst Fröbels und seiner Freunde um die Kindergärten ist, so darf doch nicht vergessen werden, daß 137 die Idee der Unterstützung der Familie bei der Sorge um die kleinen Kinder auch von anderer Seite aufgegriffen und realisiert worden ist. Vornehmlich waren es einige Ordensgenossenschaften, die sich in liebevollster Weise der Kleinen annahmen. Nicht bloß in großen Städten, sondern auch in kleinen Ortschaften, ja sogar auf dem Lande finden wir gewöhnlich als Anhang zu einem Krankenhause auch eine von Schwestern gehaltene Bewahranstalt, und die Ortsbewohner sind recht froh, daß sie dort ihre Kinderchen unterbringen können. Wir haben recht viele solcher Anstalten besucht und uns stets gefreut über die himmlische Geduld, mit der so eine Schwester tagtäglich und stündlich der kleinen und kleinsten Bedürfnisse und Anliegen Rechnung trug. Wir behaupten: Wo tausend andere die Geduld verlieren würden, diese Schwestern behalten sie. Es muß wohl der an Opfer gewohnte Ordensstand es mit sich bringen, daß diese Schwestern ohne Rücksicht auf Entgelt mit solcher Freudigkeit und Liebe ihrem Berufe leben." 249) Dieses Wort ist allen Freunden der christlichen Bewahrschule aus der Seele gesprochen. Der Verfasser dieser Geschichte hatte während seiner Studienjahre in München (1901 - 1903) und in späteren Ferienwochen im dortigen Herz-Jesu-Kloster unserer Kongregation tagtäglich Gelegenheit, die unendliche Geduld der Kinderschulschwestern zu bewundern, die in diesem Ameisenhaufen wuselnder, krabbelnder Kinder Zucht und Ordnung und doch auch Frohsinn und Heiterkeit aufrechterhalten konnten. Es entging ihm nicht, daß von einer in diesem tief christlichen Geiste geleiteten Bewahrschule ein äußerst segensreicher Einfluß auf die Familie und das gesamte soziale Leben unmittelbar durch die mit den Müttern verkehrende Schwester und mittelbar durch die Pfleglinge ausströmen kann. Die Erfahrung hat ja gelehrt, daß es für gewisse Volkskreise leichter ist, durch die Kinder die Erwachsenen als umgekehrt jene durch diese zu beeinflussen. Über den Geist, von dem solche Anstalten geleitet sind, und ihren Zweck sagt uns ein Bericht des Vereins der Kleinkinderbewahranstalt der Heiliggeistpfarrei in München, die im Jahre 1884 von unsern Schwestern im Herz-Jesu-Kloster eröffnet wurde: "Wir fordern von der Kleinkinderbewahranstalt zwei Dinge: 1. daß in derselben Kinder von 3 bis 6 Jahren aufgenommen, über Tags behalten, erzogen, auf Wunsch mittags verköstigt und nach Möglichkeit, dem Alter entsprechend, unterrichtet werden; 2. daß das Leben in der Anstalt vom katholischen Geiste durchdrungen und getragen sei. Unter letzterem verstehen wir insbesondere, daß die Kinder in den Grundwahrheiten unserer heiligen Religion unterrichtet und erzogen werden. Gottes Allmacht, Allgegenwart, Allwissenheit, Güte, Gerechtigkeit, Gottes Lohn und Strafe in diesem und im andern Leben, den Begriff der Tugend wie den Begriff der Sünde, die Notwendigkeit und Schönheit des Gebetes nebst der Fähigkeit, beten zu können, die Geschichte von Weihnachten, Ostern und Pfingsten: dies alles ist ein Samenkorn, das seinen fruchtbarsten Boden in den Kinderherzen findet. Dies ist der Lehrstoff, den jede christliche Mutter ihrem Kinde zu vermitteln verpflichtet ist, und wo die Kinderbewahranstalt an Stelle der Eltern tritt, übernimmt sie die elterlichen Pflichten. Es gibt in der ganzen Welt nichts, was Kinderherzen so zu bilden und zu veredeln und zugleich für alles übrige Lernen so vorzubereiten vermag als der Unterricht und die Übung des Kindes in der Religion." Man glaube aber nicht, daß das Religiöse, wie es nach diesem etwas reichlichen Programm scheinen könnte, überwiegt, daß die Kinder etwa mit religiösen Elementen übersättigt würden - ein Vorwurf, den die Anhänger der religiös indifferenten Fröbelschen Methode gerne den christlichen Bewahrschulen machen 249). Bei aller echt christlichen Wärme wird das weise Maß der direkt christlichreligiösen Beeinflussung nie überschritten, mit Weitherzigkeit werden Winke von allen Seiten, auch von der Fröbelschen Richtung, verwertet. In Karlsruhe und Mannheim sind neuestens direkte Fröbelgärten von den Schwestern eingerichtet worden. 138 Der minimale Wochensatz - von 20-50 Pfennig, bei Verabreichung des Essens von 1 Mark in der Vorkriegszeit -, den die Eltern für die Kinder als Entschädigung zu entrichten haben und der in besonderen Fällen auch noch erlassen wird, macht diese Bewahrschulen zu einer sozialen Wohltat ersten Ranges. Es ist ferner zweifellos, daß sie dem sittlichen Verderben der Jugend entgegenwirken, und sicher, daß sie fast überall die Sterblichkeit der Kinder gemindert haben. Für das deutsche Reichsgebiet entfielen auf unsere Genossenschaft im Jahre 1913 93 Bewahrschulen mit zusammen 10121 Kindern, von denen 1714 auch verköstigt wurden; 123 Schwestern waren dafür tätig. Die Zahl der Bewahrschulen ist seither gewachsen. An einem der segensvollsten Werke für Kinderwohlfahrtspflege, den sog. K r i p p e n , worin Kinder bis zum dritten Lebensjahre gehegt und gepflegt werden, und welche namentlich in Städten mit Arbeiterbevölkerung von größter sozialer und hygienischer Tragweite sind 250), ist unsere Kongregation ebenfalls beteiligt. Sie unterhält in Deutschland sieben solcher Anstalten, die im Jahre 1913 insgesamt 283 Kinder beherbergten. 1917 und 1918 wurden weitere Krippen in Darmstadt und Worms eingerichtet. Das stete Anwachsen der Großstädte mit ihren großen Gefahren für die heranwachsende Schuljugend hat in der neueren Zeit zur Gründung von K i n d e r h o r t e n geführt 251). Ihre wichtige Aufgabe besteht darin, schulpflichtige Kinder unbemittelter, auf Erwerb außerhalb des Hauses angewiesener Eltern "während eines Teiles der schulfreien Zeit zu beaufsichtigen, sie nützlich zu beschäftigen und in einer für Verstand und Gemüt anregenden Weise zu unterhalten, um sie auf diese Weise an Gehorsam, Tätigkeit, Ordnung und andere guten Sitten zu gewöhnen und vor dem Einfluß schlechter Gesellschaft zu bewahren" 252). Von solchen sozial ungemein bedeutsamen Anstalten haben die Niederbronner Schwestern in Deutschland sieben für Mädchen mit zusammen 590 Kindern, zwei für Knaben mit 127 Besuchern (die Zahlen gelten für 1913) teils in eigener Verwaltung, teils im Auftrag von karitativen Vereinen unterhalten. Es ist klar, daß in all diesen Horten, in denen eine große Anzahl Kinder um äußerst geringes Entgelt ein kräftiges Mittagsbrot erhalten, die Einwirkung auf die Kinder in christlichem Sinne betont wird 253). Den Glanzpunkt des Jahres bildet hier wie auch in den Bewahrschulen, die von der Genossenschaft unterhalten werden, die Weihnachtsfeier mit der Bescherung. Man muß einer solchen beigewohnt haben, um die große soziale Bedeutung eines scheinbar belanglosen Ereignisses richtig zu würdigen; man versteht dann auch, daß sich die Schwestern die saure Mühe nicht verdrießen lassen, viele Monate hindurch die wenigen freien Augenblicke, die ihnen das harte Berufsleben läßt, für die Anfertigung zahlloser Kleidungsstücke und anderer nützlicher Gebrauchsgegenstände zu verwenden, mit denen sie die meist armen Kinder bescheren 254). Angesichts der allgemeinen Freude fühlen sich die Gebenden reicher beschenkt als die Empfangenden. Mit vielen Niederlassungen für ambulante Krankenpflege sind ferner H a n d a r b e i t s s c h u l e n (Näh-, Strick- Flickschulen) verbunden, teils für die schulentlassene, teils für die noch schulpflichtige Jugend an solchen Orten, wo eine eigene Lehrkraft für diesen Unterricht an der Schule nicht besteht. In Bayern erteilen einzelne Schwestern auch den obligatorischen Handarbeitsunterricht in der Volksschule. Auch einige H a u s h a l t u n g s s c h u l e n werden von der Genossenschaft geleitet. Als eine ihrer Nebenaufgaben bezeichnet die Kongregation auch folgende: Die Schwestern halten auf Wunsch und auf Begehren der Pfarrgeistlichkeit "an Sonn- und Feiertagen Versammlungen von Jungfrauen, um dieselben zur Übung jungfräulicher Tugenden anzuleiten." Dementsprechend stehen in Belgien, Deutschland und Frankreich eine große Anzahl J u n g f r a u e n v e r e i n e mit über 7000 Mitgliedern unter 139 der Leitung unserer Schwestern, sowie einige Dienstbotenvereine. Dazu kommen eine Anzahl von M ä d c h e n h e i m e n , welche erwebenden Mädchen, Arbeiterinnen, stellenlosen Dienstboten, Ladnerinnen, Beamtinnen Unterkunft und Beköstigung gewähren. Aus dieser knappen Zusammenstellung erhellt zur Genüge der gewaltige soziale Wert eines modernen karitativen Organismus von der Art unserer Genossenschaft. Ihre Mitglieder sind selbst vielfach, ja zumeist Kinder mittlerer Volksschichten, Töchter kleiner Leute. Die Aufnahmebedingungen kommen in weitherzigster Form dem sozialen Empfinden unserer Zeit entgegen. Keine Standesrücksichten sind maßgebend, nur der sittliche Wert der an die Klosterpforten pochenden Persönlichkeit, ihr reiner, guter Wille und die sonstigen für den Beruf nötigen Qualitäten sind ausschlaggebend, nicht Stand, Bildung und Besitz. Eine sog. "Mitgift" - 800 Mark – ist zwar in den Satzungen vorgesehen, aber ihr Fehlen eher die Regel als die Ausnahme. Töchter des Volkes, die dessen Leiden und Nöte kennen, gehen sie wieder hinaus zu ihm, zu den Kranken und Armen, bescheiden, demütig, ohne jedes Aufsehen zu erregen, und wandeln segenspendend durch die leidende Menschheit. Mit möglichst geringen Kosten leisten sie der Gesellschaft außerordentlich wertvolle Dienste. Rein volkswirtschaftlich betrachtet, gilt auch für unsere Genossenschaft, was der Nationalökonom W. Hohn für die Trierer Borromäerinnen für deren wirtschaftlichen Wert im Dienste des Staates feststellt: "Zunächst gehören die Kräfte an sich, die Personen, welche sich in diesem Institut in den Dienst des einzelnen Volkes und der Menschheit überhaupt stellen, dem Geschlechte an, das in der Produktion wirtschaftlicher Güter naturgemäß hinter das männliche zurücktritt und der Allgemeinheit in gewöhnlichen Fällen nur indirekt, durch Begründung einer Familie und gute Kindererziehung, dienen kann. Jungfrauen, die das ehelose Leben im Kloster als Beruf erwählen, würden auch aller Voraussicht nach in der Welt ehelos geblieben sein. Jene Vermögensvorteile, welche sie bei der Erbabfindung vor der Profeß den Geschwistern bereitwillig zugewandt und dadurch deren Wohlstand gefördert haben, wären in der Welt von ihnen selbst verbraucht worden, ohne in gleicher Weise dem Volkswohlstande zugute zu kommen. Vielfach hätte sich ihre Kraft in den Familien der Eltern und Geschwister verzettelt und nicht die rechte wirtschaftliche Betätigung gefunden." 255) Ferner ist zu beachten, daß die für den Krankenpflegeberuf gründlich ausgebildeten Profeßschwestern dauernd in ihrem Berufe - sei es in der Anstalts- oder Privatkrankenpflege - tätig sind, daß sie ihre Erfahrungen am Krankenbette ständig vermehren und dadurch die wertvolle Stütze des Arztes werden, von deren Hingabe und Sachkenntnis in sehr vielen Fällen die Heilung des Patienten abhängt. "Daß eine Barmherzige Schwester, die ihr Leben diesem Berufe widmet, dem Arzte eher dienen kann als eine vorübergehende Pflegerin von kürzerer und kürzester Erfahrung, liegt auf der Hand. Die Kosten ihrer Ausbildung sind im Verhältnis zu diesen an sich geringer, und weil sie ihr Leben lang bleiben, was sie sind, weder nach drei oder seien es auch mehr Jahre, ihren Beruf aufgeben oder heiraten oder sich pensonieren lassen, so brauchen Mühe, Kosten und Zeit der Ausbildung nicht so häufig aufgewandt zu werden, als wenn vorübergehende Pflegerinnen ihre Stelle versähen; man kann doch rechnen, daß sie mit einem Durchschnittsalter von 45 Jahren vier andere Pflegerinnen (Diakonissen und definitiv angestellte Pflegerinnen anderer Vereinigungen in eins genommen) ohne klösterliche Verbindlichkeit aushalten." Infolge der schon angedeuteten verhältnismäßig geringen Aufwendungen für die Erhaltung der Pflegekräfte wegen der einfachen Lebenshaltung der Schwestern werden Leistungen erzielt, die in andern Fällen nur unter Aufwendung ganz bedeutender Mittel zustande kämen. 140 Zu berücksichtigen ist auch, worauf schon oben einmal hingedeutet wurde, daß der anerkannte Sinn für Häuslichkeit, Ordnung und Sparsamkeit der Schwestern den von ihnen verwalteten Häusern zugute kommt, mögen sie nun Eigentum der Genossenschaft selbst sein oder Gemeinden und gemeinnützigen Körperschaften angehören. Als be-zeichnend in dieser Hinsicht seien die Worte einer Denkschrift des Vinzentiusvereins von Karlsruhe vom Jahre 1891 angeführt, in welcher die glückliche Entwicklung des dem Verein gehörenden Krankenhauses auf die Tätigkeit der dort angestellten Niederbronner Schwestern zurückgeführt wird: "Die vorzügliche Führung des Haushaltes im St. Vinzentiushaus, die volle selbstlose Aufopferung der Schwestern für die Vereinszwecke, das und nichts anderes ist das Fundament, auf dem sich die Anstalt aufgebaut hat. Das ist das fruchtbare Erdreich, aus dem dieselbe ihr kräftiges Wachstum und ihr glückliches Gedeihen zieht." Durch alle diese Anstalten aber "erlangen in vorzüglicher Weise gerade jene Mitglieder der menschlichen Gemeinschaft Hilfe in der Not, für welche schwachen Familien, oder wenn diese nicht dazu imstande sind, Gemeinde und Staat die Sorge und Last zufällt". Dazu kommt endlich noch der sehr beachtenswerte Umstand, daß die Schwestern die staatlichen und gemeindlichen Lasten beträchtlich erleichtern, indem sie die Mildtätigkeit weiter vermögender Kreise anregen 256). Und schließlich noch ein hoher Gesichtspunkt: "Einmal das Hochopfer, welches das Ordensmitglied durch die Weihe des ganzen Lebens für den engeren Dienst Gottes und des Nächsten in Unterordnung unter ein gemeinschaftliches Ganze bringt, dann die große psychologische und soziale Bedeutung des dauernden gemeinschaftlichen Zusammenwirkens." 257) 141 Drittes Buch. Äußere Geschichte der Genossenschaft. Ihre Ausbreitung. Erster Abschnitt. Die im Jahre 1866 abgetrennten Zweige zu Wien, Ödenburg und Würzburg. Erstes Kapitel. Die Niederlassung in Wien und ihre Trennung (1857 - 1866). Am 30. Dezember 1856 wandte sich die Gräfin Flora v. Fries im Auftrage des Maria-Elisabethenvereins von Wien, dessen Vorsteherin sie war, an die Leitung des Mutterhauses Niederbronn mit der Bitte, einige Schwestern zu senden, welche sich in der Pfarrei Reindorf, einem damaligen Vorort von Wien 258), der Erziehung von Waisenkindern und der Krankenpflege widmen sollten. Durch die Schenkung eines im Braunhirschen Grund gelegenen Hauses (Nr. 61) war die Möglichkeit einer solchen Niederlassung gegeben. Kardinal Rauscher, der Oberhirte der Wiener Erzdiözese, genehmigte in einem an die Gräfin v. Fries gerichteten Handschreiben vom 28. März 1857, "daß ein Schwesternhaus der Töchter des göttlichen Erlösers zu Reindorf gegründet und die hierzu erforderlichen Mitglieder der genannten geistlichen Kongregation aus der Diözese Straßburg berufen werden". Er fügt bei: "Ich bitte übrigens Gott, daß dies Samenkorn reichliche Früchte tragen möge, und zwar um so mehr, da die große Bevölkerung der Pfarrei Reindorf an kirchlichen Anstalten so arm ist." 259) In Niederbronn willfahrte man gerne dem Wunsche des Elisabethenvereins. Schwester Theophile Daur, aus Niederbronn gebürtig, eine sehr befähigte und tatkräftige Natur, kam im Laufe des Frühjahrs 1857 mit vier andern Schwestern als Oberin der neuzugründenden Filiale nach der Kaiserstadt 260). Allein schon zu Anfang stellten sich Schwierigkeiten ein, da der Elisabethenverein die Schwestern ausschließlich seinen Zwecken dienstbar machen wollte. Schwester Theophile war aber nicht gewillt, dem Wirkungskreis der neuen Niederlassung so enge Schranken zu setzen. Resolut, wie sie war, ging sie gleich an die richtige Stelle, indem sie unterm 1. Oktober 1857 dem Herrn Kardinal die Bedingungen mitteilte, unter denen sie ihre Tätigkeit auszuüben gesonnen war: "Der fromme Maria-Elisabethenverein stellt uns die Zumutung, daß wir uns nur der Förderung des Zweckes dieses Vereins innerhalb des uns angewiesenen Hauses und vor allem der Obsorge über die uns übergebenen Mädchen widmen sollen. So sehr wir auch bereit sind, dieses zu tun, so müssen wir uns doch vorbehalten, daß wir frei und ohne erst eine Erlaubnis dieses Vereins einholen zu müssen, uns, sobald es die Umstände erlauben werden, dem Hauptzwecke unserer Kongregation widmen zu dürfen, nämlich der Krankenpflege in den Wohnungen der Kranken. Wir nehmen daher von dem Vereine nur jene Unterstützung in Anspruch, welche zum Unterhalte der in dem Hause verwendeten vier Schwestern, zur Erziehung der uns übergebenen Kinder und zur Pflege der uns vom Verein überwiesenen Armen nötig ist, und muten diesem Verein nicht zu, daß er auch jene Lasten, welche durch unsere Krankenpflege in den auswärtigen Wohnungen entstehen, tragen soll, rücksichtlich welcher wir auf die 142 göttliche Vorsehung vertrauen und uns auch vorbehalten, die an uns gelangten Almosen, welche wir nicht vom Maria-Elisabethenverein bekommen, nach unserm Gutdünken zu frommen Zwecken verwenden zu dürfen." Man versteht sehr gut, daß sich die Wiener Oberin gegen die Zumutung wehrte, bloß das willenlose Organ der Elisabethendamen zu sein, daß sie sich namentlich sträubte gegen das von diesen an die Schwestern erlassene Verbot der H a u s k r a n k e n p f l e g e , die doch der Hauptzweck der Kongregation war. Sie setzte sich auch sogleich mit dem damaligen Pfarrer von Reindorf in Verbindung, der von ihrem Vorhaben, in seiner Pfarre die Hauskrankenpflege zu übernehmen, entzückt war, und sie sprach sich auch in einer persönlichen Vorstellung des längeren mit dem Kardinal aus. Anfangs empfing der Kirchenfürst sie ziemlich kühl. Doch hören wir Schwester Theophile selber ihre Erlebnisse schildern: "Ich ließ mich nicht abschrecken, und er wurde so väterlich und so gut und versprach mir, ganz meine Stütze zu sein, ich sollte nur in allen meinen Anliegen meine Zuflucht zu ihm nehmen. Er sagte mir, je mehr Kranke Sie hier besorgen, desto mehr Freude wird es mir machen, und mein sehnlichster Wunsch ist, daß Ihr kleines Haus, das Sie bewohnen, ein großes Kloster wird, daß viele, viele von Ihren Schwestern hier wirken können; den folgenden Tag ließ ich mich mit einer Schwester zum Herrn Statthalter führen, der so gern mit Franzosen zu tun hat. Ich sprach französisch mit ihm; er äußerte die größte Freude, französische Schwestern hier in Wien etabliert zu sehen, und sagte mir, er selbst wolle uns beim Kaiser ankündigen. Von dort ging ich zum Herrn Bezirksrat und zu den andern Obrigkeiten der Gemeinde unserer Pfarrei, von welchen wir mit der größten Freude empfangen wurden." 261) Das Bedürfnis nach Schwestern, welche die ambulante Krankenpflege ausübten, war tatsächlich in Wien sehr dringend. Die vorhandenen Barmherzigen Schwestern genügten kaum für den Spitalkrankendienst. Mit scharfem Blick erkannte Schwester Theophile, daß einer selbständigen Niederlassung der Niederbronner Schwestern ein segensreicher Wirkungskreis auf dem Boden der Stadt Wien beschieden sei, wenn man die Tätigkeit der Schwestern nicht einschränkte, wie es sich die Elisabethendamen dachten. Da eine Einigung mit ihnen nicht erzielt werden konnte, die Generaloberin aber eine Rückkehr der ausgesandten Schwestern nicht wünschte, zogen sie aus dem vom Verein zur Verfügung gestellten Hause fort und mieteten sich vorläufig eine andere Wohnung in der Schwanengasse Nr. 61. Es folgten nun schwere, entbehrungs- und arbeitsreiche Tage und Monate für die Schwestern. Aber die zähe Ausdauer der Oberin und die Opferfreudigkeit der Mitschwestern trugen ihre Früchte. Am 1. März 1858 erließ Schwester Theophile mit Gutheißung der geistlichen und weltlichen Behörden einen Aufruf zu Beiträgen für die Gründung einer neuen Wohltätigkeitsanstalt für die Erziehung und Verpflegung armer, verwaister und verlassener Kinder in dem Pfarrbezirk Reindorf. Im September desselben Jahres wurde diese Anstalt eröffnet. Die Anfänge waren schwer. Neue Schwestern kamen, um die Arbeitslast zu teilen und vor allem um das segensreiche Werk der Krankenpflege auszuüben. Am Anfang des Jahres 1859 wünschte der erzbischöfliche Sekretär Kornheisl, der von Anfang an das Unternehmen tatkräftig förderte, von Rom aus dem Werke Glück und Segen. "Sagen Sie", schreibt er der Oberin, "den neuangekommenen Schwestern, daß sie in Wien Wunder wirken müssen, sonst geht es nicht. Denn ohne Geld ein großes Waisenhaus errichten und mit einem Dutzend Schwestern die Krankenpflege in einer so großen Stadt unternehmem, heiße ich doch Wunder wirken." Die Schwestern aber brachten dieses Wunder fertig. Schon nach kaum zwei Jahren hatten sie 150 Kinder in ihrem Waisenhause versammelt. Die alte Behausung war zu enge geworden; Schwester Theophile war es 143 gelungen, zwei Häuser in der Kaiserstraße zu erwerben und für ihre Zwecke einzurichten 262). Es fehlte auch nicht an Neidern und Verleumdern, die den Stadtmagistrat gegen das neue, segensvolle Unternehmen mobil machten. Der Magistrat drohte der Oberin mit der Entziehung der Waisenkinder. Kurz entschlossen, forderte Schwester Theophile ihn auf, die Kinder zu holen. Da gab es einen allgemeinen Protest der interessierten Kreise, und der Magistrat bat, die Oberin möchte doch die Kinder behalten. Das war kein kleiner Sieg, und mit Stolz machte die Oberin dem Straßburger Bischof Räß davon Mitteilung 263). Sie berichtet ferner, daß der Krankendienst in Wien viel Arbeit mache. Wien sei eine verdorbene Stadt. Selten finde man einen Kranken, der die Sterbesakramente empfangen wolle; die Schwestern hätten in dieser Hinsicht viel zu beten und zu kämpfen; doch sei bis jetzt keiner von den ihrer Pflege anvertrauten Kranken ohne die Heilmittel der heiligen Kirche aus dem Leben geschieden. An Geldsorgen fehle es nicht; in den letzten zwei Jahren hätte sie 170000 Franken für Bauzwecke ausgegeben, doch seien davon bereits 110000 Franken bezahlt. Mit 400 Franken Schulden und Gottvertauen hätten sie angefangen. Gott werde weiter helfen. Im Jahre 1863 konnte bereits eine Filialgründung zu Ödenburg in der ungarischen Diözese Raab vorgenommen werden. Mehr und mehr Schwestern mußten vom Mutterhause herüberkommen. Als Bischof Räß im Sommer desselben Jahres das Wiener Haus besuchte, konnte er der Mutter M. Alphons mitteilen, "daß dort die Schwestern einen sehr heilsamen und allgemein anerkannten Wirkungskreis haben. Es steht dort der Kongregation eine gesegnete Zukunft bevor. Der Kardinal, ein sehr einsichtsvoller, beobachtender, kalt beurteilender, aber entschiedener Mann, ist dem Werke außerordentlich zugetan, und nicht zwar sowohl in Worten als vielmehr tatkräftig". Das Haus sei aber bereits zu eng; die Oberin wolle das Nachbarhaus kaufen, er selbst, auch der Kardinal sei dafür. "Wenn in Österreich nachhaltig gewirkt werden soll, müssen viele dortige Schwestern Aufnahme finden. Allein der weite Weg und die Kosten schrecken ab. Mir scheint es daher unbedingt notwendig, an die Gründung eines dortigen Postulates zu denken. Es ist dieses um so mehr ratsam, weil dort alle Gutgesinnten, besonders Se. Eminenz und seine Umgebung, der festen Überzeugung sind, daß die Strömung von dem Mutterhause ausgehen und Leitung und Leben von dorther kommen und fortbestehen müssen." 264) Der Gedanke, den Räß in Übereinstimmung mit Kardinal Rauscher faßte, nämlich dem Wiener Hause ein Postulat anzugliedern, ist ebenso natürlich als praktisch. Man konnte dadurch, daß man junge, zum Ordensberuf neigende Mädchen in Wien aufnahm, auf einen viel stärkeren Zuzug österreichischer Mitglieder rechnen. Die weite Reise nach dem fernen Frankreich schreckte manche Eltern ab, ihre Kinder dorthin zu senden. Ein kürzerer oder längerer Aufenthalt aber im Wiener Hause, der über die Fähigkeiten und Berufsmöglichkeiten inländischer Kandidatinnen ein sicheres Urteil ermöglichte, bevor sie das eigentliche Noviziatsjahr im Mutterhause antraten, erschien als das beste und einfachste Mittel, an Ort und Stelle selbst Kandidatinnen in größerer Zahl zu gewinnen. Schwester Theophile dachte aber weiter. Sie träumte bereits, ehe der Kardinal noch an diese Möglichkeit dachte, von einem Wiener Noviziate. Als Räß Wien verlassen hatte, kaufte sie sofort das Nachbarhaus für 49500 Gulden. Woher das Geld nehmen? In letzter Stunde kam Hilfe. Die Gräfin Dietrichstein erbot sich, die Summe zu begleichen, nachdem die Oberin ihr erklärt hatte, daß Bischof Räß sich mit der Absicht trage, ein Noviziat zu errichten. Sie teilte es unterm 12. Juli Räß mit und fügte bei: "Heute habe ich dem Kardinal es gemeldet, er hat mich sehr ermuntert, das Haus gut zu einem Noviziat zu organisieren, und versprach mir noch namhafte Hilfe und Geld." 144 Damit war aber der erste Keim zur halb erfolgten Loslösung vom Mutterhause gelegt. Mit einem selbständigen Noviziat war die Einrichtung einer von Mutterhause in inneren Verwaltungssachen mehr oder weniger unabhängigen Provinz gegeben. Hatte die selbständigere Stellung einer Provinzialoberin für Schwester Theophile vielleicht eine besondere Anziehungskraft, daß sie den von Räß und dem Kardinal angeregten Gedanken eines Postulates aus eigener Machtvollkommenheit weiter auf das Noviziat ausdehnte? Im Mutterhause legte man ihr diese Absicht unter. Wie dem auch sei; auf jeden Fall führte die von diesem Zeitpunkt ab erörterte Noviziatsfrage zur Trennung vom Mutterhause. Dazu kam das wachsende Mißtrauen zwischen Schwester Theophile und der Generaloberin, das einerseits genährt wurde durch das geheime Drängen jener nach der Lösung des Noviziatsproblems, anderseits durch die großen, der Generaloberin mißfallenden Baupläne zur Vergrößerung des Wiener Hauses. Das Tempo der Wiener Oberin schien der ehrw. Mutter zu rasch, die Entwicklung des Hauses zu schnell und in Anbetracht der bedeutenden notwendigen Geldmittel zu gewagt. Schwester Theophile wußte sich zu helfen. Anfang Februar 1864 wurde ihr gestattet, eine Sammlung zu veranstalten. Sie wandte sich mit folgendem gedruckten Aufruf an das gute Wiener Herz: "Die Kongregation der Töchter des göttlicher Erlösers (Wien, Schottenfeld, Kaiserstraße Nr. 27) ist bei der rasch zunehmenden Zahl der armen Kinder und jener älteren, kränklichen Frauenspersonen aus besseren Ständen, welche in dem Pensionat der Kongregation gegen möglichst billige Entschädigung Unterkunft und Verpflegung erhalten, genötigt, statt der bisherigen Zimmerkapelle eine eigene Hauskapelle zu erbauen. Die Zahl der durch die Kongregation verpflegten Personen beträgt mit Einschluß der Ordensschwestern, welche sich der Krankenpflege widmen, in diesem Augenblicke nahe an zweihundert. Gibt Gott seine Gnade dazu, so wird der Bau bis zum kommenden Jahre vollendet sein, und dann werden nicht bloß die Bewohner des Pensionats, die verwaisten und armen Kinder und die im Krankendienst ermüdeten Ordensschwestern an dem Herzen des göttlichen Erlösers, der mitten unter ihnen wohnt, Trost, Kraft und heilige Liebe gewinnen, sondern auch Fremde, welchen bei besonderen Anlässen die Kapelle geöffnet wird, sich in den gottgeweihten Räumen erbauen. Se. Eminenz, unser hochw. Herr Kardinal Fürst-Erzbischof, der großmütige Förderer aller edlen und frommen Werke, hat der Kapelle ein prachtvolles Altargemälde zugesagt und dessen Ausführung der Meisterhand des Herrn k. k. akademischen Professors Karl Wurzinger übertragen. Jede Gabe zur Bestreitung des kostspieligen Baues wird mit größtem Danke und mit größter Gewissenhaftigkeit zur Ehre Gottes und zum Heile der Seelen verwendet werden. Wien, am Feste Mariä Lichtmeß 1864." 265) Bereits am 18. Oktober desselben Jahres wurde die Kapelle des Neubaues durch den Kardinal selbst eingeweiht, der vor den zahlreichen Anwesenden eine Ansprache hielt. Nach der Vollendung und zweckmäßigen Einrichtung des Neubaues faßte Kardinal Rauscher, offenbar von Schwester Theophile stark beeinflußt, den Plan eines eigenen Noviziates stärker ins Auge. Unterm 13. Februar 1865 ersuchte Se. Eminenz den Straßburger Bischof, "dem Wiener Hause die Errichtung eines Noviziates zu gestatten. Daß es im rechten Geiste geleitet wird, verbürgen die Eigenschaften der Oberin, und die ohnehin stattfindenden Visitationen geben der Generaloberin alle Gelegenheit, sich hiervon zu überzeugen. Der Zweck der Stiftung ist die Ehre Gottes 145 und das Heil der Seelen, und er wird durch die Errichtung des Noviziates wirksam gefördert". Räß benachrichtigte die Generaloberin sofort von dem Vorhaben des Kardinals. Nach reiflicher Rücksprache mit dem Kongregationsrat unterbreitete sie (6. April 1865) dem Bischof folgende Bedenken. "Der gute Ordensgeist, den man in den Schwestern von Niederbronn bewundert, ist eine Frucht des Noviziates. Ein getrenntes Noviziat wird trotz der Visitationen und Exerzitien 266) nicht dasselbe leisten; so wird der Einheitsgeist allmählich abnehmem und endlich, je nachdem Umstände eintreffen, die völlige Trennung von dem Zentralhause statthaben. Die Erfahrung lehrt, was solche Trennung in andern Kongregationen für bedauernswürdige Folgen hatte." Die Generaloberin hat das Recht und die Pflicht auf sich, die Schwestern in die Sukkursalhäuser und Wohltätigkeitsanstalten zu versenden. Damit sie diese Versendung zweckmäßig machen kann, muß sie eine genaue Kenntnis von dem Charakter und von den Eigenschaften der zu versendenden Schwestern haben. Wie kann sie aber diese Kenntnis von jenen haben, die nicht unter ihrer Leitung gebildet wurden? Wenn Bedenken gegen die weite Reise ins Mutterhaus geltend gemacht würden, so könne man wohl sagen, daß eine von Gott berufene Jungfrau sich durch die nötigen Auslagen nicht von ihrem Vorhaben abschrecken lasse. Zudem ständen auch die materiellen Interessen des Mutterhauses auf dem Spiel, da bei der sehr ungünstigen finanziellen Lage des Mutterhauses dieses fast ganz auf die von den Aspirantinnen mitgebrachten Aussteuersummen angewiesen sei. Zuletzt sei in den Konstitutionen vorgesehen, daß nur beim Mutterhaus ein Noviziat sein dürfe. Die Generaloberin blieb aber nicht bei einem brieflichen Gedankenaustausch in der für die Kongregation so wichtigen Angelegenheiten stehen. Sie reiste noch im April nach Wien. Sie erstattete von hier aus (30. April 1865) dem Straßburger Oberhirten Bericht über das Ergebnis ihrer Reise. In anderthalbstündiger Unterredung besprach sie die Sache mit dem Kardinal. "Er war äußerst zuvorkommend und billigte alle meine Ansichten, die ich mit aller Entschlossenheit und ohne Furcht darlegte. Ich sah wohl ein, daß ich nicht absolut das Vorhaben des Noviziates absprechen dürfte, jedoch stellte ich meine Bedingungen so, daß es noch lange Zeit braucht, um es ins Werk zu setzen." Sie berichtet aber auch von Unstimmigkeiten, die zwischen ihr und der Wiener Oberin zutage traten. Es sei dieser unerträglich gewesen, daß die Novizenmeisterin von der Generaloberin ernannt würde. Sie sagte rund heraus, daß sie keine Schwester aus dem Mutterhause oder aus einem andern Hause annehme zur Bildung der Novizen, sie wolle ihre Schwestern selbst bilden. Man ersieht hieraus, daß zwischen der Generaloberin und der Wiener Oberin Gegensätze bestanden, die für die Zukunft nichts Erfreuliches versprachen. Das größere Maß von Selbständigkeit, das sich aus den angedeuteten Wünschen der Schwester Theophile feststellen läßt, mußte einer Vorgesetzten von der Art der Mutter M. Alphons großes Mißbehagen bereiten. Doch würde man der Wiener Oberin Unrecht tun, wenn man behaupten wollte, sie hätte von vornherein eine Trennung in die Wege leiten wollen. Am 11. Dezember desselben Jahres hat der erzbischöfliche Sekretär Kornheisl in einem Schreiben an die Generaloberin ausdrücklich betont, daß Schwester Theophile sich entschieden dagegen verwahrt habe, und sie selbst bat um dieselbe Zeit (29. Dezember 1865) den Straßburger Bischof, er möge bei der ehrw. Mutter unter allen Umständen erreichen, daß eine Trennung vom Mutterhause nicht eintrete. Wenn Mutter M. Alphons bei ihrer Unterredung mit dem Kardinal sich der Hoffnung hingegeben hatte, die ihr sehr unerwünschte Errichtung eines Noviziates auf unbestimmte Zeit hinausschieben zu können, so täuschte sie sich. Am 19. Dezember 1865 wiederholte der Wiener Kirchenfürst, den Schwester Theophile ganz für ihre Pläne gewonnen hatte, sein Begehren bei Bischof Räß. Seine Wünsche gehen aber schon 146 viel weiter, er fordert die Errichtung eines auch vermögensrechtlich vom Mutterhaus unabhängigen Provinzialhauses. Indem er darauf hinweist, daß er die Frauen vom Guten Hirten 267) nur dadurch wider die damalige Regierung, den Landtag, das Abgeordnetenhaus und die Tagesblätter habe halten und retten können, daß er sie zu einer österreichischen Ordensprovinz vereinigt habe, verlangt er die gleiche Einrichtung auch für die Niederbronner Schwestern, "wenn sie die Hoffnungen erfüllen sollen, welche sie erweckt haben. Sie bedürfen dringend einer mit entsprechenden Vollmachten versehenen Provinzialoberin und eines dieser Oberin unterstehenden Noviziates. Dann wird es den Häusern von Wien und Ödenburg an Kandidatinnen nicht fehlen; die Ausstattung derselben wird den Grund zur Sicherstellung der zeitlichen Hilfsmittel legen, und auch neue Gründungen werden nicht auf sich warten lassen. Für die Zukunft der Genossenschaft in Österreich und den Fortbestand des guten Werkes zur Ehre Gottes und dem Heile der Seelen ist die ehrw. Schwester Theophile unentbehrlich. Der Generaloberin wird es natürlich freistehen, die Häuser in Österreich selbst oder durch eine Bevollmächtigte zu visitieren, und hält sie es für zeckmäßig, einen Priester aus dem Elsaß zur Leitung der geistlichen Übungen abzusenden, so wird dies kein Hindernis finden, auch nicht in ökonomischer Beziehung, denn es handelt sich dabei um keine bedeutende Summe. Doch ist es notwendig, daß die Selbständigkeit des Vermögens der Provinz gewahrt werde. Es ist recht und löblich, wenn die Töchter des Erlösers in Österreich und überall mit dem Mutterhause durch das Band der Liebe vereinigt bleiben und die Innigkeit ihrer Teilnahme sich auch durch Geldbeiträge bewährt; aber mit Recht sorgt jedes Haus zuerst für sich und seine eigenen Bedürfnisse und Erfordernisse der Liebeswerke, die es sich zur Aufgabe stellt". Der Kardinal ersucht daher noch einmal den Straßburger Bischof, "der frommen Genossenschaft jene Gliederung zu geben, welche durch die Ausbreitung derselben unentbehrlich geworden ist, und die Tätigkeit der ausgezeichneten Oberin von den Hemmnissen zu befreien, welche größeren Erfolgen im Wege stehen". Räß antwortete 268) dem Kardinal, daß er es ablehne, den Gang der Dinge irgendwie zu beeinflussen. Im Grunde war ja dessen Forderung gleichbedeutend mit einer Abtrennung. Diese war die bedauerliche Folge der Verschleppungspolitik der Mutter M. Alphons, welche bei ihrer Anwesenheit in Wien durch eine klügere Behandlung der Noviziatsfrage wohl einen günstigeren Ausgang hätte herbeiführen können. Am 16. März 1866 teilte Kardinal Rauscher der Schwester Theophile mit, daß er sich entschlossen habe, mehrfach geäußerten Wünschen entgegenzukommen und deshalb die Niederlassung der Niederbronner Schwestern zu einem selbständigen Mutterhause mit Noviziat erheben wolle. Am 21. März 1866 schickte Schwester Theophile folgendes Schriftstück ins Mutterhaus: "Wohlerhrw. Mutter! Ihnen herzlich dankend für alles empfangene Gute und uns immerwährend Ihrem Gebete empfehlend, tun wir Unterzeichnete Ihnen, wohlehrw. Mutter, kund, daß wir frei und unabänderlich entschlossen sind, von nun an dem Hause in Wien, welches Se. Eminenz zu einem Mutterhause erhoben, uns anzuschließen und bekennen uns hiermit als von dem Mutterhause Niederbronn getrennte Mitglieder." (Folgen die Unterschriften von 24 Schwestern.) Die Ödenburger Schwestern gaben die gleiche Erklärung mit ab. Im Mutterhaus wirkte dieses Schreiben wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Daß es so war, hatte man nicht erwartet. Für Mutter M. Alphons war es ein harter Schlag. In einem Begleitschreiben hatte Schwester Theophile sie gebeten, unter keinen Umständen mehr nach Wien zu kommen oder eine andere Schwester zu schicken, denn die Trennung sei für immer beschlossen. Der Kardinal seinerseits hatte dem Mutterhause keine weiteren Mitteilungen gemacht. Die Generaloberin erhob in einem 147 Schreiben an Se. Eminenz (26. März 1866) Einspruch gegen die von Schwester Theophile getroffenen Maßnahmen, und auch der alte Superior Reichard machte in einem fast gleichzeitig abgegangenen Brief (27. März 1866) bewegliche Vorstellungen über eine eingetretene traurige Tatsache. Wenn der Kardinal eine Kongregation habe gründen wollen, so sei das sein gutes Recht. Aber die Erhebung der Wiener Filiale zu einem Mutterhaus sei wider alles Recht erfolgt und sei nur durch Schwester Theophile inszeniert worden, die schon längere Zeit es an dem schuldigen Gehorsam und der schuldigen Ehrfurcht gegenüber ihrer Oberin habe fehlen lassen. Bischof Räß bedauerte den Bruch auf das tiefste und teilte durchaus die Ansicht der Oberin im Mutterhause, "daß in Wien alles gegen die kirchliche Ordnung geschehen ist" 269). Eine am 11. Juli von der Generaloberin nach Rom gesandte Beschwerde hatte nur den Erfolg, daß dem Straßburger Bischof von Rom (19. November 1866) mitgeteilt wurde, er möge sich mit dem Erzbischof von Wien wegen des Provinzialhauses verständigen. Es kam aber zu keiner Verständigung mehr. "Ich bedauere", so schrieb der Kardinal am 19. Februar 1867 an Bischof Räß, "den Riß, der in die Genossenschaft der Erlöserschwestern gekommen ist, und wünsche, daß die Oberin des Stammhauses ihre Aufgabe richtiger beurteilen lernt. Vorderhand läßt es sich nicht vermeiden, daß die Häuser im Elsaß, in Franken 270) und Österreich sich ohne Zusammenhang entwickeln. Lassen sich später Anknüpfungspunkte finden, so werde ich bereitwillig die Hand bieten." 271) Es fanden sich jedoch keine Anknüpfungspunkte mehr. Die Wiener Genossenschaft entwickelte sich selbständig weiter. Beim Tode der Schwester Theophile (gest. 17. August 1888) zählte sie etwa 400 Mitglieder. Unter ihrer Nachfolgerin, Frau Generaloberin M. Generosa Erhard, nahm sie einen raschen Aufschwung. Als sie im Jahre 1907 die Feier des fünfzigjährigen Bestehens feiern konnte, zählte sie über 1200 Mitglieder 272); im Jahre 1914 war die Mitgliederzahl der Kongregation, welche fortan den Namen "T ö c h t e r d e s g ö t t l i c h e n H e i l a n d e s " trug, auf 1300 angewachsen 273). Zweites Kapitel. Das Haus in Ödenburg, Diözese Raab (1863 - 1866). Im Frühling 1863 bat der Bischof der ungarischen Diözese Raab um vier Schwestern aus dem Wiener Hause für eine Niederlassung in der Stadt Ödenburg. Er stellte ihnen ein Haus in seinem bischöflichen Gute zur Verfügung mit der Bestimmung, junge Waisen und auch andere Kinder zu erziehen, zu unterrichten und sich auch um die Krankenpflege in der Stadt zu bekümmern. Bald mußten aber noch weitere Schwestern aus dem Mutterhause begehrt werden. An der Spitze der Ödenburger Niederlassung stand Schwester Basilisse. Die Oberaufsicht darüber wurde, wegen der allzu weiten Entfernung des Mutterhauses in Niederbronn, der Wiener Lokaloberin übertragen. Das Werk blühte rasch empor. Ende 1865 hatten in Ödenburg 12 Schwestern anstrengende Beschäftigung; 96 Waisenkinder befanden sich in ihrem Hause, auch ein anderes Waiseninstitut wurde ihnen übertragen, so daß um diese Zeit in der Diözese Raab 16 Schwestern weilten. Bei dem innigen Zusammenhange mit dem Wiener Hause war es klar, daß es auch in die mit der Wiener Noviziatsfrage verbundene Verwicklung mit hineingezogen wurde. Der Bischof Johann Simon von Raab handelte da ganz im Einverständnis mit 148 dem Wiener Oberhirten. Am 30. Dezember 1865 unterbreitete er dem Straßburger Bischof folgende Wünsche: „Damit die Kongregation, deren Zweck so löblich und nützlich ist, in Ungarn fortbestehen und sich ausbreiten kann, was sehr zu wünschen ist, scheinen mir zwei Sachen durchaus notwendig zu sein. Die erste ist, daß die Konstitutionen der Kongregation vom Heiligen Stuhle gutgeheißen oder wenigstens, wenn diese Gutheißung bisher noch nicht erlangt wurde, dieselben durch Ew. Gnaden bestätigt seien 274)unter deren Jurisdiktion Niederbronn, die Wiege der Kongregation, gestellt ist, und uns mitgeteilt werden, hauptsächlich mir als Bischof der Stadt Ödenburg. Ein anderer, nicht weniger notwendiger Punkt ist die Errichtung eines Noviziates in Wien, damit die Aspirantinnen nicht genötigt sind, bis nach Niederbronn ins Elsaß zu reisen, um dort ihr Noviziat durchzumachen. Ohne die Errichtung eines Noviziates in Wien ist nicht zu hoffen, daß aus Ungarn gebürtige Personen, die nur die Landessprache beherrschen und keine andern Sitten und Bräuche kennen als die unseres Landes, sich in die Kongregation aufnehmen lassen wollen." Die Eltern der etwa zum Eintritt geneigten Töchter fürchteten die weite Reise und scheuten die Unkosten. Die Errichtung eines Wiener Noviziates behebe alle diese Schwierigkeiten. "Daß das Gedeihen der Kongregation in Ungarn und die Möglichkeit für unsere Kinder, sich derselben anzuschließen, von dieser Bedingung abhängt, ist so klar, daß jede fernere Begründung überflüssig erscheint. Daher bitte ich Ew. Gnaden herzlichst, von Ihrer Gewalt Gebrauch zu machen, um baldigst die Errichtung eines Noviziates im Wiener Hause anzuordnen. Indem ich Ew. Gnaden diesen Vorschlag unterbreite, bin ich weit davon entfernt, eine Spaltung in der Kongregation veranlassen zu wollen oder die Ödenburger Schwestern von dem Niederbronner Hause zu trennen, welches die Mutter der Kongregation ist. Ich will, daß die Autorität der Generaloberin unversehrt bleibe, und ich begehre nichts und habe nichts anderes im Auge, als was für andere weitausgedehnte Genossenschaften Brauch ist: nämlich, daß unter der gesetzmäßigen Gewalt einer Generaloberin mehrere Provinzen gestiftet werden, welche durch enge Bande mit dem Mutterhause vereinigt bleiben." Zuletzt bittet er Bischof Räß, veranlassen zu wollen, daß die im Jahre 1863 in das Niederbronner Noviziat eingetretene Gräfin v. Pongracz, welche der ungarischen Sprache mächtig sei, als Lehrerin dem Ödenburger Hause überwiesen werde 275). Auch in Ödenburg gingen die Dinge den gleichen Lauf wie in Wien. Gleichzeitig mit der Trennungserklärung der Schwester Theophile - am 21. März 1866 - traf im Mutterhause zu Niederbronn auch die Erklärung der Ödenburger Oberin, Schwester Basilisse Gürtler, ein, wonach sie mit 13 Schwestern sich entschlossen habe, "von nun an das Haus in Wien als unser Mutterhaus anzuerkennen und uns zugleich als getrennte Mitglieder des Mutterhauses von Niederbronn zu bekennen". Es scheint aber, daß man in Ödenburg bald bedauerte, in die Trennung eingewilligt zu haben, wie aus einem Schreiben der Schwester Basilisse an die ehrw. Mutter erhellt (26. Januar 1867). Sie teilt ihr mit, daß sie in Raab bei dem Herrn Bischof war, der ihr mitteilte, daß sie wieder an das alte Mutterhaus angeschlossen würden; er hätte um die Zusendung der von Rom approbierten Regel gebeten. Er sagte auch, daß der Kardinal von Wien die Trennung des Wiener Hauses noch nicht endgültig ausgesprochen habe; er - der Bischof von Raab - hege die Hoffnung, daß auch Wien sich wieder anschließen werde. "Auch las er mir einen Brief von Schwester Theophile vor, welcher, ich bedauere es sagen zu müssen, voller Unwahrheiten war. Möchte sie doch zur Einsicht kommen, daß man nur mit der Wahrheit bei dem lieben Gott und den Menschen fortkommt." Danach muß der Bischof von Raab nicht ganz mit der völligen Trennung der Ödenburger Filiale von Niederbronn einverstanden gewesen sein. Im folgenden Jahre (1868) erhielt auch der neue Superior des Mutterhauses, Sattler, von 149 zwei Niederbronner Schwestern aus einer neuen Niederlassung zu Budapest die Nachricht, daß der dortige Erzbischof - der damalige Raaber Oberhirte - den Wunsch ausgesprochen habe, daß die Ödenburger Schwestern sich wieder mit dem alten Mutterhause vereinigen möchten. Sattler schickte daher im Juli dem Erzbischof die neuen Konstitutionen der Genossenschaft, ohne jedoch von dorther eine weitere Äußerung in der Angelegenheit zu erhalten. Das Ödenburger Haus seinerseits trennte sich bald von Wien und wurde selbständiges Mutterhaus 276). Es verdient aber bemerkt zu werden, daß hier der Wunsch noch lange rege blieb, wieder mit Niederbronn in Verbindung zu treten. Noch im Jahre 1888 trug man sich in Ödenburg ganz ernstlich mit diesem Gedanken. Schwester Albina, die ihre ewigen Gelübde noch in Niederbronn abgelegt hatte, war die Seele solcher Bestrebungen. Sie setzte sich im Einvernehmen mit der damaligen Generaloberin, welche nebst einer Mehrzahl von Schwestern die Wiedervereinigung mit Niederbronn wünschte, mit Superior Simonis in Verbindung, der sie im April 1888 zu einer Unterredung nach München bestellte. Schwester Albina und die damalige Generaloberin kamen nach München und drückten dem Superior persönlich den sehnlichsten Wunsch der Genossenschaft aus. Simonis befand sich in nicht geringer Verlegenheit. Er hielt es für geraten, persönlich mit dem Bischof von Raab Rücksprache zu nehmen und dessen Meinung zu hören. Anfang Mai reiste er hin, fand aber in der Sache wenig Entgegenkommen; der Bischof dachte nicht an eine Wiedervereinigung seiner Schwestern mit Niederbronn. Er brauche nötig Schulschwestern, und da die Schwestern sich fast ganz dem Jugendunterrichte widmen, seien sie dem ursprünglichen Zweck ganz entfremdet worden. So blieb alles beim alten, zum größten Leidwesen der an der Sache interessierten Ordensfrauen 277). Drittes Kapitel. Würzburg (1854 -1866). Schon im zweiten Jahre des Bestehens der Kongregation meldeten sich überraschend viele Postulantinnen aus Würzburg und Umgebung im Mutterhaus zum Eintritt. Der Geistl. Rat Emele, ein würdiger und angesehener Priester der Stadt, war die Seele dieser Bewegung, und er trug sich schon im Jahre 1851 mit dem Plan, in seiner Heimatstadt eine Niederlassung der Niederbronner Töchter ins Leben zu rufen 278). Doch schenkte die Kongregationsleitung anfänglich diesem Ansinnen wenig Gehör, da man nicht gerne Schwestern ihre Heimatgegend als Wirkungskreis anwies. Schließlich unterstützte der Bischof von Würzburg - damals Georg Anton Stahl -das Ansinnen des Herrn Emele und empfahl in einem Schreiben an Bischof Räß diesem die Angelegenheit 279), indem er beifügte: "Ich kann dieses Unternehmen zugleich mit allen Gutdenkenden, die die Sache kennen, nur mit Freuden begrüßen und zweifle nicht, daß den Schwestern ein gesegneter und bald auch erweiterter Wirkungskreis sich öffnen wird." Auch der Würzburger Elisabethenverein wünschte dringend die Entsendung einiger Niederbronner Schwestern zur Ausübung der Krankenpflege und zur Leitung einer Anstalt für verwahrloste Mädchen. So wurde endlich am 11. Oktober 1854 die erste Niederlassung in Würzburg gegründet 280). Schwester Honorine wurde als Oberin mit einigen Schwestern nach der lieblichen Mainstadt geschickt. Ein kurz vorher verstorbenes Fräulein Franziska König hatte ihr in Würzburg gelegenes Haus samt Mobiliar testamentarisch der Kongregation verschrieben, mit der Klausel, daß, falls die Regierung die Schenkung nicht genehmige, 150 der Herr Bischof Erbe sein und die geplante Wohltätigkeitsanstalt errichten solle. Die Generaloberin nahm die Schenkung nicht an und bat den Bischof, gleich an ihre Stelle zu treten. Die Regierung genehmigte die Schenkung, das ansehnliche Haus wurde für die Schwestern zweckmäßig instand gesetzt. Das Unternehmen ließ sich bestens an. Die Tätigkeit der Schwestern, ihre Opferwilligkeit und ihr erbaulicher Lebenswandel fanden allgemeine Anerkennung und Bewunderung, auch bei Andersgläubigen. Diese Gefühle der Stadtbevölkerung kamen in großartiger Weise zum Ausdruck bei dem Begräbnisse zweier kurz hintereinander verstorbener Schwestern, die ihrem anstrengenden Krankenpflegeberuf früh zum Opfer gefallen waren. Alle Schichten der Einwohnerschaft waren in endlosem Leichenzuge beteiligt. Der allgemeine Wunsch, so meldet der Generalvikar Dr. Reißmann im Juli 1858, sei, daß sich die Schwestern in ihrer Aufopferung mehr mäßigen sollten. Das war ein schönes und verdientes Lob. Auch an andern Orten der Würzburger Diözese bildeten sich blühende Niederlassungen der beliebten Genossenschaft. In K i s s i n g e n (1855) , V o l k a c h (1857) , Dettelbach, Lohr (1858) , Kitzingen, Heidingsfeld, A s c h a f f e n b u r g , A r n s t e i n (sämtlich 1860) , K a r l s t a d t (1861) , H a ß f u r t (1863) , M i l t e n b e r g , O c h s e n f u r t (1865) . In allen diesen Niederlassungen wirkten die Schwestern segensreich. Hören wir aus der Zahl der vielen Anerkennungen nur die Stimme der Karlstadter Distriktsspitalverwaltung (22. Juni 1866): "Das Wirken dieser Schwestern ist ein wahrhaft religiöses und infolgedessen auch vom Segen des Himmels überschüttet. Die Schwestern haben durch ihr streng religiöses, anmutiges und der leidenden Menschheit aufopferndes Verhalten sich nicht nur die Hochachtung und das Zutrauen aller derer, die mit denselben in Berührung kommen, im höchsten Maße erworben, sondern auch bei der Karlstadter Verwaltung und allen weltlichen und geistlichen Behörden der größten Zufriedenheit verdient gemacht." So schien das von Niederbronn aus gepflanzte Reis in den fränkischen Gauen einen fruchtbaren Boden gefunden zu haben. Aber früh schon zeigten sich Ansätze zu Schwierigkeiten, die sich allmählich zu einem starken Gegensatze zum Mutterhaus entwickeln sollten. Das Schicksal des Wiener Hauses wiederholte sich an Würzburg. Man sah es von Anfang an in den leitenden geistlichen Kreisen ungern, daß die in den Niederlassungen des Würzburger Sprengels angestellten Schwestern alljährlich zu den im Mutterhause stattfindenden geistlichen Übungen reisen mußten. Ein Schreiben des Würzburger Bischofs an den Straßburger Oberhirten (17. September 1864) gibt darüber wünschenswerten Aufschluß: "Wäre es nicht besser", heißt es da, "wenn überhaupt und für alle Zukunft für alle Schwestern im Bistum Würzburg die heiligen Exerzitien hier gegeben würden? Ich habe sie schon zweimal gehalten, ich bin gerne bereit, sie wieder zu halten, oder ich beauftrage hierzu einen geeigneten Priester und habe auch gar nichts dagegen, wenn die Frau Generaloberin selbst einen passenden Priester hierher senden und jedesmal selbst oder durch eine Vertreterin beiwohnen will. Das Bistum Würzburg hat ca. 60 Schwestern. Rechne ich nur 20 Gulden Reisegeld für jede, so macht das, wenn alle nach Niederbronn müssen, im Jahre ca. 1200 Gulden. Man ist im Bistum Würzburg da und dort unzufrieden mit dieser Ausgabe. Besonders unzufrieden hiermit ist Herr Crevenna, der große Wohltäter der hiesigen Schwestern. Man sieht auch das häufige Reisen der Schwestern auf den Eisenbahnen nicht gern, dessen Zerstreuungen man mit den geistlichen Exerzitien nicht recht vereinbar findet. So erlaube ich mir, lediglich um der Sache willen, für die ich seither gewiß aufrichtiges Wohlwollen bewiesen habe, dieses der Erwägung Ew. Bischöflichen Gnaden anheimzugeben. Ob aber dieser Sache gedient sein wird, wenn 151 die Frau Generaloberin ein für allemal auf ihrer Ansicht beharrt? Ich habe Grund, sehr zu zweifeln, und meine, der oben angedeutete Ausweg könnte zum Ziele führen." Die angeführten Bedenken des Würzburger Bischofs haben vieles für sich. Anderseits ist aber auch verständlich, daß es der Stifterin der erst im Werden begriffenen Kongregation am Herzen liegen mußte, den Geist der Kongregation zu festigen und das einheitliche Band, das alle Glieder der weitzerstreuten Klosterfamilie dauerhaft umschlingen sollte, nicht locker werden zu lassen. Die jährlich wiederkehrenden Exerzitien schienen ihr das beste Mittel hierzu. Bischof Räß riet ihr jedoch, dem Ansinnen des Würzburger Kirchenfürsten nachzugeben, indem er ihr schrieb (22. September 1864): "Die Geldfrage spielt in dem Benehmen der dortigen Verwaltung eine Hauptrolle. Die Auslagen wären freilich außerordentlich, wenn die Schwestern jedes Jahr alle zur Retraite einberufen würden. Diese Sache muß nach reifer Überlegung zum Abschluß gebracht werden." Daß dieser wünschenswerte Abschluß nicht zustande kam, liegt weniger an der Generaloberin als an dem Verhalten der Würzburger Lokaloberin. Man hatte im Mutterhaus die nicht ganz unbegründete Meinung, daß im Laufe der Jahre und mit der zunehmenden Bedeutung des Würzburger Hauses Schwester Honorine ihre Stellung selbstherrlicher gestalten wollte, als mit dem Geiste der Kongregationsstatuten vereinbar war. Als sie sich im Sommer desselben Jahres (1864) durch den Bischof bei der Generaloberin entschuldigen ließ, daß sie krankheitshalber den Herbstexerzitien im Mutterhaus nicht beiwohnen könne 281), maß man dieser Entschuldigung keinen rechten Glauben bei; man sah in diesem Verhalten die bestimmte Absicht der Würzburger Oberin, sich von dem Mutterhause fernhalten zu wollen. Auch für das folgende Jahr ließ sie sich abermals entschuldigen, was aber die Generaloberin als Ausflucht wieder nicht gelten ließ. Wenn sie so krank sei, daß sie die Reise nicht machen könne, erhielt sie zur Antwort 282), so sei sie auch nicht fähig, einem großen Hause vorzustehen. Diese Antwort, von der Schwester Honorine sofort dem Bischof Kenntnis gab, verstimmte den Würzburger Kirchenfürsten, der sogleich sich an das Mutterhaus wandte mit dem Bemerken, daß Schwester Honorine auf seinen und des Arztes Rat diesmal nicht an den Exerzitien teilnehme (7. August 1865). Gleichzeitig benachrichtigte er Bischof Räß (8. August 1864) von dem Sachverhalt mit dem Bemerken, daß er selbst für geistliche Übungen sorgen wolle. Räß möchte aber auf die Generaloberin einwirken, daß sie in Zukunft mit dem Würzburger Hause doch mit mehr Diskretion verfahre und den dortigen Verhältnissen besser Rechnung trage. Die Generaloberin sprach dann dem Würzburger Bischof ihr Bedauern aus, ihm mißfallen zu haben. Aber die Schwestern aus der Diözese Würzburg hätten ihr mitgeteilt, Schwester Honorine sei munter und gesund wie zuvor. Schon dreimal habe sie sich von den Exerzitien dispensiert. "Wie kann ich ihr Zutrauen schenken, wenn sie selbst keinen Gehorsam gegen die Regel und ihre Vorgesetzten hat? Welches Beispiel gibt sie der ganzen Kongregation durch ein solches Benehmen? Darf ich als Generaloberin dazu schweigen? Und ist es nicht an mir, zu sorgen, daß die Beobachtung der Regel aufrecht bleibe?" 