PFLEGER, L. Die Kongregation der Schwestern vom

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Die Kongregation der Schwestern
vom Allerheiligsten Heilande
genannt "Niederbronner Schwestern"
Ein Beitrag zur Geschichte der christlichen Liebestätigkeit
der neuesten Zeit
Von
Dr. Luzian Pfleger
Priester des Bistums Straßburg
Freiburg im Breisgau 1921
Herder & Co. G.m.b.H. Verlagsbuchhandlung
Berlin, Karlsruhe, Köln, München, Wien, London, St. Louis Mo.
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Imprimatur
Argentinae, die 19 Maii 1921
E. Kretz, V.g.
___________
Imprimatur
Friburgi Brisgoviae, die 25 Iulii 1921
Carolus, Apps
Alle Rechte vorbehalten
Buchdruckerei von H e r d e r & Co. G.m.b.H. in freiburg i. Br.
3
Seinem verehrten Oheim
Dr. theol. Nikolaus Paulus
Päpstlicher Geheimkämmerer und Ehrenkanonikus
dem langjährigen Hausgeistlichen des Münchner Herz-Jesu-Klosters
in dankbarer Liebe
der Verfasser
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Anmerkung:
Die Texte sind in der dem Verfasser vertrauten Rechtschrift wiedergegeben.
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Vorwort
Die Anregung zu diesem Buche ging von Herrn Superior und Kanonikus Hanns
aus dem Mutterhause Oberbronn aus, der die Wichtigkeit einer zuverlässigen und
quellenmäßigen Geschichte für das innere Leben einer so ausgedehnten
Genossenschaft wie die der Niederbronner Schwestern wohl erkannte. Muß nicht in den
Seelen der Mitglieder die Begeisterung für ihr Berufsideal wachsen, als sie eine tiefere
Erkenntnis besitzen der großen Sache, der sie dienen, und der Familie, der sie
angehören? Aber auch für die Allgemeinheit kann eine eingehendere Darstellung einer
modernen sozialkaritativen religiösen Genossenschaft nicht ohne tieferes Interesse
sein. Ist sie doch geeignet, auch weiteren Kreisen, die vielfach der meist im stillen sich
vollziehenden Tätigkeit solcher kirchlichen Organisationen gleichgültig oder gar
verständnislos gegenüberstehen, die Augen zu öffnen und ihnen Einblick zu gewähren
in die reichsprudelnden Quellen selbstloser Liebe, die auch in einer Zeit, wo brutaler
Egoismus und schrankenlose Genußsucht einen großen Teil der Menschheit
beherrschen, im Schatten der katholischen Kirche fließen und ihren reichen Segen über
die Wüstenstriche menschlichen Elends leiten.
Nur zögernd ist der Verfasser dieses Buches der Aufforderung zu seiner
Abfassung nachgekommen, weil er vor den Schwierigkeiten zurückschreckte, die eine
eindringende Darstellung, vor allem die übersichtliche Gruppierung des gewaltigen,
disparaten Stoffes der nicht abgeschlossene Geschichte, sondern noch warm
pulsierende Tätigkeit ist, an den Bearbeiter stellen. Nachdem er sich einmal
entschlossen hatte, war ihm sein Ziel sofort klar: kein trockenes Gerippe von Daten und
Tatsachen zu schaffen, das nur den Freund von Tabellen und Statistiken interessiert,
sondern ein wirkliches Hausbuch über und für die Genossenschaft. Es galt also, ein
lebensvolles, gemeinverständliches, alle Seiten des Genossenschaftslebens
berührendes Bild der Kongregation zu zeichnen, ihr Werden, Wachsen und gedeihen im
Fluss der Zeitgeschichte zu verfolgen, den Anteil der beteiligten Persönlichkeiten
gewissenhaft zu umschreiben, sie getreulich zu charakterisieren. Es galt, das Hauptziel
nicht aus den Augen zu verlieren: die Geschichte der ganzen Genossenschaft, nicht
etwa bloß, wie es vielfach geschieht, die Biographie der Gründer als Hauptsache zu
betrachten und die Weiterentwicklung des Werkes auf ein knappes Verzeichnis der
einzelnen Filialgründungen zu beschränken. Das ist freilich bequemer, aber der
Gesamtgeschichte der christlichen Caritas der Neuzeit ist damit nur mäßig gedient.
Darum glaubte der Verfasser auch die Hausgeschichte jeder einzelnen
Niederlassung berücksichtigen zu sollen. Er hatte, da das Buch vor Kriegsausbruch
begonnen war, jede Hauschronik mit einer gewissen Ausführlichkeit behandelt, manche
schöne Schwesterntat registriert, die Verzeichnisse der Oberinnen beigegeben. Nur mit
Bedauern sah er sich, in Anbetracht der gewaltig gestiegenen Druckkosten, veranlasst,
alles bis auf das unumgänglich Nötige zusammenzustreichen. Auch eine Serie für den
Statistiker wertvoller Tabellen, wie sie z.B. W. Hohns Buch "Die Nancy-Trierer
Borromäerinnen in Deutschland 1810-1899" auszeichnen, mußte wegbleiben, um den
Umfang des Buches nicht allzu stark werden zu lassen.
Bezüglich der Quellen sei folgendes bemerkt: Neben dem Generalarchiv des
Mutterhauses kam vor allem das Ordinariatsarchiv des Bistums Straßburg in Betracht.
Es war ein glücklicher Umstand, daß Bischof Andreas Räß, der Hauptförderer des
Werkes, alle auf dasselbe bezüglichen Schriftstücke und Korrespondenzen sorgfältig
sammelte und verwahrte. Nur so ist es möglich gewesen, über die bereits von der
geschäftigen Legende umsponnene Gründungsepoche die nötige Klarheit zu erlangen.
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Die Korrespondenzen von Bischof Räß mit auswärtigen Kirchenfürsten lagen alle in
eigenhändigen Konzepten des Bischofs vor, ebenso die Korrespondenzen der
Generaloberinnen in sorgfältig geführten Kopialbüchern. Wertvolle, die Tätigkeit der
Schwestern betreffende Angaben über die Frühzeit (besonders über die drei ersten
Kapitel des zweiten Buches) lieferten die Aussagen hochbejahrter, jetzt verstorbener
Schwestern.
So ist das Buch auf zuverlässigen Quellen aufgebaut. Da es die Geschichte einer
Kongregation behandelt, deren Mitglieder verschiedenen Nationen angehören, die der
unheilvolle Krieg entzweite, so hat der Verfasser sorgfältig alles zu vermeiden gesucht,
was hüben und drüben ein empfindliches Gemüt in Wallung versetzen könnte. Dies zu
versichern sollte überflüssig erscheinen bei der Schilderung eines Werkes der
christlichen Liebe. Denn diese ist inter- und übernational wie die Person des Herrn
selbst, der gekommen ist, um den Völkern die Liebe zu bringen.
Noch zu danken bleibt mir: so den ehrwürdigen Sekretariatsschwestern Synesia
und Gilbert, an deren Tür ich so oft und nie vergebens pochte; der ehrwürdigen
Schwester Laurienne, Oberin des Herz-Jesu-Klosters in München, für viele wertvolle
Mitteilungen; der greisen Schwester Leonie im Mutterhause, die mit unermüdlicher
Geduld viele kleine Bausteine zusammentrug. Vor allem aber meinem lieben Freund
Joseph Fischer, Hausgeistlichen zu Oberbronn, der von Anfang an dem Buch und
seinem Gedeihen das tatkräftigste und selbstloseste Interesse entgegenbrachte und es
in jeder Weise förderte; ihm verdanke ich auch die wertvollen Übersichten des
Anhangs. Mit Vergnügen denke ich an die stillen Arbeitsstunden im tannenumrauschten
Mutterhause zurück, die mir durch die Gastfreundschaft der ehrwürdigen Generaloberin
Schwester M. Livier und die stetige fördernde Teilnahme des Herrn Superiors Hanns
mehr Erholung als Mühe schienen.
Hat der Verfasser von jeher die bescheidene, in hingebungsvoller Liebe ihre
Kranken pflegende Niederbronner Schwester bewundert, so ist diese Bewunderung
durch die eingehende Beschäftigung mit ihrer großen Klosterfamilie nur gewachsen. Er
schätzt sich glücklich, ihrem aufopferungsvollen Wirken im Dienste der leidenden
Menschheit ein bescheidenes Denkmal gesetzt zu haben. Mögen die Schwestern sich
dessen freuen und seinem Urheber ein frommes Gedenken bewahren.
Straßburg, am Sonntag Trinitatis 1921.
Der Verfasser.
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Inhaltsübersicht
Vorwort
Seite 5 - 6
Erstes Buch.
Innere Geschichte der Genossenschaft. Das Mutterhaus.
Erster Abschnitt.
Die Anfänge der Kongregation, ihr Werden und Wachsen
bis zum Tode der Stifterin (1849 - 1867).
Erstes Kapitel.
Die Stifterin. Jugend und Vorbereitungszeit.
Elisabeth Eppingers Geburt in Niederbronn -- Die Familie -- Lob des Vaters -- Kindheit
Elisabeths, ihre frühzeitige Frömmigkeit -- Die Schuljahre; geringes Interesse für die weltlichen
Schulfächer -- Eifer für den Katechismus -- Erste Kommunion -- Gelübde -- Leben im Elternhaus
-- Mit 17 Jahren krank -- Drei schwere Krankheitszeiten -- Besondere Gnadengaben -- Verkehr
mit Gott -- Der Seelenführer, Pfarrer Reichard; dessen religiöse Persönlichkeit -- Charakter der
außerordentlichen Gnadengaben Elisabeths -- Kunde davon in der Öffentlichkeit -Stellungnahme des Bischofs Andreas Räß -- Auswärtige Besucher bei der Kranken -- Ihr
Einfluß -- Der Vicomte de Bussierre -- Pfarrer Lomnitz -- Lamartine -- Kanonikus Busson;
dessen Schriften über Elisabeth sind mit Vorsicht aufzunehmen -- Pius` IX. Ansicht darüber
Seite 16 - 24
Zweites Kapitel.
Die Gründung der Kongregation. Erfolge und Schwierigkeiten.
Elisabeth bittet 1848 um Aufnahme in die Genossenschaft der Schulschwestern von
Rappoltsweiler -- Bischof Räß dagegen -- Plan einer eigenen neuen Kongregation -- Neue
Gelübde Elisabeths – Reichard schickt dem Bischof die Konstitutionen der zu gründenden
Genossenschaft für Hauskranken- und Armenpflege -- Zeitgemäßer Charakter derselben -Pauperismus im Elsaß -- Räß gestattet und begünstigt die Gründung -- Bau des Klosters in
Niederbronn durch Pfarrer Reichard -- Ende der Leidenszeit Elisabeths -- Ihre Einkleidung im
neuen Kloster (1849) -- Die ersten Schwestern -- Reichard Superior – Anfang der
Liebestätigkeit -- Profeß der Oberin -- Existenzmittel der Genossenschaft -- Bau der Kapelle,
von Räß konsekriert -- Gegner des Werkes -- Der falsche Ludwig XVII. -- Der Bischof von La
Rochelle -- Louis de Cissey verteidigt die Oberin -- Staatsrat Jarcke -- Exerzitien in Notre-Dame
-- Lichtblicke -- Stimmen für Elisabeth
Seite 24 - 34
8
Drittes Kapitel.
Die ersten Statuten. Allmähliche Ausbreitung.
Die Feuerprobe im Cholerajahr 1854.
Zweck der Kongregation -- Inhalt der Statuten -- Ausbildung der Schwestern -- Die
Novizenmeisterin -- Unliebsame Erfahrungen; bald abgeschafft -- Ausbreitung im Elsaß -Glänzende Zeugnisse -- Das Cholerajahr -- Wie die ehrwürdige Mutter die Schwestern anfeuert
-- Die Feuerprobe bestanden
Seite 35 - 40
Viertes Kapitel.
Die staatliche Genehmigung.
Erstes Gesuch um dieselbe 1853, ohne Erfolg -- Zweites Gesuch – Die staatliche
Anerkennung 1854
Seite 40 - 41
Fünftes Kapitel.
Die Gründung der Bruderkongregation und ihr Ende.
Der Ankauf von Oberbronn.
Unsichere finanzielle Lage -- Superior Reichard gründet eine Genossenschaft von
Laienbrüdern für Feldbau -- Ihre Organisation -- Das Bruderkloster in Niederbronn -- Singlingen;
das Waisenhaus – Aufhebung der Bruderkongregation -- Erwerb des Schlosses Oberbronn; das
Noviziat dorthin verlegt (1858) -- Das Landschaftsbild
Seite 41 - 45
Sechstes Kapitel.
Die rasche Verbreitung der Schwestern in fremden Diözesen.
Lob durch die Bischöfe. Das päpstliche Belobigungsdekret von 1863
und die päpstliche Approbation von 1866.
Eifer der Generaloberin für die Ausbreitung -- Filialen in Frankreich, Bayern, Österreich,
Ungarn -- Freude des Bischofs Räß -- Stimmen fremder Bischöfe -- Räß erbittet die päpstliche
Bestätigung -- Das Belobigungsdekret (1863) -- Römische Wünsche -- Anklagen aus dem Elsaß
-- Räß an die Stifterin -- Die päpstliche Approbation (1866) -- Das Fest im Mutterhause -Simonis als Festprediger
Seite 45 - 51
Siebtes Kapitel.
Ein schwerer Verlust: die Trennung von Wien, Ödenburg und
Würzburg (1866) - Der Tod der Stifterin (1867).
Befürchtungen des Superiors -- Trennung der Häuser in Wien, Ödenburg und Würzburg,
die selbständige Genossenschaften bilden -- Schmerz im Mutterhause -- Tod der ehrwürdigen
Mutter und des Superiors Reichard -- Die Persönlichkeit der Stifterin -- Ihre Macht über die
Menschen -- Das Urteil bedeutender Zeitgenossen -- Prinzessin Karoline von Hohenzollern,
Alexandra von Bayern
Seite 41 - 55
9
Zweiter Abschnitt.
Krisen und Prüfungen. Der Deutsch-französische Krieg (1867 - 1872).
Erstes Kapitel.
Generaloberin Schwester Adelinde und Superior Sattler.
Die Wahl der Generaloberin -- Ihr Vorleben -- Prof. Sattler Superior -- Seine
Persönlichkeit -- Rückverlegung des Noviziats nach Niederbronn -- Prozeß der Erben Eppinger
-- Schwierige finanzielle Lage -- Verkauf des Gutshofes Singlingen
Seite 55 - 57
Zweites Kapitel.
Die Schrecken des Krieges.
Die Schlacht bei Fröschweiler und Wörth -- Deutsche Verfolgungstruppen in
Niederbronn -- Gefahr des Mutterhauses -- Was die Generaloberin erzählt -Verwundetenpflege -- Opfermut der Schwestern -- Die Vorsehung sorgt -- Folgen des Krieges
für die Genossenschaft -- Mangel an Nachwuchs
Seite 58 - 62
Drittes Kapitel.
Die neuen Statuten und ihre Ablehnung. Sattlers Weggang.
Der Superior reist nach Rom, um die päpstliche Approbation der Statuten zu erlangen -Er verfaßt neue, von Räß ermächtigt -- Approbation derselben -- Ihre Ablehnung im
Generalkapitel zu Niederbronn -- Räß gestattet die alten vorläufig beizubehalten -- Sattlers
Protest – Seine Abberufung -- Der Grundfehler dieser inneren Wirren -- Beurteilung der
Sattlerschen Statuten -- Warum die Schwestern sie ablehnen -- Beschwörung der KrisisS. 62 - 64
Dritter Abschnitt.
Steigende Entwicklung der Kongregation
unter dem dritten Superior Ignatius Simonis (1872 - 1903).
Erstes Kapitel.
Superior Simonis. Innere Festigung der Genossenschaft. Das Noviziat.
Rückblick -- Simonis der zweite Begründer der Genossenschaft – Seine bisherige
Laufbahn -- Stand der Kongregation bei seinem Amtsantritt -- Wie er Berufe gewinnt -Ausbildung der Novizinnen – Unermüdlichkeit des Superiors – Exerzitien
Seite 65 - 70
Zweites Kapitel.
Das neue Verhältnis der Kongregation zu Frankreich.
Die reichsländische Regierung.
Regelung des Verhältnisses zur französischen Regierung -- Das Kongregationshaus zu
Epinal -- Die reichsländische Regierung – Wohlwollen des Statthalters v. Manteuffel -- Die
finanzielle Lage – Allmähliche Besserung -- Verlegung von Mutterhaus und Noviziat nach
Oberbronn -- Neubauten -- Niederbronn wird Altersheim
Seite 70 - 72
10
Drittes Kapitel.
Die vorläufige Approbation der neuen Konstitutionen (1877).
Räß bittet nachträglich in Rom um Beibehaltung der alten Satzungen -- Neuordnung der
Bestimmungen über das Generalkapitel -- Simonis arbeitet neue Statuten aus -- Sie werden in
Rom probeweise für fünf Jahre bestätigt -- Rundschreiben der Generaloberin -- Bewährung der
Statuten
Seite 72 - 74
Viertes Kapitel.
Weitere Ausbreitung der Kongregation.
Tod der ehrwürdigen Mutter M. Adelinde.
Günstige Zeugnisse der Bischöfe -- Kardinal Dechamps -- Freiherr von Ketteler -Erzbischof Gregorius v. Scherr von München -- Die Münchner Noviziatsfrage -- Simonis kämpft
für die Einheit der Genossenschaft, in Übereinstimmung mit Bischof Räß -- Friedliche Lösung -Weitere Verbreitung der Kongregation -- Stand von 1891 -- Tod der Mutter Adelinde -- Ihre
Persönlichkeit – Begräbnis
Seite 74 - 77
Fünftes Kapitel.
Schwester Damien, die dritte Generaloberin.
Vergrößerung des Mutterhauses. Das Jubelfest 1899.
Die Neuwahl -- Vorleben der neuen Generaloberin -- Große Neubauten -- Die Kapelle -Das Krankenhaus -- 120 Neugründungen unter Schwester Damien -- Das fünfzigjährige
Jubelfest der Genossenschaft -- Tod der ehrwürdigen Mutter -- Muster einer OrdensfrauS. 77-79
Sechstes Kapitel.
Simonis und der Geist der Genossenschaft.
Wie der Superior die Schwestern heranbildet -- Seine Erbauungsbriefe -- Der
Ordensberuf -- Die Wichtigkeit der klösterlichen Regel – Alles aus Liebe zu Gott und zu Christus
-- Das Gebet -- Mangel an Eifer; die Lauigkeit im Beruf -- Selbstverleugnung -- Fröhliche
Schwestern -- Der Dienst der Armen und Kranken -- Geistliche Werke der Barmherzigkeit -- Der
Geist schwesterlicher Liebe und Einigkeit -- Tadel und Lob -- Schwester Sigismund -- Lob
seitens des Stadtpfarrers Wiedemann -- Die Klostergeistlichen von Oberbronn und Niederbronn
– Der Redemptoristenorden
Seite 79 - 86
Siebtes Kapitel.
Schwester M. Macrine Frey, die vierte Generaloberin.
Tod des Superiors Simonis 1903.
Die Neuwahl -- Früheres Wirken der Schwester Macrine -- Krankheit des Superiors
Simonis und Tod -- Großartige Leichenfeier – Trauerrede des Superiors Guerber -- Die
Persönlichkeit des Toten -- Sein Wirken für die katholische Sache; der Mann des Volkes -- Die
katholische Presse -- Die Missionen -- Selbstlos als Mensch und Freund – Der Politiker -Windthorst – Bismarck
Seite 86 - 89
11
Achtes Kapitel.
Simonis’ Nachfolger: Konstantin Hanns - Tod der Schwester M. Macrine.
Schwester Marie Livier, die fünfte Generaloberin.
Fortschreitende günstige Entwicklung der Genossenschaft.
Tätigkeit des neuen Superiors Hanns -- Bauliche Veränderungen im Mutterhause -Erwerb eigener Schwesternhäuser auswärts -- Krankheit und Tod der Generaloberin Schwester
Macrine -- Ihre Nachfolgerin Schwester Marie Livier -- Das Odilienkrankenhaus in StraßburgNeudorf als Krankenpflegeschule -- Personalstand am 31. Dezember 1913
S. 89 - 92
Vierter Abschnitt.
Die Jahre des Weltkrieges. Neuorganisation der Genossenschaft.
Die Errichtung von Provinzen.
Erstes Kapitel.
Die Geschichte der Kongregation während des Weltkrieges.
Der Kriegsausbruch -- Fieberhafte Tätigkeit -- Die Kongregation im Dienste des
Kriegselends -- Die Häuser in den Okkupationsgebieten -- Zerstörte und beschädigte
Niederlassungen im Elsaß und in Nordfrankreich -- Die Waisenkinder von Gebweiler im
Mutterhause -- Die Verbindung der durch die Frontlinie getrennten Schwestern mit dem
Mutterhause -- Profeß in der Kriegszeit -- Ein Noviziat in Frankreich
Seite 92 - 94
Zweites Kapitel.
Die Neuorganisation der Genossenschaft. Vier Provinzen. Die neuen Statuten
Der Geist der Genossenschaft leidet nicht unter den Kriegsfolgen -- Allseitiges Lob -Kriegsopfer -- Personalstand am 31. Dezember 1919 -- Zunahme -- Die Wirkungen der
politischen Ereignisse -- Das Mutterhaus auf französischem Boden -- Neuorganisation und
kanonische Errichtung von vier Provinzen -- Der Kardinalprotektor -- Das provisorische Statut
der Provinzen -- Die neuen Provinzial-oberinnen – Noviziate in Bühl (Baden) und Neumarkt
(Bayern) -- Die revidierten Statuten in Rom -- Personalstand am 1. Januar 1921
S. 94 - 97
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Zweites Buch.
Bilder aus dem Leben und Wirken der Genossenschaft.
Erstes Kapitel.
Auf Schlachtfeldern und in Lazaretten.
1. Im Krimkriege. 2. Im italienisch-österreichischen Kriege von 1859. 3. Der deutschdänische Feldzug von 1864. 4. Der Krieg von 1866. 5. Der deutsch-französische Krieg von
1870 – 1871. Im Felde. Vor Paris. In Orléans. Vor Belfort. In Reservelazaretten im Elsaß und im
Innern Frankreichs. riegsspitäler auf deutschem Boden. 6. Im bulgarisch-serbischen Krieg von
1885 – 1886. 7. Im Weltkrieg 1914 – 1918. Die Lazarette der Genossenschaft in Deutschland.
In anderen Lazaretten. Opfer des Krieges unter den Schwestern. Sonstige Kriegsleistungen.
12
Die französischen Schwestern im Kriegsdienst. Die belgischen. Kriegsopfer. Heimatdienst.
Auszeichnugen.
Seite 98 - 113
Zweites Kapitel.
Im Kampfe gegen verheerende Volksseuchen.
1 . D i e C h o l e r a e p i d e m i e n i m J a h r e 1 8 5 4 u n d 1 8 5 5 . In Straßburg -Opfermut des Bischofs Räß -- Schlettstadt -- Kestenholz -- Gerstheim -- Colmar -Krankheitsbild -- Schwester Caritas -- Die Schwestern in Beaucourt, Mirecourt, Neuf-Château -Im Moseldepartement -- Lob durch den Bürgermeister in Maville, den Pfarrer von Loisy -Anerkennung der Regierung -- Die Presse -- Was die Generaloberin dem Bischof meldet -- Die
Seuche von 1855. 2 . D i e C h o l e r a e p i d e m i e n v o n 1 8 6 6 u n d 1 8 7 3 . In Unterfranken
und Hessen -- Luxemburg -- Pfalz -- Speyer – Was Schwester Menodora erzählt -- Lob der
Behörden – München. 3 . T y p h u s e p i d e m i e n . In der Pfalz -- Güntersleben -- König Ludwig - In Straßburg und Elsaß -- In Lothringen -- Ärztliches Lob -- In Hessen -- Opfer des Berufes -Heldentod der Schwester Quadrata.
Seite 113 - 123
Drittes Kapitel.
Im Weinberg des Herrn.
Sorge der Schwestern um das Seelenheil der Kranken -- Vorwürfe der Gegner
unberechtigt -- Verhalten der Diakonissen -- Das Recht der Krankenschwester -- Veredelnder
Einfluß ihrer Liebestätigkeit -- Der alte Kapitain -- Die Münchner Schauspielerin -- Das
Vinzentiushaus in Karlsruhe -- Der bekehrte Gottesleugner in St. Diè -- Sinnesänderung eines
abgefallenen Priesters -- Die Schwestern und die Freimaurer -- Lob durch Kardinal Richard von
Paris -- Die Krankenschwester als Friedensstifterin -- Regulierung wilder Ehen -- Was
Schwester Ludwina zu Epinal fertig bringt – Im Weltkrieg -- Die Mädchenhorte -- Lobsprüche
des Domkapitulars Molitor von Speyer und des Kardinals Langènieux von Reims Seite 123 - 129
Viertes Kapitel.
Die sozialökonomische Bedeutung der Kongregation
für Staat und Gesellschaft.
Notwendigkeit der kirchlichen Wohltätigkeitsgenossenschaften -- Die Hauskrankenpflege
heute mehr als anerkannt -- Wichtigkeit der Krankenschwester für die Landbevölkerung -Ärztliche Stimmen -- Die große soziale Gegenwartsbedeutung unserer Kongregation ist die
Armenkrankenpflege in Stadt und Land -- Die Bestimmungen der Ordenssatzungen -- Pflege
der Reinlichkeit -- Die Schwester ersetzt die Mutter -- Moralischer Einfluß -- Lob des Bischofs
von Lüttich -- Fürsorge für Lungenkranke -- Einige Zahlen -- Vorzüge der durch
Ordensgenossenschaften geübten Krankenpflege -- Billigkeit -- Sparsamkeit der Schwestern -Modern eingerichtete Krankenhäuser -- Waisenfürsorge -- Kinder- und Jugendfürsorge -Bewahranstalten -- Kein ausschließliches Verdienst Fröbels -- Ihre soziale Bedeutung -- Das
Herz-Jesu-Kloster in München -- Religiöse Erziehung der Kinder, doch ohne Übertreibung -Berücksichtigung der Fröbelschen Methode -- Einige Zahlen -- Krippenanstalten -- Kinderhorte - Weihnachtsbescherung -- Handarbeits- und Haushaltsschulen -- Jungfrauenvereine und
Mädchenheime -- Volkswirtschaftliche Wertung der geleisteten Arbeit -- Die Krankenschwester - Erfolg der Sparsamkeit -- Entlassung von Staat und Gemeinde
Seite 129 - 137
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13
Drittes Buch.
Äußere Geschichte der Genossenschaft. Ihre Ausbreitung.
Erster Abschnitt.
Die im Jahre 1866 abgetrennten Zweige zu Wien,
Ödenburg und Würzburg.
Erstes Kapitel.
Die Niederlassung in Wien und ihre Trennung (1857 - 1866).
Anfrage der Gräfin Flora v. Fries -- Einwilligung des Kardinals Rauscher zur Gründung
eines Schwesternhauses in Reindorf -- Die ersten Schwestern -- Schwierigkeiten von Seiten
des Elisabethenvereins -- Neue Wohnungen -- Waisenanstalt -- Erfolge der Oberin Schwester
Theophile -- Filiale in Ödenburg -- Die Frage eines Postulates -- Das Projekt eines
Noviziatshauses -- Aufruf für eine Kollekte -- Der Neubau -- Der Kardinal will ein Noviziat
errichten -- Widerstand im Mutterhause -- Reise der Generaloberin nach Wien -- Gegensätze
zwischen ihr und der Wiener Oberin -- Der Kardinal verlangt ein Provinzialhaus -Stellungnahme des Bischofs Räß -- Die Errichtung eines Wiener Mutterhauses -- Die Wiener
Oberin teilt die vollzogene Loslösung von Niederbronn mit -- Beschwerde in Rom, ohne Erfolg -Jetziger Stand der Wiener Genossenschaft.
Seite 138 - 144
Zweites Kapitel.
Das Haus in Ödenburg, Diözese Raab (1863 - 1866).
Gründung -- Wünsche des Bischofs bezüglich eines Noviziates – Die Trennung, zugleich mit
dem Wiener Hause -- Später selbständiges Mutterhaus – Wiedervereinigungspläne
S. 144
Drittes Kapitel.
Würzburg (1854 - 1866).
Die erste Niederlassung -- Erfolge -- Andere Gründungen in der Diözese -- Lobsprüche - Schwierigkeiten -- Die Exerzitienfrage und der Bischof -- Die Rolle der Würzburger Oberin -Gegensätze zwischen Niederbronn und Würzburg -- Das Verhalten der Generaloberin -- Bischof
Räß zu der Sache -- Würzburg wird selbständiges Mutterhaus -- Brief des Würzburger
Oberhirten -- Rückkehr vieler Schwestern -- Die Frage in Rom -- Räß` Vermittlungsversuch
erfolglos -- Spätere Annäherungsversuche -- Münnerstadt -- Heutiger Stand der Würzburger
Genossenschaft
Seite 146 - 151
Zweiter Abschnitt
Die Niederlassungen der Genossenschaft
in den jetzigen Ländern und ihrer Ausbreitung.
Erstes Kapitel.
Belgien.
1. Diözese Lüttich. 2. Diözese Mecheln. 3. Diözese Brügge.
Seite 151
14
Zweites Kapitel.
Die Niederlassungen im Deutschen Reiche.
A. Baden.
Erzdiözese Freiburg.
Die Anfänge in Baden -- Der Vinzenzverein Karlsruhe beruft 1857 Niederbronner
Schwestern -- Staatliche Genehmigung, doch mit Einschränkung -- Lob der Schwestern durch
Kaplan Höll -- Das Vinzentiushaus – Schwester Bonaventura -- Erteilung der Korporationsrechte
-- Tod der Schwester Bonaventura -- Ihre Persönlichkeit -- Hohe Beziehungen -- Das "Neue
Vinzentiushaus" -- Das fünfzigjährige Jubiläum -- Schreiben des Erzbischofs Dr. Rörber -- Die
übrigen Niederlassungen in Baden
Seite 152 - 166
B. Hessen.
Diözese Mainz
Berufung der ersten Schwestern nach Darmstadt durch Stadtpfarrer Dr. Lüft -- Das
Barmherzige Schwesternhaus zu Darmstadt -- Die schwierigen Anfänge -- Wachsende
Sympathien für die Schwestern in protestantischen Kreisen -- Finanzielle Unterstützung durch
die Direktion des Glaubensverbreitungswerkes zu Lyon, vermittelt durch Bischof Räß -- Der
Neubau -- Erteilung der Korporationsrechte -- Staatsrechtliche Lage -- Weitere Entwicklung -Die Oberin Schwester Bonaventura – Stadtpfarrer Beyer -- Bischof v. Ketteler wünscht die
Versetzung der Oberin -- Vergebliche Schritte für ihr Bleiben -- Schwester Gorgonia -- Tod
Dr. Lüfts -- Wohlwollen des Bischofs v. Ketteler -- Die Kulturkampfzeit -- Das
fünfundzwanzigjährige Jubelfest -- Zweiter Neubau und Kapelle 1887 -- Das goldene Jubiläum - Schreiben des Bischofs Dr. Kirstein -- Die anderen Gründungen in Hessen
Seite 166 - 176
C. Rheinpfalz.
Diözese Speyer.
Bischof Nikolaus Weis und die Genossenschaft -- Die ersten Schwestern in Speyer -Fernere Gründungen -- Ausweisungsbefehl seitens der Staatsregierung -- Entrüstung in der
katholischen Bevölkerung -- Was die "Deutsche Volkshalle" schreibt -- Einschreiten des
Bischofs -- Der päpstliche Nuntius in München -- Schreiben des Reichsrats Graf Arco Valley -Eine von Molitor verfasste Denkschrift -- Lob der Schwestern -- Kritik der
Regierungsmaßnahmen -- Bischof Weis an die bayrischen Bischöfe -- Hartnäckigkeit des
Regierungspräsidenten v. Hohe – Protest des Bischofs -- Einlenken der Regierung -- Tätigkeit
der Schwestern in Speyer im Dienste des Vinzenzvereins -- Beschränkung ihres
Wirkungskreises -- Unsicherer staatsrechtliche Lage, erst 1891 geklärt -- Bischof Ehrler -- Die
übrigen Häuser der Kongregation in der Rheinpfalz
Seite 176 - 186
D. Das rechtsrheinische Bayern.
1. Erzdiözese München-Freising.
Die Anfänge in München. Die Stellung der Schwestern im Diözesanverband
und die staatsrechtlichen Verhältnisse. Das Herz-Jesu-Kloster.
Der Vinzenzverein München beruft 1857 die ersten Schwestern -- Das Vinzentinum -Erzbischof Gregor v. Scherr -- Andere Gründungen in der Diözese -- Wirkungen der Würzburger
Vorgänge -- Domkapitular v. Prentner -- Auftauchen der Noviziatsfrage -- Bau des Herz-Jesu-
15
Klosters -- Herr v. Prentner gegen ein Noviziat -- Die Frage der Korporationsrechte -- Die
Kongregationsleitung gegen ein Münchner Noviziat – Die Haltung des Bischofs Räß -Sammlungen für das Herz-Jesu-Kloster -- Popularität der Schwestern -- Die Erteilung der
Korporationsrechte unter der Voraussetzung eines selbständigen Provinzialhauses –
Einweihung der Kapelle -- Der Erzbischof drängt auf ein Noviziat -- Zusage der Münchner
Oberin Lukretia -- Eine Entscheidung des Mutterhauses -- Oberhirtliche Anerkennung des HerzJesu-Klosters als Provinzhaus -- Errichtung eines Noviziates -- Die erste Einkleidung -- Ernste
Differenzen mit dem Mutterhause -- Bischof Räß gegen das Noviziat -- Superior Simonis
handelt nach seinen Weisungen -- Der Rekurs nach Rom, wo das Noviziat aufgehoben wird -Erzbischof Gregor an Räß; dessen Antwort -- Eine Denkschrift Simonis` gegen das Münchner
Noviziat -- Weitere Entwicklung des Herz-Jesu-Klosters -- Endliche Lösung der
Hauseigentumsfrage und Regelung der staatsrechtlichen Lage -- Neubauten -- Ein Postulat -Die Revolutionstage -- Die übrigen Häuser der Erzdiözese München
Seite 186 - 198
2. Erzdiözese Bamberg. 3. Bistum Augsburg. 4. Bistum Eichstätt. 5. Bistum Passau
6. Bistum Regensburg.
Seite 198 - 202
Drittes Kapitel.
Frankreich.
Anfänglich weniger Niederlassungen im Innern Frankreichs -- Gründe dafür -Festsetzung in der Erzdiözese Paris -- Gutachten des Militärgeistlichen Bougereau -- Die
staatsrechtliche Lage nach 1870 – Der Kulturkampf -- Nur geringe feindselige Maßnahmen -Die Volkstümlichkeit der Schwestern -- Wachsende Nachfrage -- Die Häuser in den Diözesen
Besancon, Châlons, Dijon, Langres, Lille, Nancy, Paris, Reims, Troyes, Valence, Straßburg,
Metz
Seite 203 - 221
Viertes Kapitel.
Niederlassungen in den Diözesen Luxemburg und Basel.
Seite 222
-----------------------Nachträge.
Erzdiözese Mecheln. Mannheim-Neckarvorstadt.
Seite 222
------------------------
Anhang.
Tabellen und Übersichten.
I. Die Generaloberinnen. II. Die Generalassistentinnen. III. Die Generalsekretärinnen. IV.
Die Provinzoberinnen und ihre Assistentinnen. V. Die Novizenmeisterinnen. VI. Die
Postulantenmeisterinnen. VII. Die Zahl der Profeßschwestern 1872 – 1920. VIII. Übersicht über
die Ausbreitung der Kongregation in den verschiedenen Bistümern (1850 - 1920). IX.
Zusammenfassende Übersicht über die Tätigkeit der Kongregation nach dem Stand vom 31.
Dezember 1920. X. Übersicht über die am 31. Dezember 1920 bestehenden Niederlassungen.
XI. Aufgehobene Niederlassungen
Seite 223 - 238
Anmerkungen
Seite 239 - 259
------------------------
16
Erstes Buch.
Innere Geschichte der Genossenschaft.
Das Mutterhaus.
Erster Abschnitt.
Die Anfänge der Kongregation, ihr Werden und
Wachsen bis zum Tod der Stifterin (1849 - 1867).
Erstes Kapitel.
Die Stifterin. Jugend und Vorbereitungszeit.
Das prächtige Gleichnis vom Senfkörnlein, das sich zum weitästigen, mächtigen
Baume entwickelt, worunter der Gottessohn das erstaunliche Wachstum seiner aus so
geringen Anfängen gewordenen Kirche versinnbildet, kann man auch auf das Entstehen
und rasche wachsen der Kongregation der Niederbronner Schwestern anwenden. Aus
einem kleinen Samenkorn ist das Werk entstanden. Ein einfaches, ungebildetes
Bauernmädchen wählte Gott aus, um die Genossenschaft ins Leben zu rufen.
Wiederholt sich hier nicht die Geschichte so vieler kirchlicher und klösterlicher
Gründungen vergangener Jahrhunderte? Wie viele der großen Orden und
Kongregationen, aus denen der Menschheit unendlicher Segen erwuchs, sind so aus
kleinen, unscheinbaren Anfängen hervorgegangen!
Am 9. September 1814 wurde E l i s a b e t h E p p i n g e r in dem in einem Tal der
Vorvogesen reizend gelegenen Badestädtchen Niederbronn geboren als das älteste
Kind des Landwirts Georg Eppinger und seiner Ehefrau Barbara geb. Vogt. Die Familie
Eppinger war eine der ältesten ortseingesessenen katholischen Familien Niederbronns.
Frommer Sinn und kernige Biederkeit waren von jeher das Erbteil gewesen, das ein
Geschlecht dieses Hauses dem kommenden vermachte. Als Georg Eppinger am 12.
November 1861 das Zeitliche segnete, hinterließ er der trauernden Witwe die stattliche
Zahl von elf Kindern. Die Mutter selbst überlebte ihre älteste Tochter, deren Werk sie in
ungeahnter Weise gedeihen sah, um fast 14 Jahre. Sie ist als Neunzigjährige am 24.
Februar 1881 gestorben. Eine einfache, aber tiefreligiöse Frau von altem Schrot und
Korn, erzog sie ihre zahlreichen Kinder, deren Ernährung nur durch rastloses Arbeiten
auf dem nicht übermäßig ausgestatteten Hofgut bewerkstelligt werden konnte, in der
Furcht Gottes, getreu den alten Vätersitten, die im katholischen Elsaß auch die Stürme
der französischen Revolution überdauert hatten.
Am wenigsten Erziehungsarbeit machte ihr die Erstgeborene, wenn sie auch
durch ihre schwächliche Körperkonstitution stets ihr Sorgenkind geblieben ist. Was wir
im Leben aller hervorragenden und Großes leistenden Menschen feststellen können,
nämlich, daß sie schon von den ersten Tagen ihrer Jugend an Anzeichen der künftigen
Bedeutsamkeit an sich tragen, davon zeugt auch die Kindheits- und Jugendgeschichte
der Elisabeth Eppinger. Früh schon erregte sie Aufsehen durch eine geradezu
auffallende Hinneigung zu allem, was mit Gott und Religion zusammenhing. In ihrer
Lebensbeschreibung, die sie auf Befehl ihres Beichtvaters diesem in die Feder diktierte,
berichtet sie, daß, soweit ihre Erinnerung zurückreicht, sie ein merkwürdiges
Wohlgefallen an dem Englischen Gruße empfand, so oft sie ihn von den Eltern beten
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hörte. Im Alter von vier Jahren konnte sie das Vaterunser, den Englischen Gruß und
das Apostolische Glaubensbekenntnis beten. Das Aufsagen dieser Gebete, deren Sinn
dem Kinde verborgen war, bereitete diesem das größte Vergnügen. Erlauschte
Gespräche über das Leiden Christi entpreßten der Fünfjährigen bittere Tränen. Als sie
einmal, an einem Feldkreuz vorübergehend, die Mutter fragte, warum man den lieben
Heiland so gekreuzigt habe, gab die Mutter zur Antwort: "Dies, mein Kind, haben
unsere Sünden getan." Auf die weitere Frage, was denn Sünde sei, entgegnete die
Mutter: "Man begeht eine Sünde und beleidigt den lieben Gott, wenn man nicht mit
gefalteten Händen betet, wenn man beim Beten herumschaut, wenn man ungehorsam
ist, wenn man mit anderen Kindern sich zankt." Von da ab zeigte das Kind das
ernsteste Bestreben, alles das, was ihm der Mund der Mutter als sündhaft angegeben
hatte, zu meiden. Vom sechsten Jahre ab begann Elisabeth ihre Hauptfehler, Eigensinn
und Neigung zur Heftigkeit - Gebrechen, die sie noch in späteren Jahren belästigten sorgsam zu bekämpfen. Das Leben eines Heiligen, das sie vorlesen hörte, machte auf
sie nachhaltigen Eindruck. Heilig zu werden war von nun an ihr sehnlichster Wunsch.
Liebe zur Einsamkeit, öfteres Verschwinden, um an abgelegenem Orte zu beten, kleine
Abtötungen aus Liebe zum gekreuzigten Heilande, wie das Knien auf hartem Holz, eine
wachsende Vorliebe für die kirchlichen Gottesdienste, ein ernstes, sinnendes Wesen,
eine sichtliche Abneigung gegen all die kleinen Vergnügen, denen Kinder nachgehen:
alles dies ließ darauf schließen, daß Gott mit diesem Kinde besondere Absichten hege.
Als Elisabeth das schulpflichtige Alter erreicht hatte, schickten die Eltern sie in
die Elementarschule. Zeichen besonderer Begabung waren an dem Kinde nicht zu
bemerken. Für die gewöhnlichen Fächer des Lesens, Rechnens und Schreibens zeigte
sie wenig Interesse. Ja sie hat es in der letztgenannten Kunst so wenig weit gebracht,
daß sie auch in späteren Jahren nur ihren eigenen Namen schreiben konnte. Umso
lebhafter erregte der Religionsunterricht, den der treffliche Ortsschullehrer Christian
Fleck 1) erteilte, die kindliche, zu Gott hinneigende Seele. Vom zehnten Lebensjahre an
nahm sie, wie es damals bräuchlich war, an dem Katechismusunterricht des Pfarrers
David Reichard teil, der als Seelenführer und Mitbegründer ihres Werkes eine so
wichtige Rolle in ihrem Leben zu spielen berufen war. Von nun an wurde ihre Kenntnis
der Geheimnisse des Christentums immer vertiefter. Die Wahrheiten des Katechismus,
die der eifrige Seelsorger mit eindringender Wärme den kindlichen Zuhörern vortrug
und erklärte, öffneten der kleinen Elisabeth den Blick in eine neue, köstliche Welt, in die
sich weniger ihr Verstand als ihr reiches Gemüt versenkte. So wurzelte in einem Alter,
das gewöhnlich nur ganz an der Oberfläche des religiösen Lebens haften bleibt, das
Gefühlsleben der kleinen Elisabeth ganz in Gott und göttlichen Dingen. Ein klarer Drang
nach innerer Vollkommenheit trieb die Seele des Kindes vorwärts und ließ sie in den
Übungen des Gebetes und der kindlichen Tugenden ihre höchste Wonne finden.
Das zeigte sich besonders zur Zeit, wo sie zum erstenmal zum Tische des Herrn
ging. Sie war, der damaligen Gepflogenheit entsprechend, 14 Jahre alt. Mit einer
Sorgfalt und einem heiligen Ernst, der in ihrer Umgebung auffiel, hatte sie sich auf
diesen wichtigen Tag vorbereitet. Sie bemerkte darüber später gegenüber ihrem
Beichtvater: "Ohne es zu wissen, was es war, habe ich kurz vor der ersten heiligen
Kommunion oft geistlicherweise kommuniziert. Wo ich mich allein befand und von
anderen nicht bemerkt werden konnte, kniete ich nieder, hob meine Hände auf, öffnete
meinen Mund und ahmte hierdurch ganz jenen Personen nach, die ich recht andächtig
zur heiligen Kommunion hatte gehen sehen. Bei dieser Haltung betete ich innerlich: O
mein Jesus, wie will ich mich doch zur heiligen Kommunion vorbereiten! O mein lieber
Jesus, könnte ich doch mit rechter Andacht und Liebe vor dir knien! So oft ich von
diesem Gebete aufgestanden bin, so fühlte ich in meinem Innern einen großen Trost."
Daraus kann man schon die Andacht ermessen, die das Mädchen am feierlichen Tage
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selbst beseelen mußte. All das äußerliche Drum und Dran, die Teilnahme der
Verwandten, die übliche Festmahlzeit im Elternhause, waren ihrer ganz dem tiefen
Gefühl des Dankes hingegebenen Seele eine Qual. Acht Tage nach dem Feste bat
Elisabeth ihren Beichtvater um die Erlaubnis, ein zweites Mal kommunizieren zu dürfen.
Die kirchlichen Behörden waren in diesem Punkte noch nicht so freigebig wie heute. Da
Pfarrer Reichard dem üblichen Gebrauche nicht zuwiderhandeln, auch keinen
Ausnahmefall schaffen mochte, der ihm Ungelegenheiten bereiten konnte, gab er dem
Ansinnen Elisabeths nicht statt. Aber er ließ sich durch ihre dringenden Bitten doch
bewegen, ihr acht Tage später die heilige Kommunion zu gestatten. Schließlich durfte
sie alle acht Tage kommunizieren, und zuletzt erlaubte der Beichtvater, der sich dem
Drängen der von Sehnsucht und Liebe zum leidenden Heilande verzehrten Seele nicht
mehr widersetzen konnte, der heranwachsenden Jungfrau die tägliche Kommunion. Sie
kannte von jetzt an nur noch einen Wunsch, den Willen Gottes in allem zu erfüllen.
Kurze Zeit nach der ersten heiligen Kommunion hatte sie auch für eine bestimmte Zeit
vorläufig das Gelübde der Keuschheit in die Hände ihres Beichtvaters abgelegt.
So floß zwischen Gebet und Arbeit im Elternhause das Leben der Elisabeth
Eppinger bis zu ihrem 17. Lebensjahre dahin. Da führte sie Gott, der sie ausersehen
hatte, als Ordensstifterin zahlreiche Töchter dem geistlichen Leben zuzuführen, in die
harte Schule des Kreuzes. Hier sollte sie in ihren jungen Jahren vorbereitet, geläutert,
geprüft werden im Feuer schwerer Leiden. Hier wollte Christus sie tiefer einführen in die
Geheimnisse des inneren, gottseligen Lebens, damit sie später befähigt wäre, als
Erfahrene und Bewährte andere zu lehren und zu leiten. Noch ahnte sie nichts von der
Sendung, für die sie bestimmt war. Aber seit ihrem zwölften Lebensjahre glaubte sie
ihren künftigen Beruf schon zu kennen. Der Anblick vieler Ordensschwestern, die sich
in den Sommermonaten der Badekur halber in Niederbronn aufhielten, ließ in ihrer
Seele den Wunsch aufsteigen, dereinst selbst als Ordensfrau dem Herrn ihr Leben zu
weihen; sie hatte damals Gott innigst angefleht, ihr diese Gnade zuteil werden zu
lassen.
Aber eine in ihrem siebzehnten Lebensjahre auftretende Krankheit schien die
Erfüllung dieses Herzenswunsches in weite Ferne rücken zu wollen. Ein schweres
nervöses Leiden, das sie körperlich und seelisch in der empfindlichen Weise quälte,
warf sie auf ein dreijähriges Krankenlager. Es war eine überaus harte Zeit der Prüfung;
die Kranke aber ging siegreich daraus hervor. Jene ungewöhnliche Energie, die sie
später als Generaloberin ihrer Genossenschaft zu so glänzenden Erfolgen führte, ließ in
dieser schweren Krise, die dem behandelten Arzte Anlaß zu den ernstesten
Besorgnissen gab, ihren Geist über den schwachen Leib siegen; wider Erwartung
erholte sie sich endlich. Als eine innerlich Gekräftigte, durch das starkmütig erduldete
Leiden von Gott mit reichen Erfahrungen auf dem Gebiete des inneren Lebens
Beschenkte schritt sie ihren Lebenspfad weiter, indem sie sich ganz der göttlichen
Vorsehung und der Leitung des frommen Pfarrers Reichard überließ, dessen
Weisungen sie als den Willen Gottes ansah.
Freilich blieb auch nach der Genesung ihr Körper schwach, daß sie nicht daran
denken konnte, ihren Lieblingsplan auszuführen. Welche Genossenschaft hätte auch
die zu jeder ausdauernden Arbeit Untaugliche aufgenommen? Dazu kam, daß nach
wenigen Jahren eine chronische Luftröhrenentzündung bei ihr sich einstellte, die so
hartnäckig allen ärztlichen Mitteln trotzte, daß man die Kranke schon für schwindsüchtig
hielt. Öfteres Blutspucken konnte die Angehörigen nur in dieser Befürchtung bestärken.
1841 wurde sie wieder für eineinhalb Jahre ans Krankenbett gefesselt; eine dritte
schwere Erkrankung, in der sich die Erscheinungen der ersten wiederholten und
verstärkten, warf sie im Jahre 1845 abermals aufs Leidenslager, von dem sie sich vier
Jahre nicht mehr erhob. Als sie es im Jahre 1849 endlich verlassen konnte, hatte sie
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der Herr, der alle diese Leiden über sie verhängt hatte, für reif befunden, ihr Werk zu
beginnen.
Während dieser letzten Schmerzensjahre waren in ihrem inneren und äußeren
Leben große Veränderungen vorgegangen, die ihren Namen weit über die Grenzen
bekannt machten. Schon nach ihrer ersten Krankheit war die große Veränderung im
ganzen Wesen der Kranken ihrer Umgebung aufgefallen. Die Gnadenwirkungen der
Leidenszeit prägten sich in ihrer ganzen Persönlichkeit in merkbarer Weise aus.
Fromme, gleichaltrige Mädchen fühlten sich zu Elisabeth Eppinger hingezogen, da sie
aus dem Verkehr mit ihr reichen religiösen Gewinn zogen. Das Band des dritten Ordens
des hl. Franziskus umschlang die Gleichgesinnten, die ihre erleuchtete Führerin nur
"die Geistige" nannten. Die folgenden Krankheitsjahre, die Einsamkeit der
Krankenstube, die schlaflosen Nächte, die körperliche Gefühlsüberreizung, der ständige
Verkehr der weltabgewandten Seele mit Gott, die zur zweiten Gewohnheit gewordene
Übung des innerlichen Gebetes brachten die Kranke schließlich in jene eigentümlichen
Zustände, die für den Kenner der christlichen Mystik nichts Neues und Überraschendes
sind. Wie so viele von Gott begnadigte Geschlechtsgenossinnen in alter und neuerer
Zeit glaubte auch Elisabeth Eppinger, in Augenblicken der Weltentrückung von
Christus, den ihre Seele sich längst zum Bräutigam erkoren hatte, des direkten
Verkehrs gewürdigt zu werden, Weisungen von ihm zu bekommen, die sich auf ihr
eigenes und anderer Seelenheil bezogen, ja sogar die Einsicht in zukünftige,
bedeutsame Geschehnisse zu erhalten.
Der Beginn dieser neuen Entwicklung ihres seelischen Lebens setzt im März
1846 ein; sie wurde, wie überhaupt der ganze Verlauf dieser merkwürdigen
Seelengeschichte, aufs genaueste von dem Beichtvater der Kranken, dem Pfarrer
David Reichard, verfolgt. Da von nun an das Leben dieses Mannes, der beim Werke
der Kongregationsgründung getreulich mithalf, aufs engste mit dem Schicksal und der
Führung Elisabeth Eppingers verbunden erscheint, müssen wir ihm vorerst einige
Aufmerksamkeit widmen.
Johann David Reichard wurde am 17. Oktober 1796 zu Wasselnheim im untern
Elsaß geboren. Sein Vater Johann Georg, seines Gewerbes ein Gerber, hatte eine
Protestantin geheiratet. Doch diese legte ihrem Sohne, der sich unter der Leitung des
eifrigen Pfarrvikars Jakob Geiß für den Priesterstand vorbereitete, keinerlei Hindernis in
den Weg. Im Jahre 1819 empfing Reichard die heilige Priesterweihe und wurde als
Vikar der altehrwürdigen, bis in die Zeiten der Hohenstaufen hinaufreichenden St.
Georgs-Pfarrei der Stadt Hagenau zugewiesen. Er hatte das Glück, durch den
vortrefflichen, im ganzen Elsaß hoch angesehenen Pfarrer Felix Karl Poinsignon (gest.
1830) in die Seelsorge eingeführt zu werden. Das war für ihn eine vorzügliche Schule
pastoraler Praxis und priesterlicher Selbstvervollkommnung. Alljährlich zog er sich nach
dem nahe liegenden altberühmten Wallfahrtsorte Mariental zurück, um hier einige Tage
in der Einsamkeit geistlichen Übungen obzuliegen. Seine erfolgreiche Tätigkeit in
Hagenau bewog die bischöfliche Behörde, ihm schon nach vier Jahren die schwierige
Pfarrei Niederbronn anzuvertrauen.
Am 20. Januar 1823 trat er den verantwortungsvollen Posten an. Seit dem 16.
Jahrhundert war David Reichard der zweite katholische Pfarrer Niederbronns. Zur Zeit
der Glaubensspaltung hatten die Herren von Hanau-Lichtenberg Niederbronn
gewaltsam der neuen Lehre zugeführt. Erst nach dem Dreißigjährigen Kriege und der
Besetzung des Elsasses durch die Franzosen siedelten sich allmählich wieder einige
Katholiken in Niederbronn an. Im Jahre 1780 wurde Niederbronn eine selbständige
katholische Pfarrei, deren erster Pfarrer Anton Heinrich Eberle, nachdem er während
der Revolutionswirren das harte Brot der Verbannung gegessen hatte, am 20.
Dezember 1822 im 72. Lebensjahr starb. Sein Nachfolger Reichard übernahm keine
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leichte Erbschaft. Die Arbeit in der konfessionell gemischten Gemeinde 2) war schwierig.
Aber Reichard war, wie ihm ein ehrenvoller Nachruf bei seinem Tode nachrühmt, als
Seelsorger "fromm, bescheiden, klug, wachsam, tätig, fest und im Besitz einer Menge
von Kenntnissen, die ihn befähigen, jedem Gegner standzuhalten". Er erteilte den
Gläubigen im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse einen klaren und gründlichen
Unterricht in der katholischen Lehre, ohne aber die Andersgläubigen zu verletzen.
Tolerant im guten Sinne - als Sohn einer protestantischen Mutter wußte er die
Überzeugung Andersdenkender zu achten -, hat er doch fest und entschieden die
Rechte seiner Kirche gewahrt, so namentlich, als er im Jahre 1838 mit Erfolg Einspruch
erhob gegen eine Maßnahme des Bürgermeisters Eugen von Dietrich, der entgegen der
bisherigen Übung für Katholiken und Protestanten einen gemeinsam zu benutzenden
Friedhof vorschrieb. Unter Reichards mustergültiger Leitung blühte das religiöse Leben
in der Pfarrei, die, durch königliche Verfügung im Jahre 1828 zum Rang einer Pfarrei
zweiter Klasse erhoben worden war, rasch auf. Nicht wenig trug dazu auch das
exemplarische Tugendleben des Pfarrers bei. Nichts kennzeichnet das Leben dieses
braven Seelenhirten besser als seine Tagesordnung, an die er sich strenge hielt. Im
Sommer stand er um 4 Uhr, im Winter um 1/2 5 Uhr auf; dann widmete er eine ganze
Stunde der Betrachtung, als deren Lieblingsgegenstand er das Leiden Christi zu wählen
pflegte. Nach der heiligen Messe verharrte er eine halbe Stunde im Dankgebet. Vor den
Krankenbesuchen und anderen geschäftlichen Gängen pflegte er nachmittags eine
halbe Stunde das heilige Altarsakrament zu besuchen. Aus der heiligen Schrift las er
täglich kniend einen Abschnitt, und vor dem Schlafengehen bereitete er die
Morgenbetrachtung vor und las das Leben des Tagesheiligen.
Ein Mann von dieser Geistesverfassung war wohl in der Lage, einer nach der
christlichen Vollendung ringenden Seele als Ratgeber zu dienen. Elisabeth Eppinger
hätte sich keinen trefflicheren Beichtvater wünschen können. Seit ihrem neunten
Lebensjahre hatte er sie sorgfältig auf dem Weg der Tugend geleitet, hatte in den
trüben Tagen der Krankheit sie aufgemuntert und war stets Zeuge gewesen, wie sie
unter dem Einfluß der göttlichen Gnade ihre Seele immer mehr von den Fesseln
irdischer Dinge befreite. Als nun seit dem Jahre 1846 die Kranke ihn zum Mitwisser
außerordentlicher Gnadengaben machte, zweifelte der Beichtvater keinen Augenblick
daran, daß er es mit einer Auserwählten zu tun habe, die zu bedeutenden Dingen
berufen sei.
Es ist hier nicht der Ort, eine Untersuchung darüber anzustellen, inwieweit es
sich bei diesen Äußerungen eines hoch entwickelten religiösen Seelenlebens um
Tatsachen handelt, die auf direkte übernatürliche Ursachen zurückzuführen sind, oder
ob die gemeldeten Ereignisse - Vorhersagen zukünftiger Begebenheiten, Mitteilungen
Gottes, Offenbarungen verborgener Dinge aus dem Leben einzelner Menschen - eine
andere Erklärungsweise zulassen. Das wäre, da eine eingehende Untersuchung
seitens der obersten kirchlichen Behörde seinerzeit nicht vorgenommen wurde und es
infolgedessen an durchaus einwandfreiem, zur allgemeinen Klärung der Frage
unbedingt nötigem Materiale fehlt 3), nicht möglich. Dies liegt daher auch außerhalb des
Rahmens dieser Arbeit, die sich nur mit der Geschichte der Kongregation zu befassen
hat. Die Lösung dieser Frage ist für unsere Aufgabe auch von geringem Belang; von
jeher hat die Kirche die Heiligkeit ihrer auserwählten Diener nie von außergewöhnlichen
Gnadengaben abhängig gemacht, sondern von dem Grade ihres Tugendlebens. Wir
mußten aber diese Dinge streifen, weil durch sie Elisabeth Eppingers Name damals
außerordentlich weit bekannt wurde. Diesem weitverbreiteten Rufe hoher
Gnadenerweise ihrer Stifterin hatte die neugegründete Kongregation nicht zum
wenigsten den wunderbar raschen Aufschwung zu danken. Vielleicht bediente sich die
göttliche Vorsehung, deren Wege unerforschlich sind, gerade dieses Mittels, um der
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neuen zeitgemäßen Gründung ein schnelles Wachstum zu sichern. Es fehlte nicht an
Zeitgenossen, namentlich unter dem elsässischen Klerus, welche Pfarrer Reichard der
Unklugheit bezichtigten, daß er von diesen Vorgängen Kunde in die Öffentlichkeit
gelangen ließ. Das geschah allerdings nicht gleich; aber durch vertrauliche Mitteilungen
gegenüber befreundeten Mitbrüdern sickerte doch manches durch und drang zuerst in
die nähere, dann durch die Niederbronner Badegäste in die weitere Umgebung.
Schließlich sah sich Reichard veranlaßt, da die Dinge nicht mehr verschwiegen werden
konnten, Mitte Dezember 1847 dem damaligen Straßburger Oberhirten Mitteilung davon
zu machen.
Dieser Oberhirt war der durch sein früheres segensreiches Wirken in der Diözese
Mainz und seine großen Verdienste um das Wiedererwachen katholischen Lebens in
Deutschland auch jenseits der Rheingrenze hochgeschätzte Bischof Dr. Andreas Räß
4). Es war für die Zukunft Elisabeths und für die bald erfolgte Kongregationsgründung
von entscheidender Bedeutung, daß Räß von Anfang an die Sache der Niederbronner
Kranken zu der Seinigen machte und sich rückhaltlos auf ihre und ihres Beichtvaters
Seite stellte. Er forderte Reichard auf, ihm in der Folgezeit in regelmäßigen
Zeitabständen genauen und eingehenden Bericht über die weiteren Schicksale der
Kranken zu geben, ihm ausführlich von ihrem seelischen Zustand und dessen
außergewöhnlichen Erscheinungen zu berichten. Ende Juli 1848 begab sich Räß selbst
drei Tage nach Niederbronn, um Elisabeth einer eingehenden Prüfung zu unterziehen.
Diese Prüfung fiel äußerst vorteilhaft aus für die Kranke. Räß bewunderte in ihr eine
hochbegnadigte Seele von lauterster Gesinnung und bestem Glauben, die über jeden
Verdacht eines Betruges erhaben sei. Der Besuch des Bischofs und seine hohe
Befriedigung über alles, was er sah und hörte, machten auf das Publikum einen
günstigen Eindruck, wie Reichard am 30. Juli melden konnte. Es war klar, daß dadurch
Elisabeths Ruf mächtig wuchs 5).
Es gab freilich in geistlichen Kreisen damals auch Beurteiler, die in der
Offenbarung zukünftiger Dinge, welche namentlich den Papst Pius IX. und das
Eintreffen der Pariser Februarrevolution betrafen, keine Äußerungen höherer Mächte
erblickten, überhaupt diesen Äußerungen des Seelenlebens Elisabeths zweifelnd
gegenüberstanden, aber dabei doch dem reichen Tugendleben der Kranken und ihren
merkwürdigen Fähigkeiten Gerechtigkeit widerfahren ließen. So spricht sich einer,
nachdem er in der angedeuteten Richtung sich geäußert und vor einem vorschnellen
Urteil sowohl im zustimmenden als im absprechenden Sinne gewarnt hat, in folgender
lehrreicher Weise aus: "Die Erkenntnis des Innern des Menschen, die Wertschätzung
der Geister, den moralischen Gehalt vieler scheint sie auffallend richtig zu bestimmen;
ihr Eindruck ist wohltätig, und keiner, sagt man, verläßt sie, ohne tief ergriffen zu sein
und heilsame Entschlüsse fürs Leben zu fassen. Sie scheint unter die Zahl der natürlich
(nicht mechanisch) nach und nach zur Ekstase Gekommenen zu gehören; ihre ganze
Geistes- und Lebensrichtung, verbunden mit hohen Gnaden als Lohn ihrer reinen
Gottseligkeit, verbunden auch mit einer hinfälligen Körperbeschaffenheit, war dieser
Entwicklung günstig." Dieser Kritiker steht trotz seiner Zurückhaltung nicht an, in
Elisabeth Eppinger eine Person zu erblicken, mit der Gott besondere Absichten habe,
und ihr den Beruf zuzusprechen, "individuell wohltätig auf jene ihrer Zeitgenossen zu
wirken, die den Vorteil haben, ihr zu nahen" 6).
Diese Zeitgenossen nahten in großer Anzahl. Man muß dabei auch in Betracht
ziehen, daß gerade jene Zeit, reich an politischen Ereignissen, welche die Geister in
den Zustand großer Erregung versetzten, dem Wunderbaren, Geheimnisvollen eine
besondere Aufmerksamkeit entgegenbrachte. Die politischen Umwälzungen in Italien,
Frankreich, Deutschland und Österreich, das Unsichere der Zeitlage, die allenthalben
zutage getretene Entfesselung religions- und kirchenfeindlicher Triebe, alles dies
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drängte die besser Gesinnten und Nachdenklichen zu Gott hin. Es erscheint wohl mehr
als ein Zufall, daß gerade in den vierziger Jahren eine ganze Reihe gottbegnadeter
Persönlichkeiten die heilsbedürftigen Zeitgenossen an das Walten übernatürlicher
Mächte erinnerte, die in der allgemeinen Not der Zeit allein den sicheren Weg für den
einzelnen und für ganze Völker weisen konnten 7). So erklärt sich auch der große Zulauf
von trostbedürftigen, leidenden und zweifelnden Menschen, die sich seit 1847 um das
Krankenbett Elisabeth Eppingers drängten.
Damit unter diesem Andrang ihr inneres Leben keinen Schaden litte, schrieb ihr
der Beichtvater eine feste Tagesordnung vor. Täglich empfing sie morgens um 6 Uhr
die heilige Kommunion in Gegenwart vieler Personen, die der Erbauung halber diesem
frommen Schauspiel beiwohnen wollten. Danach betet Reichard mit ihr die Litanei des
hl. Alphons von Liguori, zu dem die Kranke eine besondere Verehrung hegte, und
einige Vater unser für Bischof Räß und seine Diözese. Dann verbrachte sie die Zeit bis
8 Uhr in Stillschweigen und innerer Sammlung, nach 8 Uhr verrichtete der Beichtvater
mit ihr einige Gebete und nahm die Offenbarung ihres inneren Zustandes entgegen und
der Gnaden, die sie empfangen zu haben vorgab. Er empfahl dann ihrem frommen
Gebete die Anliegen der zahlreichen Personen, die sie in geistlicher und leiblicher Not
um ihre Fürbitte bei Gott angingen. Von 1/2 10 Uhr bis Mittag hörte sie die zahlreichen
Besucher an. Von Mittag bis 1 Uhr war ihr Stillschweigen auferlegt. Dann empfing sie
bis gegen 1/2 5 Uhr wiederum Besuche, worauf der Beichtvater mit ihr fünf Vater unser
und die Litanei des heiligen Namens Jesu betete für die Personen, die sich ihrem Gebet
empfohlen hatten; sie gab ihm hierauf Rechenschaft über das, was tagsüber vorging,
über die Gespräche mit den Besuchern, die Ratschläge, die sie ihnen erteilte; all das
nahm etwa zwei Stunden in Anspruch; von jetzt an durfte sie nur noch Frauen
empfangen bis 9 Uhr.
In den drei Jahren vor der Gründung der Kongregation erschienen täglich oft 80
bis 90 Personen in dem Krankenzimmer Elisabeths. Im Jahre 1848 zählte man allein
600 Geistliche, von denen die große Mehrzahl wohl dem Drange beruflicher Neugierde
folgte. Es gab unter ihnen auch manche, die sich sehr mißbilligend über diese
fortwährenden Besuche aussprachen, welche dem religiösen Innenleben, vor allem der
Demut der begnadigten Person nicht förderlich sein könnten. So hatte schon im
Oktober 1848 der Profeßor der Dogmatik am Straßburger Priesterseminar, Dietrich 8),
welchem Bischof Räß mit der theologischen Untersuchung der Niederbronner Vorgänge
betraut hatte 9), den Pfarrer aufgefordert, den Empfang dieser Besuche seinem
Beichtkinde ganz zu verbieten. Allein der begonnene Zulauf war nicht mehr zu
hemmen. Nicht nur aus dem Elsaß strömte die Menge herbei. Unterm 7. Dezember
1848 berichtet Reichard seinem Bischof, daß alle Augenblicke Personen aus den
entferntesten Gegenden Frankreichs ankämen, um die Leidende in ihren Anliegen um
Rat zu bitten. Er müsse, da Elisabeth der französischen Sprache nicht mächtig sei, als
Dolmetscher dienen; auch kämen zahlreiche briefliche Anfragen. Reichard bat daher
den Bischof, da ihm die Erledigung dieser Dinge viel Zeit raubte, um einen Vikar für die
Seelsorge.
Für die Verbreitung des gottseligen Rufes Elisabeths im Innern Frankreichs
sorgte auch einer ihrer begeisterten Verehrer, der im nahen Reichshofen ansässige
Vicomte Theodor Renouard de Bussierre 10). Der tiefreligiöse Edelmann war von Anfang
an ein treuer Anhänger der Niederbronner Kranken und ist in den Kreisen des
französischen Adels eifrig für sie eingetreten. Seine Briefe über die Niederbronner
Vorgänge gingen von Hand zu Hand; durch sie wurde auch der Erzbischof von Tours
veranlaßt, unterm 20. Januar 1849 bei Bischof Räß nähere Erkundigungen einzuziehen.
Am 18. Februar 1850 teilt der Bischof von Nantes dem Straßburger Oberhirten mit, daß
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ein junger Offizier aus einer vornehmen christlichen Familie, der ungläubig geworden
sei, sich bei Elisabeth Eppinger seinen Glauben holen wolle.
Man sieht, wie groß bereits der Ruf ist, in dem sie steht. Eine ganze Reihe von
Berichten über merkwürdige Bekehrungen lag dem Verfasser vor. Nur ein Beispiel aus
vielen sei herausgegriffen, weil dadurch die Macht der Persönlichkeit Elisabeths und
ihres religiösen Einflusses auf andere am besten bezeugt wird. Zwei vornehme
Franzosen besuchen sie im Sommer 1850. Pfarrer Reichard vermittelte die
Unterhaltung. Der eine, ganz ungläubig und fanatischer Religionsspötter, wollte sie aus
reiner Neugierde über seine Zukunft befragen. Elisabeth gab Reichard auf dieses
Ansinnen hin zur Antwort: "Sagen sie diesem Herrn, daß die Zukunft nicht in seiner
Gewalt ist, er soll sich darum nicht kümmern, er soll für die Gegenwart sorgen und sein
Gewissen in Ordnung bringen." Diese Antwort machte auf den Fragesteller einen
solchen Eindruck, daß er noch am selben Tage bei Reichard seine Beichte ablegte,
nachdem er 25 Jahre lang allen kirchlichen Übungen ferngeblieben war. Auch der
zweite wurde durch Elisabeths Worte und die eigentümliche Macht ihrer ganzen
Erscheinung zu Tränen gerührt und ging nach achtzehnjähriger Unterbrechung wieder
zu den Sakramenten 11).
Auch leibliche Anliegen empfahl man ihr. Aus den fernsten Gegenden kamen
Briefe an sie oder auch an Räß, welche ihr Gebet erflehten. Erwähnt sei hier nur, daß
im Juni 1861 der westpreußische Pfarrer Lomnitz aus seinem im Kreise Schwetz
gelegenen Dorfe Sewck die weite Reise nach Niederbronn machte, um, wie er schreibt
"der dortigen, im Rufe hoher Heiligkeit stehenden Generaloberin des neuen Ordens der
Töchter des göttlichen Erlösers, Maria Alphons Eppinger, deren frommen Gebete ich
1855 meine nie mehr erhoffte vollständige Genesung von der wahrhaft
lebensgefährlichen, tödlichen Brustkrankheit verdanke, meine Erkenntnis oder vielmehr
Dankbarkeit persönlich zu bezeigen" 12). Und setzt es uns nicht in Erstaunen, wenn wir
hören, daß selbst der berühmte französische Dichter Lamartine, der damals nicht mehr
auf strenggläubigen Boden stand, sich Anfang 1850 dem Gebete Elisabeths empfehlen
ließ? 13) Lamartine hatte durch seine Nichte Kenntnis erhalten von dem Dasein und
stillen Wirken der Niederbronner Dulderin.
Ihr hatte nämlich der seeleneifrige Vikar Reichards, Lienhart, zwei Schriften
übersandt, die im Jahre 1849 erschienen waren und sich in ausführlicher Weise mit der
Persönlichkeit und religiösen Verfassung Elisabeths befaßten. Mehr noch als die bisher
genannten Personen haben diese Schriften den Namen des Niederbronner
Bauernmädchens in aller Mund gebracht. Der Verfasser dieser Schriften war der
seinerzeit wohlgeschätzte Abbé Claude Ignace Busson aus Besancon, der langjährige
Hofkaplan des Königs Karl X., der nach der Julirevolution des Jahres 1830 der
königlichen Familie in die Verbannung nach Holy-Rood in Schottland folgte, um dort die
Prinzessin Luise, deren Religionslehrer er gewesen war, zur ersten heiligen
Kommunion vorzubereiten. Nach der Feier kehrte er im März 1831 nach Frankreich
zurück und übernahm in seiner Heimatdiözese zunächst eine Pfarrei, dann die Leitung
einer Taubstummenanstalt und verschiedener anderer Werke. Daneben war er noch
schriftstellerisch sehr tätig. Zur Kräftigung seiner durch zu strenges Arbeiten
geschwächten Gesundheit mußte er auf Befehl der Ärzte sich einer Badekur in
Niederbronn unterziehen 14). Hier wohnte er bei Pfarrer Reichard und hatte so
Gelegenheit, mit der Person und Lebensweise der Elisabeth Eppinger genau bekannt
zu werden. Auch auf ihn machte sie einen tiefen Eindruck, und wie Bischof Räß und
zahlreiche Besucher erblickte auch er in ihr ein begnadigtes Werkzeug der göttlichen
Vorsehung. Zwischen 1849 und 1853 veröffentlichte er seine " B r i e f e ü b e r d i e
E k s t a t i s c h e v o n N i e d e r b r o n n " , deren erste Reihe im Jahre 1849 auch ins
Deutsche übersetzt wurde. Diese deutsche Übersetzung trug den Ruf ihrer Tugenden
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auch in die deutschen Gaue, und so versteht man, daß gleich von Anfang an der neuen
Kongregation Mitglieder aus Baden, Hessen, Bayern, Tirol und Österreich zuströmten
15).
So glänzend diese Briefe auch geschrieben sind, so sehr mahnen sie den kritisch
veranlagten Leser zur Vorsicht; man hat immer und immer wieder den Eindruck, daß
der wohlmeinende, geistvolle und fromme Schreiber zu viel von seinem eigenen
Denken und Meinen in seine Feder fließen läßt, daß er die schlichten, sich oft
wiederholenden, durchaus nicht den Stempel besonderer Originalität tragenden
Herzensergüsse der Kranken in ein erborgtes, bestechendes Gewand kleidet 16). Darum
wundert es einen nicht, wenn neben zahlreichen begeisternden Anhängern - wie die
rasch aufeinander folgenden Auflagen beweisen - Bussons Schriften auch Widersacher
fanden, unter denen der Bischof von La Rochelle einer der heftigsten war. Ja auch die
höchste kirchliche Behörde, Papst Pius IX., der von Anfang an den Niederbronner
Ereignissen, soweit sie seine eigene Persönlichkeit berührten, mit Spannung gefolgt
war, da er durch die Fürstin Borghese 17) davon unterrichtet wurde, hat die
Veröffentlichungen des Abbé Busson nicht mit Freude begrüßt und gerügt, daß sie
ohne die übliche kirchliche Erklärung erschienen seien. Er hat durch die Pariser
Nuntiatur seine Eindrücke dem Bischof von Straßburg übermitteln lassen und diesen
wegen seines klugen Verhaltens in der ganzen, die Öffentlichkeit so sehr
beschäftigenden Angelegenheit belobt, dabei allerdings auch einen leisen Tadel
ausgesprochen, daß man, wie er erfahren hätte, zuviel Besuchern zu Elisabeth Zutritt
gewähre 18).
Doch wir sind, indem wir bei den geschilderten Vorgängen verweilten, bereits
etwas vorausgeeilt. Denn mittlerweile war das Lebenswerk, zu dem Elisabeth sich
berufen fühlte, bereits Wirklichkeit geworden. Bescheidene Anfänge versprechen schon
ein zukünftiges, reiches Blühen.
Zweites Kapitel.
Die Gründung der Kongregation. Erfolge und Schwierigkeiten.
Seit ihrem zwölften Lebensjahre hegte, wie wir gesehen haben, Elisabeth
Eppinger den sehnlichsten Wunsch, als Ordensschwester dem Herrn und der
Menschheit zu dienen. Ihre Krankheiten ließen die Erfüllung dieses Wunsches als
unerfüllbar erscheinen. Da seit der Mitte des Jahres 1848 die vielen von dem Rufe ihrer
Frömmigkeit angezogenen Besucher sie belästigten, bat sie trotz ihres Krankheitszustandes um Aufnahme in die Kongregation der Schulschwestern von der
göttlichen Vorsehung zu Rappoltsweiler im Oberelsaß 19). Der damalige Superior der
Genossenschaft, Bacher, trug kein Bedenken, Elisabeth ungeachtet ihres vorgerückten
Alters und der voraussichtlichen Unfähigkeit, sich entsprechend dem Zweck der
Lehrkongregation betätigen zu können, eine zusagende Antwort zu geben. "Die
Schwestern", so schrieb er an Pfarrer Reichard am 15. August 1848, "fühlen sich
glücklich, sie bald mit dem süßen Namen Mitschwester begrüßen zu dürfen. Ich habe
den Namen, den sie tragen soll, eigenhändig eingeschrieben, nämlich Schwester Maria
Alphonsa Liguori. Ich habe mit dem hochwürdigen Herrn Bischof davon gesprochen,
der seine Einwilligung geben wird, sobald es sicher ist, ob es Gottes Wille sei, daß die
Kranke Schwester der göttlichen Vorsehung werde. Dies ist zwischen Ihnen und der
Kranken auszumachen, mit nachfolgender Genehmigung des Bischofs." 20) Vorerst, bis
diese Genehmigung einträfe, ließ das Rappoltsweiler Mutterhaus auf eigene Kosten für
25
die Kranke über dem Schuppen ihrer väterlichen Wohnung zwei eigene Zimmer
einrichten, weil durch die vielen Besuche die Eltern in ihrer nicht sehr geräumigen
Wohnung gestört wurden. So war tatsächlich Elisabeth Novizin der
Vorsehungsschwestern geworden. Superior Bacher wartete nur auf die Einwilligung des
Bischofs, um nach Niederbronn zu reisen und der Kranken das Ordenskleid zu
überreichen. "Ich bin überzeugt", schreibt er unterm 20. August dem Pfarrer von
Niederbronn, "daß der Eintritt der Schwester Maria Alphonsa in unserer
Genossenschaft einen guten Eindruck auf unsere Schwestern machen wird. Diese
Profeß wird nicht im mindesten den Einfluß hemmen, den diese Person auf andere
Kongregationen, auf Priester und Laien ausübt."
Aber die Vorsehung hatte bereits anders entschieden. Denn zwei Tage vor
diesem Schreiben hatte Bischof Räß brieflich 21) Pfarrer Reichard die Einwilligung zu
diesem Plane versagt. Räß meinte, daß durch den Eintritt in eine bestimmte
bestehende Genossenschaft der wohltätige Einfluß, den die Kranke bis jetzt auf weite
Kreise ausgeübt hätte, eine beträchtliche Hemmung erfahren würde. Diesen Einfluß
wolle er der Allgemeinheit gewahrt wissen, man solle in dieser Sache abwarten und
nichts übereilen.
Bis zu dieser Zeit also dachte Elisabeth in keiner Weise daran, etwa einen neuen
Orden zu gründen. Erst in den folgenden Septembertagen kam sie infolge innerer
Erleuchtung zu diesem folgenschweren Entschlusse. Im Verlauf des ausgehenden
Jahres 1848, das so viel Jammer und Not über die Völker Europas ausschüttete, nahm
dieser Plan stets klarere und bestimmtere Gestalt an. Ihr Beichtvater Reichard, der von
allen Einzelheiten des sicher heranreifenden, von der Gnade Gottes geleiteten
Entschlusses unterrichtet war, erblickte darin endlich das Feld der Tätigkeit, das die
Vorsehung endgültig nach langen Leidens- und Prüfungsjahren für Elisabeth bestimmt
hatte. Noch wußte die Öffentlichkeit nichts davon. In aller Stille und Bedächtigkeit
mußte der große Gedanke der Verwirklichung entgegenwachsen.
Aber bereits betrachtete sich die Kranke als erstes Mitglied der zu gründenden
Genossenschaft, fühlte gewissermaßen schon die Pflichten, die sie ihr auferlegte. Am
20. Dezember 1848 legte sie mit Zustimmung Reichards folgende Gelübde ab, die zum
Teil bloß erneuert wurden: 1. Das Gelübde der ewigen Keuschheit. 2. Das Gelübde des
Gehorsams gegen den Beichtvater als ihren geistlichen Führer, zugleich schon als ihren
Obern. 3. Das Gelübde der Armut: nämlich nicht mehr zu besitzen, als was zu ihren
Lebensbedürfnissen notwendig sei, und dies nur mit Wissen und Gutheißen des
Beichtvaters; alles Überflüssige ist für die Ehre Gottes und für die Armen zu verwenden
nach Gutdünken desselben. 4. Das Gelübde, niemand als dem Beichtvater, auch
keinen anderen Geistlichen, etwas von inneren Leiden zu reden, um Trost zu suchen. 5.
Das Gelübde, niemand als den Beichtvater und nur mit dessen Erlaubnis dem Arzte von
körperlichen Leiden zu sprechen. 6. Das Gelübde, zur Stärkung und Nahrung des
Leibes nichts zu nehmen, als was der Beichtvater gestattet. 7. Das Gelübde, dem
Beichtvater ohne Rückhalt alles zu offenbaren, was das innere, geistliche Leben betrifft.
8. Das Gelübde, mit anderen Personen nur von Gott oder von solchen Dingen sich zu
unterhalten, die das Seelenheil jener betreffen. 9. Das Gelübde, nicht anzufragen, ob
die durch Gott ihr mitgeteilten Gnaden bei andern Gutes wirken oder ob sie
Widerspruch erregen.
Mit Ausnahme des erstgenannten Gelöbnisses behielt sich der Beichtvater vor,
diese Gelübde aufzuheben oder abzuändern.
Bereits hatten Elisabeth und Reichard alle Einzelheiten der Neugründung
festgestellt und überdacht. Am 22. Januar 1849 konnte der Pfarrer seinem Bischof die
Konstitutionen schicken und um deren Approbation bitten. Bischof Räß, der sofort den
Plan Elisabeths als dem Willen Gottes entsprechend ansah, stand dem Unternehmen
26
mit freudigem Wohlwollen gegenüber. Aber er übereilte nichts. Sorgfältig prüfte er die
Satzungen des neuen Instituts und gab verschiedene Verbesserungen an. Am 2. April
sandte Reichard die verbesserte Arbeit ein und bat den Bischof abermals, die Statuten
bald zu approbieren, den Superior zu ernennen, diesen zu ermächtigen, die Stiftung zu
errichten, der Kranken das Kleid zu geben und ein Haus in Niederbronn zu erwerben.
Die etwa vorhandenen Bedenken des Bischofs zerstreute er mit dem Hinweis auf die
göttliche Vorsehung, welche die neue Genossenschaft ins Leben rufe und auch für
ihren Fortbestand und Unterhalt in wunderbarer Weise sorgen werde. So groß war das
Gottvertrauen des frommen Pfarrers, daß er sich ohne Bedenken auf die göttliche
Providenz verließ. Dieses Gottvertrauen, einer der rührendsten Züge im Charakter des
braven Mannes, der uns noch öfter begegnen wird, wurde reichlich belohnt. Einstweilen
konnte er Räß die Mitteilung machen, daß schon eine große Anzahl von Personen sich
zum Eintritt gemeldet hätte. Einige von ihnen wären vermögend und würden die Mittel
zur Errichtung des Mutterhauses liefern. Das war immerhin schon etwas. Zudem war
der Pfarrer, um sich ganz dem neuen Werke mit ungeteilter Liebe widmen zu können,
von der Seelsorge entlastet worden durch die Sendung eines zweiten Vikars, der Ende
März 1849 ankam. Dies war der fromme, mehr eifrige als kluge Georg Theobald
Lienhart, der in der Folgezeit der neuen Stiftung durch reichliche Zuwendung aus
seinem Privatvermögen ein großer Wohltäter wurde.
Doch welcher Art war nun die neue Genossenschaft, die Elisabeth Eppinger mit
Gottes Hilfe ins Leben zu rufe gedachte? In Anbetracht ihrer geringen Bildung und des
Mangels an Welterfahrung - sie war kaum aus ihrem Heimatort hinausgekommen müßten wir uns ehrlich wundern, daß in dieser Seele ein so vortrefflicher,
wohldurchdachter, den Zeitbedürfnissen aufs höchste entgegenkommender Plan
entstand, wenn wir nicht ihr ganzes, von der Gnade so bevorzugtes Innenleben
kännten. Nur eine von Liebe zu Gott und zur leidenden, verlassenen Menschheit
glühende Seele, die selbst im Feuerofen des Leidens reichlich geprüft worden war,
konnte den Gedanken zu einem so gearteten Werke fassen.
„Orden der Töchter des göttlichen Erlösers zur Ve rpflegung
armer Kranken und Unterstützung anderer Armen, erri chtet zu
Ehren des göttlichen Herzens Jesu und des heiligsten und
unbefleckten Herzens Mariä, unter Anr ufung des hl. Alphons
M a r i a v o n L i g u o r i u n d d e r h l . T h e r e s i a “ , so lautet der ganze Titel der
neuen Genossenschaft im ältesten Text der Konstitutionen, der dem Bischof zur
Begutachtung übergeben war. In der Einleitung dazu wird darauf hingewiesen, daß es
nie an großen mildtätigen Genossenschaften gefehlt habe, welche die leidende und
darbende Menschheit in großen Hospitälern versammelte. Aber in kleinen Orten und
Städten fehle es an solchen Zufluchtshäusern. "Ein religiöser Orden, der es sich zur
heiligsten und wesentlichsten Pflicht macht, die armen Kranken in ihren Hütten
ordentlich und gut zu verpflegen und an ihnen die geistlichen und leiblichen Werke der
Barmherzigkeit zu üben und die gesunden Armen ebenfalls in ihren Hütten
aufzusuchen, damit die wahrhaft Dürftigen unterstützt werden, damit auch im nämlichen
Augenblick, da ihnen das Almosen gereicht wird, ihren geistlichen Bedürfnissen
abgeholfen werde: ein solcher Orden ist für die Städte und für das Land ein dringendes
Bedürfnis, und die Nächstenliebe, so sehr sie auch die Wohltätigkeitsanstalten vermehrt
hat, hat jedoch bis auf diese Zeit für einen solchen Orden noch eine große Lücke
gelassen."
Man sieht also: die H a u s k r a n k e n - u n d A r m e n p f l e g e ist der Zweck des
neuen Werkes, das tatsächlich einem dringenden Bedürfnis der Zeit entgegenkam. Der
Gedanke zwar, der im Krankenzimmer zu Niederbronn feste Gestalt angenommen hat,
war anderswo bereits aufgetaucht und in die Tat umgesetzt worden. Die Zeit des infolge
27
der riesig anwachsenden Maschinenindustrie immer weiter um sich greifenden
Pauperismus in fast allen Ländern Europas hatte ja schon vorher den edlen Franzosen
Ozanam zur Gründung der Vinzenzvereine veranlaßt, in deren Dienst in der Folgezeit
die Töchter des göttlichen Erlösers so oft berufen wurden. Die Hausarmenpflege war ja
die wichtigste Aufgabe dieser wunderbaren Organisation. Auch waren schon im Jahre
1842 zu Neisse die "Grauen Schwestern" für ambulante Krankenpflege gegründet
worden 22). In den 1845 durch Franziska Schervier in Aachen gestifteten
"Armenschwestern vom hl. Franziskus" war neben anderen Aufgaben auch ambulante
Kranken- und Armenfürsorge vorgesehen. Das beweist, wie sehr sich gerade seit den
vierziger Jahren das Bedürfnis nach solchen Gründungen aufdrängte. Auch im Elsaß
nahm die Armut, vor allem auf dem Lande, immer drohendere Formen an. Wo sich
Armut und Krankheit verband, war das Elend doppelt schlimm 23). So erklärt sich die
freudige Aufnahme, die das Werk Elisabeth Eppingers gleich von Anfang an in weiten
Kreisen, namentlich bei allen Fremden der christlichen Wohltätigkeit fand 24).
Zu Ehren des göttlichen Herzens Jesu und des unbefleckten Herzens Mariä soll
die neue Genossenschaft gegründet werden, denn "die Töchter des göttlichen Erlösers
sollen diese heiligsten Herzen hauptsächlich durch Nachahmung in der Wohltätigkeit
gegen die Notleidenden verehren, was eigentlich die schönste Verehrung derselben
ist". Die heiligen Alphons und Theresia werden als Schutzpatrone gewählt, damit durch
deren Fürbitte und Schutz der wahre Ordensgeist stets erhalten bleibe.
Über diesen Ordensgeist heißt es: "Der Geist der Töchter des göttlichen Erlösers
muß der Geist Jesu Christi, ihres Vaters und Vorbildes, sein. Nach diesem Vorbilde
müssen die Glieder des Ordens ihr inneres und äußeres Leben ganz einrichten. Ja der
Geist Jesu soll sie beständig und so kräftig beleben, daß er sich in ihrem ganzen
äußeren Wesen ausdrücke und somit sich nach dem Ausdruck des Apostels auch das
Leben Jesu in ihrem sterblichen Leibe offenbare. Daher müssen sie sich jeden Tag in
der Betrachtung des Lebens und besonders des Leidens Jesu üben. Sie müssen
trachten, immer vor Gott zu wandeln und deswegen sich in beständiger
Gemütssammlung durch unablässiges inneres Gebet zu erhalten suchen. Alles unnütze
Geschwätz ist ihnen streng verboten. Ihre Unterhaltung darf nur sein von Gott, vom
Wert der Seelen und von der Rettung derselben. Eifrig müssen sie für die Bekehrung
der Sünder beten."
Die Absicht bei allen guten Werken an Kranken und Armen, an Waisenkindern
und sonstigen Verlassenen muß unbedingt rein sein. Die Töchter des göttlichen
Erlösers sollen "bei all ihren Liebesdiensten nichts anderes zur Absicht haben, als das
Wohlgefallen Gottes zu erlangen, dem göttlichen Herzen Jesu und dem heiligsten
Herzen Mariä nachzuahmen, in der Person der armen Kranken die Person Jesu Christi
selbst zu bedienen".
Die Genossenschaft soll nichts besitzen als die zu ihrem Wirken nötigen Häuser
mit Einrichtung. Sie setzt sich zusammen aus Jungfrauen von erprobter Tugend,
beseelt von der Liebe zu Gott und den Nächsten. Eine Mitgift wird nicht gefordert. Wenn
eine Postulantin freiwillig eine solche bringt oder sonst eine Schenkung macht, wird dies
angenommen, um im Sinne des Geistes der Genossenschaft Verwendung zu finden.
Den drei üblichen Ordensgelübden fügen die Töchter des göttlichen Erlösers noch das
Gelübde bei, den Armen und Kranken zu dienen, an ihnen alle geistlichen und
leiblichen Werke der Barmherzigkeit, die durch die Regel vorgeschrieben sind,
auszuüben.
Der Bischof von Straßburg soll der Ordensobere sein; aber ein von ihm
abgeordneter Geistlicher wird das Unternehmen leiten.
28
Die Töchter des göttlichen Erlösers tragen ein besonderes Ordensgewand, das
ihrem Berufe entspricht. Mit allen Mitteln der christlichen Klugheit sollen sie die wirklich
Armen und bedürftigen Kranken aufsuchen an den Orten, wo sie Niederlassungen
besitzen, und in deren Umgebung. Es steht ihnen frei, auch Kranke der wohlhabenden
Stände zu pflegen, d o c h d ü r f e n s i e n i e e i n e V e r g ü t u n g b e a n s p r u c h e n .
Es ist ihnen aber gestattet, freiwillige Geschenke anzunehmen. Ersparnisse in Geld
dürfen nur für den leiblichen Unterhalt des laufenden und des nachfolgenden Jahres
angelegt werden. Die Häuser, die einen Überschuß aufweisen, müssen ihn den weniger
gut gestellten Niederlassungen abgeben.
Das sind die hauptsächlichsten Gesichtspunkte, nach denen das neue Werk sich
verwirklichen sollte. Wer möchte in Abrede stellen, daß aus all dem Angegebenen ein
weiser und kluger Geist spricht, ein durchaus modernes, aber vom uralten Geiste
christliche Wohltätigkeit getragenes Verständnis für die sozialen Schäden der Neuzeit?
So erweist sich die arme Bauerntochter von Niederbronn, die nur ihren eigenen Namen
schreiben konnte, die aber von der Gesinnung der wahren christlichen Liebe und vom
Geiste vollendeter Selbstlosigkeit durchdrungen war, in ganz anderem Maße als
Wohltäterin der leidenden Menschheit als jene zahlreichen aufgeblasenen
Volksbeglücker, die damals mit verworrenen sozialistischen Theorien die Menschheit
beglücken wollten. Gott segnete ihr Werk, weil es keine irdischen, zeitlichen Erfolge
suchte, sondern um Gottes Willen gegründet wurde; er segnete es so reichlich, weil
seine Dienerinnen selbst alles verlassen mußten, um in freiwilliger Armut Christus
nachzufolgen, um den Armen alles zu werden. Denn es bleibt immer wahr: "Wer
Großes und Nachhaltiges für die Armen wirken will, der muß selbst arm mit den Armen
werden. Er muß sich ganz den Armen weihen, alle Gedanken seines Geistes, alle Kraft
seines Herzens, alle Glut seiner Liebe, all sein zeitliches Glück, seine Ehre, sein
Vermögen, seine Hoffnung und sein ganzes Leben der Armut opfern, sich opfern, ganz
opfern, ohne Rückhalt, ohne je wieder zurücknehmen zu wollen, was er einmal
gegeben." 25)
Dem Drängen Elisabeths und den Bitten Reichards konnte Räß nicht mehr
länger widerstehen. Die feste und bestimmte Zuversicht der beiden, ihr felsenfestes
Vertrauen auf die göttliche Vorsehung ließ ihn ohne Zögern die Erlaubnis geben, im
Sommer 1849 mit der Gründung zu beginnen. Er hat es nicht zu bereuen gehabt. Von
den ersten bescheidenen Anfängen an hat er seine schützende Hand über die neue
Kongregation gehalten, hat sie ausbreiten helfen und im In- und Ausland ihr die Wege
geebnet. Unter allen geistlichen Genossenschaften seiner Diözese hat Andreas Räß
keine so bevorzugt wie die Stiftung Elisabeth Eppingers.
Eifrig ging nun Reichard ans Werk.
Zunächst galt es, die nötigen Gebäulichkeiten für die geplante Niederlassung zu
finden. Von dem Gerber Ignaz Vögele erhielt Reichard schenkungsweise einen 5 Ar
großen Garten, einen solchen von 9 Ar mit dem Gerbhaus überließ derselbe für einen
Kaufpreis von 10000 Franken; von der Witwe Witt erwarb Reichard einen Hofraum
nebst Stallung und Schuppen für 2740 Franken; dazu von Ignaz Vögele noch das
Wohnhaus seiner Enkel, eine ehemalige Mädchenschule, für 6000 Franken. Alles dies
wurde im Sommer gekauft. Schuppen und Stallung wurden niedergerissen, das
Wohnhaus sofort eingerichtet; am westlichen Giebel ließ Reichard ein etwa 4 Meter
breites und ebenso langes Chor anbauen. Die Hälfte des Erdgeschosses diente als
Schiff der Kapelle, darüber hatte Elisabeth ihr Wohnzimmer, von welchem sie durch
eine Fensteröffnung ins Chor sehen konnte, wenn sie krankheitshalber verhindert war,
mit den Schwestern dem Gottesdienste beizuwohnen.
Der 28. August 1849 war der für die Geschichte der Niederbronner Schwestern
ewig denkwürdige Tag, an welchem ihre Stifterin von dem notdürftig eingerichteten
29
Klösterlein Besitz ergriff. Der Vicomte de Bussierre hatte es sich nicht nehmen lassen,
mit seiner Gemahlin die Kranke von ihrem Elternhause im Herrschaftswagen nach dem
neuen Heim zu überführen. Es schien, als sollte mit dem neuen Beruf die alte
Leidenszeit ein Ende haben. In einer Aufzeichnung dieser Vorgänge meldet Reichard:
"Nach einer vierjährigen Krankheit, während der sie beinahe immer bettlägerig und sehr
schwach war, konnte sie jetzt ohne Hilfe und leicht im Hause herumgehen, um die
innere Einrichtung desselben vollends anzuordnen."
Mit drei Postulantinnen war sie ins neue Haus eingetreten, im Laufe der Woche
wuchs deren Zahl auf zehn an. Am 7. September wurde die bescheidene Kapelle in
Gegenwart einiger Geistlicher und Badegäste eingeweiht. Der Abbé Busson richtete an
die kleine Schar der Postulantinnen eine Ansprache, in der er sie beglückwünschte zu
ihrem Berufe und sie ermahnte, mit ganzer Hingabe ihrer Person dessen Pflichten zu
erfüllen.
Am 10. September fand eine im Leben einer klösterlichen Genossenschaft nicht
minder wichtige Feier statt: die feierliche Einkleidung der Stifterin, welche Pfarrer
Reichard im Auftrage des Bischofs vornahm. Nach dem Absingen des Veni Creator hielt
Reichard eine Anrede über den Psalmtext (44,10): "Die Königin steht zu deiner Rechten
in einem goldenen und vielfarbigen Kleide." Diese Königin, so deutet der Redner den
Text, ist die Kirche, das goldene Kleid die Liebe, die verschiedenen Farben
versinnbilden die Werke der Liebe. Nach einem Überblick der verschiedenen Orden, die
zur Milderung des vielgestaltigen menschlichen Elends im Laufe der Jahrhunderte in
der katholische Kirche gegründet wurden, zeigte der Prediger, wie auch die
neugegründete Kongregation der Kirche angehöre: "Sie bildet sich mit Genehmigung
des obersten Hirten dieser Diözese und steht unter seiner Aufsicht; er genehmigt
provisorisch ihre Statuten und Satzungen. Was die Werkzeuge anbelangt, welche
diesem Werke vorstehen, so hat sie Gott führwahr aus dem geringsten und
schwächsten Stande gewählt. Dies soll uns aber nicht in Staunen versetzen: Gott
wollte, daß die Ehre des Erfolges ihm und nur ihm allein zukäme."
Mit diesem kleidsamen, würdigen Ordensgewande, das noch heute die
Ordenstracht der Genossenschaft bildet, erhielt Elisabeth den Namen M a r i e
A l p h o n s , den sie liebgewonnen hatte. Als Schwester Marie Alphons wird sie uns
fortan begegnen. Mit Genehmigung des Bischofs wurde sie Generaloberin der neuen
Kongregation. Am 25. September erhielten neun aus dem Elsaß stammende
Postulantinnen das Ordenskleid. Ihre Namen mögen, da sie die ersten Mitglieder
waren, der Nachwelt erhalten bleiben:
1. Magdalena Stohwasser aus Niederbronn;
2. Josephine Bersing aus Straßburg;
3. Sophie Ohl aus Mommenheim;
4. Marie Salome May aus Neuhof bei Straßburg;
5. Franziska Thirse aus Willgottheim;
6. Eleonore Ruf aus Forstheim;
7. Ludovika Riefel aus Andlau;
8. Barbara Mayer aus Thann;
9. Maria Anna Schmitt aus Niederbronn.
Mit Einstimmigkeit wurde Magdalena Stohwasser zur Assistentin gewählt.
Die kleine Genossenschaft vermehrte sich rasch. Im Laufe des Oktobers kamen
elf neue Bewerberinnen und baten um Aufnahme. So war die Kongregation schon auf
20 Mitglieder gestiegen, denen die Oberin mit dem Tugendbeispiel voranleuchtete.
Zahlreiche andere Anmeldungen lagen schon vor. Der Ruf der Stifterin verlieh dem
Unternehmen eine fast wunderbare Zugkraft, und die Macht ihrer Persönlichkeit wirkte
30
auf ihre Untergebenen mit unwiderstehlicher Gewalt. Mit freudigem Stolze konnte der
Superior Reichard dem Bischof bereits von dieser kurzen Zeit melden: "In den schon
als Postulantinnen aufgenommenen Jungfrauen weht ein so heiliger Ordensgeist, den
man nur in lange geübten Ordenspersonen suchen würde. Erstaunlich ist, wie sie im
geistlichen Leben, in der äußeren, aber hauptsächlich in der inneren Abtötung sowie im
Eifer, den Armen und armen Kranken zu Hilfe eilen, in so kurzer Zeit vorangeschritten
sind." Von Schwester M. Alphons weiß er nur Erbauliches zu berichten: "Fast täglich
hält sie Unterricht, und bei jedem Unterricht zerfließen die Postulantinnen in Tränen.
Frohsinn, der sich beständig auf dem Angesichte der Oberin abmalt, sieht man auch
immerfort in diesen guten Kindern bei ihren Beschäftigungen, in ihren
Andachtsübungen und bei ihren Abtötungen."
Am 15. Oktober, dem Feste der hl. Theresia, klopfte man zum ersten Male an der
Klosterpforte an, um Hilfe zu erbitten für eine arme Frau, die seit einigen Tagen unter
Schmerzen ihrer schweren Stunde entgegensah. Schwester M. Alphons schickte sofort
zwei Postulantinnen mit Weißzeug und Nahrungsmitteln zu der Kranken. Zwei Tage
später ging sie selbst zu ihr hin, wechselte die Bettwäsche und sprach ihr Trost zu;
denselben Abend noch wurde die Kranke glücklich entbunden. Am 28. Oktober kam
eine protestantische Frau, um die Oberin zu ihrem schwerkranken Mann zu holen.
Aber auch auf einem anderen Gebiete hatte man bereits mit der praktischen
Liebestätigkeit eingesetzt. Seit dem 18. Oktober, wo die Winterschulen begonnen,
nahm man ca. 25 arme Schulkinder auf, von denen die meisten aus weitentfernten
Gehöften und Weilern zur Schule mußten; sie erhielten im Kloster ein aus Brot und
Suppe bestehendes Frühstück, am Mittag ein Mittagessen. Unterm 30. November
meldete der Superior dem Bischof, daß ein Sterbender, der in einer vom Kloster
ziemlich weit entfernt auf einer Anhöhe liegenden Hütte wohnte, Schwester M. Alphons
rufen ließ. Obschon sie leidend war, bat sie ihren Beichtvater - Reichard blieb es immer
-, ihr den Besuch zu ge-statten. "Der Kranke war von inneren Ängsten geplagt; sie
sprach ihm Vertrauen auf Gott ein, betete mit ihm, munterte ihn auf und verweilte so bei
ihm bis Mitternacht. Der arme Kranke ward sehr getröstet, seine Furcht verschwand, mit
fröhlichem Herzen und heiterem Angesichte bedankte er sich bei der Schwester für
ihren Besuch. Mehrere Männer, die gegenwärtig waren, standen ganz gerührt und in
ehrfurchtsvoller Haltung da. Der Herr verlieh der liebevollen Schwester eine solche
Kraft, daß sie sich sogar den andern Tag stärker fühlte." (Reichard an Räß)
Auf die protestantische Frau dieses Mannes und andere Andersgläubige machte
dieser Besuch einen guten Eindruck. Das Mißtrauen und der spöttische Zweifel, mit
dem man in diesen Kreisen dem Werke der armen Bauerntochter begegnete, wichen
allmählich einer gewissen Achtung.
Am 21. November erhielten die bereits eingetretenen Postulantinnen das
Postulantinnenkleid; unter ihnen befand sich eine aus Gruns in Vorarlberg, die aber
bald wegen unverträglichen Charakters entlassen werden mußte. Am 27. Dezember
empfingen zehn Postulantinnen das Ordenskleid; es waren acht von den zuerst
Eingetretenen, deren Namen oben überliefert wurden, und zwei später Angekommene.
Am 2. Januar 1850 legt die Oberin feierlich Profeß ab. Nach der erhebenden
Zeremonie hielt eine der Novizinnen eine Ansprache an Schwester M. Alphons, und
alle, die Postulanten eingeschlossen, gelobten ihr Gehorsam. Am 7. Januar wählten die
zehn Novizen zwei Assistentinnen; als erste ging aus der Wahl hervor Schwester
Eugenia (Maria Roßler aus Romansweiler), als zweite Schwester Adelheid (Salome
May). Die Kongregation bestand jetzt in aller Form.
Wovon aber erhielt sich die junge Genossenschaft? Die bescheidenen
Räumlichkeiten waren durch den Zuwachs an Bewerberinnen am Anfang des neuen
31
Jahres 1850 bereits zu klein geworden. Im April belief sich die Zahl der Insassen auf
über 60 Personen. Der Superior stand vor der schwierigen Frage einen Neubaues. Am
21. März legte er dem Bischof bereits die Pläne vor und berührte auch die Geldfrage.
Sein Standpunkt ist immer noch derselbe: "Dieses Werk ist das Werk Gottes; er wird
daher für alles Nötige sorgen. Da dieser Neubau unbedingt notwendig ist, wird der Herr
uns auch die nötigen Einnahmequellen öffnen. Gott selbst wird bauen, die Mittel werden
nicht fehlen." Reichard beweist sodann, daß dieser schöne Gedanke kein bloßes
Phantasiegebilde sei. "Wenn man genau alles prüft, was bei dieser Stiftung vor sich
ging, kann man nicht zweifeln, daß es Gottes Werk ist. Als wir anfingen, kamen die
Gaben von allen Seiten und so reichlich, daß sich die Gesamteinnahme auf über 27000
Franken beläuft. In dieser Summe sind nur 3000 Franken von Mitgliedern der
Genossenschaft einbegriffen; auch Naturalienschenkungen im Wert von 6000 Franken
sind nicht mitgezählt. Nach Bestreitung eines großen Teils der Kaufsumme, der Kosten
für Reparaturen und Instandsetzung, die sich auf 10000 Franken beliefen, blieben uns
noch 3000 Franken in der Kasse. Beweist das nicht, daß Gott selbst für sein Werk
sorgt? Würde ich mich nicht gegen die Vorsehung Gottes versündigen, wenn ich an
ihrem weiteren Schutze zweifelte?" Am folgenden 27. April kann er freudestrahlend
melden, daß sein Vertrauen ihn nicht täuschte. "Der liebe Gott ist rasch in seiner Hilfe
für sein Werk. Aber was kann nicht anders sein, da der hl. Joseph sein Beschützer und
Baumeister ist." 30000 Franken seien ihm bereits zugesichert. "Da zeigt sich der Finger
Gottes." Räß selbst übermittelte im Juni eine zu diesem Zweck gemachte Gabe von
1000 Franken. Mit Zuversicht hatte daher Reichard mit dem Bau angefangen. Ende
April begann man die Fundamente zu graben; der sumpfige Boden machte das
kostspielige Einrammen von Eichenpfählen nötig. Am 19. Mai wurde der Grundstein
zum Neubau gelegt 26). Im November konnte er bereits von den Schwestern bezogen
werden. Die Bausumme, die sich auf 41723 Franken belief, konnte aus den stets
unverhofft eingehenden Spenden beglichen werden.
Im folgenden Jahre (1851) mußte Reichard an den Bau einer größeren Kapelle
denken. Als am 2. August 20 Postulantinnen das Kleid erhielten, fand die Zeremonie in
der Pfarrkirche statt; Bischof Räß selbst war erschienen und nahm sie im Beisein von
18 Geistlichen vor. Er ermächtigte den Superior zum Bau der geplanten Kapelle, deren
Grundsteinlegung am 25. September stattfand. Einer der größten Wohltäter, dessen
Geberhand nie ermüdete und der auch zu diesem Bau viel beisteuerte, war der Rentner
Burgun von Saaralben. Zwei Tage vor der Feier hatte ein Unbekannter der Schwester
M. Alphons 1100 Franken abgegeben. Die Briefe Reichards an den Bischof aus den
Jahren 1850-1853 sind voll von Berichten unerwarteter Geldspenden, die immer zur
rechten Zeit eintrafen.
Am 21. Dezember 1852 konnte endlich die Kapelle unter zahlreicher Beteiligung
der ganzen Bevölkerung durch Bischof Räß eingeweiht werden, ebenso der von einer
Wohltäterin gestiftete gotische Hochaltar aus weißem Marmor. Ein farbiges Glasfenster,
das ebenso ein Geschenk war, tauchte das zierliche Chor und den weißen Hochaltar in
geheimnisvolles Licht. Die Freude der frommen Genossenschaft über den einfachen,
aber geschmackvollen Bau kann man sich lebhaft vorstellen. Er ist im großen und
ganzen unverändert geblieben bis auf unsere Tage. Für die neuere
Kirchenbaugeschichte des Elsaß bedeutet er einen Markstein: mit ihm hält der so lange
verachtet gewesene gotische Baustil wieder seinen Einzug im Elsaß; auch die von
Reichard erbaute Kapelle im nahen Jägertal war in gotischen Formen gehalten 27).



In dem neuen Heim, das mit Gottes Hilfe so überraschend schnell zustande
gekommen war, konnte sich nun die Genossenschaft unter der Führung der frommen
Generaloberin für ihre erhabene Mission vorbereiten. Wir haben bisher nur ihr rasches,
32
günstiges Wachstum verfolgt und nicht der Schwierigkeiten gedacht, die sich von
Anfang an dem Werke entgegenstellten. Diese blieben, wie zu erwarten war, nicht aus.
Alle jene, die von Anfang an die "Schwärmerin von Niederbronn" - als solche
betrachtete man sie vielfach - bekämpft hatten, waren auch ihrer Stiftung nicht hold.
Dazu kam - was der Geschichtsschreiber nicht unerwähnt lassen darf -, daß Schwester
M. Alphons durch ihr Eintreten für einen Abenteurer, der während der zweiten
französischen Republik als angeblicher Sohn des hingerichteten Königs Ludwig XVI.
Ansprüche auf den französischen Thron erhob, in ganz Frankreich neben ihren
zahlreichen Anhängern vielleicht noch mehr Feinde sich zuzog. War es eine Zulassung
Gottes, der sie in der Demut erhalten wollte, als er diese Irrung zuließ? 28)
Ein heftiger Gegner erwuchs der Stifterin in dem Bischof von La Rochelle, der ihr
bewußte Täuschung vorwarf. Schwester M. Alphons litt schwer unter solchen
Anschuldigungen. Louis de Cissey, ein französischer Edelmann, der während seines
öfteren Aufenthaltes in Niederbronn Gelegenheit genug gehabt hatte, Schwester M.
Alphons und ihr Werk kennen zu lernen, suchte in längerem Briefwechsel den
Kirchenfürsten eines Besseren zu belehren. In einem ausführlichen Schreiben (Juni
1850) wies er in wirksamer Weise vor allem auf das Werk der Stifterin hin. Als die
Stimme eines Zeitgenossen ist das Zeugnis für uns von besonderem Wert: "Ein vor
kaum zehn Monaten gegründeter Orden ohne jede sichere Einnahmequelle, der schon
eine erste Niederlassung besitzt, die 30000 Franken gekostet hat, und der ein sehr
weitläufiges Klostergebäude aufführt, für das die Mittel fließen; ein Orden, der bereits
auf die Armen, die er reichlich unterstützt, den denkbar besten moralischen Einfluß
ausgeübt hat und diesen Winter täglich 80 Personen nährte; ein Orden, an dem man
von allen Seiten Gesuche um Schwestern richtet, der bereits vier
Töchterniederlassungen besitzt, der von Postulantinnen in so großer Anzahl aufgesucht
wird, so daß man aus Mangel an Raum kaum den vierten Teil aufnehmen kann: erinnert
Sie dieser Orden nicht an die Klostergründung der hl. Radegundis zu Poitiers und des
hl. Bernhard von Clairvaux? Dieser Orden, der von Anbeginn an in dem hochwürdigsten
Herrn Bischof von Buffalo, der nach Rom reiste, das größte Bedauern weckte, daß man
noch nicht ausgebildete Schwestern genug hatte, die er nach Amerika mitnehmen
könnte, erhielt von ihm das Lob gespendet, daß er einen so wirksamen und glücklichen
Einfluß für die Besserung und Bekehrung der armen Volkskreise ausübe, daß er ihm als
von der Vorsehung auserwählt scheine, in seiner ungeheuren Diözese die zahlreichen
Nichtkatholiken der Kirche zuzuführen." Herr von Cissey hob ferner dem Bischof von
La Rochelle gegenüber die hervorragenden Tugenden der Gründerin hervor, wies
besonders hin auf ihren Gehorsam und ihre Demut. Bemerkenswert bei dieser
Angelegenheit ist die Stellung, welche Bischof Räß gegenüber der Haltung seines
Mitbruders von La Rochelle einnimmt. Mit Bezugnahme auf diese schreibt er an Herrn
von Cissey unterm 21. Juni 1850: "Wenn ich nicht aus nächster Nähe das sehe, was
andere so genau und deutlich aus der Ferne bemerken, so wird mir Gott wohl meine
Torheit und meine unfreiwillige Blindheit verzeihen und gestatten, daß die Tausende
von wirklichen oder scheinbaren Gunstbezeigungen, die er Schwester M. Alphons
erwiesen hat, als ebenso viele mildernde Umstände gelten. Wenn ein in steter
Keuschheit und Reinheit zugebrachtes Leben, wenn ebenso zahlreiche als aufrichtige
Bekehrungen, wenn ihre weisen Ratschläge und die einfachen und hinreißenden
religiösen Unterweisungen, wenn die Werke der Liebestätigkeit, welche jedermann
erbauen und in Erstaunen setzen, das Werk des Bösen sind, dann bin ich ganz geneigt,
ihm ein Dummheitszeugnis auszustellen." 29)
In dieser Zeit der herbsten Prüfung, die Schwester M. Alphons mit Ergebenheit
ertrug, erhielt das Mutterhaus in Niederbronn den Besuch eines edlen Mannes, dessen
Stimme ebenfalls nicht ungehört verhallen möge. Anfang Mai sprach der treffliche
33
österreichische Staatsrat J a r c k e 30) bei Schwester M. Alphons vor. Vielleicht hatten
ihn gerade die Stimmen der Gegner verlockt, an Ort und Stelle selbst sich zu
vergewissern, wie es in Wahrheit stehe. Am 7. Mai 1850 schrieb er über seine
Eindrücke an Räß: "Ich habe in Niederbronn die gute Elisabeth und in Reichshofen den
edlen, liebenswürdigen Bussierre mit voller Muße gesprochen. Der aszetischmoralische Eindruck, den mir die erstere machte, war der einer tiefen Rührung; wer die
Elisabeth und den hochwürdigen Pfarrer auch nur zehn Minuten lang gesprochen hat
und danach an die Möglichkeit eines menschlichen Betruges glauben kann, der ist kein
Menschenkenner."
Unter der elsässischen Geistlichkeit fand das Werk von Niederbronn von Anfang
an viele Gegner. Das alte Wort vom Propheten, der nichts gilt im Vaterlande,
bewahrheitete sich auch hier. Um falschen Gerüchten ein Ende zu bereiten, forderte
Räß Schwester M. Alphons auf, unter seiner persönlichen Leitung im Kloster NotreDame zu Straßburg geistlichen Übungen obzuliegen; diese fanden Ende Januar und
Anfang Februar 1851 statt. Dem Superior schrieb der Bischof hierüber: 31) "Ich bin sehr
zufrieden, daß diese Exerzitien stattgefunden haben, Gott wird seinen Segen verleihen
und hoffentlich das Gute befördern." Manche Gegner freilich schöpften gerade aus der
Tatsache dieser Exerzitien Stoff zu neuen Angriffen und Anfeindungen, die auch weiter
um sich zu greifen drohten. Da ist ein Schreiben des Bischofs an einen deutschen
Prälaten von besonderem Interesse 32). Räß antwortet auf dessen Anfrage, "um eine
Unwahrheit zu widerlegen": "Vor etwa anderthalb Jahren approbierte der Heilige Vater
meine Handlungsweise in der Niederbronner Angelegenheit und gab mir den Rat, die
Schwester M. Alphons eine Zeitlang unter eine andere geistliche Leitung zu stellen,
nicht als hätte man den mindesten Verdacht gegen den
Beichtvater, sondern weil dieses eine allgemeine Vor schrift der
K i r c h e s e i . Schwester Alphons stellte sich mit Freuden ein; ich wies ihr ein hiesiges
Kloster an, sah und prüfte sie während zwei Wochen jeden Tag und wurde in meiner
guten Meinung mehr als bestärkt. Hierauf ließ ich sie wieder nach Niederbronn
zurückkehren. Von diesem einfachen und natürlichen Umstande, dem viele Heilige
unterworfen wurden, wird nun Anlaß genommen, die Schwester M. Alphons neuerdings
zu verleumden und die redlichen Leute irrezumachen. Ihre Anstalt ist blühender als je.
Die Schwestern werden nach allen Gegenden verlangt. Die Niederbronner
Kongregation ist ganz im kanonischen Geleise. Sie hat einen Superior, einen
ordentlichen und einen außerordentlichen Beichtvater. Letzterer ist der hiesige
Kanonikus Doffner, ein Mann von scharfem Urteile und kaltem Benehmen. Das Gute,
das diese frommen und opferwilligen Personen überall stiften, ist unberechenbar."
Auch das Jahr 1852 ließ sich zunächst schlecht an. Von Frankreich her drohten
Gewitterwolken. Unterm 5. Februar meldet der Superior mit bedrücktem Herzen seinem
Freunde Busson, daß man in Frankreich ihre Sache verlasse, ja sogar verfolge, wenn
Gott es zuließe. Nur in Deutschland erweckte der Herr Beschützer. Aber Reichard
verzagte nicht. Nichts kennzeichnet besser den Seelenzustand des edlen Mannes als
der nachfolgende Erguß seines Herzens: "Wenn ich mich in die Notwendigkeit versetzt
sähe, die Pforten des Klosters zu schließen, es zu verlassen und mich nicht mehr mit
dem Werke zu beschäftigen, sei es infolge unvorhergesehener Ereignisse, sei es auf
Befehl meiner Obern, so würde ich mich augenblicklich unterwerfen. Ich würde sicher
darunter leiden und mein Kummer wäre groß; aber ich würde nicht wanken. Was wollen
wir, Schwester M. Alphons und ich, denn anders als nur die Erfüllung des göttlichen
Willens? Zeigt sich darin der Wille Gottes, so gehorchte ich, ohne mich um die
kommenden Dinge zu kümmern. Befreit von aller Verantwortlichkeit des Gewissens,
würde ich mich still zurückziehen und mich vor Gott verdemütigen, daß ich fürderhin
unwürdig sei, an seinem Werke mitzuarbeiten." 34)
34
Aber die Sonne blickte doch wieder durch die dunklen Wolken; viele Anfragen
um Schwestern zeigten, daß es neben den Gegnern auch noch zahlreiche Freunde
gab. Bereits schickte sich das katholische B a y e r n an, Töchter des allerheiligsten
Erlösers zu begehren. Daß aber in manchen Kreisen das Mißtrauen, das einmal Wurzel
gefaßt hatte, nur langsam schwand, zeigt ein bemerkenswerter Brief, den der
Redemptoristenpater Aloisius Amhard am 13. August 1858 an Reichard richtete. Er
fühlte sich verpflichtet, "ein Geständnis zu machen". Infolge vieler mißbilligender Urteile,
die er zu hören bekam, wollte er von den Niederbronner Schwestern nichts wissen. Bei
einem Kuraufenthalt in Niederbronn aber habe er unbemerkt aus nächster Nähe seine
Beobachtungen angestellt, und diese fielen zugunsten der Schwestern aus. "Ich sehe
nun, daß alles Verleumdungen waren, die ich gegen die Schwestern von Niederbronn
gehört habe, und daß in der Kongregation nicht nur kein weltlicher und leichtfertiger
Charakter herrscht, sondern der Geist Gottes." Schließlich wollte er auch die Stifterin in
der Nähe sehen. "Die Unterredung war kurz, ich erkannte aber bald eine hohe
Erleuchtung an der ehrwürdigen Mutter. Ihre völlige Ergebung in den heiligen Willen
Gottes, ihr großes Verlangen nach Demut und Kreuz, ihre Furcht vor übernatürlichen
Erscheinungen, ihre gänzliche Abhängigkeit vom Beichtvater und dem hochwürdigen
Bischofe, ihre Einfachheit in der Rede und ihre ungewöhnliche Leichtigkeit, mit welcher
sie von göttlichen Dingen redet - alles dieses überzeugte mich, daß ich eine von Gott
hochbegnadete Person vor mir hatte. Ich bin sehr zufrieden, sie einmal gesprochen zu
haben. Auch habe ich die Regeln der Kongregation mit großem Interesse gelesen und
fand darin nicht nur einen frommen, demütigen und aufopfernden Geist, sondern auch
viel Klugheit und Menschenkenntnis, namentlich in Rücksicht der Behandlung der
Kranken. Ich bin nun gar nicht erstaunt, warum der hochwürdige Bischof von Straßburg
mit so großem Vergnügen auf die entstehende Kongregation herabblickt und sich für
dieselbe verwendet. Sie ist ein Werk Gottes, er wird dasselbe schützen und pflegen. Ich
bin überzeugt, daß sich nicht nur viele Mitglieder der Kongregation heiligen, sondern
daß diese auch vielen andern zum Heile gereiche."