283) Auch andere Klagen über Schwester Honorine erhebt sie in diesem Schreiben. Daß diese ihre Rechte über Gebühr ausdehnte, geht aus einem späteren Warnungsschreiben der Generaloberin hervor: Schwester Honorine habe ohne Erlaubnis der Obern Hilfsschwestern angenommen und zum Krankendienst verwendet 284). All dieses Peinliche zeigt, daß sich allmählich zwischen der Würzburger Filiale und dem Mutterhaus Gegensätze gebildet hatten, die immer größer wurden. Man kann freilich auch den Eindruck nicht los werden, daß die Stifterin in ihrem Vorgehen von Anfang an eine größere Zurückhaltung vermissen läßt, und daß sie im Bewußtsein ihres strengen Rechtes den Dingen, die sich immer mehr zuspitzten, nicht mit der kühlen 152 Überlegung gegenübertrat, die in schwierigen Lagen, vor allem, wo es sich andern Gewalten gegenüber um Machtfragen handelt, allein den guten Ausgang verbürgen. Als Schwester Honorine einer Einladung für die Februarexerzitien 1866 auf Befehl des Bischofs wieder nicht Folge leistete, schickte die Generaloberin in der Karwoche desselben Jahres die Schwester Adelinde, damals Assistentin, nebst der Darmstädter Oberin Schwester Bonaventura nach Würzburg, um Schwester Honorine nach dem Mutterhause abzuholen. Sie fanden aber einen wenig ehrenvollen Empfang und zogen unverrichteter Dinge wieder fort. Der Bischof, durchaus auf Seiten der Würzburger Oberin stehend, war darob und weil er von der Generaloberin noch aufgefordert war 285), jene wegen ihrer Widerspenstigkeit zurechtzuweisen, sehr aufgebracht und ließ ein Schreiben nach Niederbronn ergehen, worin er in scharfen Worten gegen das dortige Vorgehen Einspruch erhob und mitteilte, daß er der Würzburger Oberin wieder verboten habe, zu den Frühjahrsexerzitien ins Mutterhaus zu reisen (7. Mai 1866) Der Bischof von Straßburg war von diesem Schreiben auf das peinlichste berührt. Er säumte nicht, der Generaloberin seine Meinung in der traurigen Angelegenheit kundzutun (11. Mai 1866): "Da Ihnen im Briefe von Würzburg jeglicher Einfluß und Autorität auf die dortigen Schwestern abgesprochen wird, so sehe ich nicht ein, wie Sie dieselben unter diesen Verhältnissen dort lassen können. Sie haben sie dorthin geschickt unter der Bedingung, daß die Statuten der Kongregation beobachtet werden; für diese Beobachtung sind Sie vor Gott verantwortlich. Jeder Bischof hat das Recht, neue Orden in seiner Diözese zu gründen. Will er aber fremde Schwestern annehmen, so kann dies nicht anders geschehen, als wenigstens mit stillschweigender Verpflichtung, die Regeln dieses Ordens oder dieser Kongregation aufrechtzuerhalten. Sonst macht er die armen Schwestern von ihren speziellen Gelübden abtrünnig und führt sie ins Verderben. Über diese Beobachtung der Regeln zu wachen, hat jeder Bischof das Recht und die Pflicht, nicht aber von denselben permanent und grundsätzlich freizusprechen. Keine Ordensoberin wird und kann vor Gott und der Kirche in einer fremden Diözese sich dieses gefallen lassen, ohne ihr Gewissen zu beschweren." Aber die Generaloberin brauchte den von ihren Bischof erteilten Rat nicht mehr zu befolgen. In Würzburg sorgte man dafür, daß seine Ausführung zum Teil überflüssig wurde. Was man dort schon lange erwogen hatte, wurde jetzt Tatsache. Die Würzburger Filiale wurde zum selbständigen Mutterhaus erklärt, nachdem die kgl. Regierung ihr unterm 6. Juni 1866 die Rechte einer religiösen und zivilrechtlichen Korporation erteilt hatte. Der Bischof berichtete die folgenschwere Tatsache der ehrw. Mutter in folgendem Schreiben: "Wohlehrw. Generaloberin! Seit längerer Zeit ist es hier der allgemeine Wunsch, es möge das hiesige Haus der Töchter vom göttlichen Erlöser zum Mutterhaus für die Diözese Würzburg erhoben und, wie bereits in Wien geschehen, der Verband mit Niederbronn aufgelöst werden. Diesem allgemeinen Wunsche gemäß hat der Magistrat der Stadt Würzburg, unterstützt von der hiesigen Kreisregierung und unter Zustimmung der bischöflichen Oberbehörde, mit der Bitte sich an Seine Majestät unsern allergnädigsten König gewendet, dem hiesigen Hause die Rechte einer religiösen und zivilrechtlichen Korporation zu verleihen und zu genehmigen, daß dieses Haus zum Mutterhause für die Diözese Würzburg erhoben werde. Das hohe Staatsministerium hat diese Bitte in liebevollster Weise unterstützt, und Se. Majestät haben geruht, die erbetene Genehmigung allergnädigst zu erteilen, und haben diese Genehmigung huldvollst ausgesprochen. Die Freude hierüber ist allgemein, weil das Haus sehr segensreich wirkt und nur auf diese Weise sein Fortbestand gesichert ist. Infolgedessen habe ich letzten Freitag, den 15. Juni, in der 153 Ordinariatssitzung unter einhelliger Zustimmung aller geistlichen Räte, das hiesige Haus der Schwestern vom heiligen Erlöser als Mutterhaus für das Bistum Würzburg erklärt, habe die Schwester Honorine zur Oberin des Mutterhauses und zur Generaloberin aller Schwestern des Bistums ernannt und beschlossen, allen im Bistum Würzburg weilenden Schwestern dieses mitzuteilen mit dem Beifügen, daß jenen Schwestern, die nach Niederbronn zurückkehren wollen, kein Hindernis gelegt sei, für jene aber, die bei uns bleiben wollen, alles weitere werde kirchlich geordnet werden. Über das Ganze werde ich, sobald möglich, dem hochw. Herrn Bischof von Straßburg ausführlicher schreiben 286). Schwester Honorine wird also nicht nach Niederbronn kommen, und ich kann auch von dorther keine Zusendung einer Oberin oder anderer Schwestern mehr annehmen. Mit aller Hochachtung Ihrer Wohlehrwürden ergebener Georg Anton, Bischof von Würzburg. Würzburg, 18. Juni 1866." Die Pfarrer der Orte, an denen sich Niederlassungen der Schwestern befanden, wurden durch ein vom 15. Juni datiertes Zirkular beauftragt, den Schwestern von der Lostrennung des Würzburger Hauses Mitteilung zu machen und sie zu verständigen, daß sie unbeschadet ihres Gewissens als Angehörige und Töchter des hiesigen Mutterhauses in der Diözese Würzburg verbleiben können, daß es jedoch der freien Entschließung jeder einzelnen überlassen bleibt, nach Niederbronn zurückzukehren, wenn sie sich aus irgendwelchem Grunde hierzu gedrungen fühlen sollte, und wird gewärtigt, daß jede Schwester ihren desfallsigen freien Entschluß innerhalb 14 Tagen dem betreffenden Pfarrer kundgebe. Ihrerseits versandte die Generaloberin an alle Filialhäuser des Würzburger Bistums ein Rundschreiben (20. Juni 1866), worin sie auf Grund des päpstlichen Bestätigungsdekretes vom 6. März 1866 die Schwestern auffordert, ins Mutterhaus zurückzukehren: "Ihr dürft keineswegs laut des obigen Dekrets unter einem andern Mutterhause und unter einer andern Generaloberin als unter der Generaloberin von Niederbronn stehen, der ihr Treue versprochen habt. Niemand kann und darf euch zurückhalten, weil der Heilige Stuhl gesprochen hat." Die Mehrzahl der Schwestern folgte diesem Rufe; nur 16 zogen es vor, die neugeschaffene Lage der Dinge anzuerkennen und das Würzburger Haus als Mutterhaus zu betrachten. Die Leitung des Mutterhauses Niederbronn, die sich wie im Wiener Fall wegen der durch den Würzburger Bischof vorgenommenen Trennung nach Rom gewandt hatte, erhielt den Bescheid, sich mit dem Würzburger Oberhirten zu verständigen. Bischof Räß wandte sich daraufhin an diesen (10. Januar 1867), bekennt aber, "in größter Verlegenheit" mit diesem Auftrag zu sein, weil er "nicht leicht die Einsicht gewinnen kann, wie die in der römischen Zuschrift besprochene Angelegenheit in das gewünschte Geleise zu bringen sei". Er könne zwar an dem Vorstand einer fremden Diözese nur mit Ratschlägen herantreten. Da aber ein ähnlicher Fall, wo ein Bischof die Mitglieder irgendeiner fremden Kongregation von dem Mutterhause losgetrennt habe, noch nicht vorgekommen sei, müsse er sich bei dem Würzburger Bischof selbst Rats erholen und nach seinen Wünschen fragen. "Denn", fährt er fort, "ginge Ew. Bischöfl. Gnaden Absicht entschieden dahin, das Würzburger Haus von dem Mutterhause abgesondert zu lassen, dann müßten die Schwestern einzeln und in völliger Freiheit verhört werden; und sollten sie sich dahin erklären, getrennt bleiben zu wollen, so wäre meine Aufgabe, besagte Anstalt betreffend, gelöst und meine Mission abgetan. Den betreffenden Schwestern bliebe dann in bezug auf das Mutterhaus nichts anderes 154 übrig, als das Niederbronner Ordenskleid abzulegen oder gegen ein anderes zu vertauschen. Im entgegengesetzten Falle aber müßte ich die Bedingungen des Mutterhauses vernehmen und im Interesse der Sache, an und für sich allein schon, einzuwirken suchen." Der Bischof von Würzburg erwiderte Räß (3. Februar 1867), "daß die Lösung des Verbandes mit Niederbronn ein Akt der Notwendigkeit gewesen und die Wiedervereinigung, sei es auch in Form eines Provinzialverbandes, eine Unmöglichkeit ist. Ich werde die Sache in Rom vorlegen". Die 16 Schwestern, die nach erfolgter Trennung und Zusicherung von Dispensen - wozu seine, des Bischofs, Quinquennalfakultäten ausreichen - sich für die Trennung ausgesprochen haben, konnten mit ausreichenden Gründen aus dem Hause von Niederbronn austreten. Schließlich bittet er Räß, der Generaloberin von Niederbronn zu befehlen, die Würzburger Schwestern nicht weiter zu beunruhigen, bis die Sache von Rom aus entschieden sei. Aber eine Wiedervereinigung erfolgte nicht. Der Verlust von Würzburg traf die Stifterin noch härter als die Trennung Wiens. Wir haben oben gesehen, daß sie diesen Schlag nicht mehr überwand. Mit Würzburg und Wien gingen dem Mutterhaus 25 blühende Stationen verloren. In weiteren kirchlichen Kreisen Deutschlands erregte das zu Wien und Würzburg Vorgefallene lebhaftes Interesse. Es verdient hier hervorgehoben zu werden, daß nicht alle Prälaten das Vorgehen jener Diözesanverwaltungen billigten. Bischof Ketteler von Mainz sprach sich dem Straßburger Bischof gegenüber dahin aus, "daß die auswärtigen Häuser mit dem Mutterhause in enger Verbindung bleiben müssen, da es sonst mit ihrem Leben aus wäre" 287). Die Animosität des Würzburger Kirchenfürsten gegen das Mutterhaus in Niederbronn hielt nicht an. Es scheint, daß ihn nachträglich die schnelle Errichtung des Würzburger Mutterhauses reute 288). Vielleicht weil die stets von ihm beschützte Schwester Honorine seinen Erwartungen in der Folgezeit nicht entsprach. Sie verließ im Jahre 1880 die Würzburger Genossenschaft. In diesem Zeitpunkte war man in der Genossenschaft nicht abgeneigt, den Anschluß an Niederbronn wiederzufinden, und Superior Simonis hegte die Hoffnung auf Wiedervereinigung. Aber der damalige Würzburger Bischof Franz Joseph v. Stein wies ihn auf die Unmöglichkeit einer solchen hin, weil die Regierung die Würzburger Genossenschaft als selbständige Kongregation anerkannt habe. Bischof Antons Nachfolger, Valentin v. Reißmann (1870 - 1875), hatte wieder Beziehungen zu Niederbronn angeknüpft, indem er dem Mutterhaus gestattete, im Jahre 1872 zu Münnerstadt eine Filiale zu gründen. Bis 1874 wirkten dort zwei Schwestern in einem Eisenbahnarbeiterspital; nach dessen Auflösung übernahmen sie die Leitung der Kleinkinderbewahranstalt und die Ortskrankenpflege in Münnerstadt. Das dauerte bis 1878, wo man die segensreich wirkenden Schwestern 289) mit großem Bedauern scheiden sah, weil die Kreisregierung einen weiteren Aufenthalt nicht gestattete, da die Erlaubnis zur Niederlassung nur für die Dauer des Eisenbahnarbeiterspitals gegeben worden sei 290). Auch die Würzburger Genossenschaft hat in der Folgezeit einen erfreulichen Aufschwung genommen. Im Jahre 1914 zählte sie über 1200 Schwestern in 200 Niederlassungen. Zweiter Abschnitt. 155 Die Niederlassungen der Genossenschaft in den jetzigen Ländern ihrer Ausbreitung. Erstes Kapitel. Belgien. 1. Diözese Lüttich. L ü t t i c h (Rue Thier de la Fontaine 71). Am 5. Juni 1868 kamen drei Schwestern in das von Bischof von Montpellier gegründete Priesterheim, zu dem Frau DepretRongé in der Rue Agimont ein Haus zur Verfügung gestellt hatte. Im folgenden Jahre (1. Mai 1869) eröffneten die Schwestern ein Mädchenpatronage, übernahmen auch in der Pfarrei St. Servais die ambulante Krankenpflege. 1872 waren es schon acht Schwestern; im Jahre 1884 verkauften sie, eines Straßendurchbruchs wegen, ihr Haus und erbauten in der Rue Thier de la Fontaine ein Schwesternhaus, das sie am 25. März 1886 bezogen. 16 Schwestern. L ü t t i c h (Rue des Anglais 31). Am 2. Juli 1886 wurde das Mädchenpatronage, für das in der Rue des Anglais ein eigenes Lokal mit kleinem Schwesternhaus erbaut worden war, eine eigene Niederlassung. Die Schwestern nehmen alleinstehende Pensionärinnen auf und erteilen der Jugend christlichen Unterricht. 5 Schwestern. 2. Diözese Mecheln. Anderlecht-Brüssel (Rue Clemenceau 60). Krankenpflegestation, gegründet 28. August 1879 durch Frau Depret. Auch Mädchenpatronage. Während des Krieges nahmen die Schwestern Kriegswaisen auf. 13 Schwestern. A n d e r l e c h t (Rue de Chapelain 2). Am 12. März 1890 kamen zwei Schwestern in das ebenfalls von Frau Depret (gest. 1892) gegründete Haus Ste-Anne, das zur Aufnahme von Pensionärinnen bestimmt war. Dieses Haus wurde 1892 in eine chirurgische Klinik umgewandelt, die im Laufe der nächsten Jahre vergrößert und mit einer Kapelle versehen wurde. 1914 bis März 1915 Lazarett für Deutsche und Belgier; dann wurden bis 1919 Kriegswaisen aufgenommen. 16 Schwestern. 3. Diözese Brügge. M o u c r o n - L e T u q u e t (Rue de Bruges 34). Gegründet 19. Oktober 1911 auf Anregung des Dr. Vaneufville für die Krankenpflege im nahen Tourcoing, die seit 1905 Schwestern aus Roubaix ausgeübt hatten. Das neuerbaute Schwesternhaus gehört der zu diesem Zweck von den Industriellen Lemaire und Tiberghien gegründeten Société immobilière. 12 Schwestern. Zweites Kapitel. Die Niederlassungen im Deutschen Reiche. A. Baden. 156 Erzdiözese Freiburg. Die Erzdiözese Freiburg hatte durch die andauernden Bemühungen des edlen Erzbischofs Hermann v. Vicari im Jahre 1845 die Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul erhalten; Bischof Räß war ihm behilflich gewesen, das Freiburger Mutterhaus mit Schwestern aus dem für das katholische Deutschland so bedeutungsvollen Mutterhause zu Straßburg zu begründen 291). Da aber diese Schwestern ihren Satzungen gemäß die Krankenpflege nur in Hospitälern ausüben, wo sie Großartiges geleistet haben, und da weibliche Genossenschaften für ambulanten Krankendienst im badischen Lande erst später aufkamen 292), erklärt es sich, daß man frühzeitig nach dem benachbarten Elsaß ausschaute, um für die einem dringenden sozialen Bedürfnisse entsprechende häusliche Armen- und Krankenfürsorge geeignete Kräfte zu finden. Die Wahl war nicht schwierig. In den zehn ersten Jahren seines Bestehens hatte das Werk der Elisabeth Eppinger bereits weit über die Grenzen der Straßburger Diözese hinaus gezeigt, daß es ihm weder an Beweglichkeit noch an steter Bereitwilligkeit fehlte, neue Aufgaben zu übernehmen. Der rührige Vinzenzverein in der badischen Landeshauptstadt hat mit der Berufung der Töchter Niederbronns im Jahre 1857 den Anfang gemacht. Karlsruhe (Vinzentiushaus). Der Karlsruher Vinzenzverein wurde am 20. Januar 1851 auf Anregung der frommen und menschenfreundlichen Frau Finanzrat Baader gegründet und von dem vortrefflichen, seeleneifrigen Kaplan Franz Xaver Höll geleitet 293). Der Verein fand allenthalben großen Anklang, und das Beispiel, das die leitenden Persönlichkeiten in der Ausübung werktätiger Nächstenliebe gaben, wirkte aneifernd auf weite Kreise der katholischen Bevölkerung. Es gelang, die Mittel aufzubringen, um ein bescheidenes Krankenhaus in der Spitalstraße (Nr. 31) zu mieten. Auch war man so glücklich, vom Staatsministerium durch einen Erlaß vom 23. März 1853 die Genehmigung zur Einführung Barmherziger Schwestern aus dem Freiburger Mutterhaus zu erlangen. Zwei Schwestern kamen in das Haus und walteten trotz der ärmlichen Verhältnisse fröhlich ihres Amtes. Bald mußte eine dritte Schwester erscheinen, und das Haus wurde zu eng für die Zahl der hilfesuchenden Kranken. Aber in der Bevölkerung wurde auch der Wunsch rege nach Schwestern, welche die Kranken in den Privathäusern pflegten. Da die Freiburger Schwestern damals nach ihrer Ordenssatzung die ambulante Krankenpflege nicht ausüben konnten, so berief der Verein drei Niederbronner Schwestern, welche im Juli 1857 in ein Haus der Rüppurrerstraße (Nr. 34), das man gemietet hatte, eingezogen, um im Dienste des Vereins der Hauskrankenpflege obzuliegen. Erzbischof Hermann begrüßte diese erste Niederlassung der elsässischen Kongregation mit besonderer Freude. Der Minister v. Stengel hatte am 17. Juli auch die staatliche Genehmigung erteilt, allerdings mit der Einschränkung, "d a ß d i e s e Barmherzigen Schwestern keine Korporationsrechte im Großherzogtum Baden erwerben könnten, da sie nicht zu den im Lande rezipierten Genossenschaften gehör ten, sondern lediglich a l s f r e m d e G ä s t e z u b e h a n d e l n s e i e n " . Auch für den vom Vinzenzverein beschlossenen Neubau eines eigenen Hauses wurde von demselben Staatsminister unterm 10. Juni 1859 die Genehmigung erteilt, wobei noch einmal betont wurde, daß 157 "damit dem Orden der nur als fremde Gäste zu behandelnden sog. `Niederbronner Schwestern` in keiner Weise das Recht eingeräumt sein soll, Eigentum im Großherzogtum zu erwerben". Die neuen Schwestern machten sich in kurzer Zeit sehr beliebt. Schon im Jahre 1858 lobt Kaplan Höll in einem dem Bischof von Straßburg zugeschickten Schreiben ihr bescheidenes, tugendhaftes Leben: Sie erhalten sich von Almosen und Geschenken der Kranken, die sie pflegen. Auch die Protestanten holen sie sehr oft. Sie kümmern sich auch eifrigst um das Seelenheil der ihrer Pflege anvertrauten Katholiken und haben schon mehrere Schwerkranke, die lange Zeit dem kirchlichen Leben ferne geblieben waren, dazu gebracht, daß sie vor ihrem Ende sich mit Gott versöhnten. Am 28. August 1861 war das neue Haus in der Beiertheimer Gemarkung, dessen Baukosten man mühsam durch Anleihen und wohltätige Spenden aufgebracht hatte, für den Einzug fertiggestellt. Die Freiburger Schwestern verließen das alte Haus in der Spitalstraße, um den Krankendienst im städtischen Spital zu übernehmen. Mit ihrer ersten Oberin Schwester Franziska siedelten die Niederbronner Schwestern in den Neubau über. Schon im Jahre 1864 mußte der Verein das Haus durch einen Anbau und ein weiteres Stockwerk vergrößern. Auch eine Kapelle wurde errichtet, zu deren Einweihung am 24. Oktober 1864 Erzbischof Hermannn den Hofkaplan Strähle und den Domkapitular Weickum entsandte. Die Oberhofmeisterin Freifrau v. Roggenbach, die stets eine tatkräftige Gönnerin des Vinzenzvereins gewesen war, stiftete mit einem unbekannten Geber eine Monstranz. Später kamen die zwei herrlichen Marmorkunstwerke aus dem Atelier des Professors Steinhäuser in die Kapelle: das Kruzifix auf dem Hauptaltar und die Madonna mit dem Jesuskinde. "Sie gehören zu den schönsten kirchlichen Gebilden des Landes und waren wohl schon unzähligemal Veranlassung eines frommen Gebetes." 294) Der fromme Gründer des Vereins und unermüdliche Förderer des Vinzentiushauses, Kaplan Höll, der im Jahre 1862 Oberstiftungsrat geworden war, las jeden Tag in der trauten Kapelle die heilige Messe, bis ihn 1872 ein Schlaganfall auf ein langdauerndes Krankenlager warf; er ist am 23. Mai 1879 selig im Herrn entschlafen. "Die Verhältnisse blieben nun längere Zeit in ruhiger, segensreicher Entwicklung im alten Geleise. Die ersten Begründer hatten ihre Aufgabe gelöst; sie hatten mit Gottes Hilfe ein wahres Werk christlicher Barmherzigkeit geschaffen. Kranke jeden Alters, Standes und Geschlechtes fanden Aufnahme und liebevolle Pflege. Auch einzelne ältere oder leidende Personen konnten sich dort in Pflege begeben. Im Kriegsjahre 1870/71 wurden in dem vom Verein unterhaltenen Lazarett 164 Verwundete von den Schwestern gepflegt. Nach Höll ist Stadtpfarrer Benz Vereinsvorstand geworden und hat eifrig mitgeholfen, den Verein immer mehr auszugestalten und den Forderungen und Bedürfnissen der neuen Zeit anzupassen. Im Jahre 1883/84 wurde dem Hause ein großer Hinterbau angefügt, der lediglich zur Unterbringung von Kranken benutzt wurde. In ein neues Stadium blühender Entwicklung trat die Karlsruher Schwesternniederlassung im Jahre 1887 mit dem Eintreffen der neuen Oberin, Schwester Bonaventura. Sie hatte in Darmstadt und in Thann im Elsaß in leitender Stellung hinlängliche Beweise ihrer glänzenden organisatorischen Begabung und praktischen Lebensklugheit gegeben, so daß die Obern ihr das Karlsruher Haus, in dem es in den vorausgegangenen Jahren an inneren Schwierigkeiten nicht gefehlt hatte, anvertrauten. Was Schwester Bonaventura in kürzester Zeit leistete. mag uns ein Mann erzählen, der aus nächster Nähe Zeuge ihres unermüdlichen Wirkens gewesen und dessen Name aufs engste mit der Geschichte des Karlsruher Hauses verknüpft ist: Herr Oberstiftungsrat Mader. Am 31. Dezember 1891 berichtete er an den Superior des Mutterhauses, Dr. Simonis: "Im August 1887 hatte der St. Vinzentiusverein das hohe 158 Glück, die Schwester M. Bonaventura als Oberin der Anstalt zu erhalten. Inzwischen sind noch nicht einmal 3 1/2 Jahre verflossen, und es ist seither die Anstalt nicht bloß, ich möchte sagen, in den Fundamenten erneuert, sondern nach allen Seiten ausgedehnt und weiterentwickelt worden, so daß, wer nicht Zeuge aller dieser Vorgänge war, es für kaum glaublich halten wird, daß in so kurzer Zeit so Großes und Mannigfaltiges geschaffen worden ist, und dies alles von einer Frau! Niemand als die Obern des Mutterhauses wissen besser, welches der Zustand der Anstalt im August 1887 war. Kaum hatte aber Schwester Bonaventura die Leitung der Anstalt übernommen, so griff sie sofort mit ebensoviel Klugheit als Energie die Neuordnung der vorgefundenen Verhältnisse an. Auf die Bemühung der Schwester Bonaventura ist es zurückzuführen, daß die schon unter ihrer Vorgängerin in Anregung gebrachte Wiedergewinnung eines besondern Hausgeistlichen realisiert worden ist. Der Tatkraft und dem Ansehen derselben ist es zu verdanken, daß unter Mitwirkung eines früheren Hausarztes - des derzeitigen Medizinalrats Dr. Molitor - der Anstalt einer der tüchtigsten Ärzte hiesiger Stadt als Hausarzt gewonnen wurde, welcher seither durch seine hervorragenden Operationen unter Assistenz der Schwestern ganz wesentlich zur Hebung des St. Vinzentiushauses und zur Vermehrung des Ansehens der Schwestern in den weitesten Kreisen beigetragen hat 295). Infolge davon und der unermüdlichen Tätigkeit und des unvergleichlichen Opferlebens der Schwestern, insbesondere der Schwester Bonaventura, hat die Frequenz des Hauses stetig zugenommen und nunmehr eine Höhe erreicht, wie sie früher nicht existierte. Daneben lief und läuft noch die bedeutende Krankenpflege in der Stadt. Nicht bloß war zeitweise das Haus überfüllt, sondern es mußten auch viele Bittgesuche um Zusendung von Schwestern zu Kranken in den Privathäusern abgewiesen werden. Die Sorge und Verantwortlichkeit der Frau Oberin wird noch wesentlich dadurch vermehrt, daß es bei der Pflege der Schwestern sich ja nicht bloß um Wiederherstellung der leiblichen Gesundheit, sondern vielfach um Errettung der Seelen vom ewigen Verderben handelt. Meinen unmittelbaren Wahrnehmungen entzieht sich zwar diese Tätigkeit der Schwestern; aber von Zeit zu Zeit eröffnet sich mir doch ein Ausblick auf das Meer von Sorgen und Kümmernissen, welche auf den guten Schwestern und insbesondere auf der Frau Oberin lagern, wenn es gilt, einen armen Sterbenden noch im letzten Augenblicke vom Rande des Abgrundes hinwegzureißen, und wie viele verdanken außer der Gnade Gottes einzig und allein der unermüdlichen Einwirkung und dem eifrigen Gebete der Schwestern ihr ewiges Heil 296). Man mag vielleicht sagen, daß dies alles zur Pflicht und Aufgabe derselben gehöre, doch wird dadurch das schwerste persönliche Opfer nicht im geringsten vermindert. Dazu kommt dann noch für die Frau Oberin die gewissenhafteste Sorgfalt für das körperliche und geistige Wohl der Schwestern. Und wie ist dieselbe gerade gegenwärtig so schwer bedrängt und in rührendster Sorge um die kranke Schwester Alton. Die ganze Nacht hindurch bis zum Morgen harrt sie aus am Lager der Schwererkrankten; alles bietet sie auf, um das teure Leben der Mitschwester zu erhalten, sofern es Gottes Wille ist." Daneben ging noch die Gründung neuer Werke. "Sie betrieb", heißt es ferner in dem Maderschen Bericht, "mit Feuereifer die Erbauung des geräumigen Marienhauses. An der Bearbeitung des Planes in bezug auf die Einteilung des Gebäudes hatte sie wesentlichen Anteil, und welche zahlreichen Mühen und Verdrießlichkeiten erwuchsen ihr erst bei der Ausführung, nicht minder bei der Restauration der Kapelle 297). Sobald das Haus seiner Vollendung entgegenging, nahm sie die innere Einrichtung und Ausstattung in Angriff und entwickelte dabei mit den ihr assistierenden Schwestern eine ganz immense Tätigkeit in Zurichtung und Instandsetzung von alten, im St. Vinzenzhaus nicht mehr gebrauchten Gegenständen, welche in großer Zahl auf dem Kapellenspeicher lagerten. Eine große Ausgabe wurde dadurch der Anstaltskasse erspart. Alsbald begann dann die Besetzung des Hauses, 159 namentlich durch die Gründung einer H a u s h a l t u n g s s c h u l e für Töchter des bürgerlichen Standes. Endlich müssen noch die K i n d e r s c h u l e n erwähnt werden; denn auch sie verdanken ihre Existenz der unermüdlichen Tätigkeit der Schwester Bonaventura." Schwester Bonaventura genoß das Vertrauen des Dekans Benz in hohem Grade; er ließ ihr in allen ihren Maßnahmen völlig freie Hand. Der Vorstand des Vinzenzvereins, der am 20. Mai 1891, nicht zum wenigsten dem Drängen der Oberin folgend, bei dem Ministerium des Innern um die Gewährung der Korporationsrechte einkam, betonte in seiner Eingabe den Anteil, der den Schwestern an der Ausgestaltung des Vereins zukommt: "Mit der immer mehr sich ausbreitenden Anerkennung der hervorragenden Leistungen der Niederbronner Schwestern, nicht minder durch die wirtschaftliche Tätigkeit der letzteren selber wuchsen die Mittel des Vereins; und so kam derselbe in die günstige Lage, das enge Gebiet seiner Wirksamkeit auszudehnen und insbesondere die Krankenpflege durch die Schwestern jedermann ohne Rücksicht auf die konfessionelle Zugehörigkeit, soweit die Kräfte reichten, angedeihen zu lassen." Zugleich gedenkt der Vorstand auch "der hochherzigen Uneigennützigkeit des Mutterhauses in Oberbronn. Seit über 30 Jahren sendet letzteres die für unsere nunmehr ins Große geratene Anstalt erforderliche Anzahl Schwestern mit der für ihren schweren Beruf nötigen Vorbildung und ruft diejenigen Schwestern, welche infolge des unvergleichlichen Opferlebens dauernd krank oder invalide geworden sind, wieder zurück, ohne während dieser langen Reihe von Jahren bis zur Gegenwart für die Ausbildung der jungen Schwestern und für den Unterhalt der alt und dienstuntauglich gewordenen von unserer Anstalt auch nur die geringste Entschädigung zu verlangen. Ebensowenig wird für die Tätigkeit der innerhalb und außerhalb des Hauses beschäftigten gesunden Schwestern vom Mutterhaus irgendwelche Vergütung beansprucht. Das Mutterhaus sendet also gesunde, leistungsfähige Schwestern, welche ihren Lebensunterhalt in den der Vereinskasse zufließenden Krankenverpflegungsbeiträgen selbst verdienen und die Überschüsse derselben Kasse ohne jede Teilnahme an denselben zur freien Verfügung überlassen, und zieht die im Dienste des Vereins untauglich gewordenen Schwestern zurück, um solche auf eigene Kosten zu unterhalten. Das ist die einfache Lösung des Rätsels, wie es möglich ist, daß der Verein bei Verpflegungsbeiträgen, welche für Erwachsene in Abstufungen bis 1.10 Mark per Kopf und Tag herabsinken, womit nicht einmal der Baraufwand für die tägliche Lebensnotdurft, geschweige der Aufwand für Arzt und Apotheke bestritten werden kann, noch finanziell zu prosperieren vermag. Die vorzügliche Führung des Haushaltes im St. Vinzentiushaus, die volle selbstlose Aufopferung der Schwestern für die Vereinszwecke, das und nichts anderes ist das Fundament, auf dem sich die Anstalt aufgebaut hat." Durch Staatsministerialentschließung vom 1. August 1891 wurden dem Vinzenzverein die Korporationsrechte bewilligt, nachdem die von der Regierung verlangte Bestimmung, wonach dieselbe im Falle der Auflösung des Vereins nach Paragraph 7 des zweiten Konstitutionsedikts von 1807 über dessen Vermögen nach Maßgabe seines bisher verfolgten Zweckes zu verfügen berechtigt sein soll, in die Statuten aufgenommen worden war 298). Erst jetzt konnte der Verein Rechtsgeschäfte jeder Art vollziehen und Eigentum erwerben. Schwester Bonaventura drängte aber auch darauf, daß das Verhältnis der Schwestern zum Verein in richtiger und billiger Weise geregelt wurde. Dies geschah durch einen Vertrag, dessen Zustandekommen Dekan Benz und Oberstiftungsrat Mader gegenüber einigen weiblichen Vereinsmitgliedern, welche den Schwestern nur Pflichten, aber keine Rechte zugestehen wollten, energisch betrieben und zum glücklichen Abschlusse brachten. 160 Bei all diesen Arbeiten und Sorgen rieb Schwester Bonaventura ihre durch ein Herzleiden ohnehin geschwächten Kräfte völlig auf. Nach schweren Leiden ging ihre Seele am 21. Juli 1892 in ein besseres Jenseits über. Mit ihr schied eine der hervorragendsten Persönlichkeiten der Kongregation dahin. Sie war eine ungemein tatkräftige, schaffensfreudige Natur, dabei von außergewöhnlicher Geistesbegabung. Dr. Simonis, der ein feiner Seelen- und Menschenkenner war, wußte sie zu schätzen und ihr die rechten Aufgaben zuzuweisen. "Sie hat eine Tätigkeit des Geistes, mit welcher sie einzig dasteht", hat er von ihr gesagt 299). Wo sie weilte, standen alle, die mit ihr zusammenkamen, unter dem Banne ihrer starken, gewinnenden Persönlichkeit. Naturen, die von einem impulsiven Tätigkeitsdrange beseelt sind, wie es die ihre war, vertragen nicht leicht kleinliche Hemmungen. Darum ist ihr zuletzt der Darmstädter Boden nicht bekommen, den sie im Jahre 1869 verließ. Im deutsch-französischen Kriege fand ihr Tätigkeitstrieb reichlich Nahrung in den Lazaretten des Pariser Feldlagers; sie hatte im Krimkrieg, im österreichisch-italienischen Feldzug 1859 und im deutsch-österreichischen Kriege von 1866 die Schrecken der Schlachtfelder reichlich kennengelernt; dann ist sie in Thann Mutter der Waisenkinder geworden und hat zu Karlsruhe ihre letzten Kräfte einem schönen Werke gewidmet. Daß ihr hier so großer Erfolg beschieden war, erklärt sich daraus, daß man die Kreise ihres Wirkens nicht störte, daß man vom ersten Tage ihres Kommens an in ihr die bedeutende Persönlichkeit sah, der man vertrauen konnte und mußte. Darum konnte der Vereinsvorstand an dem goldenen Jubelfeste des Vereins ihrer gedenken mit den schönen Worten: "Sie war eine Frau von außerordentlichen Geistesgaben und feiner Bildung, ausgestattet mit scharfem Blick für die Bedürfnisse der Zeit und für richtige Beurteilung der sie umgebenden Verhältnisse, nicht minder aber auch mit bewunderungswürdiger Energie in Durchführung einer einmal übernommenen Aufgabe. Dekan Benz, selbst von geradem, offenem Charakter und energischer Tätigkeit, schenkte der freimütigen und schaffensfreudigen Schwester volles Vertrauen und ließ ihren Unternehmungen durchdringende Unterstützung angedeihen." Anderthalb Jahre vor ihrem Tode hat Oberstiftungsrat Mader die Karlsruher Oberin richtig charakterisiert, als er dem Superior des Mutterhauses schrieb 300): "So viel steht bei mir fest: mag die Kongregation auch noch Mitglieder zählen, welche an Gaben des Geistes, an Tugend und Frömmigkeit die Schwester Bonaventura überragen: an großartiger Auffassung der hohen Ziele der Kongregation und der eigenen Pflichten, an glühendem Eifer, diese Anschauung ins Leben umzusetzen und die Ehre und das Ansehen derselben nach allen Seiten zu wahren und zu vermehren, an Tatkraft und Opferwilligkeit wird Schwester Bonaventura sicherlich von niemand übertroffen. Sie ist eine herrliche Zierde der Kongregation." Sie ist während ihres Lebens von hohen und höchsten Persönlichkeiten geschätzt und geehrt worden. Bischof Räß schickte ihr immer alle seine Hirtenbriefe; er wandte sich an sie, um aus dem Großherzoglichen Geheimarchiv in Darmstadt für sein großes Werk "Die Konvertiten" zu erhalten 301). Im Großherzoglichen Palais war sie ein gern gesehener Gast; bei ihrem Kommen salutierte die Wache. Sie knüpfte dort viele Beziehungen mit hohen Kreisen an. Um 1872 suchte sie im Thanner Waisenhause der Fürst von Liechtenstein mit Mutter und Nichte auf und speiste daselbst. Im Feldlager vor Paris ist sie um ihres Opfermutes willen hochgeschätzt worden. Als im September des Jahres 1886 Kaiser Wilhelm die Stadt Straßburg besuchte, wurde Schwester Bonaventura telegraphisch nach Straßburg berufen, um sich dem alten Kaiser vorzustellen. Bei dieser Gelegenheit traf sie auch mit dem Großherzog von Hessen zusammen, der mit ihr von alten Zeiten plauderte. Aber all das hat sie nicht stolz gemacht. Für ihren demütigen, christlichen Sinn ist bezeichnend, was sie der Generaloberin Schwester M. Alphons am 12. Februar 1867 161 schrieb, als sie vom Kaiser von Österreich das goldene Verdienstkreuz erhalten hatte: "Ich bin so beschämt und bestürzt, daß ich mich recht ungeschickt mag benommen haben. Ich eilte in die Kapelle, bat den lieben Heiland, er möge sich doch ja nicht von uns zurückziehen, ich bekomme so große Furcht." Sie war mit ganzer Seele Ordensfrau. Das zeigt sich auch in der rückhaltlosen Ergebenheit gegenüber ihren Obern. Für die Stifterin hegte sie eine nie verlöschende Ehrfurcht und Liebe. Ihr Tod ging ihr besonders nahe. In ergreifenden Worten drückte sie dem Bischof von Straßburg ihren Schmerz aus 302): "O wie gern wäre ich für sie gestorben; ich hatte dem lieben Gott das Opfer meines Lebens für sie gemacht; ach! er hat es nicht angenommen." Zu ihrer Nachfolgerin wurde Schwester Eugenie ernannt. Bald nach ihrer Ankunft erfolgte die Gründung einer Station für ambulante Krankenpflege in der Oststadt. Leider starb sie, "ein Vorbild von Milde, Sanftmut und Geduld, voll Eifer für die Angelegenheit des Hauses und des Gesamtvereins" 303), an einem Lungenleiden am 15. April 1896. Ihren Dienst übernahm Schwester Homberga, die bisherige Leiterin des Krankenhauses zu Lengries (Oberbayern), welche seit der Eröffnung des neuen Krankenhauses an der Südendstraße Oberin dieser Anstalt wurde, während an ihre Stelle im alten Hause Schwester Cyrina, vorher Oberin in Heidelberg, trat. Dieses "Neue Vinzentiushaus" an der Südendstraße war notwendig geworden, weil das bisherige Haus den gesteigerten Anforderungen der neuzeitlichen Hygiene nicht mehr entsprach. Ihre Kgl. Hoheit die Großherzogin brachte der im Jahre 1895 ernstlich gefaßten Frage des Neubaus reges Interesse entgegen und überwies anläßlich der Feier des 70. Geburtstages des Großherzogs dem Verein eine reiche Geldspende. Am 3. März 1898 wurde der Bau in der Südendstraße nach Plänen des Architekten Franz Schäfer begonnen. Während der Ausführung, am 30. November 1898 starb der beste Gönner und Freund des Vereins, Dekan Benz, infolge eines wiederholten Schlaganfalls. "Was seine Menschenfreundlichkeit und überaus große Freigebigkeit ihm noch gelassen hatte, das war beizeiten seinem langjährigen Schützling, dem Vinzentiushaus, vermacht worden." 304) Ihm folgte als Vereinsvorstand der Geistliche Rat und Stadtpfarrer Knörzer. Am 15. Mai 1900 konnte endlich der vollendete mächtige Bau von Superior Dr. Simonis unter Assistenz des Hausgeistlichen Dr. Gröber eingeweiht werden, während am folgenden Tage unter allgemeiner Beteiligung der Bevölkerung die glänzende weltliche Eröffnungsfeier stattfand. 30 Schwestern begannen darin ihre Tätigkeit. In den letzten Maitagen fand ein großer Wohltätigkeitsbazar zugunsten des neuen Krankenhauses statt unter dem Protektorat der Frau Prinzessin Wilhelm in den Räumen des Palais der Prinzen Max und Karl von Baden. Auch die Kaiserin Augusta hat bei jedem Aufenthalt in Baden dem Hause viel Wohlwollen entgegengebracht. Nach dem neuen Vereinsstatut von 1901 führen die Oberinnen der Krankenhäuser den ganzen Haushalt in unabhängiger Weise und leiten nach ärztlicher Anordnung die Krankenpflege. Zwischen dem Mutterhaus und dem Vorstand des Vinzentiusvereins wurde am 10. April 1908 ein neuer Vertrag geschlossen, der die gegenseitigen Verpflichtungen und Rechte regelt. 1920 zählte das alte Vinzentiushaus 22, das Neue 38 Schwestern. Am 1. Juli 1907 konnten die Karlsruher Schwestern das fünfzigjährige Jubiläum ihres Wirkens in Karlsruhe feiern. Ihre Kgl. Hoheit die Großherzogin Luise sandte ein herzliches Glückwunschschreiben. Der Vinzentiusverein beging diesen Tag durch Abhaltung eines Festgottesdienstes in der St. Stephanskirche, bei dem sich der Landesherr durch den Kammerherrn v. Delius, die Stadtbehörde durch Stadtrat v. Chelius vertreten ließ. Herr Oberstiftungsrat Fritz, seit 1920 Erzbischof von Freiburg, verlas vor seiner ergreifenden Festpredigt, welche eine wirkungsvolle Verteidigung des katholischen Ordenslebens war, ein äußerst anerkennendes Schreiben des hochw. 162 Herrn Erzbischofs Dr. Thomas Nörber von Freiburg 305), das an Herrn Geistlichen Rat Knörzer gerichtet war. "Es drängt uns", heißt es da, "als Oberhirt der Erzdiözese, bei dieser Gelegenheit der Kongregationsleitung und den ehrw. Schwestern auch Unserseits die wohlverdiente Anerkennung und den wärmsten Dank für ihr unermüdliches, segensreiches Wirken im dornenvollen Berufe der Krankenpflege auszusprechen." A l t h e i m . Krankenpflegestation, gegründet 20. März 1911 durch Pfarrer Baumann. Gemeinderat Haas stellte den Schwestern bis zur Vollendung eines geplanten Schwesternhauses eine Wohnung. Für Unterhalt sorgt ein Krankenverein und ein Gemeindezuschuß. 1918 Nähschule. 4 Schwestern. B r u c h s a l (Friedhofstraße 9). Krankenpflegestation, gegründet 28. Juli 1859 durch Dekan Gugert. Die Stadt sorgte für Wohnung und Heizung, eine jährliche Sammlung für den Unterhalt. Die Schwestern wohnten zuerst in der Salzgasse, von 1862 -1900 neben dem Spital. Als im Jahre 1900 die Stadt die freie Wohnung kündigte, bildete sich ein eingetragener "Verein für Krankenpflege der Niederbronner Schwestern", der für Unterhalt und Bau eines Schwesternhauses sorgte. Am 12. Juli 1902 zogen 12 Schwestern in den Neubau. 1920: 15 Schwestern. B r u c h s a l (Versorgungsheim). Im Jahre 1868 wurde das 1842 gegründete städtische Versorgungsheim den Niederbronner Schwestern anvertraut; 1880 wurde mit dem Heim ein Waisenhaus, 1894 eine Krippe verbunden, die am 20. Februar 1920 den Schwestern von St. Trudpert übergeben wurde. 16 Schwestern. B r ü h l . Krankenpflegestation, gegründet 9. September 1892 durch Pfarrer Bartholme von Schwetzingen, der ein Schwesternhaus erbaute; ein Krankenverein deckte nach und nach die Baukosten. 1898 ließ Pfarrer Roth der neugegründeten Pfarrei Brühl das Haus auf den Kirchenfonds schreiben und 1909 um ein Stockwerk erhöhen. Die Schwestern leben vom Ertrag einer Kinder- und Arbeitsschule. Seit 1913 leiten sie eine Kinderschule in Rohrhof. 5 Schwestern. B ü h l (Provinzhaus). Am 9. April 1919 wurde das Anwesen "Kohlberghof" (4 1/2 ha) der Frau Witwe Isenhart erworben und am 15. Oktober 1919 bezogen und als Provinzialhaus mit Postulat und Noviziat für die Provinz Baden-Hessen eingerichtet unter dem Namen "Mariahilf". Ende 1920: 17 Hausschwestern, 19 kranke Schwestern, 45 Novizen, 33 Postulanten. Zum Superior der Schwestern ist ernannt der hochw. Herr Schmieder. B u l a c h . Krankenpflegestation, gegründet 21. März 1900 durch Pfarrer Schweickart und Bürgermeister Klein, und Kinderschule, in dem alten Schulhaus untergebracht, das 1901 den Schwestern zur Wohnung angewiesen wurde; 1908 wurde das alte Pfarrhaus Schwesternhaus. Ein "Schwesternverein" sorgt für den Unterhalt. Oktober 1919 Arbeitsschule eröffnet. 5 Schwestern. D e t t i n g e n (Hohenzollern). Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 22. Juni 1920 durch Herrn Pfarrer Leonhart. 2 Schwestern. Dossenheim. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet September 1888 durch Vikar Müller. Das in der Wilhelmstraße angekaufte Häuschen wurde 1891 um ein Stockwerk erhöht; Eigentümer ist der Kirchenfonds. Ein Krankenverein trägt zum Unterhalt der Schwestern bei. 1920: 4 Schwestern. Edingen. Krankenpflegestation, gegründet 10. März 1896 durch Pfarrer Scheu von Neckarhausen, und Kinderschule; seit 1897 Arbeitsschule. 1906 wurde unter Pfarrer Loes das auf den Kirchenfonds eingetragene Schwesternhaus um ein Stockwerk erhöht; zu den Baukosten steuerte das Mutterhaus 3000 Mark bei. Ein Krankenverein trägt zum Unterhalt bei. 4 Schwestern. 163 Eppelheim. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 1904 unter Pfarrer Breinlinger; 1906 Arbeitsschule. Ein Krankenverein kommt für die Hausschuld auf. 4 Schwestern. Feldberg-Jägermatte. Kindererholungsheim, gegründet 10. Juni 1920 durch den Karitasverband Freiburg, nur für die Sommerzeit. 5 Schwestern. Friedenweiler. Kindererholungsheim, gegründet 12. Mai 1920 durch den Karitasverband Freiburg, für die Sommerzeit. 2 Schwestern. Freudenberg. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 22. März 1886. Die Gemeinde stellte Wohnung und Heizung und liefert Zuschuß zum Unterhalt. 1890 Winterarbeitsschule für erwachsene Mädchen. 1898 wurde das Haus vergrößert. 1920: 4 Schwestern. Gerlachsheim. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 28. März 1871 durch Pfarrer Faulhaber. Die Schwestern wohnten 12 Jahre in Miete. 1884 ließ Fräulein Serger die sog. "Kreuzwirtschaft" als Schwesternhaus, Kinder- und Nähschule einrichten, sowie zur Aufnahme einiger alten Leute und verwahrloster Kinder, und auf den Kirchenfonds schreiben; sie stiftete auch ein Kapital zum Unterhalt der Schwestern; im Jahre 1910/11 ließ Herr Privatier Baur aus eigenen Mitteln einen größeren Anbau herstellen. 1920: 6 Schwestern. Gernsbach. Krankenpflegestation, gegründet 12. August 1872; Frau Maurer gewährte den Schwestern Wohnung und Unterhalt. Nach ihrem Tode mußten sie eine andere Wohnung suchen. Herr Dekan Krebs gründete dann einen Krankenverein für den Unterhalt der Schwestern, die auch die Kranken der sechs Filialen besorgen. Seit neuerer Zeit gewährt die Stadt einen Beitrag zum Unterhalt und Brennholz. 1910 vermachte das in Frankfurt verstorbene Fräulein Marie v. Günderode seine Villa, die am 9. Juni 1912 bezogen wurde. 4 Schwestern. Gissigheim. Krankenpflegestation, gegründet 15. September 1895, Nähschule. Die Schwestern wohnten im Gemeindehaus. Am 29. Juli 1899 bezogen die Schwestern das neue, durch milde Gaben edler Wohltäter (besonders Pfarrer Weiß, Fräulein Leimbach, Pfarrer Martin) errichtete Schwesternhaus, in dem 1900 eine Kinderschule eröffnet wurde. 1904 gründete Pfarrer Kaiser einen Krankenverein für den Unterhalt der Schwestern. 1920: 4 Schwestern. Götzingen. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 20. Oktober 1920. 2 Schwestern durch die Gemeinde berufen. Heddesheim. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 1. Mai 1895 durch Herrn Pfarrer Ruth. 1898 erbaute Pfarrer Knörzer ein Schwesternhaus, das 1899 bezogen wurde; es ist Eigentum des Fabertschen Fonds (Zweck: Handarbeitsunterricht der weiblichen Jugend). Neben der Kinderschule wurde eine Industrieschule eingerichtet, für welche Pfarrer Schäfer 1909 einen Saal anbauen ließ. 5 Schwestern. Heidelberg (Burgweg 1). Krankenpflegestation, gegründet im März 1858 durch Dekan Hauck; die (2) Schwestern wohnten zuerst in Miete in der Hauptstraße, dann in einem Häuschen im Garten des Armenhauses. Eine jährliche Sammlung deckte die Kosten des Unterhalts. 1866 waren 10 Schwestern tätig; sie siedelten in das von Herrn Haupt gestiftete Haus für verwahrloste Kinder in der Plöckstraße über; 1872 entzog der Magistrat den Schwestern die Erziehung der Kinder und kündigte ihnen die Wohnung. Da gründete Herr Stadtpfarrer Wilms den Vinzenzverein, der eine Wohnung mietete. 1876 wurde das Haus am Burgweg gekauft und 1877 bezogen. 12 Schwestern. Heidelberg (Kaiserstraße 19). Krankenpflegestation, gegründet 1890 durch Stadtpfarrer Wilms in der Gaisbergstraße; Wohnung und Unterhalt bestritt der Vinzenzverein. Später kam eine durch Frau Scherer ermöglichte Kinderschule in der Kaiserstraße hinzu. 1897 bezogen die Schwestern in dieser Straße ein eigenes Haus, 164 das der 1896 verstorbene Buchhändler Oswalt zu diesem Zweck dem Kirchenfonds vermacht hatte. 9 Schwestern. Heidelberg-Schlierbach. Krankenpflegestation mit Arbeitsschule, gegründet 1902 durch Herrn Stadtpfarrer Wilms. Der Vinzenzverein und ein Krankenverein leisten Beiträge zum Unterhalt der (3) Schwestern. Heidelberg-Neuenheim. Krankenpflegestation, gegründet 10. April 1905 durch den Vinzenzverein. Die (4) Schwestern wohnen in Miete Schröderstraße 29. Heidelberg (Vinzentiushaus). Pensionshaus und Kinderschule, gegründet durch Stadtpfarrer Schanno. Am 15. April 1915 zogen 6 Schwestern ein. Auch Kranke finden Aufnahme (Klinik). 1920: 8 Schwestern. Heidelberg (Krüppelheim). Am 1. Oktober 1920 bezogen 9 Schwestern, berufen durch Herrn Prof. v. Bayer, das staatliche Krüppelheim für Kinder (120 - 160); zugleich Kindergarten, Hort und Nähschule. Heidelberg-Rohrbach. Am 18. Oktober 1920 bezogen 6 Schwestern im Auftrag der staatlichen Behörde die Anstalt für lungenkranke Kriegsgeschädigte. Hemsbach. Krankenpflegestation, gegründet September 1896; 1901 ließ Pfarrer Wäldele ein Schwesternhaus erbauen, in dem eine Kinder- und Arbeitsschule eröffnet wurde. Eigentümer ist der Kirchenfonds; ein Krankenverein trägt zum Unterhalt der Schwestern bei. 1920: 6 Schwestern. Hettingen. Krankenpflegestation, gegründet 29. Dezember 1919 durch Pfarrer Baumbusch. 2 Schwestern. Heuberg. Krankenpflegestation, gegründet 20. Juni 1920 durch den Karitasverein Freiburg. Nur für die Sommerzeit. 6 Schwestern. Hundheim. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 13. September 1913, ermöglicht durch die Stiftung des verstorbenen Herrn Kettemann, der dem Vinzenzverein sein Haus für diesen Zweck vermacht hatte. Im September 1920 Arbeitsschule eröffnet. 3 Schwestern. Jestetten. Am 1. Oktober 1920 ersetzten 4 Schwestern auf Wunsch des Kreisausschusses Waldshut das bisherige Laienpersonal in der Idioten- und Kretinenanstalt. Jöhlingen (Spital). Krankenpflegestation, gegründet 8. November 1892 durch Pfarrer Hauser, der das von der Gemeinde gestellte Haus einrichtete. Für den Unterhalt sorgte eine Sammlung. 1896 wird das Haus vom Bezirksamt Durlach als Ortskrankenhaus zur Aufnahme alleinstehender Personen eingetragen. 4 Schwestern. Jöhlingen (Elisabethenhaus). In das durch Herrn Pfarrer Lutz erbaute Elisabethenhaus kamen am 9. September 1912 3 Schwestern zur Übernahme einer Kinder- und Arbeitsschule und zur Pflege von Pfründnerinnen. 1920: 5 Schwestern. Karlsruhe (Theresienhaus). Krankenpflegestation, gegründet 5. November 1892 durch Herrn Dekan Benz. Der Vinzenzverein stellte Wohnung und gab einen Beitrag zum Unterhalt. Bis 1895 wohnten die Schwestern, die anfangs viel mit Not und Armut zu kämpfen hatten, in der Kronenstraße, dann im Zirkel Nr. 10. Am 24. November 1905 bezogen die Schwestern in derselben Straße ein vom Mutterhaus erworbenes, neuhergerichtetes Haus, das Theresienhaus genannt wurde; edle Wohltäter richteten eine Kapelle ein und verhalfen dem Haus zur Tilgung eines Teils der Schulden. 14 Schwestern. Karlsruhe (Elisabethen- und Agneshaus). Nachdem 1888 Schwester Bonaventura im Auftrag des Vinzenzvereins eine Kleinkinderschule an der Steinstraße gegründet hatte, folgte 1889 eine zweite in der Hirschstraße, "die Elisabethenschule", für die das Haus Sophienstraße 17 erworben wurde (1891), in dem auch die Schwestern wohnten. Am 1. Januar 1909 wurde das St. Elisabethenhaus, ein stattlicher 165 Neubau, der die Genossenschaft 525 000 Mark kostete, seiner neuen Bestimmung übergeben. Es dient als Heim für Beamtinnen, Ladnerinnen und alleinstehende weibliche Personen, enthält Kinderschule und Nähschule, Stellenvermittlung des katholischen Mädchenschutzes, Bibliothek des Borromäusvereins, Paramentenvereinszimmer, Expedition des katholischen Karlsruher Gemeindeblattes, ist Versammlungsort der Jungfrauenkongregation, des Geschäftsgehilfinnen- und Dienstbotenvereins. Auch reisende Damen und stellensuchende Mädchen finden Unterkunft. Bald wurde das Haus für die vielen Werke zu klein, und das Mutterhaus erwarb in der Hirschstraße ein Terrain für einen Neubau, der am 21. Januar 1912 als St. Agneshaus durch Herrn Geistlichen Rat Knörzer eingeweiht wurde; in ihm befinden sich der Kindernähschulsaal, der auch den oben genannten Vereinen als Versammlungslokal dient, das Dienstbotenheim, Räume zur Aufnahme der Kursistinnen und durchreisenden Damen, das Stellenvermittlungsbureau usw. Im Elisabethenhaus sind seit 10. März 1910 eine Station für ambulante Krankenpflege und seit 1919 zwei Fröbelsche Kindergärten. 24 Schwestern. Karlsruhe-Mühlburg. Krankenpflegestation, gegründet 24. Mai 1887, und Kinderschule. 1889 erwarb das Mutterhaus ein Haus in der Rheinstraße (Nr. 15), woran eine Kinderschule angebaut wurde. 1896 Nähschule. 1912 bezogen die Schwestern ein durch die Kongregation erstelltes stattliches Haus am Peter- und Paulsplatz. 12 Schwestern. Karlsruhe-Grünwinkel. Kinderschule, gegründet 1888, die von den Schwestern von Mühlburg geleitet wurde. 1899 ließ Bürgermeister Fahrer ein eigenes Kinderschulhaus erbauen, das 1900 von zwei Schwestern bezogen wurde. 1901 kam eine dritte Schwester für die Krankenpflege. Seit 1909 ist die Stadt Karlsruhe, der Grünwinkel eingemeindet wurde, Eigentümerin des Hauses und hat auf 15 Jahre den Schwestern freie Wohnung und Heizung zugesichert. Der Unterhalt wird bestritten durch den Ertrag der Schule und monatliche Sammlung. 1920: 5 Schwestern. Karlsruhe-Beiertheim. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 20. März 1892; 20. Mai 1893 1 Schwester für Industrieschule. Wohnung und Zuschuß zum Unterhalt durch die Gemeinde. 1908 gründete Pfarrer Schanno von Bulach einen Krankenverein und baute auf dessen Namen in der Alexandrastraße (Nr. 58) ein Schwesternhaus mit Kinderschulsaal und Zimmern für Pensionärinnen. Im Januar 1920 Einrichtung eines Fröbelschen Kindergartens. 5 Schwestern. Kehl. Krankenpflegestation, gegründet 9. September 1888; ein Krankenpflegeverein sorgte für den Unterhalt der Schwestern und mietete eine Wohnung in der Kasernenstraße, erwarb dann 1891 ein Haus in der Schulstraße, das 1894 bei der Ankunft einer sechsten Schwester vergrößert werden mußte. 1912/13 wurde das Haus abgetragen und durch die Bemühungen des Herrn Pfarrers Wild durch ein schönes neues Heim ersetzt (jetzt Schulstraße 54). Am 20. August 1913 zogen die Schwestern ein, am 15. Oktober wurde die Kapelle eingeweiht (vgl. Festschrift zur Einweihung der neuen katholischen Pfarrkirche Kehl 1914, S.7). 5 Schwestern. Königheim. Station für Krankenpflege, Kinder- und Arbeitsschule, gegründet 15. September 1886 durch Herrn Dekan Eckert (gest. 1897), der mit freiwilligen Beiträgen ein dem Kirchenfonds verschriebenes Haus erwarb. Die Schwestern, die einen Gemeindezuschuß erhalten, pflegen auch die Kranken der Filiale Dienstadt. Im Schwesternhaus finden auch alte Leute aus der Gemeinde Aufnahme. Unter Pfarrer Kieser wurde für die Schulen ein Lokal im Garten erbaut. 6 Schwestern. Ladenburg (St. Josephshaus). Krankenpflegestation, gegründet 25. März 1889 durch Pfarrverweser Eicheler, der einen Krankenverein gegründet hatte. 1896 166 Arbeitsschule eröffnet. Am 11. Dezember 1910 zogen die Schwestern in ein dem Kirchenfonds verschriebenes neues Schwesternhaus. 5 Schwestern. Ladenburg (Waisenhaus). Seit 20. März 1907 ist das 1772 gegründete Waisenhaus den Schwestern anvertraut. 1920: 3 Schwestern. Laudenbach. Krankenpflegestation, gegründet 12. April 1898 durch Pfarrer Wäldele und Hauptlehrer Riemen. Ein Elisabethenverein sorgt für Unterhalt. Arbeitsschule, 1911 Kinderschule eröffnet und über dem Schulsaal ein Stockwerk für Schwesternwohnung aufgeführt. 3 Schwestern. Leutershausen. Station für Krankenpflege, Näh- und Kinderschule, gegründet durch Dekan Grimm 22. März 1889. Ein Krankenverein lieferte Beiträge zum Unterhalt der Schwestern, die 1894 ein neues Haus bezogen, zu dessen Bau Lehrer Haas 4000 Mark gestiftet hatte; weil es bald zu klein wurde, sorgte Pfarrer Kästel 1906 für einen Neubau (Eigentum des Kirchenfonds). 6 Schwestern. Mannheim (D 4, 4). Am 28. Oktober 1858 kamen, von Kaplan Koch (später Stadtpfarrer an der oberen katholischen Pfarrei) und Frau Deurer berufen, 3 Schwestern, die bei letzterer Wohnung fanden. Die Mildtätigkeit der Gläubigen sorgte für den Unterhalt. Nach dem Tode der Frau Deurer wurde das Haus F 5, 23 erworben und 1861 bezogen. Das Arbeitsfeld der Schwestern (ambulante Krankenpflege) wurde immer größer, das Haus zu eng. Stadtpfarrer Koch und Oberbürgermeister Achenbach gründeten ein Komitee, das in einen "Verwaltungsrat der Stiftung für Krankenpflege" umgewandelt wurde und am 4. August 1868 die Rechte einer juristischen Persönlichkeit erhielt. Mit gesammeltem Geld wurde das Haus D 4, 12 ersteigert und bezogen; die Stiftungskomission für Krankenpflege vermietete es unentgeltlich den Schwestern. Im Jahre 1885 wurde das Haus D 4, 4 gekauft und mit dem Schwesternhaus verbunden; das Mutterhaus steuerte 25000 Mark bei und bestritt die Reparaturen. Seit 1889 gewährt die Stadt einen Zuschuß von 1000 Mark. Im Jahre 1902 erwarb die Anstalt einen Garten in Feudenheim. Die vermehrte Anfrage von Pensionärinnen um Aufnahme bewirkte, daß das Vorderhaus D 4, 4 um zwei Stockwerke erhöht wurde. Bei Gelegenheit des fünfzigjährigen Jubiläums, am 28. Oktober 1909, liefen Glückwunschschreiben der Großherzogin Hilda und des hochw. Herrn Erzbischofs Nörber ein, der u. a. schrieb: "Ich hatte früher in Mannheim selbst Gelegenheit, mich an dem Opfersinn der Niederbronner Schwestern zu erbauen. Seitdem ist Mannheim zur Großstadt herangewachsen; damit sind aber auch die karitativen und sozialen Aufgaben gewachsen. Die Schwestern Ihrer Kongregation sind stets mit in den vordersten Reihen gestanden, wo es galt, die Schmerzen der leidenden Menschheit und die mannigfachen sozialen Übel der Großstadt zu lindern und zu heilen. Es ist mir deshalb eine wahre Herzensfreude, Ihrer ganzen Kongregation und allen zur Zeit in Mannheim tätigen Schwestern bei diesem Jubiläum christlicher Nächstenliebe die oberhirtliche Anerkennung und wärmsten Dank für Ihr treues Wirken in der Stadt Mannheim auszusprechen." Am 18. März 1915 starb hochw. Herr Prof. Meck, der seit 1893 geistlicher Hausvorstand gewesen war. Er hat um die Ausbreitung der Schwestern in Mannheim sich die allergrößten Verdienste erworben (vgl. das "Neue Mannheimer Volksblatt" 1908, Nr. 286) und ist ihnen in geistlichen und weltlichen Dingen stets ein selbstloser, treuer und unermüdlicher Berater und Sachverwalter gewesen. 24 Schwestern. Mannheim-Schwetzingervorstadt. Krankenpflegestation, gegründet 20. Januar 1887 auf Wunsch der Armenkommission. Zuerst in Miete, bezogen die Schwestern im März dieses Jahres eine von dem Fabrikanten Lanz gestellte Wohnung in der Merzelstraße, wo im Oktober eine Kinderschule eröffnet wurde. Im April 1889 wurde das für 27000 Mark erworbene Haus Nr. 27 in derselben Straße Schwesternhaus; 1894 wird im Hof ein Kinderschulsaal erbaut, auch eine Nähschule wird eröffnet. 1906 wird 167 das anstoßende Haus erworben. Im Mai 1910 siedelt die Kinderschule in einen Neubau in der Kepplerstraße über, wozu Frau Geheimrat Lanz den Bauplatz geschenkt hatte. Im zweiten Stockwerk ist die Arbeitsschule untergebracht; dazu ist ein Saal vorhanden für Versammlungen des Dienstbotenvereins und der Jungfrauenkongregation. Das Haus steht auf dem Namen des Vereins für Niederbronner Schwestern; außerdem wird seit 1912 von dieser Station aus in einem Mietlokal in der Reinhäuserstraße eine Kinderschule und seit 1918 ein Fröbelscher Kindergarten Augartenstraße 8 geleitet. 18 Schwestern. Mannheim (Alphonsushaus). Kinderschule, gegründet in einem am 2. August 1896 eingeweihten Neubau im Stadtteil "Jungbusch". Die Baukosten wurden durch Sammlungen aufgebracht, nachdem Herr Maier-Dobs schon vorher 10000 Mark gespendet hatte. 1909 wurde ein Neubau nötig, wofür die Kosten aufgenommen werden mußten; er steht auf dem Namen des Vereins für Niederbronner Schwestern. Die Kinderschule zählt ca. 400 Kinder, von denen 60 - 80 Mittagbrot erhalten. In einem Saal ist eine Nähschule untergebracht; auch einige Pensionärinnen finden Unterkunft. Seit 1918 Fröbelgarten G 7, 30. 8 Schwestern. Mannheim (St. Josephshaus). Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 1. Oktober 1902. Das St. Josephshaus, auch Smreckersche Anstalt genannt, ist durch Herrn Ingenieur Smrecker im Stadtteil Lindenhof aus eigenen Mitteln zu dem Zwecke erstellt worden (eingetragen als "Kinderbewahranstalt Lindenhof" G.m.b.H.). Schon seit 1900 war provisorisch in der Gontardstraße Nr. 38 eine von 140 Kindern besuchte Bewahranstalt gegründet worden. Fünf Schwestern wirken in der ambulanten Krankenpflege, ca. 300 Kinder besuchen die Anstalt. 9 Schwestern. Mannheim (St. Liobahaus). Eröffnet im September 1914 für Kinderschule, Nähschule und ambulante Krankenpflege bei der projektierten Bonifatiuskirche. Das Haus, ein stattlicher Neubau mit zwei Kinderschulsälen und Nähschulsaal stellte sich mit Bauplatz auf 140000 Mark und ist Eigentum des Vereins für Niederbronner Schwestern; ein Legat des verstorbenen Kommerzienrats Weyl und andere Zuwendungen hatten das Werk ermöglicht. 7 Schwestern. Mannheim (R 7). Volkskindergarten, eröffnet 15. April 1918 auf Anregung Prof. Waldvogels. Der Verein für Niederbronner Schwestern hatte das Haus erworben. Nähschule, Damenpensionat. 7 Schwestern. Mannheim-Feudenheim. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 1889; zuerst Mietswohnung, dann eigenes Haus, 1901 Neubau. Ein Krankenverein steuert zum Unterhalt der (6) Schwestern bei. Mannheim-Sandhofen. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 21. Oktober 1899. Die Gemeinde stellte Wohnung und Schullokal und leistete einen Beitrag zum Unterhalt. 1904 erwarb die Genossenschaft ein eigenes Schwesternhaus in der Falkenstraße (Nr. 9); 1912 Nähschule errichtet. 6 Schwestern. Mannheim-Sandhofen (Mädchenheim). Im Jahre 1902 wurden zwei Schwestern von der Jutefabrik in der meist aus Polen und Italienern bestehenden Arbeiterkolonie angestellt; 1906 wurde das Mädchenheim eröffnet, das mit 320 Arbeiterinnen besetzt wurde. Eine bereits bestehende Krippenanstalt wurde einbezogen, auch Nähschule eingerichtet, 1907 eigene Kapelle eingeweiht. Die Fabrik stellte Wohnung und Brennmaterial und leistete Unterhaltsbeitrag. 9 Schwestern. Neckarhausen. Krankenpflegestation, gegründet 1889 durch Pfarrer Krug; die gräfliche Familie von Oberndorf stellte die Wohnung. 1894 übernahmen zwei neue Schwestern die seit 1857 bestehende Kinderschule. 1903 Neubau, auf den katholischen Kirchenfonds eingeschrieben, wofür Graf Friedrich v. Oberndorf den Bauplatz stiftete; Oktober 1919 Eröffnung einer Industrieschule. 5 Schwestern. 168 Neudorf. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 1896 durch Herrn Pfarrer Stern. 1895 Bau eines Schwesternhauses (dem Kirchenfonds gehörig). Ein Gemeinde- und Krankenverein steuern zum Unterhalt der (4) Schwestern bei. Oberkirch. Krankenpflegestation, gegründet 1864 mit drei Schwestern, die 1867 auch das alte Spital übernahmen. An dessen Stelle trat durch die wohltätige Stiftung einer israelitischen Dame, Frau v. Haber, ein Neubau. 5 Schwestern. Peterstal. Krankenpflegestation, Kinder- und Nähschule, gegründet 1899 durch Pfarrer Helm (von der Pfarrgemeinde Ziegelhausen). Die Gemeinde ließ ein Haus erbauen, das 1909 dem Kirchenfonds übertragen wurde. 1911 gründete Pfarrer Nicolaus einen Krankenverein. 3 Schwestern. Pforzheim (St. Josephshaus). Krankenpflegestation, gegründet 1865 durch Herrn Fabrikanten Veltemann, der den (4) Schwestern, die acht Jahre in Miete wohnten, zusammen mit Herrn Pfarrer Christ ein Haus aus eigenen Mitteln in der Gerberstraße erbauen ließ. 1905 wurde von Herrn Dekan Leist an dessen Stelle das jetzige Josephshaus errichtet (die Baukosten wurden bestritten durch Kapitalaufnahme, gesammelte Beiträge und Zuschuß des Mutterhauses). Es gehört dem Vinzenzverein, enthält die seit 1892 übernommene Kinderschule und Mädchenheim (46 Betten). 1914 Hauskapelle eingerichtet. Eine der ersten Schwestern, Schwester Geran, regte die Einführung der Marienmaiandacht in Pforzheim an. 16 Schwestern. Pforzheim (Gesellenhaus). Seit 1. Juni 1898 leiten zwei Schwestern den Haushalt des katholischen Gesellenhauses; sie unterstehen der Oberin des St. Josephshauses. Pforzheim (Marienhaus). Mädchenheim für stellenlose Arbeiterinnen und Dienstboten und Waisenkinder. Zuerst war in dem Hause (Waldstraße) eine seit 24. Dezember 1887 den Schwestern anvertraute Kinderschule untergebracht. 1888 begann man Waisen aufzunehmen, 1894 wird ein Stockwerk für das Mädchenheim aufgebaut. Seit 1895 heißt die Anstalt, welche Eigentum des erzbischöflichen Bernhardusstifts zu Freiburg ist, Marienhaus; sie vermag bis 25 Kinder und Mädchen aufzunehmen. Seit 1918 Fürsorge für Kriegerkinder. 2 Schwestern. Plankstadt. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet im Mai 1897. 1900 Bau eines auf den Kirchenfonds eingetragenen Schwesternhauses, für dessen Schuldentilgung ein Krankenverein sorgt. 6 Schwestern. Rastatt (Mädchenwaisenhaus). Am 6. Februar 1858 übernahmen zwei Schwestern den Haushalt, bald auch die Leitung der 1853 in der Hildastraße Nr. 15 von Herrn Bankier Meyer gegründeten Mädchenwaisenanstalt, die 1858 in die Kapellenstraße verlegt und 1877 von der Stadt übernommen wurde. 1910 zog sie in das am Leopoldsring neuerbaute, 50 Betten zählende Waisenhaus. 5 Schwestern. Rastatt (Vinzentiushaus). 1870 kamen drei Schwestern für Krankenpflege; bis 1873 wohnten sie in der Meyerschen Waisenanstalt, dann in Miete; 1882 erhielten sie freie Wohnung im städtischen Karl-Friedrichstift in der Murgstraße. 1896 wurde auf Anregung des Finanzrates Günther und Stadtpfarrers Guggert aus freiwilligen Beiträgen und einem Zuschuß des Mutterhauses (12500 Mark) ein Schwesternhaus in der Engelgasse erbaut, das 1903 auf den katholischen Kirchenfonds geschrieben wurde. Im nunmehrigen Vinzentiushaus eröffnete der Vinzenzverein ein Dienstbotenheim und kaufte dafür 1909 das Nachbarhaus ("Marienhaus"). 13 Schwestern. Reicholzheim. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 26. Juni 1888 durch Herrn Pfarrer Walter, der für den Kirchenfonds ein Schwesternhaus angekauft hatte. Gemeinde und Krankenverein sorgen für Unterhalt. 1910 Gründung einer Winternähschule. 4 Schwestern. 169 Stühlingen. Winterschule für Landwirtschaft, gegründet 15. November 1920 durch Bürgermeister Bauer. 2 Schwestern. Schweinberg. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 18. März 1913 durch Herrn Pfarrer Kohler. Ein Wohltäter, Herr Gregor Dörr (gest. 1911), hatte für den Zweck sein Anwesen und Vermögen gestiftet, dazu kam eine Stiftung von 10000 Mark durch Herrn Alois Kilian. Ein Neubau ist geplant. 3 Schwestern. Schwetzingen. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 15. März 1888 durch Herrn Dekan Münch. 1890 Kinderschule, 1893 Arbeitsschule eröffnet. Ein Schwesternverein kam für die Hausmiete auf. 1900 kaufte Herr Stadtpfarrer Blöder in der Dreikönigsstraße das alte Schulhaus (für den Kirchenfonds) für Kinder- und Arbeitsschule. 1914/15 ließ dafür der Vinzenzverein (ehemaliger Schwesternverein) einen stattlichen Neubau herstellen. 9 Schwestern. Völkersbach. Krankenpflegestation und Nähschule, gegründet 8. November 1920 durch Pfarrer Fuggis. 2 Schwestern. Wagenschwend-Balsbach. Krankenpflegestation, gegründet 2. Oktober 1911 durch Pfarrkurat Ringel. Die Schwestern wohnen in Miete in Balsbach; die beiden Gemeinden kommen für den Unterhalt auf. Seit Mai 1920 Arbeitsschule. 3 Schwestern. Waldhausen. Krankenpflegestation für Waldhausen und Heidersbach-Einbach, gegründet 1. April 1916 durch Pfarrer Mayerhöfer. Die drei Gemeinden kommen für Miete und Unterhalt auf. 3 Schwestern. Walldorf. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 15. Oktober 1886 durch Pfarrer Krämer. 1892 ließ die katholische Gemeinde unter Leitung des Herrn Dekan Benz ein (dem Kirchenfonds gehörendes) Schwesternhaus bauen mit Kinderund Nähschule. 1920: 5 Schwestern. Weinheim. Krankenpflegestation, gegründet 1892, Kinderschule 1904; aufgegeben am 1. Juli 1912. Wertheim. Krankenpflegestation, Kinder- und Arbeitsschule, gegründet 1868 durch Pfarrverweser Oberle, und die Fürstin Sophie von Löwenstein-WertheimRosenberg unter Mitwirkung des Fürsten Karl zu Löwenstein (als P. Raymundus 1907 in den Dominikanerorden eingetreten), der die Wohnung stellte und auch später alle baulichen Veränderungen bestritt. Auch die Schwester des Fürsten, die Herzogin Adelheid v. Braganza (gest. 1909), war eine ständige Wohltäterin des Hauses. Der jetzige Fürst liefert jährlich einen Beitrag zum Unterhalt der (5) Schwestern. Wieblingen. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 1. April 1892 durch Pfarrer Ersche. Das Haus gehört dem Kirchenfonds; ein Krankenverein sorgt für die Abtragung der Hausschuld und liefert das Heizmaterial. 3 Schwestern. Wiesloch. Krankenpflegestation, gegründet 1880 durch Stadtpfarrer Hofmann; 1887 Arbeitsschule und Kinderschule gegründet. 1893 bezogen die Schwestern ein dem Vinzenzverein gehöriges neues Schwesternheim. 1898 wurde in Altwiesloch eine Kinderschule eröffnet. Die Gemeinde leistet einen Beitrag zum Unterhalt der (7) Schwestern. Ziegelhausen. 1889 berief Pfarrer Helm im Namen des Josephsvereins zwei Schwestern für eine Kinderschule, 1892 eine dritte für Krankenpflege. Sie bezogen 1893 das neuerbaute St. Josephshaus, das 1903 auf den Kirchenfonds geschrieben wurde. 1913 wird die Kinderschule erweitert und die seit 1893 bestehende Nähschule ins alte Pfarrhaus verlegt. Der St. Josephsverein sorgt für Licht und Heizung und bestreitet die Miete für die Nähschule. 1920: 6 Schwestern. 170 B. Hessen. Diözese Mainz. Die Berufung der Niederbronner Schwestern nach dem Mainzer Sprengel steht in innigem Zusammenhang mit dem raschen Aufblühen des kirchlichen Lebens nach der Besitzergreifung des Mainzer Bischofstuhles durch den großen Bischof Wilhelm Emanuel v. Ketteler 306). Sie geschah auf Betreiben des tatkräftigen katholischen Stadtpfarrers Dr. Johann Baptist Lüft von Darmstadt. Für die Geschichte der Genossenschaft im Mainzer Bistum und im Großherzogtum Hessen ist die Darstellung der Geschichte der Darmstädter Niederlassung grundlegend. Darum wird diese an erster Stelle zu behandeln sein. Das barmherzige Schwesternhaus in Darmstadt. Dr. Lüft, dem die katholische Kirchengemeinde in Darmstadt ihre rasch aufblühende Entwicklung verdankt, war von Gießen, wo er als Seelsorger und als Professor der Liturgik und Moral an der dortigen katholisch-theologischen Fakultät äußerst segensreich gewirkt hatte, im Jahre 1835 als Pfarrer nach Darmstadt gekommen 307). Als ehemaliger Schüler des Straßburger Bischofs Räß in den Mainzer Lehranstalten bewahrte Lüft seinem Lehrer treue Anhänglichkeit und stand stets mit ihm in Fühlung. Nachdem Lüft im Jahre 1858 nach Art der Vinzenzvereine einen Armenverein zur Unterstützung der zahlreichen armen Gemeindemitglieder gegründet hatte, wurde der Wunsch nach Berufung Barmherziger Schwestern laut. Lüft unterhielt sich noch in diesem Jahre persönlich mit Bischof Räß über diese Angelegenheit und bat um Entsendung einiger Schwestern aus dem Mutterhause Niederbronn. Am 11. Juni 1859 konnte er Räß melden, daß die Schwestern kommen könnten, sobald die Erlaubnis der hessischen Regierung eingetroffen sei. Da der Darmstädter Boden von den Schwestern durch ihre Art und Wirksamkeit erst erprobt werden müsse und auch erst ein kleiner Teil der katholischen Gemeinde dem Institut günstig gesinnt sei, so komme es darauf an, daß bei der Auswahl der zu schickenden Schwestern besondere Umsicht walte; der Bischof möge sich der Sache annehmen. Neben dem Pfarrer traten einige edeldenkende Laien für das segensreiche Werk ein, vorab der Geheime Rat Maximilian von Biegeleben, Oberrechnungsrat Backé, Kaufmann Blaum und Dr. Bracht 308). Am 1. September 1859 trafen die ersten Schwestern in Darmstadt ein: Schwester Bonaventura als Oberin und die Schwestern Jovita und Gorgonia. Sie bezogen ein Haus am Soderweg - die heutige Kinderschule der Schwestern -, welches man für 4800 Gulden erworben hatte. Nach drei Wochen schon berichtete der Pfarrer hocherfreut dem Bischof (24. September 1859), daß die Auswahl recht gut sei, "besonders die Oberin Schwester Bonaventura macht einen vortrefflichen Eindruck. Sie ist für hier ganz und gar geeignet." Die Schwestern hätten schon in sechs Häusern Beschäftigung und bitten um eine vierte Schwester. "Der Reiz der Neuheit versammelt bisweilen noch ein jugendliches Gefolge, wenn die Schwestern über die Straße gehen, aber es wird sich bald geben." Und bald darauf 309) wiederholt er, daß die Schwestern in dem ersten Vierteljahr ihres Hierseins alle Sympathien erobert haben, bei Katholiken sowohl als bei Protestanten. Die ungünstige Stimmung bei einigen Protestanten sei geschwunden. "Die Schwester Bonaventura hat durch ihre taktvolle und liebenswürdige Art einen wesentlichen Anteil daran." Hatten die Schwestern anfangs ihre Tätigkeit auf Hauskrankenpflege und Armenfürsorge und die Leitung des im Jahre 1859 gegründeten Jungfrauenvereins 310) 171 beschränkt, so erweiterte um Ostern 1860 der eifrige Pfarrer ihr Arbeitsfeld durch Gründung einer Arbeitsschule für arme Mädchen, zunächst für schulpflichtige Kinder, die außerhalb der Schulzeit das Kloster besuchen sollen, um in Handarbeit unterrichtet zu werden, daneben eine Schule für schulentlassene Mädchen, die bisher nur die gewöhnlichen Nähschulen oder die Fabriken besuchten, wobei viele moralisch zugrunde gingen. Diese Arbeitsschule wurde gleich stark in Anspruch genommen, auch von Kindern des besseren Bürgerstandes; aber nur für 70 war Raum vorhanden, ebenso viele mußten zurückgewiesen werden. Darum wandte sich Lüft wieder an den Bischof Räß (29. Mai 1860), ob er zu einem notwendigen Neubau kein Geld beschaffen könne. Das jetzige Kloster koste schon 9000 Gulden und nichts sei bezahlt. Diese Schuld nehme die Kirchengemeinde auf sich, aber mehr könne sie nicht leisten. Auch eine kleine Kapelle sei nötig, da das Kloster weit von der Kirche entfernt sei. Vielleicht gebe der Verein für Verbreitung des Glaubens in Lyon einen Beitrag, denn das Kloster sei ja auch eine Missionsanstalt. Bischof Räß ging auf diesen Gedanken ein und unterstützte ein Gesuch um einen Geldbeitrag, das der Kirchenrat von Darmstadt nach Lyon schickte. In der Begründung dieses Bittgesuches wird die Notlage der 4000 Seelen zählenden Kirchengemeinde betont. Der Bau einer Schwesternanstalt sei nötig, um in die weibliche Jugend frühe und gründlich die Keime der Religion und des Guten zu pflanzen und sie vor den Gefahren des Proletariats und des Unglaubens zu bewahren. Dann heißt es weiter: "Die protestantische Bevölkerung konnte anfangs kaum an den Gedanken glauben, ein katholischen Kloster in einer Stadt zu sehen, welche stets ein Hauptsitz des Protestantismus war, in der Residenz eines Fürsten, dessen Ahnen zu den Hauptgründern desselben gehörten. Aber wunderbarerweise haben die Schwestern die Sympathien der hiesigen Protestanten ganz allgemein und im hohen Grade gewonnen; es besteht für sie eine hohe Begeisterung, sie werden von den Protestanten für den Krankendienst fast mehr als von den Katholiken gerufen." 311) Dank der Befürwortung dieses Gesuches durch den Straßburger Bischof erhielt der Pfarrer von der Lyoner Direktion des Glaubensverbreitungswerkes im Dezember desselben Jahres 3000 Franken zugeschickt. Die von dem Ankauf des ersten Hauses herrührende Restschuld war unterdessen auch bezahlt worden 312). Das Baukapital für das neue Haus wurde teils durch milde Gaben, teils durch dreiprozentige Schuldscheine zu 100 Gulden aufgebracht; die Kosten des unter der Leitung des Geheimrats von Biegeleben aufgeführten Baues beliefen sich auf 10000 Gulden. Am 27. November 1862 konnte der Pfarrer dem Bischof Räß melden, daß der Neubau vollendet und trefflich gelungen sei. Die Generaloberin, die im Oktober anwesend war, hätte gesagt, daß sie Räß bitten werde, noch einen Beitrag von Lyon zu erwirken. Der Bischof von Mainz habe das dorthin gerichtete Bittgesuch zwar nicht gern gesehen, weil er sich dadurch für gehindert halte, auch etwas für ähnliche Zwecke zu bekommen; darum habe er das Gesuch auch nicht befürworten wollen. Auch seien die Beiträge aus der Diözese Mainz nach Lyon nicht bedeutend. Lüft teilt dem Bischof weiter mit, daß dieses Jahr für die Anstalt besonders günstig verlaufen sei, wegen der Pflege der verstorbenen Großherzogin Mathilde. Dazu habe die Oberin eine das ganze Jahr dauernde Pflege in der Familie Brentano zu Frankfurt erhalten. Immerhin seien noch 8000 Gulden Restschulden da. Auch wären viel mehr Schwestern nötig. Die am 23. Mai 1862 verstorbene Großherzogin Mathilde, eine geborene Prinzessin von Bayern, war in ihrer sechswöchigen Krankheit von unseren Schwestern gepflegt worden. Sie ist von Anfang an eine eifrige Gönnerin des Schwesternhauses gewesen. An ihrem letzten Namensfeste noch hat sie den Schwestern ein Geschenk von 1000 Gulden überreichen lassen 313). Die wohlwollende Gesinnung, welche vom Großherzoglichen Hofe den so vielen Segen stiftenden Schwestern entgegengebracht wurde, ermutigte die Katholiken Darmstadts, den Großherzog Ludwig um eine weitere, 172 für die fernere günstige Entwicklung der Schwesternniederlassung ungemein wichtige Gunst zu bitten: um die Verleihung der Korporationsrechte. Zu ihrem Wortführer wählten sie den Kammerherrn und Kreisrat Freiherrn von Stein, der am 16. März 1862 ein Bittgesuch an den Landesfürsten richtete. Ausgehend von dem hochherzigen Geschenk der Großherzogin, fährt der Bittsteller fort: "So groß nun die Freude und das innigste Dankgefühl für diese huldvolle Gabe ist, welches die Katholiken Darmstadts beseelt, um so lebhafter ist bei denselben auch der Wunsch, daß diese ebenso gnädigst bedachte Anstalt auch künftighin hier stets fortbestehen und gedeihen möge, und sie würden darin einen ganz besonderen Schutz erblicken, wenn Ew. Kgl. Hoheit die Gnade haben wollten, dieser Anstalt auch dieselben Rechte zu verleihen, welche die öffentlichen milden Stiftungen im Großherzogtum besitzen und welche namentlich dem hiesigen Diakonissenhaus und dem hiesigen Landkrankenhause bereits allergnädigst verliehen worden sind, nämlich die Rechte einer moralischen Person mit der Befugnis, auch Geschenke und Vermächtnisse von dritten Personen anzunehmen. Sobald bekannt ist, daß diese Rechte auch dem Barmherzigen Schwesternhause allergnädigst verliehen werden, wird das von Ihrer Kgl. Hoheit der Frau Großherzogin huldreichst gegebene Beispiel sicherlich eine sehr mannigfache Nachahmung finden, und es wird dieses auch den glücklichen Erfolg haben, daß der Anstalt auch noch immer mehr die vielseitige Unterstützung zuteil wird, welche sie bei ihrer wohltätigen Wirksamkeit sogar sehr bedarf." Bereits am 18. März willfahrte der Großherzog dieser Bitte und erteilte "der unter der Benennung 'Barmherziges Schwesternhaus zu Darmstadt' dahier bestehenden Wohltätigkeitsanstalt die Rechte einer moralischen Person mit der Befugnis, Geschenke und Vermächtnisse von dritten Personen anzunehmen, jedoch mit der Bemerkung, daß in der Verleihung jenes Rechtes eine Anerkennung der sogenannten 'Kongregation der Töchter des göttlichen Erlösers' als klösterlichen Vereins nicht enthalten ist, und daß es sich von selbst versteht, daß dem Staate, wie über alle andern, so auch über die genannte Wohltätigkeitsanstalt das Recht der Oberaufsicht zukommt, und daß überhaupt auf dieselbe alle in bezug auf Wohltätigkeitsanstalten bestehenden gesetzlichen Bestimmungen ebenfalls Anwendung finden" 314). Das Schwesternhaus wurde nun als Eigentum der katholischen Pfarrgemeinde erklärt und die Rechtsvertretung und Vermögensverwaltung einem ständigen "Verwaltungsrate" übertragen; dieser bestand fortan aus dem Pfarrer und dem zweiten Geistlichen sowie aus drei von dem Kirchenvorstand zu wählenden weltlichen Mitgliedern 315). Im Jahre 1863 und 1864 kaufte der Verwaltungsrat Teile des angrenzenden Feldstückes, weil sonst bei der regen Bautätigkeit die Anstalt von allen Seiten zu sehr eingeengt worden wäre. Noch einmal suchte Lüft in Lyon Geld zu erhalten, jedoch diesmal ohne Erfolg 316). Der ca. 2500 Gulden betragende Kaufpreis konnte aber schon im Jahre 1865 dank einem Vermächtnis der Gräfin Oyon, einer Kollekte und Lotterie ausbezahlt werden. In demselben Jahre ließ der junge Freiherr v. Perglas auf seine Kosten das ganze Anwesen mit einer Mauer umgeben. Auch eine gefällige Hauskapelle wurde geschaffen, deren Einrichtungskosten - 957 Gulden -durch eine von den Hofdamen Gräfin Anna von Seinsheim 317) und Freiin von Breidbach veranstaltete Sammlung sowie durch die Freigebigkeit des Pfarrers Lüft gedeckt wurden. Außerdem hatte die Frau Großherzogin sämtliche Paramente und den Meßkelch, die Frau des französischen Gesandtschaftssekretärs Grafen Breda den Speisekelch und die Monstranz gestiftet. Im deutsch-österreichischen Kriege 1866 leisteten die Schwestern in der Pflege der Verwundeten Hervorragendes. Auch hier zeigte sich die Energie und Tatkraft der Oberin auf voller Höhe. Schwester Jovita und Gorgonia wurden durch die Überanstrengung krank und mußten im folgenden Jahre in Schwalbach sich einer 173 Badekur unterziehen; in Anbetracht der Verdienste der Schwestern um die Verwundeten bewilligte ihnen die dortige Kurverwaltung in anerkennenswerter Weise Freibäder. Durch ihre Beziehungen zum Hofe 318) erfreute sich Schwester Bonaventura auch in den höchsten Kreisen großen Ansehens und kam auch mit auswärtigen Fürstlichkeiten, die am Hofe weilten, oft in nähere Berührung, so mit der Herzogin Modena, bei der sie in allen Anliegen ein geneigtes Ohr fand. Im Jahre 1867 konnte sie ihrer geliebten Generaloberin freudig von einem Besuche berichten, den die Königin von Bayern in Begleitung der Prinzessin Karl ihrem Hause abstattete, wobei sie der Anstalt ein Geschenk von 50 Gulden hinterließ; die Königin habe sich angelegentlich nach der Generaloberin erkundigt und sehe ihrem baldigen Besuche in München mit Freuden entgegen 319). Weniger Sympathien als bei hoch und nieder in Darmstadt fand Schwester Bonaventura bei Bischof v. Ketteler. Seitdem im Jahre 1866 dem altersmüden Pfarrer Dr. Lüft sein Kaplan J. B. Beyer als zweiter Pfarrer beigegeben war, der Lüfts Stelle im Verwaltungsrat des Schwesternhauses einnahm, kam es zu Unstimmigkeiten zwischen der Oberin und dem Verwaltungsrat. Sie hatten wohl ihren Grund in der Auffassung, welche die Oberin von ihren Rechten hegte, und welche dem Verwaltungsrat zu weitgehend erschien. Ein Konflikt entstand zuerst, als Schwester Bonaventura auf ein Legat von 2000 Gulden, dessen jährliche Zinsen auf ausdrücklichen Wunsch des Erblassers zur persönlichen Verfügung der Oberin und nicht des Verwaltungsrates des Hauses stehen sollten, Anspruch machte. Die Ausübung privater Wohltätigkeit, vor allem an Arme besserer Stände, stellte an die Hauskasse oft bedeutende Anforderungen. Darüber glaubte die Oberin, wohl nicht mit Unrecht, niemanden als ihren direkten Obern Rechenschaft ablegen zu sollen. Pfarrer Lüft, der bis zuletzt die hervorragenden Eigenschaften der Schwester Bonaventura schätzte, ist ihr in dieser Hinsicht nie in kleinlicher Weise entgegengetreten 320). Als der Verwaltungsrat nun anderer Ansicht war, wollte der Oberrechnungsrat Backé, der mit Lüft 321) den Standpunkt der Oberin verfocht, den Großherzog um die Erklärung bitten, "daß die dem hiesigen Schwesternhause verliehenen Korporationsrechte nur durch die Frau Oberin des Hauses und nicht durch den nachträglich gebildeten Verwaltungsrat auszuüben seien". Der Landesfürst bedeutete aber dem Bittsteller in einer Audienz, er möge sich vorerst mit dem Bischof darüber aussprechen. Eine Unterredung Backés mit Freiherrn von Ketteler zeigte aber, daß dieser von dem Verwaltungsrat ganz für dessen Auffassung gewonnen war. Der Bischof äußerte sich dahin, daß er sich die Anstalt zu Darmstadt nicht anders denke und gedacht habe, als daß die Schwestern berufen worden seien zur Befriedigung der Bedürfnisse der Gemeinde Darmstadt, und daß dieselben als Anstalt unter einer weltlichen Verwaltung stünden. Er werde sich genötigt sehen, demnächst um Entfernung der Frau Oberin zu bitten 322). Dies geschah, wenn auch nicht gleich, so doch einige Jahre später. Am 31. Juli 1869 benachrichtigte die Leitung des Mutterhauses den Bischof von Mainz, daß man die Schwester Bonaventura abberufen und durch Schwester Gorgonia ersetzen wolle. Als in Darmstadt das Gerücht ging von der bevorstehenden Abberufung der beliebten Oberin, war das Bedauern allgemein. Von allen Seiten wurden Schritte unternommen, dies zu verhindern. Der französische Gesandte Graf d'Astorg wurde gebeten, in seiner Eigenschaft als Franzose bei dem Bischof von Straßburg diesbezügliche Schritte zu tun 323). Gleichzeitig wurde die protestantische Baronin van der Capellen bei Räß vorstellig in der Sache. Sie hätte letztes Jahr im Auftrag der Fürstin Battenberg und der Gräfin d'Astorg mit einem Dutzend katholischer und protestantischer Damen der Gesellschaft unter dem Beifall des Großherzogs eine Kinderkrippe gegründet und diese, ungeachtet 174 des Widerspruchs, der sich in protestantischen Kreisen erhob, den Schwestern anvertraut; jetzt sei die Krippe vorzüglich im Gang, Räß möchte doch den Weggang der Oberin verhindern 324). Der Großherzog selbst beauftragte den Domkapitular Lüft ebenfalls, Räß um sein Einschreiten zu bitten. Lüft entledigte sich des Auftrages (7. August 1869), bekennt aber, damit in Verlegenheit zu sein, besonders dem Bischof von Mainz gegenüber, der schon vor einigen Jahren die Versetzung der Oberin dringend gewünscht habe. Mit dem Bischof stimme der Verwaltungsrat und Pfarrer Beyer, sein Nachfolger, überein. Dagegen sei der größere Teil der Bevölkerung, der katholischen wie der protestantischen, warm für die Oberin eingenommen; von dieser Seite werde ihr Verbleiben sehr gewünscht. Merkwürdig seien die kontrastierenden Urteile über diese Frau, die in der Bevölkerung als höchst liebenswürdig und als ganz besonders für Darmstadt geeignet gelte, während man sie in Mainz und im Verwaltungsrat für herrschsüchtig halte. Lüft enthält sich seines Urteils in der Frage, da er nicht mehr Pfarrer sei und Rücksichten auf Mainz zu nehmen habe. Im allerhöchsten Auftrage teilte auch der Großherzogliche Hofmarschall v. Küchler dem Oberhirten von Straßburg mit (11. August 1869), daß der Landesfürst den Weggang der Oberin persönlich sehr bedauern würde: "Schwester Bonaventura ist in Darmstadt allgemein beliebt und genießt das besondere Wohlwollen meines gnädigsten Herrn, da sie ihm durch die aufopfernde Pflege, welche sie der höchstseligen Großherzogin Mathilde während ihrer Krankheit angedeihen ließ, von der vorteilhaftesten Seite bekannt ist." Unterm 14. August meldet Domkapitular Lüft dem Straßburger Bischof, daß er dem Großherzog mitgeteilt habe, Räß werde seinen ganzen Einfluß aufbieten, daß Schwester Bonaventura hier bleibe. Lüft selbst hält dies, "wenigstens vorerst", für das Beste. Die Bevölkerung wünsche es sehr. Schwester Bonaventura sei für mehrere Wochen nach Wiesbaden gereist. Wir erfahren aus Lüfts Schreiben auch Näheres über den tieferen Grund der Verstimmung des Mainzer Prälaten: "Es hat ihm stets Verdruß gemacht, daß man sich in betreff der Verwaltung unseres Klosters immer mehr nach Niederbronn und Straßburg als nach Mainz wendet. Er hat es schon nicht gern gesehen, daß ich Niederbronner Schwestern hierherberufen habe, obschon er in seiner ganzen Diözese keinen so praktischen Orden hat, als dieser ist. Die Schwester Bonaventura war und ist ihm obendrein auch an sich schon zu eigenmächtig, so daß er sich in seiner Autorität über das Kloster beeinträchtigt glaubt." Unter der Darmstädter Bevölkerung ging eine Bittschrift um, welche, mit 595 Unterschriften versehen, Karl Freiherr v. Dorth am 21. August 1869 an Räß absandte. Aber im Mutterhause sah man sich trotz aller dieser Schritte doch veranlaßt, bei dem gefaßten Beschlusse zu beharren. Wir sind der Schwester Bonaventura an anderer Stelle begegnet und haben ihr ferneres Lebenswerk dort eingehend gewürdigt. Ende August begann Schwester Gorgonia ihres Amtes als Oberin im Schwesternhause zu walten. Am 3. August hatte Bischof v. Ketteler der Generaloberin auf ihr Schreiben vom 31. Juli geantwortet, daß er nichts gegen den Wechsel der Oberin zu erinnern habe. "Die bisherige Oberin hat sich recht viele Verdienste in Darmstadt erworben, und es werden deshalb sehr viele Bewohner von Darmstadt sie mit Schmerz aus ihrer Mitte scheiden sehen. Auf der anderen Seite verkenne ich auch nicht, daß wichtige Gründe für einen Wechsel sprechen, und ich finde ihn um so unbedenklicher, da die Schwester Gorgonia mein volles Vertrauen besitzt und gewiß eine gute Stellvertreterin sein wird." Das letztere war auch tatsächlich der Fall. Zu Anfang des folgenden Jahres konnte Domkapitular Lüft nach Niederbronn berichten: "Wir sind mit der Leitung unserer Anstalt durch die Oberin Gorgonia in hohem Grade zufrieden. Alles geht so ruhig und bescheiden und doch so bestimmt und energisch. Das ist auch das öffentliche Urteil über sie. Auch der Großherzog ist vollkommen ausgesöhnt; ein Beweis dafür ist auch, daß derselbe ihr seit ihrer Rekonvaleszenz 325) täglich das Essen aus der Hofküche und 175 den Wein aus dem Hofkeller schickt." Auch das Verhältnis zu Pfarrer Beyer sei gut geworden. Das war das letzte Schreiben, das Lüft an das Mutterhaus richtete; am 23. April 1870 starb er. Mit ihm ging einer der größten Wohltäter und Förderer der Niederbronner Kongregation dahin. Schwester Gorgonia wurde im Jahre 1873 durch Schwester Amalia ersetzt. Auch die Beziehungen des Schwesternhauses zu dem Mainzer Oberhirten wurden, nachdem sein Wunsch erfüllt war, sehr freundliche. Als Freiherr v. Ketteler sein fünfundzwanzigjähriges Bischofsjubiläum feierte, überbrachte am 23. Juli 1875 eine Abordnung der Darmstädter Schwestern die herzlichsten Glückwünsche ihrer Genossenschaft 326). Einen Monat später gab der Bischof der Leitung des Mutterhauses einige Verhaltungsmaßregeln für die schwierige Zeit des in Hessen ausgebrochenen, wenn auch milder als in Preußen geführten Kulturkampfes. Er ratet dringend, die von der Regierung getroffenen Anordnungen zu erfüllen, wonach für jede Person in einem Schwesternhause auf hessischem Gebiete zuerst durch die Vorsteherin die Genehmigung dazu beim Kreisamte einzuholen sei und die Versetzung erst nach Eintreffen der Erlaubnis stattfinden dürfe. Wenn auch diese Anfrage höchst lästig sei, so müsse man sich doch daran halten, "da hiervon unzweifelhaft der Fortbestand Ihrer Genossenschaft in meiner Diözese abhängt. Wie mir scheint, ist es gut, in diesem Augenblicke in der Nachgiebigkeit so weit zu gehen, wie es möglich ist, ohne Glaubensprinzipien zu verletzen, damit wir uns die Ordenshäuser für bessere Zeiten erhalten" 327). Dank der gewissenhaften Befolgung dieses Rates sind die Kongregationshäuser in Hessen während der schwierigen Jahre 328) in ihrer Entwicklung nicht gehindert worden. Am 25. Januar 1877 wünschte der große Bischof der Generaloberin, "daß die Schritte, um die Genehmigung ihrer Kongregation 329) seitens des Apostolischen Stuhles zu erlangen, mit dem besten Erfolg gekrönt werden. Dadurch würden ihre Mitschwestern gewiß nur in dem Eifer bestärkt werden, welchen dieselben auch in meiner Diözese betätigen, wodurch sie allenthalben die Verehrung und Liebe der katholischen Bevölkerung und selbst Andersgläubiger sich erworben haben". Der deutsch-französische Krieg gab auch den Darmstädter Schwestern reiche Gelegenheit zur Betätigung der christlichen Nächstenliebe an den kranken und verwundeten Kriegern auf den Schlachtfeldern und in den Lazaretten. Nach dem Kriege nahm das Schwesternhaus ständig an Ausdehnung und Bedeutung zu. Als man am 14. September 1884 die Feier des fünfundzwanzigjährigen Bestehens der Anstalt festlich beging, konnte der Pfarrer und Dekan Beyer, der sich um die Fortentwicklung des Hauses hoch verdient machte, in seiner Festpredigt mit Recht sagen: "Wenn wir indessen bedenken, daß bei Gründung dieser Anstalt nicht die geringsten Mittel vorhanden waren, wenn wir dann sehen, welche Entfaltung und Ausdehnung das bescheidene Werk genommen, wie dieses Senfkörnlein zu einem stattlichen Baume herangewachsen ist: dann werden wir uns nicht verhehlen können und dürfen, daß das ganze Unternehmen von Gottes Schutz und Segen während der verflossenen 25 Jahre begleitet war! Und wir werden nicht anstehen, dankerfüllten Herzens auszurufen: Vom Herrn ist das geschehen." 330) Im Jahre 1872 wurde auf dem von der Stadtverwaltung ersteigerten Baugrund an der Niederramstädterstraße ein Pensionshaus für alleinstehende Damen erbaut. Allein die räumliche Zerstreuung der verschiedenen im Laufe der Zeit errichteten Gebäulichkeiten machte sich immer mehr fühlbar. Daher beschloß man, im Anschluß an das 1861 erbaute Haus einen geräumigen Neubau mit größerer Kapelle zu errichten, der nach den Plänen des Mainzer Architekten Lukas von dem Bauunternehmer Ludwig Riedlinger aus Darmstadt fertiggestellt wurde. Am 10. August 1887 legte Pfarrer Beyer den Grundstein, am 24. Oktober des folgenden Jahres konnte bereits die Einweihung 176 des Hauses und die feierliche Konsekration der Kapelle durch den Diözesanbischof Dr. Paulus Leopold Haffner in Gegenwart einer zahlreichen Volksmenge erfolgen. Die ergreifende Festpredigt hielt Domdekan Dr. Heinrich aus Mainz. Unter den Ehrengästen war Prinz Alexander von Battenberg, der ehemalige Fürst von Bulgarien, zu bemerken, der aus Dankbarkeit dafür, daß die Darmstädter Schwestern im bulgarisch-serbischen Kriege in Sofia die Verwundeten seines Heeres gepflegt und ihm selber in schwerer Krankheit beigestanden hatten, das gemalte Fenster hinter dem Hochaltar gestiftet hatte. Verschiedene andere Wohltäter hatten sich in die Kosten der Ausstattung der neuen Kapelle geteilt; der prächtige Hochaltar wurde von dem Möbelfabrikanten Julius Glückert geschenkt 331). In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre wurden zum Besten des Schwesternhauses und seiner immer größere Anforderungen stellenden wohltätigen Institute die sogenannten Schwesternkonzerte eingeführt, welche alljährlich im städtischen Saalbau von Mitgliedern des Großherzoglichen Hoftheaters unentgeltlich veranstaltet wurden; um ihr Zustandekommen und ihren erfolgreichen Verlauf machten sich neben dem Großherzoglichen Hofkapellmeister Hofrat Willem de Haan der Schloßinspektor Breidenbach und der Rentner Ludwig Litzendorff besonders verdient. Nach Vollendung des Neubaus wurden die verschiedenen mit dem Schwesternhaus verbundenen Wohltätigkeitseinrichtungen um zwei neue vermehrt: um eine H a u s h a l t u n g s s c h u l e und eine K i n d e r b e w a h r a n s t a l t . Im Jahre 1902 wurde das Pensionshaus erweitert durch einen Anbau; dessen großer Saal dient den sonntäglichen Versammlungen des 1901 gegründeten katholischen Mädchenvereins. Dieser untersteht mit dem damit verbundenen Mädchenheim finanziell dem Mädchenschutzverein, dessen Präsi- dentin Freifrau Elisabeth v. Biegeleben 332) sich um den Neubau viele Verdienste erwarb. Noch eines glänzenden Festes müssen wir in der Geschichte des Darmstädter Schwesternhauses gedenken. Am 14. November 1909 wurde im großen Saale die Feier des goldenen Jubiläums der Niederlassung begangen. Es war ein erhebender Festakt, eingeleitet durch einen schwungvollen, von Rektor Peters gedichteten Prolog und verherrlicht durch den katholischen Kirchengesangverein. Kaplan Kastell hielt die Festrede. Besonderen Eindruck machten die herzlichen Gratulationsworte, welche im Namen des Großherzogs und der Großherzoglichen Regierung der Minister des Innern, Exzellenz Brau, sprach: "Die Niederlassung der Barmherzigen Schwester in Darmstadt war die Aufrichtung eines Altars gleich demutsvoller wie glaubensstarker Frömmigkeit, über dem seit 50 Jahren das Licht werktätiger Nächstenliebe leuchtet. Des Lichtes Strahlen erhellten die Pfade der Hunderte von Schwestern, die an dieser Stätte tätig waren oder von hier hinauszogen als Dienerinnen des Friedens, als Lehrerinnen und Beraterinnen weiblicher Jugend, als Helferinnen unserer Ärzte, als Trösterinnen der Mühseligen und Beladenen in den Stunden des Leidens und der Krankheit bis zum letzten Gange. Unzählbaren wohl ist die stille Arbeit der Schwestern zugute gekommen in Schloß und Hütte; keinen Unterschied kannten sie des Alters, Standes oder Bekenntnisses. Eben darum kommen heute die Grüße herzlicher Teilnahme an dem Ehrentage der Niederlassung von allen Seiten, und freudig und bewegt finden wir uns alle, gleichviel welcher Konfession, zusammen auf einem Gebiete, auf dem es nur Einendes, nicht Trennendes gibt." Im Auftrag des Großherzogs überreichte er der trefflichen Oberin, Schwester Sidonia, welche während der letzten 25 Jahre mit großem Geschick und Erfolg als Oberin die Anstalt leitete, die goldene Verdienstmedaille des Ludwigsordens. Nach ihm feierte Bürgermeister Dr. Glässing die Verdienste der Schwestern um die Bevölkerung der Stadt Darmstadt, in deren Auftrag er einen namhaften Beitrag für den Unterstützungsfonds der Schwestern übergab 333). Für die Ärzteschaft sprach Sanitätsrat Dr. Habicht, für den Verwaltungsrat Rentner Litzendorff. Nachdem noch Kaplan Kastell ein Handschreiben des Herrn Bischofs von Mainz, Dr. 177 Kirstein, der von Anfang seiner Regierung an den Niederbronner Schwestern besonderes Wohlwollen entgegenbrachte, verlesen hatte, richtete Domkapitular und Stadtpfarrer Dr. Elz 334), wie seine Vorgänger Lüft und Beyer ein weiser und tatkräftiger Förderer des Werkes, Worte des Dankes an die zahlreich erschienenen, allen Ständen angehörenden Festteilnehmer. Zur Zeit besorgen die Darmstädter Schwestern, deren Zahl auf 25 gestiegen ist, folgende Werke: Ambulante Krankenpflege, Haushaltungsschule (50 Schülerinnen), Näh- und Strickschule, Kleinkinderschule, Krippe (30 Kinder), Damenpensionat (36 Pensionärinnen), Dienstbotenheim, Waisenpflege. Darmstadt (Lagerhausstraße 24). 1895 bezogen drei Schwestern die Frauenklinik des Dr. Blumenthal, die 1901 an Dr. Machenauer überging und 1906 erweitert wurde. 1920: 6 Schwestern. Darmstadt (Bessungstraße 115). 1904 gründete Herr Pfarrkurat Gallei eine Kleinkinderschule, die von einer Schwester des Darmstädter Schwesternhauses geleitet wurde. September 1906 Gründung einer Krankenpflegestation. Die Schwestern erhielten eigene Wohnung. Zu ihrem Unterhalt wird von einem Damenkuratorium eine Sammlung veranstaltet. Die Kinderschule erhält einen städtischen Zuschuß. Seit 1918 Kinderkrippe und Fürsorgekinder. 7 Schwestern. Darmstadt (Schloßgartenplatz 3). Kinderschule, 1910 durch Pfarrer Fink von St. Elisabeth gegründet; 1911 wurde ein Kinderhort eröffnet auf Anregung der Freifrau Elisabeth v. Biegeleben. In diesem Jahr wurde auch eine Station für ambulante Krankenpflege begonnen. 5 Schwestern. Bensheim (Hospital). Am 19. September 1867 trafen, von der Spitalverwaltung begehrt, fünf Niederbronner Schwestern ein, um die scheidenden Straßburger Vinzentinerinnen zu ersetzen, mit Schwester Jovita als Oberin, die bis 1915 treu ihres Amtes waltete. 1869 Neubau eines Südflügels. 1870 war das Haus Lazarett. Im Juli 1872 weihte Bischof Ketteler die renovierte Spitalkirche ein. Eine 1881 infolge der Konversion einer evangelischen Dame gegen das Spital inszenierte konfessionelle Hetze verlief wirkungslos (siehe darüber die interessante Broschüre "Aktenstücke zur Beleuchtung und Erwiederung der gegen das Hospital zu Bensheim durch den evangelischen Kirchenvorstand daselbst erhobenen Beschuldigungen". Bensheim 1881). 1869 war eine Arbeitsschule gegründet worden, die 1887 in das dem "Sickingerschen Fonds" gehörige Haus neben dem Spital verlegt wurde. Am 16. Juli 1906 Eröffnung der von Pfarrer Möller gegründeten Kinderkrippe (später auch Kinderasyl), seit 1910 selbständiges Haus (2 Schwestern). Im Spital 16 Schwestern. Bodenheim. Krankenpflegestation, gegründet 6. Januar 1885. Fräulein v. Heuß stellte den Schwestern die Wohnung und vermachte nach ihrem Tod ihr Anwesen der Kirche als Schwesternheim. 