Das hatte sich schon seit Jahren erfüllt. Ungeachtet aller eben angedeuteten
Schwierigkeiten und Anfechtungen hatte in den wenigen Jahren, die vor Abfassung
dieses Briefes liegen, die neue Genossenschaft schon unendlichen Segen gestiftet.
Auch in Deutschland begann man ihn schon zu verspüren, und am Anfang des Jahres
1855 wurde in der alten Kaiserstadt Speyer vom Geistlichen Rat Molitor dem Werke ein
Lob gespendet, das die so viel angefochtene Stifterin, wäre es ihr bekannt geworden,
wohl für alle Angriffe entschädigt hätte. "In Niederbronn selbst aber erhebt sich als das
sprechendste Zeugnis des Segens, der auf dieser Kongregation ruht, das blühende
Mutterhaus, ein neuaufgeführter, großartiger Bau mit einer herrlichen gotischen Kirche.
Bedenkt man, daß dies alles in wenigen Jahren durch nichts als Almosen zustande
gebracht worden ist, so bleibt nur die Wahl übrig, entweder die fast übermenschliche
Energie der Stifterin zu bewundern oder an ein wunderbares Eingreifen der Hand
Gottes zu glauben." 35)
35
Drittes Kapitel.
Die ersten Statuten. Allmähliche Ausbreitung.
Die Feuerprobe im Cholerajahr 1854.
Die Erfahrung mußte lehren, ob sich die von der Stifterin und Pfarrer Reichard
vor der Gründung des Werkes aufgestellten Konstitutionen bewähren würden. Es zeigte
sich, daß nur wenig geändert werden mußte. Der Straßburger Domkapitular Doffner
wurde im Jahre 1851 von Räß noch einmal mit der Durchsicht beauftragt. Sie wurden
dann, nachdem sie hinlänglich erprobt waren, im Jahre 1855 zum Druck vervielfältigt 36).
Zu den früheren Patronen der Genossenschaft, dem hl. Alphons und der hl. Theresia,
wurde jetzt der hl. Joseph, dessen schützende Hand so oft sich wirksam erzeigt hatte,
gesellt und sein Fest als ein Hauptfeiertag angeordnet. Die praktischen Ziele der
Genossenschaft waren nun noch bestimmter hervorgetreten. Demgemäß lautet das
erste Kapitel der Satzungen:
"Die Ausübung folgender Werke der Barmherzigkeit um Jesu willen sind der
Zweck der Kongregation:
1. Die Schwestern der Kongregation verpflegen die kranken Armen in ihren
eigenen Wohnungen. Sie lassen sich angelegen sein, ihnen eine zweckmäßige
Nahrung, die betreffenden Arzneimittel und die nötige Bett- und Leibwäsche zu
verschaffen.
2. Sie verpflegen die Kranken aller übrigen Stände, welche ihre Hilfe verlangen.
(Ein Zusatz bemerkt, daß die armen Kranken bei Mangel an Schwestern vorzuziehen
sind.)
3. Die kranken Armen, die kränklichen alten Greise und alten Weiber, die
verlassen und ohne Obdach sind, nehmen sie womöglich in ihr Haus auf. In den
Städten und Ortschaften, wo die rühmlichst bekannten "Kleinen Schwestern" bestehen,
werden die armen Greise und die alten Weiber der Obsorge dieser frommen Frauen
überlassen.
4. Sie nehmen arme, verlassene Kinder auf und sorgen für sie, bis sie in der
Religion genugsam unterrichtet sind und ihre erste heilige Kommunion gemacht haben.
5. Sie unterstützen die Hausarmen durch Kleidung, Nahrung, wo notwendig und
tunlich an Geld.
6. Die armen Kinder, welche die Schule regelmäßig besuchen, nähren und
kleiden sie nach dem Maße ihres Vermögens.
7. Sie halten eine Arbeitsschule, in welche sie den jungen Mädchen in
Handarbeiten, wie im Stricken, Nähen usw. Unterricht erteilen. Sie sind ebenfalls
verpflichtet, geistliche Werke der Barmherzigkeit zu üben, so oft sich ihnen die
Gelegenheit darbietet. Sie werden daher an den Orten, wo sie ihre
Wohltätigkeitsanstalten besitzen, in denselben an Sonn- und Feiertagen die Jungfrauen
versammeln, ihnen Grundsätze der Frömmigkeit beibringen und sie zur Übung
jungfräulicher Tugenden anleiten und ermutigen. Doch darf dieses nur auf das
Begehren der betreffenden hochwürdigen Geistlichkeit und unter deren Leitung
geschehen.
8. In den Orten, wo es gänzlich an Mitteln fehlt, einen Lehrer oder eine Lehrerin
zu besolden, können die Schwestern eine Armenschule halten, mit Erlaubnis der
Unterrichtsbehörde.
9. Die Schwestern werden in Ausübung all dieser Werke der Barmherzigkeit die
Ehre Gottes und das Heil der Seelen als ersten und Hauptzweck immer im Auge haben.
36
Jedoch ist hier zu bemerken, daß diese Werke der Barmherzigkeit nur insofern
von den Schwestern können in Ausübung gebracht werden, als sie von den wohltätigen
Personen des Ortes oder der Umgebung hinsichtlich der nötigen Hilfsmittel und des
Lokals unterstützt werden."
Das zweite und das dritte Kapitel handeln über die Absicht bei Erfüllung dieses
Zweckes und den Geist der Kongregation, Punkte, die wir oben schon berührt haben.
Das vierte enthält die Satzungen, welche das religiöse und klösterliche Leben genau
regeln: die Übungen der Frömmigkeit; Verhaltensmaßregeln der Schwestern in Betreff
der Armut, der Sparsamkeit, der Ordnung, der Reinlichkeit an sich selbst und in ihrem
Hause; das Verhalten der Schwestern unter sich und gegenüber weltlichen Personen;
den Verkehr mit den Kranken, Bestimmungen über besondere Verhältnisse usw.
Aus den Bestimmungen, welche die Bedienung der Kranken betreffen und von
der Weisheit und Klugheit der Stifterin zeugen, heben wir hervor: Im Hause des
Kranken sollen die Schwestern das Stillschweigen beobachten und nur das
Allernötigste reden. "Während dieses Stillschweigens sollen sie in sich gekehrt sein und
betrachten, wie sie im Kranken die Person Jesu Christi jetzt bedienen wollen, um
Erleuchtung und Einsicht flehen, wie sie während der Bedienung des Körpers auch der
Seele, die von ihm um einen so teuren Preis erkauft worden, können zu Hilfe kommen;
den Herrn bitten, daß er die Pflege, die sie am Kranken üben werden, so segnen wolle,
damit sie zum Heile seiner Seele gereiche." Mit Liebe und Sanftmut erkundigen sie sich
bei dem Kranken nach seinem Leiden und bezeigen ihm viele Teilnahme. Die Zeit, die
nicht für die Bedienung der Kranken verwendet wird, ist dem Gebete oder irgendeiner
nützlichen Arbeit für die Armen oder dem Ordnen des Krankenzimmers zu widmen. Die
Schwestern sollen in Gegenwart der Schwerkranken keine wenig erbaulichen
Gespräche dulden. Nach der Rückkehr ins Schwesternhaus begeben sie sich vor allem
in die Kapelle oder in das Betzimmer, werfen sich auf die Knie nieder, bitten Gott um
Erleuchtung und Mut, damit sie über alles, was sich während der Krankenbesorgung
zugetragen hat, ihrer Oberin genaue Nachricht geben können. Nur dieser, sonst
niemand dürfen sie über Krankheit, Arzt und sonstige Verhältnisse des Kranken reden.
Sie dürfen sich auch um die Wahl des Arztes nicht kümmern. Reinlichkeit, Ordnung und
Pünktlichkeit in Bedienung der Kranken ist strenge Pflicht.
Man begreift, daß Ordenspersonen, die in solchem Geiste sich dem Dienste der
Leidenden widmen, von Anfang an von allen denen, welche sie nicht aus falschen
Berichten kannten, sondern selbst am Werke sahen, aufs höchste geachtet und verehrt
wurden. Diesen Geist den Mitgliedern der Genossenschaft einzupflanzen, war die
ständige Sorge der Stifterin. Ihre Unterrichte entsprangen der Fülle ihres ganz für den
Ordensberuf schlagenden Herzens. Ihr stand seit der ersten Zeit eine treffliche
Novizenmeisterin in der Person der Schwester Marie Joseph zur Seite, die ihr schweres
Amt mit ebensoviel Eifer als Erfolg versah. In Abwesenheit der Stifterin führte
Schwester Marie Joseph die Aufsicht. "Sie läßt nicht das Geringste durchgehen, überall
schafft sie Ordnung", schreibt der Superior an die ehrwürdige Mutter am 14. März 1854.
Der schon erwähnte P. Amhard rühmt ihre Offenheit und kindliche Einfalt 37). Der
Novizenmeisterin ist ihr Amt nicht immer leicht geworden. Unter den Bewerberinnen, die
sich in großer Zahl meldeten, befanden sich manche im vorgerückten Alter, denen es
schwer fiel, sich der klösterlichen Regel in allem zu fügen. Das stete Bedürfnis nach
Schwestern infolge der überaus schnellen Verbreitung ließ die Oberin mitunter zu rasch
Kandidatinnen aufnehmen, die dem neuen Leben nicht gewachsen waren. Auch war,
das darf nicht verschwiegen werden, anfangs die Ausbildung des Personals zu schnell
vor sich gegangen, so daß es an unliebsamen Erfahrungen nicht fehlte. Aber in
welchem Werke, das sich aus Menschen zusammensetzt, sind solche ausgeschlossen?
Um den vielen von auswärts gestellten Anforderungen zu genügen, wurden sehr oft
37
Novizinnen als Schwestern auf die auswärtigen Stationen geschickt, und es kam vor,
daß solche erst nach Jahren Profeß machten. Erst später wurde ein für allemal
festgesetzt, daß die Kandidatinnen ein sechsmonatiges Postulat und ein einjähriges
Noviziat im Mutterhause vollendeten, ehe sie zur Gelübdeablegung zugelassen wurden.
Anfangs waren auch zwei Klassen von Schwestern vorhanden: die einen für die
Krankenpflege, die andern für gröbere, häusliche Arbeiten bestimmt, sog.
K o n v e r s s c h w e s t e r n . Weil aber dieses Institut in der Folgezeit gewisse Mißstände
zeitigte, indem der gemeinsame Ordensgeist darunter litt, da manche sich
zurückgesetzt fühlten, und andere, weniger erleuchtete Geister sich über die
Konversschwestern erhaben dünken konnten, verschwanden im Jahre 1872 die
Konversschwestern aus der Genossenschaft.
Wir haben im vorigen Kapitel die ersten Liebeswerke erwähnt, mit denen die
entstehende Genossenschaft noch im Jahre 1849 sich gewissermaßen schüchtern an
die Öffentlichkeit wagte. Niederbronn und die nächste Umgebung mußten naturgemäß
den ersten Wirkungskreis abgeben. Es galt hier, zunächst alle Vorurteile zu überwinden
und durch stilles Wirken die Stimmen des Spottes zum Schweigen zu bringen. Am 28.
März 1850, am Gründonnerstag, ließ das Kloster eine Mahlzeit bereiten für die zwölf
ältesten Greise von Niederbronn. Der Superior und sein Vikar Lienhard, die ehrwürdige
Mutter und einige Schwestern leisteten ihnen Gesellschaft. Am 8. April sodann wurde
die erste Niederlassung außerhalb Niederbronn gegründet, im nahen Reichshofen, auf
Bitten des Herrn v. Bussierre. Bischof Räß hatte den weisen Rat gegeben, die ersten
auswärtigen Stationen in nicht zu weiter Entfernung von dem Mutterhause anzulegen,
so daß man die Schwestern noch überwachen und sie stets versetzen könne, wenn es
not täte. Diese Maßregel erwies sich für die ersten Jahre als sehr ersprießlich, denn
ehe man an Ausbreitung in entfernten Gegenden denken konnte, mußte sich die innere
Organisation der Genossenschaft festigen und bewähren. Darum ging man in den
ersten Jahren nur ausnahmsweise an Stationsgründungen in fremden Diözesen, und
Superior Reichard sprach nur im Sinne des Bischofs Räß, als er diesem mitteilte 38),
daß man vor allem an die Bedürfnisse der eigenen Diözese denken müsse.
Das geschah denn auch in ausgiebiger Weise. Nach Reichshofen folgte sogleich
die Entsendung von Schwestern nach Brumath (24. April 1850), Mommenheim (13.
Juni), Andlau (6. August), Hochfelden (Oktober), Hagenau (16. Dezember),
Wasselnheim (19. Dezember), Neunhofen (27. Dezember); hier wurde der Grund gelegt
zu einem Hause für verwahrloste Kinder, das später nach Niederbronn verlegt wurde.
So waren im zweiten Jahre des Bestehens schon acht Niederlassungen, alle zum Teil
in nicht zu großer Entfernung vom Mutterhause, gegründet worden. Die Stifterin
begleitete die Schwestern selbst auf den neuen Posten. Im folgenden Jahre errichtete
das Mutterhaus die Stationen zu Mariental (12. Juli), Gerstheim (15. September),
Straßburg (Oktober, zwei Stationen), Zabern (18. November), Jägertal und Wasenberg
(November). Diese beiden letztgenannten Stationen, in den Wäldern bei Niederbronn
gelegen, waren eine wahre Wohltat für die arme Gebirgsbevölkerung, welcher der Vikar
Lienhard aus eigenen Mitteln Kapellen zur gelegentlichen Abhaltung des
Gottesdienstes herstellen ließ. Während des Winters 1851/52 ernährte das Kloster
gegen 300 Arme und Kinder zu Niederbronn, Wasenberg und Neunhofen.
Im Jahre 1852 erfolgten Niederlassungen zu Örmingen im Unterelsaß (17. April)
und zu Kientzheim (17. Mai), Geberschweier, Kolmar, La Chapelle, Altkirch im
Oberelsaß. Nach Allerheiligen konnte Schwester M. Alphons die erste Kolonie auf
deutschem Gebiete gründen: zu Speyer in der Rheinpfalz. Im Elsaß wurden in diesem
Jahr noch Stationen zu Rappoltsweiler, Markirch und Mülhausen errichtet. Am Schlusse
des Jahres 1852 belief sich der Personalbestand der Genossenschaft auf 153
Personen.
38
Angesichts der vielen Gegner, welche die junge Kongregation hatte, mußte die
allgemeine Anerkennung, welche die Schwestern an allen Orten ihrer Wirksamkeit
fanden, im Mutterhause ungemein tröstlich wirken. Keiner freute sich mehr darüber als
der Bischof selbst, der seinen mächtigen Einfluß überall geltend machte zugunsten des
Werkes, das ihm so am Herzen lag. Mitunter veranlaßte er selbst die Berufung von
Schwestern, oder er verschaffte ihnen Vorteile, wie ermäßigte Fahrpreise auf der
Bahnstrecke Straßburg - Basel 39). Um die staatliche Anerkennung allmählich in die
Wege zu leiten, ließ er in allen Gemeinden, in denen die Schwestern Niederlassungen
hatten, amtliche Berichte über ihre Tätigkeit einfordern. Alle diese Berichte, meist im
Dezember 1852 oder im Januar 1853 abgefaßt, sprechen durchweg in den Tönen
höchsten Lobes von dem Wirken der Töchter von Niederbronn; Pfarrer, Ärzte,
Gemeindebehörden beeilten sich, ihre Zeugnisse zugunsten der mancherorts mit
Mißtrauen betrachteten Genossenschaft abzugeben 40). Namentlich in jenen Orten, die
keine Krankenhäuser besaßen, wurde die Anwesenheit dieser frommen, bescheidenen
und geduldigen Krankenpflegerinnen mit Freude begrüßt. Die offiziellen, sog.
Wohltätigkeitsbureaus (Bureaux de Bienfaisance) betrauten vielfach die Schwestern mit
der Armenfürsorge; Vinzenzvereine stellten sie in ihren Dienst; die private Wohltätigkeit
benutzte sie als Verwalterinnen ihrer Liebesgaben, und still und unermüdlich walteten
die Niederbronner Töchter ihres Amtes und errangen sich schnell die Achtung und
Sympathie nicht bloß der Katholiken, sondern auch der Andersgläubigen, denn ihre
Liebesdienste erstreckten sich auf alle Notleidenden und Unglücklichen ohne
Unterschied des Bekenntnisses. Ihre Fürsorge für verwahrloste und bettelnde
Schulkinder, die Sorgfalt, mit der sie sich in den Städten der heranwachsenden
weiblichen Jugend annahmen, die Pflege verlassener Greise und alter Frauen wurde
überall als eine große soziale Wohltat begrüßt. Für die Armenpflege erwiesen sich
diese Schwestern an den meisten Orten geradezu als eine Notwendigkeit. Die seit dem
Ende des 18. Jahrhunderts durch die vom französischen Gesetz vorgeschriebenen
Wohltätigkeitsbureaus geregelte öffentliche Armenpflege hatte im Laufe der Zeit zu
kläglichen Resultaten geführt; dies mußte im Jahre 1854 die Präfekturverwaltung des
Unterelsaß selbst zugeben 41). Bei diesem Mißerfolg der staatlichen und gemeindlichen
Wohltätigkeitspflege kamen die Schwestern wie gerufen. Freudig versichern - um aus
den vielen Berichten einige Beispiele herauszugreifen - Bürgermeister und Rat von
Hochfelden 42), daß die Schwestern die besten Verteilerinnen der Almosen seien: "Bei
ihnen finden 40-50 arme Kinder, die sonst vor den Türen ihr Brot bettelten, täglich einen
gedeckten Tisch. Sie ernähren sie so das ganze Jahr hindurch und gewöhnen sie an
ein eingezogenes, christliches Leben. Sie besuchen jetzt regelmäßig die Schule.
Außerdem werden noch gegen 20 arme und kranke Personen von ihnen verpflegt und
erhalten." "Trösterinnen und Helferinnen der Armen und Kranken" nennt sie der Bericht
von Mommenheim; die Schwestern verwalten die Almosen der Gemeinde. "Wie Engel
des Himmels vermitteln sie zwischen reich und arm; sie besorgen die Kinder in der
Wiege, erziehen sie zur Ordnung, sie sind Schwestern der Liebe für die Kranken,
Familienmütter für die Armen." 43) In Reichshofen gibt man der Freude darüber
Ausdruck, daß die bettelnden und vagabundierenden Kinder jetzt von den Schwestern
zusammengehalten, genährt, gekleidet, zum Gehorsam und zum Schulbesuch
angehalten werden. 44) Dasselbe melden die Behörden von Pfirt, Rufach, Altkirch,
Dambach (bei Niederbronn), Geberschweier, Gerstheim, Hagenau. "Der Eifer der
Schwestern übersteigt alles Lob", meldet der Pfarrer von Wasselnheim dem Bischof 45);
in diesem Industrieort, der kein Hospital besitzt, sei für die Arbeiterbevölkerung die
häusliche Fürsorge eine Notwendigkeit. "Oft weilen die Schwestern ganze Wochen bei
diesen Unglücklichen, opfern sich in wunderbarster Weise auf, nicht nur bei der
Linderung ihrer Leiden, sondern auch bei der Pflege ihrer Kinder. Arm und sich auf das
39
Allernötigste beschränkend, erhalten sie keinerlei Bezahlung und begnügen sich mit der
allereinfachsten Nahrung." Was das Mutterhaus selbst wirkte, faßte der Kantonalarzt
Dr. Kuhn von Niederbronn in die lobenden Worte: "Nicht nur wachen diese frommen
Töchter bei den Kranken, lassen ihnen Tag und Nacht die emsigste Sorgfalt
angedeihen, wobei sie sich allen Ansteckungen aussetzen und jedem Ekel trotzen,
sondern sie dringen auch in die Hütten des Armen, tragen die Tröstungen der Religion
hinein, bringen die Reinlichkeit da zur Herrschaft, wo sie wenig geschätzt war, und
unterrichten selbst die Kinder in den abgelegenen Weilern, wo es vordem weder Lehrer
noch Schule gab."
Die Feuertaufe für die Genossenschaft aber brachte das unheilvolle Cholerajahr
1854. Da zeigte sich der überraschten Welt, welche Fülle von Opfermut und
Heldengeist sich in der jungen Genossenschaft aufgespeichert hatte. Da wurde
offenbar, was Schwester M. Alphons in den Mauern des Mutterhauses in den fünf
Jahren seines Bestehens in der Kunst, Menschen für Gott zu bilden, geleistet hatte.
Freudigen Herzens zogen die jungen Schwestern in die von der Seuche heimgesuchten
Gegenden, wo man ihre Hilfe begehrte. Mutter M. Alphons zögerte keinen Augenblick,
den zahlreichen Gesuchen zu entsprechen. Eine freudig zu nennende Aufregung hatte
sich der ganzen Gemeinschaft bemächtigt. Die Generaloberin feuerte mit begeisterter,
aus der Tiefe ihrer für Gott und die leidende Menschheit glühenden Seele die kleine
Schar ihrer Töchter an, die auf das Schlachtfeld der Nächstenliebe hinauszogen. Eine
Ohrenzeugin hat ihre Worte getreulich aufgezeichnet. Mutter M. Alphons redete also:
"Innig geliebte Kinder!
Wie kostbar ist für euch, als Töchter des göttlichen Erlösers, diese
schreckensvolle Zeit, in welcher die Krankheiten auf so furchtbare Art ausbrechen, daß
die menschliche Natur darob sich entsetzt! Da, liebe Kinder, gilt es die Rettung der
Seelen, die, durch das kostbare Blut unseres göttlichen Heilandes erkauft, so schnell,
so unvorbereitet vom Tode hinweggerafft werden! O lasst euch deren ewiges Heil euer
angelegentlichstes, euer wichtigstes Geschäft sein. Wenn ihr von Müdigkeit erschöpft
seid, von Ekel und Widerwillen überfallen werdet, so eilet hin zum Fuße des Kreuzes,
betrachtet, für wen und warum der Sohn Gottes eines so schmählichen und bitteren
Todes stirbt - für wen? - Ach, für uns alle! - Warum? - Um unsere Seelen zu retten vom
ewigen Untergange und uns den Himmel zu öffnen! Da, beim Anblicke unseres am
Kreuze sterbenden Heilandes, werdet ihr den Wert der Seelen erkennen, erkennen, wie
kostbar eine einzige in seinen Augen ist, da er, um nur eine allein zu retten, bereitwillig
gestorben wäre! Fasset also Mut, geliebte Kinder, seid taub gegen die Stimme der
Natur, die sich widersetzt, verleugnet und überwindet euch selbst! Welch einen Trost
wird es euch gewähren, wenn ihr euch auf eurem Sterbelager sagen könnt: Ich habe
meine blühende Jugend dem Dienste des Herrn geweiht! Verzichtet habe ich ihm
zuliebe auf alles, was die Welt mir anbot und was ich von ihr erwarten konnte; vergönnt
ward mir, als Braut Jesu Christi zu leben, und nun, da ich als Schlachtopfer der
Nächstenliebe falle, wird mir das Glück zuteil, als solche zu sterben!
Fürchtet euch nicht, geliebte Töchter in Christo, wenn ihr, durch anstrengende
Arbeit und Nachtwachen erschöpft, von Ermattung befallen, bei Gebet und Betrachtung
euch kalt und trocken fühlet! Um gut zu beten und zu betrachten, ist es nicht notwendig,
eine fühlbare Andacht zu haben und Tränen zu vergießen. Erweckt in euch das
Verlangen, andächtig zu beten und zu betrachten, verrichtet mit reiner Meinung alle
geistlichen und leiblichen Werke der Barmherzigkeit und stellet das übrige Gott anheim.
Noch eines muß ich euch empfehlen, liebe Kinder: Hütet euch vor eitler Ehre;
fliehet das Lob der Menschen; suchet nie diesen, suchet nur Gott wohlgefällig zu sein!
Trachtet durch Liebe, Sanftmut, Demut dem göttlichen Bräutigam nachzufolgen! Er liebt
die Demütigen, und ihnen gibt er seine Gnade! Gehorchet euch gegenseitig und liebet
40
einander aufrichtig und herzlich! Vergesset nicht die Worte, die ich euch schon
manchmal zugerufen habe: Leidet, betet, schweiget!"
Als im Herbst die schreckliche Epidemie erlosch, kehrten die Schwestern
ermüdet und furchtbar hergenommen von den Strapazen der harten Zeit, aber begleitet
von den Segenswünschen ganzer Provinzen ins Mutterhaus zurück. Die
Genossenschaft hatte in schlimmer Zeit die Probe glänzend bestanden, Die Presse und
die öffentlichen Behörden geizten nicht mit ihrer Anerkennung 46). Auch die Regierung
zögerte nunmehr nicht länger, der Genossenschaft die staatliche Genehmigung zu
erteilen.
Viertes Kapitel.
Die staatliche Genehmigung.
Die hervorragende gemeinnützige Bedeutung des Institutes von Niederbronn
blieb der staatlichen Behörde nicht verborgen. Schon im Jahre 1852 begann man auch
seitens der Regierung, die Dienste der Schwestern zu beanspruchen: bei den großen
Überschwemmungen, die manche Gegenden des Elsasses schwer schädigten, wurden
auf Wunsch des Präfekten vom Niederrhein, der sich an Bischof Räß gewandt hatte,
Schwestern in die am meisten heimgesuchten Gebiete geschickt, um Hilfe in der Not zu
bringen 47).
Es mußte der Kongregationsleitung sehr daran liegen, im Interesse einer
gedeihlichen Weiterentwicklung der Genossenschaft die staatliche Anerkennung zu
erlangen, um gültige Verträge schließen und Legate entgegennehmen zu können. Bei
dem Erwerb von Liegenschaften hatte die Generaloberin als Vertreterin der
Gemeinschaft alles auf ihren persönlichen Namen erworben. Auf die Dauer konnte das
nicht geschehen. So begann man im Jahre 1853 Schritte zu tun, um die gesetzliche
Anerkennung zu erwirken. Auch hier war es Bischof Räß, der die Angelegenheit in die
Hand nahm. Die ehrw. Mutter wandte sich auch an die Gemahlin des Marschalls SaintArnaud 48) zu Paris, eine einflussreiche Dame, die sich von Anfang an für Niederbronn
interessierte. Das erste Gesuch des Bischofs wurde abschlägig beschieden; man
bedeutete dem Bischof im Kultusministerium, es bedürfe, um eine Genossenschaft mit
eigenen Statuten zu genehmigen, eines neuen Gesetzes. Um diese Schwierigkeiten zu
umgehen, müßte die Niederbronner Kongregation einfach die Statuten einer bereits
anerkannten Genossenschaft übernehmen, dann könne man die Genehmigung durch
ein einfaches Dekret erhalten.
Anfangs war weder Reichard noch Mutter M. Alphons gewillt, diesem Ansinnen
nachzugeben. Unterm 24. Februar 1853 teilte der Superior dem Bischof seine
Bedenken mit. Da Räß die Niederbronner Satzungen für gut und dem Geiste der Kirche
durchaus entsprechend befunden habe, so brauche man keine Änderung eintreten zu
lassen. "Seit der Gründung der Genossenschaft sind jetzt vier Jahre verflossen.
Während dieser Zeit haben die Töchter des göttlichen Erlösers ihre Liebestätigkeit zur
Zufriedenheit vieler Leute ausgeübt. Beweis dafür sind die offiziellen Zeugnisse. 180
Schwestern und Postulantinnen tragen ihre Statuten und Regeln im Herzen und halten
daran wie an ihrem Leben. Diese Satzungen, welche den heldenmütigen Eifer der
Schwestern beleben, ziehen uns alle Tage neue Postulantinnen zu; diese Satzungen
jetzt auf einmal ändern, hieße mit einem Schlag die hohe Meinung zerstören, die man
bis jetzt von unserer Genossenschaft hatte. Viele werden dadurch veranlaßt werden,
sie zu verlassen." Man hatte dem Bischof die Statuten der Kongregation der
Schwestern von der guten Hilfe (Soeurs du Bon Secours, dites de Notre-Dame
41
Auxiliatrice, die in Paris in der Rue Notre-Dame-des-Champs wohnten) vorgeschlagen.
"Ich glaube nicht", meint Reichard, "daß wir dieser Kongregation Unehre machen
würden. Aber wer garantiert uns, daß diese ihre Statuten später nicht auch noch
anderen ausgehändigt, welche sich mit Hauskrankenpflege abgeben, aber in anderem
Geist und in anderer Form? Dadurch könnte der Begriff unseres Liebeswerkes
verwischt oder geschwächt werden. Wer schützt uns gegen Spaltung und Trennungen?
Wollte z. B. eines unserer Häuser in Frankreich sich trennen, so wäre dies leicht.
Vielleicht ist es besser, eine günstigere Zeit abzuwarten, um von der Regierung die
Approbation unserer Statuten zu erhalten. Damit wäre uns für später auch die
Anerkennung durch den Heiligen Stuhl erleichtert." Räß möchte doch, so schließt das
bewegliche Schreiben, die Aktenstücke noch einmal dem Minister zuschicken und ihn
bitten, diese dem Staatsrat zu unterbreiten.
Doch waren die Besorgnisse der Kongregationsobern unbegründet. Im Grunde
war der vom Kultusministerium angedeutete Weg nur eine unverbindliche Formalität,
durch welche man den angesichts der innerpolitischen Lage schwierigen Weg eines
neuen Gesetzes umgehen wollte. Als man in Niederbronn darüber aufgeklärt war,
wurde am 10. März 1853 das von der Generaloberin und 16 Schwestern unterzeichnete
Gesuch um die gesetzliche Anerkennung eingereicht und von Räß befürwortet.
Aber es dauerte noch eine geraume Weile, bis der endgültige Bescheid eintraf.
Unterdessen ließ die Staatsregierung ihr Interesse an dem Gedeihen des Werkes durch
den offiziellen Besuch des Präfekten des Unterelsaß bekunden, der am 27. Mai 1853 in
Begleitung des Unterpräfekten von Weißenburg das Kloster und die ehrw. Mutter
besuchte. Im darauf folgenden Cholerajahre konnten die Staatsbehörden verschiedener
Bezirke dem Heldenmute der Niederbronner Schwestern das schönste Zeugnis
ausstellen, ja eine kleine Abteilung war dem französischen Heere auf die Schlachtfelder
der Krim gefolgt. Am 6. November 1854 erfolgte dann die ersehnte staatliche
Anerkennung, welche der Kongregation die Rechte einer juristischen Person verlieh.
Fünftes Kapitel.
Die Gründung einer Bruderkongregation und ihr Ende.
Der Ankauf von Oberbronn.
Von Anfang an hatten die Stifter ihr Werk nur im Vertrauen auf die göttliche
Vorsehung gegründet. Wir sahen, wie dieses Vertrauen nicht getäuscht wurde. Die
Schwestern betrachteten den hl. Joseph, der ihre besondere Verehrung genoß,
gewissermaßen auch als ihren Nährvater, so wie ihn der demütige Glaube Reichards
bei Ausführung der großen Klosterbauten als seinen Baumeister betrachtet hatte. Bis
zum Jahre 1853 hatten diese Bauten einen Aufwand von fast 130000 Franken erfordert.
Dazu kam der Unterhalt der immer zahlreicher werdenden Klosterfamilie, Ausgaben für
Kleidung und Reisekosten der auf ihre Mission ziehenden Schwestern, ganz abgesehen
von den Unkosten, welche die vom Mutterhaus unterstützten zahlreichen Armen und
Kindern verursachten. Sichere Einnahmequellen existierten nicht. In der Hauptsache
war man angewiesen auf die sogenannte Mitgift, welche die eintretenden
Postulantinnen mitbrachten; aber die größere Anzahl kam mit leeren Händen, und die
für die Vermögenderen festgesetzte Summe überstieg 800 Franken nicht. Bevor das
Werk in seinen auswärtigen Niederlassungen nicht fest organisiert war, konnten auch
die in der Ferne weilenden Schwestern, sofern sie für ihre Dienste in manchen
städtischen Anstalten entlohnt oder für ihre Hauskrankenpflege reichlicher beschenkt
wurden, das Mutterhaus nicht unterstützen. Die Kongregationsleitung hatte anfänglich
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durch den Erwerb kostspieliger Häuser in Andlau und Hagenau beträchtliche Summen
ausgegeben, statt daß man, wie es von nun an die Regel wurde, die Gemeinde oder
wohltätige Vereine für eine Wohnung der Schwestern sorgen ließ, wenn nicht jemand
ausdrücklich ein Kapital zum Bau einer Wohnung gestiftet hatte. So taten mitunter an
Reichard und die ehrw. Mutter doch sorgenvolle Stunden heran, in denen man mit
einigem Bangen in die Zukunft blicken mußte. Seitdem die Anzahl der Niederlassungen
sich vermehrte, für welche das Mutterhaus selbst oft schwere Opfer bringen mußte,
schloß die Jahresbilanz mit einem beträchtlichen Fehlbetrag ab, der im Jahre 1858
beispielsweise sich auf fast 10000 Franken belief. In einem Augenblick großer
Bedrängnis hatte Bischof Räß ein Darlehen von 20000 Franken gewährt - ein
Gläubiger, von dem man wenig zu befürchten hatte.
Angesichts dieser unsicheren Lage kamen die Obern auf den Gedanken, den
Feldbau in größerem Stile zu betreiben, um so das Mutterhaus mit seinen vielen
Insassen leichter und billiger mit den wichtigsten Nahrungsmitteln zu versorgen. Die
Pachtzinsen der Feldgüter um Niederbronn herum waren nicht hoch. Freilich konnte
man den Schwestern die Bewirtschaftung größerer Grundstücke nicht zumuten, und an
bezahlte männliche Arbeitskräfte war wegen der nicht rosigen Finanzlage gar nicht zu
denken; solche hätten auch von vornherein die Ertragsfähigkeit des geplanten
Unternehmens ausgeschlossen.
Der Superior wußte Rat; man gründete eine kleine Genossenschaft von
Laienbrüdern.
Zweck und Einrichtung dieser Bruderkongregation war in ihren Statuten
folgendermaßen umschrieben: Die Brüder treiben Ackerbau, um die Produkte ihrer
Arbeit zum eigenen Unterhalt und dem der Schwesternkongregation zu verwenden. Sie
hängen auch ganz von dieser ab. Ersparnisse dürfen nur für karitative Zwecke
angewendet werden, nicht zum Ankauf von Ländereien. Die Kongregation steht unter
dem Schutz des hl. Joseph. Aufnahme finden nur Zölibatäre oder Witwer. Sie wird
geleitet durch einen vom Bischof zu ernennenden Geistlichen und einen Direktor für die
materiellen Angelegenheiten. Die Zentralverwaltung hängt von der Generaloberin ab,
der Superior der Schwesternkongregation hat auch die geistliche Oberleitung. Der
Beichtvater ist zugleich Novizenmeister. Das Noviziat dauert ein Jahr; dann erhalten die
Brüder das vorgeschriebene Kleid und legen nach unbestimmter Zeit mit Genehmigung
des Bischofs die drei Gelübde auf fünf Jahre ab. Beim Austritt aus der Kongregation
werden die geleisteten Arbeiten nicht vergütet. Die Brüder bebauen ihre und des
Schwesternklosters Güter, sie sorgen für die Herbeischaffung des Winterbrennholzes
und der nötigen Vorräte, überwachen und leiten die Bauarbeiten und Reparaturen. Sie
haben ihren Obern Gehorsam zu leisten, sich in den Tugenden der Einfachheit, Demut,
gegenseitigen Liebe, Geduld und Sanftmut zu üben. Da sie das Gelübde der Armut
abgelegt haben, dürfen sie ohne Ermächtigung nichts besitzen.
Der Name Niederbronn übte Zugkraft aus, so daß eine hinreichende Zahl
Kandidaten dem Aufruf Folge leisteten; sie kamen fast alle aus Deutschland herbei;
Bayern und Baden lieferten die meisten. Reichard hatte am östlichen Ende von
Niederbronn einen Bauernhof mit angrenzenden Grundstücken erworben, der durch
Umbau zur Aufnahme der Brüder und ihres geistlichen Leiters hergerichtet wurde. Ende
1854 konnte er schon bezogen werden. Eine kleine angebaute Kapelle wurde am 21.
Juni 1855 durch den Domkapitular Doffner, den außerordentlichen Beichtvater der
Schwesternkongregation, eingeweiht. Der erste geistliche Vorsteher der
Brüdergemeinschaft war Felix Andreck, der sie nach zwei Jahren wieder verließ 49).
Neben dem Bruderkloster, auf der sanft aufsteigenden Berghalde, war seit Juni
1853 ein besonderer Friedhof für die Schwestern angelegt worden. Als erste stille
Bewohnerin trug man am 18. Juni dieses Jahres die Schwester M. Paul hinauf, die noch
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auf dem Sterbebette Profeß gemacht hatte. Die feierliche Einweihung des Friedhofes
und des großen Kruzifixes fand am 15. Oktober 1855 im Beisein aller Schwestern des
Mutterhauses und der Katholiken der Pfarrei statt; bei dieser Gelegenheit hielt der
Jesuitenpater Schlosser eine vielbemerkte Predigt.
Auch das Bruderkloster erhielt schon bald zwei Filialen: die Gutshöfe Quelingen,
im lothringischen Kreise Diedenhofen gelegen, und Singlingen im Kreise Saargemünd.
Das Mutterhaus war in den Besitz dieser Güter gelangt durch zwei Schwestern, die
Töchter des Friedensrichters Nicolas zu Pont-à-Mousson, die zu Niederbronn
eingetreten waren 50). Auf beide Höfe wurden Brüder gesandt, um sie rationell zu
bewirtschaften. Da aber Quelingen, dessen Bodenfläche 51 ha umfasste, zu weit
entfernt war, so verkaufte die ehrw. Mutter das Gut für 40000 Franken und erwarb für
den Erlös ein anderes großes Gut, das 45 ha umfasste, in unmittelbarer Nähe von
Singlingen. Hier wurden nun große Umbauten vorgenommen, auch eine neue Kapelle
wurde errichtet. Man scheute die großen Unkosten - ca. 100000 Franken - nicht, weil
man sich von diesem stattlichen, jetzt schön abgerundeten Gute beträchtliche
Einnahmen versprach. Aber diese Erwartungen sollten sich nicht erfüllen.
Singlingen ist stets das Sorgenkind des Mutterhauses geblieben. Man mußte
schon einen eigenen Geistlichen dort unterhalten 51). Dazu lud sich das Anwesen im
Jahre 1861 eine neue Last auf, indem die Kongregationsobern beschlossen, ein
Waisenhaus auf dem Gute einzurichten, um der Genossenschaft mehr Sympathien in
Lothringen zu gewinnen. Man hatte von Anfang an in den maßgebenden kirchlichen
Kreisen der Diözese Metz das Unternehmen in Singlingen nicht sehr freundlich begrüßt.
Der Präfekt 52) des Moseldepartements gestattete die Errichtung des Waisenhauses, für
das man zunächst Kinder aus der Waisenanstalt St. Nikolaus zu Metz annahm. Im
Jahre 1864 siedelten auch die Waisenkinder aus dem aufgelösten Waisenhause
Neunhofen, das in der Nähe von Niederbronn vom Mutterhause unterhalten worden
war, nach Singlingen über. Eine Zeitlang schien es, als wollte die Kolonie in Singlingen
wohl gedeihen. Die ehrw. Mutter zog sich, um sich von Überarbeitung und
Krankheitsfällen zu erholen, gerne in die Abgeschiedenheit von Singlingen zurück und
sah nach dem Rechten. Noch kurz vor ihrem Tode hatte sie hier drei Wochen
zugebracht. Nach ihrem Abscheiden verlegte ihre Nachfolgerin das Bruderkloster in
Niederbronn, das bisher als Mutterhaus der Brüdergenossenschaft gegolten hatte, ganz
nach Singlingen, um nicht eine doppelte geistliche Leitung zu benötigen. In dem
Niederbronner Bruderhof brachte man eine Waisenanstalt unter, welche die Stelle des
aufgehobenen Hauses in Neunhofen vertrat. Dazu kam, daß sich die Zahl der Brüder
merklich verringerte; neue Anmeldungen erfolgten nicht. Der Personalbestand der
Brüdergenossenschaft genügte allmählich nicht mehr den Anforderungen, welche die
Gutsbewirtschaftung stellte, und der Betrieb durch Zuhilfenahme bezahlter Taglöhner
stellte die Rentabilität des Gutes in Frage, ebenso die weite Entfernung vom
Mutterhause.
Der spätere Superior Sattler, in dessen Augen die ganze Brüderkongregation
keine Gnade fand, weil er sie mit Recht als den kirchenrechtlichen Bestimmungen
zuwiderlaufend ansah, wandte sich bei seinem Aufenthalt in Rom mit einer Anfrage an
die Kongregation der Bischöfe und Regularen, ob eine solche Gründung den kirchlichen
Gesetzen nicht zuwiderlaufe, worauf man ihm bedeutete, daß dieses Institut durchaus
irregulär sei. Damit war das Schicksal Singlingens schon entschieden. Bischof Räß
löste die Brüderkongregation auf und gestattete, das Singlinger Gut zu verkaufen. Im
April 1870 verließen die Brüder Singlingen und zerstreuten sich in alle Welt, einige
gingen nach Algerien unter die Fahne des Bischofs Lavigerie 53). Die Schließung des
Waisenhauses erfolgte am 1. Juni, und am 26. dieses Monats kehrten auch die
Schwestern, die den Haushalt besorgt hatten, ins Mutterhaus zurück. Es war ein Glück,
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daß sich ein Käufer gefunden hatte, der um eine annehmbare Summe das ganze
Anwesen erwarb 54). Kaum einen Monat später brach der deutsch-französische Krieg
aus, und die Kaufsumme mußte, wenngleich sie mit den großen Opfern, die man für
das Gut gebracht hatte, nicht im Einklang stand, für die nun folgende schwere Zeit als
ein Geschenk des Himmels erscheinen.
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Von ganz anderer Bedeutung aber sollte sich der Erwerb eines anderen Gutes
für die zukünftige Entwicklung der Kongregation erweisen: der Ankauf des Schloßgutes
von Oberbronn, in nächster Nähe des Mutterhauses. Das erfreuliche Wachstum der
Genossenschaft, zu der aus Frankreich, Deutschland und Österreich der Zuzug immer
reger wurde, seitdem die Gründung von Niederlassungen die Straßburger
Bistumsgrenze weit überschritten hatte, ließ die Obern erkennen, daß auf die Dauer die
Gebäulichkeiten in Niederbronn nicht ausreichten. Superior Reichard, der im März 1856
endgültig seine Pfarrstelle aufgab, um sich ganz dem Werke der Genossenschaft zu
widmen 55), mußte beizeiten Vorsorge treffen, um das wachsende Personal
unterzubringen. Die bereits errichteten Klosterbauten zu vergrößern ging nicht gut an,
weil man in der Umgebung keinen Baugrund mehr erwerben konnte.
Da bot sich eine unerwartet günstige Gelegenheit. Die Inhaber des am Eingang
des Dorfes Oberbronn gelegenen Schlosses Oberbronn 56), die Familie des Grafen Karl
August von Strahlenheim, wollte es mit allen Liegenschaften veräußern. Die malerische
und gesunde Lage ließen das Anwesen als besonders geeignet für die Anlage eines
Noviziates erscheinen. Trotz der wenig günstigen finanziellen Verhältnisse zögerte man
im Mutterhause nicht, die gute Gelegenheit zu benutzen, und am 17. Dezember 1857
wurde der vorläufige Kaufakt mit den Erben Strahlenheim abgeschlossen. Bei der
niedrigen Kaufsumme von 60000 Franken war das Geschäft für die Kongregation
äußerst vorteilhaft. Durch kaiserliches Dekret vom 7. Juli 1859 wurde der Erwerb
gesetzlich anerkannt 57).
Schon im Sommer 1858 verlegte man das Noviziat nach dem neuen Besitz, der
allerdings nur mit ziemlichem Kostenaufwand diesem Zweck dienstbar gemacht werden
konnte. Die hölzerne Umzäunung des Parkes und des Gartens wurde durch eine Mauer
ersetzt. Der rechte Flügel des oberen Gebäudes, in welchem die Pferdestallungen
untergebracht waren, wurde in eine Notkapelle umgewandelt. Darüber legte man die
Räume für das Noviziat an. Zum Beichtvater und Hausgeistlichen wurde der Abbé
Birgentzle ernannt; die Heranbildung der Novizen oblag auch hier der bestbewährten
Novizenmeisterin Schwester M. Joseph. Bis 1870 blieb das Noviziat in Oberbronn, wo
es wieder mit dem Mutterhaus in Niederbronn vereinigt wurde. 1880 endlich ist
Oberbronn selbst das Mutterhaus, die neue Wiege der Genossenschaft geworden. In
den darauf folgenden Jahren hat es allmählich das Aussehen genommen, das heute
den Besucher erfreut.
Man kann sich für eine große klösterliche Niederlassung, in der junge Menschenkinder sich ausbilden sollen für den erhabenen Beruf der im Dienste der Armen und
Kranken sich aufopfernden Klosterfrau, nicht leicht einen passenderen Ort denken. Die
brandenden Wogen des unruhigen Weltgetriebes machen Halt vor dieser gesegneten
Bergeinsamkeit. Schützend und hegend steigt hinter den Klosterbauten eine waldige,
steile Bergwand auf. Wohlgepflegte Weingärten schmiegen sich an den Waldrand, und
lichte Haine von mächtigen Edelkastanien verleihen dem Landschaftsbild fast etwas
Südländisches. Wenn der Frühling ins Land kommt und die zahllosen Obstbäume auf
dem fruchtbaren Hügelgelände ringsum mit weißen und rosaroten Blütenschleiern
behängt und der lenzblaue Himmel die grünen Matten und sprossenden Saatfelder
anlacht, möchte man sich in ein kleines Stück Paradies versetzt glauben. Dann flöten
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im prächtigen Klosterpark in dem Buschwerk, das die Lourdesgrotte umgrünt, die
Amseln; um die blütenweißen Spalierpyramiden des sanft aufsteigenden, sonnigen
Gartens summen die Bienen, und die wärmende Sonne saugt sich gierig ein in die weit
geöffneten Fenster des luftigen Krankenhauses, dankbar begrüßt von den Siechen und
Müden, die als frühe Opfer ihres harten Berufes in den weißen Kissen gebettet meist
mit allen Hoffnungen des Diesseits abgeschlossen haben und still und gottergeben dem
Lohne ihres Opferlebens entgegenharren.
Steigt man hinter dem Klostergarten den steinigen Bergpfad hinauf und blickt in
halber Bergeshöhe, etwa von den Zinnen des Bückelsteinfelsens, ins lachende Land
hinaus, so staunt man über so viel prunkende Naturschönheit. Wie Schwalbennester
kleben die Häuser des lang gestreckten Dorfes Oberbronn am Bergabhang des
Wasenköpfels; manches Dach liegt fast ganz versteckt im Blütenmeer der Kirsch- und
Birnbäume. So weit das Auge reicht, sieht man bis an den verschwimmenden Horizont
auf den Wiesen und braunroten Äckern des sanftgewellten Landes die Riesensträuße
blühender Obstbäume. Die roten Dächer und malerischen Kirchtürme freundlicher
Dörfer grüßen von allen Seiten herauf. Das Auge haftet zuerst auf dem ganz unten in
der Talsohle versteckten Städtchen N i e d e r b r o n n , dessen saubere Häuser sich um
die berühmte Heilquelle scharen, die seit der Römer Zeiten von nah und fern Leidende
und Erholungsbedürftige herbeilockte 58). Ein halbes Stündchen davon entfernt ragt der
stattliche Kirchturm des Fleckens Reichshofen empor, der sich auf der breiter
gewordenen Talebene ausdehnt. Wir sehen eine breite, weiße Fahrstraße diesen Ort
verlassen und einen sanft aufsteigenden, waldbewachsenen Hügel sich
hinaufschlängeln, der von einer stattlichen, schlanken Kirchturmspitze überragt wird.
Dort liegt Fröschweiler und, unserem Auge unsichtbar, zu Füßen des im Nordosten die
Aussicht begrenzenden Liebfrauenberges das Städtchen Wörth. Auf diesen Gefilden
spielte sich am 6. August 1870 das blutige Drama der großen Schlacht ab. Überhaupt
steht man hier auf altehrwürdigem, durch geschichtliche Erinnerungen geheiligtem
Boden. Auf dem Ausläufer, den der stattliche Wintersberg jenseits des Tales vorschickt,
hatten die Kelten schon ein festes Lager angelegt, und ihm gegenüber, auf dem Berg,
an den sich die malerische Wasenburg anschmiegt, schützten die erobernden Römer
durch feste Verschanzungen die wichtige Heerstraße, die ins Lothringerland führt und
heute noch durch die Festung Bitsch gedeckt wird.
Aber auch an religiösen Erinnerungen fehlt es nicht. Im ausgedehnten
Flachwalde, der sich nach Sonnenaufgang zu um die Türme der in der Ferne sichtbaren
Stadt Hagenau lagert, dem heiligen Forste des Mittelalters, lagen einstmals stattliche
Klöster versteckt; die fromme Legende läßt den heiligen Bischof Arbogast, den Patron
der altehrwürdigen Straßburger Diözese, im Schatten seiner mächtigen Eichen ein
weltabgeschiedenes Klausnerleben führen. Vom Liebfrauenberg bei Wörth drüben
grüßen die verlassenen Mauern des ehedem viel besuchten und im Orte Görsdorf zu
neuem Leben erwachten Wallfahrtsortes Maria-Eich herüber, und wenn die Luft
besonders klar ist, erblickt das Auge weit droben im Süden in der blauen Vogesenkette
den auffallenden Bergkegel, auf dessen stumpfer Spitze die liebenswürdige Gestalt der
elsässischen Vorzeit, die hl. Odilia, ihr berühmtes Kloster gründete. Unter ihren, der
Patronin des christkatholischen Elsasses Schutz hat darum auch die
Kongregationsleitung das neue, große Krankenhaus zu Straßburg-Neudorf gestellt.
Sechstes Kapitel.
Die rasche Verbreitung der Schwestern in fremden Diözesen.
Lob durch die Bischöfe. Das päpstliche Belobigungsdekret von 1863
46
und die päpstliche Approbation von 1866.
Rascher als man je erwarten konnte, allen Gegnern zum Trotz, denen das
Aufblühen des Niederbronner Werkes ein Dorn im Auge war, verbreiteten sich die
Schwestern.
Die staatliche Approbation hatte der Genossenschaft die feste Grundlage
gegeben, auf der sie zunächst im eigenen Lande weitergedeihen konnte. Die
aufopferungsvolle Tätigkeit der Schwestern in den Cholerajahren 1854 und 1855 hatte
ihnen in den entferntesten Gegenden, wohin die Tagespresse ihr Lob trug, Liebe und
Bewunderung eingetragen. Nachdem die Genossenschaft zunächst in der
Heimatdiözese festen Fuß gefasst hatte 59), konnte sie daran denken, in anderen
Sprengeln Niederlassungen zu gründen. Hatte die Stifterin in wohlberechnender
Klugheit anfangs Bedenken getragen, ihre Töchter zu weit fortzuschicken, so
entwickelte sie in den späteren Jahren, als sie mit freudigem Dank gegen Gott das
Blühen und Gedeihen ihres Werkes verfolgen konnte, eine fast fieberhafte Tätigkeit für
dessen Verbreitung, die den bedächtigen Superior nicht ohne Grund zuweilen mit
einiger Besorgnis erfüllte. Aber sie wußte solche Anwandlungen mit wirksamen
Gründen zu verscheuchen. Als eines Tages eine Postulantin - die spätere Schwester
Lukretia - im Refektorium während der Mahlzeit aus dem Buche der Heiligen vorlas,
kam die ehrwürdige Mutter in dem Augenblick herein, als die Stelle gelesen wurde: "So
sollte sein Name (d. i. Gottes) auf der ganzen Welt verbreitet werden." Da unterbrach
sie die Vorleserin, nahm ihr das Buch aus der Hand und verließ den Saal. Lächelnd
kam sie wieder zurück und sagte: "Ich war beim ehrwürdigen Vater, habe ihm diese
Stelle vorgelesen, weil er immer sagt: 'Aber, ehrwürdige Mutter, schon wieder ein
Haus?' und sagte ihm: Ehrwürdiger Vater, will der liebe Gott, daß dieses sein Werk
verbreitet werde, so hören Sie auf das, was ich meine." 60) Solchen Vorstellungen setzte
der Superior, der der Stifterin fast blindlings vertraute, keine Weigerung entgegen.
In der Nachbardiözese Metz war schon im Jahre 1851 zu Saaralben ein Haus
gegründet worden. Im folgenden Jahre kam die Diözese Speyer dran, deren Oberhirte
Bischof Weis ein vertrauter Freund von Räß war, zunächst eine Station in Speyer, der
bald weitere folgten in Landstuhl (1854), Herxheim und Rülzheim (1855). In der
Erzdiözese Besançon machte Ornans im Jahre 1853 den Anfang, worauf Marnay
(1862) sich anschloß. Im Bistum Nancy leitete die Gründung des Hauses von Pont-áMousson im Jahre 1853 die Errichtung weiterer Stationen zu Lunéville (1855) und Toul
(1856) ein. In der Diözese St. Dié erstand Epinal (1855), später Tendon (1856), St. Dié
(1864), Gererdmer (1867). Langres erhielt 1857 die erste Niederlassung, Châlons zwei
Jahre später.
Aber auch über das katholische Deutschland ergoß sich vom Mutterhaus in
wenigen Jahren eine ganze Fülle von Filialen. Kaum konnten die Obern den vielen
Anfragen genügen, die fort und fort von jenseits des Rheins nach Niederbronn
gelangten. Überall wollte man die Töchter des göttlichen Erlösers haben. Und so gingen
zahlreiche Schwestern, die einst die deutsche Heimat verlassen hatten, um in
Niederbronn ihr Leben Gott und dem Dienste des Nächsten zu weihen, freudigen
Herzens in die väterlichen Gaue zurück, wo man sie mit Sehnsucht und Liebe aufnahm.
Das Bistum Würzburg wurde am reichsten bedacht; in rascher Folge entstanden die
Töchterhäuser zu Kissingen (1855), Werneck (1856), Würzburg (1857), Dettelbach
(1858), Kitzingen, Karlstadt, Heidingsfeld, Arnstein, Aschaffenburg (alle 1860), Lohr
(1861), Haßfurt (1863), Ochsenfurt und Miltenberg (1865). Leider sollte dieser blühende
Zweig bald vom Baume getrennt werden. Das ferne Wien empfing 1857 die ersten
Schwestern, ja im ungarischen Lande, zu Ödenburg in der Diözese Raab, entstand im
Jahre 1863 eine Filiale, die freilich auch bald mit der Wiener Niederlassung die
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Verbindung mit dem Mutterhause lösen sollte. Seit 1857 hatte die Münchner Erzdiözese
den Niederbronner Schwestern die Tore geöffnet. In der Stadt München selbst
entstanden nacheinander drei Stationen, deren eine, das Haus in der
Buttermelcherstraße, nach langjährigen Wirrsalen einen großartigen Aufschwung
erlebte; dann kam Haidhausen (1858), Fürstenfeldbruck (1859), Laufen (1861),
Tittmoning (1865), Tegernsee (1867). Im Bistum Eichstätt wurden Hilpoltstein (1858),
und Kipfenberg (1867) gegründet; zukunftsreiche Missionen faßten im Erzbistum
Freiburg Wurzel: Karlsruhe (1857), Heidelberg und Rastatt (1859), Bruchsal und
Mannheim (1859), während im Mainzer Sprengel das Haus in Darmstadt (1859) den
Reigen eröffnete für eine Reihe von Filialen, die noch alle der Energie der Stifterin ihren
Ursprung verdanken, so Heppenheim (1861), Bensheim, Dieburg, Seligenstadt (1867).
Keiner blickte mit größerer Genugtuung auf dieses Werk wunderbaren Wachsens
und Gedeihens als der Straßburger Bischof. Unter seiner schirmenden Hand war das
von Gott so reich gesegnete, von den Menschen gepriesene, aber auch angefeindete
Werk zu einer Achtung gebietenden Organisation herangewachsen, deren Segen sich
über verschiedene Länder verbreitete. Nun fehlte, um die kirchenrechtliche Stellung der
Genossenschaft zu begründen, noch die öffentliche Anerkennung durch die oberste
kirchliche Behörde, den Heiligen Stuhl. Räß wartete den Erfolg ab, ehe er die
kanonische Bestätigung einholte. Er hatte daher in Rom keinerlei Mitteilung gemacht
über die Tätigkeit der Schwesterngenossenschaft während der ersten acht Jahre ihres
Bestehens. Von anderer Seite aber hatte die Kongregation der Bischöfe und Regularen
doch Nachrichten über ihr Dasein erhalten; denn am 16. Januar 1858 fragte der Präfekt
dieser Kongregation bei Räß an, ob die unter dem Namen der "Schwestern des
göttlichen Erlösers" in seiner Diözese wirkende geistliche Genossenschaft schon vom
zuständigen Bischof oder von Rom approbiert sei, welchen Zweck sie verfolge und ob
sie nicht mit den unter der Regel des hl. Alphons lebenden Schwestern ähnlichen
Namens verwechselt werden könnte. Räß antwortete am 2. Februar und erstattete
genauen Bericht über die Niederbronner Kongregation, die Art ihres Wirkens, ihre
besondere Kleidung, die sie von anderen Kongregationen unterscheidet. Bis jetzt sei sie
nur vom Diözesanbischof und indirekt von andern Bischöfen, in deren Sprengeln sie
wirke, approbiert worden. Er hätte um die Approbation von Rom noch nicht
nachgesucht, da er warten wollte, bis sich die neue Familie gefestigt, verbreitet und
bewährt habe. Gleichzeitig drückt Bischof Räß den Wunsch aus, die Approbation des
Heiligen Stuhles für die Genossenschaft zu erhalten.
Zu diesem Zwecke richtete er am 12. Dezember 1858 an sämtliche Oberhirten,
in deren Diözesen bereits Niederbronner Schwestern tätig waren, die Bitte, sie möchten
ihm Zeugnisse über das Wirken und die Führung seiner Schwestern ausstellen, damit
er sie dem Heiligen Stuhl unterbreiten könne. Alle angegangenen Prälaten willfahrten
sofort diesem Wunsche. Ihre Zeugnisse sind wirkliche Ruhmesblätter im
Geschichtsbuche der Kongregation. Der Geschichtsschreiber muß sie sorgfältig
buchen. Der Kardinal und Erzbischof von Besançon bezeugt (18. Dezember 1858), daß
die frommen Töchter mit Eifer alle christlichen Liebeswerke an Kindern, Kranken und
Armen ausüben. Durch ihr strenges, tugendhaftes Leben gereichen sie überall zur
Erbauung. Der Bischof von Nancy rühmt ihnen nach, daß sie stets bereit sind, für die
leidenden Mitbrüder ihr Leben einzusetzen; alle Werke der Nächstenliebe vollführen sie
mit einem über alles Lob erhabenen Eifer und geben das Beispiel jeglicher Tugend 61).
Aus seiner Bischofsstadt Langres meldet der Oberhirte, daß die Schwestern jede Art
von leiblicher und geistiger Fürsorge den Armen und Leidenden angedeihen lassen und
die Verehrung und Sympathie der Gläubigen durch ihr einfaches, unbescholtenes,
demütiges und aufopferungsvolles Leben in höchstem Maße erworben haben 62). Der
Bischof von St. Dié wünscht sehnlichst, daß die Zahl der Schwestern unter seiner
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Herde sich vermehren möge, so groß ist ihr Opfergeist und die Liebe zu den Armen und
Kranken 63). Auch der Bischof von Metz ist voll des Lobes 64).
Die deutschen Prälaten sind nicht weniger freigebig mit anerkennenden Urteilen
über das soziale und karitative Wirken der Schwestern in ihren Diözesen. Kardinal
Rauscher, der Erzbischof von Wien, lobt ihr erfolgreiches Wirken in der Krankenpflege
und in der Erziehung von Mädchen, ihr frommes, demütiges und abgetötetes Leben. Er
drückt - das sei besonders hervorgehoben - den Wunsch aus, daß die Genossenschaft,
um nicht mit den Redemptoristenschwestern verwechselt zu werden, etwa den Namen
"Schwestern vom Allerheiligsten Heilande" annehmen könnte 65).
Demnach geht diese Bezeichnung, die seit 1863 eingeführt wurde, auf die
Anregung des Kardinals von Wien zurück. Der Münchner Erzbischof Gregorius Scherr
bezeugt66), daß die Schwestern Tag und Nacht den Werken der Religion, Frömmigkeit
und Barmherzigkeit obliegen und das Lob und die Anerkennung von jedermann
errungen haben. In Würzburg hebt der Generalvikar Dr. Reißmann 67) neben dem
vorbildlichen Tugendleben den Opfermut der Krankenschwestern hervor, der bei
Katholiken und Protestanten ungeteilte Anerkennung finde. Dies habe sich neulich bei
dem Begräbnis zweier kurz nacheinander verstorbenen Schwestern gezeigt, die sich im
Krankendienst aufgerieben hatten. Aus allen Bevölkerungsschichten sei eine unzählige
Menge den Leichen gefolgt. Der allgemeine Wunsch der Bevölkerung gehe dahin, daß
die Schwestern sich in ihrer Aufopferung mäßigten. Bischof Nikolaus Weis von Speyer
bekundet, daß die Ordensfrauen überall das beste Beispiel geben und durch ihr
barmherziges Wirken sowohl der katholischen Kirche zur Zierde als auch dem Staate
zum größten Nutzen gereichen 68). Der Erzbischof von Freiburg, Hermann v. Vicari,
begleitete die Zeugnisse, die er an Räß übersandte, mit den Worten: "Zu meiner
größten Freude haben alle die Priester, welche mit der geistlichen Leitung dieser
ehrwürdigen Schwestern betraut sind, ein wahrhaft glänzendes Zeugnis über sie
abgegeben." 69)
Alle diese Kundgebungen der kirchlichen Autoritäten zeigen hinlänglich, wie
rasch sich das Werk der einstigen Niederbronner Bauerntochter die allgemeine
Anerkennung erworben hatte. Der aus dem kleinen Senfkorn entsprossene Baum
überschattete mit seinem Blätterdache schon weite Striche, und zahlreiche Menschen
freuten sich des Segens, den er spendete.
Auf die ehrenvollen Zeugnisse seiner bischöflichen Amtsbrüder gestützt, wandte
sich Andreas Räß in einem feierlichen Schreiben unterm 29. November 1859 an den
Heiligen Vater. Er berichtet darin zunächst in kurzen Worten von der Gründung und
dem Zweck der Kongregation von Niederbronn, die von Anfang an sich von jeder
Genossenschaft unterschieden habe. Anfänglich war es ein bloß für die Straßburger
Diözese bestimmtes Institut zur Pflege der Kranken, Armen und Waisen, aber längst
hätte es diese Grenzen überschritten und in anderen Sprengeln Zweigniederlassungen
gegründet. Bis jetzt stand die Genossenschaft unter seiner, des Diözesanbischofs,
Autorität, dessen süßer Trost es war, den aus bescheidenem Samenkorn geweckten
Baum fleißig zu hegen und zu pflegen. Jetzt, nachdem dieser schon reichliche Früchte
getragen, nachdem die frommen Jungfrauen sich um die ganze Kirche schon so
hochverdient gemacht, nachdem sie namentlich in der schrecklichen Cholerazeit
heroische Beweise ihrer Nächstenliebe gegeben haben, möge der Heilige Vater selbst
die neue Kongregation in seinen Schutz nehmen, ihr die Rechte und Freiheiten der
kanonischen Bestätigung erteilen und ihre Konstitutionen genehmigen, Die zahlreichen
beigelegten Zeugnisse der Bischöfe mögen seine Bitten unterstützen.
In Rom übereilt man sich nicht. Die Behörden arbeiten mit kluger
Bedachtsamkeit. So dauerte es noch mehrere Jahre, bis die päpstliche Bestätigung
erfolgte. Vorerst erhielt die Kongregation das übliche Belobigungsdekret, ausgestellt am
49
7. März 1863, wodurch der Heilige Vater das Institut höchlichst belobt und empfiehlt.
Diesem Dekret waren noch eine Reihe wichtiger "Bemerkungen" beigegeben, welche
folgende Punkte betreffen: 1. Der Name der Kongregation muß geändert werden; sie
nennt sich von jetzt ab G e n o s s e n s c h a f t d e r S c h w e s t e r n v o m
A l l e r h e i l i g s t e n H e i l a n d . 2. Es müssen Konstitutionen abgefaßt werden, welche
einheitlich, klar und vollständig sind. (Es scheint, daß die von Räß vorgelegten, im
Jahre 1855 gedruckten Statuten den römischen Juristen nicht zusagten.) 3. In den
Konstitutionen darf nichts erwähnt werden von Knaben und Greisen. 4. Die schwierigen
Fälle, in denen die Zustimmung des Rates der Genossenschaft erforderlich ist, müssen
festgelegt werden: Einkleidung, Profeß, Verkäufe, Aufnahme von Kapitalien, Verträge.
5. Über die Stellung des Diözesanbischofs zur Genossenschaft wird bestimmt: Da es
sich um ein über viele Bistümer verbreitetes Institut handelt, sei es feste Gepflogenheit
des Heiligen Stuhles, in keiner Weise zu gestatten, daß der Bischof, in dessen Diözese
das Mutterhaus liegt, die Oberleitung habe und die Generaloberin ernenne, damit der
Jurisdiktion der andern Bischöfe kein Eintrag geschehe; man gestattet nur, daß der
Bischof, in dessen Sprengel das Generalkapitel abgehalten wird, als Delegierter des
Heiligen Stuhles den Vorsitz im Kapitel führe, die Wahl der Generaloberin bestätige und
einen Bericht über den Verlauf des Kapitels an die heilige Kongregation sende. 6. Es ist
gegen den gewöhnlichen Brauch, daß die auf drei Jahre gewählte Generaloberin ohne
neues Kapitel mit Erlaubnis des Bischofs wieder drei Jahre im Amte bleibt. 7. Den
einzelnen Schwestern bleibt es freigestellt, den Ertrag ihres väterlichen Vermögens der
Genossenschaft oder sonst jemand zuzuwenden. 8. Novizinnen dürfen während des
Noviziates nicht außerhalb des Novizenhauses weilen. 9. In den Konstitutionen muß
festgelegt werden, daß die Generaloberin alle drei Jahre einen genauen Bericht über
die Lage der Genossenschaft nach Rom sendet 70).
In diesen "Bemerkungen" sind so ziemlich alle Bedingungen angedeutet, die eine
Genossenschaft zu erfüllen hat, welche die päpstliche Approbation erstrebt 71). Manche
von ihnen waren bisher in der Niederbronner Klosterfamilie noch nicht beobachtet
worden. Bischof Räß scheint der Stifterin für die innere Leitung der Kongregation
weitgehende Freiheit gestattet zu haben, deren selbstherrliche Ausübung wohl einer
straff organisierten Disziplin zugute kam, aber bei manchen weniger fügsamen
Mitgliedern Anstoß erregte. Daß sich diese bei einzelnen Geistlichen darüber beklagten,
ist weiter nicht verwunderlich. Welcher Obere kann es allen Untergebenen recht
machen?
Die Seele aller gegen die Oberin im angedeuteten Sinne gerichteten Anklagen
war der Direktor der geistlichen, unter dem Namen Collège libre zu Kolmar errichteten
Lehranstalt, Abbé Martin, ein im übrigen tadelloser, wohlverdienter Geistlicher, der auch
bei den Schwestern der Kolmarer Niederlassung das Amt eines Beichtvaters verwaltete
72). Er verlangte im Jahre 1862 vom Bischof tief greifende Reformen im Schoße der
Genossenschaft. Es läßt sich heute nicht mehr klar feststellen, worum sich diese
Beschwerden drehten. Da sich Bischof Räß nicht veranlaßt sah, jenen Anregungen
Folge zu leisten, muß es sich um gut gemeinte Vorstellungen gehandelt haben, die aber
weit über das Ziel hinausschossen und vielleicht einige unbedeutende Vorkommnisse
über Gebühr aufbauschten. Es handelte sich hier wohl nur um einen Vorstoß von der
Seite jener, die noch immer dem Niederbronner Werke nicht gewogen waren. Die große
Gefahr dieser Tendenzen lag in der Möglichkeit, daß der Geist der Zwietracht in der
bislang mit so sichtbarem Erfolge geleiteten Klosterfamilie sich dauernd festsetzen
konnte. Das verhehlte sich denn auch der Bischof nicht, und in seiner feinen,
diplomatischen Weise gab er der ehrw. Mutter zu verstehen, daß alles sorgfältig zu
vermeiden sei, was bösen Zungen Anlaß zu üblen Nachreden geben könne. "Man
sucht", schreibt er ihr am 29. April 1863, "noch immer von verschiedenen Seiten
50
Unzufriedenheit in der Kongregation zu stiften, und ich bemerke mit Betrübnis, daß die
Angriffe besonders gegen die ehrw. Oberin gerichtet sind. Da wird es notwendig sein,
ehrw. Mutter, den lieben Gott immer inständiger zu bitten, daß er Ihnen mit seiner
väterlichen Gnade beistehe und besonders in d e m Kraft und Einsicht verleihe, wo es
nottut, um die Gemüter zu gewinnen, die Gewissen zu beruhigen und den Bösen den
Mund zu schließen. Englische Geduld und Sanftmut, Abtötung und Selbstbeherrschung,
Milde und Liebe gegen alle, Vergessen alles dessen, was uns persönlich unangenehm
berührt, Leutseligkeit und Herablassung, Vermeidung dessen, was als Aufwand oder
persönliche Schwäche ausgelegt werden könnte, Entfernung von unbegründetem
Mißtrauen oder Verdruß, wo bloß persönliche Fragen im Spiele sind, diese und andere
Tugenden, ehrw. Mutter, sind lauter übernatürliche Eigenschaften, die in unserer
Stellung uns in hohem Grade notwendig sind, besonders wenn man von außen gerne
übel nachredet."
Am 7. November 1865 bat Bischof Räß zum zweiten Male in Rom um die
päpstliche Approbation. Diesmal ließ sie nicht lange auf sich warten; sie erfolgte bereits
am 11. April 1866. Dadurch wurde die Genossenschaft als "eine unter der Autorität
einer Generaloberin stehende Kongregation mit einfachen Gelübden" anerkannt.
Nicht aber war mit dieser Approbation eine solche der Statuten verbunden,
welche ausdrücklich einer günstigeren Zeit vorbehalten wird.
Nun war das ersehnte Ziel erreicht. Freude und Jubel herrschte im Mutterhause.
Am 12. Juni desselben Jahres wurde daselbst die päpstliche Bestätigung durch eine
große Festlichkeit gefeiert. Ignaz Simonis, Professor am Priesterseminar zu Straßburg,
hielt eine begeisterte Festpredigt 73) über das Wort: "Dies ist der Tag, welchen der Herr
gemacht hat; erfreuen wir uns und frohlocken wir an demselben." Der Prediger pries
den Tag der päpstlichen Approbation als einen der denkwürdigsten in der Geschichte
der Genossenschaft. "Er steht", so führt er aus, "mit goldenen Buchstaben in der
Geschichte eurer Kongregation geschrieben. Wenn diese fromme Stiftung, so Gott will,
lange, lange, lange in der Kirche Gottes fortbestehen soll, so wird immerdar nach
Jahren und Jahrhunderten freudig daran erinnert werden, und die späteren Schwestern
werden euer Glück, das Glück jener Schwestern und Vorsteherinnen beneiden, welche
unmittelbar der Gegenstand dieses göttlichen und päpstlichen Segens gewesen sind."
Der Segen Gottes, der so sichtbar über der Kongregation waltet, und der neue Glanz,
der durch die päpstliche Kundgebung über sie ausgestrahlt wird, ist der Gegenstand der
geistreichen Festrede: Der Segen Gottes offenbart sich in den verschiedenen
Merkmalen des Geistes Gottes, welche der Kongregation aufgeprägt sind. Das erste
und größte dieser Merkmale besteht in jener Liebe zum Gekreuzigten, welche sich
besonders in der Befolgung der evangelischen Räte kundgibt. Der Welt gegenüber
haben aber die Schwestern noch ein anderes Kennzeichen, die aufopfernde
Nächstenliebe. "Was ist", so führt der Prediger ferner aus, "der besondere Zweck eures
Instituts, wenn nicht die Übung der Nächstenliebe, ja der schönsten, reinsten,
aufopferndsten Nächstenliebe? Jesus in seinen Brüdern lieben, Jesus in seinen
Kranken pflegen, Jesus in seinen Armen beistehen, das ist eure besondere,
eigentümliche Aufgabe. O wie schön ist dieser Beruf, wie ganz der Sendung des
Sohnes Gottes würdig, welcher gekommen ist, zu suchen und zu heilen, was verloren
war; welcher die Ärmsten, Kränksten und Verlassensten mit besonderer Vorliebe
aufsuchte, um gerade an ihnen seine meisten, seine herrlichsten Wunder zu wirken!
Diesem Beispiele treu nachzufolgen, habt ihr von Anfang an keine Mühe, keine
Beschwernis, keine Ermüdung gescheut, und mit welcher Opferwilligkeit ihr euch
hingegeben, das bezeugen die zahlreichen Lücken, welche der grausame Tod in so
kurzer Zeit in euren Reihen herbeigeführt hat." Der Prediger schildert dann, wie das
Werk, dessen Gründung auch wohlwollenden Männern als ein gewagtes Unternehmen
51
erschienen war, in so kurzer Zeit emporblühte, daß sie jetzt mehr als 700 Schwestern
zähle, die in 80 Niederlassungen in verschiedenen Bistümern wirken. "Wie ist es aber
gekommen, daß aus einem so kleinen Anfang ein so großer Erfolg, aus einem so
kleinen Kern ein so großer Baum hervorgewachsen ist? Dies hat Gottes Hand so
gelenkt und eingerichtet. Gott hat hier geschaltet, wie er immer zu schalten pflegt. Er
hat erwählt, was in den Augen der Menschen gering und verächtlich war; er hat es
erhoben, nicht zur Verherrlichung irgendeines menschlichen Werkzeuges, sondern zur
Offenbarung seiner Allmacht, zur Verherrlichung seiner Liebe. So haben alle seine
Werke begonnen, so sind sie alle herangewachsen." Aber der Redner spricht auch von
den Prüfungen, die darin bestanden, daß mehrere Schwestern ihrem Berufe untreu
wurden. Durch die päpstliche Bestätigung hat nun die Kongregation eine neue
Festigkeit erhalten, hat eine neue Würde empfangen. "Es ist etwas Großes, wenn ihr
vor Freunden und Feinden unter dem päpstlichen Schutze dastehen könnet. Allein,
wenn ihr heute an äußerem Glanze zunehmet, so habt ihr noch mehr an wahrer, innerer
Würde vor Gott und der Kirche gewonnen. Eure Gelübde werden von nun an gleichsam
in die Hände des Papstes gelegt; Jesus Christus nimmt sie an in der Person seines
höchsten Stellvertreters auf Erden. Ihr seid von nun an in dieser Beziehung die
unmittelbaren Kinder des Heiligen Stuhles; ihr werdet jenen glorreichen Orden
zugezählt, welche als die schönste Zierde, als der herrlichste Trost der Kirche
dastehen."
Nach der kirchlichen Feier soll die Generaloberin den umstehenden Schwestern
bedeutet haben, daß der Prediger einst zur Leitung der Kongregation berufen würde 74).
Das war ein prophetisches Wort.
Siebtes Kapitel.
Ein schwerer Verlust: Die Trennung von Wien, Ödenburg
und Würzburg (1866). Der Tod der Stifterin.
Nicht ungemischt war die Freude, mit der die Generaloberin und ihr treuer,
langjähriger Gehilfe, Superior Reichard, die vorhin geschilderte Approbationsfeier
begingen. Drei blühende, hoffnungsvolle Häuser hatten sich von dem Mutterhause
losgesagt, die Frucht jahrelanger Mühen und Sorgen war unwiderbringlich dahin.
Langsam, fast unmerklich hatte sich das Beklagenswerte vorbereitet. Wie alles kam,
welches die treibenden Kräfte dieser für das Mutterhaus so schmerzlichen Trennung
der Filialhäuser zu Wien, Ödenburg und Würzburg waren, soll weiter unten in eigenen
Abschnitten ausführlich behandelt werden. Nur die Befürchtungen, die schon ein Jahr
vor der vollzogenen Absonderung jener Glieder der Superior Reichard mit wehmütigen
Worten am 20. April 1865 den Schwestern mitteilte, seien hier wiedergegeben, als
Ausdruck der trüben Vorahnungen, welche die Seele der Obern durchzogen. Alles, was
er von Würzburg vernommen habe, sagt Reichard, bestärke ihn in dem Vorgefühl
kommender Prüfungen. Aber in seinem frommen Sinne meinte er: "Wir überlassen uns
ganz der göttlichen Vorsehung. Wir begnügen uns mit der Erklärung, daß die Töchter
des Allerheiligsten Heilandes überall in Deutschland, Frankreich und in andern Ländern
nur eine einzige Körperschaft bilden, geleitet von ein und denselben Obern, beseelt von
einem und demselben Geiste, ein und dasselbe Ziel verfolgend. Dies war die Absicht
der von Gott geleiteten Gründer. Diese Absicht ist durch die gewichtigsten Gründe
gerechtfertigt. Die Töchter des Allerheiligsten Heilandes, die in viel unmittelbarerer und
dauernderer Berührung mit der Welt stehen als die Glieder irgendeiner anderen
Frauenkongregation, sind dadurch auch mehr der Gefahr der Abwendung ausgesetzt.
52
Der Geist der Einheit, die völlige Unterwerfung unter ihre einzige Generaloberin, die
pünktliche Befolgung der heiligen Regel bilden das einzige Schutzmittel gegen die
Gefahren, denen sie bei der Erfüllung ihrer so schwierigen Mission ausgesetzt sind. O
diese heilige Einheit! Warum sucht man sie jetzt zu vernichten? Warum strengt man
sich an, die Kongregation auseinanderzusprengen? Wozu führt man durch Gründung
neuer Mutterhäuser und die Ernennung neuer Generaloberinnen eine Trennung vom
Mutterhause herbei? Was begünstigt dieses verderbliche Streben? Liegt der Grund
darin, daß das Mutterhaus in Frankreich liegt? Aber hat nicht Gott selbst alles so
gefügt? Wer sieht nicht ein, daß mit Absicht die Vorsehung das Elsaß auserwählt hat,
um da ein Mutterhaus zu errichten, damit aus dieser zwischen Frankreich und
Deutschland gelegenen Provinz die Kongregation ihre Hilfe der leidenden Menschheit in
beiden Ländern angedeihen lassen kann? Soll das Werk an nationalen Vorurteilen
scheitern? Hat dieses nicht in der Geschichte der Kirche Gottes schon so viel Unheil
angerichtet? Betrachten wir uns als Kinder der einen und wahren Kirche, in deren
Schoß es keine Griechen noch Römer gibt, keine Deutschen noch Franzosen, sondern
deren Glieder alle Brüder und Schwestern in Christo sind. Nehmen wir mit Dank die
Hilfe an, die Gott uns darbietet, auch dann, wenn er sie uns gewährt durch die
Vermittlung eines barmherzigen Samaritans. Und ihr, teure Töchter des Allerheiligsten
Heilandes, seid immer diese barmherzigen Samariter, wo ihr auch immer sein möget;
seid es selbst in den Ländern, wo man euch das Existenzrecht verweigert, wofern man
euch nur duldet und eure Dienste in Anspruch nimmt. Zeiget euch würdig eures
Berufes, verharret darin und gehört nicht zu diesen wankelmütigen Seelen, die keinen
Bestand haben, nur die Beharrlichkeit wird gekrönt. Lasset euch nicht in Irrtum führen
durch den trügerischen Schein, durch welchen Satan euch abspenstig zu machen
sucht."
Das war der Erguß eines gepreßten Herzens, der dem für die Einheitlichkeit
seines Werkes kämpfenden und bangenden Obern alle Ehre macht. Seine trüben
Ahnungen erfüllten sich nur zu bald. Von Wien aus kam noch schneller als von
Würzburg die für die Obern niederschmetternde Kunde der Trennung: Am 21. März
1866 erklärten die Wiener Lokaloberin Schwester M. Theophila und 24 Schwestern ihre
unwiderrufliche Trennung vom Mutterhause Niederbronn und die Errichtung eines
eigenen Mutterhauses in Wien. Dieser Erklärung schloß sich die Oberin der
Ödenburger Filiale, Schwester Basilista, mit 13 Schwestern an.
Drei Monate später kam die gleiche Hiobspost von Würzburg. Am 6. Juni 1866
hatte der König von Bayern diesem Hause die Rechte einer religiösen und
zivilrechtlichen Kongregation verliehen und die Würzburger Anstalt als Mutterhaus
erklärt; am 15. Juni schloss sich die geistliche Behörde der Diözese dieser Anordnung
an, und der Bischof löste den Verband mit Niederbronn. Alle Filialen der Würzburger
Diözese gingen dem Mutterhaus verloren; die Mehrzahl der Schwestern allerdings
wollte von dieser Entwicklung der Dinge nichts wissen und kehrte ins Mutterhaus
zurück.
Der Riß heilte nicht wieder, Wien und Würzburg waren für immer verloren. Für
die ehrw. Mutter war das ein schwerer Schlag, von dem sie sich nicht wieder erholte.
Ohnehin von schwächlicher Konstitution, stets zu nervösen Krisen neigend und
Gemütserschütterungen leicht unterliegend, konnte sie den Eindruck, den diese
Ereignisse auf sie machten, nie mehr verwinden. Ihre alte Tatkraft war dahin. Im Mai
1867 suchte sie auf dem Gutshofe Singlingen Erholung. Am 1. Juni kehrte sie ins
Mutterhaus zurück, mußte aber bald das Krankenlager aufsuchen, von dem sie sich
nicht mehr erhob. Ein böses Gehirnfieber warf sie danieder, hoffnungslos. Die Kräfte
dieses Menschenlebens hatten sich im harten Ringen um das Wachsen und Gedeihen
der Kongregation erschöpft. Sie konnten der schweren Krankheit, welche jetzt mit
53
Heftigkeit einsetzte, keinen Widerstand mehr entgegensetzen. Auf die Kunde dieser
traurigen Dinge eilte der Superior sofort von Singlingen, wo er weilte nach Niederbronn.
Er ahnte nicht, daß er selbst dem Tode entgegenging. Denn als am 21. Juli die ehrw.
Mutter durch einen leichten Gehirnschlag in den Zustand völliger Bewußtlosigkeit
versetzt wurde, erschütterte dieser Vorfall den greisen Priester so sehr, daß er am
folgenden Tage selbst von einem Schlagfluß gerührt wurde, an dessen Folgen er am
24. Juli verstarb. Am 26. Juli wurde er im Beisein fast aller Oberinnen und zahlreicher
Schwestern zu Grabe getragen. Die Stelle des Bischofs, der außerhalb der Diözese
weilte, vertrat bei den Leichenfeierlichkeiten der Generalvikar Rapp, der auch die
Leichenrede hielt. Da er dem verblichenen sehr nahe gestanden war und von seinen
Sorgen wußte, entsprach es wohl der Wahrheit, als er hervorhob, daß die Trennung der
Wiener und Würzburger Häuser an seinem voreiligen Tode nicht unschuldig seien.
Während sie den teuren Toten zu Füßen des großen Friedhofskreuzes in die
Gruft senkten, lag Schwester M. Alphons noch immer bewußtlos auf dem Krankenbette
danieder. Erst am 31. Juli rief auch sie der Herr aus dieser Zeitlichkeit ab. Am 2. August
wurde sie neben den sterblichen Überresten Reichards beigesetzt, im Schatten des
Kreuzes, das ihr im Leben immer vorangeleuchtet hatte. Generalvikar Rapp hat auch
sie zur letzten Ruhe geleitet. Nur 53 Jahre hat sie dieser Welt angehört.
Eine ergreifende Tragik webt um das gleichzeitige Todeslager dieser beiden
Menschen. Keinem war es vergönnt, Worte des Abschieds, der Ermahnung, des
Trostes an die weinenden Mitglieder der Klosterfamilie zu richten, welche das
Sterbebett umstanden. Heimtückisch hat sie der Tod überfallen, hat ihnen Augen und
Mund verschlossen, während in der Brust noch leises Leben atmete. Das mußten die
doppelt Verwaisten besonders schmerzlich empfinden. Und doch liegt auch viel
Versöhnliches und Tröstliches in dem Gedanken, daß diese zwei bevorzugten
Persönlichkeiten, die, in selbstlosem Streben und bewunderungswürdigem
Gottvertrauen einig, ihr segensvolles Werk vollendeten, gleichzeitig der dornenvollen
Erdenlaufbahn entrissen wurden. Wollte der Herr, der dieses alles fügte, jedem von
ihnen den Schmerz ersparen, der uns alle überkommt, wenn wir teuren Abgestorbenen
ins offene Grab nachblicken? Auch bei dem Plötzlichen dieses Todes stehen wir nicht
unter dem lähmenden, erschütternden Eindruck, den diese Art des Ablebens sonst auf
den gläubigen Christen macht. Denn alle, welche den beiden Verstorbenen während
ihres Lebens nahe gestanden hatten und welche Zeugen ihres Wirkens gewesen
waren, konnten von diesem Leben sagen, daß es stets ein Wandeln vor Gottes
Angesicht war.
Niemand wohl hatte die verblichene Stifterin besser gekannt als die
Novizenmeisterin Schwester M. Joseph. Sie hatte von Anfang an mit ihr die Novizinnen
in den Geist der Kongregation eingeführt, ihre Seelen für das große Werk der
Nächstenliebe gebildet. Unter dem Eindruck des ungeheueren Schmerzes, der nach
dem Doppelbegräbnis über der Genossenschaft lastete, schrieb sie dem Bischof Räß,
den das traurige Ereignis tief erschütterte 75): "Groß ist der Schmerz; diejenige, die ich
so innig liebte, ist nicht mehr; sie ist hingegangen, um im Himmel die Belohnungen ihrer
großen Tugenden zu empfangen. Sie war eine Heilige; während der 18 Jahre, die ich in
ihrer Nähe zugebracht habe, habe ich mich nur erbauen können an ihren Tugenden,
ihrer Güte, ihrer Aufopferung für uns und für das Werk, das der Herr ihr anvertraut
hatte." Der Herr von Cissey, der sie durch seinen öfteren Kuraufenthalt genau kannte,
hoffte sogar, daß Gott nach ihrem Tode sie irgendwie verherrlichen werde, und bat bald
nachher die Schwestern, sie möchten alles genau sammeln, was auf das Leben der
Kongregationsstifterin Bezug habe 76). Leider hat man diesen Rat nicht befolgt.
Zu bedauern bleibt, daß aus dem letzten Jahrzehnt ihres Lebens so gut wie
keine Aufzeichnungen über sie erhalten sind. Darum ist es dem Geschichtsschreiber,
54
der sein Urteil nur auf glaubwürdige Zeugnisse gründen kann, schwer, ein vollständiges
Charakterbild dieser merkwürdigen Persönlichkeit zu entwerfen, welche von den
Zeitgenossen am Anfang ihrer Laufbahn so widerspruchsvoll beurteilt wurde. Diese
Bauerntochter, die ein so fest gefügtes, segensreiches Institut der christlichen
Nächstenliebe begründen konnte, war zweifellos eine außergewöhnliche Erscheinung.
In den herben Linien des Gesichtes, dem viele Leidensjahre und das Bewußtsein einer
hohen Aufgabe den Stempel stillen Ernstes aufgedrückt haben, ist eine unbeugsame
Energie ausgeprägt. Das Bauernmädchen von ehedem, das in der Schule der
Betrachtung und des Leidens herangereift war, wußte, was es wollte; in dem
schwachen Leibe wohnte eine starke Seele. Mit einer Willenskraft sondergleichen, die
auch vor den größten Schwierigkeiten nicht zurückschreckte, hat sie ihr Werk, das so
viele Gegner fand, zu so überraschend schneller Entwicklung gebracht. Wohl gab Gott
seinen reichen Segen dazu. Aber die Stifterin hat nicht müßig die Hände in den Schoß
gelegt und alles vom Himmel erwartet. Mit grenzenlosem Gottvertrauen verband sie
auch eine reale Auffassung der Dinge, rasches Handeln, kluge Ausnutzung der
gegebenen Umstände.
Sie war eine ausgesprochene Regentennatur, die mit kraftvoller Hand die
Genossenschaft leitete. Da sie an sich selbst große Anforderungen stellte, verlangte sie
auch von ihren Untergebenen viel. Die meisten von diesen waren ihr blindlings ergeben,
weil sie ihre Überlegenheit fühlten und bewunderten. Gegen Widerspenstige konnte sie
von großer Strenge sein. Es liegt im Wesen solcher starken Willensnaturen, daß sie zu
starrem Festhalten an den einmal erprobten Gewohnheiten neigen. Dann sind in
größeren Gemeinschaften Konflikte unvermeidlich.
Anderseits wieder besaß Schwester M. Alphons das Geheimnis wunderbarer
Macht über die Menschen. Nicht bloß der geheimnisvolle Zauber, den der frühe Ruf
ihrer Gnadengaben um ihre Person verbreitete, erklärt diese Macht. daß ein Mann von
der geistigen und sittlichen Bedeutung des Straßburger Bischofs Räß durch die
zahllosen Machenschaften der Gegner Niederbronns nicht bewogen werden konnte,
der Stifterin seine Huld und sein Vertrauen zu entziehen, beweist, daß er ganz unter
dem Bann ihrer Persönlichkeit stand. Vielen andern, durch Geist, Stellung und
Seelenadel hervorragenden Persönlichkeiten erging es ebenso, wie die früher
mitgeteilten Zeugnisse beweisen. Auf den im Rufe der Heiligkeit gestorbenen
Redemptoristenpater Humarque, der sie gelegentlich eines Kuraufenthaltes in
Niederbronn kennenlernte, machte sie einen unvergeßlichen Eindruck, von dem er
seinen Mitbrüdern oft erzählte 77). Vom fernen Konstantinopel aus wird sie von Frau de
Saint-Arnaud um ihre Gebete bestürmt für ihren Gemahl, den Marschall, damit Gott
seine Waffen im beginnenden Kriege mit Rußland segne, denn sie "hat Vertrauen in ihr
Gebet" 78). Mit der Prinzessin Karoline zu Hohenzollern stand sie in persönlichem und
brieflichem Verkehr. Einen ganz auffallenden Einfluß übte die Schwester M. Alphons
auf die Prinzessin Alexandra von Bayern, die Schwester des Königs Max, aus. Sie hatte
sie bei ihrem Münchner Aufenthalt kennen gelernt. Den Eindruck, den ihr Besuch
machte, teilte Prinzessin Adalbert von Bayern, als sie in Darmstadt die dortige
Schwesternniederlassung besuchte, der Oberin Schwester Bonaventura mit. Diese
berichtet darüber der Generaloberin: "Die Prinzessin sagte mir, daß Sie in München bei
der Prinzessin Alexandra einen außerordentlichen Eindruck gemacht haben; dieselbe
sei derart von Révérende Mère ergriffen gewesen, daß sie einen Brief von drei Bogen
an ihren Bruder, den König Max, geschrieben habe. Den Eindruck könnte man sich
nicht denken, der ganze Hof freue sich darüber, weil die Prinzessin immer ein wenig
gemütsleidend war." Die Prinzessin selbst dankte der Generaloberin nachträglich noch
"für alle Beweise der Teilnahme, welche Sie mir während ihres kurzen Aufenthaltes in
55
München gaben. Gott möge Ihre mütterlichen Ermahnungen segnen. Mir scheint es,
Gott habe bereits Ihr liebes Gebet für mein Nervenleiden gesegnet" 79).
Alles das beweist, daß Schwester M. Alphons trotz ihrer niederen Herkunft, trotz
des Mangels an höherer Geistesbildung, worauf die Welt so viel Gewicht legt, eine
achtungsgebietende Persönlichkeit war. Das Große an ihr ist, daß sie nur für andere
lebte, nur für ihr Werk. An ihm hing sie mit jeder Faser ihrer Seele. Der darbenden und
leidenden Menschheit um Christi willen zu helfen, die leiblich Kranken und seelisch
Gebrochenen zu erquicken und aufzurichten, war die große Idee, deren Verwirklichung
ihr ganzes Leben gewidmet war. Nicht eitlem Ruhm ist sie nachgejagt. Sie hat bei
allem, was sie tat, nicht sich selbst gesucht. Es spiegelt nur ihre eigene Gesinnung
wider, was sie der Darmstädter Oberin Schwester Bonaventura mitteilen ließ, als diese
für ihre Verdienste um die Verwundetenpflege im preußisch-österreichischen Kriege mit
dem österreichischen goldenen Verdienstkreuz dekoriert wurde 80): "Was Sie selbst
betrifft, liebe Schwester Bonaventura, und Ihre Mitschwestern, so suchen Sie immer in
Ihren Handlungen die Ehre Gottes und seiner heiligen Kirche, das Heil der Seelen und
Ihre eigene Vollkommenheit und geben Sie gar nicht acht auf das, was von außen
vorgeht. Sagen Sie mit dem Verfasser der Nachfolge Christi: Heute ist man für mich,
morgen kann man wider mich sein. Ich will vor allem trachten, meinem Gott
wohlzugefallen, mein Elend immer vor Augen zu haben, damit ich mich nicht selbst
erhebe und dadurch Gott mißfalle, dem allein die Ehre gebührt."
Zweiter Abschnitt.
Krisen und Prüfungen.
Der Deutsch-Französische Krieg. (1867 – 1872.)
Wie schwer der Verlust war, welcher durch den Tod der beiden Obern die
Kongregation betroffen hatte, zeigte sich erst in der Folgezeit recht deutlich. Eine
Zeitlang wollte es scheinen, als sei durch den Hingang der Stifterin der alte Geist
entschwunden, der bislang die Genossenschaft beseelt und von Erfolg zu Erfolg geführt
hatte. Das Gespenst der Zwietracht erhob sich und drohte die Einheit zu zerstören. Der
Mann, der das seiner Lenker beraubte Schifflein steuern sollte, besaß bei allem guten
Willen nicht das nötige Geschick. Die neue Generaloberin, noch jung an Jahren,
ermangelte der nötigen Erfahrung. Dazu kamen bedenkliche finanzielle Schwierigkeiten
und zu allem Unglück der Krieg, der der Kongregation schwere Wunden schlug, mochte
sie auch auf den Schlachtfeldern und in den Lazaretten in beiden Ländern durch
heldenmütige Ausübung der Liebestätigkeit noch so glänzende Erfolge errungen haben.
Fünf bange Jahre zogen über das Mutterhaus hin, reich an Sorgen und Prüfungen.
Aber auch diese Tage hatten ihr Gutes.
Erstes Kapitel.
Generaloberin Schwester Adelinde und Superior Sattler.
Damit die verwaiste Genossenschaft nicht der Leitung entbehrte, betraute
Bischof Räß vorläufig Schwester M. Adelinde mit der Oberleitung und übertrug die
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Geschäfte des Superiors dem bisherigen Klostergeistlichen Seraphim Schott 81). Infolge
der päpstlichen Approbation mußte die Generaloberin nach den kirchlichen
Bestimmungen von der Genossenschaft gewählt werden. Da nicht alle Schwestern, die
seit fünf Jahren Profeß abgelegt hatten, im Mutterhause sich versammeln konnten,
gestattete am 4. September 1867 die Kongregation der Bischöfe und Regularen dem
Straßburger Bischof, daß zu dem Kapitel für die Wahl der neuen Generaloberin für
diesmal berufen werden sollten die Assistentinnen, alle Oberinnen und eine weitere
Schwester aus jeder Niederlassung. Am 22. September - es war ein Sonntag - wurde in
Gegenwart des Bischofs der Wahlakt vorgenommen. Mit großer Stimmenmehrheit
wurde Schwester M. Adelinde zur Generaloberin erwählt. Schwester M. Joseph behielt
die verantwortungsvolle Stelle der Novizenmeisterin.
Die neue Generaloberin war erst 32 Jahre alt. Daß man sie trotzdem wählte, ist
ein Beweis des hohen Vertrauens, das man in ihre Fähigkeiten setzte. Geboren am 6.
November 1835 zu Oberbronn als Tochter des Steinhauers Lorenz Weber, wohnte die
kleine Luise im Alter von 14 Jahren der Profeß der Stifterin zu Niederbronn bei. Am
6. November 1851 trat sie dann selbst als Postulantin ein und erhielt am 1. Januar 1852
das Postulantenkleid, am 27. Mai desselben Jahres das Ordensgewand. Als
siebzehnjährige Novizin mußte sie schon in Straßburg fast die volle Tätigkeit einer
Ordensschwester ausüben. Am 15. Oktober 1856 legte sie ihre Gelübde ab. Nachdem
sie in Kolmar und Mühlhausen sich bewährt hatte, schickte sie Schwester M. Alphons
am 23. März 1857 nach München, wo sie als Oberin die erste Niederlassung in der
Isarstadt einzurichten hatte. War sie schon als einfache Schwester das Muster einer
Ordensfrau gewesen, so blieb sie es nicht minder in der neuen leitenden Stellung. Den
Mitschwestern leuchtete sie in allen Standestugenden voran. Im Jahre 1861 rief sie die
Stifterin ins Mutterhaus zurück und ernannte sie zur Assistentin. Nun lud ihr das
Vertrauen der Mitschwestern die schwere Bürde der Oberleitung auf.
Mehr Sorge als diese Wahl bereitete dem Bischof die Ernennung eines
Superiors. Gern hätte man in Niederbronn Schott als Obern behalten. Sein sanftes,
allzeit liebenswürdiges und entgegenkommendes Wesen mochten ihn den Schwestern
des Rates als den geeigneten Mann empfohlen haben. Man tat auch Schritte bei
Bischof Räß, um Schotts verbleiben im provisorisch übertragenen Amte zu erwirken.
Aber Schotts jugendliches Alter - er war nur um ein Jahr älter als die neue Generaloberin - mußte von vornherein diesen Plan als unerfüllbar erscheinen lassen. Nach
langem Suchen und Überlegen glaubte endlich Bischof Räß für die Genossenschaft,
deren Wohl ihm so sehr am Herzen lag, den richtigen Mann gefunden zu haben. Am 16.
Dezember 1867 schreibt der Oberhirte an die von ihm sehr geschätzte Schwester
Bonaventura nach Darmstadt, daß er sich endlich entschlossen habe, "nahezu den
ältesten Professor aus dem Klerikalseminar als Generalsuperior der Kongregation zu
ernennen. Herr Abbé Sattler schreitet den Fünfzigern entgegen, ist schon als
außerordentlicher Beichtvater der Kongregation in ihre Interessen und Bedürfnisse
eingeweiht, besitzt, wie man mir versicherte, das Vertrauen und zeichnet sich durch
Wissenschaft, Klugheit, Frömmigkeit und Eifer aus. Ich habe ihm also ohne weiteres
das Superiorat der Kongregation übergeben, obschon ich eigentlich noch nicht weiß,
wie ich ihn im Seminar ersetzen werde. Diese Angelegenheit hat mir seit den zwei
beweinenswerten Sterbefällen schwere Sorgen verursacht". Am 26. Dezember ging der
neue Superior nach Niederbronn, um sich mit der Lage der Dinge vertraut zu machen;
am 6. Januar 1868 trat er, von den Schwestern freudig begrüßt, sein neues Amt an.
Die Freude war verfrüht. Die Folgezeit lehrte, daß der Bischof keine glückliche
Wahl getroffen hatte. Es gelang dem neuen Manne, den sonst die trefflichen
Eigenschaften zierten, nicht, auf die Dauer das Vertrauen der Genossenschaft zu
gewinnen. Da war ein gedeihliches Zusammenwirken ausgeschlossen.
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Franz Joseph Sattler, geboren am 5. Februar 1821 zu Egisheim, dem Stammsitz
des heiligen Papstes Leo IX., war am 21. Dezember 1844 zum Priester geweiht
worden. Nach verschiedenen Stellungen im Lehrfach und in der Seelsorge wurde er am
1. Oktober 1857 Professor der Kirchengeschichte am Straßburger Priesterseminar,
1866 Direktor 82) daselbst und sollte nun die Leitung der Niederbronner Kongregation
übernehmen. Sattler war ein Mann von sehr umfassender Bildung. Er beherrschte viele
Sprachen und war ein sehr gewandter Lateiner. Von dieser Frömmigkeit beseelt, war er
erfahren in den Geheimnissen des inneren religiösen Lebens. Aber er konnte sich nicht
dazu aufschwingen, einmal betretene Geleise zu verlassen. Wie er als Lehrer nicht das
Geschick besaß, die Lernenden an dem reichen Schatze seinen Wissens teilnehmen zu
lassen, so vermochte er auch als geistlicher Leiter der Schwestern nicht, aus dem
trockenen Born seines Gemütes lebendiges Wasser zu schöpfen. Ihm fehlte das
Geheimnis, die Herzen anzufeuern. Seine wirkliche Herzensgüte drang nicht durch die
frostige Atmosphäre, mit der er sein Wesen umgeben hatte. Und so hatte sein Wirken
nicht den Erfolg, der im Interesse der Kongregation gelegen hätte. Über dem allzu
peinlichen Beobachten juristischer Formeln verlor Sattler den Sinn fürs wirkliche Leben.
So kam es, daß an ihm die jugendliche Generaloberin nicht die in den schwierigen
Zeiten so nötige Stütze hatte, weil er damals für allzu genau die Vorschriften des
Kirchenrechtes befolgte, wonach Frauenklöster sich unter der Leitung der
Generaloberin selbst verwalten sollen. Unter der resoluten Führung der verstorbenen
Stifterin, welche dem biedern Herrn Reichard in den zeitlichen Angelegenheiten der
Kongregation eine ziemlich passive Rolle zugeteilt hatte, mochte dieser Grundsatz sein
Gutes haben. Auch die Schwestern, die sich bei Sattler Rats erholen wollten, verwies er
meist an die Generaloberin oder an die Klostergeistlichen. So kam es, daß allmählich in
Niederbronn, im Mutterhause, wo die Generaloberin ihren Sitz hatte, der gute alte Geist
einer Stimmung wich, die nicht von Gutem war, während im Noviziat von Oberbronn
unter der bewährten Leitung der Novizenmeisterin, die im Sinne der Stifterin ihres
Amtes waltete, alles nach Wunsch ging. Die Generaloberin sowohl als Sattler selbst
litten unter diesen Verhältnissen; der Superior glaubte zuletzt, daß durch die
Wiederverlegung des Noviziates von Oberbronn nach Niederbronn ins Mutterhaus von
selbst eine Gesundung der Verhältnisse eintreten werde. So wurde im Juni 1870
tatsächlich das Noviziat wieder ins Mutterhaus verlegt, während die älteren und kranken
Profeßschwestern, um Platz zu machen, nach Oberbronn zogen. Die Zukunft lehrte,
daß diese Maßregel vom rein praktischen Standpunkt aus verfehlt war. Sattler hätte,
was sein Nachfolger zehn Jahre später tat, das Mutterhaus gleich nach Oberbronn
verlegen sollen.
Aber auch an anderen großen Schwierigkeiten fehlte es nicht. Es schien, als
wollte Gott sein Werk, das er bisher so reich gesegnet hatte, im Feuerofen der Trübsal
läutern und prüfen. Nach dem Tode der Schwester M. Alphons nämlich machten einige
ihrer Geschwister, die von Feinden des Klosters aufgehetzt waren, einen Prozeß
anhängig um die Hinterlassenschaft der Stifterin; sie hofften aus ihrem Nachlaß
mindestens 300000 Franken zu erben. Durch notarielles Testament vom 24. Juli 1854
hatte Schwester M. Alphons Bischof Räß zum Erben ihrer sämtlichen Habe eingesetzt.
Am 16. April 1856 war das Vermögen des Klosters auf den Namen der Generaloberin
übertragen worden 83). Nun strengten die Geschwister Eppinger gegen den Bischof
einen Prozeß an auf Herausgabe des Erbes. Das Gericht zu Weißenburg erklärte am 6.
Mai 1868 das Testament der Schwester M. Alphons vom 24. Juli 1854 als nichtig. Aber
der Colmarer Gerichtshof, an den Bischof Räß appelierte, kassierte das Weißenburger
Urteil, weil dem gesunden Menschenverstand widersprechend; er wies nach, daß das
väterliche Erbteil der Stifterin in einem Grundstück bestand, dessen Wert 240 Franken
nicht überstieg. Die Kläger wurden kostenfällig abgewiesen.
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Um andere Schulden zu decken, mußte Sattler verschiedene Liegenschaften
veräußern, so das einst von der Genossenschaft erbaute Schulhaus zu Jägertal und
das Waisenhaus zu Neunhofen sowie das Gut Singlingen. Aus dem Erlös konnten
dringende Schulden bezahlt werden; auch sollte er zum Teil zur Errichtung eines
ordentlichen Wohnhauses für den Superior und die Klostergeistlichen dienen.
Sattler hatte mit der Rückverlegung des Noviziats nach Niederbronn bei dem
Kongregationsrat nur durchdringen können mit der Berufung auf die kirchenrechtlichen
Vorschriften, welche eine Trennung von Mutterhaus und Noviziat verbieten. Auf die
gleiche Weise war es ihm gelungen, auch die Brüderkongregation aufzulösen. Manch
andere Neuerungen hätten auch noch die am 7. Mai 1870 von Rom approbierten neuen
Statuten gebracht, wenn sie in Kraft getreten wären. Sie waren Sattlers Werk, der noch
im Jahre 1869 selbst nach Rom gereist war. Doch davon Näheres im übernächsten
Kapitel. Vorerst gilt es, die Schicksale des Mutterhauses während des Krieges zu
betrachten, der seine schwarzen Schatten bereits über die Gegend warf.
Zweites Kapitel.
Die Schrecken des Krieges.
Nach der Kriegserklärung vom 19. Juli 1870 wurde Niederbronn sofort der
Schauplatz regen soldatischen Treibens. Die französischen Truppen überfluteten das
friedliche Städtchen und biwakierten rings auf den Anhöhen. Das Mutterhaus, dessen
Obere gleich nach der Kriegserklärung der französischen Regierung das Personal der
Genossenschaft zu unbeschränkter Verfügung in der Verwundetenpflege gestellt
hatten, mußte in den ersten 14 Tagen täglich 200-300 Soldaten, die auf dem
Durchmarsch nach der Grenze begriffen waren, beköstigen, da für die
Verproviantierung der Truppen herzlich schlecht gesorgt war. Den Schwestern
gereichte es zur besonderen Genugtuung, daß zahlreiche Soldaten die Kapelle
aufsuchten und sich durch Gebet und Beicht auf die kommenden ernsten Ereignisse
vorbereiteten.
Am Morgen des verhängnisvollen 6. August verkündete unaufhörlicher
Kanonendonner, daß drüben bei Fröschweiler und Wörth die Schlacht in vollem Gang
war. Mit Furcht und Zittern konnten die Insassen des Hauses zu Oberbronn von ihrer
Anhöhe das unheimliche Auf- und Niederwogen des Pulverdampfes über dem
Sauertale beobachten. Auch im Mutterhause harrte man ängstlich der Dinge, die da
kommen sollten. Gegen 4 Uhr nachmittags zogen die ersten Abteilungen der
geschlagenen französischen Armee durch Niederbronn und flüchteten sich eilends auf
die westwärts gelegenen Berge. Im Mutterhaus fanden viele halbverschmachtete
Krieger Erquickung. Um 5 Uhr war der mörderische Kampf in Fröschweiler beendet,
und die deutschen Truppen nahmen sofort die Verfolgung auf. Bei Niederbronn hatte
sich zur Deckung der Flüchtlinge die frische französische Division Lespart vom
Faillyschen Korps aufgestellt. Die deutschen Verfolgungstruppen eröffneten von den
Anhöhen aus ein lebhaftes Feuer auf die Lespartsche Division. Eine gewaltige Furcht,
die nicht unbegründet war, erfüllte nun die Bewohner des Mutterhauses. Hören wir über
diese Schreckensstunden den Bericht der Generaloberin 84). "Während dieser angstund drangvollen Zeit wußten wir keinen besseren Zufluchtsort als unsere Kapelle, wohin
sich die ganze Genossenschaft begab und wo eine Partikel des heiligen Kreuzes
aufgestellt wurde. Alle knieten vor dem Hochaltar mit ausgespannten Armen, den
ganzen Psalter des Rosenkranzes mit dem Zusatz einer Litanei betend. Dort beim
göttlichen Heiland und unter Anrufung des Schutzes der lieben Mutter Gottes fanden wir
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Beruhigung, Trost und Ergebung in dieser so schrecklichen Stunde. Dem besondern
Schutze Mariens und des hl. Joseph verdanken wir die Erhaltung unseres lieben
Mutterhauses. Denn ohne diesen Beistand hätte das Kloster samt Niederbronn in einem
solchen Feuer zu einem Aschenhaufen verwandelt werden können. Als nach und nach
das Schießen weniger hörbar wurde, blieb die Genossenschaft noch immer in der
Kapelle; ich entfernte mich von ihr, um mich zu erkundigen, wie es möchte aussehen
außerhalb des Klosters. Plötzlich hörte ich ein Traben von zahlreichen Menschen und
sah von der Höhe eines Fensters, wie eine große Anzahl deutscher Soldaten vor dem
Kloster in Reihen sich ordneten und ihre Geschütze richteten, um abzufeuern. Schnell
ging ich zur Pforte; im Hofe begegnete mir der hochw. Herr Beichtvater, welcher aus
der Kapelle kam. Ich bat ihn, doch mitzugehen; ich blieb mit noch einigen Schwestern
an der Pforte zurück. Der Herr Beichtvater ging zum Oberst und bat ihn, dieses Haus zu
verschonen, da es ein Kloster der barmherzigen Schwestern sei, worauf der Oberst
höflich erwiderte, daß sie nicht schießen würden, wofern nicht gegen sie geschossen
werde. Darauf blieb alles ruhig und die Truppen entfernten sich vom Kloster." Auch
draußen im Bruderkloster, das gerade am Fuße der von den deutschen Truppen
besetzten Höhen an der Reichshofener Straße lag, war die Lage nicht sehr gemütlich.
Lassen wir Schwester Beata erzählen, wie es da zuging: "Nach der Schlacht kamen die
Franzosen zurück, ganz verschmachtet; wir haben den ganzen Nachmittag
ausgeschenkt, was wir hatten. Einer von den Soldaten starb noch am selben Tage in
unserem Stall auf dem Stroh im Bruderhof. Danach kamen noch so viele Verwundete,
daß wir sie nicht alle aufnehmen konnten; die Kugeln flogen im Hofe nur so herum. Mit
einem Wägelchen haben Schwester Galla und ich sie selbst hinein ins Mutterhaus
gefahren. Hierauf kamen die Deutschen, die waren geradeso zugerichtet, wir haben sie
auch so bedient. Ein Oberst war so gerührt und dankbar, daß er uns Mehl und Fleisch
für die Kranken und Kinder schickte. Täglich hatten wir genug zu kochen und
auszuteilen."
Sobald von den deutschen Truppenteilen der Zweck und die Bedeutung des
Mutterhauses, das von einigen anfänglich für eine Kaserne gehalten wurde, erkannt
worden war und der vorhin erwähnte Beichtvater Abbé Wernert dem
Platzkommandanten die Dienste der Schwestern für die Verwundeten angeboten hatte,
wurde die weiße Flagge aufgezogen. Abgesehen von einem Falle, wo einige rohe
Soldaten in den Klosterkeller eindrangen und in übermütiger Weise ein Faß Wein
auslaufen ließen, hatte das Mutterhaus, dessen Dienste man sehr zu würdigen wußte,
nichts von den deutschen Truppen zu erleiden. Plakate an den Klosterpforten warnten
alle später durchziehenden Truppen, das Kloster irgendwie zu belästigen.
Für die Schwestern begann jetzt eine schwere, arbeitsreiche Zeit. Da die
französischen Behörden an eine so nah bevorstehende Schlacht nicht gedacht hatten,
fehlte es am Allernötigsten. Zum Glück hatte das Mutterhaus eine große Menge
Scharpie zum Versand bereitgehalten; diese leistete jetzt an Ort und Stelle vorzügliche
Dienste. Schon am ersten Abend brachte man eine Menge Verwundeter, meist
Franzosen, die im alten Klosterhause untergebracht wurden, da das neue Gebäude von
Novizen und Postulantinnen ganz besetzt war. In einem Nachbarhause wurden 24
Verwundete einlogiert. Der Klosterhof, auf dem eine Zeltbaracke errichtet war, diente
auch als Lazarett; hier walteten Schwester Delphine und Ardaleon mit Novizen ihres
Amtes. Im Kloster selbst wirkte die Assistentin Schwester Melanie. Auch das
Bruderkloster und ein gegenüberliegendes zweistöckiges Haus wurden mit
Verwundeten und Kranken belegt, deren Pflege von den Schwestern Kunigunde und
Fides geleitet wurde. Im Kurhaus, damals unter dem Namen "Bauxhall" bekannt, waren
200 kranke und verwundete Soldaten untergebracht. Das Kloster hatte 40 Betten mit
frischen Linnen gestellt. Im unteren Saale lagen die schwer verwundeten Krieger. Tag
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und Nacht wachten und pflegten Schwestern und Novizen des Mutterhauses. Der
Klostergeistliche Zimmermann war mit der Pfarrgeistlichkeit von Niederbronn
unermüdlich im Spenden von geistlichem und leiblichem Trost. Für die jungen Novizen
war es eine harte Schule. Hören wir den schlichten Bericht einer Schwester über das
Leben und Treiben im Bauxhall: "Es war ein wahres Elend; die Kranken lagen auf dem
Boden auf einem Strohsack; da lag ein Toter, dort röchelte ein Sterbender, hier
jammerte ein Verstümmelter; dem einen fehlte der Fuß, der andere hatte keinen Arm
mehr. Die Soldaten waren sehr dankbar, sie wußten gar nicht, wie sie den Schwestern
ihre Dankbarkeit bezeigen sollten; jene, die nicht mehr reden konnten, drückten durch
beredte Blicke ihre dankbare Gesinnung aus." Die Novizen, denen man statt des
weißen Schleiers den schwarzen gegeben hatte, wetteiferten miteinander in
heldenmütiger Aufopferung. Auch der Bahnhof und die Güterschuppen waren zu einem
Spital umgewandelt worden; hier hatten die Schwestern Cölestine, Jérémie, Héliodore
und Bassa mit Novizen und Postulantinnen die Pflege übernommen. Im Rathause
pflegten die Schwestern Edmund, Appiana, Menodora und einige Novizen. Es gab aber
nicht nur Verwundete zu pflegen, sondern auch Typhus, Cholera und Blattern richteten
Verheerungen an. Eine Novizin, die Cholerakranke pflegte, erkrankte an Typhus, eine
andere, die auf der Blatternstation tätig war, wurde von Blattern und Typhus gleichzeitig
befallen; aber beide genasen wieder.
Noch ein reizendes Idyll aus dieser schweren Zeit mag uns Schwester Apodemia
erzählen, die damals in den Güterhallen pflegte. Gerade wollten die jungen Schwestern
von der Nachtwache nach Hause gehen; es war ein bitterkalter Wintermorgen, da fuhr
ein Güterzug in den Bahnhof ein, der französische Kriegsgefangene nach Deutschland
brachte. Aus einem der geöffneten Wagen beugte sich ein erfroren dreinblickender
Soldat heraus, der sich an die Schwestern wandte und flehentlich bat: "Schwester, mir
ist so kalt, ich habe nichts am Hals." Schwester Julie bedenkt sich nicht lange und reicht
ihm ihr eigenes Tuch, das sie sich vom Hals nestelte. Im Begriffe weiterzugehen, hört
sie das jämmerliche Flehen eines zweiten, der sich über seine bloßen Füße beklagte.
Auch da weiß das Mitleid des tapferen Schwesterleins Rat. Schwester Apodemia muß
schützend vor sie stehen, und hinter diesem lebenden Wandschirm zog sie ihre
eigenen Strümpfe aus und reichte sie dem frierenden Mann. Erinnert dieses köstliche
Bild nicht an die rührende Geschichte vom Mantel des hl. Martinus?
Bis tief in den Februar hinein blieben die Niederbronner Ambulanzen gefüllt.