1895 Eröffnung einer Kleinkinderschule, 1911 einer Nähschule. 5 Schwestern. Dieburg (St. Rochusanstalt). 1867 Gründung einer Krankenpflegestation; die Gemeinde stellte Wohnung und bestritt Heizung und Unterhalt. 1884 gründete P. Bonifatius Söngen Ord. Cap. den St. Rochusverein zwecks Einrichtung eines Krankenund Schwesternhauses. Er erwarb auf den Namen der bischöflichen Mensa das Anwesen der Familie v. Kraatz, das 1885 bezogen wurde (30 Betten). Auch arme Kinder wurden aufgenommen; für sie wurde 1893 das Waisenhaus erbaut, das 1894 schon 60 Kinder zählte. Unter Herrn Dekan Ebersmann wurde das Spital im Jahre 1910 erweitert. Die Anstalt untersteht einem Verwaltungsrat von 9 Mitgliedern. 1920: 13 Schwestern. Dieburg (Schloß). Seit 10. September 1920 zwei Schwestern für Haushalt und Pflege der kranken Baronessen v. Fechenbach. 178 Eberstadt. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet durch Herrn Pfarrer Daus 20. März 1914. Das neuerbaute St. Josephshaus (Eigentum des Kirchenfonds) wurde 26. April 1914 eingeweiht. Die Gemeinde steuerte zum Unterhalt der Schwestern bei. Seit April 1920 Arbeitsschule. 4 Schwestern. Friedberg. Krankenpflegestation, gegründet 31. März 1913, ermöglicht durch die hochherzige Stiftung des 1903 ermordeten Herrn Pfarrers Thöbes und gegründet durch Herrn Pfarrer Praxmarer. Die Schwestern konnten gleich in ein prächtiges Heim (Weiherstraße Nr. 30) einziehen. Für den Unterhalt sorgt ein Schwesternkuratorium. 3 Schwestern. Gießen. Krankenpflegestation, gegründet 7. Dezember 1882 durch Herrn Pfarrer Rady. Freiherr v. Jungenfeld gründete einen Krankenverein zum Unterhalt der zwei Schwestern, die zuerst in Miete wohnten und 1886 ein für sie erbautes Heim am Riegelpfad bezogen (jetzt vier Schwestern). 1899 wurde vom Kirchenfonds das alte Pfarrhaus überlassen, das 1906/08 und 1913/15 durch Anbauten vergrößert wurde, weil seit 1899 ein Universitätsprofessor eine Klinik im Schwesternhaus untergebracht hatte, die sich steigenden Zuspruchs erfreut. Der Kirchenfonds hat die von ihm erstellten Räume den Schwestern vermietet. 1912 wurde in der zu Vereinslokal und Kinderschule umgebauten alten Kirche eine Kinderschule eröffnet. 24 Schwestern. Großsteinheim (Kreiskrankenhaus). Am 9. September 1889 kamen, von Kreisrat Haas berufen, drei Schwestern für das neuerbaute Kreiskrankenhaus, das sie am 20. Januar 1890 bezogen; bis dahin wohnten sie bei Bürgermeister Spielman. 1906 ließ die Verwaltung die Hauskapelle einrichten. 6 Schwestern. Hainstadt. Krankenpflegestation und Arbeitsschule, gegründet 21. März 1898 durch Herrn Pfarrer Helferich-Kleinkrotzenburg. 1901 wurde in dem neuen, der Gemeinde gehörigen Schwesternhaus eine Kinderschule eingerichtet. Seit 1911 leiten die Schwestern auch eine Kochschule, seit 1920 Volksstrick- und Industrieschule. 4 Schwestern. Heppenheim (Spital). Zuerst Krankenpflegestation, gegründet 10. August 1861 durch Herrn Dekan Krämer. Die Schwestern nahmen auch Kranke auf, später Waisenkinder. Die Wohnung (das Schulhaus in der Marktstraße) war zu eng, daher erbaute die Gemeinde 1880 das Krankenhaus am Laudenbachertor, das für 36 Kranke, 15 Pfründner und 20 Kinder Raum bot und später noch vergrößert wurde. 1897 Kinderschule, 1898 Nähschule eingerichtet. 1911 Einrichtung einer Kapelle. 9 Schwestern. Heppenheim (Marienhaus). Um das Spital zu entlasten, wurde durch Herrn Dekan Mischler das Marienhaus eingerichtet und am 29. Juni 1909 bezogen. Die Schwestern zahlen der katholischen Kirchengemeinde die Zinsen der Bauschuld. Das Haus enthält die Kinder- und Nähschule und Räume für Pensionärinnen und ist Station für ambulante Krankenpflege. 8 Schwestern. Hochheim. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 1. November 1920 von Kommerzienrat Reinhardt und der Gemeinde. 2 Schwestern. Horchheim. Krankenpflegestation, gegründet 15. September 1886 durch Herrn Pfarrer Kumpf; Neujahr 1887 Kinderschule eröffnet. 1901 Neubau eines Schwesternhauses, das der Gemeinde von dem Wohltätigkeitskomitee überlassen wurde. 1911 Gründung einer Arbeitsschule. Ein Frauenverein sorgt für Unterhalt der Schwestern, deren Zahl 1920 6 betrug. Kleinauheim. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 1905 durch Herrn Pfarrer Michel. 1906 Arbeitsschule, seit 1912 Kochschule. Das Schwesternhaus gehört dem Kirchenfonds. 5 Schwestern. 179 Kleinkrotzenburg. Krankenpflegestation, gegründet im Dezember 1891 durch Herrn Pfarrer Helferich; 1892 Eröffnung der Kinderschule. Am 1. Mai 1894 bezogen die Schwestern ein neues Schwesternheim. Der St. Josephskrankenverein steuert zum Unterhalt bei. 4 Schwestern. Oppenheim. Krankenpflegestation, gegründet 16. September 1885 durch Herrn Pfarrer Hermann. Die Schwestern besitzen seit 1917 in der Rathofstraße (Nr. 10) ein eigenes Schwesternheim; sie pflegen auch die Kranken in den Filialen Dirheim und Daxheim. Ein Schwesternkuratorium sorgt für den Unterhalt. 5 Schwestern. Seligenstadt (Jakobstraße, Waisenhaus). Krankenpflegestation, gegründet 15. April 1867 durch Herrn Benefiziat Menzel. 1869 konnte ein eigenes Haus bezogen werden, worin Kinder- und Arbeitsschule Unterkunft fanden. 1898 mußte ein Neubau erstellt werden, dessen Kostenlast ganz auf den Schultern der tapferen Oberin Romana (seit 1870, gest. 1912) lag. Diese hatte seit 1870 auch Waisenkinder aufgenommen. Der jetzige Bau, 1917 durch einen Brand schwer geschädigt, genügt auch nicht mehr der gesteigerten Zahl der Kinder und Schwestern. Seit 1909 leiten die Schwestern eine Koch- und Haushaltungsschule. 11 Schwestern. Seligenstadt (Kreiskrankenhaus). Seit 2. Januar 1896 leiten die Schwestern (anfangs zwei, jetzt acht) das von Kreisrat Haas-Offenbach gegründete Kreiskrankenhaus (50 Betten). Viernheim. Krankenpflegestation, gegründet 16. August 1882 durch Herrn Pfarrer Euler, der aus eigenen Mitteln ein Schwesternhaus eingerichtet und 1884 mit Kapelle versehen hat (gest. 1885). Sein Nachfolger Molitor (gest. 1904) erbaute 1900 ein Krankenhaus, zu dem er selbst den Bauplatz schenkte. Ein Teil des alten Hauses wurde für Waisenkinder eingerichtet (ca. 15 - 20). Im Isolierbau des Krankenhauses finden seit 1907 Tuberkulöse Aufnahme. Pfarrer Wolf ließ 1909 die Kapelle vergrößern. 12 Schwestern. Worms (Martinsstift). Im Dezember 1869 kamen, von Stadtparrer Reuß berufen, zwei Schwestern für ambulante Krankenpflege; sie wohnten zuerst am Obermarkt, dann in einem Haus im Kreuzgang des Martinsstifts. Nach mühseligen Anfängen sorgte Frau Geheimrat Dörr durch Gründung eines Krankenvereins für den Unterhalt der Schwestern; sie mietete auf ihre eigenen Kosten von der Kirchenverwaltung St. Martin das heute bewohnte Haus. Nach ihrem Tod (1904) setzte ihr Sohn, Kommerzienrat Dörr, das gute Werk fort. Stadtpfarrer Wiedemann (1890 - 1914) brachte sodann die Niederlassung zu hoher Blüte. Er ließ, um eine Kinderbewahranstalt, Arbeitsschule und Arbeitsasyl zu schaffen, den seit 1687 verschütteten Kreuzgang umbauen und nach und nach durch den Bau und Erwerb neuer Räumlichkeiten ein geräumiges Krankenhaus erstehen (Augen- und Ohrenklinik, Frauenklinik). 1899 wirkten bereits 20 Schwestern im Stift. Unterstützt wurde Pfarrer Wiedemann durch die treffliche Oberin Schwester Cäciliana (1885 - 1913). Am 30. November 1919 feierte das Stift sein fünfzigjähriges Jubiläum (vgl. die Broschüre: Das goldene Jubiläum der Barmherzigen Schwestern im Martinsstift zu Worms, Sonderabdruck aus den "Wormser Nachrichten" 1919). Das Stift umfaßt heute folgende sozialkaritativen Werke: Ambulante Krankenpflege, Ohren- und Nasenklinik, Augenklinik (24 Betten), Frauenklinik (12 Betten), Haushaltungsschule für Interne (12 Betten), Näh- und Strickschule, Kleinkinderschule, Pensionat für alleinstehende Damen (30 Betten), Dienstbotenheim, Arbeiterinnenheim (12 Betten und Mittagstisch für 80 Personen), Kongregationsversammlungen, Paramentenverein, Besorgung der Kirchenwäsche für St. Martin. 22 Schwestern. Worms-Neuhausen. Kinderschule, 5. Juni 1905 durch Bemühung des Herrn Pfarrers Ihm von der Liebfrauenkirche in Worms eröffnet im Hause der Frau E. Fensel, 180 die im Herbst 1905 einen eigenen Schulbau errichtete. Am 10. August 1907 erhielt die Anstalt eine eigene Oberin. Drei Schwestern wirken in ambulanter Krankenpflege, Kinder- und Arbeitsschule. Worms (Säuglingsheim, Südanlage 3). Stiftung von Frau Geheimrat Dörr; das mit 35 Betten ausgestattete, in prächtigem Neubau (300.000 Mark) untergebrachte Säuglingsheim wurde am 1. Dezember 1918, eine Kinderschule im Frühling 1919 eröffnet. 6 Schwestern. C. Rheinpfalz. Diözese Speyer. Bischof Nikolaus Weis von Speyer (1842 - 1869), der vertraute Freund des Straßburger Bischofs, hat von Anfang an das Gedeihen der Niederbronner Genossenschaft mit besonderem Interesse verfolgt. Ihr schnelles Wachstum hatte in manchen Kreisen der Pfalz den Wunsch erregt, ein ähnliches Mutterhaus in der Speyerer Diözese zu begründen. Da das Unternehmen nicht zustande kam, ließen sich viele gottbegeisterte junge Pfälzerinnen in Niederbronn aufnehmen. Als Bischof Nikolaus im September 1852 bei seinem Freunde Räß weilte und ihn auf seinen Firmungsreisen begleitete, besprach er mit diesem die Gründung einer Niederbronner Filiale in seinem Bistum 335). Schon am 9. November desselben Jahres traf Schwester M. Alphons mit drei ihrer Töchter in Speyer ein und führte sie in die kleine, innerhalb der Ringmauern des St. Magdalenenklosters gelegene Wohnung. Am selben Abend kam auch Bischof Räß über Karlsruhe nach Speyer, um seine angelegentliche Teilnahme an der neuen Gründung zu bekunden; es war die erste Tochter Niederbronns auf deutschem Boden. Der Vinzenzverein hatte bei der Berufung der Schwestern sich verpflichtet, ihnen Mietzins, Brennholz, Brot und einen monatlichen Beitrag von 15 Gulden zu liefern, für alles übrige sollten sie selbst aufkommen. Für die erste Einrichtung der Wohnung war eine Sammlung bei den Katholiken der Stadt veranstaltet worden. Der Vinzenzverein, der der staatlichen Behörde gegenüber als Dienstherr der Schwestern auftrat, zeigte dieser unter Vorweisung der nötigen Zeugnisse ihr Verweilen in der Stadt an und wurde in der nächsten Zeit in keiner Weise wegen der Berufung der Schwestern belästigt. Diese übernahmen fortan die Pflege und Überwachung der katholischen Armen und Kranken, mit denen sich bisher der Vinzenzverein und der mit ihm in Verbindung stehende Elisabethenverein abgegeben hatten. Im Jahre 1854 übertrug die Stadtverwaltung den Schwestern auch die Suppenanstalt für die armen katholischen Kinder der Stadt. Unter der tüchtigen Leitung der Schwester Justine, die als erste Oberin ihr namentlich im Anfang mühevolles Amt zehn Jahre lang treu und eifrig verwaltete, entfalteten die Schwestern eine von Katholiken und Protestanten in gleicher Weise gewürdigte segensreiche Tätigkeit auf dem Gebiete der Armen- und Krankenpflege. So kam es, daß noch andere Pfarreien das lebhafte Verlangen nach der Einführung Niederbronner Schwestern hegten. Dem eifrigen Pfarrer Dr. Nardini von P i r m a s e n s gelang es, in seiner Pfarrei am 9. Juni 1853 eine Niederlassung zu erhalten 336). Auch in F r a n k e n t h a l und D a h n suchte man unsere Schwestern für die Armen- und Krankenpflege zu gewinnen, doch führten die Unterhandlungen hier zu keinem Ergebnis. Glücklicher war die Gemeinde H a m b a c h , für welche der St. Johannisverein im Juli 1854 drei Niederbronner Schwestern gewann. Derselbe Verein zu L a n d s t u h l berief durch den trefflichen Stadtpfarrer Matthias Weber Anfang Dezember 1854 ebenfalls einige Niederbronner Schwestern. Auch die Gemeinde 181 R ü l z h e i m , die sich zur Erlangung von Krankenschwestern vergebens an die Mutterhäuser der Barmherzigen Schwestern in München und Freiburg gewandt hatte, begehrte jetzt zu Niederbronn die Erfüllung ihrer Wünsche. Gerne sagte man hier Gewährung zu, und es war bereits festgesetzt, daß die Schwestern am 15. Juni 1855 ihren Einzug in die Pfarrei Rülzheim halten sollten. Da traf am 15. Dezember 1854 bei der Verwaltung des Rülzheimer Armenhauses eine Ministerialverfügung aus München ein, die kurz und bündig, ohne nähere Begründung, verkündete, d a ß d i e B e r u f u n g d e r O r d e n s t ö c h t e r d e s Allerheiligsten Erlösers aus Niederbronn bei Straßburg zur Übernahme der Krankenpflege in Anstalten und Gemeinden der P f a l z n i c h t g e n e h m i g t w e r d e n k ö n n e , und daß hiernach die kgl. Regierung daselbst das weiter Geeignete zu verfügen habe 337). Diese Verfügung wurde gleichzeitig den Landkommissariaten zu Homburg, Neustadt und Pirmasens wegen der Niederbronner Filialen zu Landstuhl, Hambach und Pirmasens zugeschickt. Dem Wortlaute nach galt sie nur der Anstellung von Schwestern in Gemeinden und öffentlichen Anstalten, nicht aber für alle jene Fälle, wo die Schwestern von Privaten und Privatvereinen in den Dienst der Wohltätigkeit gestellt waren. Die pfälzische Regierung aber, dehnte die Ministerialentschließung auch auf diese Fälle aus und verbot den Schwestern den Aufenthalt in der Pfalz überhaupt. Am 28. Dezember wurde der Stadtpfarrer von Pirmasens durch den Landkommissar Beer benachrichtigt, daß im Sinne der Münchner Verfügung "die in allen Zweigen der Armenpflege seither verwendeten vier Schwestern ihre bisherige Amtstätigkeit einzustellen und in ihr Mutterhaus oder in ihre Heimat zurückzukehren haben". Noch rücksichtsloser ging der Landkommissar zu Homburg vor, welcher anordnete, daß die Schwestern zu Landstuhl innerhalb drei Tagen das Land zu verlassen hätten; die kräftige Einsprache des dortigen St. Johannisvereins hatte zur Folge, daß die Ausweisungsfrist auf acht Tage verlängert wurde, doch müßten die Schwestern sofort ihre Tätigkeit einstellen. Anerkennung verdient die Haltung des Neustadter Landkommissars Kurz, der erst am 7. Januar 1855 dem Bürgermeister und Pfarrer zu Hambach eröffnete, daß die dortigen Schwestern innerhalb drei Wochen die Gemeinde zu verlassen hätten. Diese überraschend kommenden Maßnahmen erregten begreiflicherweise in den katholischen Bevölkerungskreisen der Pfalz peinliches Aufsehen und berechtigten Unwillen, um so mehr, als die Notlage der Gegenden, welche von der Maßnahme des Ministeriums betroffen waren, groß war. Die herrschende Volksstimmung gibt sich deutlich genug kund in einem Schreiben aus der Westpfalz, welches die "Deutsche Volkshalle" am 19. Januar 1855 veröffentlichte: "Was wird mit unsern armen Niederbronner Schwestern? Wenn die "Volkshalle" unmittelbare Verbindung nach Bayern hat, so möchten wir sie gebeten haben, doch drüben zu sagen, daß wir armes, nacktes katholisches Volk nur um eine Gnade bitten, die Schwestern vom Allerheiligsten Heilande auf unsere Kosten halten zu dürfen. Wir wissen es ja, der Staat, und wenn er barmherzig wäre wie unser Herrgott, er kann uns nicht mehr helfen, und er tut's auch nicht. Wenn nicht Hungersnot und Pest hereinbrechen sollen, müssen wir selbst dazu tun. Wir verlangen also keine Staatsgenehmigung für fremde Orden; wir verlangen keine besonderen Rechte für katholische Klostergesellschaften; wir sind abgesagte Feinde des polizeilichen Gängelbandes; wir wollen selbst gehen lernen, wenn wir auch noch so oft stolpern. Also nur um eine Gnade bitten wir demütig: Man lasse uns Werke der katholischen Barmherzigkeit durch die Glieder eines religiösen Privatvereins ausüben, welcher, wenn auch über der Grenze drüben gegründet, doch jedenfalls nicht fremder ist als die schleswigholsteinischen lutherischen Geistlichen, welche man in der Pfalz angestellt hat. Gewiß, die Katholiken haben seit 50 Jahren schon viele bescheidene Bitten um 182 Gewährung ihres guten Rechts in Deutschland gestellt. Aber bescheidener als diese Bitte des verhungernden Westrichs ist doch noch keine gewesen 338). Sie fürchten vielleicht, daß ich übertreibe, wenn ich vom verhungernden Westrich schreibe; aber gegen Tatsachen helfen alle Staatstabellen nichts. Es ist erwiesen, daß die Hauptnahrung einer Masse der Westricher Bevölkerung im vorigen Winter der Abfall der Kartoffelschalen in den Rumfabriken war, welche dieses teure Nahrungsmittel zu industriellen Zwecken verarbeiten. Anderswo bereiten sich die armen Leute Klöße aus Kleie und Rüben. Vor einigen Wochen ging ich im Schneegestöber über Feld. Eine ausgemergelte Gestalt in zerlumptem Anzuge begegnete mir und bat um ein Almosen. Es war ein junger Mann von etwa 30 Jahren, den offenbar der Mangel so heruntergebracht hatte. Ich frug ihn aus über seine Familie und seine Arbeit. 'Ich habe Besen gebunden, Herr', war die Antwort, 'und drüben im Dorfe verkauft. Acht Kreuzer (etwa zwei Groschen) habe ich erlöst. Ich gehe jetzt noch nüchtern nach Hause und nehme für mein Weib und mein krankes Kind beim Krämer ein halbes Pfund Kartoffelmehl mit. Es ist eigentlich nicht für die Menschen, sondern für das Vieh; aber wir haben heute nichts anderes zu essen als dies.' Sie sehen, ich darf es wiederholen, unser verhungernder Westrich braucht Barmherzigkeit. Wer wird so herzlos sein, ihm die Barmherzigen Schwestern zu entziehen?" Die Pfarrer der von der Maßregelung betroffenen Gemeinden riefen unverzüglich den Beistand und die Hilfe ihres Bischofs an. Dieser griff denn auch sofort tatkräftig ein. Schon am 2. Januar 1855 richtete er an den König selbst ein eindringliches Schreiben, das von der Voraussetzung ausging, die pfälzischen Regierungsorgane hätten den Erlaß vom 15. Dezember des verflossenen Jahres irrig ausgelegt. Der Bischof meinte: "Wenn die kgl. Staatsregierung auch Gründe haben mag, den Gemeinden und öffentlichen Anstalten der Pfalz die Wohltat des allgemein anerkannten, bewunderungswürdigen Wirkens der Töchter des Allerheiligsten Erlösers zu versagen, so dürfe doch wohl der fragliche allerhöchste Erlaß nicht so gedeutet werden, als sollte damit der Privatwohltätigkeit, wie sie sich in den St. Johannis-, St. Vinzentius- und St. Elisabethenvereinen auch im Bistum Speyer entfaltet, eine Schranke gesetzt werden, wodurch diese Privatvereine in einer Art beeinträchtigt würden, welche sonst andere Privatvereine und Gesellschaften nicht unterliegen. Denn so wie nach den bestehenden Gesetzen in der Pfalz jeder Untertan sich des Rechts erfreut, für sein Geschäft, sein Unternehmen, sein Handwerk sich jeglicher und aller Hilfsarbeiter zu bedienen, welche er für tauglich erachtet, insofern dieselben sich nur dem allgemeinen Polizeigesetze gemäß ausweisen und betragen, so dürfen doch auch wohl die christlichen Privatvereine, deren einziger Zweck ist, den Pflichten der Barmherzigkeit nachzukommen, das Recht in Anspruch nehmen, für die tagtäglich wachsenden Bedürfnisse der Kranken- und Armenpflege sich solcher Kräfte zu bedienen, welche, wie die Erfahrung seit Jahren gelehrt hat, und jetzt selbst die Hospitäler des orientalischen Kriegsschauplatzes lehren, vor allem, wenn nicht allein, tauglich sind, die Werke der Barmherzigkeit nach dem vollen Inhalte der christlichen Liebe zu erfüllen. Solche Kräfte bietet die Genossenschaft der Töchter des Allerheiligsten Erlösers zu Niederbronn zur Zeit für das Bistum allein dar, wie es sich namentlich in Rülzheim erwiesen hat. Der gesegnete Erfolg ihrer Berufung nach Speyer, Pirmasens, Landstuhl, Hambach hat auch bereits gezeigt, daß diese Wahl, wie sie eben eine notwendige war, auch eine glückliche gewesen, wie aus einzuholenden Berichten sich leicht und unzweifelhaft ergeben dürfte." Der Bischof schließt sein bewegliches Schreiben mit den Worten: "Die Besorgnis, es vor Gott nicht verantworten zu können, wenn ich in solcher Zeit des Elends und des Jammers nicht für diejenigen Mittel verteidigend einträte, welche wenigstens in meinem Bistum als die hervorragenden erscheinen, dem Übel zu steuern, das hat mich gedrängt, Ew. Kgl. 183 Majestät mit der Bitte zu nahen, die Töchter des Allerheiligsten Erlösers nach wie vor im Dienste von Privatvereinen wirken zu lassen." Noch an demselben Tage verständigte der Bischof den pfälzischen Regierungspräsidenten, Herrn v. Hohe, von diesen am Hofe erhobenen Vorstellungen mit der Bemerkung, "daß wenn irgendeine polizeiliche Maßregel gegen die Töchter des Allerheiligsten Erlösers platzgreifend gewesen, durch ein Benehmen mit der oberhirtlichen Stelle, mit deren Zustimmung die Schwestern aus dem Mutterhause in das Bistum entsendet wurden und unter deren Aufsicht sie bisher gewirkt haben, jede, auch die strengste Maßnahme in gemildeter Weise zur Ausführung hätte kommen können und dabei alle Mißverständnisse wären vermieden worden". Zugleich ersucht der Bischof, "jedes weitere Vorschreiten der äußeren Behörde auf dem bezeichneten Wege, zur Verhütung fernerer Verwicklungen, bis zur allerhöchsten Entscheidung einzustellen". Auch im übrigen katholischen Deutschland rief die Maßnahme der pfälzischen Regierung großes Aufsehen hervor. Schon am 2. Januar hatte der päpstliche Nuntius zu München, Monsignore de Lucca, den Speyerer Oberhirten über die Angelegenheit befragt 339); Bischof Nikolaus bat auch ihn dringend, in der Sache seinen ganzen Einfluß geltend zu machen. Acht Tage später richtete Graf Arco-Balley, einer der trefflichsten Reichsräte von München, an den Bischof ein teilnahmsvolles Schreiben, in welchem er seine Dienste anbot. Bischof Nikolaus nahm diese freudig an. In dem Antwortschreiben vom 12. Januar 1855 faßt er den peinlichen Zwischenfall auch von einem allgemeinen kirchlichen Gesichtspunkte auf: "Da aber in dieser Maßregel, wie mir scheint, eine große Beeinträchtigung der katholischen Kirchenfreiheit und der persönlichen Freiheit liegt, so ist die vorliegende Ministerialentschließung auch ein Übel und ein Ärgernis für die Katholiken in Bayern und für die katholische Kirche und muß jeden betrüben und besorgt machen, der sich nicht gefühl- und kraftlos an die Staatsgewalt unbedingt hingeben will." Durch seinen Sekretär, den Geistlichen Rat Molitor, den bekannten Dichter und Schriftsteller 340), ließ er eine ausführliche Denkschrift ausarbeiten für den Fall, daß Herr Lassaulx in der Zweiten Kammer die Sache berühre. Diese Denkschrift ist für die Geschichte der Niederbronner Kongregation in mannigfacher Beziehung beachtenswert; sie ist zugleich eine geistvolle Apologie derselben 341). Es heißt da: "In dem persönlichen Verkehr mit den Armen und Kranken in den Häusern liegt vor allem das Zeitgemäße, was diese Kongregation auszeichnet. Sie entspricht dadurch einem schreienden Bedürfnisse der Gegenwart, was zum wenigsten dem Vinzenzverein gegenüber nicht nachgewiesen zu werden braucht. Denn auch dieser hat es ja erkannt, daß die persönliche Berührung mit den Armen der Nerv der heutigen Armenpflege sei. Nimmt man noch dazu, daß diese Kongregation, geleitet von einer dazu offenbar providentiell erfahrenen, hochbegabten Oberin, die ganze jugendliche Kraft entwickelt, wie sie in der Geschichte der Kirche so oft neuerstehende Organe des religiösen Lebens geoffenbart haben, so darf es nicht wundernehmen, daß diese Töchter vom Allerheiligsten Heilande überall, wo sie erschienen sind, freudig begrüßt wurden und sich in wenigen Jahren seit 1849 durch das ganze weitausgedehnte Bistum Straßburg verbreiteten, wo sie bereits 1852 20 Häuser gegründet hatten. Zu dieser Verbreitung trägt außer der exemplarischen Disziplin und dem heroischen Eifer, welcher die Mitglieder beseelt, nicht wenig der bescheidene Anspruch bei, den die Schwestern in bezug auf Obdach und Unterhalt an die Gemeinden oder Privaten stellen, bei welchem sie Aufnahme finden. Die Töchter vom Allerheiligsten Heilande begnügen sich mit der dürftigsten Einrichtung und leben ärmer als die Ärmsten unter ihren Pflegebefohlenen und ermöglichen so an vielen Orten den Segen ihres Wirkens, der bei größeren Ansprüchen, die sie ganz wohl erheben 184 könnten, ohne gegen die evangelischen Räte zu verstoßen, vielen armen Gemeinden versagt bliebe." Von dem bisherigen Wirken der Schwestern in der Pfalz sagt Molitor ferner: "Vor einiger Zeit pflegten die Schwestern von Speyer in einer nahen Dorfgemeinde einen Kranken, der an einem furchtbaren Gesichtskrebse litt, so daß kein Krankenwärter mehr aufzutreiben war und die Schwestern selbst genötigt waren, alle 14 Tage zu wechseln, bis der Kranke durch den Tod erlöst wurde. Ebendenselben Mut der christlichen Nächstenliebe zeigten die Töchter vom Allerheiligsten Erlöser zu Pirmasens und zu Hambach, wo der Typhus ausgebrochen war. Das, was sie binnen wenigen Wochen in Landstuhl zuwege brachten, setzte die ganze Bevölkerung in Erstaunen. Denn sie stellten den Straßenbettel ganz ab und brachten die müßiggängerischen Armen zur Arbeit und begannen bereits einen entschiedenen wohltätigen Einfluß auf die Kinder der verkommenen niedern Klassen zu gewinnen. Daß bei solchem Wirken, bei solchem augenfälligen Segen auf allen Werken der Nächstenliebe, wobei sich die Schwestern beteiligten, die Nachricht von ihrer beschlossenen Ausweisung allgemein Erstaunen, Bestürzung, Mißmut und nicht geringe Aufregung hervorgerufen, ist wohl nicht zu verwundern. Die Armen fürchten, ihre Wohltäterinnen zu verlieren; die Reichen erkennen, daß die Schwestern ihnen unersetzbar sind für die Werke der Nächstenliebe, welche sie durch diese bisher ausüben ließen. Die unbefangenen Protestanten begreifen nicht, warum man ein so bescheidenes, nur Demut und Nächstenliebe atmendes Werk stören wolle; die Katholiken fühlen sich tief gekränkt in ihrem kirchlichen Leben, in der freien Bewegung und Entfaltung ihrer religiösen Bedürfnisse. Der Klerus, der im Begriffe stand, allenthalben solche Schwestern in den Gemeinden einzuführen, sieht sich des einzig ausreichenden Mittels beraubt, dem stündlich steigenden Elende zu steuern, während auf der andern Seite mit dem besten Willen von Staats wegen nichts geschehen kann, um dem Pauperismus zu steuern." Wenn das Ministerium die Schwestern ausweise, weil es den Einfluß des "fremden Ordens" fürchte, so sei diese Maßregel gänzlich verfehlt: "Denn gerade sie muß fremde Sympathie rege machen, wenn das arme hungernde Volk und die Wohlhabenden, die gerne helfen wollten, aber nicht selber und nicht allein können, wenn der Klerus, dem der größte Teil der Last der Armut aufgebürdet ist, sieht, daß man die barmherzigen Hände entfernt, in welchen sich die Gaben verdoppelten, durch welche das kleinste Almosen ein gesegnetes wurde." Während man lutherischen, aus Schleswig-Holstein vertriebenen Geistlichen in der Pfalz Unterkommen gewähre, werden katholische Barmherzige Schwestern aus dem Nachbarlande verjagt. Und wer sind diese Schwestern? Einfache elsässer Bauernmädchen, die samt ihrer Oberin keine Silbe französisch sprechen und schon eine große Anzahl Deutsche, zumal aus der Pfalz, in ihre Kongregation aufgenommen haben. Und sie sollen dem bayrischen Staate gefährlich sein? Molitor weist dann darauf hin, daß in den Rheinlanden, in den Diözesen Mainz und Köln, eine Reihe von Orden und Krankenschwestern tätig sind, während die Pfalz leer sei. "Wie aber auch", schließt er seine Ausführungen, "die Entscheidung erfolgen möge in der vorliegenden Sache: eines steht fest und ist seiner Wichtigkeit wegen wohl zu erwägen. Der Konflikt ist seit ungefähr 14 Tagen ausgebrochen, und wir überzeugen uns, da wir Gelegenheit haben, die Stimmung der Pfalz genau kennenzulernen, von Tag zu Tag mehr, was wir anfangs selber nicht geahnt hätten. Nicht die Untertanentreue, nicht der im Jahre 1849 genugsam bewiesene Gehorsam des katholischen Volkes und Klerus, wohl aber das Vertrauen dieses Teiles der Bevölkerung steht auf dem Spiel. Wenn es geopfert wird, fragt es sich, ob es wieder zu gewinnen sein wird." Am 18. Januar setzte der Speyerer Kirchenfürst alle Bischöfe des Königreichs Bayern von der Sachlage und den darüber bereits gepflogenen Verhandlungen in 185 Kenntnis. Er stellte es ihrem Ermessen anheim, "ob und in welcher Weise die angeregte Prinzipienfrage, welche die Bestimmungen des Konkordats in den Artikeln VII und XVII wesentlich berührt und welche für die Entwicklung der Freiheit der Kirche wie für die Lösung der drohend-ernsten Frage des gesellschaftlichen Lebens der Gegenwart von der größten Bedeutung zu sein scheint, im Anschlusse an seine bisherigen Schritte als gemeinschaftliche Angelegenheit aufgenommen und behandelt werden dürfte, wenn seinen desfallsigen Vorstellungen kein Gehör gegeben werde". Herr v. Hohe aber dachte nicht daran, den Erfolg der vom Bischof unternommenen Schritte abzuwarten. Bereits am 13. Januar teilte er diesem mit, daß bis spätestens am 5. Februar die Niederbronner Schwestern die Pfalz verlassen müßten, und daß er die betreffenden Landkommissariate davon verständigt hätte. Er ersuchte sogar den Bischof, "Die Schwestern, die bisher unter der Aufsicht des hochw. Bischofs standen, zum freiwilligen Abzuge gefälligst anweisen zu lassen, damit der Vollzug der Allerhöchsten Entschließung vom 15. vorigen Monats, der sich nicht aufschieben läßt, nicht unnütz erschwert werde". In der Verfügung des Präsidenten an die Landkommissare war bereits alles Nötige zur Ausweisung der Schwestern vorgesehen. Es hieß da: "Man ist sowohl von den Schwestern als auch von den betreffenden Vereinen, deren Existenz an eine die obrigkeitlichen Verfügungen respektierende Haltung geknüpft ist, überzeugt, daß der Abzug der Schwestern nach geschehener Aufforderung durch die Polzeibehörde aus freien Stücken erfolgen und daß der Behörde keinerlei Veranlassung werde gegeben werden, behufs des Vollzuges der höchsten Ministerialverfügung vom 15. vorigen Monats nach Zwangsmitteln greifen zu müssen. Sollte letzteres übrigens dennoch notwendig werden, so ist dabei mit möglichster Vermeidung alles öffentlichen Aufsehens zu verfahren und den Schwestern eine dem kirchlichen Kleide entsprechende anständige Bahandlung angedeihen zu lassen. Ihre Verbringung über die Grenze wird am besten in verschlossenen Wagen und in Begleitung eines Polizeibeamten geschehen können. Diejenigen dieser Ordenstöchter, welche etwa ihre Heimat in der Pfalz haben, sind in ihre pfälzische Heimat zu bringen, und es ist aufzuklären, auf wessen Anregung sie in das Kloster zu Niederbronn getreten sind und warum vor dem Eintritt in dasselbe keine Allerhöchste Genehmigung eingeholt wurde. Zugleich ist den beteiligten Vereinen das Befremden des unterfertigten Regierungspräsidiums darüber auszudrücken, daß sie diese Schwestern ins Land gerufen haben und dieselben ihre Wirksamkeit eröffnen ließen, ohne es nur der Mühe wert zu halten, der kgl. Regierung vorher darüber Anzeige zu erstatten und um die notwendige Erlaubnis dazu zu bitten." 342) Der Bischof weigerte sich natürlich, die Ausweisung der Schwestern zu unterstützen und gab dem Präsidenten zu verstehen, daß die Erregung im katholischen Volksteil noch wachse, wenn man die harten Maßregeln ausführe, ehe die Allerhöchste Entschließung erfolge. Er betont nochmals: "Ich glaube, wenn ich darauf hindeute, nicht befürchten zu müssen, daß gegen mich der Vorwurf erhoben werden könnte, als lege ich der von Gott gesetzten Obrigkeit gegenüber zuviel Gewicht auf die Volksmeinung, indem Bischof, Klerus und katholisches Volk in den jüngsten Zeiten der Verwirrung in vielfacher Weise, selbst auf Gefahr des Lebens hin, bewiesen haben, wie wenig sie dem göttlichen Gebote der Untertanenpflicht gegenüber auf die politische Meinung des Tages zu halten haben! Nichtsdestoweniger verdient aber im gegebenen Falle die Stimmung der katholischen Pfalz billige Berücksichtigung, nicht nur, weil sie sich in der zeitgemäßen Ausübung der christlichen Barmherzigkeit behindert fühlt, sondern auch, weil sie ihre bedauernswürdigen Armen einer Stütze beraubt sieht, welche, wie dies dem verehrlichen Präsidium wohlbekannt ist, unersetzlich sein wird." Mittlerweile forderte das Staatsministerium des Innern die pfälzische Regierung auf, über die Sachlage eingehend Bericht zu erstatten. Die Schritte des Bischofs 186 schienen nicht erfolglos bleiben zu sollen. Der Pfarrer von Hambach, der selbst nach München gereist war, um nötigenfalls die Bemühungen seines Oberhirten zu unterstützen, konnte am 21. Januar diesem melden, "daß sowohl der Minister des Innern als der des Kultus für die Sache sehr günstig gestimmt seien und ihre desfallsigen Erklärungen bereits dem König abgegeben haben, allein ebenso gewiß sei es auch, daß feindselige Einflüsse hinter dem Rücken der Minister sich bei Sr. Majestät dem König Geltung zu verschaffen suchen". Bereits begann die bayrische Presse die pfälzische Polizeimaßregel zu kritisieren. In einem sehr scharf gehaltenen Artikel fragte die "Augsburger Postzeitung": "Welche Gefahr in aller Welt liegt denn hier auf Verzug? Fürchtet man wirklich, daß das Herz des kgl. Pfalzgrafen durch die erneuerten Vorstellungen seiner Untertanen, die Bürgermeister und Pfarrer an der Spitze, könnte weich gemacht werden zu einem Akt, dessen Lohn die getrockneten Tränen des Elendes sind, welches kein Polizeibefehl bannen noch hinwegfegen kann?" 343) An höchster Stelle in München sah man schließlich ein, daß man keinen Grund hätte, "mit den armen Töchtern des Allerheiligsten Erlösers wie mit Landstreicherinnen zu verfahren" 344). Auch hielten es die leitenden Stellen für ratsam, rechtzeitig zu verhindern, daß die Sache, die ohnehin viel unliebsames Aufsehen erregt hatte, in beiden Kammern der Öffentlichkeit zur Diskussion gestellt würde. Darum erfolgte schon am 29. Januar 1855 die Allerhöchste Entschließung: "Daß Se. Majestät der König die Belassung der Töchter des Allerheiligsten Erlösers von Niederbronn bei Straßburg in dem Regierungsbezirk der Pfalz unter dem Vorbehalte deren alsbaldiger Entfernung, sobald Gründe hierzu gegeben sein sollten, huldvollst zu gestatten, hierbei jedoch Allerhöchst kundzugeben geruht, daß die genannten Schwestern ohne vorherige Anfrage nicht hätten aufgenommen werden sollen." Begründet wurde die Belassung damit, "daß viele Ordensschwestern im Dienste der Wohltätigkeitsorgane ohne äußeren, gegliederten Zusammenhang mit dem Mutterhause zu Niederbronn als einzelne Individuen erscheinen und deshalb ausschließlich den fremdenpolizeilichen Vorschriften unterliegen. Sie dürfen sich nicht als Orden oder Kongregation festsetzen und Häuser gründen; sie sind als einfache Dienstleute ohne Anerkennung ihres klösterlichen Charakters zu betrachten". Mit Genugtuung wurde diese kgl. Verfügung vom Volke und der Presse begrüßt. Das "Katholische Kirchen- und Schulblatt für das Elsaß" 345) stellte mit Freuden fest, "daß diesmal die herzlose Beamtenwelt an dem persönlichen Entschlusse des Landesherrn gescheitert ist". Noch in demselben Jahre zogen neue Schwestern in Rülzheim und Herxheim ein. In der Ministerialverfügung vom 29. Januar 1855 war die Wirksamkeit der Schwestern auf die ambulante Krankenpflege beschränkt worden; in ihren eigenen Häusern durften sie keine Krankenpflege betreiben. Diese einschränkende Bestimmung wurde in der Folgezeit nicht streng eingehalten, ohne daß die Regierung etwas dagegen zu erinnern hatte. Im Jahre 1868 gestattete sie sogar den Schwestern eine Kollekte zur Aufführung des Neubaus zum Armenkinderhaus in Speyer. Erst im Jahre 1879 fand es der damalige Regierungspräsident für gut, die Bestimmungen vom 29. Januar 1855 nochmals einzuschärfen 346). Als dann im Jahre 1887 der Neubau in der Engelsgasse aufgeführt wurde, in welchem alleinstehende weibliche Personen und ältere Dienstboten Aufnahme finden konnten, fragte das Bezirksamt Speyer unterm 6. Juni dieses Jahres an, wozu dieser Neubau diene, und wies erneut auf die Verfügung vom 12. März 1879 hin, "laut welcher die Ordensschwestern nur zur ambulanten, nicht aber zur Krankenpflege in ihrer Wohnung verwendet werden dürfen, wie ihnen überhaupt der Aufenthalt in Speyer nur mit dem Verbote einer förmlichen Niederlassung gestattet ist". Darauf erklärte unterm 12. Juni 1887 der Dompfarrer Münch, daß der Vinzenzverein nicht daran denke, ein Krankenhaus zu gründen; die Schwestern sind 187 und bleiben bloß im Dienste des Vinzenzvereins; sie sind und bleiben ambulante Krankenpflegerinnen; an eine Niederlassung wird nicht gedacht. Dieser der Staatsregierung gegenüber unsicheren Lage der Niederbronner Genossenschaft in der Pfalz wurde schließlich ein Ende gemacht. Unterm 9. November 1891 teilte das Bezirksamt dem Domkapitular Schwarz mit, daß nach der Ministerialentschließung vom 4. Oktober 1891 die Verhältnisse der Schwestern geregelt worden seien, und daß die Oberin von Speyer um die Genehmigung einer Niederlassung einkommen solle. Im Januar 1893 ging ein diesbezügliches Gesuch nach München ab. Am 28. Februar 1894 wurde ein Vertrag des Vinzenzvereins mit dem Kongregationshaus in München abgeschlossen. Danach bleiben die Schwestern im Dienste des Vinzenzvereins, der für den Unterhalt derselben sorgt. Die Häuser, Gärten, Mobilien sind Eigentum des Vereins, der sie den Schwestern zur Nutznießung überläßt. Legate und Schenkungen werden vom Kongregationshaus in München übernommen. Diesem Hause unterstehen seit dem Jahre 1892 von der kgl. Staatsregierung mit dem Mutterhaus in Oberbronn geschlossenen Vertrage alle Schwesternhäuser der Pfalz für alle äußeren, den Staat berührenden Angelegenheiten. Die Speyerer Bischöfe bewahrten der Kongregation, die im Laufe der Jahre immer mehr Ausdehnung in ihrer Diözese gewann, stets ihre rege Sympathie. Im Jahre 1883 spendete ihr Bischof Joseph Georg v. Ehrler, der schon während seiner Münchner Dompredigerzeit den dortigen Schwestern ein aufrichtiger und stets hilfsbereiter Freund gewesen war, in einem Schreiben an den Heiligen Vater 347) reichliches Lob. Es heißt da: "In der Pflege der Kranken scheuen sie keine Mühe und suchen ihnen nach Kräften beizustehen; besonders aber achten sie sorgfältig auf das Heil ihrer Seelen, beten mit ihnen und ermahnen sie, die Krankheit christlich zu tragen. Was aber am wichtigsten ist: sie haben keine größere Sorge, als daß die Sterbenden mit den heiligen Sakramenten versehen werden. Nicht selten kommt es vor, daß Kranke, welche lange Zeit hindurch die Kirche und ihre Sakramente verachtet hatten, durch die Bemühungen der Schwestern dazu gebracht wurden, daß sie den Priester zu sich kommen ließen und mit Gott versöhnt aus diesem Leben schieden. So kann mit Recht gesagt werden, daß die Schwestern durch ihre Mühe und Sorge den Pfarrgeistlichen eine wertvolle Hilfe in der Seelsorge sind." Doch widmen wir nunmehr den einzelnen Häusern unsere Aufmerksamkeit. Deidesheim. Krankenpflegestation, gegründet 29. August 1870. Frau Witwe Schäffer hatte für (2) Schwestern ein Haus (Ecke Bahnhofstraße) dem Kirchenfonds gestiftet; dazu kam 1887 die Schenkung des angrenzenden Jörgschen Hauses. 1907 wurden beide dank edler Wohltäter zu einem passenden Schwesternhaus umgebaut. 1912 Eröffnung einer Arbeitsschule, für die 1913 die Familie Siben das Lokal zur Verfügung stellte. 1920: 6 Schwestern. Deidesheim (Spital). Seit 1909 eigene Station, nachdem schon 1901 eine Schwester in das Hospital eingetreten war. 5 Schwestern. Diedesfeld. Krankenpflegestation, gegründet 9. September 1892 unter Pfarrer Klör. 1893 Arbeitsschule, 1894 Kinderschule. Der Elisabethenverein, von der Gemeinde unterstützt, sorgt für Unterhalt der Schwestern und stellte ihnen 1894 ein eigenes Haus. 4 Schwestern. Dudenhofen. Krankenpflegestation, gegründet 20. März 1899 unter Pfarrer Düfhels. Ein nachträglich gegründeter Elisabethenverein sorgte für Unterhalt. Pfarrer Stammer erbaute mit Hilfe von Wohltätern (auch das Mutterhaus steuerte bei) ein Schwesternhaus, bezogen im Mai 1903 (Eigentum der katholischen Kirchengemeinde). 3 Schwestern. 188 Edenkoben. Krankenpflegestation, gegründet 26. November 1887 unter Geistl. Rat Wothe, der 1891 die alte Kirche als Schwesternhaus umbauen ließ (Eigentum des Kirchenfonds). Ein Elisabethenverein sorgte für Unterhalt. Von 1888 bis 1907 waren einige Schwestern (zuerst 1, dann 3) im Krankenhaus tätig. Am 1. Juli 1895 wird die Arbeitsschule, 10. September 1900 die Kinderschule eröffnet. 8 Schwestern. Edesheim. Krankenpflegestation, gegründet 9. September 1890; ein von Pfarrer Stadtmüller gegründeter Elisabethenverein ließ auf seinen Namen ein Schwesternhaus errichten und steuert zum Unterhalt bei. 1892 Kinderschule, 1893 Arbeitsschule eröffnet. 4 Schwestern. Germersheim. Krankenpflegestation, gegründet 30. November 1891 durch Herrn Pfarrer Klein; die Wohnung stellte Herr M. Donis, bis der Elisabethenverein 1896 ein Haus erstellte (Ludwigsstraße) mit Lokal für die jetzt eröffnete Kinder- und Nähschule. 5 Schwestern. Germersheim (Spital). Seit 21. März 1910 wirken zuerst zwei, dann drei Schwestern im Spital. Hambach. Krankenpflegestation, gegründet 8. September 1892 durch Pfarrer Engelbert. Familie Lederle gab die Wohnung und erstellte 1895 auf den Namen der Kirche einen Neubau (über die frühere Niederlassung siehe weiter oben). 3 Schwestern. Harthausen. Krankenpflegestation, gegründet 11. September 1900 durch Pfarrer Burkhardt. Der Elisabethenverein sorgt für Wohnung und Unterhalt. 3 Schwestern. Herxheim. Für das neugegründete Armen- und Krankenhaus berief Pfarrer Mühlhäußer im Dezember 1855 vier Schwestern; heute teilen sich neun Schwestern in die ambulante Krankenpflege, Fürsorge für die alten Pfründner und Waisenkinder der 1909 vergrößerten Anstalt (mit Ökonomiebetrieb). Kirrweiler. Krankenpflegestation, gegründet 20. März 1902 durch Pfarrer Eckel; 1. Oktober 1902 drei Schwestern für Arbeitsschule und Handarbeitsunterricht in der Volksschule; 1903 Kinderschule, wozu die Gemeinde ein passendes Haus stellte. Der Elisabethenverein sorgt für den Unterhalt der Krankenschwestern, eine Stiftung der 1913 verstorbenen Frau Bachmann für die Schulschwestern. 4 Schwestern. Lambrecht. Krankenpflegestation für Lambrecht und die Filialen, gegründet durch Pfarrer Teppisch am 20. März 1897. Im Herbst Näh- und Kinderschule eröffnet. Die Schwestern wohnten im alten Pfarrhaus, bis der Elisabethenverein im Jahre 1911 in der Appelstraße (Nr. 72) ein Schwesternhaus erwarb. 6 Schwestern. Lingenfeld. Krankenpflegestation, gegründet September 1907 durch Pfarrer Huber; 20. März 1908 Kinderschule, 1909 Arbeitsschule. Der Elisabethenverein, der für den Unterhalt sorgt, erbaute 1906 auf einem von den Eheleuten M. Weber geschenkten Grundstück ein Schwesternhaus. 1920: 5 Schwestern. Ludwigshafen-Mundenheim. Am 12. Februar 1875 übernahmen zwei Schwestern nebst ambulanter Krankenpflege die Leitung der 1854 von Dekan Krebs gegründeten Waisenanstalt St. Josephspflege; 1908 wird die Anstalt unter Dekan Crönlein in den Neubau in der Altfriedhofstraße Nr. 8 übersiedelt und von zehn Schwestern bezogen (80 Betten für Knaben und Mädchen); außerdem Arbeits- und Kinderschule. Seit 1896 unterstützt der Elisabethenverein die Anstalt. 14 Schwestern. Maikammer. Krankenpflegestation, gegründet 9. September 1889. Altbürgermeister Franz und Fräulein Klara Platz gaben die Mittel für ein Schwesternhaus, das 1910 auf den Kirchenfonds eingetragen wurde. 1890 Kinderschule, 1896 Arbeitsschule eröffnet. Der Elisabethenverein sorgt für Unterhalt. 6 Schwestern. 189 Maudach. Krankenpflegestation, Kinder- und Arbeitsschule, gegründet 1899 durch Pfarrer Krebs. Der Elisabethenverein sorgte für Unterhalt und ließ 1902 ein Schwesternhaus (dem Kirchenfonds gehörig) erbauen. 4 Schwestern. Neustadt. Krankenpflegestation, gegründet 5. August 1875 durch Pfarrer Münch und ermöglicht durch die Stiftung des 1872 verstorbenen Pfarrers Weckesser. 1876 Nähschule, 1877 Gründung des Elisabethenvereins zum Unterhalt der Schwestern; 1889 baute Pfarrer Junker ein neues Schwesternhaus (1893 auf den Kirchenfonds geschrieben). 1896 erwarb die Kongregation das in der Schwesternstraße angrenzende Anwesen für eine Kinderschule, im Jahre 1913 ein zweites und erstellte zwei große Schulsäle für Kinder- und Arbeitsschule. Seit 1895 übernahm die Station auch die Krankenpflege in der Filiale Mußbach. 14 Schwestern. Pirmasens. Vom 13. Juni 1853 bis 2. März 1855 waren vier Schwestern in der Kranken- und Armenpflege tätig. Dann gründete der Pfarrer Nardini die Genossenschaft der armen Franziskanerinnen, die 1869 nach Mallersdorf in Bayern übersiedelten. (Vgl. darüber Remling, Bischof Nikolaus v. Weis II 191 - 197). Rheingönheim. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet im September 1909 durch Pfarrer Hartmüller; 1910 Arbeitsschule. Der Elisabethenverein sorgte für Wohnung und Unterhalt. 1915 wird die bisherige Notkirche zu einem Schwesternhaus umgebaut und ein Schullokal neu erstellt. 5 Schwestern. Rödersheim. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet durch Pfarrer Anton 26. September 1898; März 1899 Arbeitsschule, 1907 Bau eines Schwesternhauses durch den Elisabethenverein. Die Schwestern leiten den Jungfrauenverein und erteilen seit 1907 Handarbeitsunterricht in der Volksschule. 4 Schwestern. Rülzheim. Am 13. Juni 1855 kamen drei Schwestern in das Braunsche Waisenund Krankenhaus. Um zwei Schwestern für die ambulante Pflege zu erhalten, gründete Pfarrer Luttenberger 1895 den Elisabethenverein. Die Anstalt verfügt über 12 Betten für Kranke, 25 für alte Leute und zählt gegen 30 Waisenkinder. 7 Schwestern. Ruppertsberg. Krankenpflegestation, gegründet auf Antrag des Bürgermeisters Keller im September 1903. 1904 Kinderschule, 1910 Arbeitsschule eröffnet. Die Schwestern leiten den Strickunterricht in der Volksschule und den Jungfrauenverein. Das vom Bürgermeister Keller und Geschwister erbaute Schwesternhaus ist Eigentum des Kirchenfonds. 4 Schwestern. Schifferstadt. Krankenpflegestation, Kinder- und Arbeitsschule, gegründet 21. März 1897 durch Herrn Dekan Ripplinger, der den Elisabethenverein für den Unterhalt gründete und aus eigenen Mitteln das Schwesternhaus und das Schullokal erstellte und nach seinem Tode (1905) seine Habe dem Kirchenfonds zugunsten der Schwesternanstalt überließ. 1911 ließ Pfarrer Werner die Schullokale erweitern und kaufte das angrenzende Anwesen Sattel. Schifferstadt hat der Genossenschaft schon viele Mitglieder geliefert. 8 Schwestern. Speyer (Engelgasse). Über die Anfänge vgl. weiter vorne. Im Jahre 1862 kaufte das Domkapitel das Haus in der Engelgasse, das dem Vinzenzverein übergeben wurde. 1865 eröffnete die Oberin Schwester Lucia ein Waisenhaus; 1868 mußte ein Neubau aufgeführt werden, wozu u. a. Bischof Nikolaus und Regens Laforet die Mittel lieferten; nach dem Cholerajahr 1873 wuchs die Zahl der Kinder auf 50 an; 1878 war ein 3. Stockwerk nötig. Seit 1868 hatte das Haus eigene Kapelle. Am 11. Februar 1885 starb die verdienstvolle Schwester Lucia (geb. 1826 zu Hagenau; vgl. ihr schönes Lebensbild in dem Sonntagsblatt "Der christliche Pilger" 1885, S. 65 f.) 1887 wurde auf Wunsch des Herrn Bischofs Ehrler eine Kinderbewahranstalt eröffnet. Infolge einer Stiftung des Kommorantpriesters Kollei und Beiträge anderer Wohltäter konnte ein 190 Versorgungsheim für ältere weibliche Dienstboten erbaut werden. 1891 wurde das Kinderheim erweitert und in den letzten Vorkriegsjahren die ganze Anstalt bedeutend vergrößert, abgerundet und praktisch ausgebaut. Im Dienste des Vinzenzvereins sind jetzt 22 Schwestern tätig für ambulante Krankenpflege, im Waisenhaus (60 Kinder), Kinderschule (2 Abteilungen), Pensionat (34 Personen), Leitung des Paramentenvereins. Speyer (theologisches Konvikt). Seit 1. Oktober 1888 führen die Schwestern (jetzt 8) den Haushalt des theologischen Konvikts. Speyer (St. Vinzentiuskrankenhaus). Seit 1. September 1904 leiten die Schwestern (jetzt 9) das Vinzentiuskrankenhaus. Trippstadt. Krankenpflegestation, gegründet durch Pfarrer Dr. Fooß am 9. September 1908; die (2) Schwestern wohnten unentgeltlich bei Herrn Förster Lamm, bis die Genossenschaft 1909 ein Haus erwarb. Jetzt wurde eine Kinder- und Arbeitsschule eröffnet. Für den Unterhalt der Schwestern gründete Pfarrer Herrmann den Elisabethenverein. 1920: 5 Schwestern. Venningen. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 25. Mai 1887 durch Pfarrer Legrum, nachdem die Witwe Hermann (gest. 1887) ihr Haus mit Zubehör für diesen Zweck der Kirche vermacht hatte; 1888 Winterarbeitsschule. 1895 Neubau für die Schule. 4 Schwestern. Weidenthal. Krankenpflegestation, Kinder- und Nähschule, gegründet 19. März 1914. Der Elisabethenverein sorgte für Unterhalt und stellte ein Schwesternhaus mit Schullokal. Auch die Gemeinde steuert zum Unterhalt bei. 3 Schwestern. D. Das rechtsrheinische Bayern. 1. Erzdiözese München-Freising. Die Anfänge in München. Die Stellung der Schwestern im Diözesanverband und die staatsrechtlichen Verhältnisse. Das Herz-Jesu-Kloster. Am 23. März 1857 kamen nach München vier Niederbronner Schwestern, welche Domkapitular v. Prentner im Namen des Münchner Vinzentiusvereins berufen hatte zur Pflege der Pfründnerinnen und Waisenmädchen im sogenannten Vinzentinum. Schwester Adelinde, welche im Jahre 1861 als Assistentin ins Mutterhaus berufen und nach dem Tode der Stifterin Generaloberin wurde, war die erste Oberin; ihr folgte Schwester Lucretia. Auch der ambulanten Krankenpflege widmeten sich die Schwestern, soweit es ihnen möglich war. An Sorgen und Mühen waren die ersten Jahre mehr als reich. Der damalige Oberhirte der Erzdiözese München-Freising, Erzbischof Gregor v. Scherr (1856 - 1877), begrüßte die Niederbronner Töchter mit Wohlwollen und konnte ihnen auf Anfragen des Bischofs von Straßburg das schöne Zeugnis ausstellen: "Tag und Nacht liegen sie den Werken der Religion, Frömmigkeit und Barmherzigkeit ob und haben das Lob und den Beifall aller gefunden" (18. Januar 1859). 