Während dieser Zeit wurden an das Mutterhaus große Ansprüche gestellt in Bezug auf
Nahrungsmittel. Aber man litt nie Mangel. Schwester M. Adelinde hebt in ihrem
eingangs erwähnten Bericht hervor, daß Gott sichtlich für alle Bedürfnisse sorgte:
"Obschon das Kloster arm ist und kein sonstiges Einkommen hat als Gottes väterliche
Vorsehung, litt die Genossenschaft keinen Mangel in dieser harten und betrübten Zeit
und konnte viele Hunderte gesunde und kranke Militärs verköstigen. Es war fast
wunderbar, denn hier in Niederbronn waren keine Lebensmittel mehr zu haben, indem
bereits alles aufgezehrt war; ebenso wenig konnte man dergleichen in den nahe
liegenden Städten bekommen." Sie fügt noch bei, daß "der Klostergarten in langer Zeit
nicht so fruchtbar gewesen ist wie dieses Jahr, wo längere Zeit französische und
deutsche Truppen einlogiert waren. Unsere Schwester Gärtnerin empfahl jeden Tag
den Garten dem Schutze der armen Seelen". Auch den christlichen Gesinnungen der
französischen und deutschen Verwundeten und kranken Krieger, welche die
Schwestern pflegten, spendet sie alles Lob.
Wie es kam, daß die Klostergemeinschaft keinen Mangel litt, darüber liegt noch
ein interessanter Bericht der Schwester Leopold vor. Sie weiß zu erzählen, daß ein
"lediger Mann mit Namen Briemer aus Deutschland, der aus Neugierde 85) das Heer
begleitet hätte und die Schwestern Kunigunde und Fides bei der tatkräftigen
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Verwundetenpflege im Bruderkloster beobachtete. Das gefiel ihm, und er bat dann die
Schwestern, da er vier Tage und Nächte nicht zur Ruhe gekommen war, um ein
Nachtlager; seine Bitte wurde gerne gewährt. Dies war am 6. August, und er blieb dann
bei den Schwestern bis Weihnachten. Das Kloster hatte an ihm eine große Stütze. Als
keine Nahrungsmittel mehr vorhanden waren, ließen die Soldaten das Rindvieh aus den
Ställen des Bruderhofs heraus, um es zu schlachten. Da war aber Herr Briemer gleich
beim Oberst, um es zu melden; die betreffenden Soldaten wurden dann bestraft und auf
das Tor am Bruderhof wurde geschrieben: Es ist strengstens untersagt, hier jemanden
Leids zu tun, es ist ein Lazarett. Die ehrw. Mutter Adelinde sagte oft zu uns: Seht, wie
der liebe Gott für uns durch diesen Mann sorgt, wir leiden bei dem Kriege gar keinen
Mangel, denn Herr Briemer wartet nicht, bis nichts mehr da ist, er geht schon vorher
zum Oberst und meldet, daß wir Nahrungsmittel brauchen. Er wurde dann immer vom
Militär aus mit unserem Knecht nach Weißenburg geschickt, um Mehl, Erbsen, Linsen,
Bohnen, Reis, Grieß, Zucker und Kaffee mit einer Fuhre zu holen. Die Obersten vom
Militär waren den Schwestern sehr wohlwollend wegen der guten Krankenpflege. Auch
für Fleisch war gesorgt; es kam von Hagenau."
Das Haus zu Oberbronn wurde weniger in Mitleidenschaft gezogen; aber ganz
unberührt vom Kriegslärm blieb es auch nicht. Am Nachmittag der Schlacht wälzten
sich zahlreiche Schwärme flüchtiger Soldaten durch das Wiesental von Reichshofen
herauf gegen Oberbronn. 45 Verwundete erhielten Aufnahme im Kloster und blieben
hier bis Februar. Ein Turko, dem ein Bein abgenommen wurde, starb an Blutverlust 86).
Das, was das Mutterhaus in Niederbronn selbst an Werken der Nächstenliebe
verrichtete, war aber nur ein geringer Bruchteil von dem, was die Schwestern in
zahlreichen Lazaretten Frankreichs und Deutschlands leisteten. Das wird an anderer
Stelle eigens zu würdigen sein 87). Hier, wo es sich um die Geschichte des
Mutterhauses als des Hauptsitzes der Genossenschaft handelt, sind noch die
verhängnisvollen Folgen zu erwähnen, die das Kriegsjahr für die gesamte Kongregation
nach sich zog.
Zunächst mußte die Überanstrengung der Schwestern, dann die ein weibliches
Gemüt stark beeinflussenden Bilder des Jammers und der Not, die der Krieg mit sich
brachte, auf den Gesundheitszustand der Genossenschaft sehr nachteilig wirken. Am
stärksten mitgenommen wurden in Niederbronn die jungen Kandidatinnen. Manche
wurden dadurch ganz untauglich für ihren Beruf. So heißt es z. B. in einem Schreiben
88),
in welchem die Generaloberin dem Pfarrer Moser zu Friedberg im
Württembergischen Mitteilung vom schlechten Gesundheitszustande der Kandidatin
Josepha Witt von Wolfersweiler macht. "Es ist jedermann bekannt, daß von Beginn des
Krieges an bis jetzt Niederbronn immer Einquartierung und Militärlazarette gehabt hat.
Unsere Schwestern hatten anhaltende und anstrengende Kranken- und
Verwundetenpflege an der Dienstmannschaft zu üben, und da ihre Zahl hier
notwendigerweise beschränkt war, weil in den Filialhäusern derselbe Dienst eben auch
zu versehen war, oder weil eine Anzahl von Schwestern bis in die Umgebung von Paris
sich begeben mußte, um Lazarettdienste zu versehen, so mußten selbst die
Kandidatinnen hier behilflich sein, was sonst in der Regel nicht geschieht, bevor sie
nicht wenigstens ein Jahr im Noviziat zugebracht haben. In einer Abteilung des Klosters
hatten wir längere Zeit teils Verwundete, teils Blatternkranke, die von Schwestern
verpflegt wurden; manche Schwestern erkrankten dabei, sei es, daß sie dasselbe oder
ein anderes Übel traf. Auf andere machten dann die öfteren Waffenübungen,
meistenteils in unmittelbarer Nähe des Klosters, öfters mit Hurrageschrei verbunden,
einen leicht erklärlichen erschütternden Eindruck. Dann Tag und Nacht auf den Füßen
sein, das Leiden der Verwundeten ansehen, bald sie mühevoll heben, bald sie
verbinden, vielleicht auch einen Ekel fassen oder mitleidig gerührt werden: dies alles
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kann leicht ein junges Gemüt verwirren oder auch auf die besten Kräfte lähmend
einwirken."
Auch in vielen Filialhäusern zeigten sich die Folgen der angestrengten, oft das
Maß menschlicher Kraft übersteigenden Tätigkeit. Am 22. August 1871 teilt Superior
Sattler dem Bischof mit, daß in vielen Häusern durch Tod oder Krankheit der
Schwestern Lücken entstanden seien, die man ausfüllen müsse. Eine Filiale der
Diözese Nancy mußte aufgehoben werden wegen Mangels an Personal. An
Neugründungen waren diese Zeiten nicht reich; das Jahr 1871 hatte deren nur fünf zu
verzeichnen. Viele Gesuche um Schwestern mußten abschlägig beschieden werden.
Noch im Jahre 1876 teilte Superior Simonis dem Bamberger Professor Heinrich Weber
mit: "Wir leiden noch immer an den Nachwehen des Krieges. Es kamen damals zu
wenige Postulantinnen. Der Krieg hat seinerseits die Kräfte der Schwestern
aufgerieben. Um irgendwie auszuhelfen, mußten wir einer großen Zahl Novizen mit
unbeendigtem Noviziate den schwarzen Schleier geben. Diese armen Kinder
schmachten und seufzen wie arme Seelen im Fegfeuer nach Noviziat und Profeß. Wir
mußten uns befleißen, dieselben nach und nach ins Mutterhaus zu rufen."
Dann war auch nicht zu verwundern, daß von den Schwestern, die der Armee
folgten, die eine oder die andere im Wirrwarr der Verhältnisse und unter den Gefahren,
die das freiere Leben für weniger gefestigte, an eine regelmäßige Ordnung gewohnte
Personen mit sich brachte, dem Berufe verloren ging. Aber glücklicherweise brauchte
man im Mutterhause nur ganz wenige solcher Fälle zu beklagen.
In schwierige pekuniäre Verhältnisse kam durch den Krieg die große Filiale zu
Straßburg, weil viele Wohltäter des Hauses infolge der Annexion des Elsasses durch
Deutschland die Stadt verließen.
Drittes Kapitel.
Die neuen Statuten und ihre Ablehnung. Sattlers Weggang.
In dem päpstlichen Approbationsdekret vom Jahre 1866 war die Anerkennung
der Satzungen der Genossenschaft ausdrücklich auf eine günstigere Zeit vertagt
worden. Was den römischen Behörden daran nicht gefiel, war die
Nichtberücksichtigung wichtiger Verfassungs- und Verwaltungsfragen. So fügte man
wie früher schon dem Lobdekret des Jahres 1863, auch dem Approbationsdokument
einige "Bemerkungen" bei, welche bestimmten, daß die Oberin mit absoluter
Stimmenmehrheit auf sechs Jahre zu wählen sei; eine weitere Amtsdauer kann nur mit
Genehmigung des Heiligen Stuhles erfolgen. Alle drei Jahre muß ein Generalkapitel
stattfinden, bei dem Assistentinnen, Visitatorin und Schaffnerin gewählt werden. Für
Dispens von Gelübden ist nur der Heilige Stuhl zuständig. Die Mitgift der Schwestern
kann nur mit Einwilligung des Heiligen Stuhles verringert werden und ist in sicheren
Werten anzulegen. Vor der ewigen Profeß können die Schwestern frei über ihr
Vermögen verfügen zugunsten des Verwandten oder des Klosters.
Als die Eröffnung des Vatikanischen Konzils angesagt war, glaubte die
Oberleitung von Niederbronn die Zeit für gekommen, um endlich die päpstliche
Anerkennung der Statuten ins reine zu bringen. Vierzehn Tage vor der Abreise des
Bischofs nach Rom begab sich auf Wunsch der Generaloberin der Superior nach
Straßburg zum Bischof und empfahl ihm dringend die Angelegenheit der Approbation.
Räß versprach mit Freuden, seinen Einfluß geltend zu machen 89). Aber einige Tage
darauf wurde Sattler von dem Rate der Kongregation aufgefordert, selbst nach Rom zu
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reisen, um dort die schnellere Durchführung der päpstlichen Approbation zu betreiben.
Nur widerwillig gehorchte der Superior. Er nahm ein Exemplar der alten Statuten von
Niederbronn sowie solche anderer Genossenschaften mit sich, damit er für den Fall,
daß er selber neue Satzungen ausarbeiten sollte, mit Material versehen wäre. In Rom
angelangt, machte er sich gleich ans Werk und wurde ein fleißiger Besucher der
Kanzlei der Kongregation der Bischöfe und Regularen. Hier bedeutete man ihm auf
seine Anfrage, daß die Niederbronner Schwestern keine Statuten hätten, welche
approbiert werden könnten. Sattler verständigte davon sofort Räß, der ihm aber keine
bestimmte Weisung gab. Als Sattler ihn endlich fragte, ob er selbst zur Abfassung von
Statuten ermächtigt werde, gab ihm Räß zögernd die Erlaubnis. Freilich mußte der
Bischof diese Zusage später bereuen.
Sofort machte sich Sattler an die Arbeit. Den neuen Satzungen legte er die
bereits approbierten Konstitutionen der Schwestern des hl. Joseph zu Chambéry (in
Savoyen) zugrunde; von Mitte Januar bis Mitte Februar vollendete er sein Werk, wobei
er stets sich Rats erholte bei einem Konsultor der heiligen Kongregation. Dann gab er
die von ihm verfassten Konstitutionen dem Bischof zur Durchsicht, der sie samt dem
ebenfalls abgeänderten Zeremoniale der Einkleidung und Profeß der Kongregation der
Bischöfe und Regularen zustellte. Sattler kehrte nach einem dreimonatigen Aufenthalt
in Rom nach Niederbronn zurück.
Am 27. Mai 1870 wurden dann die Sattlerschen Statuten für fünf Jahre
approbiert. Im Juli kamen sie in Niederbronn an, wurden gedruckt und die Exemplare an
die verschiedenen Häuser verteilt 90).
Aber der mittlerweile ausgebrochene Krieg machte die Abhaltung des für
September 1870 vorgesehenen Generalkapitels unmöglich, auf dem die neuen Statuten
offiziell eingeführt werden sollten. Erst am 15. Oktober 1871 konnte das Kapitel eröffnet
werden. Superior Sattler mußte allein den Vorsitz führen; weder der Bischof, den er
eingeladen hatte, noch der Generalvikar erschienen. Fast alle Schwestern, die
erscheinen mußten, waren anwesend, 93 an der Zahl. Aber vor dem 18. Oktober
konnte nicht zur Verhandlung geschritten werden, da die Generaloberin, die die
Stimmung der meisten Schwestern kannte, den Bischof am 17. Oktober noch einmal
persönlich eingeladen hatte, aber ohne Erfolg. Zugleich hatte sich Sattler vom
Generalvikar Marula instruieren lassen. Der Verlauf des zehn Tage dauernden Kapitels
war recht stürmisch. Nach langem Hin- und Herreden schlug Sattler vor, daß man
einstweilen die neuen Statuten beobachte, bis eine im Generalkapitel durchberatene
abgeänderte Fassung abermals dem Heiligen Stuhle vorgelegt werden könne. Aber nur
die Generaloberin mit einer Minderheit, die sich, von Sattler eingeschüchtert, eines
Ungehorsams gegen den Heiligen Stuhl schuldig machen fürchtete, bequemte sich zu
dieser Entscheidung. Die allgemeine Erregung allerdings, die sich auch nach dem
Kapitel nicht legte, die Beteuerung der Oppositionspartei, daß sie nicht im geringsten
daran denke, dem Papste ungehorsam zu sein, sondern überzeugt sei, daß Rom nur
zwei Dinge von ihnen fordere: nämlich ihre ursprüngliche Regel zu vervollständigen
und, wo es nötig sei, zu verbessern, ließ Schwester M. Adelinde über den Kopf des
Superiors hinweg in persönliche Unterhandlungen mit dem Bischof selbst eintreten.
Denn es stand nichts Geringes auf dem Spiel, es galt, die Einigkeit der Genossenschaft
zu wahren. Das Resultat der Unterredung war, daß Räß gestattete, zu der alten Regel
zurückzukehren. Die Generaloberin, die diesen Schritt ohne Vorwissen Sattlers getan
hatte, teilte ihm das Resultat mit. Sattler gab dem Bischof in ziemlich scharfer Tonart 91)
seine eigene Auffassung der Dinge zu erkennen, erhielt aber keine Antwort. Als die
Generaloberin mit Sattler selbst verhandeln wollte, blieb dieser bei seiner Ansicht; er
protestierte gegen die Rückkehr zur alten Regel, denn auch der Bischof könne nicht
ändern, was die päpstliche Autorität bestimmte, auch er könne einen Kapitelsbeschluß
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nicht beseitigen. Unter diesen Umständen war es wohl am besten, daß Sattler am 31.
Januar 1872 seiner Stellung enthoben wurde. Der Bischof ernannte ihn zum Superior
des berühmten Wallfahrtsortes Mariental.
Der Grundfehler bei all diesen Irrungen und Wirrungen liegt darin, daß Sattler in
bester Absicht - auf eigene Faust hin es unternahm, Satzungen für die Genossenschaft
auszuarbeiten, ohne diese überhaupt zu befragen. Sattler konnte sich allerdings darauf
berufen, daß er von seinem Bischof dazu ermächtigt sei. Aber war es klug von seiten
des Bischofs, Sattler diese weitgehende Vollmacht zu erteilen und die von ihm
verfassten Satzungen ohne weiteres vom Heiligen Stuhl bestätigen zu lassen und so
die Genossenschaft, die von all den einschneidenden, ihr innerstes Leben berührenden
Maßnahmen keine Ahnung hatte, vor eine vollendete Tatsache zu stellen? Die Frage
wird kaum zu bejahen sein. Sattler hätte wohl klüger gehandelt, wenn er unverrichteter
Dinge nach Hause zurückgekehrt wäre, sobald er die Gewissheit hatte, daß man die
alten Statuten nicht approbieren wollte; er hätte dann die Neubearbeitung im
Einvernehmen mit den Kapitelsschwestern vornehmen sollen. Die Schwestern ihrerseits
mögen dabei auch verkannt haben, daß nach den Grundsätzen der päpstlichen
Verwaltung eine Approbation der Regel ohne gewisse Änderungen nicht zu erhoffen
war.
Die tiefgehende, fast allgemeine Erregung im Schoße der Kongregation muß
Bischof Räß doch zur Überzeugung gebracht haben, daß die ganze Sache übereilt war.
Man kann es sehr wohl begreifen, daß er in Rom, wo er einer der eifrigsten Vorkämpfer
für die Definierung des Unfehlbarkeitsdogmas war, nicht die nötige Muße fand, den
Sattlerschen Entwurf gründlich darauf hin zu prüfen, ob er dem ursprünglichen Zwecke
der Niederbronner Kongregation gerecht werde. Er hat dann auch keinen Augenblick
gezögert, die übereilten Maßnahmen rückgängig zu machen, in einer Weise freilich, die
für Sattler nicht schmeichelhaft war. Dieser war das Opfer unhaltbarer Verhältnisse
geworden, die er allerdings zum großen Teil selbst verschuldet hatte. Er hätte sich
sagen müssen, daß ihn die kurze Zeit seiner Amtstätigkeit doch nicht befähige, eine
religiöse Genossenschaft auf eine stark geänderte Grundlage zu stellen. Er war aber zu
sehr Stubengelehrter, der vom Studiertisch aus wichtige Fragen lösen zu können
vermeinte, bei denen auch die lebendige Erfahrung ein gewichtiges Wort mitzusprechen
hat.
Es kann nicht geleugnet werden, daß Sattlers Satzungen ein wohldurchdachtes
Ganze darstellen. Aber sie sind ein ganz neues Werk, das nicht mehr an die frühere
schlichte Regel erinnert. Man begreift, daß die älteren Schwestern, denen jene
Satzungen in Fleisch und Blut übergegangen waren, dieses Abweichen von alten,
geheiligten Gebräuchen als eine Pietätlosigkeit betrachteten. Schon im April, nachdem
Sattler im Rate die Statuten vorgelesen hatte, hatte die Novizenmeisterin Schwester
Marie Joseph dem Bischof mitgeteilt, daß manche Schwestern nichts davon wissen
wollten; man müsse bei den Regeln der Stifterin bleiben, das Fehlende könne leicht
ergänzt werden 92). In mehr als 150 Briefen kommt die Entrüstung gegen diese Reform
zum Ausdruck. "Ich gehöre", schreibt Schwester Lukretia, die Oberin des Münchener
Kongregationshauses, dem Bischof Räß 93), "zu jenen Schwestern, welche das Glück
hatten, unserer ehrw. Stifterin im Leben näher zu stehen, und weiß, wie sie oft selbst
noch in ihren letzten Stunden uns ermahnte, ja nichts an der Regel zu ändern." Und von
Darmstadt aus beschwört Schwester Gorgonia den Straßburger Oberhirten 94), er möge
bewirken, daß das alte Regelbuch beibehalten werde, denn es sei besser, weil klar,
bestimmt und kurz, auch der einfachsten Schwester verständlich: "Die älteren
Schwestern betrachten es als ein teures und heiliges Vermächtnis ihrer unvergeßlichen
ehrw. Mutter an ihre Kinder, sie glauben in den Regeln die Mahnungen und den Geist
der ehrw. Stifterin unserer Kongregation fort und fort zu vernehmen."
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Das sind Stimmen einfacher Gemüter, die sich vom Hergebrachten nicht trennen
können. Man erblickte in dieser neuen Regel eine völlige Absage an die alten
Überlieferungen. Das war sie zwar nicht. Aber man glaubte, der Superior wolle die
Kongregation ihrem ursprünglichen Zweck entfremden, weil er in die Statuten ganze
Abschnitte über die Lehrschwestern eingefügt hatte, während doch die Krankenpflege
die Hauptsache sei. Als besonders verhängnisvoll betrachteten die Oberinnen das
Fehlen zweier Hauptpunkte der alten Regel: der Rechenschaftsablage der
Pflegeschwestern nach der Rückkehr vom Kranken und der öffentlichen Anklage
äußerer Überschreitungen der Regel. Die Sattlersche Regel war sodann viel zu
umfangreich und zu unübersichtlich, da er es versäumt hatte, die Hauptpunkte in Form
numerierter, kurzer Paragraphen dem Gedächtnis leichter einprägbar zu machen.
Durch das Einlenken des Bischofs, der die Beibehaltung der alten Satzungen
vorläufig gestattete, war einer schweren inneren Krisis vorgebeugt worden. Bischof Räß
mochte aus den unerquicklichen Vorgängen auch die Überzeugung gewonnen haben,
daß er der Generaloberin seiner Lieblingskongregation einen tatkräftigen Mann zur
Seite stellen müsse, der die Genossenschaft nach den Jahren der Prüfung einem
neuen Aufstieg entgegenführe. Dieser Mann war I g n a t i u s S i m o n i s .
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Dritter Abschnitt
Steigende Entwicklung der Kongregation unter dem
dritten Superior Ignatius Simonis (1872 - 1903).
Erstes Kapitel.
Superior Simonis. Innere Festigung der Genossenschaft.
Das Noviziat.
Über zwei Jahrzehnte sind über die Genossenschaft dahingezogen. Wir konnten
sehen, wie das von der Niederbronner Bauerntochter gepflanzte Bäumlein in dem von
Gottes Segen befruchteten Erdreich wunderbar rasch emporwuchs, wie der kraftvolle
junge Stamm allmählich seine Äste weit über die Lande ausbreitete, wie aber auch ein
starker Sturm einige blühende Zweige abknickte. Wir sahen ferner, wie nach dem rasch
erfolgten Ableben der Stifterin der Stamm, den sie pflanzte, im Wachstum zurückblieb.
Wir sind Zeugen gewesen der schweren inneren und äußeren Drangsale, welche am
Marke der Kongregation zehrten und sie fast mit langsamem Siechtum bedrohten. Aber
jetzt stehen wir wieder am Vorabend besserer Zeiten. Die Generaloberin erhält eine
kräftige, nie versagende Stütze in dem Manne, den der Bischof nach dem Weggange
Sattlers der Genossenschaft zum geistlichen Leiter gab. Er war klein und unansehnlich
an Gestalt; aber in dieser wohnte eine starke, vom Geiste Gottes und von der Liebe zur
Kirche und den Menschen ergriffene Seele. Von Anfang an hat er seine wunderbare
Energie und Arbeitskraft in den Dienst des seiner Obhut anvertrauten Werkes gestellt.
Und weil er selbstlos dessen Gedeihen zu fördern suchte, blieb Gottes Segen nicht aus.
Man kann ihn ohne alle Übertreibung als d e n z w e i t e n B e g r ü n d e r d e r
N i e d e r b r o n n e r G e n o s s e n s c h a f t b e z e i c h n e n . Er hat sie nicht nur nach
außen hin ungemein vergrößert, sondern, was noch mehr bedeutet, er hat sie, wenn sie
nach den Wirren des Krieges und unter den weniger erquicklichen häuslichen
Verhältnissen, die wir kennen gelernt haben, nicht mehr ganz dem Ideale der seligen
Stifter entsprechen mochte, innerlich erneuert und ihre Mitglieder zu Ordensfrauen
herangebildet nach dem Herzen Gottes.
Am 9. März 1872 traf der von Bischof Räß zum Superior ernannte Pfarrer von
Rixheim, Ignaz Simonis, in Niederbronn ein.
Ignaz Simonis wurde geboren am 12. März 1831 im altertümlichen, durch seinen
Wein berühmten Gebirgsstädtchen Ammerschweier im oberen Elsaß. Sein Vater Franz
Joseph Simonis und seine Mutter Agathe Schwindenhammer waren sehr begüterte
Winzersleute, die ihrem einzigen Sohne - er hatte noch zwei Schwestern - jedes
Studium ermöglichen konnten. Der äußerst lebendige, reich veranlagte Knabe hegte
schon früh den Wunsch, Priester zu werden. Die frommen Eltern konnten nichts
Sehnlicheres wünschen. Im kleinen Seminar zu Straßburg begann Ignaz seine
lateinischen Studien, nach deren Vollendung er in das Straßburger Priesterseminar
eintrat. Im Alter von 21 Jahren hatte er im Jahre 1852 schon seine theologischen
Studien absolviert. Da er erst im Juni 1854 seiner Jugend wegen zur Priesterweihe
zugelassen werden konnte, ernannte ihn Bischof Räß, der damaligen Gepflogenheit
folgend, zum Lehrer an der neugegründeten geistlichen Lehranstalt, dem sog. Collège
libre zu Colmar. Der junge Professor lehrte zuerst Latein und Griechisch, später Physik
und Chemie. Das Vertrauen des Bischofs in seine Fähigkeiten berief ihn im Jahre 1863
als Professor der Heiligen Schrift in das Priesterseminar. Der plötzliche Übergang von
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der Naturwissenschaft zur hebräischen Sprache mag dem Lehrer, der sich in seiner
Stellung glücklich gefühlt hatte, nicht leicht geworden sein. Aber als Mann des
Gehorsams wandelte er unverdrossen auf den für ihn anfangs dornenvollen Pfaden des
Bibelerklärers. Durch die eingehende Beschäftigung mit der Heiligen Schrift aber
eignete er sich eine gründliche Kenntnis des Buches der Bücher an, und seine
Vertrautheit mit der unerschöpflichen Weisheit der Bibel kam ihm später bei der
Ausbildung der Schwestern sehr zu statten. Als Superior Stumpf, der spätere Bischof,
die Leitung des Priesterseminars übernahm, trat für Simonis ein abermaliger Wechsel
der Lebensverhältnisse ein. Er verließ, dem Zwang der Umstände gehorchend, seine
Professur, um eine Stelle als Pfarrer zu Rixheim anzunehmen 95). Das geschah im
Oktober 1866.
Hier in der stillen Landpfarrei der oberrheinischen Ebene fühlte sich Simonis in
seinem Elemente. Er ist seinen Dörflern ein Musterpfarrer geworden, den Kranken ein
Tröster, den Armen ein sorgender Vater, der aus dem Schatze seines eigenen reichen
Vermögens mit vollen Händen austeilte, der Jugend ein Warner und Lehrer, den Eltern
ein stets bereiter Berater und den Kindern ein zutraulicher Freund. So verstand und
übte er sein seelsorgerliches Amt, in dem er sich nicht auf das Wirken in der Kirche
beschränkte, sondern auch außerhalb Freud’ und Leid mit seinen Pfarrkindern teilte, in
gleicher Weise ihren religiösen und wirtschaftlichen Interessen diente. Er ist schon in
vollem Sinne das gewesen, was man heute mit dem Ehrentitel eines "sozialen Pfarrers"
bezeichnet. Damals schon - um nur dies eine hervorzuheben - hat sich Simonis in
einem vielbemerkten offenen Briefe an den Abgeordneten Jules Simon (über die
Schulfrage) der traurigen Lage der in den Fabriken arbeiteten Kinder angenommen 96).
Stets hat er ein offenes Auge für soziale Schäden und Ungerechtigkeiten gehabt und
ein warmes Herz für die Notleidenden und Enterbten dieser Welt.
Konnte er ein ergiebigeres Arbeitsfeld finden für sein soziales und karitatives
Empfinden als den unbegrenzten Wirkungskreis, den ihm der Bischof durch die
Ernennung zum Superior des eminent sozialen Werkes von Niederbronn anwies?
Freilich traf ihn, der sich so wohl und glücklich fühlte in der einfachen Seelsorge unter
einfachen, noch nicht verhetzten Menschen, die ihn liebten und verehrten, wie ein Blitz
aus heiterem Himmel der Befehl des Bischofs, der ihn nach Niederbronn rief. Nur mit
blutendem Herzen hat er das teure Rixheim verlassen. Er wußte zu gut, was er verließ,
um eine ungewisse Zukunft dafür einzutauschen. Die Schwierigkeiten, vor die ihn die
neue Lebensaufgabe stellte, mochten ihm die kommenden Tage nicht im rosigsten
Lichte erscheinen lassen. Aber er war zeitlebens ein treuer und ausdauernder Arbeiter
im Weinberge des Herrn gewesen, darum begab er sich mit frischem Mut ans Werk.
Und Gott segnete es. Räß hatte diesmal den rechten Mann erwählt. Mit 42 Jahren
stand Simonis in der Vollkraft des Mannesalters. Er besaß alle Eigenschaften, die ihn
zum neuen Amte befähigten. Mit einer durchdringenden Geisteskraft verband er einen
eisernen Willen, der von keinem Hindernis zurückschreckte. Seiner tiefen, Verstand und
Gemüt durchdringenden Frömmigkeit stand eine bewundernswerte Kenntnis der
menschlichen Seele zur Seite, die ihn, der selbst von unbegrenztem Opfergeist
durchglüht war, zum geborenen Menschenbildner machte.
Als Simonis die Leitung der Genossenschaft übernahm - 1872 -, zählte diese 98
auf 15 Diözesen verteilte Niederlassungen mit 502 Profeßschwestern. Diese Häuser
verteilten sich wie folgt: In Deutschland entfielen auf die Diözesen Straßburg 47, Metz
1, Freiburg 12, München 11, Regensburg 1, Eichstätt 2, Speyer 4, Mainz 6
Niederlassungen. In Frankreich zählten die Bistümer Besançon 3, Châlons sur Marne 1,
St. Dié 4, Langres 1, Paris 1, Dijon 1, Nancy 2 Häuser. In Belgien war zu Lüttich 1 Haus
gegründet worden.
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Gleich von Anfang an hatte der neue geistliche Leiter das Vertrauen der
Genossenschaft gewonnen. Er sah, daß er sich nicht mit der mehr passiven Rolle
seines Vorgängers begnügen dürfe, wollte er die Kongregation aus den
Schwierigkeiten, in die sie geraten war, heraus und einem neuen Aufschwunge
zuführen. Er mußte sein Augenmerk zunächst auf die völlige Wiederherstellung des
Geistes der Einigkeit richten, die eine Zeitlang gefährdet war. Dem Einfluß seiner
starken Persönlichkeit gelang es über Erwarten schnell.
Sodann galt es, den durch die Kriegsjahre zum Stillstand gebrachten Zufluß zum
Noviziat wieder reicher anschwellen zu lassen.
Keiner verstand dies besser als Simonis. Er sah von Anfang an ein, daß in dem
beständigen Anwachsen des Noviziates die beste Gewähr für ein andauerndes
Wachstum der Genossenschaft liege. Darum scheute er keine Mühe, für Nachwuchs zu
sorgen. Es wurde ihm anfangs nicht leicht. Am 9. Februar 1873 klagt er seinem Bischof,
daß die Ordensberufe sich spärlich einstellen. Wir haben oben gesehen, daß er noch im
Jahre 1876 einem Freunde über den zu geringen Andrang von Postulantinnen klagen
mußte. Doch allmählich wurde es besser. Bald konnte er Bischof Räß die Mitteilung
machen 97), daß Gott fortfahre, die Kongregation zu segnen, daß die große Mehrzahl
der auswärtigen Häuser in sehr zufriedenstellendem Zustande seien und daß das
Noviziat fortwährend zunehme. Seitdem er von Rom aus ermächtigt sei, auch
Personen, die das 25. Jahr überschritten hätten, aufzunehmen, habe er für die Zukunft
weniger Besorgnisse. Auf seinen zahlreichen Visitationsreisen in Deutschland und
Frankreich benutzte er jede Gelegenheit, neue Berufe zu gewinnen. Seine
Menschenkenntnis leistete ihm dabei vorzügliche Dienste. Aber er war kein ungestümer
und zudringlicher Proselytenmacher. Davor bewahrte ihn schon seine hohe, nur von
übernatürlichen Gesichtspunkten geleitete Auffassung des Ordensberufes. Ein Beispiel
möge uns zeigen, mit welchem Takt Simonis vorging, wenn er einen Beruf entdeckt zu
haben glaubte.
Während der jährlichen Exerzitien hatte ihm einst eine Schwester von einem
jungen, den gebildeten Ständen angehörenden Mädchen gesprochen, das sich mit
Klostergedanken trug 98). Da sie in einer ziemlich weit entfernten elsässischen Stadt
wohnte, konnte der Superior sie vorerst nicht persönlich sprechen. Aber ein Brief des
Mädchens, den man ihm in die Hände spielte, gab ihm Anhaltspunkte genug. So
schrieb er zunächst der Schwester, die ihm von der künftigen Kandidatin gesprochen
hatte, daß der Brief des Fräuleins auf ihn einen sehr günstigen Eindruck gemacht habe.
Jeder Beruf hat seine eigene Geschichte, aber jeder zeigt auch eine Reihe allgemeiner
Kennzeichen, die sich stets wiederholen. "Dieses jedem Berufe gemeinsame
Kennzeichen besteht in der Neigung, die Gott einer Seele einpflanzt. Wenn eine Seele
sich lebhafter hingezogen fühlt zu einem Leben des Verzichts, der Liebe und des
Opfers, wenn dieses Leben sich ihr unter der besonderen Gestalt des religiösen Lebens
in einer bestimmten Genossenschaft darstellt, wenn Gott auf besondere Weise die
Liebe zu dieser Kongregation tief in dieses Herz eingepflanzt hat, wenn diese Liebe
durch fortgesetztes Gebet wächst, wenn die betreffende Person die für diesen Beruf
erforderlichen natürlichen Eigenschaften besitzt, wenn endlich der Beichtvater keine
Schwierigkeiten bereitet, indem er vielleicht alles als das Spiel einer ungezügelten
Einbildungskraft betrachtet, dann scheint es mir, daß man nicht zögern darf und sich für
das Vorhandensein des Berufes entscheiden muß." Dieser Fall scheine aber bei dem
jungen Mädchen vorzuliegen. "Freilich muß man langsam vorgehen, mit Gebet,
Klugheit und Demut; aber wenn man nachgedacht und gebetet hat, dann kommt der
Augenblick, wo Gott die Gnade gibt, zu handeln. Es ist wichtig, diesen Augenblick,
welcher die Stunde Gottes ist, nicht vorübergehen zu lassen."
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Dieser Brief, den die Schwester der jungen Dame zustellte, bewirkt, daß diese
selbst mit Simonis in brieflichen Verkehr tritt, ihm ihr Herz erschließt und um neuen Rat
bittet. Der Superior ist jetzt noch stärker überzeugt als vorher, daß die Briefschreiberin
für das Niederbronner Kloster bestimmt ist. Aber er verhehlt ihr nicht, daß der Weg zu
Christus auch der Weg des Kreuzes ist. Und er schreibt ihr: "Mein liebes Kind! Ich habe
wohl das Recht, Sie so zu heißen, denn Sie sind zu mir gekommen, wie das Kind zu
seinem Vater kommt, und Sie gehören von jetzt ab der Seele der Genossenschaft der
Töchter des göttlichen Heilandes an. Ich habe mit Sorgfalt und lebhaftem Interesse die
Arbeit der Gnade in Ihrer Seele verfolgt. Viele Gebete sind hier für Sie verrichtet
worden. Schwester A. hatte mir ihren vorletzten Brief zugestellt, der großen Eindruck
auf mich machte. Es war das erste Aufblitzen der Morgenröte, welche jetzt die nächste
sichtbare Äußerung Ihres Berufes andeutet. Auf Ihre Frage habe ich nur die eine
Antwort: Wir erwarten Sie, und Sie können sich durch eigene Erfahrung überzeugen,
daß Gott reich ist an Erbarmung für jene, die ihn anrufen und auf ihn hoffen. Aber Gott
will bestürmt werden. Darum weicht eine Prüfung nur, um der anderen Platz zu
machen. Sie sind ungefähr am Ende dieser Prüfung angelangt, die darin bestand, daß
Sie inmitten der neulich noch so dichten Finsternis, in der sich Ihr Beruf verbarg, den
Ausweg fanden. Jetzt beginnt die vielleicht sehr schmerzliche Prüfung, die väterliche
Zustimmung zu erlangen, immer und immer zu bitten, geduldig zu warten, vielleicht eine
Zeitlang wider alle Hoffnung zu hoffen. Sodann werden die Prüfungen des Noviziates
kommen. Diese verschwinden nur, um den Prüfungen des Schwesternlebens Platz zu
machen, und wenn Sie am Ende Ihres Lebens zurückschauen, um den durchlaufenen
Weg zu überblicken, werden Sie ausrufen: Wie konnte ich so schwach sein in meinem
Vertrauen? Wie konnte ich mich so vielen Befürchtungen und Ängsten überlassen? Ich
erkenne heute, mein Gott, daß überall deine Hand mich leitete, deine süße, liebe
Vaterhand. Verzeihe mir, Herr, mein Mißtrauen, habe Dank für deine Hilfe, habe Dank
vor allem für die Prüfungen, die du mir schicktest. Sie waren der Sporn gegen Trägheit,
Feigheit und Mißtrauen, sie haben mich gezwungen, aufzuschreien zu dir, mich zu
deinen Füßen zu werfen, den Frieden zu suchen in deinem anbetungswürdigen Herzen.
Darum haben Sie Vertrauen, liebes Kind, Vertrauen und wieder Vertrauen! Und wenn
bisweilen die äußeren Hindernisse unübersteigbar scheinen und die inneren Kämpfe
noch stärker zurückzukehren versuchen, dann werden Sie sich um so mehr der
göttlichen Güte anvertrauen, welche bereit ist, Sie anzuhören, wenn Sie gebetet,
gerufen, geseufzt, gelitten haben."
Das ist die Sprache eines Vaters, der die Herzen zu gewinnen versteht, denn er
spricht aus der Fülle eines Herzens, das nur schlägt für die, die ihm anvertraut sind.
Das sind die goldenen Worte eines Mannes, der in späteren Jahren einmal von sich
sagen konnte: "Es gibt mir der liebe Gott die große Gnade, daß ich für euch alle ein
Vaterherz habe und das Wohl einer jeden so will, wie ein Vater das Glück eines jeden
seiner Kinder wollen kann." 99) Kein Wunder, daß ihm die jungen Seelen ein
grenzenloses Vertrauen entgegenbrachten, daß sie seinen Lehren folgten und unter
seiner klugen, festen und doch gütigen Anleitung für den entsagungsvollen Beruf der
Krankenschwester mit Ernst und Gewissenhaftigkeit sich vorbereiteten.
So sehr Simonis an einer zahlreichen Postulantinnenschar hielt, so streng hielt er
sich auch daran, nur absolut taugliche Elemente dem Noviziat zuzuführen. Sehr
vorsichtig und zurückhaltend zeigte er sich bei späteren Berufen. So schrieb er an einen
Freund, der ihm eine bereits neunundzwanzigjährige Kandidatin angemeldet hatte: "Wir
nehmen schon welche so auf. Allein ich muß Ihnen zum voraus die Bemerkung
machen, daß unter ihnen viele berufen, aber wenige auserwählt sind. Meistens ist die
Gesundheit mangelhaft oder der Eigensinn unbeugsam. Ist aber unter diesen beiden
70
Hinsichten die Qualifizierung da, so mag sie kommen. Erst hier aber kann sich zeigen,
ob sie zu den wenigen Auserwählten zu zählen sein wird, wie ich es wünsche." 100)
Neben der moralischen Tüchtigkeit sah Simonis, wie aus dieser Äußerung sich
ergibt, auch auf eine solide Gesundheit bei den Kandidatinnen. Daß es hier oft fehlte,
war seine oft wiederholte Klage. Die große Sterblichkeit unter den jungen Schwestern
schrieb er diesem Umstande zu. Man hatte ihm einst einen Zeitungsartikel über diesen
Punkt zugesandt; offenbar wollte der Verfasser die Überarbeitung der Schwestern als
alleinige Ursache hinstellen. Aus einer langjährigen Erfahrung heraus konnte Simonis
aber behaupten: "Ich lege sehr wenig Wert auf solche Zusammenstellungen. Man geht
bei denselben von Voraussetzungen aus, die nach meinem Dafürhalten nicht richtig
sind. Man vergleicht die Sterblichkeit der jungen Schwestern mit irgendeiner anderen
Sterblichkeit. Woran liegt aber das? Diese jungen Personen bringen durchweg ihren
Todesschein mit sich ins Noviziat herein. Meine Überzeugung ist diese, daß für zwei
junge Schwestern, deren Tod hier vielleicht beschleunigt werden kann, mindestens drei
anderen das Leben verlängert, eigentlich gerettet wird." 101)
An der eigentlichen Ausbildung der Novizinnen, die der Novizenmeisterin obliegt,
nahm von Anfang an Simonis den regsten Anteil durch seine trefflichen, von religiöser
Wärme getragenen, zu Herzen gehenden Konferenzen, deren Inhalt sich tief in die
Herzen der Hörerinnen einprägte. Im Beichtstuhle vervollständigte er die Erziehung,
deren Grundlinien er dort zeichnete, durch eine auf die individuelle Eigenart zugespitzte
Seelenführung, in der der scharfsinnige Menschenkenner ein Meister war. So gelang es
ihm im Laufe seines dreißigjährigen Wirkens, viele Hunderte von jungen Menschen zu
jenen aufopferungsvollen, im stillen wirkenden, bescheidenen und einfachen
Schwestern heranzubilden, die den guten Ruf der Niederbronner Schwestern in den
Ländern deutscher und französischer Zunge hochhielten und vergrößerten.
Dank seiner wunderbaren Energie und Arbeitskraft konnte er dieses Resultat
erzielen, obwohl ihn politische Geschäfte öfters außerhalb hielten. Seit 1874, wo es
dem Deutschen Reich abgetretenen Reichslande gestattet wurde, Abgeordnete in den
Reichstag zu wählen, hatte er mit Zustimmung des Bischofs das Mandat des Kreises
Rappoltsweiler angenommen. Wohl bedauerte er oft, daß er so viele Stunden der Politik
opfern mußte, und nirgends weilte er lieber als im Mutterhaus. "Mit welcher Eile", sagt
so schön sein Biograph 102), "kehrte er zurück, wenn er einige Tage in Berlin zugebracht
hatte. Um Zeit zu gewinnen, reiste er nachts und kam am frühem Morgen in Oberbronn
103) an. Kaum hatte er das Klostergebiet betreten, da vergaß er die Müdigkeit der
Nachtfahrt und eilte zur Kapelle, wo er die heilige Messe mit großer Andacht feierte.
Nach der Danksagung schloß er sich im Beichtstuhl ein und blieb dort bis Mittag, ohne
an das Essen zu denken. So hielt er es noch im vorgerückten Alter. Das war ihm
Herzensbedürfnis, und zugleich gab er seinen Novizen ein herrliches Beispiel. Herr
Simonis war in der Tat ein unvergleichlicher Mann der Energie. Das, was den
Krankenschwestern not tut, ist eine Seelenstärke, die vor nichts zurückschreckt. Sie
müssen wachen, ausharren, pflegen, immerdar trösten, auch wenn Körper und Geist
ermatten, wenn ihnen alles widerstrebt, wenn sie Undank und Enttäuschung ernten. Sie
müssen sich hinwegsetzen über die Gefahren der Ansteckung und der Erschöpfung,
müssen tapfer, heiter und fröhlich dem Tod ins Auge blicken können. Ein solches Leben
der Selbstverleugnung und des Heldenmutes setzt eine unbezwingliche Energie voraus.
Simonis predigte diese Energie in Wort und Tat. Die Novizin, welche so oft den alten,
durch die Last der Jahre gebeugten Superior fast im Sturmschritt die Kanzel besteigen
sah, die Zeugin war, wie er sich im Beichtstuhle abmühte, gegen das Erlöschen der
Stimme ankämpfte, sich Lasten auferlegte, die ihm niemand zumutete, die vergaß in
ihrem Leben nie dieses zugleich große und schmerzliche Schauspiel. Schon im Begriff,
71
zu unterliegen, raffte sie mit einer letzten Anstrengung ihre Kräfte zusammen, wenn sie
sich an das Beispiel ihres verehrten Superiors erinnerte."
Solche Erinnerungen wurden durch die jährlichen Exerzitien bei den für acht
Tage ins Mutterhaus zurückkehrenden Schwestern immer wieder aufgefrischt. Simonis
hat von Anfang an alle diese Exerzitien selbst gehalten, sowohl für die deutsch als auch
französisch sprechenden Schwestern. Er ist den Deutschen und Französinnen ein
gleich liebevoll besorgter Vater gewesen. Das war ja eine Eigentümlichkeit, die dem
Mutterhaus und dem Noviziat der Niederbronner Schwestern von Anfang an anhaftete:
daß Menschen verschiedener Nationalität, Deutsche, Franzosen, Belgier, sich
zusammenfanden, freudig und friedlich mit und nebeneinander das hohe Ziel ihres
Berufes erstrebten, der über die von Menschen gezogenen Grenzen nationaler
Besonderheit hinaus nur eines verfolgt: um Christi willen allen notleidenden und
kranken Menschen ohne Unterschied der Sprache und des Bekenntnisses zu dienen.
Mit sicherem Takt hat es Simonis, der sich mit gleicher Leichtigkeit in beiden Sprachen
bewegte und für die Eigenheiten jeder Rasse ein feines Gefühl besaß, verstanden,
auch nach dem Kriege in seiner zweisprachigen Klosterfamilie Frieden und Eintracht zu
pflegen. Denn nach wie vor hatte die Kongregation ihre Sendlinge der Wohltätigkeit
nach Westen und Osten auszuschicken. Der blutige Krieg, der die beiden großen
Völker zerfleischte, hat die Brücke nicht abgebrochen, über die von dem unter
deutscher Herrschaft stehenden Mutterhaus die Schwestern nach dem verkleinerten
Stammlande zogen.
Zweites Kapitel.
Das neue Verhältnis der Kongregation zu Frankreich.
Die reichsländische Regierung.
Durch den Frankfurter Frieden war das Mutterhaus der Kongregation auf den
Boden des neugegründeten Deutschen Reiches gestellt worden. Nun warf sich die
schwierige Frage auf: Wie wird sich das Verhältnis der französischen Filialhäuser zur
republikanischen Staatsregierung gestalten? Wird man die Rechte des nun deutschen
Mutterhauses aufheben und dessen Verbindung mit den französischen
Niederlassungen lösen? Oder findet sich eine andere praktische Lösung, die das
Weiterbestehen der Genossenschaft auf französischem Boden ermöglicht? Die Frage
mußte mit dem Kultusminister zu Paris ausgetragen werden. Kultusminister war nun
damals just der ehemalige radikale Abgeordnete Jules Simon, der unter dem zweiten
Kaiserreich so stark in antiklerikaler Politik gemacht hatte, derselbe Jules Simon, an
den der Pfarrer von Rixheim seinen "Offenen Brief" über die Schulfrage gerichtet hatte.
Der alte Radikale war nun glücklich im konservativen Ministerium Thiers gelandet.
Superior Simonis hätte sich nun direkt an ihn wenden können. Er zog es jedoch vor,
sich der Vermittlung des Bischofs von St. Dié zu bedienen. Aber Schritte mußten
unbedingt getan werden, da ein Legat von 2000 Franken, das dem Hause in Epinal
zugefallen war, von der Regierung für nichtig erklärt wurde. Doch traf es sich
glücklicherweise, daß ein Bericht des Präfekten des Vogesendepartements an den
Kultusminister 104) die segensreiche Tätigkeit der Schwestern in Epinal und dem ganzen
Departement lobend anerkannt hatte. Der Präfekt, der der Kongregation offenbar sehr
gewogen war, hatte in diesem Aktenstück bei der Regierung angefragt, ob sie den
Niederbronner Schwestern dieselben gesetzlichen Vergünstigungen weiter gewähren
würde wie vorher. Auf Grund dieses Aktenstückes glaubte Simonis durch die
Vermittlung des Bischofs von St. Dié ein formelles Gesuch der Generaloberin an das
72
Kultusministerium richten zu können. Darum bat er den Bischof Räß, er möge den
Oberhirten von St. Dié in dieser Sache angehen, denn, so fügt er dem Schreiben an
Räß bei: "man versichert mir, daß der jetzige Augenblick so günstig ist wie niemals. Um
seinen Ministersessel zu behalten, würde Jules Simon sich an die Spitze einer
Prozession stellen, wenn es sein müßte, mit einem Rosenkranz, den er von einer
Nonne entlehnte, in den Händen." 105)
Simonis täuschte sich nicht. Auf die Eingabe des Bischofs von St. Dié antwortete
der Kultusminister schon am 29. Januar 1873 106) und zeigte den Weg an, den die
Kongregation beschreiten müsse, um zu einem ersprießlichen Ziele zu gelangen. Da
das in fremdem Lande existierende Mutterhaus nicht mehr in gültiger Weise die in
Frankreich verbliebenen Häuser vertreten könne, für diese letztgenannten aber das
kaiserliche Dekret von 1854 seine Rechtskraft beibehalte, müsse man irgend eine
französische Niederlassung des Ordens als Hauptfiliale oder Mutterhaus für das
französische Gebiet erklären. Die Oberin dieses Hauses oder an ihrer Stelle eine
Assistentin würde alle andern französischen Häuser für alle einer gesetzlichen
Autorisation bedürftigen Akte, wie Annahme von Schenkungen oder Legaten,
Genehmigung von Gütererwerbungen oder Verkäufen, repräsentieren. Ein
diesbezügliches Dekret des Staatsrates würde die ganze Angelegenheit im
angedeuteten Sinne regeln.
Die Generaloberin beeilte sich, die hier vorgeschlagene günstige Lösung
anzunehmen, und bereits am 3. Dezember 1873 wurde das Haus zu Epinal, um diese
Zeit noch die bedeutendste Niederlassung in Frankreich, durch ein Regierungsdekret
als Mutterhaus für das französische Gebiet anerkannt 107). So waren für eine weitere
Ausbreitung der Genossenschaft in Frankreich die Wege geebnet. Eine bedeutende
Anzahl von Niederlassungen wurden unter Simonis’ tatkräftiger Leitung, wie wir bald
sehen werden, hier gegründet.
Die neue reichsländische Regierung hatte keinerlei Interesse daran, die Tätigkeit
der Kongregation, deren segensreiches Wirken die deutschen Truppen im Felde und in
den heimischen Lazaretten dankbar anerkannt hatten, zu beeinträchtigen. Die
Militärverwaltung beeilte sich, gleich nach der Annexion Niederbronner Schwestern im
Straßburger Militärlazarett anzustellen. Man hatte sich im Mutterhause in der Folgezeit
nicht zu beklagen. Im Triennalbericht, den die Generaloberin im Jahre 1880 nach Rom
einschickte, wird dankbar vermerkt, daß die elsaß-lothringische Regierung sich der
Genossenschaft gegenüber wohlwollend erzeige.
Als der kaiserliche Statthalter Freiherr von Manteuffel im Jahre 1880 mit Simonis
eine Zusammenkunft hatte, machte er diesem den Vorschlag, daß die Kongregation die
Gesuche, die sie der Regierung einreiche, direkt an seine Adresse richte, damit er sie
unterstütze und schneller zur Erledigung bringe.
Größere Sorgen als die Regelung der gesetzlichen Situation in Frankreich
bereitete dem neuen Superior die bedenkliche finanzielle Lage der Genossenschaft. Die
Wunden, welche der Krieg in dieser Beziehung geschlagen hatte, vernarbten lange
nicht. Schon im November des ersten Amtsjahres klagt Simonis bei dem Bischof über
die schwierige Lage des Straßburger Hauses. Und noch drei Jahre später 108) muß er
bekennen, daß die materielle Lage der Genossenschaft für ihn ein drückender Alp sei,
der ihn Tag und Nacht verfolge. Man lebe sozusagen von der Hand in den Mund. Auch
viele wichtige auswärtige Häuser seien infolge der Ereignisse der letzten Jahre in arger
Bedrängnis. Es sei ihm ein Rätsel, wie man bis jetzt sich habe durchschlagen können.
Dazu trat in nächster Zeit die Frage eines Neubaues. Das Noviziat in Niederbronn war
in wenigen Jahren zu eng geworden. Am 23. November 1877 macht Simonis dem
Bischof Mitteilung von dieser Sachlage. Die Novizen hätten keine Luft. Nach Oberbronn
hinaufzuziehen habe wenig Zweck, denn das dortige Haus sei ebenfalls zu klein. Er
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trage sich deshalb mit dem Gedanken, ein Grundstück neben dem Kloster zu erwerben.
Aber es fehlte das Geld. Doch auch Simonis besaß, wie sein einstiger Vorgänger
Reichard, ein gutes Stück Gottvertrauen; er meinte, daß Gott, der sein Volk vermehrt,
auch das Geld vermehren könne.
Sein Vertrauen wurde nicht getäuscht. Es kamen bessere Zeiten, bereits 1880
war man aus den größten Schwierigkeiten heraus, und zudem fand auch die Frage des
Neubaus eine sehr glückliche Lösung. Wegen der übertriebenen Forderungen, welche
die Anwohner des Mutterhauses stellten, verzichteten Simonis und der
Kongregationsrat auf den Plan eines neuen Novizenhauses in Niederbronn selbst.
Dagegen wurde im Laufe des Jahres 1879 ein weiteres Stockwerk über den
Oberbronner Schloßräumen errichtet. Am 6. Dezember 1879 traf von Rom die Erlaubnis
ein, Noviziat und Mutterhaus von Niederbronn nach Oberbronn zu verlegen.
Niederbronn selbst wurde von nun an den altersschwachen und vom Berufe
aufgeriebenen Schwestern als Ruhesitz bestimmt. Ein im Jahre 1893 vergrößertes
Nebengebäude nahm die Waisenmädchen auf, welche bis jetzt in Oberbronn
untergebracht waren. Ein eigener Anstaltsgeistlicher hatte von nun an für die religiösen
Bedürfnisse der älteren und jungen Insassen des ehemaligen Mutterhauses zu sorgen.
Auf der luftigen Höhe des freundlichen Oberbronn war dem Mutterhause eine
glückliche Zukunft beschieden.
Drittes Kapitel.
Die vorläufige Approbation der neuen Konstitutionen (1877).
Die größte Schwierigkeit, die der neue Superior in der Genossenschaft vorfand,
war die durch das Eingreifen des Bischofs nur vorläufig geregelte Frage der Statuten.
Sattlers Reformversuch war kläglich gescheitert. Da aber die von ihm verfaßte Regel in
Rom approbiert worden war, mußte Bischof Räß nachträglich für seine im Interesse der
Kongregation angeordnete Beibehaltung der alten Satzungen die päpstliche
Zustimmung erbitten. Er tat dies unterm 18. Juni 1873 in einem längeren Schreiben an
den Heiligen Vater, worin er die durchaus ablehnende Haltung der großen Mehrheit der
Genossenschaft gegenüber den approbierten Statuten betont; er habe nicht anders
handeln können, als deren Zurückziehung anzuordnen; die alte Regel solle in Kraft
bleiben, bis eine geeignete Neubearbeitung unterbreitet werden könne. Nun sei aber
auch die sechsjährige Amtsdauer der 1867 gewählten Generaloberin bald verstrichen,
die Neuwahl könne nur mit Erlaubnis des Heiligen Stuhles stattfinden. Er schlage eine
solche unter folgenden Bedingungen vor: Wahlberechtigt sollen alle Lokaloberinnen
sein, dazu aus jedem mehr als zwölf Schwestern zählenden Hause noch eine von ihren
Mitschwestern delegierte Schwester. Es dürfe nur eine beider Sprachen mächtige
Generaloberin gewählt werden. Auch der Rat muß bei dieser Gelegenheit neu gewählt
werden auf sechs oder wenigstens drei Jahre. An diese Wahl soll sich ein
Generalkapitel zur Beratung wichtiger Fragen anschließen, an dem sich beteiligen: die
neue Generaloberin mit dem Rate, die gewesene Generaloberin und die Oberinnen
jener Häuser, in denen sich mindestens zwölf Schwestern befinden. Wenn die Zahl von
dreißig Teilnehmerinnen nicht erreicht wird, soll sie durch passende Auswahl, die der
Rat trifft, auf diese Höhe gebracht werden.
Diese letzte Maßregel, die Anzahl der Kapitelsberechtigten möglichst zu
beschränken, war eine Eingebung des Superiors, der die Vorgänge des
vorausgehenden Kapitels (1871) sich nicht wiederholen lassen wollte 109). Zugleich
sollte auf diesem Kapitel die brennende Frage eines Noviziates in München besprochen
74
werden 110). Dieses Kapitel fand in gewünschter Weise statt; am 2. Dezember 1873
konnte Simonis dem Bischof berichten, daß Schwester M. Adelinde von einer großen
Mehrheit wiedergewählt worden sei.
Als noch im Sommer des Jahres 1873 Simonis, der im April eine eingehende
Denkschrift über die Zurückweisung der Sattlerschen Statuten nach Rom eingesandt
hatte, durch Monsignore Luca verständigt wurde, daß man die approbierten Statuten
Sattlers wieder umarbeiten und mit den alten Satzungen der Stifter übereinstimmen
lassen könne 111), machte sich Simonis eifrig ans Werk, diese für die innere
Organisation der Genossenschaft so wichtige Angelegenheit ins reine zu bringen. Im
Sommer 1875 konnte er Räß den von ihm ausgearbeiteten Entwurf schon unterbreiten.
Im Gegensatz zu seinem Vorgänger, der die Genossenschaft nicht zu Rate gezogen
hatte, legte er seine Arbeit sämtlichen Lokaloberinnen, die sich in den jährlichen
Exerzitien im Mutterhause eingefunden hatten, zur Diskussion vor. Einstimmig billigte
man diese Satzungen, die kein Abweichen, sondern nur eine den geänderten
Zeitverhältnissen und praktischen Bedürfnissen der Genossenschaft angepaßte
Verbesserung der alten Regel waren 112). An deren Geist, der der Genossenschaft ihr
eigentümliches Gepräge gab, wollte er nicht rütteln. Als ihm der Bischof den Entwurf,
den er dem Domkapitular Freyburger zur Begutachtung übergeben hatte, mit einer
Reihe von Veränderungen zurückschickte, erklärte der Superior höflich, aber bestimmt,
daß manche dieser Änderungen der Genossenschaft eine andere Richtung geben
würden 113). Bischof Räß, der sich auf seinen Mann verlassen konnte, ließ ihn
gewähren.
Am 30. Juli 1977 endlich wurden diese neuen Statuten auf Grund einer Reihe
von Empfehlungsbriefen der Bischöfe jener Bistümer, in denen die Genossenschaft
wirkte, vom Heiligen Stuhle für fünf Jahre probeweise approbiert.