1858 war in München-Haidhausen die Gründung einer Niederlassung erfolgt, dann kam Fürstenfeldbruck (1859), Laufen (1861), München-Dompfarrei (1864), Tittmoning (1865). So schienen die Aussichten für eine gedeihliche Entwicklung der Genossenschaft in der Erzdiözese recht günstig. Da warfen die Würzburger Vorgänge, welche schließlich am 15. Juni 1866 zur Trennung der dortigen Filialen vom Mutterhaus führten, ihre Schatten auch auf die Münchner Verhältnisse. Wie es dort geschehen war, so hatte die Regierung für die 191 München-Freisinger Häuser die K o r p o r a t i o n s r e c h t e in Aussicht gestellt unter der Bedingung, daß in München ein Provinzialhaus mit eigenem Noviziat, also ein Mutterhaus mit einer eigenen Generaloberin errichtet würde. In Niederbronn, wo man noch unter dem schmerzlichen Eindruck der Wiener Lostrennung stand und den Bruch in Würzburg voraussah, hatte man begreiflicherweise keine Lust, das Experiment zu wagen. Darum schrieb unterm 15. April 1866 die Stifterin, Schwester M. Alphons, der Münchner Oberin Lucretia: "Ihr Töchter des göttlichen Heilandes bildet einen Körper, der nur ein und dasselbe Haupt hat und von ein und demselben Geiste belebt ist, ihr möget euch in Deutschland oder in Frankreich befinden; so müsset ihr im nämlichen Geiste und unter dem Gehorsam der einen Generaloberin wirken und Gutes tun, so wie ihr es auch zur Erbauung für jedermann bisher getan habt. Durch zwei Mutterhäuser und unter zwei Generaloberinnen entsteht Trennung, die den Zerfall der Kongregation herbeiführt. So etwas kann ich nicht gestatten, ich kann mithin die Korporationsrechte nicht annehmen." Nach der erfolgten Würzburger Trennung schien es der Oberin Lucretia doch nötig, diese Rechte zu erwerben. Am 25. April 1866 teilt sie dem Straßburger Bischof mit, daß sie die Korporationsrechte zu erwerben hoffe. "Der Herr Erzbischof ist sehr gut, sehr besorgt für uns und war tief gekränkt über diese Spaltungen." 348) Aber den Gedanken an ein Noviziat in München neben dem des Niederbronner Mutterhauses hielt Erzbischof Gregor fest. Domkapitular v. Prentner, der zum Superior der Schwestern in München ernannt worden war und ihnen stets ein treuer, wohlmeinender Freund blieb, wandte sich in der Angelegenheit im folgenden Jahre wieder an die ehrw. Mutter, erhielt aber von ihr bloß die Zusicherung, daß die Kandidatinnen auf einige Wochen im Münchner Hause zur Prüfungszeit aufgenommen werden, bis man überzeugt ist, ob sie Beruf haben oder nicht, ehe sie die Reise nach Oberbronn antreten. Sie fügt aber bei: "Jedoch kann von Errichtung eines Noviziates keine Rede sein; es wäre dies dem Einheitsgeist sehr nachteilig und müßte mithin vermieden werden, um jede Gefahr für die Kongregation zu entfernen" (18. März 1867). Bald darauf, am 28. Mai 1867, kaufte Schwester Lucretia um billigen Preis das Anwesen des Stadtgärtners Sedlmayr in der Badstraße (heute Buttermelcherstraße 10); im Juni siedelten die Schwestern dahin über, während im Vinzentinum vier Schwestern mit Schwester Genoveva als Oberin zurückblieben. 1868 wurden zwei weitere Grundstücke erworben; noch in diesem Jahre begann der Neubau des jetzigen HerzJesu-Klosters. Am 28. Juli 1869 wurde der Grundstein zur Kapelle gelegt. Das ganze Anwesen wurde auf den Namen der Oberin Lucretia geschrieben. Mittel zum Bau waren fast keine vorhanden. Die Erlaubnis, eine Sammlung abzuhalten, stellte der Minister des Innern, ein Mitschüler des Domkapitulars v. Prentner in Aussicht, "sobald die Rezeptionsfrage der Kongregation in Bayern bereinigt ist". Herr v. Prentner bat nun den Erzbischof, er möge diese Frage in Ordnung bringen und dabei von der Noviziatsfrage absehen. Die Errichtung eines Noviziates sei zu teuer, auch seien vom Hausankauf noch Passiva vorhanden. Die Ordensobern könnten schon wegen der Vorgänge in Wien und Würzburg das Noviziat nicht zugeben. Aber der Erzbischof war diesen Gründen unzugänglich, er hoffte gerade durch das Münchner Noviziat reiche Kandidatinnen mit erheblicher Aussteuer anzuziehen. Er beauftragte Herrn v. Prentner, den Ordensobern mitzuteilen, daß er von der Noviziatsfrage nicht abgehen werde, daß er sich jedoch mit einer zusagenden Erklärung begnügen wolle und nicht sogleich auf der Errichtung bestehe. "Auch machte Se. Exzellenz die merkwürdige Äußerung, er habe über diese Angelegenheit mit dem Herrn Bischof von Würzburg gesprochen, und dieser habe erklärt, wenn ein Provinzialhaus in München mit Noviziat zustande käme, so sei er geneigt, sich mit den Würzburger Schwestern dem Münchner Hause anzuschließen." In einer Zuschrift an das Mutterhaus, der 192 vorstehende Angaben entnommen sind 349), spricht sich Herr v. Prentner g e g e n ein Noviziat aus. Nur unter folgenden Bedingungen solle man ein solches zugeben: 1. Die Münchner Novizinnen müßten die Aufnahme vom Generalmutterhause erhalten; 2. sie müßten wenigstens die Hälfte des Noviziates in Niederbronn bestehen; 3. die Zulassung zu den Gelübden müßte von Niederbronn erteilt werden. Um diese Zeit richtete auch die Münchner Oberin an den Erzbischof die dringende Bitte, "der vom Heiligen Stuhle als religiöse Kongregation bestätigten Genossenschaft nicht länger mehr die oberhirtliche förmliche Anerkennung und Approbation verweigern, sondern ihr dieselbe erteilen und zur Erlangung der Korporationsrechte von seiten der kgl. Staatsregierung gnädigst dadurch mitwirken zu wollen. "Die Gewährung der Korporationsrechte ist nämlich von den beiden kgl. Staatsministern des Innern, beider Abteilungen, sowie von den betreffenden Herren Referenten längst zugesichert, wenn einmal die oberhirtliche Genehmigung beigebracht wird, und selbst Ihre Majestät die Königin-Mutter hat ihre Vermittlung und Fürsprache dazu angeboten." Auf die wiederholten Fragen der Staatsregierung über die oberhirtliche Anerkennung wisse sie nicht, was sie erwidern solle, und könne höchstens eine ausweichende Antwort geben. Dadurch gerate die Kongregation der Regierung gegenüber in ein schiefes Licht, "als besäße sie nicht das Vertrauen ihres hochwürdigsten Oberhirten; doch könne sie, die Oberin, sich nicht erinnern, sich desselben je unwürdig gezeigt zu haben. Niemand kann besser wissen als Se. Exzellenz, mit welchen Hindernissen die Schwestern seit zehn Jahren hier zu kämpfen hatten, was sie geduldet und erlitten, wie sie verfolgt wurden, während die Oberin auf der andern Seite ihren Schwestern allen das Zeugnis geben kann und muß, daß sie in der Pflege der Armen und Kranken unermüdet gewesen sind, worüber ihr die Anerkennung von Personen aus allen, selbst den höchsten, ja allerhöchsten Ständen und besonders auch der Ärzte wiederholt ausgedrückt wurde." Sie bittet daher Se. Exzellenz dringend, mit der oberhirtlichen Anerkennung nicht länger zu warten. Die Leitung des Mutterhauses, welche von dem Entschluß des Erzbischofs, die Korporationsrechte nur gegen die Zusicherung eines Noviziates in Bayern zu begehren, Kenntnis genommen hatte 350), ließ Herrn v. Prentner mitteilen 351), daß man im Rate gegen ein Noviziat sei, doch wolle man die Sache weiter untersuchen und mit Bischof Räß Rücksprache nehmen. Die Einheit der Kongregation litte zu sehr unter einer solchen Maßnahme. Am 8. Januar 1868 schrieb der neue Superior Sattler an Herrn v. Prentner, daß ihm Bischof Räß mitgeteilt habe, man möge in der Münchner Frage die Entscheidung der Würzburger Angelegenheit abwarten, mit deren Klarlegung Räß vom Heiligen Stuhl beauftragt wurde. Es schien vorerst, als wollte der Erzbischof von seinem Lieblingsgedanken abstehen. Die Schwestern bekamen im Januar 1868 von der Regierung die Erlaubnis, zuerst für drei, dann für sechs Monate eine Sammlung zugunsten des Neubaues zu veranstalten 352). Da der Neubau auf besondern Wunsch des Münchner Ordinariats stattlich und geräumig werden sollte, dehnten die Schwestern, um die hohen Baukosten wenigstens zum Teil zu decken, die Sammlung auch auf außerbayrisches Gebiet aus: auf Österreich-Ungarn, ja bis nach Syrien, Palästina, Ägypten, Malta, wo eine der Sammelschwestern (Schwester Bonosa) am 22. April 1870 starb und in der Gruft des Domkapitels bestattet wurde. Der Bau des Herz-Jesu-Klosters ging mittlerweile seiner Vollendung entgegen. Die Teilnahme vieler Schwestern aus München an der Verwundetenpflege im deutschfranzösischen Kriege - schon 1866 hatten sie sich hierin rühmlichst ausgezeichnet hatte ihre Popularität nur gesteigert; am 27. Januar 1870 war ihren sonstigen Verdiensten um die städtische Kranken- und Armenpflege in einer öffentlichen Sitzung des Stadtrates gebührendes Lob zugeteilt worden. Der stattliche Neubau eröffnete für 193 die fernere Entwicklung der Genossenschaft in der Hauptstadt günstige Aussichten. Im Februar desselben Jahres begehrte Schwester Lucretia vom König die Korporationsrechte. Die Staatsregierung suchte, ehe sie dem Begehren nachkam, sich zu vergewissern, welche Stellung die Kongregation nach Gewährung der Korporationsrechte gegenüber dem Mutterhause einnehmen würde, worauf das erzbischöfliche Ordinariat zunächst erwiderte, "eine Rückkehr der Schwestern in ihr Mutterhaus sei durchaus nicht zu befürchten, im Gegenteil dürfte zuverlässigst erwartet werden, daß die Schwestern in ihrem eigenen, wohlverstandenen Interesse eifrigst bemüht sein werden, sich hier eine sichere Existenz zu gründen." Dem wurde der Antrag beigefügt, die Bitte der Oberin Lucretia Wehner "uniform mit dem Würzburger Präzedenzfalle" zu gewähren 353). Da es sich hier um die Errichtung eines völlig selbständigen Mutterhauses handelte, verlangte die Regierung weitere Aufklärung und erhielt vom Ordinariat am 26. August 1870 die Antwort: "Daß das hiesige Haus der Niederbronner Schwestern dem Mutterhause in Niederbronn gegenüber die Stellung eines Provinzialhauses für die Erzdiözese München-Freising mit eigenem Noviziate und eigener Verwaltung, sohin tatsächlich eines nur dem Generalate untergeordneten Mutterhauses einnehmen werde, und sein Eigentum und Vermögen selbständig verwalten werde." Daraufhin erfolgte die Ministerialentschließung vom 22. Dezember 1870, welche erklärt: "Se. Majestät der König haben der tatsächlich in München bestehenden Kongregation der Töchter des göttlichen Heilandes die Allerhöchste landesherrliche Anerkennung als religiöse Genossenschaft zu erteilen und derselben zugleich die Korporationsrechte zu erteilen geruht." 354) Die Korporationsrechte wurden demnach nur gewährt unter der Voraussetzung der Errichtung eines selbständigen Provinzialhauses mit Noviziat und einer vom Mutterhause getrennten Vermögensverwaltung. Im Mutterhause war von der diesbezüglichen Verfügung des Ordinariats nichts bekannt geworden. Um so größer war die Überraschung der Generaloberin M. Adelinde, die zu der am 27. Oktober 1870 stattfindenden Einweihung der Kapelle des neuen Schwesternhauses herbeigeeilt war, als Se. Exzellenz der Herr Erzbischof, der persönlich den Weiheakt vorgenommen hatte, ihr die Errichtung eines Noviziates nahelegte. Sie weigerte sich anfänglich, gab aber auf eindringliches Zureden des Herrn v. Prentner schließlich die Zusage, als dieser bemerkt hatte, der Erzbischof sei entschlossen, sonst dem Beispiel der Bischöfe von Wien und Würzburg zu folgen. Auch könne man, wenn sich irgendein Nachteil zeigte, das Noviziat wieder aufheben 355). Aufgrund dieser Zusage erklärte dann (12. März 1871) die Generaloberin dem Erzbischof: "In Betracht des von Ew. Erzbischöflichen Gnaden geäußerten Wunsches, es möchte in München ein Provinzialhaus der Genossenschaft der Schwestern des Allerheiligsten Heilandes mit Noviziat oder eine bayrische Provinz errichtet werden, habe ich die Ehre, Hochderselben zu erklären, daß von seiten des Generalates der Kongregation diesbezüglich kein Hindernis entgegensteht, wofern die in den Statuten oder Satzungen vorgeschriebenen Normen hinsichtlich der das Provinzialhaus betreffenden Befugnisse und Verpflichtungen festgehalten werden." Das war eine Entscheidung, deren Tragweite der damaligen Generaloberin und dem Superior des Mutterhauses, Sattler, nicht voll zum Bewußtsein kam. Sattler hatte in seinen neuen, von Rom während der Konzilszeit probeweise approbierten Statuten die Errichtung von Provinzialhäusern schon vorgesehen, wiewohl bei der kurzen Zeit des Bestehens der Genossenschaft die Errichtung solcher dem ganzen Organismus mehr hinderlich als förderlich sein konnte. 194 Erst jetzt, nach dieser formellen Zusicherung, sprach der Erzbischof die oberhirtliche Anerkennung der Niederbronner Genossenschaft aus und erklärte das Schwesternhaus in der Badstraße als b a y r i s c h e s P r o v i n z h a u s , zu dessen Superior Herr v. Prentner ernannt wurde (28. März 1871). Unterm 23. Oktober 1871 erteilte die Regierung "der in München bestehenden Genossenschaft der Töchter des göttlichen Erlösers zum Zwecke der eigentümlichen Erwerbung des bisher auf den Namen der Frau Oberin eingetragenen Vermögens" Dispens von den Amortisationsgesetzen. So war das Noviziat tatsächlich in aller Form errichtet. Am 17. Juni 1871 nahm Erzbischof Gregor 12 Novizinnen die klösterlichen Gelübde ab und erteilte 20 Kandidatinnen das heilige Kleid. Seminarregens Dr. Moufang von Mainz hielt auf besondere Einladung des Erzbischofs die Festpredigt. Am 13. April 1872 kleidete dieser wieder 16 Kandidatinnen ein und nahm die Profeß von 5 Novizinnen entgegen, wobei der zum Nachfolger Sattlers ernannte Superior des Mutterhauses Dr. Simonis die Gelegenheitspredigt hielt. Noch drei weiteren Einkleidungen im Münchner Noviziat wohnte er bei 356). Nun sollte im Sommer 1872 das Münchner Schwesternhaus im Sinne der gewährten Korporationsrechte umgeschrieben werden. Jetzt erst erfuhr die Oberleitung der Genossenschaft, daß die Korporationsrechte nur unter der Bedingung gewährt worden seien, daß die Münchner Schwestern ihre Güter und Einkünfte unabhängig vom Mutterhause verwalten würden, und daß die Generaloberin nur ein allgemeines Aufsichtsrecht hätte, um die nötige Disziplin und Einheit zu bewahren. Ohne Kenntnis dieser Sachlage hatte also die Generaloberin die Zustimmung zur Errichtung eines Noviziates gegeben 357). Nunmehr verzichtete man auf die Korporationsrechte und ließ das Haus, auf welches man eine beträchtliche Hypothek aufnehmen mußte, um die Bauschulden zu decken, auf den Namen der Schwester Lucretia und einiger Mitschwestern stehen. Erst jetzt begann man die Tragweite der Errichtung des Noviziates einzusehen. Die ersten Schwierigkeiten ergaben sich aus dem Mangel einer festgeregelten Noviziatsordnung des Münchner Hauses. Herr v. Prentner, der alle Verhandlungen mit dem Erzbischofe geführt hatte, erklärte wiederholt 358), daß Se. Exzellenz gar nicht an einer in München abzulegenden Profeß halte, es käme ihm nur darauf an, daß auch Kinder aus Bayern, ohne die Reise ins ferne Mutterhaus zu machen, in München eine erste Probe ablegen könnten. So reisten denn die eingekleideten Novizinnen nach Niederbronn, um dort einen Teil ihres Noviziates zu vollenden. "Denn", sagte Herr v. Prentner, um die von Simonis geäußerten Bedenken zu zerstreuen, "Ihre Schwestern sind Niederbronner Schwestern, es wäre doch eine solche nicht denkbar, wenn sie zur Profeß käme, ohne das Mutterhaus in Niederbronn gesehen zu haben." Als aber am 1. Mai 1873 der Erzbischof eine neue Einkleidung abhielt und in einer Ansprache an die jungen Novizinnen die besondere Aufforderung richtete: "Seid m i r gehorsam", sodann der Münchner Oberin Lucretia verbot, ohne seine Erlaubnis München zu verlassen, spitzten sich die Beziehungen zwischen dem Kirchenfürsten und der Leitung des Mutterhauses zu einem Konflikte zu, der ernste Formen annahm, als ein erzbischöfliches Wort auch allen Schwestern, Novizinnen und Postulantinnen untersagte, ohne Erlaubnis aus München fortzureisen. Dazu kam noch ein Schreiben des Ordinariates, welches der Generaloberin auferlegte, die Assistentin Schwester Perpetua, die im Schwesternhause zu München weilte, abzuberufen und das Haus umschreiben zu lassen. Schon ein Jahr zuvor (2. Juli 1872) hatte Bischof Räß dem Superior Simonis gegenüber geäußert, daß, wenn nicht beizeiten die nötigen Maßregeln ergriffen würden, sich in München die Vorgänge von Würzburg und Wien wiederholen würden. Der Straßburger Oberhirte, der seit der Gründung der Genossenschaft stets seine ganze Persönlichkeit für ihr Wohl und Gedeihen eingesetzt hatte, befürchtete, daß die in 195 München getroffene Einrichtung notwendigerweise den Ruin der Kongregation herbeiführen müsse. Diese Befürchtung hatte sich jetzt, nachdem die Dinge diese Entwicklung genommen hatten, auch dem Superior Simonis aufgedrängt. "Der Erzbischof", schreibt er (4. Mai 1873) an Bischof Räß, "will eine organisierte Trennung mit Erlaubnis der Obern." Solle er nachgeben? Vielleicht könnte man hier definitiv ein Noviziat von einem Jahr mit einem zweiten in Niederbronn einrichten. Aber man werde in München alles oder nichts wollen. Wenige Tage später erklärte ihm aber der Erzbischof, daß er ein Noviziat mit Profeß wolle, indem er sich auf die Zusage der Generaloberin vom 12. März 1871 berief. Simonis antwortete, daß das begonnene Noviziat nur als ein Versuch, nicht als endgültige Einrichtung gelten könne 359). Aber Se. Exzellenz beharrte bei ihrem Wunsche. So sah sich die Kongregationsleitung vor die Frage gestellt: Entweder das Münchner Haus mit eigener Güterverwaltung, selbständigem Noviziat und Provinzialat anzunehmen, was nichts anderes hieße, als die Genossenschaft für alle Zukunft ruinieren 360), oder mit dem Erzbischof auf gespanntestem Fuße zu leben und die Ausweisung zu gewärtigen. Die Generaloberin war bereit, das geteilte Noviziat zuzugeben. Bischof Räß aber hat seinen delegierten Superior mehrmals entschieden von allen Zugeständnissen abgeraten 361). So blieb nur der Rekurs nach Rom übrig, der auch von einzelnen Münchner Persönlichkeiten, wie Domkapitular v. Prentner und dem Domprediger Ehrler 362), der in selbstlosester Weise den Schwestern wöchentliche Konferenzen hielt, angeraten war. Die Münchner Nuntiatur nahm sich der Sache an, der Heilige Vater überwies sie der Kongregation der Bischöfe und Regularen 363). Erzbischof Gregor wandte sich nun direkt an Räß in einem längeren Schreiben (4. September 1873), worin er sich bitter beklagt über den Superior, dessen Ernennung er freudig begrüßt habe, weil er ihn vom Konzil her wohl kannte 364), doch seien seine Hoffnungen getäuscht worden. Simonis scheine das hiesige Provinzialhaus mit dem Noviziat eine Gefahr für das Mutterhaus zu betrachten. Das ganze Schreiben enthält eine Reihe von Vorwürfen gegen die Kongregationsleitung, Klagen über die Mißachtung der zuständigen oberhirtlichen Gewalt des Erzbischofs. Räß antwortete zunächst (28. September 1873), daß seine Autorität nicht über die Grenzen seines Diözesansprengels hinausreichen könne und wolle; er müsse vorerst mit den Obern die Sache genau besprechen und untersuchen. Die eingehende Antwort auf die erzbischöflliche Beschwerde erfolgte am 30. Dezember 1873, worin Räß die Vorgeschichte des Münchner Noviziates berührt und die Zusage der Oberin vom 12. März 1871 als nicht auf ganz freier Entschließung beruhend hinstellt. Da diese Zusage die Errichtung des Noviziates nach Maßgebe der Ordenssatzungen gestattet, diese Satzungen aber nur probeweise approbiert wären 365), so könne das errichtete Noviziat auch nur als ein Versuch, nicht als eine endgültige Entscheidung angesehen werden. Auf diesen Standpunkt stellten sich auch die römischen Behörden, welche am 15. April 1874 entschieden, daß das Münchner Noviziat und Provinzialat nicht den kanonischen Gesetzen entsprechend errichtet sei, weil für eine solche Einrichtung die Genehmigung des Heiligen Stuhles eingeholt werden müsse. Was die Umschreibung des Hauses betreffe, so sollte diese auf eine günstigere Zeit verschoben werden 366). Für den Gedanken eines bayrischen Sondernoviziates hatte der Erzbischof dem Superior des Mutterhauses gegenüber folgende Gründe aufgeführt: 1. Man müsse die Bayerinnen in Bayern lassen und sie nicht nach dem fernen Niederbronn schicken, das nicht für sie passe. 2. Ein zweites Noviziat in München erleichtere den Beitritt mancher Kandidatin, die nie nach Niederbronn gehen würde, und so stände der Genossenschaft in Bayern eine großartige Entwicklung bevor. 3. Die Unkosten der weiten Reise auch für die in die Exerzitien fahrenden Schwestern könnten erspart werden. 4. Das bayrische Geld brauche nicht alles nach Niederbronn fließen. 196 In einer ausführlichen Denkschrift, die Simonis für seinen Bischof über die Angelegenheit abfassen mußte, stellt dieser den angeführten Gründen andere entgegen. 1. Die Nationalitätsfrage habe bisher in der Genossenschaft eine sehr untergeordnete Rolle gespielt. Vor dem Kriege seien stets viele deutsche Schwestern im Elsaß verwendet worden und hätten sich da sehr wohlgefühlt. Nach der Annexion des Elsasses aber "scheint der Augenblick ganz unrichtig gewählt, um partikularistische Ansichten der Kongregation gegenüber geltend zu machen, zur Stunde, wo alles Eigentümliche der verschiedenen Völker wegfällt. Allein wäre die Sache nicht so, so sollte doch der Nationalismus da ganz wegbleiben! Unsere Schwestern bilden so eine Art Freikorps, gehen überall den physischen und moralischen Leiden der armen Menschheit entgegen, ohne auf anderes als nur auf Gott zu schauen. Eine Hauptbedingung ihrer Bildung besteht darin, daß sie sich über alle menschlichen Rücksichten hinwegsetzen, mögen sich diese um Nationalitäts- oder andere Fragen drehen. In dieser Hinwegsetzung haben sie besonders jenen Geist gefunden, welcher sie im letzten Kriege so vortreffliche Dienste leisten ließ. Auch haben der hochw. Herr Bischof von Lüttich und die acht französischen Bischöfe, in deren Bistümern unsere Schwestern wirken, noch nicht im mindesten sich geäußert, sie möchten ein eigenes Mutterhaus in einem ihrer Bistümer für unsere Schwestern haben. Da nun das Münchner Noviziat geeignet ist, die Schwestern nach der Nationalität zu gruppieren, so liegt in dieser Ansicht ein Grund, dasselbe eher aufzuheben als zu befestigen. Es würde dadurch nämlich dem Geiste der Kongregation im allgemeinen schaden, dann auch Anlaß zu allerlei ähnlichen Reklamationen geben, und so scheint der Keim einer völligen Zersplitterung der Kongregation darin zu liegen." 2. Die Ansicht, daß das Münchner Noviziat größere Anziehungskraft ausübe, bestehe nicht zu Unrecht. Doch auch vorher seien sehr viele Bayerinnen in Niederbronn eingetreten. Eine Provinzeinteilung sei aber der Genossenschaft deshalb unzuträglich, weil Angebot und Nachfrage in den einzelnen Provinzen sich nicht die Wage halten. 3. Der Vorwand der Ersparnis der Reisekosten sei durchaus untergeordneter Natur. Der andere, daß das Geld nicht alles nach Niederbronn zu fließen brauche, beruht auf einer totalen Unkenntnis und einer durchaus unrichtigen Beurteilung der Sachlage. "Die Schwestern besitzen zwar in München ein prachtvolles Anwesen. Allein nicht München hat dasselbe an Niederbronn geschenkt, sondern Niederbronn hat München damit bereichert. Wir sind die Schenker, nicht die Beschenkten. Nachdem die Kongregation schon ungeheuere Summen darauf abbezahlt hat, ist sie für etliche 40 Jahre noch verpflichtet, jährlich an 8000 Franken an die Hypotheken- und Wechselbank auszuzahlen. Allerdings haben die Schwestern in Bayern gesammelt, um dieses Haus zu bauen; allein die Summen, welche sie schon dazu verwendet haben, waren i h n e n gegeben! Sie haben aber zuvörderst ihr eigenes Geld, und zwar beträchtliche Summen, hineingesteckt, dann haben sie auch ihren Schweiß, ihre Kräfte, ihre Gesundheit und ihr Leben dabei aufgeopfert. Sie haben Geld gesammelt bis in Ägypten, in Palästina, in Syrien, nicht um dasselbe nach Niederbronn, sondern nach München zu tragen. Ihnen hat die erzbischöfliche Stadt eine fromme Stiftung ersten Ranges zu verdanken; ihnen die Errichtung einer dem Publikum zugänglichen Kirche von mehr als 100000 Franken. Und jetzt, nachdem wir einerseits schon kolossal abbezahlt haben, anderseits beinahe ein halbes Säkulum hindurch kolossal zu bezahlen haben, sollten wir genötigt werden, dieses teilweise so schwer bezahlte, teilweise so schwer verschuldete Anwesen dazu zu gebrauchen, die Kongregation zu zersplittern, damit wir das Geld nicht alles nach Niederbronn transportieren! Für diesen Zweck hat keine Schwester gearbeitet, sich ermüdet, keine ihre schweren Opfer dargebracht. Kein Wohltäter hat je solche Bedingungen gestellt - und wäre je eine Gabe unter dieser Bedingung angeboten 197 worden, so hätten wir sie ganz entschieden zurückgewiesen." Die Richtigkeit der hier ausgesprochenen Ansichten habe niemand besser begriffen als Herr v. Prentner. Als die Staatsregierung den Antrag gestellt hatte, das Anwesen solle, falls dasselbe auf den Namen der Kongregation geschrieben wäre und dieselbe in München zu existieren aufhöre, dem Armenfonds der Stadt zufallen, antwortete Herr v. Prentner mit Entrüstung, daß dies unmöglich sei. "Das Haus sei ein heiliges Eigentum der Schwestern, da ja an jedem Stein desselben ihr Schweiß und ihr Blut klebt." Im weiteren Teile der Denkschrift begründet Simonis die Notwendigkeit eines einzigen Noviziates im Interesse des einheitlichen Geistes der Genossenschaft, der Heranbildung der Novizen, des innigen Gefühls der Liebe und Zugehörigkeit der Schwestern zur Genossenschaft, das sich in der Liebe zum Mutterhause verkörpere, der Kongregationsleitung und weiten Ausdehnung der Genossenschaft. Alle neuen Kongregationen mit weit mehr Mitgliedern hätten nur ein einziges Noviziat. Die Erfahrung hätte zudem gelehrt, daß es mit einem einzigen Noviziat sehr gut gehe. Das waren die Gesichtspunkte, welche Simonis leiteten, als er im Auftrag seines Oberhirten Räß das Münchner Noviziat als eine der Entwicklung der Genossenschaft schädliche Maßnahme bekämpfte. Nicht wenig leitete ihn dabei der auf manche Anzeichen 367) gegründete Argwohn, daß das Noviziat eine Trennung in die Wege leiten sollte. Alle die der Kongregationsleitung und dem Münchner Oberhirten in gleichem Maße peinlichen Vorgänge wären vielleicht zu vermeiden gewesen, wenn einerseits die Generaloberin Schwester M. Adelinde sich nicht zu ihrem voreiligen Versprechen hätte bewegen lassen und anderseits die Münchner kirchliche Behörde von vornherein das Mutterhaus nicht im Zweifel gelassen hätte über ihre Absichten bezüglich der Errichtung eines Provinzialates mit seinen Konsequenzen. Auch Herr v. Prentner, so wohlmeinend er war, hat dadurch, daß er die wirklichen Absichten seines erzbischöflichen Herrn als einen harmlosen Wunsch hinstellte, der bei dem äußeren Schein eines Noviziates sein Genügen fände, mit dazu beigetragen, jene Differenzen hervorzurufen, die für alle daran Beteiligten gleich peinlich sein mußten. Im Herbst 1873 wurde die bisherige Oberin Lucretia in den Rat des Mutterhauses berufen; ihr folgte am 9. Oktober Schwester Benedicte, die ihr Amt unter recht schwierigen Verhältnissen - das Vorausgegangene zeigt das zur Genüge - antreten mußte. Klug und energisch, wie sie war, dazu von einem lauteren Charakter und beseelt von dem wahren Geiste einer Ordensschwester, war sie der Sachlage durchaus gewachsen, und es ist ihr gelungen, die Geschicke des "Herz-Jesu-Klosters" oder des "Klösterls", wie es im Volksmunde heißt, durch alle Wirren und Fährnisse klug und sicher hindurchzulenken. Da auch in den Volkskreisen die irrige Meinung verbreitet war, von gewisser Seite auch geflissentlich verbreitet wurde, daß die Schwestern jeden Pfennig Geldes dem Mutterhause abliefern müßten, waren die für den Unterhalt der Schwestern nötigen Einnahmen sehr gering. So waren sie vielfach auf Naturaliensammlungen angewiesen, welche ihnen jährlich von der Staatsregierung mit Zustimmung des Erzbischöflichen Ordinariats in beschränktem Maße in der Umgebung Münchens bewilligt wurden. Als im Jahre 1883 diese Naturaliensammlungen verboten wurden, sah sich die Oberin genötigt, im Frühling 1884 (4. März) den hochw. Herrn Erzbischof - seit 1878 Antonius v. Steichele - um Bewilligung einer neuen Sammlung demütigst zu bitten, "da die Einnahmen des Hauses trotz des jährlichen Zuschusses des Mutterhauses uns nicht in den Stand setzen, die Kräfte der fast ausschließlich zur Pflege der armen Kranken bestimmten Schwestern zu erhalten, ferner diesen armen Kranken die nötige Nahrung und Hilfe angedeihen zu lassen und den täglich hundert und mehr Armen, welche an unserer Pforte anklopfen, den Hunger zu stillen". Dem Gesuche war die Reflexion angeschlossen, daß man wegen der mannigfachen 198 Schwierigkeiten, die sich bei diesen Sammlungen schon ergeben haben, reiflich überlegt hätte, "ob es irgendein Mittel gäbe, dieselben vollständig abzustellen. Es wäre uns dies allerdings mehr wie erwünscht". Dieses Mittel fand sich in der Einrichtung eines Pensionates für ältere kränkliche Damen. Ein Terrain, welches der den Schwestern überaus wohlgesinnte Bierbrauer J. B. Trappentreu geschenkt hatte, eignete sich vorzüglich zum Bauplatz. Erzbischof Antonius besichtigte ihn auf Einladung des Herrn Simonis, der mit diesem Oberhirten die besten Beziehungen pflegte, und erklärte sich mit dem geplanten Bau einverstanden, der am 9. September 1884 vor der Front des rückwärtsgelegenen Klosterbaues begonnen wurde. Für die Kosten mußte abermals ein bedeutendes Kapital aufgenommen werden. In den unteren Räumen wurde eine K l e i n k i n d e r s c h u l e eingerichtet. Von 1878 bis 1882 fanden auf Anordnung des Ordinariats in der Klosterkirche die sonntäglichen Schulgottesdienste der Heiliggeistschule statt. Bis zum Jahre 1885 wurde für die Schwestern ein regelmäßiger Gottesdienst nicht abgehalten. Am 27. Oktober 1885 übernahm der der Straßburger Diözese angehörige Priester Dr. theol. Nikolaus Paulus 368) die Stelle eines ständigen Hausgeistlichen. Seither sind die sonntäglichen Meß- und Nachmittagsandachten in der einfach, aber geschmackvoll ausgestatteten, sehr anheimelnden Klosterkapelle von Andächtigen fleißig besucht. Im Jahre 1887 starb Herr Domkapitular v. Prentner, der den Schwestern in Freud' und Leid stets ein treuer und wohlmeinender Freund gewesen war. Noch immer harrte das schwierige Problem der Regelung der Hauseigentumsfrage und des Verhältnisses der Staatsregierung gegenüber einer ersprießlichen Lösung. Nach längeren Verhandlungen wurde die Sache im Jahre 1892 abschließend und befriedigend geregelt. Das Münchner Haus wurde zum K o n g r e g a t i o n s h a u s f ü r g a n z B a y e r n erhoben mit Korporationsrechten. Am 19. August 1892 erklärte die Generaloberin Schwester M. Damien durch notarielle Urkunde mit Zustimmung des Erzbischofs Antonius v. Thoma 369) und des Kultusministers v. Müller, daß in Zukunft alle Gesuche bayrischer Gemeinden, Pfarrämter, Vereine zur Erlangung von Schwestern an das Kongregationshaus in München zu richten sind. In den vorausgehenden Verhandlungen hatte die Staatsregierung erklärt, daß sie sich nicht darum kümmere, "ob die Kongregationsleitung der Oberin in München irgendein materielles Bescheidungs- und Verfügungsrecht zuerkennen will oder nicht. Der Kongregationsleitung soll es unbenommen sein, die Oberin in München zu jedesmaliger Berichterstattung über die Gesuche oder zur Einsendung derselben zu verhalten und ihr die zu erteilende Antwort nach Form und Inhalt vorzuschreiben, wie es auch der Kongregationsleitung zustehen soll, über die Verwendung der betreffenden Geldeinlieferungen sachgemäße Verfügung zu treffen, die innere Einrichtung der Niederlassungen und deren gesamten Haushalt zu regeln, sowie dem Münchner Hause und etwaigen andern in Bayern entstehenden oder bestehenden Niederlassungen sonstige aus dem Bedarf der Kongregation und ihrem nicht gelösten, einheitlichen Bestande und Verbande sich ergebenden Auflagen zu machen; auch soll auf die Verteilung der Schwestern im allgemeinen, speziell hinsichtlich der Bestimmung oder Abberufung der hiesigen Oberin eine hindernde Einflußnahme des Staates nicht stattfinden. Durch Verfügungen der Zentralleitung darf niemals ohne Einverständnis der Kgl. Bayrischen Staatsregierung der Immobilienbesitz und der sonstige aus besonderen Zuwendungen sich zusammengesetzte Vermögensbesitz der bayrischen Niederlassungen berührt oder belastet werden". Diesen Bestimmungen fügen der Kultusminister und der Erzbischof die Erklärung bei, "daß weder von weltlicher noch von geistlicher Seite an die Kongregation ein Ansinnen auf Errichtung eines Provinzialates oder Noviziates für Bayern gestellt werden wird, wie 199 denn überhaupt an der ganzen inneren Einrichtung und Leitung der Kongregation durch gegenwärtige Vereinbarung eine Änderung nicht herbeigeführt werden soll; ebensowenig soll selbstverständlich durch die vorstehenden Verhandlungen in die Eigentums- und Benutzungsrechte der hiesigen Niederlassung an der von ihr erbauten Kirche im Anwesen Haus Nr. 10 an der Buttermelcherstraße dahier eingegriffen werden, wenn auch die Erwartung ausgesprochen wird, daß diese Kirche im Notfalle für einen oder eventuell zwei Schulgottesdienste an Sonn- und Feiertagen zu einer vom Kloster zu bestimmenden Stunde, auf Ansuchen zur Verfügung gestellt wird" 370) So hatte die Oberin Schwester Benedicte an ihrem Lebensabend noch die Freude, das Werk, in dessen Diensten sie sich aufgerieben hatte, aus den größten Schwierigkeiten befreit und einer blühenden Entwicklung entgegengehen zu sehen. Sie starb am 12. Dezember 1893, von allen Mitschwestern betrauert, denen sie eine herzensgute Mutter gewesen war. Sie fand in Schwester Laurienne, die ihr in den letzten Lebensjahren mit Rat und Tat schon zur Seite gestanden war, einer jeder Schwierigkeit gewachsene Nachfolgerin. Auch ihrer harrten keine leichten Aufgaben. Durch den an der Kirche vorbeifließenden Isargraben war die Kirche feucht, das Mauerwerk morsch geworden, so daß im Jahre 1897 eine kostspielige Erhöhung des Baues und eine völlige Renovierung notwendig wurde. Se. Exzellenz Erzbischof Franz Joseph v. Stein hat sie am 10. Dezember 1898 konsekriert. Ein weiteres Werk der Oberin war die Gründung eines M ä d c h e n h o r t e s , der am 2. Februar 1902 in einem eigens errichteten praktischen Neubau im Klostergarten eröffnet wurde. Am 29. Mai 1903 ernannte der Erzbischof den Geistlichen Rat Universitätssprofessor Dr. Wirthmüller 371) zum erzbischöflichen Kommissar für das Schwesternhaus. Im Jahre 1909 erhielt das Gotteshaus eine geschmackvolle Innendekoration, durch welche der schöne Hochaltar mit dem Meisterbilde von Heß - das heilige Herz Jesu darstellend - prächtig zur Geltung kommt. Überhaupt ist der in einfachen Renaissanceformen gehaltene Bau von edler, vornehmer Wirkung. Durch die glückliche Anlage von Galerien in den schmalen Längsschiffen ist es den Schwestern ermöglicht, vom Laienpublikum abgesondert den Gottesdiensten beizuwohnen. Die Maiandachten und die Herz-Jesu-Segensandachten im Juni erfreuen sich einer besonderen Beliebtheit in der Stadtbevölkerung. Ein neues, vorteilhaftes Aussehen erhielt die Gesamtbauanlage des Klosters im Jahre 1911 - 1912 dadurch, daß der eine Flügel, der aus einem alten verwinkelten Bau bestand, abgerissen und durch einen modernen, luftigen dreistöckigen Neubau ersetzt wurde. Dadurch wurde es ermöglicht, die Zahl der Pensionärinnen zu vermehren. 1912 wurde eine weitere, dankenswerte soziale Einrichtung getroffen, indem für junge, erwerbstätige Damen ein Mittagstisch begründet wurde, der regsten Zuspruch erhielt. Auch die Kinderbewahranstalt und der Mädchenhort, in welchem die schulpflichtige Jugend ihre Aufgaben anfertigt und in Handarbeiten unterrichtet und so den Gefahren der Gasse ferngehalten wird, wiesen stets erfreuliche Besuchsziffern auf. Desgleichen genügen die vorhandenen Schwestern kaum den Anforderungen, die durch die Hauskrankenpflege an sie gestellt werden. In gerechter Würdigung der Verdienste der Schwestern um die städtische Bevölkerung dankten die Gemeindekollegien am 23. März 1907 gelegentlich der fünfzigjährigen Gedächtnisfeier des Einzuges der Genossenschaft in München in einem herzlich gehaltenen Schreiben für die in der ambulanten Krankenpflege der Stadtgemeinde geleisteten Dienste. Die bedeutsame Stellung des Münchner Kongregationshauses für Bayern kam auch dadurch zum Ausdruck, daß es ein Postulat für bayrische Kandidatinnen unterhielt. Alljährlich entsandte es eine Anzahl von jungen Mädchen, die sich im Münchner Hause für den Ordensberuf vorbereitet und in den Haushaltungsarbeiten ausgebildet haben, in das Noviziat des Mutterhauses. Auch fanden in den 200 Herbstmonaten im "Klösterl" die jährlichen Exerzitien für eine Anzahl Schwestern des rechtsrheinischen Bayern statt. Nach der Beendigung des Weltkrieges, der auch dem Herz-Jesu-Kloster harte Entbehrungen bescherte, dachte man in Anbetracht der Neuorganisation der Genossenschaft daran, aus diesem Hause das Provinzhaus mit Noviziat zu machen. Im Hin-blick darauf waren 1918 schon zwei angrenzende Anwesen erworben worden. Aber dieser Plan verwirklichte sich nicht. Nachdem Se. Exzellenz Erzbischof M. v. Faulhaber ein provisorisches Noviziat gestattet hatte, fand am 19. März 1920 die erste feierliche Einkleidung statt. Die Noviziatsfrage für die bayrische Provinz fand durch die Erwerbung des Kurhauses Wildbad bei Neumarkt eine glückliche Lösung. Noch ist der bösen Tage zu gedenken, die das "Klösterl" und seine friedlichen Bewohner in den Revolutionstagen des Frühlings 1919 durchzumachen hatte. Am 30. April fiel der erste Schuß in das Gartengebäude. Am 1. Mai wurde kreuz und quer in den Garten geschossen, so daß sich niemand hinauswagen konnte. Am 2. Mai fielen acht Schüsse in das Klosterdach, vier in das Haus selbst; eine Kandidatin wurde im Zimmer durch ein Dum-Dumgeschoß schwer verwundet. Die heftige Beschießung erfolgte von der Klenzestraße. Die schlimmsten Befürchtungen brachte der 3. Mai. Diesmal war der Kirchturm das Angriffsziel. Von 8 Uhr morgens bis 3 Uhr nachmittags hielt die weiße Garde das Kloster besetzt und feuerte aus den Fenstern auf die Angreifer. Fünf der wütendsten Kommunisten wurden erschossen. Der Abend endlich brachte die Ruhe und die sehnlichst erwartete Erlösung aus der Gefahr. 1920 belief sich die Zahl der Schwestern auf 26. Die übrigen Niederlassungen in der Erzdiözese München: Freising (Distriktskrankenhaus). Seit 22. März 1884 leiten die Schwestern, zuerst drei, heute sieben, das 1908 erweiterte Distriktskrankenhaus. Fürstenfeldbruck (Krankenhaus und Josephsspital). 1859 übernahmen vier Schwestern das Gemeindekrankenhaus und die ambulante Krankenpflege. 1885 Neubau mit Krankenhaus. Das bisherige Josephsspital wurde den Gemeindepfründnern reserviert. 1920: 9 Schwestern. Fürstenfeldbruck (Spitalstraße 2). Am 1. Oktober 1917 wird für die ambulante Krankenpflege eine eigene Station in der Spitalstraße 2 eröffnet. 4 Schwestern. Hohenaschau. Kinderschule und Hort, gegründet 15. Juni 1917 durch Freiherrn v. Kramer-Klett. 3 Schwestern. Laufen a. d. Salzach. Am 16. Mai 1861 übernahmen drei Schwestern die Leitung des städtischen Kranken- und Pfründnerhauses, 1884 das von Johann Brandl gestiftete Waisenasyl (20 Betten); seit 1904 sind zwei Schwestern in der ambulanten Krankenpflege tätig. 9 Schwestern. Lengries (Krankenhaus). Am 30. Dezember 1886 übernahmen zwei Schwestern die Leitung des seit 1863 bestehenden Gemeindekrankenhauses. Nach Vollendung des Neubaues (1881, 40 Betten) wurde das alte Haus als Pfründneranstalt eingerichtet und einer Schwester unterstellt; in dieser wurde 1889 eine Kinderbewahranstalt eröffnet, die 1904 an die Schulschwestern überging. In besonderen Fällen üben die Schwestern auch ambulante Pflege aus. 5 Schwestern. Marwang. Krankenpflegestation und Nähschule, gegründet 21. April 1920 durch den Hauskrankenpflegeverein. 4 Schwestern. München (Vinzentinum). Am 25. März 1857 trafen auf Wunsch des Vinzenzvereins die ersten Schwestern in der Bogenhauserstraße (jetzt Öttingenstraße) zur Pflege armer und kranker Personen ein. Trotz ungünstiger Verhältnisse entwickelte sich das Werk langsam unter Schwester Adelinde, der späteren zweiten Generaloberin. Seit 1858 nahm man auch Waisenkinder an, die Ende der siebziger Jahre der Josephs- 201 anstalt in Haidhausen überwiesen wurden. 1860 weihte Erzbischof Gregor v. Scherr die Kapelle ein, in der die ehrwürdige Stifterin M. Alphons mit den bayrischen Schwestern oft die jährlichen Exerzitien abhielt. Seit 1878 wurden ältere weibliche Dienstboten aufgenommen (1882: 60). Für den Hausgottesdienst sorgten uneigennützig die Franziskanerpatres. 1903 wurde ein stattlicher Neubau an der Öttingenstraße aufgeführt mit prächtiger Kapelle. Der Westflügel dient als Studienpensionat für geistliche und weltliche Herren, der Ostflügel als Pensionat für alleinstehende Damen. Den Hausgottesdienst besorgte seither der in der Anstalt wohnende Jesuitenpater Duhr. 13 Schwestern. München-Haidhausen (St. Josephsanstalt). Am 1. Dezember 1858 wurde die Wirtschaftsführung des von dem Kaplan Joseph Gruber gegründeten St. Josephskinderheims in einem Mietlokale (Kirchenstraße 26) zwei Schwestern anvertraut. 1862 erfolgt die Gründung eines eigenen Heims Eggernstraße 6, das 1866 und 1873 erweitert wurde. 1863 übernahmen die Schwestern eine Kinderbewahranstalt, 1885 einen Mädchenhort, 1898 einen Knabenhort. Für diese drei Institute wurde 1897 in der Preysingstraße 21 ein Heim errichtet. In der unter einem geistlichen Inspektor stehenden, dem St. Josephsverein gehörenden St. Josephsanstalt und den abhängigen Kinderinstituten wirken 19 Schwestern, wovon sechs in der ambulanten Krankenpflege (seit 1876) tätig sind. München (Löwengrube 18). Krankenpflegestation, 1864 gegründet (fünf Schwestern); die Hausmiete und einen kleinen Teil des Unterhalts bestritt die Domkirchenfabrik aus den Zinsen gestifteter Kapitalien. 1920: 8 Schwestern. München (St. Annaanstalt). 1867 gründete P. Helan Mayerhofer O. F. M., Stadtpfarrer an St. Anna, eine Kinderbewahranstalt, die zuerst von zwei Schwestern des Herz-Jesu-Klosters geleitet und infolge Brandes aufgehoben wurde. 1868 erwarb der Gründer in der Bogenhauserstraße (jetzt Öttingenstraße 8) für diesen Zweck ein Haus, das bis 1875 Pensionäre aufnahm. 1872 eröffneten die Schwestern eine Mädchenerziehungsanstalt, die 1897 durch Stadtpfarrer P. Remigius Stadtler sehr vergrößert wurde (130 Kinder bis 16 Jahre, darunter ca. 40 Waisen, für welche Freiplätze gestiftet sind, finden Aufnahme). 18 Schwestern sind darin tätig für Kinderbewahranstalt, Jungfrauenverein und ambulante Krankenpflege. München-Giesing. Krankenpflegestation, gegründet 17. Oktober 1872 vom Vinzenzverein Giesing, der in der Pfarrhofstraße den (3) Schwestern ein Heim errichtete. 1908 wurde in der Gietlstraße (Nr. 1) ein Neubau erstellt aus Gaben, die Stadtpfarrer Wagner gesammelt hatte. Ein Krankenverein kommt zum Teil für den Unterhalt der Schwestern (jetzt 13) auf, die sich auch der Fürsorge verwahrloster Kinder widmen. München (Augenklinik Herzog K. Theodor). 1882 eröffnete Herzog Karl Theodor von Bayern im Krankenhaus zu Tegernsee eine Augenklinik mit einer Schwester, 1884 drei Schwestern; 1889/90 wurde im Schwabinger Krankenhaus eine Augenklinik eröffnet, sodann in der Giselastraße Nr. 17 (1891), Maria-Josephastraße (1891 -1893), Bismarckstraße (1894/95) nur für den Winter. Oktober 1895 erwarb der Herzog die jetzige Augenheilanstalt in der Nymphenburgerstraße Nr. 43; die Klinik, seit dem Tode des Herzogs (30. November 1909) von Dr. Zenker geleitet, ist seit 1900 selbständige Schwesternstation. 9 Schwestern. München-Au. Krankenpflegestation, gegründet 16. November 1881 durch den Elisabethenverein, der eine Mietswohnung stellte. 1912 siedelten die Schwestern in das vom Vinzenzverein erworbene Schwesternhaus Hochstraße Nr. 38 über. Für den Unterhalt kommen zum Teil auf: Elisabethen-, Vinzenzverein, und Verein der freien Vereinigung. 4 Schwestern. 202 München-Schwabing. Von 1874 bis 1910 leiteten die Schwestern das Schwabinger Krankenhaus. 27. September 1900 hatte Geistl. Rat Erlacher eine Station für ambulante Pflege gegründet. Bis 1909 wohnten die Schwestern Klemensstraße Nr. 29, später Viktor-Scheffelstraße Nr. 1. 1916 erwarb der Vinzenzverein Schwabing ein eigenes Schwesternhaus Bismarckstraße 30. 1920: 9 Schwestern. München (Deckersche Klinik). Seit 1897 sind die Schwestern in Dr. Deckers Magenklinik, jetzt Seestraße Nr. 4 (Neubau), tätig. 1920: 13 Schwestern. München (Lehrlingsheim). Seit 10. Januar 1904 führen die Schwestern den Haushalt im Lehrlingsheim in der Morassistraße Nr. 16. 1920: 4 Schwestern. München (Thorwaldsenstraße 16). Krankenpflegestation, gegründet 16. September 1904 durch Stadtpfarrer Thanner von St. Benno im Auftrag des Vinzenzvereins, der die Mietswohnung stellte und zum Teil für Unterhalt sorgt. Die Schwestern leiten auch Kinderschule und Mädchenhort (Erzgießerstraße 7). 1913 erwarb der Vinzenzverein ein Schwesternhaus in der Thorwaldsenstraße Nr. 16. 6 Schwestern. München (St. Wolfgangsanstalt). Im Oktober 1906 zogen vier Schwestern in die durch den Vinzenzverein erbaute St. Wolfgangsanstalt (Orleansstraße 11) ein, welche Schülern der Münchner Schulen ein Heim bieten soll. Auch wurde eine Kinderbewahranstalt, ein Knaben- und Mädchenhort eröffnet, der Knabenhort 1908 geschlossen, um Platz für die wachsende Zahl der Zöglinge zu gewinnen. Seit 1911 sind zwei Schwestern in der ambulanten Pflege tätig. 1920: 10 Schwestern. München (erzbischöfl. Palais). Seit 1. Dezember 1917 führen zwei Schwestern den Haushalt Sr. Eminenz des Herrn Kardinals und Erzbischofs M. v. Faulhaber. München (Salesianeranstalt Don Bosko). Seit 1. Dezember 1920 drei Schwestern zur Haushaltführung in der Salesianeranstalt. Niederaschau (Krankenhaus). Seit 11. September 1871 leiten die Schwestern das Distriktskrankenhaus (16 Betten für Kranke und 13 für Pfründner). 1873 kam eine dritte Schwester für Arbeitsschule und Volksschulindustrieunterricht. Jetzt vier Schwestern, die in Ausnahmefällen auch ambulante Pflege ausüben. Petershausen. Krankenpflegestation, Kinder- und Nähschule, gegründet 22. März 1910 durch Pfarrer Schmid. Benefiziat Rottmaier hatte das Schwesternhaus erbauen lassen (für den Kirchenfonds) und Kapital zum teilweisen Unterhalt gestiftet. 3 Schwestern. Tegernsee (Distriktskrankenhaus). Seit 1867 ist den Schwestern Pflege und Hauswirtschaft des von der Königin Karoline von Bayern gegründeten und 1882 erweiterten Distriktskrankenhauses (80 Betten für Kranke und alte Leute) anvertraut. Die 1882 von Herzog Karl Theodor gegründete Augenklinik ist 1899 dauernd nach München verlegt worden. 6 Schwestern. Tittmoning (Krankenhaus). Am 7. August 1865 übernahmen drei Schwestern das Krankenhaus (35 Betten) und Armenhaus (16 Betten). 6 Schwestern. Traunstein. Das von der Kongregation käuflich erworbene Kurhaus wurde 31. Mai 1917 bezogen. 14 Schwestern. Waging (Kranken- und Armenhaus). In die von dem Münchner Dompropst Dr. J. v. Brand gestiftete Anstalt zogen im März 1897 zwei Schwestern; 1900 Neubau, der 1908 erweitert wurde. 1920: 3 Schwestern. Wolfratshausen (Distriktskrankenhaus). Seit 1. Oktober 1891 zwei Schwestern im Krankenhaus. 1915 Neubau. 1920: 6 Schwestern. 2. Erzdiözese Bamberg. 203 Aisch. Krankenpflegestation, Kinder- und Nähschule, gegründet 11. November 1919 durch den Verein für Jugendfürsorge und ambulante Krankenpflege. 4 Schwestern. Bamberg (Heinrichsdamm 13). Am 8. Oktober 1872 kamen die ersten drei Schwestern nach Bamberg auf Veranlassung eines interkonfessionellen Vereins, der ihnen ein Haus in der Storchgasse anwies. Neben der Krankenpflege leiteten sie eine Krippen- und Kinderbewahranstalt. 1873 wurde in der Fleischstraße für 9000 Gulden ein geeignetes Haus erworben. Die Kaufsumme bestritten Generalvikar Thumann und Frau Flierl. Da die Schwestern noch keine Korporationsrechte besaßen, wurde das Haus auf die erzbischöfliche Klerikalseminarstiftung überschrieben. Die Schwestern bezogen es 1. Mai 1874, erhielten auch eine Kapelle. Die Krippe war eingegangen, die Bewahranstalt blieb in der Storchgasse und wurde vom Dompfarramt übernommen; für die Auslagen kam der 1871 gegründete Schulverein auf, der 1897 die Anstalt nach der Michelsbergstraße (Nr. 3) verlegte. Wegen der wachsenden Anzahl der Schwestern wurde dank edlen Wohltätern am Heinrichsdamm ein stattliches Schwesternhaus erbaut, das am 15. Juni 1892 von 15 Schwestern bezogen wurde. Am 18. Januar 1898 starb der Lyzealprofessor Dr. Heinrich Weber, der für die Niederbronner Schwestern in Bamberg und in andern Niederlassungen ein hochherziger Wohltäter und unermüdlicher treuer Freund und Berater war. Er hat für die Schwestern ein beliebtes Gebetbuch verfaßt ("Rosenkranz und Kreuzweg" - Rixheim 1889-, 492 S., auch ins Französische übersetzt). 1908 wurde eine Schwester mit der städtischen Lungenheilfürsorge betraut. Ein Schwesternverein und die Stadt decken zum Teil die Unterhaltungskosten der Schwestern, deren Zahl jetzt 17 beträgt. Bamberg (St. Josephsanstalt). Im März 1880 wurde die Leitung der durch den St. Josephsverein gegründeten Knabenwaisenanstalt (am Jakobsplatz) den Schwestern übertragen. 1915 wurde sie erweitert. Ende 1920 wirken hier 10 Schwestern, von denen eine im Auftrag des Kinderschulvereins die Kinderschule in der Michelsbergstraße leitet. Bamberg (Krippenanstalt). Für die 1896 in der St. Josephsanstalt errichtete Kinderkrippe erwarb der interkonfessionelle Krippenverein ein eigenes Heim am Weidendamm (Nr. 21). Im Jahre 1907 teilte sich der Verein in zwei konfessionelle Abteilungen. Das bisherige Lokal wurde dem katholischen Krippenverein überschrieben. 2 Schwestern. Bamberg (St. Elisabethenanstalt). Am 19. November 1897 übernahmen zwei Schwestern die von Domkapitular Dr. Lahner gegründete Elisabethenanstalt für Waisenmädchen. Zunächst in dem der Kongregation gehörigen Hause Michelsbergstraße Nr. 4 (mit 4 Kindern begonnen) untergebracht, siedelte sie in die vom Taubstummenverein gekaufte Appelsche Villa am Jakobsberg (Nr. 34) über; 1908 wurde dank größeren Zuwendungen des Domkapitels die Villa Michel erworben und zweckdienlich eingerichtet, und 1914/15 wurde die Anstalt bedeutend vergrößert, so daß sie jetzt für 70 Kinder Raum hat. Seit 1917 unterhält die Anstalt ein Seminar zur Ausbildung von Ordenskandidatinnen als Handarbeitslehrerinnen und Kindergärtnerinnen. 10 Schwestern. Burgebrach. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 12. Dezember 1901 durch Herrn Dekan Hau (gest. 1903), der zum Teil aus eigenen Mitteln auf den Namen der Zivilgemeinde ein Anwesen erwarb und ein Schullokal errichtete. Pfarrer Schneider ließ zum Teil auch auf eigene Kosten ein Stockwerk auf das Schwesternhaus aufführen. Gemeinde und Schwesternverein bestreiten den Unterhalt der drei Schwestern. 204 Erlangen (Harfenstraße 21). Krankenpflegestation, gegründet 4. Mai 1888. Ein 1911 gegründeter Krankenverein, der zum Teil für den Unterhalt der Schwestern aufkommt, erwarb das heutige Schwesternhaus. 1908 war ein Neubau für die Kinderschule errichtet worden. Seit 1904 wirken zwei Schwestern in der Universitätspoliklinik. 6 Schwestern. Erlangen (Bruckerstraße 144). Im März 1912 wurde eine Schwesternniederlassung für die Arbeiterfamilien der Baumwollspinnerei Erlangen gegründet, nachdem schon 1911 eine Schwester aus der Harfenstraße eine Kinderschule eröffnet hatte. 