Diese neuen Statuten stellen der Umsicht und Klugheit, dem Scharfblick und
praktischen Sinn ihres Verfassers ein glänzendes Zeugnis aus. In klarer und lichtvoller
Weise
fassen
sie
Zweck
und
Organisation
der
Genossenschaft,
Aufnahmebedingungen, Pflichten der Schwestern zusammen; nichts Wichtiges ist
übergangen, alles Überflüssige vermieden. Die sprachliche Fassung ist so bündig und
einfach gehalten, daß auch Menschen von bescheidenster Begabung jede Bestimmung
ohne weiteres zu erfassen vermögen. Die Organisations- und Verwaltungsfragen, die in
der alten Regel nur eine ungenügende Behandlung gefunden hatten, sind mit aller
wünschenswerten Deutlichkeit bis ins einzelne behandelt. Von besonderer Wichtigkeit
ist die Bestimmung, daß die Generaloberin, die mit dem Rate alle sechs Jahre zu
wählen ist, wenigstens 40 Jahre alt und der deutschen und französischen Sprache
mächtig sein muß. Ihre Pflichten und notwendigen Eigenschaften sind ausführlich
behandelt. "Die Generaloberin wird sich vor allem befleißen, bei den Schwestern eine
hohe Achtung und Schätzung ihres heiligen Berufes aufrechtzuerhalten und den
Novizen die Kenntnis ihrer Pflichten, mit einem großen Eifer dieselben zu erfüllen,
beizubringen. Sie wird mit aller Liebe, aber auch mit aller Festigkeit Sorge tragen, daß
die Schwestern durch treue Beobachtung der Gelübde und der Satzungen den Geist
der Kongregation bewahren. Sie wird ihr Amt als ein ihr von Gott selbst anvertrautes
ansehen und sich öfters erinnern, daß sie für jede Schwester, wie auch für alles Gute,
das die Schwestern wirken sollen, Rechenschaft ablegen wird."
Das Institut der Laienschwestern, das Superior Sattler noch in seine Statuten
aufgenommen hatte, ist von Simonis aufgegeben worden.
Mit außerordentlicher Freude wurde im Mutterhaus die Approbation der neuen
Statuten begrüßt. Die Generaloberin Schwester M. Adelinde gab dieser Freude im
September desselben Jahres Ausdruck durch ein langes, vom Geiste heiligen Eifers
und glühender Berufsfreude durchwehtes Rundschreiben an alle Filialhäuser. Sie dankt
75
Gott, daß die Kongregation diese Satzungen besitzt. "Bisher lebten wir nach dem
Regelbuche, welches unsere innigverehrte Stifterin ausgegeben, und von den so
zahlreichen kraft- und segensvollen Unterrichten, durch welche sie uns in das Leben
der Kongregation einweihte. Dieses Regelbuch haben wir bis auf den heutigen Tag
sorgfältig bewahrt, und dessen Aufnahme in die neuen Satzungen bürgt uns dafür, daß
dessen Vorschriften für die Zukunft bestehen werden. Ebenso werden wir die schönen
Seiten, welche demselben vorangehen, und worin der Geist der Kongregation so
lebhaft geschildert wird, bewahren. Die Belehrungen, welche die selige Stifterin uns
gab, sind auch bei weitem nicht vergessen, und wenn deren Gedanken dem
Gedächtnis der meisten unter uns nicht mehr gegenwärtig sind, so erinnern wir uns
immer freudig der Gefühle, welche sie in uns hervorriefen. Diese Gefühle waren bis jetzt
unser Leben und unsere Kraft, und wir hegen die Hoffnung, dieselben bis in den Tod zu
bewahren.
Allein die Zeit war gekommen, wo diese ihre Anempfehlungen schriftlich
aufgezeichnet werden mußten. Die Reihen der Ältesten unter uns haben sich vielfach
schon gelichtet, und groß ist die Zahl der Schwestern, welche nicht gehört haben, was
wir einst hörten. Es war auch notwendig, die Organisation der Kongregation für die
Zukunft festzustellen und vor allem die Bestätigung der heiligen Kirche als das Siegel
Gottes selbst über das Ganze herabzurufen. Diese Bestätitigung solle uns nicht nur die
Versicherung geben, daß die Kongregation ein Gott angenehmes und dem Geiste des
göttlichen Heilandes entsprechendes Werk ist, sondern auch mit dem Vertrauen
durchdringen, daß diese Anempfehlungen, welche wir damals mit so inniger Wonne
anhörten und welche nun den Text selbst der Satzungen bilden, geeignet sind, uns zum
glücklichen Ziele zu führen, nach welchem wir alle streben."
Sie empfiehlt mit warmen Worten ihren Mitschwestern die Beobachtung der
Satzungen. "Durch deren treue Verfolgung werden wir zeigen, daß wir für die Welt
gekreuzigt sind und die Welt für uns gekreuzigt ist, und daß wir uns in unserem Herzen
im Kreuze des lieben Heilandes rühmen. Dann werden wir aber die Wahrheit des
Wortes erfahren: Jenen, welche diese Regel befolgen, sei der Friede und die
Barmherzigkeit Gottes. Die erste Frucht dieser Treue wird also der Friede sein.
Glücklich die Seelen, welche diesen Frieden kennen. Sie sind jene Friedfertigen,
welche Kinder Gottes genannt werden. Wir werden den Frieden haben im Geiste, den
Frieden im Herzen, den Frieden unter uns, den Frieden mit Gott. In unsern äußerlichen
Pflichten aber werden wir die Gnade haben, diesen Frieden in die Seele unserer Armen
und Kranken strahlen zu lassen."
Diese Satzungen bewährten sich in der Folgezeit glänzend. Das Generalkapitel
des Jahres 1882 prüfte sie abermals sorgfältig.
Viertes Kapitel.
Weitere Ausbreitung der Kongregation.
Tod der ehrwürdigen Mutter M. Adelinde.
In dem vorhin berührten Rundschreiben hatte die Generaloberin auch der
zahlreichen günstigen Zeugnisse gedacht, welche die Bischöfe der verschiedenen
Diözesen über das segensreiche Wirken der Genossenschaft nach Rom geschickt
hatten. "Wir waren alle im Mutterhause innig gerührt, als wir sahen, mit welchem
väterlichen Wohlwollen die hochw. Herrn Bischöfe die Kongregation dem Stellvertreter
Jesu anempfahlen, und wir konnten nicht genug für diese so liebevollen und günstigen
76
Zeugnisse danken." Diesen Zeugnissen aus dem Jahre 1877 schlossen sich andere im
Jahre 1883 an, welche ausnahmslos voll der größten Anerkennung sind für das
selbstlose Wirken der Schwestern in den deutschen, französischen und belgischen
Diözesen. Sie zeigen auch, welche weite Verbreitung unter der Leitung der Schwester
M. Adelinde und des Superiors Simonis die Genossenschaft im Laufe der Jahre
gefunden hat. Neue Wirkungskreise hatten sich eröffnet in Frankreich in den Diözesen
Versailles, Cambrai, Reims; in den übrigen Diözesen hatten sich die Häuser
beträchtlich vermehrt. Aus der belgischen Diözese Mecheln, wo im Jahre 1879 in
Brüssel eine vielversprechende Filiale eröffnet wurde, berichtet der Kardinal Dechamps
114), daß er die Schwestern und ihre Tätigkeit in jeder Beziehung nur loben und
empfehlen könne. In Mainz lobte der große soziale Bischof Ketteler in einem Schreiben
an die Generaloberin 115) den großen Eifer, den die Niederbronner Töchter in seinem
Sprengel betätigen, "wodurch sie allenthalben die Verehrung und Liebe der
katholischen Bevölkerung und selbst Andersgläubiger sich erworben haben".
In Bayern war die Bamberger Erzdiözese neu hinzugekommen, und in den
übrigen Sprengeln folgte eine Niederlassung der andern. An erster Stelle steht das
Erzbistum München-Freising, obschon es gerade hier nicht an Schwierigkeiten fehlte.
Superior Sattler und die von ihm nicht gut beratene Schwester M. Adelinde hatten im
Jahre 1869 der Absicht des Erzbischofs Gregorius v. Scherr, in München ein eigenes
Noviziat zu errichten, ein Entgegenkommen bewiesen, welches Superior Simonis im
Einverständnis mit Räß für sich als nicht verbindlich erachtete. Ihm schien ein Noviziat
in München nur eine Vorstufe zu einer vollständigen Losreißung der bayrischen Häuser.
Auch wenn sich diese Befürchtung als irrig erweisen sollte, so schien ihm durch ein vom
Mutterhaus getrenntes bayrisches Noviziat eines der wertvollsten Güter der
Genossenschaft, die Einigkeit, in Frage gestellt. Und so führte er, der seine ganze
Persönlichkeit einsetzte für die ihm anvertraute Genossenschaft, mit der ihm eigenen
Zähigkeit den Kampf für das, was ihm zum Gedeihen der Kongregation als unerläßlich
schien. Er hatte in seinem Bischof den stärksten Rückhalt. "Ich wünsche", schrieb er am
2. Mai 1873, als sich der Gegensatz zwischen ihm und dem Münchner Oberhirten aufs
schärfste zugespitzt hatte, "nur nach Ihren Anweisungen zu handeln. Wohl will ich mich
in alle Wendungen des Kampfes fügen, will alle Kampfhiebe ertragen, wenn Sie
wünschen, daß ich den Kampf fortsetze, um die E i n h e i t d e s N o v i z i a t e s u n d
d e r K o n g r e g a t i o n a u f r e c h t z u e r h a l t e n . Aber ich will mich auf dem für mich so
neuen Kampfplatze nur so weit vorwagen, als Sie mir angeben. Wenn wir siegen, so
geschieht dies nur durch die formelle Autorität Roms, und dann loben wir Gott. Werden
wir besiegt, dann wird es meine Pflicht sein, zu Ihren Füßen mein zerbrochenes
Schwert niederzulegen, in der Überzeugung, daß der richtige Mann jeder andere ist als
ich, der ich die Niederlage erlitt." In diesen Worten liegt der Schlüssel zur Beurteilung
der wichtigen Rolle, welche Simonis in diesem Streit, worin es sich für ihn um Sein oder
Nichtsein des Niederbronner Werkes handelte, gespielt hat. Er ist Sieger geblieben in
diesem Streite, den wir eingehend darstellen werden 116). Aber zwei Jahrzehnte
vergingen, bis die hochgehenden Wogen sich glätteten und eine Lösung gefunden
wurde, die beide Parteien befriedigte.
Als Simonis im Jahre 1872 die Leitung der Genossenschaft übernommen hatte,
zählte diese 98 Niederlassungen. Im Jahre 1880 waren es schon 120 geworden, die
von ca. 800 Schwestern versehen wurden. Ein Jahrzehnt später, im Jahre 1891, zählt
die Genossenschaft 207 Häuser, die sich auf 26 Diözesen verteilen. Der
Personalbestand beläuft sich auf 1421 Profeßschwestern, 94 Novizen, 59 Postulanten.
Im Jahre 1900 können die Obern dem Heiligen Stuhl abermals eine bedeutende
Zunahme melden. Jetzt sind es 1800 Schwestern geworden, 130 Novizen, 65
Postulanten; die Zahl der Filialhäuser ist auf 261 gestiegen, davon entfallen 83 auf
77
Elsaß-Lothringen, 41 auf Bayern und 19 auf die Rheinpfalz, 49 auf Baden, 16 auf das
Großherzogtum Hessen, 47 auf Frankreich, 4 auf Belgien, 1 auf die Schweiz, 1 auf
Luxemburg.
Einem Freunde, der sich über diese ungeahnte Entwicklung der Genossenschaft
wunderte, antwortete Simonis 117): "Wir sind gerade wie vor 40 Jahren in einem steten
Werden begriffen. Man dürfte glauben, daß ein anderer Plan hier nicht existiert, als sich
planlos dem Plan der Vorsehung anzuvertrauen." Die Vorsehung freilich hatte in
Simonis auch den Mann gesandt, der das Werden der Genossenschaft in zielbewußter,
kraftvoller Weise leitete.
Er ist der Generaloberin Schwester M. Adelinde ein unermüdlicher Berater und
eine nieversagende Stütze gewesen. Sie brachte ihm ein grenzenloses Vertrauen
entgegen. Dreimal wurde sie von ihren Mitschwestern zur obersten Leitung der
Genossenschaft berufen; 18 Jahre lang hat sie mit großem Erfolg und reichem Segen
das verantwortungsvolle Amt der Generaloberin verwaltet. Sie konnte mit Genugtuung
im Jahre 1884 dem Bischof mitteilen, daß der Geist der Kongregation und der Stand der
Disziplin in den einzelnen Häusern gut sei. Nur zweimal in sechs Jahren habe man
Dispens von den Gelübden begehren müssen. Die Schwestern seien mit Leib und
Seele ihrem Berufe ergeben und erzeigten bei der Pflege der Kranken einen Eifer, den
man oft eher zügeln als anfeuern möchte.
Als sie diesen Bericht abfaßte, ahnte sie nicht, daß sie dem Tode nicht mehr fern
sei. Im Verein mit dem Superior hatte sie bereits den Plan zu wichtigen baulichen
Änderungen im Mutterhaus gefaßt: zum Neubau einer Kapelle und eines großen
Exerzitienhauses. Sie sollte die Ausführung nicht mehr erleben. Schon zu Anfang des
Jahres 1885 war sie vom Schlage gerührt worden, hatte sich aber wieder erholt; doch
ein zweiter Schlaganfall machte ihrem arbeitsreichen Leben am 9. Mai desselben
Jahres ein Ende.
Nicht unvorbereitet ist sie vom Tode ereilt worden. Ihr ganzes Leben, heißt es mit
Recht auf ihrem Totenzettel, ist eine immerwährende Vorbereitung auf den Tod
gewesen. Alle Mitschwestern haben stets in ihr das Vorbild einer Ordensperson erkannt
und verehrt. "Vom Geiste des Gebetes tief durchdrungen, verstand sie es ganz
besonders, denselben ihren Mitschwestern mitzuteilen. Als die Vorsteherin von allen
hielt sie es für ihre größte Pflicht, in der treuen und pünktlichen Beobachtung aller
Ordensregeln allen voranzugehen." Zwei Eigenschaften sind hervorzuheben: ihre
Seelenruhe und ihr Gleichmut inmitten der größten Schwierigkeiten und eine
außerordentliche Herzensgüte. Diese Seelenruhe bekundet ein Vertrauen auf Gott, das
man nur im Leben der Heiligen zu finden pflegt. Sie glaubte mit unerschütterlicher
Überzeugung an Gottes leitende Vorsehung. Was ihr begegnete, sah sie als von Gott
kommend an und harrte stets ruhig und ergeben der Erfüllung seines heiligsten Willens
entgegen. Lassen wir den lieben Gott sorgen, pflegte sie zu sagen, er leitet alles zum
Besten. In ihrer leitenden Stellung hatte sie nichts von der Einfachheit und Demut
verloren, die sie schon als junge Schwester zierten. Sehr bezeichnend für ihren
Ordensgeist ist ein kleines Ereignis, das die Zeugen desselben nie vergessen haben.
Sie war schon Assistentin bei der ehrwürdigen Stifterin, als ihr diese wegen irgendeines
Fehlers eine harte Buße auferlegte: sie mußte vor allen Schwestern niederknien und
um Verzeihung bitten für das etwaige Ärgernis, das sie gegeben hatte. Schwester M.
Adelinde nahm ohne Widerrede diese Verdemütigung auf sich 118). Als Oberin hielt sie
besonders darauf, daß der Geist der Armut bei den Mitgliedern herrschte. Gleich nach
dem Kriege, am 6. April 1871, hat sie in einem Zirkular alle in der Ferne weilenden
Mitschwestern aufgefordert, daß sie ihr Augenmerk auf die heilige Armut richten sollen;
alles Überflüssige sei zu vermeiden, man solle sich mit dem Notwendigen begnügen:
"Wir müssen auf die erste Armut und Einfachheit zurückkommen, die wir im Anfange
78
hatten, um jenen inneren Trost zu verkosten, welcher die Frucht der Losschälung und
Verachtung aller Bequemlichkeit und zeitlicher Güter ist." Auch hierin ist sie stets mit
leuchtendem Beispiel vorangegangen. Anspruchsloser als sie ist kaum je eine
Schwester gewesen.
Für die Leiden und Widerwärtigkeiten von Mitschwestern, die sich bei ihr
beklagten, war sie eine gütige Trösterin; ihr Trost schloß fast stets mit den Worten: "Es
ist alles bald vorüber, der Himmel ist alles wert; wenn wir einmal beim lieben Gott sind,
dann werden wir froh sein, daß wir etwas gelitten haben."
Ihr Tod versetzte die ganze Genossenschaft in tiefste Trauer. Die Beerdigung
gestaltete sich zu einer großartigen Kundgebung, die von der allgemeinen Hochachtung
zeugte, die ihr auch außerhalb der Kongregation entgegengebracht wurde. Außer vielen
Hunderten ihrer Mitschwestern, dem Noviziat, Postulat und den Waisenkindern von
Niederbronn folgten dem Sarge 20 Geistliche, darunter ein Vertreter des Bischofs von
St. Dié, zahlreiche Schulschwestern, eine große Anzahl Einwohner der Stadt
Niederbronn und der umliegenden Ortschaften ohne Unterschied der Konfession, der
Bürgermeister von Niederbronn, Baron von Türkheim, und der Bürgermeister von
Oberbronn. Sie fand ihre letzte Ruhestätte neben der Stifterin.
Fünftes Kapitel.
Schwester Damien, die dritte Generaloberin.
Vergrößerung des Mutterhauses. Das Jubelfest 1899.
Am 25. Juni 1885 wurde unter dem Vorsitze des vom Bischof delegierten
Generalvikars Anton Nägelen die Neuwahl der Generaloberin vorgenommen. Die fast
einstimmige Wahl fiel auf die Schwester M. Damien. Sie ist auch in der Folgezeit mit
Einstimmigkeit stets wiedergewählt worden.
Am 2. April 1831 hatte Luise Richert - das war ihr bürgerlicher Name - zu
Winzenheim im Oberelsaß das Licht der Welt erblickt. Ihre Eltern waren achtbare,
religiös gesinnte Winzersleute. Die Mutter starb ihr früh weg, und so mußte das junge
Mädchen selbst ihre jüngeren Brüder erziehen und das Hauswesen führen. Schon da
fiel ihr entschlossenes und charakterfestes Wesen, sowie ihr praktischer Sinn auf. Bei
all den häuslichen Arbeiten und Sorgen begleiteten das tieffromme Mädchen
klösterliche Gedanken. Sie war 19 Jahre alt, als sie ihrem Vater von der Absicht sprach,
in ein Kloster zu treten. Der Witwer wollte begreiflicherweise nichts davon wissen, er
konnte die so brauchbare Stütze seines Hauswesens nicht entbehren. Erst als der
Vater eine zweite Ehe einging, konnte Luise ihr Vorhaben ausführen. Als
zweiundzwanzigjährige Jungfrau trat sie im April 1853 zu Niederbronn ins Mutterhaus
ein, von der ehrw. Mutter M. Alphons aufs freudigste empfangen. Im Dezember
desselben Jahres empfing sie das Ordenskleid und wurde als Schwester M. Damien in
das Haus zu Straßburg geschickt zur Übernahme der Krankenpflege. So groß war das
Vertrauen der Stifterin in die jugendliche Schwester, daß sie diese bei einer längeren
Erkrankung der Novizenmeisterin Schwester M. Joseph an deren Stelle berief. Im Jahre
1856 wurde sie in die Industriestadt Thann im Oberelsaß gesandt zur Gründung einer
Niederlassung, die sie nach Überwindung einiger sehr harter Jahre einem guten
Gedeihen entgegenführte. Die Obern übertrugen der ausgezeichneten Verwalterin im
September 1862 die Leitung des wichtigen Hauses zu Mühlhausen, mit dem ein im
Entstehen begriffenes Waisenhaus verbunden war. Es gelang ihr, die Anstalt in die
Höhe zu bringen, und auch nach dem Kriege von 1870, währenddessen sie in
79
Mühlhausen den Verwundeten Samariterdienste erwies, verstand sie es, die schwierige
finanzielle Lage durch äußerste Sparsamkeit glücklich zu überwinden.
Nun machte sie das Vertrauen ihrer Mitschwestern zur Leiterin der ganzen
Genossenschaft. Mit Mut, Eifer und Gottvertrauen übernahm sie das schwere Amt, das
an ihren durch übermäßige Arbeit geschwächten Körper große Anforderungen stellte.
Im Jahre 1886 wurde mit den geplanten Neubauten im Mutterhaus begonnen.
Die alte Kapelle war längst zu klein geworden; in den Tagen der gemeinsamen
Exerzitien reichte der enge Raum kaum aus. So war ein neues, geräumigeres und
freundlicheres Gotteshaus ein dringendes Bedürfnis. Am 31. Juli 1886 segnete der
Superior den Grundstein zum Bau ein, der in der Fortsetzung des rechten Flügels des
alten Strahlenheimschen Schlosses errichtet wurde. Das Erdgeschoß des schmucken
Kirchenbaues wurde zu einem großen Speisesaal eingerichtet. Zugleich wurde an
diesen rechten Flügel, von dem sich die Kapelle rechtwinkelig nach Norden abzweigt,
ein gewaltiger dreistöckiger Bau aufgeführt, der nur dazu dienen sollte, während der
jährlichen geistlichen Übungen die aus der Ferne herbeieilenden Schwestern zu
beherbergen. Viele stattliche Baumriesen des alten Schloßparkes mußten
verschwinden. Auch das große eiserne Kruzifix, das den Hof beherrschte, wechselte
seinen Standort und wanderte hinunter in den Park unter die breiten Äste mächtiger
Tannen. Zwei Jahre dauerten die Bauarbeiten.
Am 30. Mai 1889 weihte der Straßburger Bischof Peter Paul Stumpf den von
Superior Simonis in München erworbenen Hochaltar ein. Es war das einzige Mal, daß
dieser Oberhirte, der seit 1881 Koadjutor des greisen Bischofs Andreas Räß war und
schon 1890 starb, im Mutterhaus weilte. Bischof Räß, dessen unermüdlicher Fürsorge
die Genossenschaft nicht zum geringsten Teil ihre großartige Entwicklung verdankte,
hatte im Alter von 93 Jahren am 17. November 1887 sein tatenreiches Leben
beschlossen.
Die schmucke Kapelle erhielt im Jahre 1891 eine weitere Zierde durch die Orgel,
welche am 10. August dieses Jahres durch den Pfarrer Hansmännel von Niederbronn
eingeweiht wurde. Der durch den imponierenden Klosterbau nunmehr prächtig
eingerahmte, sanft ansteigende Hof wurde in demselben Jahre mit einem Standbilde
des heiligen Erzengels Michael geschmückt.
Mit hoher Befriedigung konnten die Obern nun auf das vollendete Werk blicken.
Aber noch fehlte etwas: ein sonnig gelegenes, den Anforderungen neuzeitlicher
Gesundheitspflege durchaus genügendes Sanatorium für die kranken Schwestern.
Eifrig betrieb Schwester M. Damien, die auf das Wohl ihrer Mitschwestern ständig
bedacht war, die Verwirklichung dieses Planes, dessen Vollendung sie leider nicht mehr
erleben sollte. Der Bau wurde im Jahre 1899 begonnen und konnte am 17. Februar
1901 von Simonis eingeweiht werden. Durch einen geschützten Gang mit der Kapelle
verbunden, in deren Längsrichtung er sich erhebt, bietet er seine breite Front der Sonne
entgegen, die bis tief in den Abend hinein ihre belebende Wärme in die hellen,
freundlichen Räume spendet, vor deren Fenstern sich der wohlgepflegte Garten und
der prächtige Park ausdehnen.
Unter Mutter Damiens energischer Leitung, die in Simonis den eifrigsten Förderer
fand, nahm, wie wir schon oben andeuteten, die Genossenschaft einen erstaunlichen
Aufschwung. Über 120 Filialhäuser hat sie ins Leben gerufen. So konnte sie mit den
Gefühlen höchster Freude und des Dankes gegen Gott am 28. August 1899 das Fest
des fünfzigjährigen Bestehens der Genossenschaft feiern. Das war in der Tat ein
goldenes Jubelfest, wenn es auch dem Wunsche des Superiors gemäß nur im engsten
häuslichen Kreise gefeiert wurde. Der Stotzheimer Pfarrer Glöckler, selbst ein Sohn
Niederbronns, der von den ersten Jahren der Gründung an die wechselvollen
80
Geschicke der Kongregation miterlebt hatte und ein persönlicher Freund der Stifter
gewesen war, hielt bei diesem Anlaß die Festpredigt in der Klosterkirche des alten
Mutterhauses zu Niederbronn 119). Von allen Seiten liefen Glückwunschschreiben und
Telegramme ein. Keines erregte größere Freude als jenes des Kardinals Rampolla, das
den Segen Sr. Heiligkeit des Papstes Leo XIII. übermittelte. Zwei Tage vorher hatte
Superior Simonis auch ein überreich warmes Gratulationsschreiben des päpstlichen
Nuntius zu Paris, Lorenzelli, erhalten, der ihm von München her ein lieber Freund war.
Zwei Jahre vor diesem Jubeltage, am 10. Juli 1897, war die ehrw. Mutter zum
dritten Male zur Generaloberin gewählt worden. Als das neue Jahrhundert anbrach, trat
sie in ihr 70.`Lebensjahr. Der vorausgegangene Winter hatte ihren ohnehin schwachen
Körper ganz gebrechlich gemacht. Mit Gefühlen ohnmächtigen Schmerzes mußten die
Mitschwestern mitansehen, wie das Lebensflämmlein der geliebten Mutter immer träger
und trüber flackerte. An einem Sonntag, es war der 29. April 1900 1 Uhr nachmittags,
erlosch es ganz. Eine, die fast ein halbes Jahrhundert lang Leid und Freud’ der
Genossenschaft mitgetragen und mitgefühlt hatte, die ihre ganze Kraft für deren Wohl
und Wehe eingesetzt und sie in den letzten Jahren ihres arbeitsreichen Lebens zu so
glänzenden Erfolgen gebracht hatte, war nicht mehr.
Am 1. Mai wurde sie von zahllosen Leidtragenden zur kühlen Gruft auf den stillen
Klosterfriedhof geleitet.
Schwester M. Damien war das Muster einer vollendeten Ordensfrau. Es gab für
ihr gesamtes Handeln und Denken nur eine Richtschnur: Gott! Auf ihn, den Schöpfer
aller Dinge, zielte alles hin. Dessen Wille war für sie in der heiligen Regel verkörpert.
Darum war es, als sie Generaloberin geworden war, ihre Hauptsorge, den
heranzubildenden Schwestern die unbedingte Notwendigkeit der Regelbeobachtung
einzuschärfen. Sie wußte, daß eine klösterliche Genossenschaft ohne den strengen
Geist des Gehorsams gegenüber den Satzungen den Keim der Zersetzung in sich
trage. Sie war allen Dispensen und Erleichterungen durchaus abhold. Gegen
Mißbräuche, die sich eingeschlichen hatten, ging sie mit unnachsichtiger Strenge vor.
Gegen alles, was nur entfernt an Luxus erinnern konnte, schritt sie mit Schärfe ein,
drängte aber auf peinliche Sauberkeit. Ihr fester Charakter machte sie zur
Generaloberin wie geschaffen. Es war nicht möglich, in Sachen, die das allgemeine
Wohl der Genossenschaft dringend erheischten, ihr Zugeständnisse abzuringen. Da
blieb sie fest. Dabei besaß sie ein goldenes Herz, das im jahrelangen Verkehr mit den
Waisenkindern zu einem unversiegbaren Born mütterlicher Liebe geworden war;
dessen Segen ergoß sich über alle, die mit ihr lebten. Für die kranken Mitschwestern
war sie von rührender Liebe. Gerne milderte sie für diese die Strenge der Regel und
gewährte reichlich Erleichterungen. Darum ward sie von allen wie eine Mutter geliebt
und nach ihrem Heimgang aufrichtigst betrauert. Der Superior selbst, dessen
Lebensabend langsam heraufdämmerte, beklagte ihren Tod als einen schweren
Verlust. Das schönste Lob, das er ihr spendete, waren die schlichten, aber
vielsagenden Worte: "Gutes, viel Gutes vollbringend ist sie durchs Leben gegangen."
120)
Sechstes Kapitel.
Simonis und der Geist der Genossenschaft.
Es hieße die großen Verdienste des Superiors Simonis um das innere Leben der
Genossenschaft nur halb andeuten, wenn man eine Seite seiner Tätigkeit vergessen
wollte, die für die Pflege und Erhaltung des wahrhaften Ordensgeistes von größter
81
Wichtigkeit war: seinen erbaulichen Briefwechsel mit den Schwestern, die fern vom
Mutterhause ihren Beruf ausübten. Durch eine rege Korrespondenz, die durch
bestimmte
Gelegenheiten,
hohe
kirchliche
Feiertage,
Namenstagsfeste,
Jubiläumsfeiern u. dgl. äußerlich veranlaßt war, blieb der geistliche Direktor der
Genossenschaft mit allen ihren zahlreichen Mitgliedern stets in enger Fühlung. "Ich
liebe", schrieb er gegen Ende seines Lebens den Schwestern zu Diedesfeld 121),
"diesen brieflichen Verkehr um so mehr, da er wieder allerlei Gutes in den Herzen
hervorruft. Es ist wie ein persönlicher Besuch nebst Gegenbesuch. Die Schwestern
leben jedesmal wieder neu auf. Sie werden wieder mehr zu klugen Jungfrauen des
Evangeliums, indem sie den Vorrat der Lampen erneuern."
Viele Tausende solcher Briefe hat der unermüdliche Mann geschrieben. Sie
legen nicht nur Zeugnis ab von seiner tiefen Kenntnis des menschlichen Herzens,
sondern auch von seiner gründlichen Erfahrung im geistlichen Leben. Greifen wir aus
der verschwenderischen Fülle schöner und erbauender Gedanken einige zur
bleibenden Erinnerung heraus. Sie veranschaulichen am besten den Geist, von dem
der Superior seine Schwestern beseelt wissen wollte 122).
Immer und immer suchte der Superior die Schwestern zu begeistern für ihren
B e r u f , den sie frei gewählt haben. "Es ist ein herrlicher Weg, durch welchen es dem
lieben Gott gefallen hat, euch bis zur jetzigen Stunde zu führen. Schauet ihn jetzt an mit
einem tief dankbaren Rückblick. Seht, aus welcher Armut und Armseligkeit der liebe
Gott eine jede von euch herausgeholt hat, dem Leib’ sowie der Seele nach. Ihr seid
Beamte des lieben Gottes, seid durch Gottes Vorsehung zu den allerschönsten und
gesegnetsten Werkzeugen seiner Vorsehung geworden. Erkennt es, bekennt es,
verherrlicht ihn." 123) Dem Briefschreiber schwebt ein schönes Bild vor Augen: "Ich
fühle", schreibt er ein andermal, "mich oft gequält wegen aller unserer Schwestern. Ich
habe vor mir ein Ideal, ein wahrhaft himmlisches Bild von dem, was ihr Leben zu sein
hat, damit sie wahre Schwestern des allerheiligsten Heilandes werden. Ja, solche
müsset ihr sein, liebe Schwestern, vor Gott, solche vor den Herren Geistlichen, vor den
Christen und vor den Unchristen, solche unter euch selbst. Man muß euch als wahre
Schwestern des allerheiligsten Heilandes erkennen, wenn man euch vor dem
Tabernakel sieht, auf der Straße, beim Kranken. Wenn euch aber jemand in eurem
Denken, Wollen und Lieben sehen würde, wie euch der liebe Gott in eurem Innern
sieht, dann erst recht sollte dieser jemand in euch ein Wunder der Gnade ansehen
können, wo er sich in der Schule Jesu Christi selbst einfinden und erbauen könnte." 124)
Darum stellt er die Forderung auf: "Werdet Schwestern eine jede, aber Schwestern
durch und durch. Das Bild, das ich mir so vor Augen stelle, möge ja kein Trugbild
werden. Es darf dieses Bild so wenig trügen, als da trügen darf das Kleid, das ihr tragt."
125) "Dann", schreibt er einmal, "bildet die ganze Kongregation nur eine große Familie.
Es gilt nun darum, daß ein jedes Haus recht musterhaft dastehe in der Haltung der
Satzungen, jede Schwester musterhaft im Geiste der Kongregation. Ich denke, wie
unglücklich es wäre, wenn irgendein Haus, irgendeine Schwester von dieser
Berufstreue abstehen würde. Diese wären tote Äste am wunderbar schönen Baum. Auf
daß dieses Unglück nie vorkomme, muß eine jede äußerst sorgfältig wachsam sein,
über sich selbst wachen, um ja nie den Eifer und die Gewissenhaftigkeit vermindern zu
lassen. Es muß eine jede Oberin ein sorgfältig offenes Auge haben, auf daß der böse
Feind keiner Schwester irgend etwas anhaben könne, wodurch er die Arme einmal
bemeistern könnte. Aber mit all diesen Mitteln würde noch nichts oder nur wenig
gewonnen sein, wenn nicht der liebe Gott immer und immer wieder den Berufsgeist
erneuern würde. Dazu müssen die heiligen Festtage der Kirche dienen. Wir müssen
jetzt das schöne Weihnachtsfest dazu benützen. Eine jede von euch muß da wieder wie
82
neugeboren werden für den Beruf, sich dafür ganz begeistern und eine noch nie
gekannte, noch nie geübte Liebe und Demut in sich hervorrufen." 126)
Die Berufsfreude und Berufstreue ruht aber zuallererst auf der B e o b a c h t u n g
d e r R e g e l . Der Superior wird nicht müde, dies immer und immer wieder in
Erinnerung zu bringen. "Haltet eure Regel, das möchte ich euch stets vor Augen stellen,
stets in die Ohren einflüstern, so aber, daß es euch vollständig ins Herz dringe, daß es
euch in Mark und Bein, in Fleisch und Blut übergehe. Eine Schwester hat ihren Wert,
eine Kongregation hat ihren Wert, je nachdem die von der Kirche gutgeheißene Regel
treu und liebevoll beobachtet wird. Treu! Ihr möget nie aus irgendeinem Grunde, nie auf
Zureden von irgend jemand von der Haltung eurer Satzungen irgendwie abweichen.
Was die Satzungen verlangen, das befolget in allen Stücken; was den Satzungen
zuwiderläuft, das erlaubet euch nie. Eine Schwester muß so mit den Satzungen
verschmolzen sein, daß, wer einmal die Redens- und Lebensart einer Schwester kennt,
sagen könne, daß er die Regel und Lebensart von allen Schwestern der Kongregation
kennt. Liebevoll! Die Regel soll aber nicht einfach aus Zwang befolgt werden, obwohl
sich jede Schwester auch Zwang antun muß, um die Regel zu befolgen, wenn es
anders nicht gehen will; obgleich die Oberin mit Festigkeit daran zu halten hat, wenn es
mit einer Schwester anders etwa nicht gehen will. Allein dies sind doch nur
Ausnahmefälle. Die Regel soll einfach aus Liebe zu Gott, aus Liebe zu den
Gnadenmitteln des lieben Gottes gehalten werden. Darum ist die Regel an und für sich
nicht unter Sünde verpflichtend. Was wäre das aber für eine hübsche Schwester,
welche da sagen würde: Ich will alles tun, was nicht gerade Sünde ist. Die Regel ist
euch in der unendlichen Güte Gottes als Gnadenmittel gegeben, um euch zu heiligen.
Befolget eure Regel freudig, herzlich, liebevoll, mit Gebet in schwesterlicher Liebe
zueinander. Haltet euch fest an die Oberin, Oberin und Mitschwestern fest an der
Regel." 127)
Denn der G e h o r s a m "ist eure Zierde, doch nicht eine irdische, sondern eine
himmlische Zierde. Ihr vollbringet den Willen Gottes hier auf Erden, gerade wie die
Engel ihn dort im Himmel vollbringen. Ihr wisset nicht, ihr ahnet nicht, was das für ein
herrlicher Schmuck in eurem Leben ist. Auch ist es dasjenige, dem der tierische
Mensch in uns am meisten widerstrebt. Habet aber die großartigste Sorgfalt in euch, um
diesen Schmuck, welches der Gehorsam ist, in seinem vollen Glanze zu bewahren und
an euch zu tragen als die Zierde eures ganzen äußeren und inneren Lebens. Daran
erkennt Gott sein Werk, wenn ihr seinen Willen in der Liebe des Heiligen Geistes
vollbringet." 128) "Wie sehr gehen wir doch immer irre, wenn wir uns vom Gehorsam
entfernen. Durch seinen Gehorsam bis zum Tode des Kreuzes hat der liebe Heiland
nicht nur Gott den Vater auf das großartigste verherrlicht, sondern er hat die durch uns
verletzte Ehre Gottes in vollem Übermaße wiederhergestellt. Eine Schwester aber, die
gehorsamt, nimmt an diesem Werke der Genugtuung einen steten Anteil." 129) "Ohne
Gehorsam ist ja das Klosterleben nichts als eine verpfuschte Existenz. Befraget euch
aber nie, warum die Oberin euch gerade dieses und nicht jenes auferlegt, und ob ihr
nicht glücklicher wäret auf einer anderen Mission oder in einem andern Dienst oder bei
einem andern Kranken. Sobald ihr, um euch zum Gehorsam zu entschließen, zuerst
nach dem Warum fraget oder diese Frage an andere stellt, so löset ihr den Gehorsam
dadurch förmlich auf. Anderseits, sobald ihr euch die Frage stellt, ob ihr bei einer
andern Beschäftigung nicht glücklicher wäret, so spannt ihr die Ochsen hinter den
Wagen an. Das Glücklichsein soll nicht vorn beim Wagen unseres Lebens angespannt
werden, es folgt nach. Nicht aber so soll es verstanden werden, daß ihr nachher
v i e l l e i c h t glücklich sein werdet, sondern ihr werdet es ganz sicher sein. Ihr werdet es
um so sicherer sein, je weniger ihr es suchet." 130)
83
In allem soll die Schwester Gott vor Augen haben, alles aus Liebe zu Christus
tun, überhaupt im Glauben wandeln. "Habet immer, ja immer den lieben Gott vor
Augen, liebe Schwestern. Freuet euch auf jede Andachtsübung, auf jede Übung der
Geduld, auf jede Pflichterfüllung. Aber damit ihr dazu gelanget, diese Freude stets in
euch zu erwecken und zu nähren, müsset ihr ein neues Licht in euch aufkommen
lassen. Ihr dürfet nicht so reden, wandeln und euch gehen lassen, wie es euch gerade
drum ist, nach Laune, Leidenschaft oder sonst irdischem Sinne. Werdet Kinder des
Glaubens. Der liebe Heiland ist in eurer Gemeine stets gegenwärtig, da ihr im Namen
Jesu versammelt seid. Erwecket oft den Glauben an diese seine dortige Gegenwart.
Redet dann mit ihm und bittet ihn, er möge euch recht erleuchten, beglücken, mit Liebe
erwärmen und antreiben." 131 "Alles muß in Liebe getan werden, in Liebe zu Gott, den
wir überall, zu allen Zeiten und bei allen Dingen gründlich lieben sollen, auch in Liebe
zum Nebenmenschen, auf welchen eure Liebe zu Gott stets ausstrahlen soll." 132)
"Zwei große Hindernisse treten oft unbemerkt ein. So groß sie auch sein mögen, sie
bleiben unbemerkt. Das eine liegt darin, daß wir uns allmählich daran gewöhnen, die
Pflichten gewohnheitsmäßig zu verrichten. Wir sind dazu unendlich geneigt. Wir werden
aber dabei leicht vom lieben Gott abgewendet. Dieselbe Pflicht, durch welche wir dem
lieben Gott zugeführt werden sollten, dient eben dazu, daß wir ihn geradeso vergessen
wie die Weltleute bei ihren Pflichten. Denn nicht die Heiligkeit der vollbrachten Werke ist
es, die uns in Vereinigung mit Gott bewahrt, sondern die Sorgfalt, mit welcher wir uns
bemühen, dabei alles im Hinblick auf Gott zu tun. Das andere Hindernis liegt darin, daß
wir bei den Pflichten es vergessen, an unserer eigenen Selbstverleugnung und
Heiligung zu arbeiten." 133)
Über der äußeren Beschäftigung darf man nicht sich selbst vergessen. "Es ist
notwendig", wird einer Schwester geschrieben, "daß Sie immer eine Zeit für sich haben,
wo Sie beten und betrachten können. Glückselig, sagt die Heilige Schrift, sind
diejenigen, welche die Lehren Gottes ergründen und dieselben von ganzem Herzen zu
befolgen sich bestreben. Der Berufsgeist muß stets erneuert werden. Sie sind nämlich
für den lieben Heiland ins Kloster gekommen. Sie haben ihn als Vorbild zu nehmen, und
eine jede muß ein heiliges Feuer in sich haben, um stets in die Fußstapfen des lieben
und anbetungswürdigen Vorbildes einzutreten." 134)
Dieses heilige Feuer kann aber nur durch ständiges G e b e t brennend erhalten
werden. "Wir sind immer am Gebet zu arm. Es fehlt uns an Eifer, an Liebe, an Demut,
an heiligen Begierden danach. Und doch ist es nur mit vermehrtem Gebet, daß wir alle
diese Mängel irgendwie zu ersetzen imstande sein werden. Der liebe Heiland kann uns
in allen Stücken als Vorbild dienen. Indem er aber allen ohne Ausnahme vorschreibt,
daß sie immer beten müssen und nie aufhören dürfen, so ist er selbst als der große
Betende gekommen. Mit Beten ist er zur Erde herabgestiegen, mit Beten ist er von
hinnen geschieden. Das Beten verwob sich mit allen seinen Arbeiten, Leiden und
Liebeswerken. So zierte er alles in seinem Leben mit Gebet, das Gebet aber zierte er
mit seinen Werken. So muß es auch bei euch werden, liebe Schwestern. Euer Leben
muß mit dem seinigen eine wunderbare Ähnlichkeit tragen. Ähnlich sind eure Werke mit
den seinigen. So sehr hat er euch seine Liebe erwiesen bei eurem Berufe. Allein das
Beten muß, gerade wie bei ihm, sich mit den Werken verbinden, die Werke zieren,
durch die Werke geziert und verherrlicht werden." 135) „Es kann euch nie etwas, auch
nicht die größte Tätigkeit nach außen oder sonst irgend etwas anderes vom Gebetseifer
oder von der Gebetstreue dispensieren. Wenn eine Schwester das Gebet einmal
unterläßt, so geht es ihr wie einer Lokomotive, die nicht mehr geheizt wird. Es verliert
sich alles bei einer, die nicht mehr betet. Sie ist nicht mehr das Werkzeug Gottes,
sondern das Werkzeug des Teufels. Sie zerstört der Frieden, sie fühlt sich unglücklich,
sie urteilt, sie verliert den Geist des Glaubens; sie nagt an demselben wie eine Ratte,
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um auch bei den Mitschwestern den Glauben und die Liebe zu zerstören. Sie urteilt, sie
tadelt; Widerwillen gegen das Gebet steigt in ihr auf. Während des Gebetes, das sie in
Gemeinschaft verrichtet, steigen ihr dann weltliche, stolze, sinnliche, gehässige
Gedanken auf; sie gibt ihnen nach und hat den Frieden Gottes nicht mehr." 136) "Das
Beten ist für das Seelenleben ebenso notwendig als das Atmen für das Leben des
Leibes. Es gibt aber ungemein viel engbrüstige Gebete auf Erden. Diese werden nicht
aus voller Brust, nicht aus der Tiefe des Herzens hervorgestoßen. Die betende
Schwester glaubt dann zuerst nicht recht an ihr Gebet. Dann wird es schlecht verrichtet.
Dann leidet aber auch der Klostergeist allmählich an Dürrsucht. O wenn ich nur allen
Schwestern das Beten recht einprägen könnte." 137)
Aber der Mann, der so das Beten empfiehlt, vergißt nicht, auch einmal
hinzuzufügen: "Viel beten, doch nicht in Erwartung der Erhörung einschlafen."
Ein Zustand, vor dem der Superior nicht genug warnen kann, ist der M a n g e l
a n E i f e r , d i e L a u i g k e i t . "Wir sind nie in Sicherheit vor uns selbst. Die große
Gefahr, in der wir uns stets befinden, besteht darin, daß wir den früheren Eifer wieder
fallen lassen. Hat doch jede ihre Glücksstunden im Leben gehabt, wo sie ein heiliger
Eifer beseelte und beglückte. Ihr habt damals den Entschluß gefaßt, ins Kloster zu
kommen. Alles, was euch das Kloster anbieten konnte und auch anbot, war euch
damals willkommen. Ja, es wäre eine jede auch bereit gewesen, mehr Opfer zu
bringen, schwerere Opfer. Weil aber dieser damalige Eifer so angesehen wurde, als sei
er uns angeboren, da versäumte das arme Herz das Rufen zu Gott und die
Selbstbekämpfung. Der Eifer zur Verbreitung und zur Befestigung des Reiches Gottes
nahm ab." 138)
Der Eifer kann nur aus wahrhafter S e l b s t v e r l e u g n u n g seine Nahrung
ziehen. "Wenn eine Schwester nicht glücklich ist, so kommt es daher, daß sie sich nicht
selbst verleugnet hat. Ist eine glücklich, so hat sie’s ihrer Selbstverleugnung zu
verdanken. Schaut eine aber bald rechts, bald nach links, so kommt es daher, daß sie
wohl der Befolgung einer oder der andern schlimmen Neigung entsagt hat für den
Augenblick, dabei aber nicht sich selbst in ihrer ganzen Persönlichkeit verleugnet hat.
Und an dem muß eben von jeder gearbeitet werden." 139)
Superior Simonis will nur fröhliche Schwestern. Mürrische und trübselige
Gesichter können am Bette des Kranken nicht gedeihlich wirken. "Ihr sollet, liebe
Schwestern, die Freude auf eurem Gesichte herumtragen, eure Kranken und Kinder
lehren und mitreißen, auf daß ihr sie alle durch Wort und Beispiel dazu bringet, sich in
Gott zu freuen und Gott in Freude zu dienen." 140) "Ich möchte es euch recht ans Herz
legen, daß ihr rechte Trägerinnen, rechte Ausstrahlerinnen, rechte Spenderinnen der
Freude in Gott bei allen zu sein habt, bei allen ohne Ausnahme. Es soll niemand je bei
euch irgendeine Traurigkeit oder Schwermut finden. Euer Leben, wenn ihr’s recht
einsehet, ist so vom lieben Gott gesegnet, daß es nicht anders als ein Stück Himmel auf
Erden anzusehen ist. Mit Freude seid ihr in dasselbe eingegangen, mit Freude müsset
ihr in demselben verharren, arbeiten, dulden, kämpfen, beten, betrachten und dem
lieben Gott danken. So werdet ihr euch heiligen, andere heiligen, Gott verherrlichen."
141) "Eine jede soll Freude am Dienste Gottes haben, Freude am Zusammenleben und
Zusammenwirken, Freude daran, daß ihr euren Kranken und Armen die Leiden teilen
und lindern dürfet, auch Freude an euren verschiedenartigen Gebeten. Was man aber
mit Freuden tut, das macht man gut." 142) "Die Seelenfreude ist allerdings oft eine
besondere Wonne, mit welcher es Gott gefällt, uns hienieden schon zu belohnen. Allein
dieselbe ist auch eine Gewissenspflicht. Wir sollen freudig werden wollen, freudig uns
stimmen, uns selbst beglückwünschen, daß wir dem lieben Gott dienen dürfen; ihm
herzlichst danken, indem wir erklären, wiederholt erklären, daß wir ihm mit der vollen
Freude unserer Seele dienen wollen. Wir sollen diese Freude in das Herz einpflanzen,
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sie im Gesichte ausstrahlen lassen, sie den uns umgebenden Personen beizubringen
suchen, sie gerne mit allen teilen. Besonders aber müssen wir fürchten, eine Störung
der Freude weder bei uns selbst noch bei andern hervorzubringen. Bei uns selbst
kommt sie aber hervor durch Laune, durch gekränkten Stolz, durch Befriedigung der
Sinnlichkeit, wie dieselbe auch befriedigt werden mag, durch Eifersucht, durch Haß,
durch Verzweiflung, durch Lauigkeit im Gebet, durch besondere Freundschaft oder
Anhänglichkeit, durch Übertretung des Gehorsams, durch unnützes Nachdenken über
Dinge, die uns nichts angehen oder die uns nicht zu Gott führen. Alle diese Dinge
müssen gemieden werden, wenn wir den lieben Gott in Freude dienen wollen." 143)
Der Hauptzweck der Genossenschaft: der Dienst der A r m e n u n d K r a n k e n ,
wird immer und immer wieder den Schwestern vor Augen geführt. "Euer Haus ist ein
beständiges Ein- und Ausgehen von Kranken; die Kranken, die da kommen, die sind
ähnlich dem Bettler, dem einst der hl. Martinus die Hälfte seines Mantels verehrte. Ihr
verehrt diesen Kranken eure Pflege, euer Herz, die Hälfte eures Daseins. Und siehe,
der göttliche Heiland will sich durch eure Pflege geehrt, geheilt finden. Und wenn diese
Kranken dann aus dem Hause hinauskommen, so sollen sie ganz umgewandelt sein.
Sie sollen durch den erneuten Glauben, die erneuerte Frömmigkeit sich so zu Gott
hingezogen fühlen, daß sie Gott nicht genug danken können, daß er sie durch die
Krankheit zu den Schwestern hingeführt hat." 144) "Pfleget eure Kranken sorgfältig aus
Liebe zu Jesus, welcher für sich annimmt, was den andern getan wird." 145) "Es soll
euch der Armen und Armseligen erbarmen. Der liebe Gott will euch mit vielen, recht
vielen solcher Armen und Kranken in Verkehr bringen, damit recht viel, vielmal euer
Herz aufgefordert werde, sich immer mehr zu erweichen und zu erbarmen. Nehmet
diese Einladungen Gottes immer alle von seiner Hand an, und was ihr tuet, tuet es
fromm für Gott. Tuet es aber liebevoll für die Waisenkinder. Das Gefühl der Erbarmung,
das ihr stets im Herzen des lieben Heilandes schöpfen und erneuern müsset, muß sich
bei ihnen bestens an den Tag legen. Habt ihr euch schon manchmal die Frage gestellt:
Warum verwendet gerade mich der liebe Gott bei diesem widerwilligen Kranken?
warum mich bei diesen unangenehmen, bösartigen, schwachköpfigen bornierten
Kindern? Ei, ei, einfach deshalb, damit ich ihm bei diesen Kranken, diesen Kindern
etwas von jener Liebe vergelte, die er mir entgegenbringt. Er, er ist’s, der mir unter
diesen armen Gestalten entgegentreten will. Eine jede dieser Armseligen ist an und für
sich geeignet, uns Ungeduld und Widerwillen einzuflößen. Da hören wir aber den
göttlichen Heiland uns zurufen: Habt Erbarmen mit mir! Was du an diesen, am letzten
von diesen tust, das tust du mir! Diese lieben Kleinen sind nicht minder eure Schätze,
als die Armen von Rom einst die Schätze der Kirche für den heiligen Märtyrer
Laurentius waren. Liebet sie, liebe Schwestern, liebet sie von ganzem Herzen.
Verachtet sie nie, nie! Verlanget nie, daß euch die Bürde dieser lieben Kinder
weggenommen werde. Obendrein bestrebet euch, euch demütig zu benehmen vor den
Kindern, die ihr als eure Herren ehren und behandeln dürfet." 146)
Aber auch die geistlichen Werke der Barmherzigkeit sollen eine Hauptsorge der
Schwestern sein. "Erwecket in euren Herzen einen solchen Seeleneifer, daß ihr
denselben nach allen Seiten hin ausdehnt, um die Bekehrung von allen ohne
Ausnahme zu erhalten. Wo immer die Schwestern hinkommen, soll ihr Wirken und ihre
Frömmigkeit wie ein Sauerteig sein, um das Reich Gottes dort einzupflanzen und
auszudehnen." 147) "Darum setze ich bei den Eigenschaften, die ich bei euch auffinden
will, einen durchgreifenden Seeleneifer voraus. Derselbe soll euch stets vorbereiten,
damit das einer jeden von Gott verliehene Talent brauchbar werde. Dann aber auch soll
derselbe Seeleneifer euch recht antreiben, dieses Talent: die körperliche sowie die
geistige Kraft und die übernatürlichen Gnaden, mit vollstem Geiste der Aufopferung für
die Seelen zu verwenden. Ihr habt, wenn ihr sie recht verwenden wollt, eine
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wunderbare Standesgnade, um die Menschen zum lieben Gott aufschauen zu machen.
Suchet Gott für euch selbst, in eurem persönlichen Leben. Strebet danach, selbst
immer das Herz nach oben gerichtet zu haben, und ihr werdet gleichsam, ohne es
selbst zu merken, die Seelen der andern zum lieben Gott hinwenden. Auch werden es
die Leute gern von euch annehmen, durch euch zu Gott gebracht zu werden, wenn sie
sehen, daß es eure eigene Speise der Seele ist, mit Gott zu verkehren und für ihn zu
arbeiten." 148)
Nicht bloß die Armen und Kranken soll das Herz der Schwestern in Liebe
umfassen, sondern s i e s e l b s t sollen durch das Band schwesterlicher Liebe und
herzlicher Einigkeit miteinander verbunden sein. "Diese gegenseitige Liebe unter euch
soll ein Zeichen sein, daß Jesus selbst zu uns gekommen ist, um uns die Liebe des
himmlischen Vaters zu überbringen. Es soll nie das Ende eines Tages kommen, ohne
daß sich eine jede von euch das Zeugnis geben könne: Heute habe ich mich aber
beflissen, meine Mitschwestern glücklich zu machen." 149) "Wir wären ungemein
gesegneter, um Seelen für den lieben Gott zu gewinnen, wenn wir die Barmherzigkeit
besser auszuüben verständen. O liebe Schwestern, fanget hierzu damit an, daß ihr
untereinander zuvorkommend seid und euch gründlich liebet, lieb anredet, lieb
behandelt, lieb erduldet. Diese schwesterliche Liebe wird euch ein Wegweiser sein zu
unglaublichen Segnungen Gottes." 150) "Im großen Durchschnitt habe ich immer
gesehen, daß ihr euch gutmütig untereinander vertraget und daß ihr einander ebenso
beistehet in den verschiedenen Arbeiten. Doch hat auch dieses übrigens so schöne
Benehmen manchmal etwas Not gelitten, bald nach der einen, bald nach der andern
Seite hin. Staunet ja nicht darüber, daß ihr etwas Mühe habt, die Mitschwestern zu
ertragen, oder auch darüber, daß die Mitschwestern Mühe haben, euch zu ertragen.
Um die Erträglichkeit in einer Klostergemeinde hervorzubringen, ist schon eine
gegenseitige schwesterliche Liebe notwendig, eine wahre Liebe für Gott und in Gott."
151)
"Es ist ein Verstoß gegen das klösterliche Leben, wenn eine Schwester die
Bemerkungen einer Mitschwester nicht gut annimmt, wenn sie ihr dafür grollt, aufredet,
ein Gesicht macht oder den Kopf hängt. Dadurch wird ein allgemeines Ärgernis
gegeben, der Seelenfrieden bei der sich lieblos benehmenden Schwester tief gestört,
ein Schleier der Trauer über die ganze Gemeine ausgebreitet und dem Teufel des
Grollens die Türe des Herzens erschlossen." 152)
Das ist die Stimme des Tadels, mit der der Briefschreiber nie zurückhielt, wenn
es sein mußte. Weit öfter aber lobte er. Gerne gab er seiner Freude Ausdruck über das
viele Erfreuliche, das er sah, und liebte es, das Beispiel einer eben verstorbenen
Schwester den lebenden vor Augen zu halten, die den Klostergeist verkörperte. So
schreibt er den Schwestern zu Viernheim: "Der Tod der Schwester Sigismund hat mir
recht wehe getan. Ich habe dieselbe durch das Klosterleben hindurchgehen sehen mit
jener Geradheit und Einfachheit, die ihr alle bei ihr gekannt habt. So wie ich sie am
ersten Tage des Postulates gesehen habe, so habe ich sie noch gesehen am letzten
Tage ihrer Krankheit. Gott suchend, Gott liebend, gottergeben, von Gott alles
annehmend, mit dem lieben Heiland stets sagend: Ja, Vater, weil es dir so gefallen hat.
So hat sie die Belehrungen ihres Noviziates angenommen, so die Arbeit auf ihrer
Mission, so die Prüfung ihrer Krankheit, so die erbauliche Vorbereitung auf ihren Tod.
Es ist mir ungemein schmerzlich gewesen, daß wir diese Schwester verloren haben.
Doch ist es mir auch ungemein wohltuend, daß wir Schwestern haben, deren Leben so
einfach, gottergeben und freudig zerfließt, wie das Leben der Schwester Sigismund
zerflossen ist. Gott gebe, daß diese einfache Geschichte die Lebensgeschichte einer
jeden von euch sei; sie ist durchs Leben gegangen und hat sich immer in Gott erfreut.
Solche Schwestern sind eine Freude für Gott, und wenn wir uns hinlänglich aus dem
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Schmerze, sie verloren zu haben, herausgearbeitet haben, so müssen wir uns über
ihren vor Gott so kostbaren Tod erfreuen."
Diese Blütenlese genügt, um den gewaltigen Einfluß erkennen zu lassen, den
Simonis auf die Schwestern, die er heranbildete, ausübte. Darum liegt keinerlei
Übertreibung in den Worten, welche Stadtpfarrer Wiedemann von Worms im Jahre
1901 an den greisen Superior richtete 153): "Sie, hochw. Herr Superior, sind es vor
allem, denen Worms das Glück des Besitzes von Schwestern verdanken muß. Sie
haben mit erleuchtetem Verständnis die Schwestern zu hoher Begeisterung für das
Ordensleben zu erziehen verstanden. Sie haben ihnen wahrhaft klösterlichen Geist
eingehaucht, der Fleisch und Blut durchweht; Sie haben ihnen Liebe zum Gehorsam
eingeimpft, kurz: Sie haben es verstanden, wahre Töchter des allerheiligsten Heilandes
heranzubilden, wie deren unsere Zeit bedarf."



Der Chronist der Kongregation darf einen verdienstvollen Mann nicht vergessen,
der mehrere Jahrzehnte hindurch der treue und eifrige Mitarbeiter des Superiors beim
Werk der religiösen Heranbildung und Leitung der Schwestern war: den
Klostergeistlichen F l o r e n z W o l f f , einen Priester mit allen Tugenden seines Berufes,
von schlichter Einfachheit, größter Frömmigkeit und Herzensgüte. 40 Jahre hindurch
hat er äußerst segensreich gewirkt. Am 8. November 1910 konnte er in Oberbronn sein
fünfzigjähriges Priesterjubiläum feiern, bei welcher Gelegenheit Domkapitular Schickelé
seine hohen Verdienste um die Gesamtkongregation feierte 154). Am 17. Juni 1911 ist er
sanft im Herrn entschlafen. - Seit der Gründung der Genossenschaft haben folgende
Priester als Klostergeistliche gewirkt: G a p p , zuerst Pfarrvikar bei dem Stifter Reichard,
mit dem er in das neugegründete Mutterhaus übersiedelte; er wirkte teils hier, teils im
Bruderkloster Singlingen bis 1862; F e l i x A n d r e c k , vom Oktober 1855 bis November
1856; F . J . B i r g e n t z l e , im Noviziat zu Niederbronn, dann in Oberbronn von 1856
bis 1870; I g n a z V i x 1856 bis 11. Dezember 1866, seinem Todestage; er ruht auf
dem Klosterfriedhof; S e r a p h i n S c h o t t , 1866 - 1867, nach Reichards Tod
provisorischer Superior bis zum Amtsantritt Sattlers, später Generalvikar und
Domkapitular; F r . J o s . H e i n r i c h , vom Februar bis 7. April 1868, seinem Todestag,
begraben auf dem Klosterfriedhof; J o s e p h W e r n e r t , Dezember 1867 bis November
1871, später Superior des Wallfahrtsortes Mariental; F o r t u n a t u s Z i m m e r m a n n ,
zuerst in Singlingen, dann in Oberbronn, 1867 - 1876; F . A . B e c h t , in Oberbronn
1876 - 1879, in Niederbronn 1879 - 1882; F l o r e n z W o l f f , 1871 - 1880 im Noviziat in
Niederbronn, 1880 - 1911 in Oberbronn; K a r l K o l b , in Niederbronn 1882 - 1888;
E d m u n d B r a u n , ebenda von 1888 - 1911, gestorben 1. Juni 1911 und begraben auf
dem Klosterfriedhof 155). Sein Nachfolger in Niederbronn wurde im August 1911 L e o
H a e g e l i n . Im September 1904 übernahm der freiresignierte Pfarrer von Singrist,
E m i l G o e t z , die neugeschaffene Stelle eines zweiten Klostergeistlichen im
Mutterhaus Oberbronn. Nachfolger Wolffs wurde im Juni 1911 J o s e p h F i s c h e r , ein
gewiegter Liturgiker, durch dessen rastlose Bemühungen die Pflege des neuen
Choralgesangs im Mutterhaus bemerkenswerte Erfolge zeitigte. Während längerer
Krankheit ersetzte ihn Pfarrer Kieffer von Oberbronn.