1912 wurde eine Kinderkrippe (mit 12 Betten), 1913 ein Mädchenhort und eine Arbeitsschule gegründet. Die Aktiengesellschaft stellte das Schwesternhaus und sorgt für den Unterhalt. 4 Schwestern. Frensdorf. Krankenpflegestation, Kinderschule, Altersheim für Schwestern, gegründet im November 1920, im Erbgut der Schwestern Jllidia und Rogatian. 3 Schwestern. Fürth. Krankenpflegestation, gegründet 16. September 1895; die drei Schwestern wohnten drei Jahre unentgeltlich bei den Eheleuten Schilling, dann in einer von dem Krankenverein (gegründet durch Stadtpfarrer Späker) gestellten Mietswohnung; 1910 wird ein eigenes Schwesternhaus in der Lessingstraße (Nr. 2) erworben. Die Schwestern (heute 8) leiten eine Kinderschule (seit 1916) und den Dienstmädchenverein. Gößweinstein. Krankenpflegestation, Kinder- und Nähschule, gegründet 19. April 1917 durch Reichsrat Franz Weidinger, in dessen Elternhaus die vier Schwestern wohnen. Höchstadt a.d. Aisch. 1898 wurde durch Bürgermeister Gmeiner zwei Schwestern das (1513 gegründete) Bürgerspital anvertraut. 1903 kam eine dritte Schwester für ambulante Krankenpflege. 1920: 3 Schwestern. Kronach (Städtisches Krankenhaus). Am 8. September 1882 übernahmen drei Schwestern das städtische Kranken- und Pfründnerhaus; 1889 kamen zwei Schwestern für ambulante Krankenpflege. 1892 wurde das Greisenasyl in der Kulmbacherstraße mit dem Krankenhaus verbunden. Heute 10 Schwestern. Kronach (Distriktskrankenhaus). Seit 1. Januar 1895 zwei Schwestern im Distriktskrankenhaus. 1903 Neubau, seither 4 Schwestern. Lichtenfels. Krankenpflegestation, gegründet im März 1889. Die Gemeinde, die zum Teil für den Unterhalt der Schwestern (zuerst 3, jetzt 9) sorgt, hatte 1887 mit Hilfe der Stiftung des Dekans Unrein ein Schwesternhaus erbauen lassen, das 1909 vergrößert wurde. Die Schwestern sind auch in der Tuberkulosenfürsorge tätig. Neunkirchen a. Brand. Krankenpflegestation, gegründet 18. November 1912. Der Elisabethenverein bestreitet Wohnungsmiete und Unterhalt. 4 Schwestern. Nürnberg (St. Josephshaus) Krankenpflegestation, gegründet 29. September 1890 durch Geistl. Rat Kreppel. Die fünf Schwestern wohnten zuerst Fünfzehnerplatz Nr. 10, dann Winklerstraße Nr. 11 auf Kosten des Vereins für Krankenpflege. 1897 erwarb Rechtsanwalt Dr. Stapf das Anwesen Harmoniestraße Nr. 28, als das St. Josephshaus den Schwestern eingeräumt wurde. Für den Unterhalt kommt zum Teil der Verein auf. Jetzt wirken 18 Schwestern in der Niederlassung. Nürnberg-Wetzendorf. Am 15. Oktober 1897 wurde die in der Augustenstraße (Nr. 19), später Amalienstraße (Nr. 19) durch den edelgesinnten Israeliten Herz gegründete Wärmestube zur Austeilung von Suppen an Arme zwei Schwestern übertragen. 1300 Kinder und 900 Erwachsene besuchten sie täglich; in einem Winter kamen ca. 800000 Teller Suppe und 600000 Portionen Brot zur Verteilung. Für die Ausgaben kam der Wärmestubenverein auf. 1898 kam eine Schwester für ambulante 205 Krankenpflege. Herz (gest. 7. September 1897) ließ auch die Hauskapelle ausstatten. Er hat auch einen Mädchen- und Frauenverein gegründet, um ein Dienstmädchenheim zu ermöglichen, für das im angrenzenden käuflich erworbenen Anwesen ein am 7. Dezember 1901 eröffneter Neubau aufgeführt wurde. 1907 vertraute der Karitasverein Nürnberg den Schwestern je eine Kinderschule im Bezirk Neuwetzendorf und St. Leonhart an. Seit 1912 läßt die städtische Armenpflege durch die Schwestern armen Schulkindern Essen verabreichen. 9 Schwestern. Nürnberg (Marienhaus). Am 1. Mai 1910 übernahmen drei Schwestern das in der Harmoniestraße (Nr. 28) gelegene, an das St. Josephshaus angrenzende Marienhaus (für stellenlose Mädchen, alleinstehende erwerbstätige Frauen, Schülerinnen). Auch die durch den Karitasverein für die Kinderschulen in den Bezirken Wöhrd und Glaishammer berufenen Schwestern wohnen im Marienhaus, das von dem Krankenpflegeverein erbaut und dem Mädchenschutzverein vermietet ist. 6 Schwestern. Nürnberg (Humboldtstraße 129). Krankenpflegestation, gegründet durch Dekan Stähl von der Herz-Jesu-Pfarrei am 20. Oktober 1915. Für Mietwohnung und zum Teil für den Unterhalt kommt der Verein für Krankenpflege der Niederbronner Schwestern auf. Zuerst 3, jetzt 6 Schwestern. Nürnberg (Versorgungslazarett I und II). Die während des Krieges in das Garnisonslazarett (jetzt Versorgungslazarett) berufenen drei Schwestern wurden nach 1918 beibehalten; 1920 pflegten in den Abteilungen I und II acht Schwestern. Reichmannsdorf. Krankenpflegestation und Kinderschule, durch Freifrau v. Schrottenberg am 15. Oktober 1910 gegründet, die ein Schwesternhaus einrichtete und für ihren dauernden Unterhalt ein Kapital stiftete. 3 Schwestern. Scheßlitz (Distriktskrankenhaus). Seit 1. Juli 1881 leiten die Schwestern das 1889 und 1893 vergrößerte Distriktskrankenhaus (30 Betten). 1902 wurde die Landkrankenpflege eingeführt; seit 1913 ist eine Schwester in der Lungenfürsorge tätig. 5 Schwestern. Scheßlitz (Pfründnerhaus). Am 1. Februar 1920 übernommen. 2 Schwestern. Seßlach (Distriktskrankenhaus). Am 1. September 1897 kamen zwei Schwetern in das kleine Distriktskrankenhaus und Pfründnerhaus (Flenderische Stift), 1898 zwei Schwestern für ambulante Stadtkrankenpflege, Kinderschule und Industriewinterschule der Volksschülerinnen, 1905 eine Schwester für Landkrankenpflege. Der Krankenverein sorgt zum Teil für den Unterhalt. 5 Schwestern. 3. Diözese Augsburg. Benediktbeuern (Krankenhaus). Seit 12. Oktober 1892 ist das Gemeindekrankenhaus für Benediktbeuern und Kochel unsern Schwestern anvertraut. 4 Schwestern. Faulenbach (St. Ulrichsheim). Zwei Schwestern führen seit 23. März 1904 das von Bischof Maximilian v. Lingg von Augsburg gegründete Erholungsheim für Priester. Im Winter Kochkurse für die Mädchen des Orts. 1920: 3 Schwestern. Füssen (Stadtspital). Am 1. April 1887 übernahmen drei Schwestern das städtische Krankenhaus. Nach Übersiedlung der Kranken in das neue Distriktskrankenhaus blieben nur die Gemeindepfründner zurück. Die sechs Schwestern üben auch die ambulante Pflege aus. Füssen (Distriktskrankenhaus). Seit 9. April 1894 wirken die Schwestern (zuerst 3, jetzt 6) im neugegründeten Distriktskrankenhaus. 206 Füssen (Fabrikkrankenhaus). Am 16. Juni 1888 zogen zwei Schwestern in das Krankenhaus der Seilerfabrikaktiengesellschaft. Seit 1911 Fabrikkinderkrippe. Jetzt 5 Schwestern. Neu-Ulm. Krankenpflegestation, gegründet 1. Juli 1899 durch Bürgermeister Kollbach. Ein Krankenverein sorgte für Unterhalt und Mietswohnung; 1905 erwarb die Kongregation ein kleines Haus in der Donaustraße (Nr. 3) und eröffnete eine Arbeitsschule. Einen namhaften Teil der Kaufsumme gab Frau Nadler. Fräulein Schühle (gest. 1909) vermachte der Kongregation ihr Haus in der Augsburgerstraße (Nr. 8) als Schwesternheim. 5 Schwestern. 4. Diözese Eichstätt. Eichstätt (Städtisches Altersheim). Das frühere Distriktskrankenhaus, wo die Schwestern seit 1. August 1872 pflegten, ist jetzt Pfründnerhaus. 1920: 4 Schwestern. Eichstätt (Kreszentiaheim). Krankenpflegestation, am 10. Oktober 1914 als eigene Filiale in dem vom Vinzenzverein am Graben gemieteten Kreszentiaheim eröffnet, nachdem seit 1885 die ambulante Pflege vom Krankenhaus aus geübt worden war. 1915 erwarb der Verein ein eigenes Schwesternhaus. 7 Schwestern. Hilpoltstein (Kranken- und Waisenhaus). Am 1. März 1858 übernahmen drei Schwestern die Krankenpflege im Spital (heutiges Bezirksamtsgebäude), worin seit 1860 auch verwahrloste Mädchen Aufnahme fanden. Beide Anstalten wurden 1878 in die jetzigen dem Bezirk gehörigen Gebäude verlegt; 1907 wurde das Kinderheim durch einen Anbau erweitert. Seit 1885 leitet eine Schwester die Kinderbewahranstalt in einem dem Kirchenfonds gehörigen Lokal. Waisenhaus und Krankenhaus bilden seit 1918 zwei selbständige Stationen, jenes mit 5, dieses mit 3 Schwestern. Kipfenberg (Distriktskrankenhaus). Seit 12. Oktober 1867. 3 Schwestern. Neumarkt (Provinzialhaus und Noviziat). Das frühere Kurhaus Wildbad in der Oberpfalz, am Fuße des Mariahilfsberges, wurde im Jahre 1920 von der Kongregation für 480000 Mark erworben, um daraus das Provinzialhaus und Noviziat der bayrischen Provinz zu machen. Am 24. Juli 1920 ist dieses Noviziat kanonisch errichtet worden. Das Haus zählte Ende 1920 15 Schwestern, 66 Novizinnen, 35 Postulantinnen. Zum Spiritual ist ernannt der hochw. Herr Mader. Seligenporten. Krankenpflegestation, gegründet 10. Oktober 1920 durch den Krankenpflegeverein, und Kleinkinderschule. 2 Schwestern. 5. Diözese Passau. Neuötting (Spital). Am 1. November 1881 kamen in das 1426 gegründete und jetzt baulich ganz erneuerte Heiliggeistspital drei Schwestern, die 1882 auch das Kecksche Waisenstift mit zehn Mädchen übernahmen. 1891 wurde ein eigenes Haus für zahlende Pensionäre erbaut (seit 1896 "St. Josephsstift"). Seit 1894 war eine schwester in der ambulanten Pflege tätig. 5 Schwestern. Neuötting (Klostergasse 6). Seit 20. Januar 1901 ist in dem von den Eheleuten Bittl gestifteten Haus der Klostergasse eine eigene Station für ambulante Krankenpflege eröffnet. Eine Kapitalstiftung derselben Wohltäter sicherte den Unterhalt. 3 Schwestern. 6. Diözese Regensburg. 207 Aus der einzigen Niederlassung in dieser Diözese, dem Knabenwaisenhaus in Eschelbach, sind die Schwestern im Jahre 1920 zurückgezogen worden, nachdem sie seit 24. April 1867 dort gewirkt hatten. 208 Drittes Kapitel. Frankreich. Als die Genossenschaft in dem elsässischen Niederbronn gegründet wurde, war das Elsaß eine französische Provinz. Die Regierung des zweiten Kaiserreiches hat, wie wir gesehen haben, die Kongregation durch Dekret vom Jahre 1854 staatlich anerkannt. Sie war also eine französische Ordensgesellschaft. Allein da die zuströmenden Mitglieder zunächst vorwiegend aus dem deutschredenden Elsaß, auch aus der Pfalz und dem südlichen Deutschland kamen, erklärt sich, daß der Wirkungskreis der Schwestern sich mehr auf das Elsaß und Süddeutschland, ja bis Österreich und Ungarn ausdehnte als auf das innere Frankreich. Im Jahre 1870 befanden sich, wenn man von Elsaß-Lothringen absieht, von 95 Niederlassungen nur 11 im französischen Inlande. Das will jedoch nicht besagen, daß man hier die neuaufblühende Kongregation auch späterhin noch mit dem Mißtrauen betrachtete, das ihr in den allerersten Jahren aus vielen Kreisen entgegengebracht war. Die heroische Tätigkeit der Niederbronner Töchter während des schrecklichen Cholerajahres 1854 in den Dörfern des Vogesenund Moseldepartements hatte die Vorurteile gründlich zerstreut. Aber das Frankreich des zweiten Kaiserreiches verfügte selbst über reichlich viele religiöse Genossenschaften, die sich den Werken der Nächstenliebe widmeten 372). Als im Jahre 1868 der Pariser Fabrikbesitzer Emil Müller für ein von ihm gegründetes Waisenhaus zu Jvry-sur-Seine vier Niederbronner Schwestern begehrte, deren Wirken er von seiner Vaterstadt Mühlhausen her schätzte, hatte er Mühe, von dem Erzbischof Darboy von Paris die Genehmigung dazu zu erhalten, weil ja die Pariser Erzdiözese genug Kongregationen für diesen Zweck hätte. So erklärt sich ohne weiteres das verhältnismäßig langsame Anwachsen der Niederlassungen in den außerstraßburgischen Bistümern des Landes. Aber überall, wo sie ihre Wirksamkeit entfalteten, wußte man sie wohl zu schätzen. Bezeichnend für diese Wertschätzung sind die Urteile des Episkopates. Nicht ohne Interesse ist auch ein Gutachten, das der Militärgeistliche Vincent Bougereau auf besonderen Wunsch des vorgenannten Fabrikanten Müller über das Wirken der Schwestern in Ivry abgab. Er schreibt 373): "Zuerst beglückwünsche ich Sie über die Auswahl des Ordens, die Sie getroffen haben; er ist ausgezeichnet durch den Geist der Einfachheit und Hingebung, welcher diese Ordensfrauen beseelt. Ich habe sie so gut beobachtet und kann nach meinem Gewissen versichern, daß sie für diese armen Kinder durch die fromme, unermüdliche und erleuchtete Sorge, die sie ihnen angedeihen lassen, eine köstliche Vorsehung sind. Einfachheit und Opferwilligkeit, verbunden mit der nötigen Festigkeit, sind nach meinem Dafürhalten die Quelle des Erfolges, den sie über die verwahrlosten Naturen dieser armen kleinen Lehrjungen und Arbeiter davongetragen haben.... 374) Ich kenne viele religiöse Frauengenossenschaften; ich habe mit ihnen in Berührung gestanden, teils im Kolleg als Schüler und Lehrer, teils in der Seelsorge und im Spital, wo ich wohne 375); aber ich muß es zur Ehre Ihrer Schwestern sagen: keine hätten Sie mit so viel Hingabe und Verständnis unterstützt. Dies hängt mit einer ganz besonderen Leitung zusammen, welche die Gründer der Genossenschaft in so glücklicher Weise ihren Mitgliedern haben angedeihen lassen. Denn ich nehme an, daß der Geist, der diese guten Schwestern beseelt, in der ganzen Genossenschaft regiert, und daß sie das Gute, das sie hier wirken, überall hervorbringen. Kurz gesagt: Ihre Schwestern sind fromm, aber von einer offenen, erleuchteten Frömmigkeit, die sich allen mitzuteilen versteht. Sie sind eifrig, tatkräftig und betätigen ihren erhabenen Beruf zur allgemeinen Erbauung. Ich bin glücklich, daß ich ihnen dieses Zeugnis ausstellen kann. Indessen ist mir noch etwas 209 aufgefallen: nämlich der Familiengeist, der unter ihnen herrscht, die Liebe, das gegenseitige Ertragen, das leider auch den Klosterfrauen oft so schwer fällt, haben mich oft gerührt. Ich habe sie darob oft beglückwünscht und sie aufgefordert, auf diesem so echt christlichen Wege zu verharren. Diese Eigenschaften der kleinen Gemeinschaft habe ich vor allem ihrer Oberin, der Schwester Tharsille, zugeschrieben. Diese treffliche Ordensfrau, die während der Belagerung von Paris und besonders während der Revolutionstage so mutig war, hat uns mit großer Liebenswürdigkeit und Hingebung die größten Dienste geleistet. Auch in den gefährlichsten Augenblicken dieser traurigen Heimsuchung sah ich sie nie den Mut verlieren. Wenn ich dieses erwähne, zahle ich nur eine alte Dankesschuld ab für alle die Dienste, die sie mir erwies...." Nach dem Frankfurter Frieden dachte man in französischen Kreisen nicht an eine Lostrennung vom Mutterhaus. Die republikanische Regierung betrachtete das Haus in Epinal als französisches Kongregationshaus, mit dem alle Fragen zu erledigen waren. Sonst blieb alles beim alten. Gerade damals, nach dem Kriege, setzte eine steigende Verbreitung der Niederbronner Schwestern in Frankreich ein. Von dem 1880 einsetzenden "Kulturkampf" der radikalen Regierung blieb die Genossenschaft verschont. Unbekümmert um die immer weiter sich ausdehnende kirchenfeindliche Strömung schritt die Gründung neuer Filialen weiter. Mitten im schärfsten Kampfe, im Jahre 1901, wurde in der Diözese Reims die Station Rimogne gegründet. Nur vereinzelt wurde die Kongregation von den kulturkämpferischen Maßnahmen der Kirchenfeinde betroffen. So mußte 1906 das Waisenhaus Paris-Menilmontant seine Unterrichtsschule schließen, ebenso das Waisenhaus zu Gérardmer (Vosges). Und am 1. August wurden durch Ministerial-erlaß die Niederlassungen zu Braux und Nouzon (Ardennen) aufgehoben. An andern Orten trat die Bevölkerung energisch für die Beibehaltung der Schwestern ein. Dann ebbte die antiklerikale Hochflut ab. Die Popularität der Schwestern war nur gewachsen; während des Weltkrieges bewiesen sie erst recht ihre Unentbehrlichkeit. Clémenceau suchte kein anderes Krankenhaus auf als die Klinik der Rue Bizet in Paris. Seit Kriegsende kann die Kongregationsleitung den vielen Anfragen um neue Niederlassungen bei weitem nicht genügen. Doch ist auch die Zahl der französischen Postulantinnen gewachsen. Die Niederlassungen verteilen sich auf folgende Diözesen: 1. Erzdiözese Besançon. Belfort (Rue Grande Fontaine 18). 3. Januar 1861 kommen auf Bitten des Magistrats drei Schwestern für ambulante Krankenpflege, wohnen zuerst in der Nähe des Rathauses, dann im Rathaus, 1880 (6 Schwestern) Rue du Quai; leiten Suppenanstalt des Vinzenzvereins, 1883 Nähschule, seit 1885 Abgabe von Kleidern, Heizungs- und Nahrungsmittel für Arme, 1891 jetzige Wohnung. Seit 1899 Mädchenpatronage in einem von Herrn Alfred Engel gestellten Lokal. 11 Schwestern. Belfort (Rue de Strasbourg 23). 6. April 1886 gegründet auf Betreiben des Herrn Pfarrers Humbrecht von St. Joseph (zurzeit Erzbischof von Besançon) für ambulante Krankenpflege; bis 1889 auch Suppenanstalt des Vinzenzvereins, 1898 - 1905 Krippe. Mädchenpatronage. Nähschule. 6 Schwestern. Lure (Dep. Haute-Saône). 1877 durch Unterstüzung der Frau Petitjean gegründet für Hauskrankenpflege. Die Stadt logiert die Schwestern und trägt zu ihrem Unterhalt bei. 1892 - 1904 Austeilung von Almosen der öffentlichen Armenpflege. 4 Schwestern. 210 Mamirolle (Dep. Doubs). 15. Oktober 1873 zwei Schwestern in dem von dem Senator Monnot-Arbilleur gegründeten, von Frl. Bartoli seit 1893 und nach deren Tod (1919) von Kommandant Marquiset unterstützten Greisenasyl. 3 Schwestern. Ornans (Dep. Doubs). 15. Dezember 1853, durch Herrn v. Vereia gegründete Station für Armenfürsorge und Hauskrankenpflege. 3 Schwestern. 2. Diözese Châlons. Châlons-sur-Marne. 4. Februar 1859 übernahmen vier Schwestern das städtische Greisenasyl St. Jacques, das durch die Oberin, Schwester Xavier (gest. 1886), zur Blüte gebracht wurde. Unter ihrer zweiten Nachfolgerin, Schwester Eulalie (gest. 1906), wurde ein Neubau aufgeführt, der durch die Bemühungen der Schwester Valère im Jahre 1913 eine schmucke Kapelle erhielt. 1920: 12 Schwestern. 3. Diözese Dijon. Châtillon-sur-Seine (Dep. Côte d'or). 1. Oktober 1868 anläßlich einer Typhusepidemie durch Bürgermeister Couvreux mit drei Schwestern für Hauskrankenpflege eröffnet. Die Gemeinde stellte die Wohnung im frühen Pfarrhause nebst jährlicher Vergütung. 1895 Erweiterung des Hauses durch die Société civile commerciale, welche auch 1919 einen Garten außerhalb der Stadt für die Schwestern erwarb. 6 Schwestern. Laignes (Dep. Côte d'or). Station für Hauskrankenpflege und Leitung des von Frl. Fays-Buisson gestifteten Gemeindespitals, gegr. 24. März 1894. 3 Schwestern. 4. Diözese Langres. Langres. 1. Juni 1857 auf Wunsch des Dompfarrers Hutinel mit vier Schwestern für Hauskrankenpflege eröffnet. Wohnung seitens der Stadt; 1868 durch Legat der Gräfin de Rouvres an die Stadt eigenes Schwesternhaus, Rue Boulière 15, auch Unterhalt. 1920: 8 Schwestern. 5. Diözese Laval. Bouère (provisorisches Noviziat) Juni 1918 bis Juli 1919. 6. Diözese Lille. Lille (Rue Colbert). Station für Armen- und Krankenpflege, 25. März 1882 in der Rue Colbert eröffnet, 1887 durch Neubau bedeutend vergrößert. Seit 1886 eigene Schwester für die Arbeiten der Société de secours aux ouvriers malades des fabriques de Lille; 1908 übernahm eine Schwester die Krankenpflege im Arbeiterviertel Fives und die religiöse Beeinflussung der verwahrlosten Jugend. Seit 1898 Leitung des Œuvre du vestiaire des écoles der Pfarreien St. Pierre et Paul und St. Benoît Labre. 1909 übernahm in der Pfarrei St. André eine Schwester die Leitung eines Nähkurses für Arbeiterfrauen, im April 1910 eine andere Schwester einen Handarbeitskurs in dem nahen Mons-en-Baroeuil. Erwähnt sei noch, daß die Œuvre municipale du prêt de linge auf Stadtkosten die Schwestern mit der nötigen Wäsche für arme Kranke versieht. 20 Schwestern. Roubaix. 1886 durch den Stadtpfarrer von St. Martin, Kanonikus Bertaux, und Frau Elise Motte mit drei Schwestern eröffnet. 1888 bezogen sie das von dieser Dame (gest. 3. Oktober 1888) vermachte Haus auf der Place de la Liberté. 1897 Vergrößerung des Hauses und Kapelle. Andere Werke: Nähkurs für die Arbeiterinnen der Fabrik Lepoutre; Mädchenpatronage; Euvre du prêt de linge für arme Kranke, 211 gestiftet 1888 von dem Ehepaar Louis Wattine-Hovelacq, das jährlich ca. 125000 Wäschestücke verleiht. 23 Schwestern. La Madeleine-lez-Lille. 15. Oktober 1895 auf Bitten des Ortspfarrers Dezitter und mit Hilfe wohltätiger Damen als Station für Kranken- und Armenpflege eröffnet. Fräulein Cussac stellte die Wohnung, die nach dem Tode derselben von Frau Witwe Boselli käuflich erworben und den Schwestern zur ständigen Verfügung gestellt wurde; 1910 umgebaut und mit Kapelle versehen. 8 Schwestern. 7. Diözese Nancy. Lunéville. 16. Oktober 1855 mit vier Schwestern eröffnet für ambulante Krankenpflege; sie wohnten zuerst Rue des Bosquets 22, von 1864 - 1872 Grande Rue 31; 1872 - 1876 in einem von Pfarrer Duplessy erbauten größeren Haus in der Rue de Moncel, wo ein Damenpensionat eröffnet wurde, das 1876 einging. Im Sommer 1874 war eine zweite Station in der Rue St. Elisabeth 17 gegründet worden. 1879 bezogen sie endgültig das Anwesen Rue de Moncel 2, das die Kirchenfabrik von St. Jacques angekauft hatte; 1893 ließ die Kongregation ein Stockwerk auf das Haus bauen, das 1906 der Staat in Verwaltung nahm und gegen Mietzins den Schwestern überließ. Bis 1914 besorgten sie auch die Anfertigung von Kleidern für 200 arme Schulkinder jährlich. 9 Schwestern. Nancy. Am 21. März 1884 kamen drei Schwestern auf Begehr des Herrn Pfarrers Trouillet nach dem Vorort Malzéville; sie wohnten in einem ihm gehörigen Haus, das nach seinem Tod (1885) verkauft wurde. Nun siedelten die Schwestern nach Nancy über in die Rue de Thionville, wo sie in der Krankenpflege reichlich Beschäftigung fanden. 1897 eröffneten sie (Rue Ste. Marie 1) auf Wunsch des Chirurgen Vautrin eine chirurgische Klinik mit 20 Schwestern. Ende 1920 war die Zahl auf 25 gestiegen. Pont-à-Mousson (Place St. Antoine 20). 18. Mai 1853 bezogen drei Schwestern ein von Herrn Noisette unentgeltlich zur Verfügung gestelltes Haus; 1872 leistete die Gemeinde einen Unterhaltszuschuß. Später erfolgte die Aufnahme von Waisenmädchen, und edle Wohltäter ermöglichten die Vergrößerung des Hauses, in dem die Waisen bis 1886 verblieben. Nachher bloß Krankenpflegestation. 1916 stark beschädigt. 5 Schwestern. Pont-à-Mousson (Asile départemental de St-François d'Assise). Armenhaus, Stiftung des Frl. Leuternier aus Diedenhofen, übernommen 19. März 1885, durch das Bombardement 1914 ganz zerstört und jetzt aufgehoben. Pont-à-Mousson (Waisenhaus). 2. Juli 1886 bezogen die Waisenkinder von der Place St. Antoine das von Frau Magot de Rogéville gestiftete Waisenhaus, das der Stadtgemeinde überwiesen wurde. Im Krieg stark beschädigt. 3 Schwestern. Rosières-aux-Salines (Spital). Am 22. März 1892 übernahmen drei Schwestern die Leitung des von Frau Viktor Poirel der Stadt Nancy vermachten Hospizes für Rekonvaleszenten des städtischen Krankenhauses zu Nancy. 4 Schwestern. 8. Erzdiözese Paris. Paris (Rue Georges Bizet 23). Dieses sehr bedeutende Krankenhaus hat eine Vorgeschichte. Im März 1868 kamen auf Begehren des Fabrikanten E. Müller vier Schwestern für das von ihm gestiftete Knabenwaisenhaus nach Jvry-sur-Seine. Infolge des Krieges 1870 ging dieses ein, die Schwestern blieben nachher zur Ausübung der Krankenpflege in dem Hause, bis im Jahre 1879 Herr Müller ihnen kündigte. Seit 1875 212 hatten sie Waisenmädchen aufgenommen. Abbé Charles, Pfarrer von St. Pierre du Chaillot in Paris, stellte den Schwestern das Haus Rue Georges Bizet 23 zur Verfügung, das die Genossenschaft erwarb. 1. April 1881 zog die Oberin Schwester Theobaldine mit acht Schwestern ein. Die Waisen fanden anderweitig Unterkunft (s. das Folgende). Nach schwierigen Anfängen blühte die neue Station auf; 1886 waren 25 Schwestern tätig, das Haus wurde vergrößert. Als der berühmte Chirurg Prof. Terrier 1888 Schwester Theobaldine operierte, bat er, im Hause seine Kranken aufzunehmen. Man sagte zu, und die Anfänge der später so bekannten Klinik waren gelegt. Die Genossenschaft errichtete 1895 ein neues Krankenhaus, das von zahlreichen Chirurgen benutzt wurde. Die Zugkraft des Hauses, wo z. B. 1912 auch Clemenceau sich behandeln ließ, bewirkte, daß es am 21. August 1911 die staatliche Autorisation erhielt. 1912 - 1914 erfolgte eine weitere bauliche Ausdehnung. Im Krieg wurde es Lazarett, meist für Offiziere; unter andern wurde der bei den Dardanellen verwundete General Gouraud hier gepflegt. Weitere Vergrößerung ist vorgesehen. 46 Schwestern. Paris-Ménilmontant (Rue du Retrait 9, Waisenhaus). 25. März 1881 von den Waisenmädchen von Jvry bezogener Neubau. Die Anstalt, die 1913 80 Waisenmädchen zählte, ist ganz auf die christliche Wohltätigkeit angewiesen. Ein Teil der Schwestern widmet sich der Hauskrankenpflege, auch leiten sie zwei Mädchenpatronagen, ein Damenouvroir und geben Katechismusunterricht. 21 Schwestern. Paris (Rue des Pyrénées 48). 29. September 1885 mit zwei Schwestern eröffnete Station für ambulante Krankenpflege; bis 1887 Rue Bel-Air 4, dann Rue des Pyrénées 48. 1913 hat der Staat das Haus unter Sequester genommen und läßt die Schwestern Miete bezahlen. Armendispensaire. 1912 bis 1920 Mädchenpatronage mit Nähschule in der Pfarrei der Unbefleckten Empfängnis, Ferienkolonie in Louannec in der Bretagne. 9 Schwestern. Paris (Rue Philippe de Girard 15). Krankenpflegestation, am 19. März 1900 gegründet im volkreichen Arbeiterviertel von St. Laurent durch Herrn Pfarrer Olmer (der auch die vorausgehende Station gründete). Das Haus gehörte der Kirchenfabrik und ist vom Staat sequestriert und gegen Miete den Schwestern belassen worden. 11 Schwestern. Le Perreux (bei Paris). Krankenpflegestation, durch Herrn Pfarrer Ferdinand 12. Oktober 1892 gegründet; 1894 Mädchenpatronage. Die Schwestern helfen im Katechismusunterricht der Pfarrei. Das 1909 renovierte Haus gehört der Société immobilière de la région Parisienne. 6 Schwestern. Fontenay-sous-Bois (Seine). Krankenpflegestation, gegründet 18. September 1886 durch Pfarrer Salmon. Zuerst in Mietswohnungen, beziehen die Schwestern 1896 ein von Frau Depille gestiftetes Anwesen. 1897 Mädchenpatronage. 1912 ließ ein edler Wohltäter, Herr Ruel, einen Neubau aufführen. 11 Schwestern. 9. Erzdiözese Reims. Avenay (Anstalt St. Joseph). Gegründet 25. März 1876 als Versorgungsheim für alte und kranke Leute beiderlei Geschlechts in einem von Frau Depret geschenkten Anwesen; 1880 Nebengebäude errichtet; am 15. August 1881 wurde die Kapelle durch Erzbischof Langénieux eingeweiht. 1920 Provinzialhaus. 10 Schwestern. Reims (Faubourg Cérès). 26. September 1887 gegründet durch Pfarrer Leonardy für Hauskrankenpflege im Arbeiterviertel. Andere Werke: christlicher Jugendunterricht, 1897 Mädchenpatronage mit Nähschule, wofür 1899 unter Pfarrer Froment ein neues Lokal erbaut wurde. 1906 Dispensaire, 1910 Œuvre de l'aiguille 213 prévoyante für sämtliche Mädchenschutzvereine der Stadt, wo die Mädchen zweimal wöchentlich an ihrer Ausstattung arbeiten. Im Krieg total zerstört. Die acht Schwestern haben provisorisch eine andere Wohnung bezogen. Reims (Rue de Pontgivart 26). 20. März 1895 als Station für ambulante Krankenpflege gegründet durch Pfarrer Leconte von St. Benoît; wohltätige Damen (Frau Charbonnaux, die 1898 das jetzige Schwesternhaus erstellte, Gräfin Bertrand de MunWerlé u. a.) sorgten für den Unterhalt. Andere Werke: seit 1898 Handarbeitsschule für Kinder, 1901 Nähstube für Arbeiterfrauen, 1911 Mädchenpatronage. Im Krieg stark beschädigt, aber wieder aufgenommen. 3 Schwestern. Reims (Rue Ponsardin 104). 10. September 1896 für Krankenpflege mit zwei Schwestern durch Pfarrer Martincourt von St. Maurice gegründet. Die Schwestern leiteten die Donnerstagsnähschule für schulpflichtige Mädchen und erteilten ihnen Katechismusunterricht. 1912 Mädchenpatronage der Pfarrei. Schwesternhaus Eigentum einer Zivilgesellschaft. Im Krieg ganz zerstört. Die 4 Schwestern jetzt in Miete. Rimogne (Ardennen). 21. März 1901 durch Pfarrer Gérard gegründet für ambulante Krankenpflege. Mädchenpatronage. Erteilung von Katechismusunterricht. 1919 bezogen die (2) Schwestern ein von Pfarrer Nicolas für sie erworbenes Haus. St. Brice und Courcelles. 10. November 1900 gegründet als Krankenpflegestation für die beiden von Arbeitern bevölkerten Ortschaften. Ein Komitee unter Vorsitz des Herrn Senart trug für den Unterhalt Sorge. Mädchenpatronage mit Nähkurs. 2 Schwestern. Le Waridon (Gemeinde Montcy bei Charleville). Seit 31. Juli 1920 führen drei Schwestern den Haushalt des Exerzitienhauses der Diözesanmissionäre und widmen sich in Montcy der Krankenpflege, dem Mädchenpatronage und dem Katechismusunterricht. Witry-lez-Reims. 8. September 1890 durch den Ortspfarrer Bonnaire für ambulante Krankenpflege gegründet; Mädchenpatronage. 1909 vermachte Frau Lamotte-Gory den Schwestern testamentarisch ein Haus als Wohnung; die Erben fochten das Testament mit Erfolg an; da steuerte die Bevölkerung das Geld zu einem Neubau bei, der 1912 bezogen werden konnte. Im Krieg zerstört, aber wieder aufgenommen durch 2 Schwestern, die vorläufig in ihrer notdürftig hergestellten Waschküche wohnen. 10. Diözese St. Dié. Celles-sur-Plaine (Hospital). 27. März 1894 kamen auf Wunsch der Armenverwaltung zwei Schwestern in das von der Familie Cayet gestiftete und durch Herrn Cartier eingerichtete Armen- und Krankenhospiz. 1896 kam eine dritte Schwester für ambulante Krankenpflege. Jetzt 4 Schwestern. Darney. 24. September 1890 bezogen drei Schwestern ein von Frau Witwe Mangin gestiftetes Haus für ambulante Krankenpflege. 5 Schwestern. Dompaire. Juni 1879 bezogen zwei Schwestern das von Pfarrer Margaine erbaute Haus, das er nach seinem Tode (16. Oktober 1896) der Armenverwaltung überließ als ständiges Schwesternhaus. Ambulante Krankenpflege, Ouvroir, seit 1906 im Winter Suppenküche für arme Volksschüler. 1920 wurden die Schwestern von der Armenverwaltung zur Leitung eines von Herrn Grandgeorges gestifteten Hospizes berufen. Ouvroir und Suppenküche seit dem Krieg aufgehoben. 4 Schwestern. Epinal. 1. Dezember 1855 wurde diese Station mit 3 Schwestern eröffnet; 1856 bezogen sie ein von der Stadt erworbenes Haus auf der Place Guilgat; 1859 Vertrag mit der Armenkommission für 6 Schwestern. 1873 wurde die Niederlassung zum 214 K o n g r e g a t i o n s h a u s f ü r F r a n k r e i c h erhoben. 1891 neuer Vertrag für acht Schwestern. 1895 bezogen sie die neue Wohnung in der Rue du Chapitre; im September dieses Jahres übernahmen sie eine städtische Suppenküche, 1905 eine Milchausschankstelle für Säuglinge bedürftiger Familien. 10 Schwestern. Epinal (Waisenhaus). Bereits 1875 fing die Oberin des Schwesternhauses zu Epinal an, vernachlässigte Kinder zu sammeln; 1884 wurde dieses Werk zu einer selbständigen Anstalt erhoben, dank einer edlen Wohltäterin, Fräulein Philomene de Rothou; 50 - 60 verwaiste oder verwahrloste Mädchen finden Aufnahme. Im Krieg wurden die Kinder evakuirt. 8 Schwestern. Gérardmer (Waiseshaus). 22. Oktober 1867 als Krankenpflegestation durch Pfarrer Guylot gegründet; durch Gemeinderatsbeschluß vom 8. Februar 1869 wurde das Waisenhaus in einem Neubau, der 1870 als Lazarett diente, errichtet. 1883 und 1889 bauliche Vergrößerungen. Vor dem Krieg 56 Kinder. 1904 wurde auf Grund des Schulgesetzes die Anstaltsschule unterdrückt. 6 Schwestern. Laneuveville. 9. September 1896 Krankenpflegestation, durch Pfarrer Gilbert gegründet; später zu kleinem Spital ausgestaltet. 5 Schwestern. Raon-l'Etape (Gemeindekrankenhaus). 20. März 1894 kamen 2 Schwestern in das Gemeindekrankenhaus, das sich nach und nach vergrößerte, seit 1913 auch Soldaten der Garnision verpflegte. Im Herbst 1914 hatte das Haus stark unter den Kriegsereignissen zu leiden. 6 Schwestern. St. Dié. 4. Oktober 1864 bezogen 2 Schwestern ein von den Geschwistern Simon bereitgestelltes Haus, das sie bis 1870 bewohnten. Nach dem Krieg, während dessen sie in den Lazaretten pflegten, wohnten sie in der Rue du Nord (Nr. 22, später Nr. 23) bis ihnen im Jahre 1899 Fräulein Georgel in der Rue St. Charles (Nr. 12) ein geräumiges Haus zur Verfügung stellte. Im Jahre 1906 bot Fräulein Georgel im Einverständnis mit der Generaloberin das Haus dem aus seinem Palais vertriebenen Herrn Bischof Foucault zur Wohnung an; am 19. März 1907 siedelten die Schwestern wieder in ihr früheres Heim in der Rue du Nord 23 über, das der Bischof erworben hatte. Neben der ambulanten Krankenpflege üben die Schwestern im Auftrag der Société municipale de secours mutuel die Armenfürsorge aus. 12 Schwestern. Thaon. 20. März 1893 durch die Familien Mathieu und Perrin gegründete Station für Krankenpflege. Anfangs zwei Schwestern, die 1914 auf sieben stiegen. 1908 -1912 Nähschule. Anfertigung von Armenkleidern. Von 1915 bis 1919 bestand hier ein provisorisches Postulat für Frankreich. Am 25. Oktober 1915 fand die erste Einkleidung von Novizinnen statt. 1909 und 1920 wurde unter Pfarrer Bogard durch die Familie Willig das Schwesternhaus vergrößert. 7 Schwestern. Xertigny (St. Andreashospital). 23. Mai 1876 kamen, von der Gemeinde berufen, zwei Schwestern in das Gemeindehospital; dank der Sparsamkeit der Schwestern und der Hilfe edler Wohltäter (Lecomte u. a.) konnte ein Neubau errichtet werden. 8 Schwestern. 11. Diözese Troyes. Romilly-sur-Seine. 18. September 1889 durch den hochw. Herrn Bischof Cortet gegründet für ambulante Krankenpflege; daneben Katechismusunterricht und Mädchenpatronage. 1899 Bau eines geräumigen Schwesternhauses aus dem Nachlaß des Jesuitenpaters Pierre Lenfant. 8 Schwestern. 12. Diözese Valence. 215 Marsanne (Dep. Drôme). Seit 1. August 1919 sechs Schwestern zur Versorgung der Wallfahrtskirche Notre-Dame de Fresneau; in dem von der Gräfin de Laselve und General de Montluisant zur Verfügung gestellten Hause nehmen die Schwestern Pensionäre auf; in Marsanne üben sie ambulante Krankenpflege aus und leiten ein Ouvroir und ein Mädchenpatronage. 13. Diözese Straßburg. Altkirch. Nachdem 1852 zwei Schwestern eine Station für Krankenpflege begonnen hatten, verließen sie nach anderthalb Jahren wegen Unstimmigkeiten zwischen Pfarr- und Gemeindebehörde die Stadt. Erst Januar 1862 wurde die Station wieder eingerichtet; die Familien Jourdain und Gilardoni nahmen sich der Schwestern kräftig an; sie bewohnen ein der Gemeinde gehöriges Haus; diese gewährt seit 1890 auch eine jährliche Vergütung. Während des Krieges mußten sie ihre Tätigkeit unterbrechen, da die Stadt in der Feuerzone lag; die Wiederaufnahme erfolgte 1919. 4 Schwestern. Alt-Thann. Seit 16. Oktober 1881 leiten die Schwestern das von Herrn Fabrikant Mertzdorff gestiftete Krankenhaus; 1899 Neubau; Arbeiterküche. 3 Schwestern. Ammerschweier. Durch notariellen Akt vom 9. Januar 1903 schenkte Herr Superior Simonis der Genossenschaft sein Vaterhaus. Seit Oktober 1902 wohnten hier zwei Schwestern für ambulante Krankenpflege. 1905 - 1906 wurde das Haus renoviert und dient als "Ignatiusheim" erholungsbedürftigen Schwestern als Sommerfrische. 3 Schwestern. Andlau. Gegründet 1851, aufgehoben 1906. Barr. Städtisches Bürgerspital, seit 1871 von den Schwestern geleitet, die bis 1891 auch die ambulante Krankenpflege besorgten. 6 Schwestern. Bartenheim. Station für ambulante Krankenpflege, ermöglicht durch die Stiftung der Fräulein Franziska Herzog, die der Gemeinde ihr Haus, Mobilar und Stiftungskapital überließ, begonnen 14. November 1910. 2 Schwestern. Bindernheim. Krankenpflegestation, gegründet 3. September 1918 durch Pfarrer Bandsept vor allem dank dem Legat Camill Hofer. 2 Schwestern. Bischheim. Station für ambulante Krankenpflege, gegründet 21. Oktober 1896 durch Herrn Pfarrer Scheer. Die Familie Schaller stellte unentgeltlich die Wohnung; 1914 bezogen die Schwestern das Schallersche Familienhaus, das die verstorbene Frau Schaller der Kirchenfabrik als ständiges Schwesternhaus vermacht hatte. 4 Schwestern. Bischweiler. Station für ambulante Krankenpflege, gegründet 1862 durch Herrn Pfarrer Gsell; 1871 bezogen die Schwestern ein von Wohltätern der Kirchenfabrik als Schwesternhaus übergebenes Anwesen. Jungfrauenverein. 7 Schwestern. Bitschweiler (Oberelsaß). März 1897 gegründet für ambulante Krankenpflege durch Herrn Pfarrer Schaffar und den Gemeinderat. 1913 ließ die Gemeinde das alte Schulhaus als Wohnung einrichten; es wurde im Kriege zerstört. 2 Schwestern. Blotzheim. 15. Oktober 1879 kamen zwei Schwestern in das von Herrn Pfarrer Haßler als Gemeindespital eingerichtete alte Pfarrhaus und übernahmen zugleich ambulante Krankenpflege. Seit 1919 nur noch ambulante Pflege. 3 Schwestern. Bollweiler. 1. Oktober 1898 auf Wunsch des Bürgermeisters Fuchs und der Familie Pfulb begonnene Krankenpflegestation; die Familie Pfulb sorgte für Wohnung, die Gemeinde für Unterhalt. 2 Schwestern. 216 Brumath (St. Josephsspital). Am 24. April 1850 als Krankenpflegestation durch Herrn Pfarrer Köhler gegründet, der den Schwestern auch die Wohnung stellte. 1879 schenkte er das im Laufe der Jahre vergrößerte Anwesen der Genossenschaft, die es 1890 und 1903 durch Ankauf benachbarter Grundstücke erweiterte und 1909 einen Vereinssaal für katholische Vereine neben der Anstalt erbauen ließ. Unter den Oberinnen sei die Schwester Caritas genannt, welche 1858 - 1907 das Haus leitete und die allgemeine Hochachtung der Angehörigen aller Konfessionen genoß; sie konnte am 29. Juni 1915 im Mutterhaus ihren neunzigjährigen Geburtstag feiern, starb jedoch bald nachher am 23. Juli. Im Krieg war die Anstalt Lazarett. 5 Schwestern. Colmar (Krankenhaus). 1853 ließ Stadtpfarrer Maimbourg vier Schwestern kommen. Sie wohnten bis 1859 in der Schädelgasse (Haus Brendel), 1859 - 1873 in der Salzgasse (Haus Weck-Salzmann). Die Schwestern zeichneten sich im Cholerajahr 1854 aus. 1866 - 1911 verwalten sie die städtische Suppenküche für die Armen. 1873 wird das in der Rappgasse gelegene Gebäude des aufgehobenen Collège libre als Krankenhaus eingerichtet. Es wurde 1897 in einen von der Genossenschaft erbauten Neubau in der Rösselmannstraße verlegt. Ein 1914 für die vielbesuchte Klinik begonnener Flügelanbau mußte während des Krieges eingestellt werden und wurde 1921 vollendet. Im Krieg Lazarett. Einige Schwestern widmen sich stets der ambulanten Krankenpflege und der Armenfürsorge. 30 Schwestern. Colmar (Collège libre und Bischöfliches Konvikt). Im Jahre 1852 übernahmen vier Schwestern den Haushalt des von Bischof Räß gegründeten Collège libre. Nach dessen Auflösung (1873) blieben die (7) Schwestern in der nach La Chapelle verlegten Anstalt bis 1890 (vgl. über die Anstalt Ingold, Histoire du Collège libre de Colmar-La Chapelle - Colmar 1908). Im September 1898 wurde in den Räumen des ehemaligen Collège libre ein neues Bischöfliches Konvikt für Schüler der Colmarer höheren Lehranstalten errichtet, dessen Haushalt unsern Schwestern anvertraut wurde. Während des Krieges wurde das Gymnasium Zillisheim hierher verlegt. 8 Schwestern. Dambach (bei Niederbronn). 1850 Gründung einer Krankenpflegestation mit Waisenanstalt in der Filiale Neunhoffen; 40 - 50 verwahrloste Kinder erhielten Obdach und Nahrung; 1867 wurden die Kinder in das Waisenhaus Niederbronn übersiedelt. Die Krankenstation blieb in Dambach bestehen; 1887 erbaute die Kongregation den Schwestern ein eigenes Haus; sie sorgt auch für den Unterhalt. 2 Schwestern. Dambach (bei Schlettstadt). 1857 übernahen die Schwestern das Armenhaus und die ambulante Krankenpflege. 4 Schwestern. Dammerkirch. 16. April 1879 kamen drei Schwestern in das von der Gemeinde und einigen Wohltätern gestiftete Armenhaus, das 1893 in ein Krankenhaus umgewandelt wurde. Auch ambulante Krankenpflege. 3 Schwestern. Dinsheim. Krankenpflegeverein, durch Herrn Pfarrer Reibel (gest. 1909) gegründet und 10. September 1895 eröffnet. 1909 schenkte er der Genossenschaft das von ihm erworbene Schwesternhaus. Die Gemeinde trägt zum Unterhalt der Schwestern bei. 2 Schwestern. Ensisheim. Nachdem eine in den fünfziger Jahren gegründete Krankenpflegestation 1861 eingegangen war, erfolgte 1909 eine Neugründung durch Herrn Pfarrer Meyberger. Fräulein Mann stellte die Wohnung, ein Damenkomitee sorgte für den Unterhalt, der 1920 von der Gemeinde übernommen wurde. 2 Schwestern. Epfig. Im Januar 1871 berief Bürgermeister Dr. Buhlmann zwei Schwestern für das von ihm gegründete Gemeindearmen- und Krankenhaus, das 1887 durch Neubau erweitert wurde. Auch ambulante Krankenpflege. 5 Schwestern. Geberschweier. 1852 gegründete Station, 1854 aufgehoben. 217 Gebweiler (Waisenhaus). 1853 kamen vier Schwestern in das von Herrn Pfarrer Dietrich und dem als Dichter bekannten Abbé Ch. Braun gegründete Waisenhaus. Unter der Leitung der Oberin, Schwester Stephanie (1872 - 1911), nahm nach schwierigen Anfängen das Haus blühenden Aufschwung, dank auch der Unterstützung aus den Kreisen der Gebweiler Großindustriellen. Ein Gebäude entstand um das andere. Mit 45 Kindern hatte Schwester Stephanie das Haus übernommen; als sie am 1. Februar 1911 starb, zählte die Anstalt 286 Kinder und 32 Schwestern. Ein Nachruf schrieb von der Toten: "Unter dem segensreichen Wirken der Verstorbenen gingen aus der Anstalt acht Priester, sieben Lehrer, mehrere Ordensbrüder, über 20 Ordensschwestern und zahlreiche gut angestellte Beamte hervor. Besonders in der Krankenpflege hat das Waisenhaus Unvergleichliches geleistet. Auch in sozialer Hinsicht war die Verstorbene sehr erfolgreich tätig. Gleich 1872 gründete sie eine Jungfrauenverein, 1882 richtete sie eine Nachtschule ein, 1884 ein Arbeiterinnenheim und später einen Näh- und Bügelkursus. Hier sei noch besonders darauf hingewiesen, daß eine Kommission, die auf die gegen das Waisenhaus im Bezirkstag von einer bekannten Seite erhobenen Angriffe die Einrichtungen des Hauses zu prüfen hatte, der Schwester Oberin nicht genug ihre Bewunderung für die ganze Organisation aussprechen konnte. Ihr Andenken wird mit ihrem großen Lebenswerke fortbestehen." 376) Eine eigene Anstaltsschule, seit 1902 vierklassig, sorgt für den Unterricht der Knaben und Mädchen. Ein größerer Neubau war in Angriff genommen, als der Krieg ausbrach; er wurde erst 1921 unter großen Opfern beendigt. Während des Krieges mußten die Kinder in Oberbronn untergebracht werden. 22 Schwestern. Gebweiler (Issenheimerstraße). Im Jahre 1900 hatte auf Wunsch der Firma F. J. Frey Schwester Theodard die Leitung einer Arbeiterküche übernommen. Am 19. März 1910 wurde daraus eine Krankenpflegestation mit drei Schwestern, denen die Fabrik die Wohnung stellte. Während des Krieges aufgehoben. Geispolsheim. Krankenpflegestation, gegründet im Oktober 1889; eine jährliche Sammlung und ein Beitrag der Gemeinde bestreiten den Unterhalt; seit 1909 eigenes Haus, das die Kongregation mit Beihilfe von Fräulein Schwab erbaute. 3 Schwestern. Gerstheim. Krankenpflegestation, gegründet durch die Baronin Louise Françoise de Bancalis (gest. 1851), die ein kleines Kloster mit Kapelle erbaut hatte, in das am 11. September 1851 drei Schwestern einzogen. Sie nahmen auch Waisenkinder auf. Baron Henri de Bancalis, der weiter für das Werk seiner Mutter sorgte, hinterließ bei seinem Tode (1878) kein Testament. Durch den Weggang seines Sohnes, des Barons Rodolphe de Bancalis (1879), waren die Schwestern des Unterhaltes beraubt, doch sorgte dann der Baron Raphael de Bancalis, die Bürger und die Gemeinde selbst für die Kosten, so daß die Station bestehen blieb. Nach dem Tode der Gründerin war das Eigentumsrecht am Hause zum Teil auf mehrere Familien in Frankreich übergegangen, und das Anwesen bildet noch heute ein ungeteiltes Grundstück. Die Bemühungen der Kongregation, es zu erwerben, sind bis jetzt resultatlos geblieben. 2 Schwestern. Hagenau. Krankenpflegestation, gegründet 16. Dezember 1850 in der St. Nikolauspfarrei. Die Schwestern bewohnten ein von der Genossenschaft erworbenes Haus (Landweg 119). Die Gemeinde trug von Anfang an zum Unterhalt der Schwestern bei. 1868 wies sie ihnen das ehemalige Prämonstratenserpfarrhaus neben St. Nikolaus als Wohnung an. Heute 10 Schwestern. Seit 1918 ist eine Schwester mit der Lungenkrankenfürsorge im Kanton Hagenau betraut. Hirsingen (Armenhaus). In das 1863 von Herrn Pfarrer Römer zur Aufnahme von Armen und Kranken gemietete Haus zogen vier Schwestern ein. Pfarrer Böcklin erwarb die Anstalt auf seinen Namen und ließ sie als Privatunternehmen durch eine Kommission verwalten; seit 1909 ist sie Gemeindeeigentum. Die Schwestern besorgten auch die ambulante Krankenpflege. Am 9. Februar 1916 aufgehoben. 218 Hochfelden. Oktober 1850 bezogen zwei Schwestern das von den Familien Paulus, Roth und Heberle gegründete Armenhaus. Die anfangs schwierigen materiellen Verhältnisse besserten sich allmählich. Am 2. Oktober 1910 wurde die Anstalt in das vom Armenrat erworbene Anwesen des verstorbenen Barons v. Schauenburg als Pfründner- und Armenhaus verlegt. Die Schwestern sind auch in der ambulanten Krankenpflege tätig. 5 Schwestern. Hüningen. Station für ambulante Krankenpflege, unter Herrn Pfarrer Schoech am 21. März 1899 eröffnet. Die Gemeinde stellte die Wohnung, für den Unterhalt sorgt ein 1898 gebildeter Frauenverein. 3 Schwestern. Hüsseren-Wesserling. Krankenpflegestation, gegründet 1872; die Gemeinde bestreitet die Wohnungsmiete und zum Teil den Unterhalt der drei Schwestern. Isenheim (Krankehaus). 16. November 1855 wurde die Leitung des durch die Fabrikanten Joseph und Theobald Zimmermann gegründeten Kranken- und Armenhauses den Schwestern übertragen. Auch Hauskrankenpflege. 1894 - 1895 leiteten sie die Arbeiterküche der Spetzschen Fabrik. Seit 1912 ist ein Ökonomiebetrieb mit der unter Aufsicht eines von der Gemeinde eingesetzten Spitalrates stehenden Anstalt verbunden. 5 Schwestern. Jägerthal. Am 25. März 1852 übernahmen zwei Schwestern die Schule für die katholischen Kinder dieses bei Niederbronn im Walde gelegenen Weilers. Wegen Mangels an Unterrichtsschwestern wurde im Juli 1911 die Station aufgehoben, die Schule einer Laienlehrerin übertragen, vom 20. Oktober 1920 ab wieder aufgenommen, zugleich auch für ambulante Krankenpflege. Unterhalt und Wohnung bestreitet die Kongregation. 2 Schwestern. Kestenholz. Zur Zeit der Choleraepidemie 1855 pflegten zwei Schwestern die Kranken; sie blieben ständig für Hauskrankenpflege. 1891 bezogen sie ein von Fräulein Rauscher der Gemeinde geschenktes Wohnhaus, das ihrem Willen gemäß als Kranken- und Armenhaus dient; Ökonomiebetrieb ist damit verbunden. 4 Schwestern. La Baroche. Krankenpflegestation und Mädchenpatronage, gegründet Dezember 1920 durch Pfarrer Saltzmann. 2 Schwestern. Landser. Krankenpflegestation, Nähschule und Kinderbewahranstalt, gegründet durch die Damen Laillier und Cuënot d'Alaize, die der Genossenschaft das ihnen zu guten Zwecken vermachte Gut Wendling zur Verfügung stellten, eröffnet 11. August 1913. Nach der Schlacht von Mühlhausen (1914) provisorisches Feldlazarett. 3 Schwestern. Leberau. Am 10. September 1887 kamen auf Antrag der Firma Dietsch zwei Schwestern für die Pflege ihrer kranken Arbeiter; die Firma bestritt Unterhalt und stellte die Wohnung. Bald ließ die Gemeinde eine dritte Schwester für die Ortskranken kommen, die bei den anderen Schwestern wohnte. Als sie 1897 eine Arbeiterküche für die genannte Firma übernahm, gestattete diese, daß sämtliche Schwestern die Ortskrankenpflege mitbesorgten. 3 Schwestern. Malmerspach. Auf Wunsch der Fabrikaten Jungk und Germain kamen am 10. September 1883 zwei Schwestern für die Pflege ihrer kranken Arbeiter. Sie wohnten zuerst in Moosch und bezogen am 21. Oktober das Fabrikspital in Malmerspach (23 Betten). 1911 Erweiterung des Spitals unter der fürsorglichen Verwaltung des Herrn Schubetzer. 1904 Errichtung einer Kochschule für Arbeiterinnen. Im Krieg Lazarett. 5 Schwestern. Marienthal. Am 12. Juli 1851 übernahm die Genossenschaft die Führung des Haushalts in dem von Bischof Räß neben der Wallfahrtskirche errichteten Priesterhaus, in dem heute neun Schwestern wirken. Das 1913 verstorbene Fräulein Valette schenkte 219 sein Wohnhaus nebst Garten zur Gründung einer Krankenpflegestation. Eine Schwester aus dem Priesterhaus widmet sich diesem Werk. Markirch. Krankenpflegestation, 19. November 1852 auf Wunsch der Armenverwaltung begonnen. Fräulein Julie Koch, welche von Anfang an die Schwestern in ihrer Wohnung (Rue St. Louis 63) aufgenommen hatte, schenkte der Kongregation im Jahre 1859 das Haus, das durch Anbau erweitert wurde. Stadt und Armenverwaltung liefern Beiträge zum Unterhalt der Schwestern, zu deren Gunsten auch einige Renten gestiftet sind. Damenouvroir zur Anfertigung von Armenkleidern. 7 Schwestern. Markolsheim. Krankenpflegestation, gegründet 12. Juli 1870 auf Wunsch des Pfarrers Karm, Bürgermeisters Hirschel und des Arztes Dr. Ritzinger. Die Gemeinde liefert Wohnung und einen Beitrag zum Unterhalt. 3 Schwestern. Marlenheim. 20. August 1867 übernahmen auf Wunsch des Pfarrers Meyer zwei Schwestern die Leitung des von Fräulein Anna Harter gestifteten Armenhauses. Bald wurde eine dritte Schwester für ambulante Krankenpflege berufen. Die von einer besonderen Kommission verwaltete Anstalt erweiterte sich (Ökonomiebetrieb) und nimmt auch Kranke und Pfründner auf. 4 Schwestern. Masmünster. Krankenpflegestation, gegründet im November 1868 durch Pfarrer Noll, der ein Schwesternhaus erwarb und es testamentarisch der Kirchenfabrik verschrieb. Der Unterhalt der Schwestern wird durch Zuschuß der Gemeinde und Beiträge der Bürger bestritten. 4 Schwestern. Mommenheim. Station für Armen- und Krankenpflege, gegründet 1850, aufgehoben 1862. Moosch (Spital Jungk). 1890 gründete Herr Fabrikant Heinrich Jungk ein Schwesternhaus in Moosch für ambulante Krankenpflege, Winternähschule für Arbeiterinnen und Aufnahme erkrankter Angehöriger der Arbeiter. Am 16. Dezember 1890 kamen drei Schwestern von Malmerspach in die neue Station. Die Kongregation wurde Eigentümerin der Anstalt. 1911 ließ Herr Jungk einen zur Aufnahme von Armen und Kranken bestimmten prächtigen Spitalbau für 235000 Mark errichten, dessen Kosten er allein bestritt. (Grundsteinlegung am 12. April 1911, 6. September 1912 Einweihung und Eröffnung). Während des Krieges leistete das Haus, das im besetzten Gebiete lag, der französischen Armee als Lazarett große Dienste. Das Spital nimmt auch Pensionäre auf. 9 Schwestern. Mühlhausen (Burggasse). Am 15. März 1853 kamen, durch den Vinzenzverein und Pfarrer Uhlmann für ambulante Krankenpflege berufen, 5 Schwestern; zuerst in verschiedenen Mietswohnungen, zogen sie 1856 in ein von der Kongregation angekauftes Anwesen in der Burggasse, in dem eine Anstalt für Waisenmädchen und Arbeiterinnen untergebracht wurde, nachdem der Vinzenzverein für diesen Zweck ein Komitee gebildet hatte (Pfarrer Uhlmann und die Herren Miquey und Delarue). Die erste Oberin, Schwester Theophile, ging 1857 nach Wien, ihr folgten Schwester Sophie (gest. 1862) und Schwester Damien, später Generaloberin. Sie brachte das Haus zur Blüte; 1867 erwarb sie, dank der Unterstützung der Schwester des Pfarrers Uhlmann, das benachbarte Anwesen. Das war der Anfang des heutigen Krankenhauses. Unterstützt wurde Schwester Damien stets durch die edle Frau Miquey 377), deren Hilfe im Kriegsjahr 1870 besonders wertvoll war. Seit 1878 zahlte auch die Stadtverwaltung einen jährlichen Beitrag für das Waisenhaus und die Krankenpflegeschwestern. 