Es erübrigt noch, dankbar der Verdienste des Redemptoristenordens zu
gedenken, dessen Patres seit Beginn des neuen Jahrhunderts im Mutterhause jährlich
die Exerzitien leiteten.
Siebtes Kapitel.
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Schwester M. Macrine Frey, die vierte Generaloberin.
Tod des Superiors Simonis 1903.
Am 11. Juni 1900 ging aus der Wahlurne als Generaloberin hervor Schwester M.
Macrine. Geboren zu Mühlhausen am 1. Mai 1845, trat Magdalena Frey, die im
elterlichen Hause eine tiefchristliche Erziehung erhalten hatte, nach dem Tode ihrer
Mutter am 6. April 1875 ins Mutterhaus zu Niederbronn ein. Nach ihrer Profeß, die am
17. Dezember 1876 erfolgte, begann die nunmehrige Schwester M. Macrine im Hause
zu Straßburg ihren Ordensberuf auszuüben, wo sie bis im Februar 1880 mit solchem
Erfolg wirkte, daß die Obern sie als Oberin nach Weißenburg schickten. In dieser
Stellung war sie bis 1884 tätig; in gleicher Eigenschaft stand sie der Niederlassung zu
Avenay (Dep. Marne, Frankreich) vor, bis sie im Jahre 1886 zu dem wichtigen Amte
einer Novizenmeisterin ins Mutterhaus berufen wurde. Elf Jahre lang wirkte sie äußerst
segensreich in der Heranbildung berufsfreudiger, frommer Ordensfrauen. Im Verein mit
der ehrw. Mutter M. Damien verfaßte sie die jetzt noch gebräuchliche Hausordnung und
Regel des Noviziates. Im Jahre 1897 wurde sie in den Rat gewählt mit der Aufgabe, die
Häuser zu visitieren. So erwarb sie sich, nachdem sie bereits in allen übrigen Ämtern
reiche Erfahrungen gesammelt hatte, auch eine eindringende Kenntnis der Gesamtlage
der Kongregation und war, seitdem sie nach dem Tode der Schwester Tharsilla (gest.
1898) das Ökonomat übernommen hatte, in allen Verwaltungszweigen trefflich
bewandert. Darum war ihre Wahl zur Generaloberin in jeder Beziehung ein glückliches
Ereignis.
In ihr erhielt der Superior eine vortreffliche und verständnisvolle Mitarbeiterin.
Leider sollte ihm diese Mitarbeiterschaft nicht lange vergönnt sein. Denn auch bei ihm
fing es an, Abend zu werden. Er hatte in den 30 Jahren, die ihn an der Spitze der
Kongregation sahen, sein Leben buchstäblich aufgerieben. Nun ging es nicht mehr. Im
Jahre 1900 hatte er zum letzten Male im schönen Herz-Jesu-Kloster zu München, das
er so sehr liebte, den Exerzitien der bayrischen Schwestern vorgestanden. Sie selbst zu
predigen, wie es früher stets seine Gewohnheit war, ist ihm in den letzten Jahren nicht
mehr möglich gewesen. Seine Kräfte verfielen zusehends.
Es war ein bitteres Gefühl für den Mann, der zeitlebens in rastloser Arbeit
aufgegangen war und in seiner Strenge gegen sich selbst jede Erholung als Zeitverlust
angesehen hatte, sich immer mehr zur Untätigkeit verurteilt zu sehen. Schon im Jahre
1898 hatte er sein Reichstagsmandat aufgeben müssen, das er schon das vorige Mal
nur wider Willen von seinen politischen Freunden sich hatte aufdrängen lassen. Als er
im Winter 1899 das große Pariser Haus in der Rue Bizet besuchte, fühlte er zum ersten
Mal das Anpochen des nahenden Todes, indem ihn auf offener Straße ein wenn auch
leichter Schlaganfall überrascht hatte. Er erholte sich verhältnismäßig leicht und suchte
in der Folgezeit zweimal Erholung im Bade Contrexéville. Der Tod der ehrw. Mutter M.
Damien erfüllte ihn mit trüben Ahnungen. Das Schicksal seiner lieben Genossenschaft
beschäftigte damals seine Seele besonders lebhaft. Er schrieb an seine Nichte, die
Baronin Sensburg: "Wie wird es in der Zukunft um die Kongregation bestellt sein? Gott
allein weiß es. Die Schwestern sind ein guter Same, der draußen ausgestreut ist. Ihr
Geist ist gut; sie wirken Gutes. Der liebe Gott segnet sie reichlich. Die wenigen Tage
noch, die mir Gott zum Leben läßt, will ich anwenden, um guten Samen über die Welt
zu säen. Wenn ich ihn nur von dort oben aufgehen sehe." 156)
Dieses Bewußtsein, nicht umsonst gelebt, sondern durch sein Wirken in der
Kongregation der Kirche und der Menschheit genützt zu haben, war ihm ein Trost in
den Tagen der Ermattung und der Altersschwäche. Am 16. Dezember 1901 schrieb er,
schon mit zitternder Hand, einer Schwester, die ihr fünfundzwanzigjähriges
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Profeßjubiläum feierte: "Ich gratuliere herzlich, liebe Schwester R. Es ist etwas, wenn
man im Kloster 25 Jahre Profeß zählt. Allein es muß zugleich auch mir gratuliert
werden, da ich die schönen Früchte sehe, welche die vor 25 Jahren gepflanzten Bäume
gebracht haben. Ja, danken wir dem lieben Gott aufs beste. Unser Leben ist also nicht
ganz unnütz vorübergegangen. Es gilt aber nicht einfach darum, daß wir fortfahren, uns
Mühe zu geben, sondern es muß der 17. Dezember 1901 für uns ein neuer Ansporn
sein, um von heute an mit jedem Tage demütiger, eifriger und großmütiger an Gottes
Ehre zu arbeiten."
Als er dies schrieb, war er schon fast immer ans Zimmer gebannt. Nur der
vortrefflichen Pflege, die ihm Schwester Milburga, die langjährige, treubesorgte
Schaffnerin des Priesterhauses, angedeihen ließ, und der erstaunlichen Energie des
Greises war es zu danken, daß der morsche Lebensfaden nicht schneller abriß. Am 31.
Juli 1902 feierte Simonis im Kreise zahlreicher Verwandten 157) und Freunde sein
Namensfest. Mit einem letzten Aufwand von Kraft ließ er bei der Beantwortung aller
Trinksprüche seinen Geist und seinen Humor spielen. Es war das letzte Aufflammen
regen Lebens gewesen. Auch die Feder, die er am Schreibtisch so unermüdlich
gehandhabt hatte, mußte er jetzt ruhen lassen. Er konnte, wenn es sein
Schwächezustand erlaubte, nur noch diktieren. Mühsam hatte er seine letzten Worte
gekritzelt, die gewissermaßen der Abschiedsgruß an seine Töchter sind: "Ich habe euch
ermutigt, ich ermutige euch noch jetzt und werde euch noch weiter ermutigen. Im Tode
werde ich zum Abschied euch noch Mut zusprechen."
Dann kam ein monatelanges stilles, trauriges Dahinleben im Krankenbette und
im Lehnstuhl, ein müdes, langsames Hinüberdämmern, das nur durch Beten
unterbrochen war. Am 11. Februar 1903 ist Ignatius Simonis, mit dem Rosenkranz, den
er gerne und so oft betete, im Lehnstuhl sitzend, friedlich ins Jenseits eingegangen. Er
hat ein Alter von 72 Jahren erreicht.
Es war der Tod des Gerechten. Sein Leben ist nach einem schönen Bibelworte
voll Mühe und Arbeit und darum köstlich gewesen.
Die Leichenfeier, die am 14. Februar stattfand, zeigte, welch großen Ansehens
der Verblichene sich erfreute. Sie nahm ihren Anfang um 9 Uhr morgens in Oberbronn.
Am Vorabende schon hatte Stadtpfarrer Grußenmeyer von Schlettstadt, ein Freund des
Toten, den versammelten, aus der Ferne herbeigeeilten Schwestern dessen Verdienste
gepriesen 158). Der Sarg war in der schwarz ausgeschlagenen alten Kapelle aufgebahrt.
Domkapitular Schott, der vor 1870 als Klostergeistlicher im Muterhaus gewirkt hatte,
segnete die Leiche ein, Generalvikar Schmitt sang das Traueramt, wonach der
siebenundsiebzigjährige Superior der Straßburger Barmherzigen Schwestern und
ehemalige Reichstagsabgeordnete Joseph Guerber, der mit Simonis Schulter an
Schulter gekämpft hatte, die Kanzel bestieg und dem toten Freunde die Trauerrede
hielt. "Er ruhet und wir trauern", mit diesen markigen Worten fing der greise Prediger
seine ergreifenden, vom Schluchzen der Schwestern oft unterbrochenen Ausführungen
an 159). Der hochw. Herr Bischof Dr. A. Fritzen, der es sich nicht hatte nehmen lassen,
dem hochverdienten Manne die letzte Ehre zu erweisen, hielt das Libera ab, worauf
sich der unabsehbare Zug der Leidtragenden, die von nah und fern herbeigeeilt waren,
nach dem Klosterfriedhof zu Niederbronn in Bewegung setzte. Als Vertreter des hochw.
Herrn Erzbischofs von Freiburg war Domkapitular Schenk erschienen. Neben mehreren
Straßburger Domherren und unzähligen Geistlichen bemerkte man Angehörige
verschiedener Orden, einige elsässische Reichstagsabgeordnete, Vertreter aller
katholischen Blätter des Elsasses, die Bürgermeister und Ratsmitglieder der
Gemeinden Niederbronn, Oberbronn u. a. m. Stadtpfarrer Prälat Frey von Colmar
sprach die letzten Gebete am Grabe, das die irdischen Überreste des Verewigten
aufnahm.
90
Superior Guerber hatte seine Trauerrede mit dem inhaltsreichen Satze
geschlossen: "Auf den Leichenstein des Verstorbenen oder unter das Kreuz über
seinem Grabe setzen Sie die Worte: Ein Mann des Volkes, ein Führer der Seelen, ein
Priester nach dem Herzen Gottes."
Kürzer und treffender hätte man den Verewigten nicht charakterisieren können.
Er war ein Mann des Volkes, der mit ihm dachte und fühlte und für alle seine Nöte ein
warmes Herz hatte. Er war es als Pfarrer und als Leiter seiner Genossenschaft, denn
was erstrebte er als solcher anders, als daß er die Schwestern heranbildete zu
Wohltäterinnen für die Armen und Kranken der unteren Volksschichten, zu Müttern der
Waisen und Trösterinnen der Hilflosen und Verlassenen? Er war ein Mann des Volkes,
der jahrzehntelang dessen materielle und geistige Interessen im Reichstage vertreten
hatte.
Er war ein Führer der Seelen - darüber brauchen wir hier, nach allem
Vorausgegangenen, nicht mehr viele Worte zu verlieren. Wie viele er im Schoße seiner
teuren Genossenschaft nicht bloß selbst zu ihrem ewigen Heile führte, wieviel mehr er
noch durch den Seeleneifer, den er zeitlebens in seinen Töchtern genährt und zu
hellem Feuer entfacht hatte, für Gott gewann, wer könnte sie zählen?
Er war ein Priester nach dem Willen Gottes. Er war es von ganzem Herzen und
ganzer Seele. In diesem von inniger Herzensfreude gewählten Berufe ging er auf. All
sein Streben und Trachten war nur darauf gerichtet, wie er das Reich Gottes auf Erden
vergrößern, wie er den Einflußbereich der katholischen Kirche, deren Diener er war,
erweitern könnte. Darum ließ er sein Wirken über den gewöhnlichen seelsorgerlichen
Pflichtenkreis hinausgreisen auf alle Gebiete, auf denen er die Macht des religiösen
Gedankens zur gebührenden Geltung bringen wollte. Zu einer Zeit, wo eine
ausgesprochene katholische Presse in seiner Heimat so gut wie nicht existierte, ist er
als einer der ersten auf den Plan getreten und hat mit einer Rührigkeit und einem
Opfermut ohnegleichen einer überzeugungstreuen katholischen Presse die Wege
geebnet. Als Pfarrer zu Rixheim gründete er den "Volksboten", das "Odilienblatt", die
"Heilige Familie", und wo irgendwie Volksblätter auftauchten, bemühte er sich, sie zu
verbreiten. Sie waren ihm Apostel im weltlichen Kleide, Prediger, deren Ruf weiter
hinaushallte als das Wort von der Kanzel, und oft wirksamer war 160). Auch durch rege
eigene Mitarbeit hat er die Presse unterstützt 161). Er faßte diese Arbeit als ein Apostolat
auf, dem sich keiner entziehen dürfe, der die nötigen Fähigkeiten besitze. Noch auf
anderem Gebiete betätigte sich der apostolische Eifer von Dr. Simonis: auf dem
Gebiete des M i s s i o n s w e s e n s . Die Glaubensboten, die nach fernen Weltteilen
zogen, um Christi Lehre unter den wilden Heidenvölkern zu verbreiten, klopften nie
vergeblich an seine Türe. Er schätzte sich direkt glücklich, ihnen reiche Unterstützung
zuteil werden zu lassen. Wenn Bischof Allgeyer aus der Kongregation der Väter vom
Heiligen Geiste - ein Schüler von Simonis - eine seiner Missionsstationen in BritischOstafrika Simonisdale genannt hat, so hat der freigebige alte Herr diese Ehre reichlich
verdient, denn er hat fast sein ganzes sehr beträchtliches Vermögen für
Missionszwecke verwendet.
Bei seiner weitverzweigten Tätigkeit ist Simonis nie im äußeren Wirken
aufgegangen. Wenn er bei der Heranbildung von tüchtigen, ihrem Ordensberufe
gewachsenen Schwestern so glänzende Erfolge erreicht hat, so geschah es nur, weil er
das, was er lehrte, aus der Fülle des eigenen reichen Herzens schöpfte. Eine auf
gesunder Grundlage ruhende, allem Übertriebenen und Außergewöhnlichen abholde
Frömmigkeit war eine seiner schönsten Priestertugenden. Er hat die Flamme der
Gottesliebe, die in seinem Herzen glühte, nie ausgehen lassen. Auch wenn er auf
Reisen war, trug er zwei Bücher ständig bei sich: Das Neue Testament und die vier
91
Bücher der Nachfolge Christi. Darin schöpfte er die innere, lebendige Kraft, die auch
andere beleben konnte.
Er war ein edler Mensch. Nichts Kleinliches war in dem kleinen, gedrungenen
Manne mit dem breiten, unendlich gütigen Gesichte. Güte und Wohlwollen für die
Mitmenschen, namentlich für die Armen und Unglücklichen, war ein Hauptzug seines
Wesens. Für seine Freunde, deren er überall viele zählte, war ihm kein Opfer zu groß.
In Gesellschaft war er ein ausgezeichneter Unterhalter. Mit feinem Humor wußte er
stets seine geistreichen Plaudereien zu würzen. Als politischer Redner verfügte er in
hohem Grade über die Kunst der Improvisation und die Gabe, den Gegner stets
geschickt anzugreifen. Darin berührte er sich mit Windthorst, der ihn von den
elsässischen Abgeordneten am meisten schätzte und mit ihm besonders befreundet
war. Bismarck aber hat aus seiner Antipathie für den scharfzüngigen Reichsländer
Simonis nie ein Hehl gemacht.
Als letztes Vermächtnis hinterließ er seiner geliebten Genossenschaft sein
väterliches Haus in Ammerschweier.
Achtes Kapitel.
Simonis` Nachfolger: Konstantin Hanns. Tod der Schwester M. Macrine.
Schwester Marie Livier, die fünfte Generaloberin.
Fortschreitende günstige Entwicklung der Genossenschaft.
Über drei Monate dauerte es, bis der Straßburger Oberhirte Dr. Adolf Fritzen
einen Mann fand, der Simonis’ verantwortungsreiches Erbe übernahm und die
geistliche Leitung der Genossenschaft antrat. Dies war ein Pfarrer zu Neudorf (bei
Basel), L u d w i g K o n s t a n t i n H a n n s 162).
Über die Lebenden steht dem Geschichtsschreiber kein Urteil zu. Der Chronist
der Genossenschaft muß aber doch, den kommenden Geschlechtern zum Nutzen, in
aller Kürze das schon buchen, was der neue Superior zur weiteren Entwicklung der
Genossenschaft beigetragen hat. Es ist nicht wenig. Nach der inneren Festigung, die
Simonis der Kongregation gebracht hatte, konnte sich Superior Hanns einer Reihe
dringend notwendiger praktischer Arbeiten widmen, die ein bemerkenswertes
Organisationsgeschick zu günstiger Vollendung brachte. Es handelte sich zunächst um
sanitäre und andere bauliche Arbeiten im Mutterhause selbst. Vor allem wurde die
unpraktische Sakristei durch einen gefälligen Anbau bedeutend vergrößert und
geschmackvoll möbliert; zugleich wurde auf der gegenüberliegenden Chorseite ein
geräumiges, durch eine Glaswand abgeschlossenes Oratorium für die Kranken
errichtet. Im Herbst 1912 erfolgte die Ausmalung der Klosterkapelle. Die Anlage einer
Zentralheizung für die Kapelle und das Krankenhaus entsprach einem längst gefühlten
Bedürfnis 163. Nicht weniger auch die im Jahre 1907 erbaute Wasserleitungsanlage,
welche das ganze Haus mit trefflichem Gebirgsquellwasser versorgt. Dadurch war auch
die Möglichkeit gegeben, den zahlreichen Insassen des Hauses eine ausreichende
Badegelegenheit zu schaffen. In diesem Jahre wurde das Priesterhaus mit einer
Zentralheizung versorgt. Nun kam die Reihe an die in Niederbronn von ihrer Tätigkeit
ausruhenden älteren Schwestern; längst waren die Räume des alten Mutterhauses für
das Altersheim zu klein geworden. Ein geräumiger, stattlicher Neubau mit Waschküche,
Bädern, Wasserleitung erstand im gleichen Jahre 1907.
Aber auch nach außen erstreckte sich die Sorge des rührigen Organisators. 1905
-1906 wurde das vom verstorbenen Superior der Genossenschaft überlassene
92
Anwesen Simonis’ zu Ammerschweier zu einem Erholungsheim für kränkliche,
überarbeitete Schwestern eingerichtet. Für den gleichen Zweck wurde 1909 ein
Anwesen in Trippstadt (Rheinpfalz) erworben und ausgebaut. Dazu kam der Erwerb
eigener Schwesternhäuser für die Krankenpflegestationen zu Karlsruhe und
Mühlhausen (1905), der Neubau des Arbeiterinnenheims in Mühlhausen (1906), große
bauliche Veränderungen im Waisenhause zu Thann (1906), der Bau eines Saales für
den Jungfrauenverein zu Brumath (1907); der Neubau eines Schwesternhauses für die
Krankenpflegestation zu Straßburg-Neudorf und Geispolsheim (Unterelsaß); ferner der
Neubau des Knabenwaisenhauses zu Thann und die Gründung eines Heims für
Ladnerinnen: des Elisabethenhauses zu Karlsruhe (alles im Jahre 1908).
Die ehrw. Mutter M. Macrine stand bei all diesen durchgreifenden Änderungen
und Verbesserungen, die alle auf das Gedeihen der Genossenschaft abzielten und
zugleich ein beredtes Zeugnis für ihre Lebenskraft sind, dem neuen Superior tatkräftig
zur Seite. Mit inniger Freude konnte sie das blühende Wachstum der Genossenschaft
verfolgen, die Jahr für Jahr allenthalben neue Niederlassungen zu gründen vermochte.
In den neun Jahren, während sie die Oberleitung der Kongregation führte, sind 38
auswärtige Stationen gegründet worden, und die Zahl der Schwestern hat sich um fast
600 vermehrt. Die Kongregation hatte eine überraschende Ausdehnung gewonnen, ihre
Leitung stellte daher auch große Anforderungen an die Generaloberin. Mutter Macrine
ist ihnen reichlich gerecht geworden. Sie ging in der Sorge für deren Wohl und Wehe
förmlich auf, kannte keine Rast und Ruhe und hatte für die kleinsten Anliegen ihrer
Mitschwestern stets ein geneigtes Ohr. Aber die unermüdliche Arbeit untergrub
langsam ihre Gesundheit. Ein bedenkliches Herzübel zehrte an ihren Kräften, ohne daß
ihre nähere Umgebung, durch ihr blühendes Aussehen getäuscht, darum wußte.
Schwester Macrine gehörte zu jenen seltenen, willensstarken Naturen, die nicht nur den
Geist, sondern auch den Leib sicher in Gewalt haben. Mit der Energie, die ihr ganzes
Schwesternleben auszeichnete, hielt sie aus auf dem dornigen Arbeitsfelde, bis sie
nicht mehr konnte. Während der Exerzitien des Jahres 1909 hatte sie mühsam noch
den Schwestern die üblichen Konferenzen gehalten und alle Schwestern einzeln
empfangen. Aber gegen Schluß ging es nicht mehr. Der Wille konnte der
unterliegenden Natur nicht mehr befehlen. Öfters auftretende Krisen, beängstigende
Erstickungsanfälle ließen die Mitschwestern nicht mehr im Zweifel über den Ernst der
Lage. Auch sie selbst wußte, daß das Ende nahte. Es war rührend, wie sie die
Schwestern aufforderte, ihr eine glückliche Sterbestunde zu erflehen. Sie hatte den Tod
nicht zu fürchten. Aber die Verantwortung ihres mühevollen Amtes ließ die zarte,
äußerst gewissenhafte Seele doch mitunter erzittern vor den Schauern des nahen
Todes. Dann siegte ihr unerschütterliches Gottvertrauen und die Zuversicht auf den
Beistand der von ihr stets kindlich verehrten Gottesmutter und des hl. Joseph, und
himmlischer Friede senkte sich über ihre Seele, als sie, im Lehnstuhle sitzend, die
heilige Wegzehrung empfangen hatte. Weinend waren die Schwestern Zeugen des
feierlichen Aktes. Das war am Donnerstag, den 29. Juli. Am folgenden Morgen regelte
sie ihre zeitlichen Angelegenheiten. Dann verharrte sie in ernsten, frommen Gedanken
und wiederholte mit zitternden Lippen das Gebetlein, das sie täglich verrichtet hatte:
"Mein Gott, ich bringe dir durch die Hände Mariä, meiner teuern Mutter, das völlige und
ganze Opfer meines Lebens. Ich opfere es für die heilige Kirche, für die Kongregation
und die Ehre Gottes."
Um 2 Uhr begann der Todeskampf, um 1/2 9 Uhr - 30. Juli 1909 - gab sie in den
Armen der Schwester Livier, ihrer künftigen Nachfolgerin, ihre reine Seele dem
Schöpfer zurück. Am 2. August wurde sie unter Beteiligung zahlreicher Geistlicher
verschiedener Diözesen auf dem Klosterfriedhof zur letzten Ruhe gebettet. Mehr als
300 Schwestern, die zu den Exerzitien ins Mutterhaus gekommen waren, erwiesen der
93
verstorbenen Mutter die letzten Ehren. Ein Teilnehmer, der die Verstorbene kannte,
schrieb damals 164): "Ein ergreifender Anblick war es, auf dem Friedhofe die verwaisten
Postulantinnen, Novizinnen und Schwestern zu sehen, die ihre gute Mutter beweinten
und ihr ein letztes Mal schmerzerfüllt ins Grab nachblickten. Zeigte dieselbe doch im
Verkehr mit ihren zahlreichen Kindern, den Schwestern, stets etwas unbeschreiblich
Herzliches. Jede Schwester, die ihr nahte, hatte das Gefühl, als sei sie die einzige, der
sie ihr Interesse und ihre Fürsorge zuwandte. Mit dem Tode dieser besten Mutter fand
aber auch ein Leben seinen Abschluß, das wie selten eines reich an Arbeit und Segen,
reich an Tugendadel und Opfergeist war." Sie hat ein Alter von 64 Jahren erreicht.
Das Vertrauen der Schwestern bei der am 6. Oktober 1909 stattfindenden Wahl
neigte sich der bisherigen Novizenmeisterin, Schwester Marie Livier, zu, die fast
einstimmig zur neuen Generaloberin gewählt wurde 165). Im Geiste ihrer edlen
Vorgängerin leitete sie die Kongregation weiter, die von Jahr zu Jahr sich günstiger
fortentwickelte. Im verständnisvollen Einvernehmen mit dem geistlichen Direktor war sie
ständig bemüht, all den Anforderungen, welche die neueste Zeit an die
Krankenpflegegenossenschaft stellte, nach Möglichkeit nachzukommen. Gleich in die
erste Zeit ihrer Wirksamkeit fiel die Verwirklichung eines weitschauenden, für die
berufstechnische moderne Ausbildung des Krankenpflegepersonals äußerst
bedeutsamen Planes, der schon Anfang 1909 im Kongregationsrate auf Anregung des
Superiors beschlossen war: der Bau des großen, nach den modernsten
Errungenschaften der Hygiene eingerichteten St. Odilienkrankenhauses in StraßburgNeudorf. Im Juli 1912 konnte es bereits eröffnet werden 166). In diesem Krankenhause
wurde mit staatlicher Genehmigung eine Krankenpflegeschule errichtet, in welcher die
Schwestern die staatliche Krankenpflegeprüfung ablegen können.
Auch andere Krankenhäuser der Kongregation erfuhren bedeutende
Ausgestaltungen. So wurde die viel besuchte Klinik der Rue Bizet zu Paris durch den
Bau eines neuen Flügels vergrößert; ebenso das Colmarer Krankenhaus in der
Rösselmannstraße. Leider hat der Ausbruch des Krieges die Vollendung dieses Baues
unterbrochen, desgleichen den Neubau der Waisenanstalt zu Gebweiler. Den
Waisenhäusern hatte in letzter Zeit die Kongregationsleitung besondere
Aufmerksamkeit geschenkt. 1911-1912 war der Neubau des Waisenhauses
Mühlhausen-Dornach entstanden, 1913-1916 war das Mädchenwaisenhaus in
Mühlhausen (Burggasse) umgebaut, 1914 die Anstalt in Thann mit neuen
Ökonomiegebäuden versehen worden.
Bis zum Ausbruch des Krieges waren unter der neuen Generaloberin etwa 25
Niederlassungen neu gegründet worden. Viele Anfragen um weitere Gründungen
mußten abschlägig beschieden werden, obschon die Zahl der Schwestern ständig
angewachsen war. Während Ende des Jahres 1900 die Genossenschaft 1800
Mitglieder zählte, die sich in 261 Niederlassungen auf 26 Diözesen in Deutschland,
Frankreich, Schweiz, Belgien und Luxemburg verteilten, ergab der Personalstand am
31. Dezember 1913 die ansehnliche Zahl von 2588 Mitgliedern in 310 verschiedenen
Häusern 167). Das Jahr 1914 ließ sich ebenfalls recht hoffnungsvoll an.
Da entstand der furchtbare Weltbrand, in dem zwar die Genossenschaft eine
glänzende Gelegenheit fand, ihr segensreiches Wirken zu betätigen, der aber für sie
auch von schwerwiegenden Folgen begleitet war.
Vierter Abschnitt.
Die Jahre des Weltkrieges. Neuorganisation der
94
Genossenschaft. Die Errichtung von Provinzen.
Erstes Kapitel.
Die Geschichte der Kongregation während des Weltkrieges.
Im Juli 1914 fanden, wie sonst in jedem Jahre, die geistlichen Übungen der
französischen Oberinnen statt. Am 23. dieses Monats verließen sie in freudiger und
gehobener Stimmung das gastliche Mutterhaus, um mit neuem Mut auf ihre Posten
zurückzukehren. Kein Mensch dachte damals noch an die furchtbaren Dinge, die in so
kurzer Zeit über die Welt hereinbrechen sollten. Am 4. August sollten ihre deutschen
Mitschwestern zu den Exerzitien eintreffen. Aber die sich überstürzenden Ereignisse,
die Erklärung des Kriegszustandes am 31. Juli, die am 1. August verkündete
Mobilmachung, das gewaltige Auflodern des Kriegsbrandes, all diese die Völker
erschütternden und alle Gemüter aufwühlenden Geschehnisse fanden ihren Widerhall
auch in den Reihen der Genossenschaft. Das Wort "Krieg", das während eines fast ein
halbes Jahrhundert dauernden Friedenszustandes zwischen den Völkern Mitteleuropas
seinen Schrecken sozusagen verloren hatte, weil man es bloß aus den Schulbüchern
kannte, erfüllte mit einem Male die Gemüter mit namenloser Angst. Die zwei Völker,
deren Töchter sich im Mutterhause jahrzehntelang zu gottgefälliger, christlicher
Liebesarbeit zusammengefunden hatten, standen sich wieder feindlich gegenüber. Mit
Furcht und Zittern schauten die Insassen des Mutterhauses den kommenden
Ereignissen entgegen. Die Erinnerungen an die blutigen Augusttage von 1870, die sich
in unmittelbarer Nähe des ersten Mutterhauses in Niederbronn abgespielt hatten,
wurden lebendig. Werden die entzweiten Völker wiederum in diesem Landstrich
aufeinanderprallen? Tag und Nacht hörte man das dumpfe Rollen der Züge, die
Mannschaften und Material nach dem Westen schafften. Dann drang der
Geschützdonner der Schlacht bei Saarburg herüber. Ihr Ausgang ließ die anfänglich
gehegten Befürchtungen nicht eintreten. Auf einer weit rückwärts gelegenen Linie
spielte sich das blutige Schauspiel ab; Belgien, Nordfrankreich, das südliche Elsaß,
Täler und Kämme der Vogesen mußten die zerstörende Wucht der modernen
Kriegstechnik über sich ergehen lassen. Wie eine Insel des Friedens lag während der
endlos scheinenden Blutjahre das Mutterhaus da, und seine Bewohner konnten dem
Herrn danken für den gnädigen Schutz, den er ihnen zuteil werden ließ.
Aber bald begann es sich auf dieser Insel zu regen. Eine fieberhafte Tätigkeit
hob an, hier und überall, wo die Schwestern des Allerheiligsten Heilandes ihre
Niederlassungen hatten. Die für den 8. September 1914 angesetzte Einkleidung und
Profeß war des Krieges wegen auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Dafür trafen
am 9. September die ersten Verwundeten von der Westfront im Mutterhause ein, das
die Räume des Exerzitienhauses als Lazarett zur Verfügung gestellt hatte. Die Pflege
verwundeter und kranker Soldaten, das war nun das große Liebeswerk, welches die
Hauptkraft der Kongregation in Anspruch nahm. In Elsaß-Lothringen, Baden, Hessen,
Bayern stellte sie der deutschen Heeresverwaltung 19 ihrer Häuser zur Verfügung; in
diesen und in 114 anderen Lazaretten wirkten 664 Schwestern.
Die Schwestern auf der französischen Seite standen in opfervoller Liebestätigkeit
hinter ihren deutschen Mitschwestern nicht zurück: über 200 Schwestern verteilten sich
auf die Lazarette.
Der Verlauf der Kriegsereignisse hatte bewirkt, daß von den französischen
Niederlassungen mehrere in das deutsche Okkupationsgebiet fielen: Lille, La
Madaleine-lez-Lille, Roubaix, Rimogne (Ardennen), Witry-lès-Reims, Le Tuquet.
95
Umgekehrt kamen folgende elsässische Häuser in den Bereich der französischen
Besetzung: Dammerkirch, Hüsseren, Malmerspach, Moosch, Sentheim, Thann und
Weiler bei Thann.
Leider fielen auch manche Filialen teilweise oder ganz der Kriegsfurie zum Opfer.
Im südlichen Elsaß erlitten die Häuser in Sulz, Alt-Thann, das Waisenhaus in Thann
starke Beschädigungen; die Arbeiterküche in Gebweiler wurde ganz zerstört. Im
Dezember 1915 mußte das Haus in Altkirch geräumt werden; im Februar desselben
Jahres hatten die Schwestern des Spitals zu Hirsingen ihre Kranken ins Lothringische
und Luxemburgische flüchten müssen. Im Juni 1917 mußte das Mädchenheim in
Regisheim aufgegeben werden. Ganz zerstört wurde gleich zu Beginn des Krieges das
Haus in Saales.
Noch schlimmer erging es den nordfranzösischen Häusern. Im Dezember 1914
wurde das Greisenasyl in Pont-à-Mousson gänzlich durch Granaten zerstört und das
Waisenhaus daselbst, das 1915 verlassen werden mußte, stark mitgenommen, ebenso
die dritte Schwesternniederlassung in dieser Stadt. Unter dem harten Schicksal der
Stadt Reims litten auch die drei Schwesternhäuser: zwei davon, im Faubourg Cérès
und in der Rue Ponsardin, wurden ganz zertrümmert, das dritte, in der Rue Pontgivart
gelegen, erlitt starke Beschädigungen.
Am 6. November 1915 erhielt das Mutterhaus zu den Verwundeten, die es
beherbergte und pflegte, eine große Anzahl neuer Gäste: es kamen 68 Mädchen des
bedrohten Waisenhauses von Gebweiler, am 14. Januar 1916 folgten ihnen 51 Knaben
von ebenda. Die Kinder blieben bis zum 1. März 1919, so daß die Küche des
Mutterhauses während der ganzen Kriegszeit ohne die kranken Soldaten, die bis Herbst
1917 hier weilten, ca. 350 Menschen zu ernähren hatte. Doch sorgte Gott und die
aufopferungsvolle, rastlose Arbeit der Ökonomieschwestern dafür, daß niemand Mangel
litt.
Die Schlachtfront bildete eine unübersteigbare Mauer zwischen dem Mutterhaus
und seinen in Frankreich weilenden Töchtern. Glücklicherweise waren diese nicht ganz
verwaist. Schwester Séraphine, die Assistentin und Visitatorin der französischen
Häuser, weilte gerade bei Kriegsausbruch jenseits der Vogesen und konnte nicht mehr
zurückkehren. So vermochte sie die Leitung der französischen Schwestern in die Hand
zu nehmen und nach dem Rechten zu sehen, den Lazarettdienst zu regeln und den
ganzen Betrieb der Genossenschaft aufrechtzuerhalten. Das Schwesternhaus zu
Porrentruy in der neutralen Schweiz bildete den Verknüpfungspunkt mit der ehrw.
Mutter, so daß man auch im Mutterhause ziemlich auf dem laufenden blieb über die
Schicksale der Schwestern auf der anderen Seite der Front. Zweimal konnte hier die
Generaloberin mit Schwester Séraphine zusammentreffen, zweimal auch versuchte sie,
ihre Töchter in dem besetzten Nordfrankreich zu sehen und in ihrer Bedrängnis zu
trösten. Das erstemal gelangte sie nur bis Brüssel, das zweitemal bis Lüttich.
Die erste Profeß während der Kriegszeit erfolgte am 19. März 1915. Diese für
das Leben einer religiösen Genossenschaft so wichtige Feier wiederholte sich in den
weiteren Kriegsjahren mit der üblichen Regelmäßigkeit. Aber auch in dem durch die
Kriegsfront vom Mutterhause abgetrennten Gebiete vergaß man nicht, für den
Nachwuchs Sorge zu tragen. Schwester Séraphine errichtete im Frühling 1915 im
Schwesternhause zu Thaon (Vogesen) ein Postulat, und am 25. Oktober 1915 konnten
bereits einige Einkleidungen erfolgen. Die Neueingekleideten wurden sofort zur
Ausübung ihres Berufes an die Orte geschickt, wo man ihre Hilfe benötigte. Da der
Krieg kein Ende zu nehmen schien, mußte man an ein regelrechtes N o v i z i a t denken.
Ein solches wurde am 20. Juni 1918 kanonisch errichtet und in dem Schloß La
Vezoucière zu Bouère (Dep. La Mayenne) untergebracht. Im folgenden Jahre, am 16.
Juli, machten die hier ausgebildeten Novizinnen im Mutterhause zu Oberbronn Profeß.
96
Dieses befand sich nun, nach dem Ausgang des Weltkrieges, wieder auf
französischem Boden.
Zweites Kapitel.
Die Neuorganisation der Genossenschaft. Vier Provinzen.
Die neuen Statuten.
Wenn der Chronist einen Rückblick wirft auf die langen Kriegsjahre, so kann er
zunächst mit einem Gefühl dankbarer Freude feststellen, daß die Befürchtung, es
möchte durch das lange Fernbleiben so vieler Schwestern von den Orten ihrer
gewohnten Wirksamkeit, durch das freiere, ungebundene Leben in den Lazaretten,
durch den andauernden Verkehr mit andersdenkenden, ganz verschiedenen
Lebenskreisen angehörigen Menschen doch eine merkbare Lockerung der religiösen
Disziplin Platz ergriffen haben, nicht zutraf. Gott sei Dank, unsere Schwestern haben
sich, ganz verschwindende Ausnahmen abgerechnet, wacker und fest gehalten und
dem altbewährten Ruf der Genossenschaft alle Ehre gemacht. Kranke und Ärzte,
Weltdamen und Lazarettgeistliche aller Konfessionen waren einig in der rückhaltlosen
Anerkennung ihrer Opferwilligkeit, Selbstlosigkeit und musterhaften Lebensführung.
Auch eine andere Befürchtung, die man zu hegen berechtigt war und die sich
nach 1870 verwirklicht hatte, erwies sich als unzutreffend: nämlich die Sorge um den
Personalbestand. Zwar verminderte der lange Krieg, der die weiblichen Arbeitskräfte in
ihren Familien immer unentbehrlicher machte, die Zahl der Kandidatinnen. Auch riß die
aufreibende Tätigkeit in den Lazaretten und die Arbeitsüberbürdung der Schwestern in
ihrem heimatlichen Wirkungskreise, und zumal die Grippeepidemie von 1918, große
Lücken in die Reihen der Kongregation. Trotz dieser ungünstigen Faktoren war die
Gesamtzahl der Profeßschwestern, die sich am 1. Januar 1914 auf 2587 belief, am 31.
Dezember 1919 auf 2656 gestiegen.
Mit nicht geringer Sorge mußte man sich fragen: Welche Folgen wird der Krieg
auf eine Kongregation haben, deren Mitglieder zwei sich feindlich gegenüberstehenden
Nationen angehören? Welches wird die Stellung der auf deutschem Gebiet gelegenen
Niederlassungen zu dem nunmehr zu Frankreich gehörenden Mutterhaus sein, in dem
die Zentralleitung ihren Sitz hat? Werden die politischen Ereignisse für die während
siebzig Jahre hindurch erhaltene Einheit, die auch nach 1871, als das Mutterhaus mit
dem Elsaß an das Deutsche Reich kam, zum großen Segen der Genossenschaft
bestehen blieb, verhängnisvoll werden?
Die Vorsehung hat auch da alles zum Besten gelenkt.
Das neue politische Regime, das nach dem Waffenstillstand vom 11. November
1918 der deutschen Regierung im Elsaß folgte, beließ den Schwestern deutscher
Nationalität völlige Freiheit. Wer in sein altes Vaterland zurückkehren wollte, konnte im
Einverständnis mit der Kongregationsleitung es tun. Manche taten es; die meisten, die
sich im Elsaß eingelebt hatten, zogen es vor, an ihrem altgewohnten Wirkungsorte zu
verharren, und ihrem Verbleiben und Wirken wurden von den Behörden keine
Schwierigkeiten in den Weg gelegt.
Die politischen Veränderungen haben besonders die Lösung zweier für die
Kongregation lebenswichtiger Fragen beschleunigt, die schon vor dem Kriege
aufgeworfen worden waren: die R e v i s i o n i h r e r K o n s t i t u t i o n e n und eine
Neuorganisation durch E r r i c h t u n g v o n P r o v i n z e n . Die alten Konstitutionen
mußten mit den neueren kirchlichen Rechtsbestimmungen in Einklang gebracht
97
werden, und eine Gliederung in Provinzen wurde durch die große Ausdehnung der
Genossenschaft gefordert.
Beides war daher auch schon von den römischen Behörden, denen die
Kongregation, da sie auf Grund der Approbation vom Jahre 1866 päpstlichen Rechtes
ist, direkt untersteht, angeraten worden. Am 13. November 1912 hatte die Heilige
Kongregation für Ordensleute von Rom aus in ihrer Antwort auf den vom Mutterhause
eingesandten Triennalbericht den Wunsch ausgedrückt, daß man in den für die
endgültige päpstliche Approbation zu revidierenden Konstitutionen die Einteilung der
Genossenschaft in Provinzen vorsehen möge. Während einer Romreise im Herbst 1913
hatte der Superior des Mutterhauses dieserhalb mit den Konsultoren der Heiligen
Kongregation für Ordensleute Rücksprache genommen und die ersten Schritte
eingeleitet. Der Weltkrieg unterbrach das geplante Werk, und erst nach Friedensschluß
konnte es ernstlich in Angriff genommen werden.
Von großem Nutzen für die Förderung des diesbezüglichen Verhandlungen mit
den römischen Behörden war der Umstand, daß auf die Bitten der Generaloberin der
Heilige Vater im Oktober 1919 der Genossenschaft einen K a r d i n a l p r o t e k t o r in der
Person Sr. Eminenz des Herrn Kardinals Wilhelm van Rossum aus dem
Redemptoristenorden gab 168), der ihr in der schwierigen Zeitlage seine tatkräftige
Unterstützung zuteil werden ließ.
Am 10. Oktober 1919 begehrte die Generaloberin in Rom, daß man ihre
Genossenschaft in vier Provinzen einteilen möchte. Schon am 3. Dezember willfahrte
die Heilige Kongregation für Ordensleute diesem Ansuchen, so d a ß v o n d i e s e m
Zeitpunkt ab das Institut der Niederbronner Schwestern in vier
Provinzen gegliedert ist, und zwar in zwei französische und zwei
d e u t s c h e . Die erste französische Provinz umfaßt die Niederlassungen in den
Bistümern Straßburg und Metz, ferner die Häuser in Luxemburg und in der Schweiz.
Zur zweiten französischen Provinz gehören die Filialhäuser in den übrigen
französischen Diözesen und die belgischen Niederlassungen der Diözesen Brügge,
Lüttich und Mecheln. Die erste deutsche Provinz wird gebildet durch Bayern mit der
Rheinpfalz, die zweite durch Baden und Hessen.
Da in den bisherigen Konstitutionen Provinzen nicht vorgesehen waren,
genehmigte der Kardinalprotektor im Einverständnis mit der Heiligen Kongregation für
Ordensleute unterm 16. Januar 1920 für die Verwaltung dieser Provinzen ein
provisorisches Statut, das bis zur Approbation der neuen Konstitutionen Geltung haben
sollte. Dieses Statut hat folgenden Wortlaut:
1. Eine jede der vier Provinzen wird im Generalrat durch eine Assistentin
vertreten. Zu diesem Ende wird die jetzige Zahl der Generalassistentinnen von vier auf
sechs erhöht. Die zwei neuen Generalassistentinnen werden bei mündlich oder
schriftlich
abgegebener
Stimme
mit
Stimmenmehrheit
der
jetzigen
Generalassistentinnen durch die Generaloberin ernannt.
2. Mit Stimmenmehrheit ihres Rates bei geheimer Stimmabgabe ernennt die
Generaloberin
die
Provinzialoberinnen,
Provinzialassistentinnen
und
die
Provinzialökonomin. Alle werden aus der Provinz entnommen, zu der sie gehören.
3. Mit Stimmenmehrheit des Provinzialrates bei geheimer Stimmabgabe ernennt
die Provinzialoberin direkt die Lokaloberinnen derjenigen Häuser, welche weniger als
sechs Schwestern zählen. Die Generaloberin dagegen ernennt, nach
entgegengenommenem Gutachten ihres Rates und dem der Provinzialoberin, die
Lokaloberinnen der übrigen Häuser sowie die Novizenmeisterin.
Der Provinzialoberin steht es zu, die Kandidatinnen in das Postulat
aufzunehmen. Die Postulantinnen zur Einkleidung und die Profeßschwestern zur
98
Erneuerung der zeitlichen Gelübde zuzulassen. Die Zulassung der Novizinnen zur
ersten Profeß sowie der Profeßschwestern zur Ablegung der ewigen Gelübde ist der
Generaloberin vorbehalten.
Die Provinzialoberin darf ohne die ausdrückliche Erlaubnis der Generaloberin
nichts Wichtiges vornehmen, als da wäre: ein neues Werk, Verkauf- oder Kaufakt, neue
Gründung, Veräußerung.
4. Bezüglich aller übrigen Einzelheiten hat man sich an das gewöhnliche Recht
zu halten, bis die definitiven Konstitutionen durch den Heiligen Stuhl approbiert sind.
Auf Grund dieses Statuts wurden zu Provinzialoberinnen ernannt: für die erste
französische Provinz, mit dem Sitz in Oberbronn, Schwester Isidore Schultz, zuletzt
Oberin in Porrentruy; für die zweite französische Provinz, mit der Niederlassung in
Avenay (Marne) als Provinzialhaus, Schwester Vincent de Paul Paronelli, bisher
Vorsteherin des Hauses in Brüssel; für Baden und Hessen, mit dem Provinzialhaus zu
Bühl in Baden, Schwester Gaudentia Knörzer, zuletzt Oberin der Niederlassung in der
Großmerzelstraße zu Mannheim, und für die bayrische Provinz, mit dem Provinzialhaus
zu Neumarkt in der Oberpfalz, Schwester Urbicia Bogensperger, bisher Oberin im
Vinzentinum zu München.



Im Zusammenhang mit der Errichtung von Provinzen und mit Rücksicht auf die
neue Grenze zwischen Deutschland und Frankreich mußte auch die Frage der
G r ü n d u n g n e u e r N o v i z i a t s h ä u s e r gelöst werden. Das Noviziat im Mutterhaus
zu Oberbronn, in welchem bisher alle Kandidatinnen ohne Ausnahme auf das
Ordensleben verbereitet wurden, konnte ohne weiteres als das für die beiden
französischen Provinzen gemeinsame Noviziat weiterbestehen. Für die beiden
deutschen Provinzen wurden, wie es unter den obwaltenden Verhältnissen am
zweckmäßigsten war, zwei getrennte Noviziate errichtet.
Die Kandidatinnen aus Baden und Hessen wurden zunächst im alten
Vinzentiushaus zu Karlsruhe untergebracht. Hier begannen sie im März 1919 ihr
Postulat und erhielten hier auch am 8. September das Ordenskleid. Unterdessen war
die Errichtung eines Noviziats im neuerworbenen P r o v i n z i a l h a u s " M a r i a h i l f " z u
B ü h l in Baden ins Auge gefaßt worden. Am 1. August 1919 erteilte hierzu das
erzbischöfliche Ordinariat in Freiburg die Genehmigung, und am 17. Oktober desselben
Jahres erfolgte von Rom aus nachträglich die kanonische Errichtung dieses Noviziats,
nachdem die ersten Novizen und die neuen Postulantinnen am 15. September von
Karlsruhe dahin übergesiedelt waren. Die erste Einkleidungsfeier im Bühler
Noviziatshause fand alsdann am 19. März 1920, die erste Profeß am 16. September
1920 statt.
Für die bayrische Provinz dachte man zunächst daran, das Noviziat im HerzJesu-Kloster in München unterzubringen, da dieses das einzige der Kongregation gehörige Haus in Bayern war, welches hinreichende Räumlichkeiten bot. Aber der
Erzbischof von München, Exzellenz Dr. v. Faulhaber, trug lange wegen der unruhigen
politischen Zeitläufe Bedenken, der Errichtung eines Provinzialhauses und Noviziates in
München zuzustimmen. Doch gestattete er im Januar 1920 die provisorische Errichtung
eines solchen für zwei Jahre, und im Februar erfolgte die kanonische Errichtung seitens
der römischen Behörden. So konnte daselbst am 19. März 1920 die erste feierliche
Einkleidung stattfinden.
Von all diesen Maßnahmen des Heiligen Stuhles betreffs der Neuorganisation
der Genossenschaft machte die Generaloberin am 1. März 1920 sämtlichen deutschen
Oberhirten, in deren Sprengel die Schwestern sich niedergelassen, offizielle Mitteilung.
99
Für das Provisorium in München konnte schon bald darauf eine glückliche
endgültige Lösung gefunden werden. Im Sommer 1920 gelang es nämlich der
Provinzialoberin, ein zum Provinzial- und Noviziatshaus sehr geeignetes Anwesen, das
Kurhaus Wildbad zu N e u m a r k t im fränkischen Jura, zu erwerben. Auf die Bitte der
Generaloberin genehmigte am 24. Juli 1920 die Heilige Kongregation für Ordensleute
die Verlegung des Noviziats von München nach Neumarkt und beauftragte den hochw.
Herrn Bischof von Eichstätt, Dr. Leo v. Mergel O.S.B., mit der Ausführung dieses
Reskripts. In einem gnädigen Schreiben benachrichtigte dieser Kirchenfürst unterm 28.
August die ehrw. Mutter, daß mit dem 29. August 1920 das Noviziat in München
aufgehört habe zu existieren und mit demselben Tage in Neumarkt kanonisch errichtet
sei, und versicherte: "Ich zweifle nicht, daß aus der neuen Stätte größter Segen
hervorgehen wird, auch für das leibliche Wohl der Novizinnen."
Gleichzeitig mit diesen Bemühungen um die Neuorganisation der Kongregation,
die Errichtung der Provinzen und der neuen Noviziate hatte es sich die Zentralleitung
angelegen sein lassen, die Revision und endgültige Approbation der Konstitutionen
vorzubereiten. Zu wiederholten Malen wurden dieserhalb die Konsultoren der Heiligen
Kongregation für Ordensleute, P. Steiger S.J. und P. Sordet C.SS.R., zu Rate gezogen,
und dank ihrer hingebungsvollen Mitarbeit konnte gegen Ende des Jahres 1920 der
Entwurf der neuen Konstitutionen fertiggestellt werden. Da die Zeitverhältnisse ein
Generalkapitel in der von den alten Statuten vorgeschriebenen Zusammensetzung noch
immer unmöglich machten, mußte sich nach den Weisungen des Heiligen Stuhles der
Generalrat damit begnügen, diesen Entwurf mit den Im Januar 1921 zu Oberbronn
versammelten vier Provinzialoberinnen und deren Assistentinnen durchzuberaten. Der
hierbei festgesetzte Text der neuen Konstitutionen wurde alsdann an die römischen
Behörden eingesandt.
Der Personalstand der Genossenschaft belief sich im Januar 1921 auf 2721
Profeßschwestern und 172 Novizinnen.
100
Zweites Buch:
Bilder aus dem Leben und Wirken
der Genossenschaft.
Erstes Kapitel.
Auf Schlachtfeldern und in Lazaretten.
1. Im Krimkriege.
Die skandinavische Schriftstellerin Helene Nyblom schrieb im Jahre 1903: "Als
die englische Miß Nightingale im Krimkrieg mit ihrem vielen Gelde und ihrem guten
Herzen zur Armee reiste, um den Verwundeten zu helfen, gewann sie die Sympathie
der ganzen Welt. Teils war ihre Aufopferung so schön, und teils war es so etwas
Ungewöhnliches, daß so etwas von einer protestantischen Dame ausgeführt wurde. Zu
gleicher Zeit, da Miß Nightingale in der Krim war, schickte Frankreich eine Schar
Vinzenzschwestern nach der andern hinüber. Davon stand nichts in den Zeitungen. Es
war ja jahrhundertelang etwas Gewöhnliches, daß diese Schwestern sich opferten. Sie
hatten auch kein eigenes Vermögen, keinen Namen. Sie sind jede für sich eine
Nummer in der Barmherzigkeitsarmee." 169)
Diese etwas bitteren Worte sind nicht ganz ohne Berechtigung, wenn man an die
überschwenglichen Lobeserhebungen denkt, mit der damals und bis in die neueste Zeit
hinein die zweifellos hochverdiente und tapfere Engländerin, die Begründerin des
englischen Krankenpflegewesens, überschüttet wurde, während man vergebens nach
einer bescheidenen Anerkennung der Dienste der katholischen Krankenschwestern in
der Literatur über den Krimkrieg sucht. Der im Jahre 1854 zwischen Rußland und der
von England und Frankreich unterstützen Türkei ausgebrochene sog. Krimkrieg ist für
die Geschichte der Kriegskrankenpflege deshalb von besonderem Interesse, weil hier
schon vor der Genfer Konvention von den Franzosen zum erstenmal der Versuch
gemacht wurde, weibliche Hilfskräfte in ausgedehnterem Maße als bisher 170) in den
Ambulanzen des Kriegsschauplatzes zu verwenden. Während die Engländer anfangs
für ihre Truppen nicht die geringste hygienische Vorsorge getroffen hatten 171), gewann
die französische Heeresverwaltung eine Anzahl Ordensschwestern für die
Feldlazarette. Bis Ende November befanden sich in der Krim im französischen Lager 62
Pflegerinnen aus religiösen Genossenschaften 172).
Die französische Regierung hatte von der jungen Niederbronner Genossenschaft
zehn Schwestern für den so weit entfernten Kriegsschauplatz begehrt. So viel konnte
das von allen Seiten in Anspruch genommene Mutterhaus zwar nicht abgeben,
immerhin schickte Mutter Alphons fünf mutige, zu jedem Opfer bereite Schwestern mit
der französischen Expedition. Unter ihnen befand sich die spätere Darmstädter Oberin
Schwester Bonaventura, die nachher ihren Mitschwestern oft von den ausgestandenen
Leiden und Entbehrungen erzählte. Eine Organisation des Sanitätsdienstes im
neuzeitlichen Sinne war natürlich nicht vorhanden; wegen der zu rasch erfolgten
Kriegsausrüstung fehlte es am Nötigsten. Die Belagerung von Sebastopol während
einer heftigen Kälteperiode vermehrte die Zahl der Kranken. Dazu wütete die Cholera in
schrecklicher Weise unter den Truppen. Teilnehmerin war auch die im Jahre 1885 als
101
Oberin zu Speyer verstorbene treffliche Schwester Lucia. Von ihr meldet der
unbekannte Verfasser ihres schönen Lebensbildes 173): "Mit andern Schwestern ihrer
Kongregation folgte sie der französischen Armee vor Sebastopol zur Pfleger der
verwundeten Soldaten. Nur selten und höchst ungern konnten ihr über das dort Erlebte
einige Worte entlockt werden. Die Szenen traten zu grauenhaft vor ihre Seele. Sie
selbst half verwundete und verstümmelte Soldaten mitten aus dem Kugelregen in die
Lazarette tragen. Unter den dort Verwundeten und von ihr Gepflegten befand sich auch
ihr eigener Bruder."
2. Im italienisch-österreichischen Kriege von 1859.
In diesem für Österreich so unglücklich verlaufenen Kriege war es die Filiale zu
Wien, welche auf Verlangen des Kriegsministeriums eine Anzahl Schwestern mit dem
österreichischen Heere nach der Lombardei sandte 174). Unter ihnen befand sich
nachweislich Schwester Maria Bona, die auch im Kriege von 1870/71 in bayrischen
Feldlazaretten tätig war und im Jahre 1880 (30. März) im Militärlazarett zu Straßburg
verstarb und unter militärischen Ehren bestattet wurde. Desgleichen gingen von
Niederbronn aus mit der französischen Armee mehrere Pflegerinnen, unter denen sich
wiederum die erprobte und mutige Schwester Bonaventura befand.
3. Der deutsch-dänische Feldzug von 1864.
Bei Ausbruch der schleswig-holsteinischen Kriegswirren forderte der Kardinal
Rauscher, der die Wiener Niederlassung der Niederbronner Schwestern von Anfang so
sehr begünstigte und der Kongregation in der Wiener Erzdiözese eine schnelle
Verbreitung wünschte, die Oberin des Wiener Hauses, Schwester Theophil, auf, dem
Kaiser direkt eine Anzahl von Schwestern zur Verwundetenpflege anzubieten 175). Der
Kardinal stellte es als gewiß hin, daß man am kaiserlichen Hof wenigstens 20
Schwestern begehren würde; tatsächlich verlangte ein kaiserlicher Adjutant diese Zahl.
Da aber die Wiener Filiale so viele Schwestern allein nicht stellen konnte, mußte das
Mutterhaus Schwestern aus andern deutschen Häusern aussuchen, die der mühseligen
Aufgabe der Etappenlazarettpflege gewachsen waren. Das nahm einige Zeit in
Anspruch. Am 15. Februar hatte die Wiener Oberin Schwester Theophil die Hilfe ihrer
Kongregation angeboten. Da sich aber bereits zahlreiche andere religiöse
Genossenschaften gemeldet hatten 176), nahm das Kriegsministerium das Anerbieten
zwar dankbar an, behielt sich aber vor, "erst im Falle weiterer Notwendigkeit von dem
Angebot tatsächlichen Gebrauch zu machen und zählt für diesen Fall auf die opfervolle
Bereitwilligkeit" der Kongregation. Mittlerweile waren von Karlsruhe die Schwestern Afra
und Gunthilde, von Heidelberg Schwester Godberta, von Darmstadt Schwester
Eustachia und Adolpha in Wien eingetroffen. Wenn diese und andere Schwestern des
Wiener Hauses auch nicht mehr dem Heere nach Schleswig folgen konnten, so fanden
sie doch in den Schlössern der Fürsten Auersperg und Kinsky, die man zu Lazaretten
eingerichtet hatte, auf Monate hinaus reichliche Beschäftigung. Der Feldzug war so
schnell beendigt, daß das Kriegsministerium weitere Pflegerinnen im Felde nicht mehr
zu begehren brauchte. Es waren übrigens, wie Schwester Theophil am 5. März nach
Niederbronn berichtete, vom böhmischen, österreichischen und ungarischen Hochadel
soviele Lazarette eingerichtet worden, daß man sich förmlich um die Verwundeten riß.
102
Zwei Jahre später, als der deutsche Bruderkrieg entbrannte, sollten die
Schwestern reichlichere Gelegenheit zur Betätigung ihres Pflegedienstes erhalten.
4. Der Krieg von 1866.
Nur die Nachrichten über die Tätigkeit von Schwestern hessischer und
bayrischer Häuser in diesem Kriege liegen vor, da das Wiener Haus sich kurz vor
Ausbruch des Krieges vom Mutterhause getrennt hatte.