1890 gründete Schwester Damien das Knabenwaisenhaus, für das Schwester Seraphine, Nachfolgerin der zur Generaloberin erwählten Schwester Damien, 1889 einen Neubau erstellen ließ, dank einer bedeutenden Geldspende des verstorbenen Herrn Miquey. 220 Am 11. September 1889 wurde die Herz-Jesu-Kapelle der Anstalt eingeweiht, die aus einem Vermächtnis der 1878 verstorbenen Frau Miquey erbaut war. 1890 siedeln die Arbeiterinnen des Mädchenheims in die Thénardstraße über. 1896 Errichtung eines Neubaues für Waisenkinder unter sechs Jahren, zum Teil mit Beihilfe eines Legates von Fräulein Zurlinden und Frau Clavé. 1900 kam diese Waisenabteilung nach Dornach, und die Waisenmädchen bezogen diesen Bau, während die Knaben in das bisherige Mädchenhaus übersiedelten. das 1889 erbaute Knabenhaus wurde Krankenhaus mit neuem Operationssaal. (Der erste war 1878 eröffnet worden.) Das bisherige Krankenhaus wurde zu Wohnungen für den Hausgeistlichen und Pensionärinnen eingerichtet. Auf die 1900 zur Assistentin gewählten Schwester Seraphine folgte Schwester Alfreda. 1904 Ankauf der alten Häuser am Teufelsturm. Der zweckmäßige Ausbau der Anstalt wurde weitergeführt. 1913 - 1914 wird der alte Bau des nach Dornach verlegten Knabenwaisenhauses umgestaltet für Schwesternwohnungen und Nähsaal für schulentlassene Waisenmädchen. Zurzeit 37 Schwestern. Dankbar ist hier auch des 1913 (4. Oktober) verstorbenen Hausgeistlichen Monsignore Touvet, zu gedenken. Langjähriger Hauslehrer in hohen Familien, zog er sich 1893 in die Burggasse zurück und ist 20 Jahre lang der Anstalt ein liebenswürdiger, unermüdlicher, treuer geistlicher Berater gewesen. Mühlhausen (Patronage, Thénardstraße). Arbeiterinnenheim, 20. Oktober 1890 eröffnet, um alleinstehende Arbeiterinnen Kost und Wohnung zu bieten; auch Ausbildung im Haushalt, Nähen und Handarbeiten. Das Haus wurde von der Kongregation aus eigenen Mitteln erbaut auf einem von Herrn Pfarrer Ungerer von St. Joseph angebotenen Terrain, das mit zu diesem Zweck gesammelten Geldern erworben war. 1906 größerer Anbau mit neuer am 15. Dezember 1906 eingeweihten Kapelle. Die Anstalt, die 100 jungen Mädchen und 20 Pensionärinnen ein preiswertes Heim bietet, ist eine soziale Wohltat ersten Ranges. Die Schwestern üben auch ambulante Krankenpflege in diesem Stadtviertel aus. 15 Schwestern. Mühlhausen (Städtisches Pfründnerhaus). 15. Juni 1895 übernahmen sechs Schwestern auf Begehr des Bürgermeisters Hack die Leitung des für arme Greise und Greisinnen eingerichteten städtischen Pfründnerhauses (1900 erweitert) in der EngelDollfusstraße. (270 Personen.) 16 Schwestern. Mühlhausen (St. Genovevapfarrei). Krankenpflegestation, gegründet 21. März 1898 auf Wunsch des Herrn Pfarrers Biehler. Bis 1905 Mietswohnung in der Frühlingsstraße, wofür das Pfarramt aufkam; seither im eigenen von der Kongregation erbauten Hause in der Habsheimerstraße, wofür Frau Witwe Engelhardt den Platz geschenkt hatte. 5 Schwestern. Mühlhausen (Ortskrankenhaus). 1894 - 1911 leiteten drei (4) Schwestern das Krankenhaus der Ortskrankenkasse Mühlhausen im Greyelweg 18. Mühlhausen-Dornach (Belforterstraße 12). Krankenpflegestation, gegründet 8. Mai 1882 auf Anregung des Herrn Pfarrers Seyfried. Die Schwestern wohnten anfangs neben dem Pfarrhaus, von 1905 ab in der Didenheimerstraße (Nr. 24); die Gemeinde bestritt den Unterhalt und einen Teil der Wohnungsmiete. Die am 24. Juli 1912 verstorbene Rentnerin Louise Baur schenkte der Kongregation das Haus Belforterstraße 12, worin die Schwestern seit Juni 1914 wohnen; auf Grund einer Stiftung der Schenkgeberin gewähren sie einer gewissen Anzahl älterer unbemittelter weiblicher Personen Aufnahme und Pflege. 6 Schwestern. Mühlhausen-Dornach (Waisenhaus). 1899 erwarb die Kongregation das bei Dornach gelegene Schloß Riff-Zurhein, wohin im Jahre 1900 die Waisenkinder unter sechs Jahren und ca. 20 Waisenlehrlinge aus der Burggasse übersiedelten. Im Jahre 221 1911 wurde auf dem angrenzenden angekauften Gelände ein Neubau, der als Waisenknabenhaus dienen sollte, begonnen. Kaum war dieser im Rohbau vollendet, als am 11. Dezember 1911 ein Brand das alte Schloß in Asche legte. Menschenleben gingen zum Glück nicht zugrunde; die Kinder wurden vorläufig in andern (städtischen) Lokalen untergebracht. In den fertiggestellten Neubau, dessen Zustandekommen die Stifterin der Lehrlingsanstalt, Frau Gibert, und eine von der Kongregation aufgenommene Anleihe von 325000 Mark ermöglichte, siedelten im September 1912 171 schulpflichtige Knaben aus der Burggasse über, desgleichen die Lehrlinge. Am 13. Oktober 1912 weihte der Ortspfarrer Kretz (jetzt Generalvikar) die Kapelle der Anstalt ein, die einen eigenen Hausgeistlichen besitzt und 15 Schwestern zählt. Neudorf (Oberelsaß). Krankenpflegestation, gegründet 20. Dezember 1855 durch Bürgermeister Mueser. Die Gemeinde stellte die Wohnung. 1867 bezogen die Schwestern ein von Frl. Katharina Moser der Gemeinde geschenktes Anwesen, in dem auch Arme und Waisenkinder Aufnahme finden. 1908 durch Neubau vergrößert. Ökonomiebetrieb. 6 Schwestern. Niederbronn (Schwesternheim). Nach der Verlegung des Mutterhauses nach Oberbronn (1880) wurde das bisherige Mutterhaus Altersheim für kränkliche und alte Schwestern; als ihre Zahl über 100 stieg, wurde 1907 ein geräumiger linker Flügel angebaut mit moderner Badeeinrichtung für auswärtige Schwestern, die einer Niederbronner Badekur bedürfen. Mit dem Hause ist Ortskrankenpflege verbunden. An das Schwesternhaus angeschlossen ist das Waisenhaus, 1867 gegründet zum Ersatz der 1861 eingegangenen Anstalt Neunhofen; die Kinder (Mädchen) waren in den Nebengebäuden des Mutterhauses untergebracht, vom 2. November 1871 bis 15. April 1880 in Oberbronn, seither in Niederbronn; seit 1893 bewohnen sie einen praktisch angelegten Neubau; ca. 50 Kinder von 2 bis 16 Jahren, die im Haus unterrichtet werden. Eigener Anstaltsgeistlicher, der auch das Altersheim pastoriert. 106 Schwestern. Niederbronn (Ökonomiehof) Nach der Verlegung der Bruderkongregation nach Singlingen blieb der Hof in Betrieb. 14 Schwestern, denen mehrere Knechte beigegeben sind, bewirtschaften die dazu gehörigen Güter. Ihnen ist die pietätvolle Unterhaltung des angrenzenden Klosterfriedhofs anvertraut. Oberbronn. Mutterhaus. Noviziat und Postulat der französischen Provinzen. Schwesternkrankenhaus. Ortskrankenpflege. Ende 1920: 85 Schwestern, wovon 44 Kranke. Orschweier. Krankenpflegestation, gegründet 24. Oktober 1864 durch Pfarrer Schermesser. Die Geschwister Ziegler sorgten für Wohnung und Unterhalt (auch für die folgenden Zeiten) und übergaben 1878 ihr Haus und Vermögen der Gemeinde, damit es ständig den Schwestern zugute käme. 2 Schwestern. Osthausen. Krankenpflegestation, gegründet 19. März 1899 und ermöglicht durch die Stiftung des am 20. Juni 1898 verstorbenen Fräuleins Justine Speth, das sein Haus und ganzes Vermögen der Gemeinde zu diesem Zwecke vermacht hatte. 2 Schwestern. Pfaffenheim. Krankenpflegestation, gegründet 22. Oktober 1866; Herr Prof. Lichtlé gewährte den Schwestern Wohnung in seinem Hause nebst Unterhalt, wofür jetzt die Gemeinde aufkommt. 2 Schwestern. Rappoltsweiler. Krankenpflegestation, gegründet 5. November 1852 durch Herrn Pfarrer Werner. Die Schwestern bewohnten anfangs ein kleines, der Kirchenfabrik gehöriges Haus und hatten mit materiellen Schwierigkeiten zu kämpfen. 1893 bezogen sie ein von der Gemeinde erbautes Heim, wofür die Schwestern 13000 222 Mark durch Sammlungen aufgebracht hatten; die Gemeinde leistet auch einen Zuschuß zum Unterhalt. 1895 Abendnähschule für Fabrikarbeiterinnen gegründet, 1896 Jungfrauenverein. Die Armenverwaltung läßt durch die Schwestern die Unterstützungen an die Armen verteilen. Die Schwestern leiten auch die von Frau Lenoir gegründete Arbeitsstube für Armenkleidung. 5 Schwestern. Regisheim. Krankenpflegestation, gegründet 26. Juli 1860 durch Pfarrer Böckel. Die zwei Schwestern waren anfangs nur auf freiwillige Unterstützung angewiesen und wohnten im Gemeindehause. Seit 1873 leistete die Gemeinde Zuschuß; 1910 erbaute sie ein Schwesternhaus. 2 Schwestern. Reichshofen. Krankenpflegestation (erste auswärtige Niederlassung der Genossenschaft), begonnen mit vier Schwestern am 8. April 1850. Für Wohnung und Unterhalt sorgte der Vicomte de Bussierre nebst andern Wohltätern. 1857 wurden die Schwestern zurückgezogen. Die Neugründung erfolgte durch Herrn Pfarrer Fritsch (gest. 28. November 1914; er war lange Zeit außerordentlicher Beichtvater der Schwestern im Mutterhaus) im November 1891. Für Wohnung und Unterhalt sorgt die Gemeinde. Von 1909 bis zum Krieg besorgten die Schwestern eine Säuglingspflegestelle und leiteten eine Damenarbeitsstube für Armenkleider. 3 Schwestern. Riedisheim. Krankenpflegestation, gegründet 1886; die Eheleute Schaller stellten den Schwestern ein neuerbautes Haus zur Verfügung, das sie 1901 der Gemeinde als Schwesternhaus überließen. Die Gemeinde liefert einen Zuschuß zum Unterhalt (zum Teil aus Renten von Stiftungskapitalien herrührend). 4 Schwestern. Rixheim (Spital). 1864 berief die Gemeinde zwei Schwestern in das neugegründete Gemeindespital; 1868 Neubau, 1901 Einrichtung einer Kapelle. Die Schwestern besorgen auch die ambulante Krankenpflege. 1920: 7 Schwestern. Röschwoog. Krankenpflegestation, gegründet 11. September 1911 durch Pfarrer Hiff, der auf einem von der Familie Schwartz geschenkten Grundstück ein auf die Kirchenfabrik eingetragenes Schwesternhaus erbauen ließ. Gemeinde, Pfarramt und Bürgerschaft sorgen für den Unterhalt. 3 Schwestern. Rothau. Krankenpflegestation, auf Anregung des Pfarrers Hüß am 20. März 1900 gegründet; sechs Jahre hatten die Schwestern eine von Frau Ostré gratis gestellte Wohnung inne, bis 1905 Pfarrer Kübler mit Hilfe einer Sammlung und des hochw. Herrn Prälaten Müller-Simonis ein auf das katholische Pfarramt eingetragenes Schwesternhaus bauen konnte. Rentner Dasse schenkte den Baugrund. Der Unterhalt der Schwestern, zu dem in den ersten Jahren das Mutterhaus viel beitrug, wird durch Sammlung und sonstige Beihilfe bestritten. 3 Schwestern. Rufach. Am 2. Oktober 1852 berief Pfarrer Stöckle zwei Schwestern an die von ihm gegründete Anstalt für arme Kinder, die anfangs von Laien geleitet und außerhalb des Ortes in einem Mietsgebäude untergebracht war; 1850 bezog sie ein von Fräulein Probst der Armenverwaltung gestiftetes Anwesen, das 1854 auf die Kirchenfabrik umgeschrieben wurde. 1856 Anbau; 1862 staatliche Anerkennung. Das Haus zählte 25 - 30 Waisen. Es wurde 1920 aufgehoben. Vier Schwestern, denen das Pfarramt die Wohnung, die Gemeinde den Unterhalt gewährt, blieben für ambulante Krankenpflege. Saales. Krankenpflegestation, 23. September 1880 unter Pfarrer Mathis gegründet; die zwei Schwestern wohnten zwei Jahre bei Fräulein Barthelemy, deren Oheim, Herr Crovisier (gest. 1884), sich ihrer annahm und 20000 Mark stiftete für ihren Unterhalt. Die Armenverwaltung mietete die Wohnung. Während des Krieges mußten die Schwestern mit den übrigen Einwohnern wegziehen. Im März 1919 wurde die Station wieder aufgenommen. 2 Schwestern. 223 Saarunion. Zuerst Krankenpflegestation, durch Pfarrer Matheis im September 1888 gegründet; die zwei Schwestern wohnten zuerst in Miete, bis 1897 ihnen die Leitung des städtischen Krankenhauses übertragen wurde; die ambulante Pflege wird nebenbei ausgeübt. 4 Schwestern. St. Amarin. Krankenpflegestation, gegründet 1868 während einer Typhusepidemie; die Schwestern erhielten 1870 eine im Jahre 1906 erweiterte Wohnung im Gemeindehause; Unterhalt durch die Gemeinde. 4 Schwestern. St. Ludwig. Krankenpflegestation, gegründet 10. September 1892 durch Pfarrer Dietsch und Bürgermeister Wagner. Die Gemeinde, die für den Unterhalt sorgt, überließ 1894 den Schwestern das alte Pfarrhaus als Wohnung. 4 Schwestern. St. Pilt. Auf Wunsch des Herrn Bleger wurden 1866 zwei Schwestern für ambulante Pflege berufen, die bald darauf auch das von demselben gestiftete Spital übernahmen. Die Gemeinde sorgt für den Unterhalt. 4 Schwestern. Scherweiler. Krankenpflegestation, gegründet 5. April 1878. Zum Unterhalt der Schwestern, die im alten Schulhause wohnen, dienen teilweise die Zinsen eines vom verstorbenen Herrn Pfarrer Caspar gestifteten Kapitals. 3 Schwestern. Schlettstadt. Krankenpflegestation, gegründet im Cholerajahr 1854; die Schwestern wohnten zuerst im Bürgerspital, bis 1856 die Stadt ihnen eine eigene Wohnung stellte, zuerst im Neuen Weg, dann bis 1900 im sog. Pavillon (Lehrerinnenseminar), bis 1910 Schlossergasse 2, seither am Krautmarkt 7. Seit 1865 leistet die Stadt einen bestimmten Beitrag zum Unterhalt. 1880 - 1910 besorgten die Schwestern die städtische Armensuppe. 9 Schwestern. Sennheim. Krankenpflegestation, gegründet 9. September 1906 unter Pfarrer Meyer auf Anregung der Firma Thierry-Mieg, die für die Wohnung und Unterhalt aufkam. Die Anstellung einer vierten Schwester wurde durch Wohltäter, u. a. Frau Heuchel, ermöglicht. Die Schwestern widmeten sich auch der Privatarmenfürsorge und leiteten eine von Frau Keuchel eingerichtete Kochschule für Fabrikarbeiterinnen. Im Krieg zerstört, erst im September 1920 wieder aufgenommen. 3 Schwestern. Sentheim. Im April 1879 kamen auf Wunsch des Großindustriellen R. Bian zwei Schwestern für Krankenpflege und Arbeiterfürsorge; sie wohnten bis 1911 in einem Nebengebäude der Fabrik, dann in einem von der Firma neu eingerichteten Schwesternhause, in dem ein Saal zur Abhaltung eines Winternähkurses für Arbeiterinnen und Versammlungen eines Jungfrauenvereins dient. 3 Schwestern. Sigolsheim. Krankenpflegestation, gegründet 9. September 1888; die Schwestern wohnen in einem auf Wunsch des Bischofs Räß von dessen Erben der Kongregation geschenkten Hause, die auch ein Kapital zu ihrem Unterhalt stifteten. 3 Schwestern. Stotzheim. Krankenpflegestation, gegründet 5. Oktober 1889 durch Pfarrer Glöckler, der mit mildtätigen Gaben ein Schwesternhaus gekauft hatte, das 1895 Eigentum der Kongregation wurde. Der Unterhalt wird aus freiwilligen Gaben und einem Beitrag der Gemeinde bestritten. 2 Schwestern. Straßburg (Stelzengasse). Im Oktober 1851 kamen auf Wunsch des Bischofs Räß sechs Schwestern in die Münsterpfarrei für Kranken- und Armenpflege. Sie wohnten zuerst in einem 1853 von der Genossenschaft gekauften Hause in schwierigen materiellen Verhältnissen, da niemand sich um ihren Unterhalt kümmerte. Als der gesteigerten Anforderungen wegen die Zahl der Schwestern sich auf 14 vermehrte, war die Wohnug zu klein. Bischof Räß wies ihnen Wohnräume in der von ihm erworbenen alten Tabakmanufaktur an (an der Stelle des bischöflichen Gymnasiums), die aber ungesund waren. Da erwarb die Kongregation das Haus Nr. 16 am Stephansplatz (1856). Einige umwohnende Hausbesitzer protestierten dagegen, weil sie die Errichtung 224 eines Kranken- und Armenasyls befürchteten. Aber der damalige treffliche Präfekt des Unterelsasses, Migneret, trat mit seinem Einfluß für die Schwestern beim Pariser Kultusministerium ein und forderte den Bürgermeister auf, ein Gutachten darüber abzugeben, ob eine Schwesternniederlassung in Straßburg zweckmäßig sei, und ob sie die berechtigten Interessen der Umwohner schädige. Eine Untersuchungskommission gab dieses Gutachten ab (im Sommer 1856), das von Anfang bis Ende ein glänzendes Lob der sozialkaritativen Tätigkeit der Schwestern enthält. Daraufhin erlaubte die Kaiserliche Regierung der Genossenschaft, das Haus am Stephansplatz für 44000 Franken zu erwerben, worin die Schwestern bis 1899 blieben. Am 4. Juli 1899 bezogen 25 Schwestern das neue Heim in der Stelzengasse, welches die Kongregation am 25. Januar 1898 gekauft hatte (ehemalige Niederlassung der Jesuiten). Ihre Tätigkeit beschränkte sich nicht bloß auf ambulante Krankenpflege. Seit 1900 wirken sechs Schwestern in der städtischen Armenfürsorge; von 1900 bis 1914 war eine Schwester an der Suppenküche von St. Marx tätig. Seit 1904 wirken mehrer andere Schwestern mit Erfolg in der städtischen Fürsorge für Lungenkranke; zwei andere waren bis vor dem Krieg von der Militärverwaltung mit der Krankenpflege in den Familien subalterner Militärbeamten betraut. Nicht zu vergessen sind die Dienste, die sie im Auftrag des Franz-Regis-Vereins in der inneren Mission der katholischen Stadtpfarreien leisten. 31 Schwestern. Straßburg (Kolleg St. Arbogast). Von 1851 bis 1858 leiteten vier Schwestern den Haushalt des von Bischof Räß gegründeten katholischen Kollegs von St. Arbogast in der Judengasse. Straßburg (Garnisonslazarett I). Während der Belagerung von 1870 berief bei Ausbruch einer Blatternepidemie die Militärverwaltung vier Schwestern; die deutsche Administration behielt sie bei. Vor Kriegsausbruch waren 11 Schwestern ständig im Dienst; ihre Zahl stieg während des Krieges auf 35, die mit größter Opferwilligkeit den aufreibenden Dienst in dem stets stark belegten Hause versahen. Nach dem Waffenstillstand vom 11. November 1918 wurden die Schwestern zurückgezogen, da die französische Verwaltung eigene Schwestern (Vinzentinerinnen) mitgebracht hatte. Straßburg-Königshofen. Station für ambulante Krankenpflege auch Armenfürsorge, gegründet durch Pfarrer Rohmer am 6. Oktober 1906. Für Mietwohnung und Unterhalt sorgt ein Damenkomitee. 2 Schwestern. Straßburg-Kronenburg. Krankenpflegestation, gegründet 5. April 1906 durch Pfarrer Fuchs; für Mietwohnung und Unterhalt sorgt ein Krankenverein. 2 Schwestern. Straßburg-Neudorf (Rheinauerstraße 13). Krankenpflegestation, auf Wunsch von Pfarrer Wöhrel am 27. Oktober 1894 gegründet; die Schwestern wohnten zuerst in Miete in der Polygonstraße, bis 1908 die Kongregation in der Rheinauerstraße ein eigenes Haus erstellte, das auch einige Pensionärinnen aufnimmt. Die Schwestern besorgen auch die Kranken des Vorortes Neuhof. 5 Schwestern. Straßburg-Neudorf (St. Odilienkrankenhaus). Am 23. Juni 1910 wurde auf einem von der Kongregation erworbenen Terrain am Poltiweg der Bau eines modernen Krankenhauses begonnen, wofür die Firma Müller-Moßler unter Mitwirkung von Prof. Dr. Stolz und Dr. Kuhn die Pläne entworfen hatte. Am 12. März 1912 bezogen die ersten Schwestern das Haus, das nach völliger Einrichtung am 16. Juli 1912 Herr Superior Hanns feierlich eröffnete. Am folgenden Tage weihte der hochw. Herr Weihbischof Dr. Freiherr Zorn von Bulach die prächtige Kapelle ein, wobei Herr Pfarrer Wursthorn-Neudorf die Festpredigt hielt (abgedruckt in der Festschrift "Das St. Odilienkrankenhaus in Straßburg-Neudorf" Buchdruckerei des "Elsässer", 1912; hier auch genaue Beschreibung des stattlichen Baues). Das mit großen Kosten errichtete und mit allen neuzeitlichen Einrichtungen (2 Operationssäle, Röntgenkabinett, 225 Sterilisierräume, Lichtbäder usw.) versehene Haus kann 120 Kranke aufnehmen. Die innere Abteilung wurde Herrn Dr. Kuhn, die chirurgische Station Dr. Schäffer anvertraut. Dr. Kuhn leitete zugleich die am 27. Oktober 1912 staatlich genehmigte Krankenpflegeschule für die Schwestern (vgl. Dr. Kuhn, Bericht über die Tätigkeit der Krankenpflegeschule am St. Odilienkrankenhaus, in der "Straßburger Medizinischen Zeitung" 1914 24-27). Bei Kriegsausbruch wurde der größte Teil des Hauses als Lazarett eingerichtet; 28 Schwestern pflegten die Verwundeten. 1920: 52 Schwestern. Straßburg-Ruprechtsau. Krankenpflegestation, gegründet 1. Dezember 1894 durch Pfarrer Hassenfratz; für Wohnung und Unterhalt sorgte ein Krankenverein; 1897 wurde aus dem Ertrag wiederholter Sammlungen ein eigenes auf das Pfarramt eingetragenes Schwesternhaus (Kirchgasse 32) erbaut, das 1907 dank der Hochherzigkeit von Msgr. Jacoutot erweitert wurde. 4 Schwestern. Suffelweyersheim. Krankenpflegestation durch Pfarrer Willinger 15. Oktober 1912 gegründet; die Wohnung stellte Fräulein Meyer unentgeltlich; der Unterhalt der Schwestern wird durch Sammlung gedeckt. 2 Schwestern. Sufflenheim. Krankenpflegestation, gegründet 9. September 1904 unter Pfarrer Weiß; Fräulein Meßner stellte den Schwestern unentgeltlich die Wohnung, die Gemeinde sorgt für Unterhalt. 3 Schwestern. Sulz (Oberelsaß). Krankenpflegestation, gegründet 1855 gelegentlich der Choleraepidemie, wo Fräulein d'Andex die Schwestern kommen ließ und bis 1870 für Wohnung und Unterhalt sorgte. 1870 erwarb die Gemeinde das jetzige Schwesternhaus, womit eine Armenküche verbunden wurde. Winterarbeitsstube für Armenkleidung. 5 Schwestern. Thann (Waisenhaus). Am 12. Juli 1856 kamen die ersten Schwestern für ambulante Krankenpflege; sie wohnten im oberen Stadtteil bis 1871. Im Jahre 1863 übernahmen sie das von dem Ehepaar Henriet an dem Bungert gegründete Waisenhaus; sie begannen mit 12 Kindern. Als ihre Zahl sich mehrte, erwarb Pfarrer Grünenberger das Schlößchen Marsilly am Kattenbach, zunächst auf seinen eigenen Namen, und setzte eine Kommission ein, die mit gesammelten Gaben das Gut instandsetzte. 1871 zogen die Schwestern in das jetzt St. Josephsweisenhaus genannte Anwesen ein; die Mädchen bezogen mit den Schwestern den Schloßbau, die Knaben das neueingerichtete Dienstgebäude. Die Oberin, Schwester Bonaventura (vorher in Darmstadt, später in Karlsruhe), brachte die Anstalt aus den finanziellen Schwierigkeiten heraus und erreichte auch, daß die Stadt einen Beitrag für die ambulante Krankenpflege auswarf. Der am 16. November 1874 verstorbene Pfarrer Grünenberger übertrug testamentarisch das Eigentum der Anstalt auf Superior Simonis und Direktor Umhang, durch die es später auf die Kongregation überging. Pfarrer Huhn verdankt das Haus die 1887 erbaute Kapelle. 1889 Anbau des Knabenwaisenhauses, 1894 der des Mädchenwaisenhauses. Der erste Hausgeistliche, Abbé Umhang (früher Direktor des Kollegs zu La Chapelle, gestorben 3. März 1901), ließ auf eigene Kosten die Wohnung des Hausgeistlichen erbauen. 1908 wurde das Knabenhaus bedeutend vergrößert. Von Anfang an wurde ein Ökonomiebetrieb eingerichtet, für den 1920 ein 1914 begonnener Neubau fertiggestellt wurde. Bei Kriegsausbruch weilten in der Anstalt 25 Schwestern und 245 Kinder. Sie mußten, weil Thann in der Feuerlinie lag, ins Innere Frankreichs geflüchtet werden. Das Knabenhaus wurde durch Geschosse stark beschädigt, Ende 1918 wieder bezogen. 25 Schwestern. Wanzenau. Krankenpflegestation, gegründet 1. April 1898 durch Pfarrer Schillinger; die zwei Schwestern wohnten zuerst unentgeltlich bei Fräulein Corumel, bis Pfarrer Schillinger 1906 auf den Namen der Kirchenfabrik ein Schwesternhaus mit Vereinslokal erbauen ließ. Die Schwestern leiten den Jungfrauenverein. 4 Schwestern. 226 Wasselnheim. Krankenpflegestation, auf Wunsch des Pfarrers Hunckler am 19. Dezember 1850 gegründet; nach einigen Jahren aufgehoben und am 23. Dezember 1878 durch Pfarrer Adam erneuert. Die zwei Schwestern bezogen das Gemeindearmenhaus. Am 29. November 1910 wurde für den Kanton Wasselnheim ein neues Krankenhaus mit 45 Betten eröffnet, worin vier Schwestern tätig sind, die auch die ambulante Krankenpflege besorgen. Weiler (bei Thann). Krankenpflegestation, gegründet 15. Juni 1881 unter Pfarrer Monsch. Die Schwestern wohnten in Miete, bis sie 1919 das durch Fräulein Weigel vermachte Schwesternhaus bezogen; für ihren Unterhalt sorgt die Gemeinde; für eine dritte Schwester (1894) warf die Familie Köchlin eine Summe aus. 1899 Eröffnung einer Abendnähschule für Arbeiterinnen. 3 Schwestern. Weißenburg. Krankenpflegestation, gegründet 2. April 1870 unter Pfarrer Schäffer. Die Wohnung, ein Teil des ehemaligen Augustinerklosters, stellte die Kirchenfabrik; Gemeinde und Krankenverein sorgen für Unterhalt. 4 Schwestern. Weyersheim. Krankenpflegestation, 1867 gegründet durch Pfarrer Siffer. Die Gemeinde stellte die Wohnung; von 1882 ab steuert sie auch zum Unterhalt bei. 2 Schwestern. Zabern. Station für Kranken- und Armenpflege, gegründet 19. November 1851 unter Pfarrer Fischer. Die Armenverwaltung übertrug den Schwestern eine Suppenküche. Die Gemeinde sorgte für Wohnung und Unterhalt. 1910 übernahmen die Schwestern den Jungfrauenverein St. Odilia. Seit Mai 1914 widmen sie sich der Lungenkrankenfürsorge in den Gemeinden des Kantons Zabern, indem jeden Monat in jeder Gemeinde ein Besuch gemacht wird. 9 Schwestern. Zillisheim. Auf Wunsch des Bischofs Räß übernahmen die Schwestern die Führung des Haushalts in der 1869 eröffneten bischöflichen Lehranstalt Zillisheim, nachdem sie schon seit 1866 während des Baues der Anstalt die Ökonomiearbeiten der zugehörigen Güter geleitet hatten. 1874 - 1880 hatte die Regierung die Anstalt geschlossen. Bei der Wiedereröffnung, 19. April 1880, nahmen die Schwestern ihre Tätigkeit wieder auf, unter der Oberin Schwester Leonie. Als sie im April 1913 zum Ausruhen ins Muterhaus übersiedelte, widmete ihr der Jahresbericht der Schule die ehrenden Zeilen: "Seit 1880 hatte sie unermüdlich für Schüler, Lehrer und Dienerschaft gesorgt und in treuer Bescheidenheit immer ihre schwere Pflicht erfüllt, so daß der verdiente Gotteslohn für sie sicher reichlich ausfallen wird. Das liebevollste Andenken all der vielen, mit denen sie in ihrer langen Wirksamkeit hier zu tun gehabt hat, wird ihr auch in der Ferne gesichert bleiben und weit über ihren Lebensabend dauern." Im August 1914 war das Haus Zeuge heftiger Kämpfe, und Lehrer und Schwestern haben über 1200 schwerverwundete Krieger beider Armeen treu gepflegt. Die Anstalt mußte dann geräumt werden und wurde nach Colmar verlegt bis 1919. 11 Schwestern. Zinsweiler. Krankenpflegestation, gegründet 19. Juni 1918 unter Pfarrer Elsässer auf Wunsch der Fabrikleitung, welche für Wohnung und Unterhalt aufkommt. 2 Schwestern. 14. Diözese Metz. Kneuttingen. Krankenpflegestation, gegründet 20. September 1904 unter Herrn Pfarrer Scharf für die Arbeiter der Firma de Wendel, die 1914 ein Schwesternhaus erstellte und für den Unterhalt sorgt. 4 Schwestern. Öttingen. Bei einer Typhusepidemie im Jahre 1906 wurde für ein Notspital die Schwester Polyeucte von Rümelingen (Luxemburg) berufen, die bald eine zweite Schwester zur Aushilfe erhielt. 1910 wurde Öttingen selbständige Krankenpflegestation. 227 1912 richtete die Gesellschaft der Öttinger Bergwerke ein Krankenhaus (15 Betten) mit Dispensaire ein. Graf v. Beauffort unterhält eine Schwester für ambulante Krankenpflege. 4 Schwestern. Pfalzburg. Krankenpflegestation, gegründet 1857 durch Herrn Pfarrer Heim. Das der Kongregation gehörige Schwesternhaus wurde bei der Beschießung 1870 zerstört, und die Schwestern verließen die Stadt. Sie kehrten erst 1880 in das wiederaufgebaute Haus zurück, übersiedelten 1884 in das von der Offizierswitwe Frau Dillenschneider der Kongregation geschenkte Anwesen, in das sie auch Kranke aufnahmen. 1900 wurde im Garten ein Neubau errichtet als Lazarett mit 20 Betten für kranke Soldaten der Garnison. 6 Schwestern. Saaralben (Armenhaus). Das von den Eheleuten Burgun (gest. 1853) gestiftete Armenhaus wurde am 9. Juli 1851 von zwei Schwestern bezogen. Im Jahre 1881 wurde ein Neubau errichtet für Aufnahme von Kranken; die übrigen Räume dienen den Pfründnern. Die Anstalt erhält sich durch Ökonomiebetrieb. 9 Schwestern. 228 Viertes Kapitel. Luxemburg. Rümelingen. Krankenpflegestation, gegründet 18. Juli 1874 durch den Grubenbesitzer Gonner für verletzte Arbeiter. 1898 wurde neben dem von der Grubenverwal-tung gestellten Schwesternhaus ein Anbau mit Krankensaal nebst Operationszimmer und Kapelle errichtet. Nach dem Tode des Herrn Gonner vermietete sein Rechtsnachfolger Hoffmann-Nau das Spital im Jahre 1911 der Spitalkommission für die Arbeiter der vereinigten Bergwerkgesellschaft. 9 Schwestern. Schweiz. Diözese Basel. Porrentruy (Pruntrut). Krankenpflegestation, gegründet 21. März 1893 durch Prof. Béchaux, nachdem am 18. Februar 1893 der hochw. Herr Bischof von Basel seine Zustimmung erteilt hatte. Die Schwestern wohnten erst in Miete; 1895 schenkte Abbé Fischer, pensionierter Militärgeistlicher des vierten Schweizer Regiments in sizilianischneapolitanischen Diensten, sein Haus mit Garten (Rue de l'église) der katholischen Kirchengemeinde als Schwesternhaus. 5 Schwestern. Nachträge Erzdiözese Mecheln. Die jetzige Adresse der beiden Häuser ist: 1. Brüssel-Cureghem (Avenue Clémenceau 70). 2. Anderlecht-lez-Bruxelles (Place de la Plaine 14 a). Mannheim-Neckarvorstadt (St. Agneshaus). Krankenpflegestation, Kinderschule und Nähschule. Am 28. Oktober 1889 bezogen auf Wunsch des Herrn Pfarrkurator Becker zwei Schwestern zunächst eine Mietswohnung, am 4. November 1890 ein eigenes Heim in der Mittelstraße. Im März 1891 wurde eine Kinderschule (mit 120 Kindern), im September eine Nähschule eröffnet. Im Jahre 1900 mußte ein eigener Saalbau für die Schulen errichtet werden, zu dem das Mutterhaus 5000 Mark beisteuerte. Seit 1905 Jungfrauenverein. 1910 wurde ein drittes Stockwerk auf das Schwesternheim gesetzt, worein die Nähschule verlegt wurde; in deren bisherigem Raum wurde eine weitere Kinderschule eingerichtet. Seit 1918 Fröbel-Kindergarten. Das mit beträchtlichen Bauschulden belastete Anwesen steht seit 1909 auf den Namen des "Vereins für Krankenpflege". 1920: 17 Schwestern. 229 Anhang Tabellen und Übersichten I. Die Generaloberinnen. Schwester Marie Alphons (1849 - 1867) Elisabeth Eppinger, geb. am 9. September 1814 zu Niederbronn, gründete die Kongregation am 28. August 1849, legte am 2. Januar 1850 die Ordensgelübde ab. Sie starb am 31. Juli 1867 zu Niederbronn. Schwester M. Adelinde (1867 - 1885) Luise Weber, geb. am 6. November 1835 zu Oberbronn, erhielt das Ordenskleid am 27. Mai 1852, wirkte zu Straßburg, Colmar, Mülhausen, gründete 1857 die erste Niederlassung in München (das Vinzentinum), wurde 1861 Generalassistentin in Niederbronn, zur Generaloberin gewählt am 22. September 1867, wiedergewählt am 30. September 1873 und am 12. August 1879. Sie starb am 9. Mai 1885 zu Oberbronn. Schwester M. Damien (1885 - 1900) Luise Richert, geb. am 2. April 1831 zu Winzenheim (Oberelsaß), erhielt das Ordenskleid am 8. Dezember 1853, wirkte zunächst in Straßburg, gründete die Niederlassung zu Thann, war von 1862 bis 1885 Oberin in Mülhausen (in der Burggasse) und zugleich vom 21. Oktober 1871 bis 30. September 1873 Generalassistentin, wurde am 25. Juni 1885 zur Generaloberin gewählt und am 20. Juni 1891 und am 5. Juli 1897 wiedergewählt. Sie starb am 29. April 1900 zu Oberbronn. Schwester M. Macrine (1900 - 1909) Magdalena Frey, geb. am 1. Mai 1845 zu Mülhausen (Oberelsaß), legte am 17. Dezember 1876 die Ordensgelübde ab, wirkte zuerst in Straßburg, wurde 1880 Oberin zu Weißenburg, 1884 Oberin zu Avenay (Marne), 1886 Novizenmeisterin in Oberbronn, am 5. Juli 1897 Generalassistentin, am 11. Juni 1900 Generaloberin, wiedergewählt am 11. Juni 1906. Sie starb am 30. Juli 1909 zu Oberbronn. Schwester M. Livier (seit 1909) Marie Stumpf, geb. am 7. September 1865 zu Kestenholz (Unterelsaß), legte am 8. September 1885 die Ordensgelübde ab, wirkte zuerst in Mülhausen, dann als Gehilfin der Novizenmeisterin in Oberbronn, wurde im November 1900 Novizenmeisterin in Oberbronn und am 6. Oktober 1909 Generaloberin. 230 II. Die Generalassistentinnen. Schwester M. Adelinde (1861 - 1867) (Siehe unter Generaloberinnen) Schwester Melanie (22. September 1867 bis 21. Oktober 1871) Elise de Callenstein, geb. am 21. September 1824 zu Niederbronn, in die Kongregation aufgenommen am 2. Mai 1850, gestorben als Oberin der Krankenpflegestation zu Colmar am 14. Januar 1880. Schwester Stephanie (22. September 1867 bis 21. Oktober 1871, Ökonomin) Josephine Bihl, geb. am 8. Januar 1833 zu Schlettstadt, in die Kongregation aufgenommen am 2. Februar 1859, seit 1872 Oberin des Waisenhauses in Gebweiler, gestorben daselbst am 3. Februar 1911. Schwester Prudence (22. September 1867 bis 21. Oktober 1871, Visitatorin) Anne Marie Dietrich, geb. am 26. November 1827 zu Schweighausen (Oberelsaß), in die Kongregation aufgenommen am 2. August 1851, Oberin 1871 bis 1872 in Marlenheim, 1872 - 1889 in La Chapelle, 1889 - 1903 in Belfort (Rue Grande Fontaine), gestorben daselbst am 3. Oktober 1903. Schwester Delphine (22. September 1867 bis 21. Oktober 1871) Magdalena Hummel, geb. am 25. Juni 1816 zu Niederbronn, in die Kongregation aufgenommen am 19. März 1851, gestorben als Oberin zu Masmünster am 10. Juni 1874. Schwester M. Damien (21. Oktober 1871 bis 30. September 1873) (Siehe unter Generaloberinnen) Schwester Blandine (21. Oktober 1871 bis 30. September 1873 und 20. Juni 1891 bis 5. Juli 1897) Katharina Kreichgauer, geb. am 2. Juni 1827 zu Studernheim (Rheinpfalz), in die Kongregation aufgenommen am 2. August 1851, Oberin des Alten Vinzentiushauses zu Karlsruhe 1870 - 1887, Oberin in Niederbronn 1887 bis 1897, in Andlau 1897 1906, gestorben zu Oberbronn am 1. Mai 1909. Schwester Aveline (21. Oktober 1871 bis 30. September 1878) Hortense Saar, geb. am 24. Januar 1830 zu Markirch, in die Kongregation aufgenommen am 8. Dezember 1853, Oberin zu Colmar (Collège libre) 1861 bis 1871, gestorben am 16. Oktober 1878 zu Niederbronn. Schwester Perpètua (21. Oktober 1871 bis 25. Dezember 1889, Visitatorin) Franziska Gerlach, geb. am 5. September 1817 zu Madfelden (Westfalen), in die Kongregation aufgenommen am 2. August 1851, erste Oberin der Niederlassung in Gebweiler 1853 - 1871, gestorben am 25. Dezember 1889 zu Oberbronn. Schwester Lucretia (30. September 1873 bis 27. Juni 1887) Margareta Wehner, geb. am 13. März 1829 zu Münnerstadt (Bayern), in die Kongregation aufgenommen am 22. April 1856, Oberin des Vinzentinums in München 231 von 1861 - 1867, sodann des Hauses in der Buttermelcherstraße bis 1873, gestorben am 27. Juni 1887 zu Niederbronn als Lokaloberin des dortigen Hauses. Schwester Victorine (30. September 1873 bis 12. August 1879 und 25. Juni 1885 bis 25. August 1902) Wilhelmine Seyfried, geb. am 3. August 1829 zu Hartheim (Baden), in die Kongregation aufgenommen am 8. Dezember 1851, Oberin des Martinstifts in Worms 1879 -1885, gestorben am 25. August 1902 zu Oberbronn. Schwester Tharsille (12. August 1879 bis 25. September 1898, Ökonomin und Visitatorin) Katharina Knäbel, geb. am 3. Oktober 1834 zu Brunstatt (Oberelsaß), in die Kongregation aufgenommen am 2. August 1864, Oberin in Jvry bei Paris 1868 1879, gestorben am 25. September 1898 zu Oberbronn. Schwester Seronna ( 12. August 1879 bis 25. Juni 1885) Marie Weiß, geb. am 31. Januar 1831 zu Oberenzen (Oberelsaß), in die Kongregation aufgenommen am 9. August 1857, gestorben als Oberin zu Thann am 4. Februar 1889. Schwester Ferdinand (6. April 1890 bis 2. April 1917) Anna Heuler, geb. am 5. Januar 1839 zu Marbach (Bayern), in die Kongregation aufgenommen am 8. Dezember 1860, wirkte seit diesem Datum beständig, zuletzt als Oberin in Heidelberg (Burgweg), bis sie an Stelle der verstorbenen Schwester Perpétue am 6. April 1890 zu Generalassistentin ernannt wurde. Sie starb in Oberbronn am 30. Oktober 1918. Schwester M. Macrine (5. Juli 1897 bis 11. Juni 1900) (Siehe unter Generaloberinnen) Schwester Zénobie (9. November 1898 bis 11. Juni 1900) Julie Schell, geb. am 29. Juli 1842 zu Bitsch (Lothringen), in die Kongregation aufgenommen am 6. Dezember 1859, Oberin des Schwesternkrankenhauses in Niederbronn, später in Oberbronn 1880 - 1901, gestorben als Oberin der Klinik zu Nancy am 20. Mai 1912. Schwester Alberta (seit 11. Juni 1900) Elisa Messerer, geb. am 17. Januar 1850 zu Eckkirch (Oberelsaß), legte am 12. November 1871 die Ordensgelübde ab, wirkte in Colmar und La Chapelle und war von 1890 bis 1900 die erste Oberin der Klinik in Anderlecht bei Brüssel. Schwester Séraphine (seit 11. Juni 1900) Augustine Polet, geb. am 23. August 1855 zu Hermalle (Belgien), legte am 3. September 1879 die Ordensgelübde ab, wirkte sodann zu Mülhausen im Hause in der Burggasse, dessen Oberin sie von 1885 bis 1900 war. Schwester Smaragda (seit 24. November 1902) Agnes Haas, geb. am 19. Januar 1855 zu Meersburg (Baden), legte am 6. September 1881 die Ordensgelübde ab, war 1888 - 1892 Oberin des Städtischen Krankenhauses zu Füssen und von 1892 bis 1902 des Theresienhauses in Karlsruhe (Zirkel 21), von wo sie an die Stelle der verstorbenen Schwester Victorine in den Generalrat der Kongregation berufen wurde. 232 Schwester Euphrasia (seit 2. April 1917) Margareta Buchinger, geb. am 13. Oktober 1870 zu Niederliebersbach (Hessen), legte am 8. September 1890 die Ordensgelübde ab, wirkte sodann im St. Agneshaus in Mannheim (Neckarvorstadt), dessen Oberin sie von 1911 an war, bis sie am 2. April 1917 zur Nachfolgerin der hochbetagten erkrankten Assistentin Schwester Ferdinand ernannt wurde. Schwester Milburga (seit 24. Februar 1920) Elisabeth Schilling, geb. am 2. April 1857 zu Schwetzingen (Baden), legte am 3. September 1879 die Ordensgelübde ab, war bis 1885 zu Mannheim (D 4, 4) tätig und führt seitdem den Haushalt der Klostergeistlichen in Oberbronn. Schwester Chromatia (seit 24. Februar 1920) Emma Füll, geb. am 1. Januar 1858 zu Königshofen (Bayern), legte am 6. September 1881 die Ordensgelübde ab, stand von 1895 bis 1911 dem Städtischen Pfründnerhaus in Mülhausen vor und eröffnete 1911 das neue St. Odilienkrankenhaus in Straßburg-Neudorf, dessen Oberin sie bis 1921 blieb. III. Die Generalsekretärinnen. Schwester Adèle (? bis Juni 1870 und 1877 - 1902) Katharina Hentz, geb. am 4. August 1829 zu Reichshofen (Unterelsaß), in die Kongregation aufgenommen am 27. Mai 1852, langjährige Generalsekretärin bis Juni 1870, dann bis Juli 1871 Novizenmeisterin, Juli bis Oktober 1871 Oberin in Colmar, dann in Langres und St. Dié, von 1877 bis 1902 abermals Generalsekretärin, darauf im Ruhestand in Oberbronn, gestorben daselbst am 27. April 1909. Schwester Walburga (Juni 1870 bis Dezember 1877) Magdalena Seckler, geb. am 18. Februar 1830 zu Wattweiler (Oberelsaß), in die Kongregation aufgenommen am 2. Februar 1859, Oberin in Kestenholz 1877 - 1886, alsdann im Ruhestand in Oberbronn, gestorben daselbst am 17. Juli 1888. Schwester Synesia (seit 1902) Barbara Bedacht, geb. am 26. September 1857 zu Landsham (Bayern), legte am 5. September 1877 die Ordensgelübde ab. IV. Die Provinzialoberinnen und ihre Assistentinnen. 1. Für die erste französische Provinz (Oberbronn). Schwester Isidore (Provinzialoberin seit 1920) Josephine Schultz, geb. am 29. Juni 1876 zu Niedersteinbrunn (Oberelsaß), legte am 8. September 1897 die Ordensgelübde ab, zuletzt Oberin in Porrentruy (Schweiz). 233 Schwester Thaïs (Provinzialassistentin seit 1920) Elise Heiny, geb. am 24. Juli 1868 zu Reichsweiler (Oberelsaß), legte am 19. März 1890 die Ordensgelübde ab; Oberin des Schwesternkrankenhauses zu Oberbronn. Schwester Marie-Felix (Provinzialassistentin seit 1920) Anna Schwach, geb. am 19. Juli 1875 zu Rappoltsweiler (Oberelsaß), legte am 19. März 1898 die Ordensgelübde ab; Oberin im Kloster zu Niederbronn. 2. Für die zweite französische Provinz (Avenay). Schwester Vincent de Paul (Provinzialoberin seit 1920) Clémence Paronelli, geb. am 1. Januar 1867 zu Belfort, legte am 19. März 1887 die Ordensgelübde ab, war zuletzt Oberin in Brüssel (Avenue Clémenceau). Schwester M. Florence (Provinzialassistentin seit 1920) Madeleine Rauch, geb. am 13. Februar 1855 zu Rappoltsweiler (Oberelsaß), legte am 4. April 1875 die Ordensgelübde ab; Oberin zu Epinal (Rue du Chapitre). Schwester Marguerite-Marie (Provinzialassistentin seit 1920) Henriette Oger, geb. am 18. März 1870 zu Pont-à-Mousson, legte am 19. März 1901 die Ordensgelübde ab; Oberin in Avenay (Marne). 3. Für die erste deutsche Provinz (Neumarkt in Bayern). Schwester Urbicia (Provinzialoberin seit 1920) Anna Marie Bogensperger, geb. am 17. Dezember 1863 zu Burgebrach (Bayern), legte am 19. März 1889 die Ordensgelübde ab, war zuletzt Oberin des Vinzentinums in München. Schwester Marie-Therese (Provinzialassistentin seit 1920) Frieda Alwers, geb. am 27. Juni 1873 zu Neustadt (Rheinpfalz), legte am 19. März 1896 die Ordensgelübde ab, war zuletzt Oberin in Dr. Deckers Klinik in München. Schwester Anna-Marie (Provinzialassistentin seit 1920) Isabella Schmitt, geb. am 27. Juni 1874 zu Nürnberg, legte am 8. September 1896 die Ordensgelübde ab, war zuletzt Sekretärin in Bühl (Baden). 4. Für die zweite deutsche Provinz (Bühl in Baden). Schwester Gaudentia (Provinzialoberin seit 1920) Johanna Knörzer, geb. am 20. Februar 1866 zu Aschhausen (Württemberg), legte am 8. September 1885 die Ordensgelübde ab, war zuletzt Oberin in Mannheim (Großmerzelstarße). Schwester Godina (Provinzialassistentin seit 1920) Rosa Walleser, geb. am 26. April 1867 zu Wieden (Baden), legte am 19. März 1889 die Ordensgelübde ab, war zuletzt Oberin in Heidelberg (Kaiserstraße). Schwester Marie-Berta (Provinzialassistentin seit 1920) Sophie v. Schneider, geb. am 21. April 1872 zu Mannheim, legte am 19. März 1901 die Ordensgelübde ab; Oberin im Alten Vinzentinushaus in Karlsruhe. 234 V. Die Novizenmeisterinnen. 1. In Niederbronn und Oberbronn Schwester Marie-Joseph (bis Juni 1870) Marguerite Chevreux, geb. am 5. März 1819 zu Pont-à-Mousson, in die Kongregation aufgenommen am 2. Mai 1850, gestorben am 27. Juli 1871 zu Oberbronn. Schwester Adèle (Juni 1870 bis Juli 1871) (Siehe unter Generalsekretärinnen) Schwester M. Célestine (Juli 1871 bis August 1886) Karoline Schaub, geb. am 8. April 1835 zu Betschdorf (Unterelsaß), in die Kongregation aufgenommen am 28. August 1856; Oberin zu Avenay von August 1886 bis Mai 1897, gestorben zu Oberbronn am 3. August 1897. Schwester M. Macrine (Juli 1886 bis November 1897) (Siehe unter Generaloberinnen) Schwester M. Guillaume (Juli 1897 bis November 1898) Rosalie Romon, geb. am 14. Juli 1847 zu Straßburg, legte am 19. März 1883 die Ordensgelübde ab, seit 1898 Oberin des Hauses in Paris-Ménilmontant. Schwester M. Florence (November 1898 bis November 1900) (Siehe unter Provinzialoberinnen und Assistentinnen) Schwester M. Livier (November 1900 bis Oktober 1909) (Siehe unter Generaloberinnen) Schwester M. Sébastienne (Oktober 1909 bis Januar 1910) Josephine Nägert, geb. am 13. Mai 1866 zu Kienzheim (Oberelsaß), legte am 19. März 1884 die Ordensgelübde ab; zurzeit Oberin in Thaon (Vosges). Schwester Saint-Charles (seit Januar 1910) Anna Fender, geb. am 29. September 1867 zu Rappoltsweiler (Oberelsaß), legte am 19. März 1893 die Ordensgelübde ab. 2. Im provisorischen Noviziat zu Bouère (Mayenne). Schwester M. Florence (Juni 1918 bis Juni 1919) (Siehe unter Provinzialoberinnen) 3. In Karlsruhe und Bühl. Schwester Euphrasia (September 1919 bis Mai 1920) (Siehe unter Generalassistentinnen) 235 Schwester Palladia (seit Mai 1920) Josephine Stein, geb. am 23. Februar 1879 zu Oberhausen (Rheinpfalz), legte am 19. März 1901 ihre Ordensgelübde ab. 4. In München und Neumarkt. Schwester Witburga (seit März 1920) Katharina Schreiner, geb. am 5. Juli 1874 zu Edesheim (Rheinpfalz), legte am 8. September 1896 die Ordensgelübde ab. VI. Die Postulantenmeisterinnen. 1. In Niederbronn und Oberbronn. Schwester Angèle (? bis 1878) Luise Tschieret, geb. am 18. Februar 1843 zu Thann, legte am 16. Juli 1871 die Ordensgelübde ab, Oberin in Paris-Ménilmontant 1881 - 1886, Weißenburg 1886 1897, Avenay 1897 - 1900, St. Dié 1900 - 1910, gestorben am 23. April 1915 zu Moosch. Schwester Anysia (1878 - 1901) Magdalena Backé, geb. am 28. Mai 1848 zu Darmstadt, legte am 16. Juli 1871 die Ordensgelübde ab, von 1901 ab krank in Oberbronn, gestorben daselbst am 27. Juli 1914. Schwester Optata (1901 - 1919) Christina Schipper, geb. am 12. Dezember 1857 zu Kissingen (Bayern), legte am 19. März 1888 die Ordensgelübde ab. Seit März 1919 Postulantenmeisterin in Karlsruhe, dann in Bühl. Schwester Ephrem (seit 1919) Gertrud Ehrminger, geb. am 14. April 1873 zu Wiesweiler (Lothringen), legte am 19. März 1894 die Ordensgelübde ab. 2. Im interimistischen Postulat zu Thaon (Vosges.) Schwester M. Sébastienne (März 1915 bis Juni 1919) (Siehe unter Novizenmeisterinnen) 3. In Karlsruhe und Bühl. Schwester Optata (seit März 1919) Vorher Postulantenmeisterin in Oberbronn 236 4. In München und Neumarkt. Schwester Witburga (März 1919 bis März 1920) (Siehe unter Novizenmeisterinnen) Schwester Sanctina (seit März 1920) Franziska Hemberger, geb. am 16. Februar 1882 zu Bulach (Baden), legte am 19. März 1906 die Ordensgelübde ab. VII. Die Zahl der Profeßschwestern 1872 - 1920 1). 1872: 600 Schwestern 1880: 800 " 1891: 1273 " 1894: 1421 " 1897: 1600 " 1900: 1800 " 1903: 1971 " 1906: 2163 " 1) 1907: 2235 Schwestern 1908: 2306 " 1909: 2369 " 1910: 2424 " 1911: 2469 " 1912: 2520 " 1913: 2587 " 2) 1914: 2587 " 1915: 2644 Schwestern 1916: 2671 " 3) 1917: 2667 " 1918: 2630 " 1919: 2656 " 1920: 2721 " Soweit die Akten des Sekretariats (Triennal- und Jahresberichte) darüber Aufschluß geben. 2) Es fand in diesem Jahre nur eine Profeß statt (im März); diejenige des Monats September wurde des Kriegsausbruches wegen auf März 1915 verschoben. 3) Der hier einsetzende vorübergehende Rückgang ist, außer auf den Krieg, vor allem auf die größere Sterblichkeit zurückzuführen, wie folgende Zahlen zeigen: 1913: 40 Sterbefälle 1914: 41 " 1915: 45 " 1916: 40 " 1917: 62 Sterbefälle 1918: 95 " (Grippe!) 1919: 61 " 1920: 50 " 237 VIII. Übersicht über die Ausbreitung der Kongregation in den verschiedenen Bistümern (1850 - 1920). Die Zahl der Niederlassungen betrug am Ende des Jahres: im Bistum: 1850 1855 1860 1865 1870 1875 1880 1885 1890 1895 1900 1905 1910 1915 1920 Straßburg 9 28 34 38 47 46 53 57 65 72 83 85 89 90 90 Metz ― 2 3 3 1 1 2 2 2 2 2 3 4 4 4 Speyer ― 4 4 3 4 6 6 6 11 14 20 23 28 29 29 Nancy ― 2 3 2 2 2 2 4 5 6 6 6 6 5 5 Besançon ― 2 1 1 1 4 5 5 5 5 5 5 5 5 5 St. Dié ― 1 2 3 4 5 6 8 9 12 13 12 12 12 12 Würzburg ― 1 12 15 ― 1 ― ― ― ― ― ― ― ― ― München ― ― 3 6 11 13 13 15 15 16 20 22 23 23 29 Langres ― ― 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 Freiburg ― ― 5 5 11 13 13 13 30 41 50 53 58 64 77 Wien ― ― 1 1 ― ― ― ― ― ― ― ― ― ― ― Eichstätt ― ― 1 1 2 3 3 3 3 3 3 3 3 4 7 Châlons ― ― 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 Mainz ― ― 1 2 6 6 6 10 11 13 16 17 21 23 27 Raab ― ― ― 1 ― ― ― ― ― ― ― ― ― ― ― Regensburg ― ― ― ― 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 ― Paris ― ― ― ― 1 1 1 3 4 5 6 6 6 6 6 Dijon ― ― ― ― 1 1 1 1 1 2 2 2 2 2 2 Lüttich ― ― ― ― 1 2 2 3 2 2 2 2 2 2 2 Bamberg ― ― ― ― ― 1 2 4 7 9 14 15 17 20 25 Luxemburg ― ― ― ― ― 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 Reims ― ― ― ― ― ― 1 1 4 7 8 9 7 7 8 Mecheln ― ― ― ― ― ― 1 1 2 2 2 2 2 2 2 Versailles ― ― ― ― ― ― 1 2 1 1 1 ― ― ― ― Passau ― ― ― ― ― ― ― 1 1 1 1 2 2 2 2 Lille ― ― ― ― ― ― ― 1 2 3 3 3 3 3 3 Arras ― ― ― ― ― ― ― 1 1 1 ― ― ― ― ― Augsburg ― ― ― ― ― ― ― ― 2 4 5 6 6 6 6 Troyes ― ― ― ― ― ― ― ― 1 1 1 1 1 1 1 Basel ― ― ― ― ― ― ― ― ― 1 1 1 1 1 1 Brügge ― ― ― ― ― ― ― ― ― ― ― ― ― 1 1 Valence ― ― ― ― ― ― ― ― ― ― ― ― ― ― 1 9 40 72 83 95 109 122 145 188 227 268 282 302 316 348 (bis 1913 Cambrai) 238 IX. Belgien 5 4 1 Deutsches Reich 1 202 141 51 23 1 16 7 95 Frankreich 2 139 122 26 22 12 9 4 1 Luxemburg 1 1 1 Schweiz 1 1 348 269 79 45 13 25 11 96 26 Baden 77 56 11 4 1 6 1 35 23 4 49 Hessen 27 21 9 3 3 3 16 2 1 14 Rechtsrhein. Bayern 69 39 26 13 3 3 23 1 8 Rheinpfalz 29 25 5 3 4 90 83 17 14 1 26 13 94 5 19 1 13 113 6 Schüler-, Lehrlings-, Gesellenheime Damen-Ouvroirs, Paramentenvereine Heime für weibliche Jugend Weibliche Jugend- und Standesvereine Katechismusunterricht Haushaltungs- und Kochschulen Handarbeitsschulen Kinderhorte Kindergärten Bewahrschulen Krippenanstalten, Säuglingspflege Waisenhäuser Stationen für ambzlante Krankenpflege Krankenhäuser und Erholungsheime Armen- und Pfründnerhäuser, Altersheime Armenküchen Armenfürsorge Niederlassungen Zusammenfassende Übersicht über die Tätigkeit der Kongregation nach dem Stand vom 31. Dezember 1920 2 63 11 7 14 26 1 4 17 15 91 12 11 17 2 36 5 2 3 8 1 9 5 5 21 22 14 1 9 __________ _ 1 2 Näherhin in: 4 1 Davon im: Bistum Straßburg 5 5 1 1 2 7 1 2 4 239 X. Übersicht über die am 31. Dezember 1920 bestehenden Niederlassungen und deren Tätigkeit. Amb Arbnh Arbnv Armnf Armnh Bewsch = Ambulante Krankenpflege = Arbeiterinnenheim = Arbeiterinnenverein = Armenfürsorge = Armenhaus = Bewahrschule (Kleinkinderschule) Dbh = Dienstbotenheim Dbv = Dienstbotenverein Disp = Dispensär (Verbandstelle) Fkdrg = Fröbel-Kindergarten Hand = Handarbeitsschule (Strick-, Näh-, Industrieschule) Haush = Führung des Haushalts Haushsch = Haushaltungsschule Jgfv = Jungfrauenverein Kat = Katechismusunterricht Knhort = Knabenhort Kochsch = Kochschule Krkh = Krankenhauspflege Ladnh = Ladnerinnenheim Lehrlh = Lehrlingsheim Mdhort = Mädchenhort Mdpatr = Mädchenpatronage Ortsstricksch = Ortsstrickschule Ouv = Ouvroir (Damenverein zur Anfertigung von Kleidern für Arme Par = Paramentenverein Pens = Pensionäre Pfrd = Pfründnerpflege Säuglf = Säuglingsfürsorge Schlrh = Schülerheim Schlrnh = Schülerinnenheim Stellnv = Stellenvermittlung Tubf = Tuberkulosenfürsorge Vkdrg = Volkskindergarten Wais = Waisenpflege Belgien. (5 Niederlassungen, 62 Schwestern) Bistum Brügge. (1 Niederlassung, 12 Schwestern Bistum Lüttich. (2 Niederlassungen, 21 Schwestern) Erzbistum Mecheln. (2 Niederlassungen, 29 Schwestern) Deutsches Reich: (202 Niederlassungen, 1478 Schwestern) Baden und Hohenzollern. Erzbistum Freiburg. (77 Niederlassungen, 588 Schwestern) 234 Bayern. (98 Niederlassungen, 667 Schwestern) Bistum Augsburg. (6 Niederlassungen, 29 Schwestern) Erzbistum Bamberg. (25 Niederlassungen, 164 Schwestern) Bistum Eichstätt. (7 Niederlassungen, 39 Schwestern) Erzbistum München-Freising. (29 Niederlassungen, 242 Schwestern) Bistum Passau. (2 Niederlassungen, 8 Schwestern) Bistum Speyer. (29 Niederlassungen, 185 Schwestern) Hessen. Bistum Mainz. (27 Niederlassungen, 223 Schwestern) Frankreich. (139 Niederlassungen, 1167 Schwestern) Erzbistum Besancon. (5 Niederlassungen, 27 Schwestern) Bistum Châlons-sur-Marne. (1 Niederlassung, 12 Schwestern) Bistum Dijon. (2 Niederlassungen, 9 Schwestern) Bistum Langres. (1 Niederlassung, 8 Schwestern) Bistum Lille. (3 Niederlassungen, 51 Schwestern) Bistum Metz. (4 Niederlassungen, 23 Schwestern) 235 Bistum Nancy. (5 Niederlassungen, 46 Schwestern) Erzbistum Paris. (6 Niederlassungen, 104 Schwestern) Erzbistum Reims. (8 Niederlassungen, 34 Schwestern) Bistum St. Dié. (12 Niederlassungen, 78 Schwestern) Bistum Straßburg. (90 Niederlassungen, 761 Schwestern) Bistum Troyes. (1 Niederlassung, 8 Schwestern) Bistum Valence. (1 Niederlassung, 6 Schwestern) Luxemburg. Bistum Luxemburg. (1 Niederlassung, 9 Schwestern) Schweiz. Bistum Basel-Lugano. (1 Niederlassung, 5 Schwestern) 236 XI. Aufgehobene Niederlassungen. Belgien. Bistum Lüttich Vaux-sous-Chèvremont 1873 - 1888 Deutsches Reich. Baden. Erzbistum Freiburg. Achern 1869 - 1878 Mannheim (Laurentianum) 1906 - 1912 Sandhausen 1895 - 1904 Weinheim 1892 - 1912 Bayern. Erzbistum München-Freising. Altomünster 1867 - 1871 Dollenstein 1867 - 1869 München-Schwabing (Krankenhaus) 1874 - 1910 Bistum Regensburg. Eschelbach 1867 - 1920 Bistum Speyer. Landstuhl 1854 - 1861 Neustadt a.d. Hardt (Klinik Schäfer) Januar bis Oktober 1903 Pirmasens 1853 - 1855 Bistum Würzburg. Arnstein 1860 - 1866 Aschaffenburg 1860 - 1866 Dettelbach 1858 - 1866 Haßfurt 1863 - 1866 237 Heidingsfeld 1860 - 1866 Karlstadt 1860 - 1866 Kissingen 1855 - 1866 Kitzingen 1860 - 1866 Litzingen 1860 - 1866 Lohr 1858 - 1866 Miltenberg 1865 - 1866 Münnerstadt 1872 - 1878 Ochenfurt 1865 - 1866 Volkach 1857 - 1866 Werneck 1856 - 1866 Würzburg 1857 - 1866 Hessen. Bistum Mainz. Darmstadt (Klinik Lossen) 1902 - 1903 Frankreich. Bistum Arras. Beuvry 1884 - 1899 Erzbistum Besancon. Isle-sur-Doubs 1855 - 1858 La Chapelle-sous-Rougemont 1852 - 1869 Marnay 1862 - 1863 Bistum Langres. Langres (Pensionshaus) Januar bis Juli 1887 Bistum Laval. Bouère 1918 - 1919 Bistum Meaux. St-Fiacre 1882 - 1884 Bistum Metz. St. Quirin 1859 - ? Singlingen 1855 - 1870 Bistum Nancy. Pont-à-Mousson (Greisenasyl) 1885 - 1914 Toul 1856 - 1862 Erzbistum Paris. Ivry 1868 - 1881 238 Erzbistum Reims. Boult-sur-Suippe 1895 - 1900 Braux 1893 - 1908 Rouzon 1895 - 1908 Sedan 1890 - 1892 Bistum Straßburg. Andlau 1850 - 1906 Blodelsheim 1859 - 1909 Brunstatt 1862 - 1867 Colmar (Collège libre) 1852 - 1873 Colmar (Waisenhaus) 1860 - 1862 Geberschweier 1852 - 1854 Gebweiler (Arbeiterküche der Fabrik Frey) 1900 - 1917 Hirsingen 1863 - 1916 Homburg 1865 - 1873 Kinzheim 1852 - ? Mommenheim 1850 - 1862 Mülhausen (Ortskrankenhaus) 1894 - 1911 Neunhofen 1850 - 1864 Niederschäffolsheim 1879 - 1881 Örmingen 1852 - ? Ottrott 1858, aufgehoben in demselben Jahr Pfastatt 1867 - 1871 Regisheim (Mädchenheim) 1897 - 1917 Saales (Greisenasyl) März bis Juli 1896 Schirmeck 1862 - 1863 Sierenz 1864 - 1865 Straßburg (Kolleg St. Arbogast) 1851 - 1858 Straßburg (Garnisonslazarett) 1870 - 1919 Wasenberg bei Niederbronn 1851 - 1870 Wildenstein 1884 – 1913 Bistum St. Dié. Lusse 1884 - 1903 St. Dié (Greisenasyl) 1885 - 1890 Tendon 1856 - 1880 Bistum Versailles. Mainville 1884 - 1901 Villemoisson 1880 - 1889 Österreich. Erzbistum Wien. Wien 1857 - 1866 Ungarn. Bistum Raab. Ödenburg 1863 - 1866 239 Anmerkungen. Anmerkungen in französischer Sprache wurden nicht alle berücksichtigt! 1) Der Vater des 1899 verstorbenen Bischofs Ludwig von Metz. 2) 1839 zählte Niederbronn auf 2924 Einwohner 1124 Katholiken; von den übrigen waren 1478 Protestanten, 309 Israeliten, 13 Angehörige anderer Bekenntnisse. In den Sommermonaten weilten zahlreiche Badegäste aus dem Innern Frankreichs in Niederbronn, meist praktizierende Katholiken; dieser Umstand verlieh der Pfarrei besondere Wichtigkeit. 3) Reichards Aufzeichnungen und die zu erwähnenden Schriften Bussons könnten nicht als genügende Grundlage dienen. 4) Vgl. darüber und namentlich über die wissenschaftliche Bedeutung von Räß die Schrift von A. Schnütgen, "Das Elsaß und die Erneuerung des katholischen Lebens in Deutschland von 1814 bis 1848" (Straßburg 1913), und J. Guerber, Bruno Franz Leopold Liebermann (Freiburg 1880). 5) In einem am 6. Februar 1850 an den französischen Kultusminister abgeschickten Bericht schreibt Räß seine Eindrücke von diesem Besuch nieder. 6) Vgl. den für unsere Frage interessanten Aufsatz im "Katholischen Kirchen- und Schulblatt für das Elsaß", Augustheft (Straßburg 1848). 7) Vgl. darüber Galland, Josef v. Görres 484. Es sei auch an die Vorgänge erinnert, die sich 1846 in La Salette abspielten. 8) Starb 1860 als Pfarrer zu Benfeld im Unterelsaß. 9) Über die Resultate dieser Untersuchung konnte ich nichts ermitteln. 10) Geboren am 18. Juni 1802 zu Straßburg, trat der protestantische Edelmann im Jahre 1837 zum Katholizismus über und ist durch verschiedene wertvolle geschichtliche Werke eine Stütze der katholischen Sache geworden. Er starb 1865. 11) Aus einem Brief Reichards an Räß vom 29. Juli 1850; er meldet, daß täglich Bekehrungen stattfinden. 12) Lomnitz hat diese Reise sehr ausführlich beschrieben und das Manuskript dem Bischof Räß übersandt; es liegt im Straßburger Ordinariatsarchiv und ist für die Geschichte der Kongregation nicht ohne Interesse. 13) Nach einem Brief Reichards an Räß vom 7. Februar 1850. Im Mai des folgenden Jahres besuchte Reichards Vikar, Lienhard, den Dichter in Paris und versicherte ihn des Interesses, das man ihm im Kloster zu Niederbronn entgegenbringe und der Gebete, die man für ihn verrichte. Er war, wie Lienhard in einem Schreiben an Räß (datiert Paris, 1. Mai 1851) berichtet, dadurch sehr gerührt und bat um Fortsetzung der Gebete. 14) Dieser hochbegabte, als glänzender Redner bekannte geistliche, der kurz vor dem Tode Napoleons I. ausersehen war, auf der Insel St. Helena die dortigen für den Umgang mit 240 den kranken Verbannten weniger geeigneten Geistlichen zu ersetzen, war gerade im Begriff, sich einzuschiffen, als die Kunde vom Ableben des Exkaisers eintraf. Seine große Demut ließ ihn öfters glänzende Stellungen, ja angebotene Bischofssitze ausschlagen; vgl. über ihn die Biographie des Abbè Besson. 15) Der Titel der deutschen Übersetzung lautet: Leben und Offenbarungen der ekstatischen Jungfrau Elisabeth Eppinger zu Niederbronn. 16) Die schmucklosen, eintönigen Originalberichte Reichards, die mir vorlagen, lassen mich diese Vermutung aussprechen. Überhaupt lehrt die Erfahrung, daß solche Aufzeichnungen angeblicher Offenbarungen, die von zweiter Hand redigiert werden, von der Kritik mit besonderer Vorsicht aufzunehmen sind; besonders lehrreich sind in dieser Hinsicht Klemens Bretanos Aufzeichnungen der Geschichte der gottseligen Katharina Emmerich. Mit diesem Hinweis will ich keine Parallele zwischen dieser und Elisabeth Eppinger ziehen. Dort liegt ein viel markanteres religiöses Phänomen vor. Über Bretanos Anteil an der Fassung der Geschichte der Katharina Emmerich vgl. die lehrreiche Schrift von H. Cardauns, Klemens Bretano. Beiträge, namentlich zur Emmerichfrage (Köln 1915). 17) Die durch den Vicomte de Bussierre auf dem laufenden gehalten wurde. 18) Im Februar 1850 hatte Räß dem päpstlichen Nuntius zu Paris einen ausführlichen Bericht zur Übermittlung an den päpstlichen Stuhl übersandt; durch ein Schreiben vom 18. Februar 1850 bestätigt der Nuntius den Empfang der Denkschrift. Im Auftrag Sr. Heiligkeit richtete dann der Staatssekretär Kardinal Antonelli an den Nuntius ein Schreiben (Portici, 22. März 1850), das in einer von mir im Nachlaß Räß’ vorgefundenen französischen Übersetzung zu finden ist. 19) Diese bedeutende, nur im Elsaß und Frankreich verbreitete Kongregation wurde 1783 gegründet. ... Geschichte der Kongregation der Schwestern von der göttlichen Vorsehung (Kolmar 1910); Heimbucher, Die Orden und Kongregationen der katholischen Kirche III (1908) 374. 20) In diesem Schreiben bemerkt Bacher noch, daß ihn mehrere Pfarrer tadelten, weil er jener Person, die man als Schwärmerin bezeichnete, Glauben schenkte; auch der Bischof erfahre darob Tadel. "Ich lasse sie reden und bin gewillt, sie dennoch in die Schwesternkongregation aufzunehmen." 21) Das Schreiben ist aufgegeben zu Thann am 18. August. 22) Vgl. das gründliche Werk von W. Liese, Wohlfahrtspflege und Caritas im Deutschen Reich, Deutsch-Österreich, der Schweiz und Luxemburg (München-Gladbach 1914) 75. 23) Über den Pauperismus im Elsaß zu dieser Zeit vgl. L. J. Reboul-Deneyrol, daselbst ein äußerst lobender Abschnitt über die Schwestern von Niederbronn; Chr. Hackenschmidt, Armut und Barmherzigkeit im Elsaß (Straßburg 1880); S. 68 f. werden die Niederbronner Schwestern behandelt und das Zeitgemäße ihrer Gründung besonders hervorgehoben. Für Deutschland: Fr. Schmidt, Über die Zustände der Verarmung in Deutschland, ihre Ursachen und die Mittel, ihnen abzuhelfen (Zittau und Leipzig 1837); Rosch, Über die Not im Volke, die Unzufriedenheit und die Auswanderungen (Nürnberg 1838); A. v. Holzschuher, Die materielle Not der unteren Volksklassen und ihre Ursachen (Augsburg 1850). 24) Gleichzeitig kamen auch in Deutschland allerlei wohltätige Genossenschaften auf, welche die Not der Zeit angeregt hatte; siehe darüber W. Hohn, Barmherzige Schwestern vom hl. 241 25) Karl Borromäus (Trier 1900) 289 f. F. Hettinger bei G. Ratzinger, Geschichte der kirchlichen Armenpflege (1884). 26) Ich entnehme alle diese und die folgenden Angaben einer geschriebenen Chronik des Niederbronner Hauses. 27) Mit Recht hebt E. Sitzmann (...) dieses Verdienst Reichards hervor. 28) Vgl. darüber Glöckler, Un faux Louis XVII, le baron de Richemont, en Alsace 1849-1851 (Rixheim 1899) Louis Beuillot machte Anfang August 1850 im "Univers" einen heftigen Ausfall gegen Niederbronn. Noch am 25. Januar 1852 konnte Herr Louis de Cissy, ein ständiger Niederbronner Sommergast und eifriger Freund des Klosters, an Räß schreiben, daß in Frankreich die Erregung gegen Niederbronn groß sei. Das beweisen auch die vielen Anfragen französischer Bischöfe bei Räß aus dieser Zeit, die ich einsehen konnte. Auch Bischof Räß, der den Abenteurer, der mehrere Tage in Niederbronn geweilt hatte, bei sich in Sigolsheim empfing, zog sich dadurch bei der republikanischen Regierung keine geringen Ungelegenheiten zu. Für die ganze damals so viel Staub aufwirbelnde Ange legenheit ist auch die folgende Aufzeichnung des österreichischen Botschafters in Paris, Grafen Joseph Alexander v. Hübner, nicht ohne Interesse; er schreibt in seinen "Erinnerungen" unterm 13. Februar 1853: "der Bischof von Straßburg, Monseigneur Räß, ein alter Bekannter aus der Zeit von 1831, wo er noch Domherr war, versäumt es nie, wenn er nach Paris kommt, mich aufzusuchen. Heute speiste er bei mir, und ich habe ihn selten in solcher Begeisterung wie diesen Abend gesehen. Er verehrt Louis XVII. und ist überzeugt, daß derselbe in der Person des Baron Richemond noch existiere. Dank einer Hellseherin, der Schwester Augusta von Niederbronn (der richtige Name ist wohl dem Gedächtnis des Schreibers nicht gegenwärtig geblieben), von welcher der Bischof viel Gutes sagt, ist dieser Glaube im Elsaß so ziemlich verbreitet. Diese Volkslegende, würde man es glauben, beunruhigte Louis Napoleon bereits, als er nur einfacher Präsident der Republik war, und er grollt deshalb dem Monseigneur Räß: "Der Bischof von Straßburg", sagte er mir einmal, "tritt als Apostel eines Betrügers auf. Sie glauben doch nicht, daß an dieser Geschichte etwas Wahres sein könnte?" Vgl. Graf J. A. v. Hübner, Neun Jahre der Erinnerung eines österreichischen Botschafters in Paris unter dem zweiten Kaiserreich 1851 - 1859 I (Berlin 1904) 65. - Über den problematischen Wert solcher politischen Prophezeiungen vgl. J. Zahn, Einführung in die christliche Mystik (Paderborn 1908) 527 f. 29) Von der Korrespondenz des Bischofs von La Rochelle und Cisseys lagen mir Abschriften des Herrn v. Cissey vor. Über Cisseys eifrige Beziehungen zu der Stifterin vgl. L. Bastien, Vie de M. de Cissey (Paris 1893) 33 ff. 30) Konvertit, 1832 von Metternich als Rat an die k. k. Hof- und Staatskanzlei in Wien berufen; vgl. über ihn Rosenthals Konvertitenbilder aus dem 19. Jahrhundert I, 1. Abt., 478 ff. 31) 7. Februar 1851. 32) Straßburg, 14. Dezember 1851. 33) Im Original unterstrichen. 34) Bei Busson, Troisièmes lettres 59. 35) Aus einer im Auftrag des Bischofs Weis von Speyer an den Reichsrat von Arco-Valley gerichteten Denkschrift; über den Inhalt wird im zweiten Hauptteil bei der Darstellung der 242 Niederlassungen im Speyrer Bistum noch berichtet. 36) Regelbuch für die Kongregation der Töchter des göttlichen Erlösers in Niederbronn (Straßburg 1855, Eb. Huder), 20 Seiten. Daselbst erschien auch eine französische Ausgabe. 37) Sie starb heiligmäßig am 7. Juli 1871. 38) 18. Februar 1852. 39) 31. Oktober 1853, nach einem Schreiben von Räß an Reichard. 40) Diese Berichte hat Räß sorgfältig aufbewahrt. 41) Vgl. Reboul-Deneyrol, Paupérisme et Bienfaisance dans le Bas-Rhin 354. 42) 18. Dezember 1852. 43) Vom 20. Dezember 1852. 44) Bericht vom 12. Januar 1853. 45) 10. Dezember 1852. 46) Diese Tätigkeit wird weiter hinten in einem eigenen Abschnitt ausführlich gewürdigt. 47) Busson, Troisièmes lettres 66. 48) Des im Krimkrieg (1854) gestorbenen Oberkommandierenden des französischen Expeditionskorps. 49) Er starb 1890 als Pfarrer zu Rädersheim. 50) Die eine, Schwester Raphael, starb schon am 11. September 1854, die andere, Schwester Felizitas, am 12. März 1857. 51) Es amtierten dort die Herren Klein, der bald nach Amerika auswanderte, Gapp (1862), Ritleng (1866), Köpfer (1867), Zimmermann (1870). 52) Präfekt entspricht dem deutschen Regierungspräsident. 53) Der eine Art geistliche Legion gestiftet hatte zur Missionierung Nordafrikas. 54) Ein Herr Scheltienne aus Mézières. 55) Sein Nachfolger wurde Pfarrer Rauch; Reichard hätte gerne seinen treuen und eifrigen Administrator Lienhart als Nachfolger gesehen. Allein die Regierung, der für eine Pfarrei zweiter Klasse konkordatsmäßig die Bestätigung des Pfarrers zustand, wollte ihn nicht genehmigen, da er in der Affäre des falschen Thronprätentenden Richmont eine wichtige Rolle gespielt hatte. Bischof Räß, der dem Kultusminister gegenüber betonte, daß er selbst nie daran dachte, Lienhart für Niederbronn in Vorschlag zu bringen, weil diesem "ausgezeichneten Priester" der Geist der Selbständigkeit mangelte, spendet ihm doch 243 hohes Lob dafür, daß er fast sein ganzes Vermögen für die Genossenschaft verwendet habe. 56) Im Mittelalter saßen hier die Edlen von Born. Im Jahre 1587 errichtete Graf Ludwig von Leinigen einen Neubau, der 1669 zum Teil zerstört wurde. In der französischen Revolution als Nationaleigentum versteigert, ging das Gut nacheinander an verschiedene Besitzer über, zuletzt (1824) wurde es Eigentum des Grafen von Strahlenheim, Gemahls einer Gräfin von Löwenhaupt; vgl. Näheres über die Geschichte des Schlosses und der Herrschaft Oberbronn bei Clauß, Historisch-topographisches Wörterbuch des Elsasses 784 f. 57) Für den in Italien weilenden Kaiser zeichnete die Kaiserin Eugenie. 58) Niederbronn zählt heute ca. 3000 Einwohner; das Bad wurde früher viel stärker besucht als jetzt. Das große Eisenwerk von Dietrich & Co. macht Niederbronn zu einem bedeutenden Industrieort. 59) Für die einzelnen Häuser verweise ich auf das dritte Buch. 60) Aus einem Briefe der Münchner Oberin, Schwester Lukretia, an Superior Simonis vom 9. Januar 1873. 61) Datiert Paris, 20. Dezember 1858. 62) 20. Dezember 1858. 63) 20. Dezember 1858. 64) 23. Januar 1859. 65) 29. Mai 1858. 66) 28. Januar 1859. 67) 26. Juli 1858. 68) 21. Dezember 1858. 69) 10. Januar 1859; mitgesandt waren Berichte des Dekans F. A. Hauck von Heidelberg, des Vikars F. X. Höll von Karlsruhe und des Schwesternbeichtvaters Burger von Rastatt. 70) Diese Animadversiones sind auch gedruckt in den Annales Iuris Pontificii (1866) 2174. 71) Vgl. dazu F. B. Sägmüller, Lehrbuch des katholischen Kirchenrechts (Freiburg 1909) 846 ff. 72) Im Jahre 1861 hatte er in Niederbronn die französischen Exerzitien gepredigt; vgl. über ihn Merklen, L'abbé Ch. Martin, premier directeur du Gymnase catholique de Colmar (1876). 73) Predigt, gehalten im Kloster zu Niederbronn bei Gelegenheit des Approbationsfeier der Kongregation des Allerheiligsten Heilandes (12. Juni 1866) von Herrn Abbé Simonis, Professor der Heiligen Schrift in Straßburg (Straßburg 1866, Ed. Huder). 244 74) Simonis pflegte dies öfters zu erzählen; vgl. J. Kannengieser, L'abbé Simonis (Rixheim 1914) 197. 75) Am 3. August 1867. 76) Brief vom 25. August 1867. 77) Gütige Mitteilung des 1920 verstorbenen hochw. Herrn Provinzials P. Humbrecht vom Kloster Bischenberg im Elsaß. P. Humarque war damals noch Weltpriester und Sekretär des Bischofs Cavrot von St. Diè, späteren Kardinals von Lyon. Über ihn erschien eine größere Biographie von P. H. M. Hamez: Le R. P. Humarque, rédemptoriste, ou le vienx Père aveugle, 1817-1896 (Paris 1900). 78) Constantinople, le 24 juillet 1854. 79) Brief, datiert München, 22. November 1860. In einem andern Schreiben vom 17. Juni 1861 empfiehlt die Prinzessin verschiedene Anliegen dem Gebete der Schwester M. Alphons. Diese hat der Prinzessin auch den Wunsch ausgesprochen, daß die Kongregation sich möglichst verbreite, worauf die Prinzessin ihr mitteilte: "Ihr Erweiterungswunsch liegt mir so sehr am Herzen, daß ich meinem hochw. Beichtvater nach Rom schrieb, er möge für denselben von dem Papst seinen Segen und Gebet erbitten." In einem Briefe vom 16. November 1862 beglückwünscht die Prinzessin der Oberin zu ihrer Wiedergenesung. 80) Niederbronn, 13. Februar 1867. 81) Geboren 1834 zu Bennweier im Oberelsaß; er wurde 1884 Generalvikar des Bischofs Stumpf und starb am 25. Juni 1905 als Domkapitular zu Straßburg. 82) D. i. Subregens. 83) Mann wollte wohl dadurch das Klostervermögen gegen eventuelle staatliche Annexionsgelüste sicherstellen. Daß Schwester M. Alphons den Bischof zum Erben einsetzte, geschah, um Erbansprüche der Ihrigen unmöglich zu machen. Daß aber die Sache bedenklich war, zeigt der Prozeß. Von Interesse in dieser Frage dürfte eine Mitteilung von Räß an Reichard, datiert 22. Februar 1852, sein. Räß teilt mit, daß der Jesuitenprovinzial bei ihm war und ihm bekanntgab, daß die Mehrzahl der Kongregationen es nach dem letzten Dekret (welchem?) vorziehe, auf den Namen einiger Mitglieder zu erwerben. 84) Aus einem Schreiben an den Regensburger Jesuiten P. Marty, der sich am 13. Dezember 1871 um Aufschluß über die Kriegsereignisse an Schwester M. Adelinde gewandt hatte. 85) Ich konnte über den betreffenden Herrn nichts in Erfahrung bringen, kann daher den Bericht der Schwester nicht auf seine Richtigkeit kontrollieren. Grund zum Zweifel liegt aber nicht vor. 86) Ich verdanke diese und andere Nachrichten der Schwester Leonie, die damals in Oberbronn pflegte. 87) Vgl. Zweites Buch. 245 88) Vom 18. April 1871 89) Soweit in der folgenden Darstellung die Person Sattlers handelnd erscheint, folge ich einer von ihm verfertigten Aufzeichnung über die ganze Angelegenheit, betitelt "Breviarium historicum", niedergeschrieben am 2. Februar 1872, 2 Folioblätter. Die Stimmen der Gegenseite konnte ich in einer Reihe von Briefen verschiedener Schwestern an den Bischof hören. Ich habe mich nach bestem Wissen und Gewissen bemüht, die ganze Sache objektiv zu betrachten und darzustellen. Wertvolle Fingerzeige gab mir ein nachträglicher Bericht von Superior Simonis an die S. Congr. Epp. et Reg. 90) Die gedruckten Exemplare sind mit dem Druckjahr 1871 versehen: "Auszug aus den Satzungen der Genossenschaft der Schwestern vom Allerheiligsten Heilande von Niederbronn, Bistum Straßburg (Elsaß). Vom Heiligen Stuhl bestätigt. (Rixheim 1871, A. Sutter.) 65 Seiten. 91) Forsan acrius ac decuit, sagt er selbst in seinem Breviarium historicum. 92) Brief vom 13. April 1870. 93) Vom 12. November 1871. 94) 14. November 1871. 95) Ich entnehme diese Einzelheiten der inhaltreichen Biographie von A. Kannengieser, Mr. l'abbé Simonis, député au Reichstag, supérieur des Soeurs de Niederbronn (RixheimParis 1914). Eine kurze biographische Notiz hatte schon 1906 G. Glöckler geliefert: Ignaz Simonis (Rixheim 1906). 96) Das Nähere siehe ausführlich bei A. Kannengieser a. a. O. 95 ff. 97) 26. März 1878. 98) Die reizende Episode bei A. Kannengieser, Mr. l'abbé Simonis 519 f. 99) Aus einem Briefe an die Schwestern von Eschelbach vom Jahre 1894. 100) An Heinrich Weber in Bamberg, datiert Oberbronn, 2. Dezember 1892. 101) An denselben, 23. Juni 1897. 102) A. Kannengieser, Mr. l'abbé Simonis 526. 103) Wo sich seit 1880 das Mutterhaus befand. 104) Vom 21. September 1872. 105) Aus einem Brief von Simonis an Räß. 106) Das Schreiben ist abgedruckt bei A. Kannengieser, Mr. l'abbé Simonis 225 f. Ein gleiches Schreiben erhielt auch Räß; das Original liegt im Ordinariatsarchiv. 107) Das Dekret bei A. Kannengieser a. a. O. 226. 246 108) Brief vom 23. April 1875. 109) Nach einer längeren Denkschrift von Simonis an Räß; der Superior betont darin, daß auf diese Weise das Generalkapitel die verschiedenen Länder repräsentieren und die fähigsten Schwestern erhalten würde. 110) Darüber ausführlich weiter unten. 111) Nach einem Schreiben des P. Freyd von Rom an Räß, 27. September 1873. 112) Simonis an Räß, 7. September 1875. 113) Simonis an Räß, 13. Januar 1876. 114) 20. Juli 1883. 115) Mainz, 25. Januar 1877. 116) Im dritten Buche. 117) An Heinrich Weber in Bamberg, 23. Juni 1897. 118) Nach einer Aufzeichnung von Schwester Stephanie. 119) Gedruckt: Festrede, gehalten bei Gelegenheit des goldenen Jubiläums der Kongregation vom Allerheiligsten Heilande am 28. August 1899 in der Klosterkirche zu Niederbronn von L. G. Glöckler (Rixheim 1899, A. Sutter). 120) In einem Brief an seine Nichte, die Baronin von Sensburg. 121) 17. Dezember 1900. 122) Schwester Leonie, die ehemalige Oberin von Zillisheim, hat sich der großen Mühe unterzogen, eine große Anzahl dieser Briefe für mich zu sammeln und zu kopieren. 123) An die Schwester zu Worms, 5. Januar 1897. 124) An die Schwestern zu Neudorf, 20. Dezember 1894. 125) Nach Klein-Krotzenburg, 17. November 1898. 126) Nach Malmersbach, 21. Dezember 1891. 127) Nach Bruchsal, 10. November 1898. 128) Nach Neustadt, 8. Dezember 1896. 129) Nach Biernheim, 2. Oktober 1900. 130) Nach Lenggries, 25. März 1898. 131) Nach Blotzheim, 22. November 1896. 247 132) Nach Moosch, 19. Dezember 1892. 133) Nach Horchheim, 17. November 1893. 134) Nach Schifferstadt, 15. Juli 1897. 135) Nach Seligenstadt, 10. Dezember 1897. 136) Nach Mannheim, 2. Oktober 1892. 137) Nach Blotzheim, 29. Dezember 1893. 138) Nach A., 3. März 1898. 139) Nach Nürnberg, 11. Januar 1894. 140) Nach Moosch, 1. Mai 1893. 141) Nach Weiler, 12. November 1896. 142) Nach St. Amarin, 22. November 1897. 143) Nach Eschelbach, 31. Dezember 1888. 144) Nach Heppenheim, 17. November 1898. 145) Nach Füssen, 30. Dezember 1888. 146) Nach Mülhausen, 14. Februar 1898. 147) Nach Diesfeld, 17. Dezember 1900. 148) Nach Giesing, 6. November 1896. 149) Nach Blotzheim, 13. November 1898. 150) Nach Malmersbach, 21. Dezember 1891. 151) Nach N., 2. Februar 1899. 152) Nach E., 31. Dezember 1888. 153) Worms, 12. Dezember 1901. 154) Vgl. die Sonderschrift: Zum Jubelfest des hochw. Herrn Flor. Wolff, Klostergeistlichen zu Oberbronn, am 8. November 1910 (Rixheim 1911). 155) Braun war auch als philosophischer und aszetischer Schriftsteller tätig; über ihn vgl. den Nekrolog von N. Delsor in der Revue catholique d'Alsace (1911) 332-335. 156) Bei A. Kannengieser, Mr. l'abbé Simonis 553. 248 157) Darunter der tapfere Oberst der ehemaligen päpstlichen Armee, Blumenstihl. 158) Herr Superior Simonis, Anrede an die im Kloster zu Oberbronn versammelten Oberinnen am Vorabend seiner Beerdigung (Rixheim 1903). 159) Trauerrede, gehalten von Ehrenkanonikus Superior Guerber am 14. Februar 1903 (Rixheim 1903). 160) Guerber, Trauerrede 15. 161) Eingehend unterrichtet über diesen Punkt A. Kannengieser, Mr. l'abbé Simonis 378 f. 162) Geboren am 22. August 1856 zu Bindernheim (Unterelsaß) als Sohn des Lehrers F. X. Hanns, absolvierte er die humanistischen Studien im bischöflichen Kleinen Seminar zu Straßburg und (seit 1874) im sog. Collège libre zu La Chapelle, das er als Baccalareus verließ, um in das Priesterseminar zu Straßburg einzutreten. Am 8. August 1880 zum Priester geweiht, wurde er als Vikar an der Münsterpfarre zu Straßburg, 1884 als Kaplan an St. Martin in Kolmar angestellt. Im Jahre 1894 übernahm er die Pfarrei Neudorf im Oberelsaß, in der er sich als praktischer Seelsorger sehr verdient machte; ein bleibendes Andenken hat er sich durch den Bau der neuen Pfarrkirche gesichert. 163) Alles dieses wurde in den Jahren 1905 und 1906 geschaffen. 164) "Der Elsässer" vom 2. August 1909. 165) Marie Stumpff, geboren am 7. Februar 1865 zu Kestenholz im Unterelsaß, machte am 8. September 1885 Profeß. 166) Vgl. darüber die Schrift: Das St. Odilienkrankenhaus zu Straßburg-Neudorf (Straßburg 1912), und weiter unten im dritten Buch. 167) Vgl. die treffliche Übersicht von J. Fischer, Die Niederbronner Schwestern und ihre Wirksamkeit in Elsaß-Lothringen, in Nr. 2 der "Elsaß-Lothringischen Blätter für Armenpflege" (1914). 168) Am 20. Oktober 1919 unterrichtete der Kardinalstaatssekretär Gasparri die Generaloberin von dieser Ernennung. 169) In der dänischen Monatsschrift "Varden" (November 1903) 237. 170) In den Heeren Napoleons waren öfters Krankenschwestern tätig. 171) Erst das tatkräftige Eingreifen der erwähnten Miß Nightingale machte den geradezu entsetzlichen Zuständen im englischen Lager ein Ende; vgl. darüber Nutting und Dock, Geschichte der Krankenpflege II (Berlin 1911) 108ff. 172) Ich fand diese Anzahl festgestellt in einer Notiz des Courier du Bas-Rhin vom 30. November 1854; Miß Nightingale verdankte ihnen viele Anregungen und war ihnen herzlich zugetan, weshalb sie natürlich in England von unerleuchteten Geistern angegriffen wurde; vgl. Dora Melegari, Florence Nightingale, in der Zeitschrift Le Correspondant vom 25. Juli 1913, 375. 173) "Das Bild einer barmherzigen Schwester" in dem katholischen Sonntagsblatt "der 249 christliche Pilger" (Speyer, 1. März 1885). 174) Nach einem Schreiben des erzbischöflichen Sekretärs Kornheisl an Superior Reichard vom 17. März 1862 und der Schwester Theophil von Wien vom 22. März 1861. 175) Das Folgende nach einer Anzahl Originalkorrespondenzen des Wiener Hauses mit dem Mutterhaus. 176) Über die Krankenpflege katholischer Ordensschwestern im Kriege von 1864 liefert zahlreiche dankenswerte Angaben das Buch von Trewes, Geschichte der katholischen Gemeinden zu Hamburg und Altona; vgl. auch "Kölnische Volkszeitung" 1914, Nr. 402. Dazu J. Jeiler, Die gottselige Mutter Franziska Schervier (Freiburg 1912) 246 ff. 177) Über die Stationen dieses Spitals vgl. K. Roßbach, Geschichte der Entwicklung des bayrischen Militärsanitätswesens (Ingolstadt 1904) 150. 178) Nach einem Bericht der Schwester Gervasia von Bodenheim. 179) Soisy, 9. Januar 1871. 180) Französischer Name für Acheolus. 181) Schreiben an die Generaloberin vom 7. März 1871. 182) 18. Oktober 1872; am 20. Juni 1873 erhielt es das von der Kaiserin Augusta gestiftete Verdienstkreuz für Frauen und Jungfrauen. 183) Vgl. Festschrift zur Erinnerung an das 50jährige Stiftungsfest des St. Vinzentiusvereins Karlsruhe (1901) 30. 184) Originalbrief vom 28. Dezember 1887 im Archiv Oberbronn. 185) Datiert Darmstadt, 9. Januar 1888. 186) V. Stoeber et G. Tourdes, Topographie et histoire médicale de Strasbourg et du département du Bas-Rhin (Paris-Strasbourg 1864) 448. 187) Vgl. Gazette médicale de Strasbourg (1854) 273 ff. 188) In der Zeit vom 16. Juli bis 7. November forderte die Krankheit in Straßburg 550 Opfer, in Barr 92, Kestenholz 86, Schlettstadt 47, Mutzig 82, Hagenau 38, Hindisheim 21, Maasmünster 21, Oberehnheim 17, Müttersholz 14, Schiltigheim-Bischheim 51; im ganzen Unterelsaß ca. 1130 Tote; vgl. Stoeber et Tourdes a. a. O. 455. 189) 14. April 1855. 190) Vgl. die Schilderungen in dem Blatt Le Glaneur du Haut-Rhin vom 6. August 1854. 191) Ich zeichne dieses Krankheitsbild nach Schilderungen in der Leitung Le Glaneur du HautRhin vom 6. August 1854 und bei M. Frank, Die Choleraepidemie in München im Jahre 1873 - 1874 )München 1875) 261 f. 192) Courier du Bas-Rhin vom 25. September 1854. Ferner wurde der Verkauf der Gurken 250 verboten, was aber unter dem Volke erregte Protestkundgebungen hervorrief; ebd. vom 6. September. 193) Dem Verfasser hat die ehrwürdige, hochbetagte Schwester Caritas im Sommer 1914 diese Einzelheiten selbst erzählt; sie ist am 23. Juli 1915 gestorben. 194) Solche Kämpfe bei toten Colerakranken sind konstatiert z. B. in der Gazette médicale de Strasbourg (1855) 355f.; M. Frank, Die Choleraepidemie in München im Jahre 1873 1874 (München 1875) 76; vgl. auch die lebendige Schilderung der Cholera in Berta v. Suttners bekanntem Roman "Die Massen nieder" auch Maxim Gorkis Novelle "Orlow und seine Frau". 195) Bei Schickelé, Le curé Maimbourg, in der Revue catholique d'Alace (1912) 80. 196) Räß an Reichard, Sigolsheim, 11. Oktober 1854. 197) Schreiben vom 24. Oktober 1854. 198) Schreiben vom 28. und 31. August 1854. 199) Brief vom 24. Oktober 1854. 200) Maville, 19. August 1854. 201) 30. Oktober 1854. 202) Loisy, 28. Oktober 1854. 203) Durch Schreiben der betreffenden Präfekten an Bischof Räß vom 25. Juli und 1. September 1855. 204) Der Präfekt des Oberrheins an Bischof Räß, Colmar, 27. November 1854. 205) 23. November 1854, im Ordinariatsarchiv. 206) Vgl. Schickelé, Le curé Maimbourg (1912) 256. 207) Des Vogesendepartements. 208) In Niederbronn starben von 136 Kranken 44, in Reichshofen kamen auf 386 Kranke 104 Todesfälle; vgl. Stoeber et Tourdes, Topographie 455. 209) Später nach Niederbronn verlegt. 210) In Hagenau gab es 92, in Schlettstatt 25 Todesfälle. Im ganzen Unterelsaß belief sich ihre Zahl auf 530; vgl. Stoeber et Tourdes a. a. O. 211) In Sulz gab es am 16. August bereits 117 Tote; vgl. Glaneur du Haut-Rhin vom 26. August 1855. In Mülhausen forderte die Cholera im Juli 290, im August 102 Opfer; ebd. 212) Paris, 9. April 1856. 251 213) Gestorben in München 1893. 214) Vgl. über dieses Cholerajahr M. v. Pettenkofer, Zum gegenwärtigen Stand der Cholerafrage (München und Leipzig 1887) 161 ff. 215) Durch Ratsbeschluß vom 17. Oktober 1867 waren 75 Gulden bewilligt worden. 216) Vgl. über diese Epidemie M. v. Pettenkofer, Zum gegenwärtigen Stand der Cholerafrage 551 ff. 217) Aufgezeichnet am 6. Januar 1914. 218) Das stimmt wohl nicht ganz; nach M. v. Pettenkofer (a. a. O. 551) begann die Epidemie Ende August. 219) Schwester Fredine starb am 23. Januar 1890 infolge unermüdlicher Pflege der Influenzakranken. 220) Vgl. darüber M. v. Pettenkofer, Zum gegenwärtigen Stande der Cholerafrage 423; dazu M. Frank, Die Choleraepidemie in München im Jahre 1873 - 1874. 221) Man zählte 1466 Todesfälle auf 3040 Erkrankte; vgl. M. Frank a. a. O. 112. 222) Schreiben des Präfekten an Bischof Räß, Colmar, 1. Mai 1855, im Ordinariatsarchiv. 223) Er war der Bruder der späteren Münchner Oberin Schwester Lucretia. 224) Einem Schreiben des Betreffenden Arztes an die Generaloberin (Bitsch, 18. März 1884) entnommen. 225) Das Journal de Châtillon vom 12. Dezember widmet der Schwester einen sehr ehrenvollen Artikel. 226) Nach Schäfer, Die weibliche Diakonin III, bei A. Nutting u. L. Dock, Geschichte der Krankenpflege II (Berlin 1911) 42. 227) W. Längstalter, Diakonissen oder Barmherzige? (Leipzig 1904) 135. 228) Paris, 15. September 1892. 229) "Wormser Nachrichten" vom 21. November 1913. 230) Aus einem Bericht, den Bischof Weis im Jahre 1855 an den Reichsrat v. Arco-Valley nach München schickte. 231) Reims, 12. November 1894. 232) Das betont auch G. Ratzinger, Geschichte der kirchlichen Armenpflege (1884). 233) Vgl. besonders A. v. Lindheim, Saluti aegrorum. Aufgabe und Bedeutung der Krankenpflege im modernen Staate (Leipzig und Wien 1905) 11 ff. 234) Bei Hauser u. Düttmann, Die Krankenpflege auf dem Land (Leipzig 1899) 92. 252 235) Niederbronn, 5. Januar 1853. 236) G. Liebe, P. Jacobsohn, G. Meyer, Handbuch der Krankenversorgung und Krankenpflege I (Berlin 1899) 244. Auch J. Schilling (Die Krankenpflege in kleinen Städten und auf dem Lande, in "Deutsche Krankenpflege-Zeitung" - 1898) erblickt die Hauptaufgabe der Landkrankenpflegerin in der volkshygienischen Mission, welche sie unter der Bevölkerung zu erfüllen hat. 237) Vgl. z. B. Archiv für öffentliche Gesundheitspflege in Elsaß-Lothringen X (1885) 376 f., wo es für die Stadt Straßburg heißt: "Die von denselben (d. i. Niederbronner Schwestern) geleisteten, aufopferungsvollen Dienste bei der Stadtkrankenpflege werden allerorts anerkannt." 238) Vgl. dazu besonders A. v. Lindheim, Saluti aegrorum 330 f., wo die Notwendigkeit einer geordneten Krankenpflege für ländliche Distrikte anerkannt wird. 239) So Dr. Düttmann bei Hauser u. Düttmann, Die Krankenpflege auf dem Lande 66. 240) Ebd. 66. Düttmann nennt S. 67 Anm. 2 die Niederbronner Schwestern unter den Genossenschaften, die sich vorzugsweise der ambulanten Krankenpflege widmen. 241) Denkschrift über die Krankenfürsorge des Dritten Ordens, in Bayern anerkannter Verein, Sitz in München (1913) 2. 242) Hauser u. Düttmann a. a. O. 82, Anm. 1. 243) Vgl. dazu eine Äußerung des Medizinalrates Dr. Rathmann (Die berufliche und freiwillige Krankenpflege der Frau - Leipzig 1913 - 31): "Die Orden leisten durch ihre strenge Disziplin Vorzügliches, sie verlangen von ihren Mitgliedern absolute Entsagung und Aufopferung für den idealen Zweck und arbeiten, was nicht zu unterschätzen ist, zumal für einen schwer belasteten Gemeindesäckel, sehr viel billiger als andere krankenpflegende Organisationen." 244) Vgl. im dritten Buch die Darstellung der Einzelhäuser. 245) Vgl. Dr. A. Kuhn, Bericht über die Tätigkeit der Krankenpflegeschule am St. Odilienkrankenhaus zu Straßburg-Neudorf, in der "Straßburger medizinischen Zeitung" (1914) 24 ff. 246) Eine gute Entkräftigung der gegen den Krankendienst katholischer Ordensschwestern gerichteten Vorwürfe bei W. Längstalter, Diakonissen oder Barmherzige? 127 ff. 247) Über die Entwicklung des Kleinkinderschulwesens in Deutschland vgl. K. A. Schmid, Enzyklopädie des gesamten Erziehungs- und Unterrichtswesens IV (1881) 29 - 62; A. Hirtz, Krippen, Kinderbewahranstalten, Kinderhorte (Hamm 1906); Roloffs Lexikon der Pädagogik II 1189. 248) A. Hirtz a. a. O. 35. 249) Gegen den "pietistischen" Einschlag der Kinderschulen wendet sich z. B. A. Fischer, Die Hauptprobleme der Kindergartenreform, in der Zeitschrift für pädagogische Psychologie und experimentelle Pädagogik, 14. Jahrg. (1913) Heft 1. In Reims Enzyklopädischem 253 Handbuch der Pädagogik ist die christliche Bewahrschule, die ja auch auf evangelischer Seite einen wichtigen Bestandteil der inneren Mission bildet, gar nicht erwähnt. Dagegen wird ihr Schmids Enzyklopädie (IV 33 ff.) in ausgezeichneter Weise gerecht, mag er auch zunächst nur die evangelische Schule im Auge haben. In trefflicher Weise wird diese auch behandelt von Schwester Henriette, Die Kinderbewahranstalt auf dem Lande (Jena 1902), S. 6: "Kinderbewahranstalten... sollten ausschließlich in christlichem Sinne geleitet werden." 250) Über Krippen vgl. A. Hirtz, Krippen, Kinderbewahranstalten, Kinderhorte 61; Roloffs Lexikon der Pädagogik II 1118; hier wird die Zahl der gegenwärtig in Deutschland bestehenden Krippen auf 200 angegeben, wovon 25 - 30 von katholischen Ordensgemeinschaften geleitet werden. 251) Vgl. dazu W. Liese, Wohlfahrtspflege und Caritas im Deutschen Reich 145 f. 252) Nieden in Reims Enzyklopädischen Handbuch der Pädagogik IV (1906) 910. 253) Mit Recht sagt Nieden a. a. O.: "In den konfessionell getrennten Horten kann die erziehliche Einwirkung eine tiefergehende sein als in den konfessionell gemischten Anstalten." Im Jahre 1913 gab es in Deutschland in 256 Orten 1245 Horte; vgl. Pädagogische Jahresschau über das Volksschulwesen im Jahre 1913 (Leipzig und Berlin 1914) 139. Davon stehen 150 in katholischer Leitung. 254) So wurden im Hort und in der Bewahrschule des Herz-Jesu-Klosters in München in der Vorkriegszeit ca. 500 Kinder beschert. 255) W. Hohn, Die Nancy-Trierer Borromäerinnen in Deutschland 1810 - 1899. Ein Beitrag zur Statistik und Geschichte der Barmherzigen Schwestern, ihres wohltätigen und sozialen Wirkens (Trier 1899) 203. Hohn hat in diesen wertvollen Studien die wirtschaftlichen Momente zuerst gründlich und zutreffend betont. 256) Dieses Moment ist von Hohn (Die Nancy-Trierer Borromäerinnen in Deutschland 1810 1899) für die Borromäerinnen treffend ausgeführt worden, gilt aber für alle karitativen Genossenschaften. 257) F. Schaub, Die katholische Caritas und ihre Gegner (München-Gladbach 1909). 258) Jetzt zum XIV. Stadtbezirk gehörig. 259) Abschrift des Schreibens im Straßburger Ordinariatsarchiv; vgl. auch C. Wolfsgruber, Josef Othmar Rauscher, Kardinalerzbischof von Wien (Freiburg 1888) 342. 260) In einem im Wiener "Vaterland" vom 4. August 1907 veröffentlichten "Gedenkblatt zu fünfzigjährigen Jubelfeier der Kongregation der Töchter des göttlichen Erlösers in Wien" ist irrigerweise 1856 als Eröffnungsjahr der Anstalt angegeben. 261) Brief vom 5. Oktober 1857. 262) Am 1. Oktober 1860 übernahmen Schulschwestern aus Bayern das Schwesternhaus zu Reindorf; vgl. C. Wolfsgruber, Kardinal Rauscher 343. 263) 4. Dezember 1861. 264) Straßburg, 5. Juli 1863. 254 265) Gedruckt von Ludwig Mayr in Wien. 266) Dieselben wurden durch den Niederbronner Klostergeistlichen Vix den Wiener Schwestern erteilt; seit September 1864 hatten sie mit Erlaubnis des Kardinals einen eigenen, der Straßburger Diözese angehörenden Hausgeistlichen, den in jeder Beziehung trefflichen Abbé Brey, der sich in Wien größter Wertschätzung erfreute. 267) Vgl. darüber C. Wolfsgruber, Kardinal Rauscher 342. 268) Am 25. Januar 1866; ich entnehme dieses Datum einem Schreiben des Kardinals an Räß vom 19. Februar 1866. 269) Schreiben an Mutter M. Alphons, Straßburg 30. März 1866. 270) D. i. Würzburg. 271) In einem längeren Schreiben vom 14. November 1868 an die S. Congr. Regular. et Episc. rechtfertigte Kardinal Rauscher sein Vorgehen. 272) Nach dem Festbericht in dem Wiener "Vaterland" vom 4. August 1907. 273) W. Liese, Wohlfahrtspflege und Caritas im Deutschen Reich, Deutsch-Österreich, der Schweiz und Luxemburg (München-Gladbach 1914) 76. Auf reichsdeutschem Boden gründete 1914 das Wiener Mutterhaus eine Filiale zu Neunkirchen im Fürstentum Birkenfeld; vgl. "Kölnische Volkszeitung" 1914, Nr. 507. 274) Was ja der Fall war. 275) Als Schwester Amelie verblieb diese Gräfin im Mutterhaus. 276) Um 1908 zählte die Ödenburger Kongregation in 38 Häusern ca. 300 Schwestern; vgl. Heimbucher, Die Orden und Kongregationen der katholischen Kirche III (1908) 571. Schwester Basilisse ist später aus der Genossenschaft ausgetreten. 277) Nach Briefen von Simonis an Bischof Stumpf von Straßburg vom 4. und 11. Mai 1888. 278) Nach Briefen Reichards an Räß vom 11. März 1851 und 4. Mai 1851. 279) Wiesbaden, 24. Juli 1853. 280) Am 11. Oktober 1904 beging die Würzburger Kongregation die Feier des fünfzigjährigen Bestehens. Bei dieser Gelegenheit gab die "Augsburger Volkszeitung" vom 14. Oktober einige geschichtliche Notizen, die sich jedoch nur auf die spätere Zeit beziehen. 281) Bischof Georg Anton an Räß, Kissingen, 29. August 1864. 282) Die Generaloberin an Schwester Honorine, 25. Juli 1865. 283) Brief an Bischof Georg Anton vom 9. August 1865; nach einer Kopie im Straßburger Ordinariatsarchiv. 284) Die Generaloberin an Schwester Honorine am 9. Februar 1866. 255 285) Durch Brief vom 15. April. 286) Bischof Räß erhielt die ähnlich gehaltene Mitteilung unterm 24. Juni. Sie schließt mit den Worten: "Die Erhebung des hiesigen Hauses zu einem Mutterhaus ist eine vollendete Tatsache. Bei allem, was in dieser Hinsicht geschehen ist und noch geschehen soll, war und wird es mein Wille sein, den ganzen Akt derart durchzuführen, daß ich ruhig darüber in die Ewigkeit gehe und also auch Rom und Niederbronn die Sache nach den Regeln der Gerechtigkeit ordne." 287) Räß an Schwester Bonaventura in Darmstadt vom 16. August 1867. 288) Im Jahre 1872 schrieb der neue Superior Simonis dem Straßburger Bischof, daß ihm der Münchner Domprediger (gemeint ist Ehrler, der spätere Bischof von Speyer), der 1867 noch zur Würzburger Diözese gehörte, öfters mitgeteilt habe, daß der (1870) verstorbene Bischof Georg Anton v. Stahl sein damaliges Vorgehen bitter bereut habe (Simonis an Räß vom 1. Mai 1872). Hier sei noch eine Stelle aus einem Schreiben des Ingolstädter Benefiziaten Anton Lindl an den Superior Sattler (Ingolstadt, 25. Oktober 1869) mitgeteilt, wo es heißt, "daß der gute Bischof von Würzburg hintergangen und die selige ehrwürdige Mutter verleumdet worden ist". Auch folgende Stimmen haben für den Geschichtsschreiber der Kongregation gewissen Wert. 289) Es lag mir eine Bescheinigung der Stadtverwaltung vom 14. September 1878 vor, die den scheidenden Schwestern dankt und bedauert, "daß die Bewilligung der Verlängerung des Aufenthaltes der Schwestern der Kompetenz der Ortsbehörde entrückt ist". 290) Als Superior Simonis bei dem Regierungspräsidenten von Würzburg, den er im Reichstag traf, persönlich um eine weitere Autorisation der Münnerstadter Niederlassung nachsuchte, erhielt er einen abschlägigen Bescheid mit der interessanten Begründung, daß der damalige Kapitularvikar Dr. Himmelstein keine Niederbronner Schwestern wünschte. Dr. Himmelstein war im Jahre 1866 Superior des Würzburger Hauses gewesen. 291) Vgl. A. Schnütgen, Das Elsaß und die Erneuerung des Katholischen Lebens in Deutschland von 1814 bis 1848 (Straßburg 1913) 141 f.; H. Maas, Geschichte der katholischen Kirche in Baden (Freiburg 1891) 186 f.; Mayer, Der Orden der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul in der Diözese Freiburg 1845 - 1896 (Freiburg 1896). 292) So die Gengenbacher Schwestern, gestiftet 1866. 293) Vgl. die Festschrift: "Zur Erinnerung an das fünfzigjährige Stiftungsfest des St. Vinzentiusvereins Karlsruhe 1851 - 1901" (Freiburg, Caritasdruckerei), 33 Seiten. Über Höll vgl. F. Dor, Lebensbilder aus dem Seelsorgeklerus (Karlsruhe 1916) 1 - 29. 294) Festschrift des Vinzenzvereins 20. 295) Es handelt sich um Dr. Ruppert. 296) Ein Bericht der Karlsruher Schwestern vom Jahre 1883 zählt allein 40 Fälle auf von Sterbenden, die nach vieljähriger religiöser Gleichgültigkeit wieder die heiligen Sakramente empfingen. 297) Vollendet 1891 unter Leitung des Kunstmalers Mader. 256 298) Festschrift 22. 299) In einem Schreiben an den Oberstiftungsrat Mader vom 22. November 1891. 300) In dem oben erwähnten Schreiben vom 31. Dezember 1890. 301) So dankte er ihr unterm 5. Juni 1867 "für den klugen und entschlossenen Eifer, den sie bei dieser historischen Angelegenheit entwickelt und bewiesen habe". In gleicher Angelegenheit schrieb er unterm 16. August 1867. 302) Schwester Bonaventura an Räß, Darmstadt, 14. August 1867. 303) Festschrift 26. 304) Ebd.; hier auch die Baugeschichte des Hauses 24 ff. 305) Abgedruckt in der Festschrift des "Badischen Beobachters" vom 1. Juli 1907. 306) Vgl. die treffliche Biographie von O. Pfülf S.J., Bischof v. Ketteler I (Mainz 1899) 291. 307) Eingehend ist sein Wirken geschildert in der inhaltreichen "Festschrift zur Einweihung der katholischen St. Elisabethenkirche zu Darmstadt am 30. September 1905". Wo sie für die nachfolgende Darstellung herangezogen wurde, ist sie als "Festschrift" zitiert. Im übrigen stütze ich mich für die Geschichte des Darmstädter Hauses auf die Korrespondenz Lüfts mit Räß, Briefe Kettelers und offizielle Aktenstücke. 308) Vgl. Predigt zur Feier des fünfundzwanzigjährigen Bestehens des barmherzigen Schwesternhauses zu Darmstadt, gehalten am 14. September 1884 von J. B. Beyer, Stadtpfarrer und Dekan (Darmstadt 1884, Herbert) 4; O. Pfülf, Bischof v. Ketteler I 291; Festschrift 34. 309) Lüft an Räß am 24. November 1859. 310) 1885 umgewandelt in die Marianische Jungfrauenkongregation. 311) Aus einem Schreiben Lüfts an Räß vom 1. Juli 1860. 312) König Ludwig I. von Bayern hatte 1000 Gulden gespendet, die Großherzogin Mathilde 500 Gulden nebst einem jährlichen Beitrag von 200 Gulden, eine Lotterie in Darmstadt hatte 1200 Gulden ergeben. Festschrift 34. 313) Vgl. "Darmstädter Zeitung" vom 14. Februar 1862. 314) Die Entschließung wurde dem Kammerherrn Freiherr v. Stein vom Ministerium am 1. Mai 1862 zugestellt. 315) Festschrift 35. 316) Lüft an Räß, 11. Januar und 21. Mai 1864. 317) Die spätere Frau Oberhofmarschall Westerweller von Anthoni. 257 318) Am 30. Mai 1862 hatte sie vom Großherzog die goldene Medaille des Ludwigsordens erhalten. 319) Leider pflegte Schwester Bonaventura viele ihrer Briefe nicht zu datieren. In einem undatierten Schreiben meldet sie auch einmal ins Mutterhaus, daß König Ludwig von Bayern in bürgerlicher Kleidung ganz unerkannt sich das Klösterchen angesehen habe; an der großherzoglichen Tafel habe man sich darüber köstlich amüsiert. 320) Am 7. April 1865 schrieb die Generaloberin an Lüft, daß Schwester Bonaventura immer große Ausgaben hätte: "sie habe so viele schamhafte Arme, denen sie in der Not beispringe, ohne jemand anderem Rechenschaft abzulegen als mir allein. Gerade an solche Arme verwendet sie ihre Gaben, die sie von Wien und Rußland erhielt, weil unsere Regeln hauptsächlich darauf dringen, die Almosen so zu verwenden". 321) "Lüft", so teilt Schwester Bonaventura ihrer Generaloberin mit, "sagte mir, er hätte noch immer geglaubt, daß das Geld uns gehöre, denn es sei außer Zweifel." 322) Aus einem Schreiben Backés an die Generaloberin vom 13. November 1866. 323) D'Astorg an Räß, 4. August 1869. 324) Die Baronin C. van der Capellen an Räß, 4. August 1869. 325) Sie hatte sich überanstrengt. 326) O. Pfülf, Bischof v. Ketteler III 241. 327) Freiherr v. Ketteler an die Generaloberin, Mainz, 6. August 1875. 328) Vgl. darüber O. Pfülf, Bischof v. Ketteler III 206 ff. 329) Es handelte sich um die Approbation der neuen Statuten. 330) Predigt a. a. O. 5. 331) Festschrift 47. 332) Gestorben am 22. März 1911. 333) Im Jahre 1869, als sich der erste Todesfall im Schwesternhause ereignete (Schwester Eulalie), hatte die Stadt einen ausgedehnten Begräbnisplatz gestiftet. 334) Im Jahre 1891 folgte er dem am 5. März 1890 verstorbenen Pfarrer Beyer. Gestorben am 9. Mai 1915. 335) Ich folge hier und für das Folgende zum Teil der gründlichen Darstellung in F. X. Remlings trefflichem Buche "Nikolaus v. Weis, Bischof zu Speyer. Sein Leben und Wirken" I (Speyer 1871) 156 ff. 336) Über dieses Haus und seine kurze Geschichte siehe weite hinten. 258 337) Abgedruckt in der "Deutschen Volkshalle" (Köln 1856) Nr. 17. 338) Diese schlimmen Zustände in der Pfalz beleuchtet grell die Flugschrift: "Ein offener Brief über die Not in der Pfalz, ihr Wesen, ihre Ursachen und Wirkungen und über die Mittel zu deren Abhilfe" (Kaiserslautern 1855). 339) Dieser war seit dem 18. Mai 1854 als Nuntius bei dem bayrischen Hofe beglaubigt. 340) Er starb 1880 als Domkapitular zu Speyer; vgl. über ihn Buchbergers Kirchliches Handlexikon II (1912), Sp. 1002. 341) Wir haben sie im ersten Teil dieses Buches mehrmals angezogen; auch Remling (Nikolaus v. Weis 158) hat sie benutzt. Mir lag eine Abschrift des Oberbronner Klosterarchivs vor. 342) Die Verfügung ist abgedruckt in der "Deutschen Volkshalle" (Köln 1855) Nr. 19. 343) Am 23. Januar 1855; auch der Münchner "Volksbote" in Nr. 20 und die Beilage zur "Pfälzer Zeitung" vom 26. Januar 1855 ließen sich vernehmen. 344) F. X. Remling, Nikolaus v. Weis I 171. 345) Jahrg. 1855, S. 56. Dieser geharnischte Artikel hat zweifellos Molitor zum Verfasser; zur Sache vgl. auch noch die Wochenschrift "Der christliche Pilger" (Speyer 1855) 31. 346) Verfügung vom 12. März 1879. 347) Speyer, 10. August 1883. 348) D. i. die Würzburger Angelegenheiten. 349) v. Prentner an den Superior (damals Schott, interimistischer Leiter), 13. November 1867. 350) Schott an Räß, 19. November 1867. 351) Schott an v. Prentner, 24. November 1867. 352) Sattler (der neue Superior) an Räß, 20. Januar 1869. 353) Schreiben des Ordinariats an das Staatsministerium des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten vom 13. Juni 1870. 354) Vgl. auch J. Silbernagl, Verfassung und Verwaltung Religionsgenossenschaften in Bayern (Regensburg 1900) 644. sämtlicher 355) Nach dem Schreiben des Bischofs Räß an den Erzbischof von München vom 30. Dezember 1873. 356) Nach ausführlichen Aufzeichnungen von Simonis. 357) Herr Generalvikar Rampf bemerkte einmal zu Simonis, daß seinerzeit aufgefallen sei, daß man die Sache dem Mutterhause verheimlicht habe. 259 358) Ich folge hier, wo nichts anderes vermerkt, den Ausführungen von Simonis, deren unbedingte Zuverlässigkeit ich an der Hand seiner Korrespondenz mit Räß kontrollieren konnte. 359) Simonis an Räß, München, 19. Mai 1873. 360) Simonis an Räß, 1. August 1873. 361) Sint ut sunt, aut non sint. Schon am 2. Mai 1873 hatte Simonis bei seinem Bischof von München aus angefragt, was er tun solle, da er die Verantwortung in der Angelegenheit nicht tragen wolle. "Ich wünsche nur nach Ihren Anweisungen zu handeln." Daraus und aus andern mir vorliegenden Belegen geht hervor, daß Simonis in der ganzen unerquicklichen Angelegenheit nur auf Anweisung seines Bischofs handelte. 362) Später Bischof von Speyer. 363) Nach einem Schreiben von Simonis an Räß, 21. November 1873. 364) Er hatte als theologischer Beirat den elsässischen Missionsbischof Kobès nach Rom begleitet. 365) Sie waren um diese Zeit schon außer Kraft gesetzt. 366) Kardinal Binarri, Präfekt der C. Episc. et Reg., an Räß, Romae 15 Aprilis 1874. Auch der Vorschlag eines geteilten Noviziates wird hier abgelehnt. 367) Er gibt diese in der Denkschrift auch genau an. 368) Der bedeutende Forscher Geheimkämmerer. für Reformationsgeschichte, seit 1902 päpstlicher 369) 1889 - 1897 Erzbischof von München. 370) Vom Oktober 1907 bis Juli 1908 und Oktober bis 18. Dezember 1908 war die Klosterkirche der Heiliggeistpfarrei, deren Kirche renoviert wurde, zur Abhaltung der Pfarrgottesdienste ganz zur Verfügung gestellt. 371) Er starb schon im Jahre 1905. 372) Man vgl. nur das Werk von H. Keller, Les congrégations religieuses en France (Paris 1880). 373) Jvry, le 10 juin 1871; Originalschreiben an H. Müller im Klosterarchiv 374) Es handelt sich um das Waisenhaus des Fabrikanten in Jvry. 375) Gemeint ist das Hospice des incurables in Jvry. 376) Über ihr Wirken vgl. die Festschrift: Jubilé de Soeur Stéphanie, Supérieure de l'Orphélinat de Guebwiller 1872 - 1897. 260 377) Vgl. über diese große Wohltäterin die Biographie von J. Wagner, Vie de Madame Miquey et souvenirs de Mulhouse (Mulhouse 1891). Über ihre Beziehungen zu den Schwestern besonders S. 41 f. 95 ff.