Am 2. Juli 1866 stellte das Ordinariat der Erzdiözese München-Freising im
Auftrag der Stadtkommandantschaft von München an die Generaloberin zu
Niederbronn die Anfrage, ob und unter welchen Bedingungen sie geneigt wäre, für die
Feld- und Landspitäler Pflegepersonal zu stellen. Umgehend (6. Juli) erklärte sich
Schwester Alphons bereit, für die Lazarette Münchens 14 Schwestern, die sofort
abreisten, zur Verfügung zu stellen. "Sollte aber diese Zahl nicht hinreichen, so bitte ich
um baldigen Bericht, dann werde ich all mein Möglichstes tun und diese Zahl
vergrößern. Gemäß unsern Statuten haben wir für die Ausübung all dieser Werke der
Barmherzigkeit keine andern Bedingungen zu stellen als die Vergütung der Reisekosten
der Schwestern und den Unterhalt einer stärkenden Nahrung in solcher Anstrengung."
Diese Schwestern wirkten unermüdlich in den Lazaretten, die man in ihrem Haus
zu München, dem sog. Vinzentinum, sowie in Holzbaracken und in den
Nachbarhäusern untergebracht hatte. Die Königinmutter, welche die Kranken besuchte,
sprach den Schwestern in warmen Worten ihre vollste Anerkennung aus.
Die hier gepflegten Verwundeten kamen alle aus den blutigen Gefechten bei
Kissingen (10. Juli) und Aschaffenburg (14. Juli). Am Tag nach dieser Schlacht
begehrte Graf Görz, Angehöriger des Johanniterordens, telegraphisch bei der Oberin
des Darmstädter Hauses, Schwester Bonaventura, einige Schwestern. Sofort leistete
die ebenso energische als umsichtige Oberin dem Rufe Folge und machte sich mit den
Schwestern Marceana, Franka, Eulalia, Cypriana auf die Reise. Als sie in Dieburg
anlangten, war die weitere Bahnverbindung gesperrt. Die freiwillige Sanitätskolonne von
Dieburg requirierte sofort einen Wagen, mit dem die Schwestern dem Schlachtfelde
zueilten. In Stockstadt aber wurden sie von einem preußischen Offizier als
"Kriegsgefangene" erklärt, falls sie nicht umkehrten. Mit dem Hinweis auf das
Telegramm des Grafen Görz weigerte Schwester Bonaventura sich entschieden,
umzukehren. Sofort umgaben den Wagen 6 Mann mit geladenem Gewehr und
eskortierten die Schwestern nach Aschaffenburg, wo sie im Lauf des Nachmittags
ankamen und drei Stunden auf dem Stiftsplatz unter militärischer Bewachung warteten,
bis Graf Görz sie aus der mißlichen Lage befreite. Die Schwestern wurden dann in das
Militärlazarett und in die Forstakademie geführt, wo die ersten Verwundetentransporte
ankamen. Sofort ging es an die traurige Arbeit; bis am nächsten Morgen waren 300
Mann mit Hilfe der Sanitätskolonne von Schmutz gereinigt und verbunden. 150 Mann,
die leichtere Verwundungen hatten, wurden in die Kaserne übergeführt, während 150
Schwerverwundete bis Mitte September in der Pflege der Schwestern im Militärlazarett
blieben. Nachträglich war auch noch die junge Schwester Leonie in Aschaffenburg
angelangt. Ein Teil der Verwundeten des hiesigen Lazaretts kam nach Darmstadt in das
ebenfalls von Niederbronner Schwestern geleitete Barackenlazarett, der andere Teil
wurde nach Fürstenau gebracht, wo die Schwestern Gorgonia und Cypriana bis Ende
September weiter pflegten.
Im eigenen Hause in Darmstadt hatten die Schwestern ebenfalls ein Lazarett
eingerichtet, in dem an 60 Verwundete, meistens österreichische Italiener, liebevolle
Aufnahme fanden. Auch in der städtischen Turnhalle und im großherzoglichen Palais
pflegten die Töchter von Niederbronn. Viele wurden auch an andere Orte gerufen, so
103
nach Lohr, Rothenfels, Neubrunn, Babenhausen, Fehlheim, wo nicht bloß Verwundete,
sondern auch an ansteckenden Krankheiten daniederliegende Soldaten, meist
cholerakranke, der Pflege bedurften. Zwei Schwestern waren im Schlosse zu Erbach
tätig.
Durch unermüdliche, rastlose Aufopferung zeichnete sich Schwester
Bonaventura aus. Die äußere Anerkennung von höchster Seite ließ nicht lange auf sich
warten. Am 10. Februar wurde ihr durch den österreichischen Gesandten in Darmstadt,
Graf Honosz, das goldene Verdienstkreuz mit der Krone mit beifolgendem Schreiben
überreicht:
"Hochw. Frau Oberin! Die aufopfernde Fürsorge, welche die verwundeten k. k.
Soldaten in dem Kloster, dessen Oberin Sie sind, gefunden, hat Seiner K. K.
Apostolischen Majestät volle Würdigung erhalten. Der Gedanke, daß den
österreichischen Kriegern in ihren schweren Leiden die sorgsamstem Pflegerinnen zur
Seite standen, die mit echt christlicher Liebe unablässig bemüht waren zu lindern und
zu trösten, hat Sein väterliches Herz mit aufrichtiger Dankbarkeit für Sie und die übrigen
Angehörigen des Klosters erfüllt. Indem ich daher beauftragt wurde, Ihnen als ein
Zeichen Allerhöchster Anerkennung das goldene Verdienstkreuz mit der Krone zu
überreichen, habe ich gleichzeitig die Bitte an Sie zu richten, den Schwestern Gorgonia,
Cypriana, Amalia, Lindana und Tyba den wärmsten Dank Sr. Majestät des Kaisers
ausdrücken zu wollen."
5. Der Deutsch-Französische Krieg von 1870 – 1871.
a)
Im Felde.
Von Anbeginn dieses folgenschweren Krieges an hat die Niederbronner
Genossenschaft auf seiten beider Kriegführenden all ihre Kraft eingesetzt zur Linderung
des großen Elends, in Feldspitälern hinter der Schlachtfront sowohl als in den im
ganzen Land zerstreuten Lazaretten.
Betrachten wir zunächst ihre Beteiligung an der Verwundetenpflege in
unmittelbarer Nähe der Schlachtfelder.
Gleich nach der Schlacht bei Weißenburg pflegten mehrere Niederbronner
Schwestern in einer zu Sulz unterm Wald - dem Hauptquartier des preußischen
Kronprinzen - errichteten Feldbaracke. Die in Weißenburg selbst stationierten
Schwestern halfen die Verwundeten auf dem Schlachtfelde sammeln und verbinden.
Was die Genossenschaft nach der Schlacht bei Wörth an den Verwundeten tat,
haben wir in der Geschichte des Mutterhauses eingehend gewürdigt.
Am 29. Juli 1870 folgten auf Wunsch des bayrischen Kriegsministeriums acht
Schwestern dem bayrischen Hauptfeldspital V 177) als Krankenpflegerinnen. Zuerst trat
dieses Spital in der badischen Stadt Bretten vom 31. Juli bis zum 28. August in
Tätigkeit; die hier verpflegten Verwundeten waren meist kriegsgefangene Turkos aus
der Schlacht bei Wörth. Am 28. August rückte das Feldspital der Armee ins feindliche
Land nach und machte zunächst in Niederbronn Halt, wo es sich im Kurhaus
einrichtete. Die von München aus mitgekommenen Schwestern waren Schwester
Tibba, Ludovica, Dalmatie, Gervasia, Castelle, Joel und Claudiana. Ihnen war die
bereits in den vorausgegangenen Feldzügen erprobte Schwester Bonaventura als
Oberin vorgesetzt worden. Von Niederbronn aus kehrten die Schwestern Joel und
Claudiana nach München zurück, sie wurden durch die Schwestern Eugène und
Amarine ersetzt.
104
Am 23. September brach das Etappenlazarett von Niederbronn auf, um langsam
dem Heere zu folgen. Am 3. Oktober 178) kam es zu Coulommiers unweit Paris an, vor
dem sich das deutsche Belagerungsheer zusammengezogen hatte. "Kaum war das
Spital aufgeschlagen", so erzählt Schwester Gervasia, "so kam Befehl, schnell
abzubrechen, da das Spital abgefangen werden könne. Wir reisten auf Wägen weiter,
kamen in einen Wald und fanden den Weg nicht mehr heraus; da wurde ein Förster mit
Gewalt aus seinem Haus geholt und mußte uns den Weg zeigen, bis wir den Wald
verlassen hatten." Am 8. Oktober kamen sie in Corbeil a. d. Seine an. Eine Reihe von
ihren Bewohnern verlassener Schlösser wurde nun zu Lazaretten eingerichtet, in die
sich die Schwestern verteilten. Aus dem Mutterhaus wurden noch andere Schwestern
nachgeschickt, da die vorhandenen Kräfte nicht ausreichten. So finden wir in weit
auseinanderliegenden Etappenlazaretten die Töchter von Niederbronn an der Arbeit,
der sie sich unter großen Entbehrungen und Strapazen unterziehen. Mit den Truppen
teilen sie die trostlosen Tage der Belagerungsarmee vor der französischen Hauptstadt.
Mehr als eine wurde krank. Schwester Amarine starb als Opfer ihres Berufes den
Heldentod. Sie war, als sie das Mutterhaus verließ, kaum von einer schweren
Blatternkrankheit genesen. Da warf sie, am Sylvestertag 1870, ein böser Typhus im
Etappenlazarett zu Soisy (nördlich Paris) aufs Krankenlager, das sie nicht mehr
verlassen sollte. Der Stabsarzt hoffte, sie retten zu können. Noch am 12. Januar schrieb
Schwester Bonaventura von Soisy aus der ehrw. Mutter, daß man vorläufig noch
beruhigt sein könne, und daß sie in guter Pflege sei. "Sie macht mir", schreibt
Schwester Bonaventura, "den Eindruck einer reinen Seele, die der liebe Gott zu sich
nehmen will. Sogar der Arzt sagte, das ist eine unschuldige Seele. Sie selbst ist ruhig
und gottergeben." Sie hatte die heiligen Sterbesakramente mit solcher Andacht
empfangen, daß der Stabsarzt zu Tränen gerührt war. Sie durfte die Heimat nicht
wiedersehen. Am 19. Januar ist sie still verschieden. Unter militärischen Ehren fand sie
ihre letzte Ruhe auf der Soldatengrabstätte zu Soisy, inmitten der tapfern Krieger,
denen sie die letzten Lebensstunden versüßt hatte.
Es waren schwere Tage für die Schwestern im Feldlager vor Paris. Mit
beweglichen Worten schrieb Schwester Bonaventura nach dem Mutterhaus 179):
"Ich bitte dringend, uns zwei Schwestern zu schicken, damit wir nicht alle
erliegen. Die Beschießung von Paris geht Tag und Nacht fort und so heftig, daß unsere
Betten von der Erschütterung sich von der Wand entfernen. Grimmig ist die Kälte. Ach,
der Kranken sind so viele, ich komme vom Sterbenden zum andern zum Verbinden;
jener wird eben mit den heiligen Sterbesakramenten versehen, und so geht es fort und
fort.... O beten, beten Sie für uns; noch haben wir Mut, aber wird die Kraft reichen? Es
ist die große Barmherzigkeit Gottes, daß wir uns so opfern können, lauter Gnade. Wird
auch für uns die Erlösung schlagen? Ja, wir hoffen und vertrauen auf Gottes mächtigen
Beistand; ich bin nicht undankbar gegen den lieben Gott. Nie, nie hätte ich geglaubt,
daß ich nach so vielen Leiden, noch bei solchen Strapazen, Mut und Kraft hätte. Beten
Sie für uns alle, daß alles zur größeren Ehre Gottes und zum Heile der Seelen
gereichen möge; ob wir leben oder sterben, wenn wir nur in der Gnade Gottes und
unseres heiligen Berufes sind." Sie teilt mit, daß die Schwestern auf einzelne Schlösser
zur Pflege verteilt sind und bittet am 12. Januar dringend um warme Unterkleider und
Strümpfe für die Schwestern wegen der großen Kälte; die Schwestern hätten alles an
die Soldaten verteilt. Sie verlangt auch für das Lazarett von Ferrières weitere
Schwestern und meldet wiederum: "Schrecklich schießt es vor Paris; gestern war, wie
ich hörte, wieder ein Ausfall. Die armen Leute sind hier in einer wahren Verzweiflung;
gestern hörte ich, wie sie vor Verzweiflung Gott lästerten. Eine Frau sagte: Gott w a r ,
aber er ist nicht mehr! Mir schauderte; auch uns bangt sehr. Gestern war ein höherer
Offizier hier, der sagte, er hoffe, daß wir in 4-6 Wochen heimkämen. Gott gebe es!"
105
So kam es auch. Am 9. März erhielt Schwester Bonaventura mit ihren sechs
zuletzt dem bayrischen Hauptfeldspital Nr. V zu Soisy und Etiolles zugeteilten
Schwestern die Erlaubnis zur Heimfahrt. In dem von Hauptmann Keber ausgestellten
Fahrtausweis ist hervorgehoben, daß die Schwestern während des ganzen Feldzuges
ihre Pflicht mit der größten, uneigennützlichsten Aufopferung und treuester Hingebung
erfüllt haben. Den Schwestern, welche im 12., zum II. bayrischen Armeekorps
gehörenden Aufnahmefeldspital zu Ferrières-le-Buisson (südlich von Paris) tätig waren
- es waren die Schwestern Neomisia, Ursule, Michäa und Veridiana -, spendet der
Hauptmann Bernhold in einem Bericht (9. März 1871) an die Generaloberin folgendes
Lob:
"Das diesseitige Aufnahmefeldspital hätte ohne die aufopfernde, liebevolle,
hingebende, engelgleiche Pflege der verehrten Schwestern nicht die trefflichen
Resultate leisten können, welche es wirklich geleistet hat. Infolge dieser wahrhaft
musterhaften, edlen Hingabe für die Kranken, infolge der trotz vieler ansteckenden
Krankheiten unerschrockenen, aufmerksamen Pflege bei Tag wie bei Nacht sah sich
das unterzeichnete Kommando verpflichtet, sämtliche Schwestern wegen
hervorragender, ausgezeichneter Leistungen durch das königliche bayrische II.
Armeekorpskommando zum Militärverdienstkreuze in Vorschlag zu bringen."



Als der großherzoglich hessische Oberrechnungsrat Backé im September 1870
mit einem Sanitätszug des Roten Kreuzes nach den Schlachtfeldern von Gravelotte
fuhr, nahm er einige unserer Schwestern mit: Schwester Ludan aus Seligenstadt,
Schwester Amelie, Vitalina und Siegbert aus Darmstadt. Sie suchten die Verwundeten,
die hinter die Front getragen wurden, auf den Verbandplätzen auf. Bei Vionville gerieten
sie fast in das feindliche Feuer. Sie übten unerschrocken ihr Liebeswerk aus bei den
Gefechten von St. Privat, Mars-la-Tour, Pont-à-Mousson. Sie blieben sodann längere
Zeit in den dortigen Feldlazaretten zurück.
Nach der Schlacht bei Orleans (2.-4. Dezember) waren von der bayrischen
Heeresleitung sofort einige weitere Schwestern von München nach Orleans bestellt
worden, um die zahlreichen verwundeten Krieger auf der Fahrt zur Heimat zu begleiten.
Sie fuhren mit einem Lazarettzug nach der von bayrischen Truppen besetzten Stadt,
suchten die in Privathäusern notdürftig untergebrachten Soldaten auf und halfen ihre
Überführung zum Bahnhof überwachen. Sie begleiteten den Zug auf der Fahrt nach
Sachsen, wo die Verletzten in der Nähe der Stadt Dresden in Krankenhäusern
untergebracht wurden. Dann kehrten die Schwestern, unter denen sich Schwester
Lucienne und Bona befanden, nach München in die dortigen Lazarette zurück.
Auch bei den Kämpfen vor Belfort zeichneten sich unsere Schwestern durch Mut
und Unerschrockenheit aus. In Altkirch pflegten Schwester Attala und Eleonore in der
neuen Fruchthalle, während die aus dem nahen Hirsingen herbeigeholte Schwester
Lazarus in der alten Fruchthalle 75 Verwundete betreute. Aber die tapfern Pflegerinnen
begnügten sich nicht mit der Pflege unter dem sichern Dache. Hören wir, was
Schwester Lazarus später gerne darüber erzählte; ihre einfachen Worte sind beredt
genug:
"Die Deutschen wollten die Höhen gegen Belfort zu stürmen. Aber der Feind hat
sie, wenn sie fast oben waren, stets heruntergeschossen. Viele stürzten auch ins
Wasser, das unten am Berg vorbeifloß. Da kamen die Schwestern und zogen sie
heraus und ließen sie durch die Sanitäter auf einem Karren, auf den man 6-7 Mann
legen konnte, nach Altkirch in die Fruchthalle führen. Hier behielt man sie so lange, bis
man sie weitertransportieren konnte. Sobald ein Gefecht anfing, gingen die Schwestern
106
in Begleitung der Sanitäter hinaus und suchten die Verwundeten auch auf dem offenen
Felde. Bei manchem gingen sie vorbei und glaubten, er sei tot. Die riefen dann:
Schwester, Schwester, nehmen Sie mich auch mit. Dann luden sie sie auf, manche von
ihnen sind bald gestorben. Unter ihnen waren auch mehrere Offiziere, die schon länger
ihre österlichen Pflichten nicht mehr erfüllt hatten. Die haben mit großer Andacht die
heiligen Sakramente empfangen und sind gut gestorben."
Unerschrocken und heldenmütig versahen die Schwestern der Niederlassung zu
Belfort selbst ihr mühseliges, hartes Amt während der bösen Tage der Belagerung
durch die deutschen Zernierungstruppen. Vier von ihnen, die Schwestern Huna, Achille,
Benigne, André, erhielten für ihren Opfermut von der französischen Gesellschaft für
Verwundete ein Bronzekreuz mit schriftlicher Belobigung. Schwester André war, als sie
Suppe unter die Armen verteilte, von einer platzenden Granate verwundet worden. Eine
andere Schwester fiel bei der Pflege typhuskranker Soldaten der Seuche zum Opfer.
Ehrende Auszeichnungen wurden auch den Schwestern Begga und Joachim für
treues Aushalten im Militärlazarett zu Straßburg zuteil. Als während der schrecklichen
Belagerung dieser Festung die Blattern ausbrachen, berief die Militärverwaltung einige
Schwestern der Straßburger Filiale zur Pflege der Verwundeten und Blatternkranken.
Die ersten Schwestern waren Schwester Adolphe, Adria, Michel, Felicie und Marine.
Später vermehrte sich ihre Zahl, und sie erwarben sich durch ihre rastlose Aufopferung
auch die Anerkennung der deutschen Verwaltung, so daß nach dem Kriege die
Krankenpflege in diesem großen Hospitale der Niederbronner Genossenschaft
anvertraut blieb bis zum Ende des Weltkrieges.
b) In andern Reservelazaretten im Elsaß
und im Innern Frankreichs.
In Mühlhausen, der weitbekannten oberelsässischen Industriestadt, bildete sich
bei Kriegsausbruch sogleich ein Komitee von Ärzten und vornehmen Damen beider
Konfessionen, um die Verwundetenpflege zu organisieren. In dieses Komitee wurde
auch Schwester Damien, damals Oberin der in der Burggasse gelegenen Mühlhauser
Niederlassung der Kongregation, aufgenommen. Man stand einer völlig neuen Aufgabe
gegenüber, die viel Kopfzerbrechen verursachte. Um so froher waren die Mitglieder
über die praktischen Angaben, welche Schwester Medula aus ihren während des
deutsch-österreichischen Krieges in der Verwundetenpflege gewonnenen Erfahrungen
machen konnte. Nach ihren Vorschlägen wurden drei Lazarette eingerichtet und mit
lauter neuen Betten versehen. Eines befand sich in einem Vereinsgebäude der GayLussac-Straße, das zweite war in einem Schulhaus in der Köchlinstraße, das dritte in
der Stationsstraße in der alten Gendarmerie untergebracht. Als Ende September die
ersten Verwundeten kamen, wurden die Schwestern aus der Burggasse in diese drei
Lazarette geschickt. Von den 25 Schwestern dieses Hauses blieben nur vier daheim,
um die 80 Waisenkinder zu ernähren und zu überwachen. Die rührige Oberin
überwachte die Pflege in den Kriegsspitälern, stand den Schwestern mit Rat und Tat
bei, tröstete und ermutigte die Schwerverletzten, erschien überall, wo Leid und Kummer
besonders groß waren. Wenn aus dem Belforter Operationsgebiet Züge voll
Verwundeter und Gefangener ankamen, war sie mit einigen Schwestern und
hilfsbereiten Damen stets am Bahnhof zu finden, verteilte Speisen und Erfrischungen,
half gelockerte Verbände in Ordnung bringen, sprach den durch Kampf und
Entbehrungen heruntergekommenen Gefangenen, die nach Deutschland überführt
wurden, gütige und lindernde Worte zu. Der Krieg stürzte die Mühlhauser Filiale, die
ohnehin stets mit Not und Sorge zu kämpfen hatte, in bittere Armut. Doch machte die
107
aufopferungsvolle Tätigkeit, welche die Schwestern in dieser schweren Zeit an den Tag
legten, sie unter der Stadtbevölkerung, namentlich unter den Andersgläubigen, sehr
populär. Ein bekannter Arzt, der von den "Rosenkranzbeterinnen" vorher nichts wissen
wollte, ist nachträglich ihr bester Freund geworden.
In der zweiten Kriegshälfte, als die Kämpfe in den burgundischen Gebieten und
um Belfort sich abspielten, wurde Schwester Damien von der deutschen
Heeresverwaltung um einige Schwestern gebeten für die Kriegslazarette, die in dem
weiter südlich gelegenen Marktflecken Dammerkirch eingerichtet werden mußten. Sie
begleitete selbst dorthin die Schwestern Phocas, Jules, Fortuna und Acheul 180).
Schwester Phocas kann uns darüber anschaulich berichten:
"Als wir gegen Dammerkirch kamen, waren alle Wege durch Militär und Pferde
gesperrt. Schwester Damien war aber flink und schlüpfte durch die Pferde, und wir
machten es nach. So gelangten wir in die Aufnahmebureaus, wo man uns den
verschiedenen Lazaretten zuwies. Tag und Nacht gab es Arbeit. Bei den
Schulschwestern waren Betten für uns aufgestellt, wo wir ein wenig ausruhen konnten,
wenn die Müdigkeit uns übermannte; aber wir kamen fast nie zum Schlaf. Unser Tisch
war militärisch; da gab es Suppe mit Rindfleisch und ein kräftiges Stück Kommißbrot.
Es kam auch vor, daß wir Ungeziefer die schwere Menge in die Kleider bekamen. Das
Elend, das wir hier sahen und mitmachten, kann man gar nicht beschreiben. Die
Verwundeten brachte man auf Leiterwägen herbei; oft waren Tote darunter. Das war ein
Gedränge beim Abladen! Zweimal täglich kam der Sanitätszug, mit dem die an inneren
Erkrankungen Leidenden und Leichtverwundeten weitertransportiert wurden, damit die
Schwerverwundeten Raum hatten. So ging es lange Zeit fort. Einmal geschah es, daß
ein verwundeter Franzose auch weitertransportiert werden sollte. Ich sagte dem Arzt,
daß man ihn unmöglich fortlassen könne; doch bestand er auf seinem Vorhaben. Da
zog ich den Franzosen an, aber er blieb tot in meinen Armen. Einmal hat mich in einem
Lazarett, wo auch Typhuskranke waren, nachts der Schlaf bezwungen. Ich war auf
einem Koffer, der in einer Ecke stand, eingenickt. Auf einmal hörte ich schreiende
Hilferufe. Drei Typhuskranke mit hochgradigem Fieber krochen draußen im Hausflur
herum und wollten fort. Meine Kräfte reichten nicht aus, sie wieder ins Bett zu bringen.
Ich mußte den Wachtposten von draußen zu Hilfe rufen. Ein andermal versuchte ein
Typhuskranker, der ständig nach seiner Familie verlangte, zum Fenster
hinauszusteigen. Unglücklicherweise fiel ihm ein Gewehr, das ein Posten stehen
gelassen hatte, in die Hand, und als ich ihn am Hinaussteigen verhindern wollte, ging er
mit der Waffe auf mich los. So konnte er ins Freie gelangen. Draußen war große Kälte
und hoher Schnee. Das Frieren machte ihn ruhiger, und wir konnten ihn wieder
hereinbringen. Er ist auch wieder gesund geworden. - Als beim Kriegsschluß die
Lazarette geleert wurden, begleitete uns der Herr Stabsarzt heim nach Mühlhausen und
sagte zu Schwester Damien: "Hier, Frau Mutter, übergebe ich Ihnen wieder Ihre Kinder,
so wie Sie mir dieselben anvertraut haben." Dann überreichte er ihr ein Zeugnis mit
dem Ehrenkreuz für jede einzelne. Schwester Damien aber lehnte dieses mit
bescheidenen Worten ab, indem sie auf das Kreuz hinwies, das wir auf der Brust
tragen, wir hätten genug an diesem zu tragen, vielleicht könnte er andere damit
glücklicher machen."
Soweit die gute Schwester Phocas, die stets gerne an jene Dammerkircher Tage
zurückdachte.
Der unermüdlichen Oberin in der Burggasse ist für ihre und ihrer braven
Schwestern Aufopferung noch eine besondere Anerkennung gezollt worden; sie erhielt
am 31. Dezember 1871 ein Schreiben der Kaiserin Augusta, worin diese für die
Pflichterfüllung der Schwestern dankt, sie habe "den Verwundeten und Kranken der
108
deutschen wie der französischen Heere in vollster Selbstverleugnung unermüdliche
Pflege und christlichen Trost gewährt."
Von kleineren elsässischen Lazaretten, in denen unsere Schwestern pflegten,
kommen in Betracht solche zu Bitschweiler (bei Thann), wo Schwester Egberta für treue
Pflege eine Auszeichnung erhielt; zu Markolsheim, wo die Schwestern Hilda und
Plautilla tätig waren. Hier war der große Saal des Gemeindehauses zu einem Notspital
umgewandelt worden. Hierher kamen meist deutsche Verwundete aus den Kämpfen mit
den Franktireurs des Weilertales und von den Festungen Schlettstadt und Breisach.
Deutsche Verwundete aus dem Belagerungskampfe von Straßburg wurden auch viele
gepflegt in dem von unsern Schwestern geleiteten Krankenhause zu Brumath (bei
Straßburg). Verwundete aus den Vogesenkämpfen waren ferner untergebracht in dem
Waisenhause zu Gérardmer. Die hier stationierten drei Schwestern waren unermüdlich
in der Pflege der vielen an Typhus und Blattern erkrankten Soldaten.
Große Verdienste um das französische Heer erwarben sich die Niederbronner
Schwestern, abgesehen von dem bereits erwähnten Belfort, auch in der Festung Epinal,
wo sie mit gleicher Hingabe sich den französischen und gefangenen deutschen
Verwundeten widmeten, und in der Schweiz bei den Soldaten Bourbakis.
c) In Kriegsspitälern auf deutschem Boden.
Im Kriegslazarett zu Saarlouis pflegte Schwester Matthias deutsche und
französische Verwundete mit rührender Opferliebe. "Ich befinde mich wohl und
gesund", schrieb sie am 28. Februar 1871 nach Niederbronn, "viele Arbeit habe ich,
nichts schreckt mich zurück, je mehr und schwerer, desto besser; ich denke, der liebe
Gott wird meine geringe Arbeit segnen. Die Franzosen waren froh in ihren schweren
Leiden und Krankheiten, daß sie jemand fanden, der sich ihrer liebevoll annahm und mit
ihnen reden konnte. Ich danke dem lieben Gott von ganzem Herzen, weil ich so
manchen Kranken Trost und Hilfe leisten kann." Der Lazarettinspektor Mayer bestätigte
181), "daß sie mit dem größten Fleiße und der größten Opferwilligkeit dem
beschwerlichen Dienste der Krankenpflege sich gewidmet habe. Sie hat
Unbeschreibliches geleistet; ich habe öfter gebeten, sie solle wenigstens nachts ruhen,
sie aber opferte Tag und Nacht sich derart, daß es ein Wunder ist, wie sie es aushalten
kann."
In Darmstadt errichtete das englische Rote Kreuz auf dem Hofe des
Niederbronner Schwesternhauses eine Lazarettbaracke, in welcher 180 Verwundete
Aufnahme fanden. Zwölf Schwestern besorgten sie unermüdlich. Die übrigen waren
außerdem in zwei andern Darmstädter Lazaretten tätig, ebenso in Babenhausen und
Lohr. Das Darmstädter Haus wurde auch durch die vom Kaiser Wilhelm gestiftete
Kriegsdenkmünze ausgezeichnet 182).
In Worms wurde unsern Schwestern ebenfalls ein Lazarett überwiesen, wo sie
von August 1870 bis zum 2. Juni 1871 ununterbrochen tätig waren. Der Zweigverein
Worms des großherzoglich hessischen Hilfsvereins für die Krankenpflege und
Unterstützung der Soldaten im Felde drückte der Kongregationsleitung in beredten
Worten seinen Dank dafür aus (6. Juni 1871):
"Die Schwestern sind während zehn Monaten in dem Barackenlazarette der
Station I unseres Vereins bei der Pflege der Verwundeten ununterbrochen tätig
gewesen und haben während dieser langen Dauer unter vielen Mühseligkeiten eine so
bewunderns-werte Hingebung an ihren edlen Beruf kundgegeben, so viel Segen und so
unendliche Wohltat gespendet, daß wir es als eine Pflicht unserer Dankbarkeit
erkennen müssen, Ihnen, ehrw. Frau Generaloberin, hiervon Kenntnis zu geben." Er
109
dankt besonders deshalb, "weil es unserm Vereine nur durch die Hilfe der Schwestern
möglich war, die Werke der Wohltätigkeit in so ausgezeichneter Weise zu üben, wie es
in unserer Station geschehen und überall im weiten deutschen Vaterlande und nicht
minder von den bei uns mit gleicher Liebe und Sorgfalt verpflegten Angehörigen der
feindlichen Armee in rührendster Weise anerkannt ist."
In Bensheim wurde das Schwesternhaus als Lazarett eingerichtet. Die Insassen
und sonstigen Kranken wurden im Gymnasium untergebracht. Am 2. August kamen die
ersten Verwundeten an, bis Jahresschluß waren es deren 169, bis 1. April, wo das
Lazarett aufgehoben wurde, kamen noch 114 dazu. Die Bensheimer Schwestern
erhielten ebenfalls die kaiserliche Kriegsdenkmünze zuerteilt.
Auch im Großherzogtum Baden waren die Niederbronner Schwestern eifrig am
Liebeswerke in den Lazaretten. In ihrem Vinzentiushaus in Karlsruhe verpflegten sie
164 Verwundete 183). In den zu Heidelberg errichteten Kriegsspitälern waren acht
Schwestern tätig. In Mannheim pflegten etwa 10 Schwestern im gräflich
Oberndorfschen Hause, das als Offizierslazarett eingerichtet worden war unter der
Bedingung, daß die in Mannheim stationierten Niederbronner Schwestern die
Krankenpflege übernähmen. Alle daran Beteiligten erhielten die großherzogliche
Erinnerungsmedaille "zum Gedächtnis an die Opferwilligkeit und Hingebung durch
Pflege der Verwundeten". In einem andern Mannheimer Kriegsspital wirkten unsere
Schwestern, von denen einige aus Karlsruhe herüberkamen, ebenfalls. Desgleichen in
Rastatt. Als hier die schwarzen Blattern ausbrachen und die davon befallenen Soldaten
im Gefängnis untergebracht waren, stand ihnen Schwester Christine viele Wochen lang
Tag und Nacht unermüdlich bei. Das Essen reichte man ihr zu einem Fenster herein. In
Pforzheim pflegten in dem für Verwundete von Sedan errichteten Lazarett fünf
Niederbronner Schwestern.
Im linksrheinischen Bayern pflegte Schwester Cyrille gleich zu Beginn des
Krieges zu Speyer in einem schnell errichteten Zeltspital viele Schwerverwundete; ihr
wurde eine Auszeichnung zuteil. Mehrere Schwestern wirkten in dem Kriegsspital auf
der Villa Ludwigshöhe. Die Oberin des Speyerer Hauses, Schwester Lucia, erhielt mit
einem ehrenvollen Begleitschreiben der Kaiserin Augusta das Verdienstkreuz für
deutsche Frauen und Jungfrauen und später (am 14. Juli 1871) das bayrische
Verdienstkreuz. Aus dem Hause in Rülzheim pflegten zwei Schwestern in einem
Schlosse zu Königsbach.
In München waren ca. 15 Schwestern in der Lazarettpflege beschäftigt. Im Lehel,
beim heutigen Vinzentinum, war eine Baracke aufgeschlagen worden. Nur
Schwerverwundete fanden Aufnahme. Auch zwei französische Offiziere waren dabei,
von denen einer am Typhus starb; der andere, aus Epinal, wurde von Schwester
Januaria im Mai 1871 nach der Heimat geleitet. Graf Arco-Zinneberg nahm sich der
beiden Gefangenen aufs liebevollste an. Schwester Januaria weilte während zweier
Monate mit einer andern Schwester auch auf einem in der Nähe von Nürnberg
gelegenen Schlosse des Fürsten von Schwarzenberg, der zahlreiche verwundete
Krieger aufgenommen hatte.
Auch der Fürst von Löwenstein hatte zu Wertheim auf seinem Schlosse ein
kleines Lazarett eingerichtet, in dem unsere Schwestern Edessa und Amalia die
Kranken besorgten. Auch im Krankenhause zu Tittmoning wurden 14 Soldaten
verpflegt.
6. Im bulgarisch-serbischen Krieg von 1885 – 1886.
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Als im Herbst 1885 der bulgarisch-serbische Krieg ausbrach, erbat die Prinzessin
Luise von Battenberg, die Mutter des Fürsten Alexander von Bulgarien, durch die
Vermittlung der Darmstädter Oberin Sidonia im Mutterhause Oberbronn eine Anzahl
Schwestern zur Verwundetenpflege in der bulgarischen Hauptstadt Sofia, wo das
Sanitätswesen sehr im argen lag. In Darmstadt, der Heimatstadt des bulgarischen
Fürsten, hatte sich ein "Hilfskomitee für Verwundete und Kranke der bulgarischen
Armee" gebildet unter dem Protektorat der Prinzessin Luise. Es hatte 4000 Mark
gesammelt, um das Nötigste für Verwundetenfürsorge anzuschaffen, da in dem
Balkanstaate es an allem fehlte.
Obwohl damals das Mutterhaus nicht an überflüssigem Personal litt, gingen
Superior Simonis und die ehrw. Mutter sofort auf den Wunsch der hohen Dame ein. Sie
bestimmten für die mühselige Mission die Schwestern Fulrade aus Straßburg, Ado aus
Mühlhausen, Antholiana aus Weißenburg, Innocentia aus Mannheim und Allyre aus
Darmstadt. Die Prinzessin, zu Tränen gerührt über die prompte Willfährigkeit, sorgte in
jeder Weise dafür, daß den mutigen Schwestern ihre Aufgabe erleichtert würde. Sie
hatte für jede einen zweckmäßigen Pelzmantel für die lange Reise bereitliegen. Am 22.
November 1885, einem Sonntag, traten die Schwestern mit zwei Diakonissen in
Darmstadt die Reise an. Ein Oberförster des Fürsten, der die Reise nach Sofia schon
öfters gemacht hatte, war nebst einem andern Herrn ihnen als Reisebegleiter
beigegeben worden. Am Donnerstag abend kamen sie, nach einem kleinen Aufenthalt
in Bukarest, in Rustschuk an. Hier übernachteten sie, um am Freitag die Reise nach
Sofia zu Wagen anzutreten. Lassen wir Schwester Fulrade diese Fahrt schildern:
"Wir fuhren vierspännig, je zwei Schwestern in einem Wagen. Die Reise war lang
und beschwerlich, es sind 328 Kilometer von Rustschuk nach Sofia. Oft fuhren wir den
ganzen Tag über öde, unbewohnte Gegenden. Wenn wir abends spät in einer Herberge
anlangten, mußten wir uns selbst das Abendessen herrichten, denn Frauen haben wir
nirgends welche angetroffen, ausgenommen hier in Sofia. Doch war das Wetter, Gott
sei Dank, sehr günstig; wir hatten weder Regen noch Schnee, noch große Kälte, der
Weg war gut bis an den großen Balkan, wo die Pferde bis an die Knie im Schlamm
versanken. Wir mußten aussteigen und zu Fuß gehen. Das Wetter war prächtig, auf der
Höhe des Gebirges schien die Sonne so heiß wie im Elsaß während des Monats Mai.
Endlich sind wir Dienstag, den 1. Dezember, ungefähr 9 Uhr abends in Sofia angelangt,
wohl sehr ermüdet, aber doch gesund. Wir übernachteten im Hotel "Bulgaria", wo wir
über Mittwoch noch ausruhten. Donnerstag in der Frühe haben wir unsere Mission
angetreten."
Diese stellte keine geringen Anforderungen an unsere guten Schwestern.
Damals befanden sich in Sofia mehr als 2000 Verwundete. Um das Elend zu lindern,
waren englische und russische Schwestern erschienen, Diakonissen aus Berlin, ferner
Nonnen aus drei Wiener Kongregationen, darunter 12 aus der im Jahre 1866 von
Niederbronn getrennten Genossenschaft. Man wies unsern Schwestern das zu einem
Lazarett umgewandelte Gymnasiumsgebäude an, in welchem sie 110 Verwundete
antrafen. Vier rumänische Ärzte leiteten die Anstalt, wovon einer deutsch, die andern
drei alle französisch sprachen. So war es den Schwestern leicht, sich mit ihnen über
alle die Pflege betreffenden Maßnahmen zu verständigen.
Zuerst hatten aber die Schwestern eine heillose Arbeit zu bewältigen, die sie
mehrere Tage in Anspruch nahm: den ungeheuren Schmutz zu beseitigen, den sie
überall antrafen, Ordnung und Sauberkeit in die Zimmer zu bringen, vor allem aber die
Verwundeten selbst vom Unrat und den Mengen wimmelnden Ungeziefers zu säubern.
Verwundert schauten die bulgarischen Krieger, welche die Notwendigkeit dieses
Reinemachens schwer einsahen, diesem Tun und Treiben ihrer freundlichen
Pflegerinnen zu, erkannten aber dankbaren Blickes die Wohltat sauberer Betten und
111
gebadeter Körper an. Die Schwestern bedauerten nur, sich mit diesen Männern nicht
unterhalten zu können. Die selbstlose Aufopferung, das Interesse, das man ihnen hier
entgegenbrachte, die rührende Pflege setzten diese einfachen, gutmütigen Menschen,
die vom Schicksal nie verwöhnt waren, in Erstaunen und erweckte in ihnen eine
grenzenlose Dankbarkeit. Die Leichtverwundeten wetteiferten miteinander, den
Schwestern mit kleinen Dienstleistungen die Arbeit zu erleichtern. Mit einer Art
religiöser Ehrfurcht verehrten sie diese Frauen, die aus dem fernen Westen kamen, um
ihnen Samariterdienste zu leisten. Die Briefe der Schwestern können nicht genug das
anständige, respektvolle Betragen dieser einfachen Naturkinder loben und anerkennen.
Freilich, Arbeit und Entbehrung gab es in Hülle und Fülle. Als Wohnung diente
ihnen ein einziges Gemach in einem Privathause. Es war Eß-, Schlaf- und Wohnzimmer
und Küche zu gleicher Zeit. Zwei Schwestern verbrachten die Nächte immer in den
Krankensälen. Ein großer Trost war es für sie, daß ab und zu ein Kapuzinerpater, der
mit einem Ordensgenossen in Sofia ein kleines Klösterchen bewohnte, in ihrer
Wohnung das heilige Meßopfer darbrachte und ihnen die heiligen Sakramente
spendete. Am Weihnachtsabend konnten sie der Weihnachtsmette beiwohnen, welche
der Erzbischof von Philippopel zelebrierte, und aus dessen Hand die heilige
Kommunion empfangen. Der hohe Herr unterhielt sich mit ihnen eingehend und gab
seiner Anerkennung, daß sie aus so weiter Ferne dem Ruf der Nächstenliebe gefolgt
waren, bewegten Ausdruck.
Viele Mühe kostete es den Schwestern, sich an die bulgarische Kost zu
gewöhnen. Sie erhielten das Mittagessen aus dem Gasthaus; fast immer bestand es
aus Büffel- und Pferdefleisch, ab und zu mit etwas Reis; Gemüse war keines
aufzutreiben. Das Frühstück und Abendbrot bereiteten sie sich selbst in ihrer Wohnung,
die den Ansprüchen eines zivilisierten Europäers auch nicht in allem genügen mochte.
Aber die Schwestern setzten sich gerne über alle die großen und kleinen
Unannehmlichkeiten hinweg im Hinblick auf das große Werk, dem sie dienten. Sie
waren mit allem zufrieden. Mit köstlichem Humor schrieb Schwester Ado (12. Januar
1886):
"Der Direktor vom Hause sowie die ganze Umgebung sind sehr gut für uns
Schwestern; wir haben über nichts zu klagen, weder über Nahrung noch sonst etwas.
Sogar in der Nacht wird uns noch vorgepfiffen von den Mäusen, sie springen oft im
Zimmer auf und ab, so daß wir uns der Prügel bedienen müssen, um Ruhe zu
bekommen. Unsere Buben singen und pfeifen den ganzen Tag und sind sehr gut und
artig gegen die Schwestern." Und Schwester Innocentia kennzeichnet am besten die
gute Stimmung, die alle beseelte: "Wie oft, liebe ehrw. Mutter, sagen wir unter uns,
wenn Sie nur eine Viertelstunde bei uns weilten, Sie hätten gewiß Freude an uns
Kindsköpfen. Wir sind so glücklich und zufrieden, wenn uns auch die Arbeit über den
Kopf hinauswachsen will. Es ist sonderbar, der liebe Gott trägt uns nicht nur auf den
Händen, er nimmt uns auch noch auf die Arme; wir verdienen es gewiß nicht, daß es
uns so gut geht, es ist das fromme Gebet vom lieben Mutterhause und der ganzen
Kongregation. Vielmal Vergelt's Gott! Erwidern können wir das Gebet nicht, aber wir
bemühen uns, dankbar zu sein in unsern Werken, daß durch das, was wir unsern
armen Tröpfen tun, der Segen über das liebe Mutterhaus herabkommen möge."
In besonderer Weise nahm sich ihrer der protestantische Pfarrer Koch an, der
vom Fürsten beauftragt war, danach zu sehen, daß es den Schwestern gut ergehe.
Am 23. Januar verließen sie nach vielen Wochen unermüdlicher Arbeit, betrauert
von ihren Pflegebefohlenen, die Bulgarenhauptstadt. Alle übrigen Schwestern und
Pflegerinnen waren schon abgereist. Kurz vor der Abfahrt mußten sie bei dem
Archimandriten (dem griechischen Hauptpfarrer) zu Tisch erscheinen. Ein deutscher
Arzt machte den Dolmetscher. Der Geistliche ließ ihnen immer und immer wieder den
112
tiefgefühlten Dank aussprechen für alles, was sie den armen Söhnen seines Volkes
getan hatten. Als sie im Spitale Abschied nahmen, weinten die rauhen Krieger und
küßten ihnen wiederholt die Hände.
Die Rückreise nahmen sie über Serbien; wohlbehalten kamen sie im Mutterhaus
an, herzlich begrüßt von den Obern und Mitschwestern. Als Ausdruck der Dankbarkeit
für die "den Kranken und Verwundeten in Sofia mit großer Umsicht, Sorgfalt und
Aufopferung geleisteten Hilfe" übermittelte das Darmstädter Hilfskomitee der
Hauskasse des Mutterhauses 500 Mark. Vom Fürsten Alexander aber erhielten die
Schwestern alle zur Auszeichnung das bulgarische rote Verdienstkreuz. Er ahnte
damals wohl noch nicht, daß er selbst in kurzer Zeit die Dienste der Darmstädter
Schwestern nötig haben würde.
Als er im Jahre 1887 dem bulgarischen Thron entsagen mußte und nach
Darmstadt zurückkehrte, wurde er von den schwarzen Blattern heimgesucht. Die
Schwestern Martiniana und Prudentienne pflegten ihn wochenlang in der
aufopferndsten Weise. Um den treuen Pflegerinnen sich in besonderer Weise
erkenntlich zu zeigen, wollte sie der dankbare Fürst auf seine Kosten nach Rom reisen
lassen. Er fragte dieserhalb bei Bischof Haffner von Mainz an, der ihm jedoch
bedeutete, nur die Generaloberin könne hier eine Erlaubnis erteilen 184). Eine
persönliche Anfrage des Fürsten im Mutterhause in dieser Angelegenheit 185) wurde
aber unter Berufung auf die Satzungen abschlägig beschieden. Zur bleibenden
Erinnerung stiftete dann Fürst Alexander ein Glasgemälde in der Kapelle des
Darmstädter Hauses, bei deren Konsekration er anwesend war.
7. Im Weltkrieg von 1914 – 1918.
Nach dem Kriege von 1870/71 ist sowohl Deutschland als Frankreich die
Organisation der Kriegskrankenpflege seitens der Militärbehörden und freiwilliger
Vereine planmäßig ausgebaut worden. Diesen Bestrebungen stand unsere
Kongregation nicht gleichgültig gegenüber. Die in Frankreich lebenden Mitglieder hatten
seit 1912 ein festes Abkommen getroffen mit dem im Dienst des Roten Kreuzes
stehenden, stets bereiten Kriegsspital von Anet (Eure et Loire). In Bayern schlossen
sich einzelne Häuser der durch den Kgl. Bayrischen Hausritterorden vom hl. Georg
geschaffenen Organisation zur Pflege verwundeter und kranker Krieger an. In Baden
bestand der Anschluß an den Badischen Landesverein vom Roten Kreuz. Im Elsaß
waren Vereinbarungen mit den Militärbehörden getroffen.
Der gewaltige Umfang des großen Völkerkrieges stellte die Genossenschaft
allerdings vor viel schwerere, größere Aufgaben, als in Friedenszeit vorgesehen war. Es
ist dem Chronisten deshalb auch nicht möglich, die opfervolle, mühselige Tätigkeit der
Schwestern im einzelnen zu verfolgen; er muß sich mit allgemeinen Angaben begnügen
und kann, da es ihm für die ganze Kriegsdauer an anfallenden, genauen Daten fehlt,
auch den zahlenhungrigen Statistiker nicht befriedigen. Es genüge die Feststellung, daß
unsere Schwestern glänzend abgeschnitten haben, daß sie Bewunderungswürdiges
leisteten. Zahllose dankbare Anerkennungen von Verwundeten und Kranken, von
Ärzten und Lazarettvorständen aus Deutschland und Frankreich bezeugen es
hinlänglich.
Was D e u t s c h l a n d anbetrifft, so stellten sich sofort bei Kriegsausbruch 667
Schwestern in den Dienst der Kranken- und Verwundetenpflege.
18 Schwestern waren im Etappengebiet tätig: 12 im Kriegs-Seuchenlazarett des
VII. Reserve-Armeekorps zu Lille, 2 in einem Etappenlazarett zu Grandpré im
113
Argonnenwald, 4 zu Moureaux in Nordfankreich im 7. Feldlazarett des II. bayrischen
Armeekorps.
Die Kongregation selbst stellte 19 Lazarette zu Verfügung: in E l s a ß L o t h r i n g e n ihre Häuser Brumath, Colmar, Mühlhausen (3), Niederbronn, Oberbronn,
Pfalzburg, Saaralben; in B a d e n Karlsruhe (2), Mannheim (Alphonsushaus); in
H e s s e n Darmstadt, Gießen, Worms; in B a y e r n Edenkoben, Lichtenfels,
Maikammer. Insgesamt pflegten unsere Schwestern in 135 Heimatlazaretten, die wir
hier aufzählen. Die eingeklammerte Ziffer gibt die Anzahl der dort stationierten
Pflegerinnen der Genossenschaft an.
1. Im rechtsrheinischen Bayern. Bamberg: Reservelazarett Luitpoltsäle (10),
Ordenslazarett in der Kgl. Residenz (5), Garnisionslazarett (2), Vereinslazarett
Luitpoltschule (3), Reservelazarett IV Lehrerseminar (3); Faulenbach: St. Ulrichsheim
(7); Freising: Vereinslazarett (3); Füssen: Vereinslazarett Seilerwarenfabrik (2),
Städtisches Spital (2), Distriktskrankenhaus (3); Ingolstadt: Reserve-Garnisonslazarett
Brückenkopf (6); Kronach: Kathol. Arbeitervereinshaus (3), Distriktskrankenhaus (4);
Lichtenfels: Vereinslazarett Schützenhaus (1), Schwesternhaus (2); München:
Vereinslazarett Antonienstraße (17), Vereinslazarett Kurzstraße (10), Vereinslazarett
Dr. Decker (8), Vereinslazarett Augenklinik von Herzog Karl Theodor(11); Nürnberg:
Blindenheim (2), Justizpalast (8), Turnhalle (2), Kathol. Gesellenhospiz (2),
Sebastiansspital (3), Kriegsgefangene (2); St. Ottilien: Reservelazarett (9);
Wolfratshausen: Winterschule (2).
2. Rheinpfalz. Deidesheim: Spital (3), Nähschule Schwesternhaus (1);
Edenkoben: Schwesternhaus (3); Hardthausen: Schulhaus (1); Herxheim: Armenhaus
(2); Königsbach: Rotes-Kreuz-Lazarett (2); Maikammer: Schwesternhaus (3); Neustadt:
Vereinslazarett V Neustadt(2), Vereinslazarett Mußbach (1); Rheingönheim:
Mozartschule (2); Schifferstadt: Schwesternhaus (3), Mühlenlazarett (2); Speyer:
Priesterseminar (11), Marienheim (6), Lehrerseminar (3), Vereinslazarett (2),
Vinzentiushaus (6).
3. Elsaß-Lothringen. Ammerschweier: Reservelazarett (2); Barr: Städtisches
Krankenhaus (3); Bischweiler: Spital und Jutespinnerei (3); Brumath: Schwesternhaus
(2); Colmar: Krankenhaus Rösselmannstraße (8), Bischöfliches Konvikt (6), St.
Josephsschule (8), Drei-Ähren (2); Gebweiler: Mittelschule und Haus Schlumberger (9);
Hagenau: Kaufhaus, Vereinshaus (4); Hochfelden: Reservelazarett VII Spital (2);
Hüningen: Vereinslazarett (2); Kneuttingen: Lazarett De Wendel (2); Mariental: Kloster
Karmel (3), Priesterhaus (2); Markolsheim: Hilfslazarett (1); Niederbronn: KlosterWaisenhaus (7), Klosterhof (2); Oberbronn: Reservelazarett Kloster (16); Oettingen:
Spital (3), Gemeindelazarett (2); Mühlhausen: Krankenhaus Burggasse (22),
Waisenhaus Dornach (3), Kathol. Vereinshaus Dornach (2), Arbeiterinnenheim
Thenardstraße (3); Pfalzburg: Vereinslazarett Schwesternspital (5); Reichshofen:
Reservelazarett
(1);
Saaralben:
Schwesternkrankenhaus
(2);
Schlettstadt:
Reservelazarett Gymnasium (4); Saarunion: Städtisches Krankenhaus (4); Straßburg:
St. Odilienkrankenhaus (28), Garnisonslazarett I (35), Ledigenheim (4), Neuhof (4),
Bahnhof (4); St. Ludwig: Vereinslazarett (5); Wanzenau: Reservelazarett (2);
Wasselnheim: Städtisches Krankenhaus (4); Weißenburg: Reservelazarett (1); Zabern:
Knabenschule (12), Garnisonslazarett (2), Höhere Töchterschule (5), Vereinshaus (2),
Missionshaus (1). Dazu kommen noch 16 Lazarette in der Nähe des
Operationsgebietes, in denen nur vorübergehend Verwundete gepflegt wurden, die
direkt aus den Gefechten gebracht worden waren. Erwähnt sei nur das Bischöfliche
Gymnasium Zillisheim, das im Anfang des Krieges bewegte Tage sah. Sonntag, den 9.
August, brachte man die ersten Kranken und verwundeten Franzosen in das Haus.
Nach zwei Tagen erschienen die deutschen Truppen, von denen viele Hunderte im
114
Gymnasium Quartier und Verpflegung fanden; etwa 80 Mann mußten wegen Hitzschlag
oder Marschunfähigkeit im Lazarett behandelt werden. Am 19. August kam es dann in
der Nähe zu einem Gefecht mit den aus Belfort anrückenden Truppen. Mehr als 1200
schwerverwundete Krieger, meistens Franzosen, wurden in das Haus gebracht; die
Schwestern des Hauses, die geistlichen Professoren, mehr als 20 französische Ärzte
hatten Tag und Nacht vollauf zu tun, um das namenlose Elend zu lindern. Nach einigen
Tagen wurden die transportfähigen Verwundeten weiterbefördert, und Ende August
waren nur noch wenige Kranke vorhanden. Wenige Tage darauf räumten die
französischen Truppen die Gegend.
4. Im Großherzogtum Baden. Baden-Baden: Landesbad (8); Breisach:
Festungshilfslazarett Ihringen (6) und Lilienhof (3); Ettlingen: Reservelazarett (12);
Freiburg: Reservelazarett Werderschule (11), Karlsschule (12), Kunstfesthalle (14);
Gernsbach: Vereinslazarett (2); Karlsruhe: Vereinslazarett Neues Vinzentiushaus (14),
Altes Vinzentiushaus (10), Reservelazarett Lehrerseminar I (14), Privatlazarette St.
Elisabethenhaus (3) und Herz-Jesu-Stift (5); Mannheim: Vereinslazarett St.
Alphonsushaus (3), St. Josephshaus (7); Oberkirch: Vereinslazarett Spital (2), Altes
Schulhaus (2); Schwetzingen: Schloß (12); Wertheim: Hotel Held (2); Wiesloch:
Vereinslazarett (2); Waldkirch: Realschule (2).
5. Großherzogtum Hessen. Bensheim: Vereinslazarett Spital (11); Darmstadt:
Schwesternhaus (15), Frauenklinik (3), Haus Hachenberg (1), Hochschule (1),
Seuchenlazarett (1); Dieburg: Vereinslazarett (1); Friedberg: Blindenanstalt (3); Gießen:
Schwesternkrankenhaus (4), Garnisonslazarett (5); Großsteinheim: Kreiskrankenhaus
und Schloß (7); Heppenheim: Vereinslazarett (4); Oppenheim: Vereinslazerett Kasino
(1); Seligenstadt: Kreiskrankenhaus (5), Reservelazarett Riesensaal (3); Viernheim:
Vereinslazarett Spital (4); Worms: Hilfslazarett St. Martinsstift (6), Vereinslazarett
Turnhalle (2).
6. Großherzogtum Luxemburg. Rümelingen: Krankenhaus (1), Vereinshaus (1),
Grube Steinberg (1).
Im weiteren Verlauf des Krieges wurden viele dieser Lazarette aufgelöst. Die
Zahl der ausgebildeten Laienpflegerinnen wurde immer größer, so daß nach und nach
viele Schwestern wieder in ihren alten Beruf, wo sie nötiger waren denn je,
zurückkehren konnten. Viele hatten sich auch aufgerieben im harten Dienst und
bedurften der Ruhe. Am 1. Januar 1917 verteilten sich noch 416 Schwestern auf 90
Lazarette, 12 waren noch in der Etappe tätig. Ein ungefähres Bild von der geleisteten
Arbeit geben folgende Gesamtziffern: Bis zum 1. Januar 1917 belief sich der
Kriegsdienst der deutschen Schwestern auf 347541 Tagespflegen und 43493
Nachtwachen.
Auch in den Reihen der Schwestern forderte der harte Krieg seine Opfer. 22
starben infolge von Krankheiten, die sie sich während ihres Dienstes in den Lazaretten
zugezogen hatten. Ihre Namen seien der Nachwelt aufbewahrt: Es starben
im Jahre 1915 die Schwestern: A r b o g a s t a (gest. 29. September zu
Hemsbach), E m a s i a (gest. 9. Oktober zu München);
im Jahre 1916: F r i e d b e r t a (gest. 17. Januar zu Oberbronn), F l o r i a n e (gest.
13. Februar zu Oberbronn);
im Jahre 1917: X a v e r i n e (gest. 5. Januar zu Straßburg), T h e r m a (gest. 26.
Januar zu München), A n a c l e t a (gest. 17. Januar zu Füssen), A r s a c i a (gest. 9.
Juni zu Straßburg), C l i c e r i a (gest. 27. April zu Oberbronn);
im Jahre 1918: D e l p h i n a (gest. 4. Februar zu Straßburg), G e r a s i m a (gest.
1. November zu Mannheim), D a n i e l (gest. 23. Oktober zu Straßburg), I t h e r i a (gest.
115
23. November zu Oberbronn), C a r o l a (gest. 18. Dezember zu Karlsruhe), A c a c i a
(gest. 27.Oktober zu Straßburg);
im Jahre 1919: C a t h a r i n a und P o t a m i a n a (beide gest. 1. Februar zu
Darmstadt), B e r b e l i a (gest. 3. März zu Fürstenfeldbruck), F e r n a n d a (gest. 6. März
zu Bamberg), K i l i a n a (gest. 29. August zu Bamberg);
im Jahre 1920: N o t b u r g i s (gest. 10. Januar zu Oberbronn).
Außerdem erkrankten 60 weitere Schwestern im Dienste, konnten sich aber
größtenteils wieder erholen.
Mit der Kranken- und Verwundetenpflege ist die karitative Kriegsarbeit der
Genossenschaft nicht erschöpft. Es wurden beträchtliche Mengen erwärmender
Kleidungsgegenstände angefertigt und ins Feld geschickt, desgleichen Liebespakete
und erbauliche Schriften. Obdachlose Flüchtlinge erhielten in den elsässischen Häusern
Herberge und Zehrung. Durchziehenden Truppen wurden Erfrischungen gereicht.
Zahllose
Kriegerkinder
fanden
Aufnahme
und
Verpflegung
in
unsern
Kinderbewahranstalten und Krippen. An einzelnen volkreichen Orten übernahmen die
Schwestern die Säuglingspflege der Kriegsfürsorge und verabreichten armen
Wöchnerinnen kräftige Nahrung.



In Frankreich zeigt sich dasselbe Bild opfervoller Tätigkeit. Über 200 Schwestern
waren im Lazarettdienst tätig. Sie verteilten sich am Anfang des Krieges auf folgende
Orte: Anet (eure et Loire), Bar-sur-Aube, Belfort (Militärlazarett, Seuchenlazarett,
Retenans, Morvillars), Châtillon-sur-Seine, Celles-sur-Plaine, Dijon, St. Dizier (Haute
Marne), St. Dié, St. Ay (Loiret), Fontenay-sous-Bois, Le Héron (Seine infer.), Le MesnilFontenay (Seine et Oise), Laneuveville-les-Raon (Vosges), La Norville (Seine et Oise),
Lunéville, Le Perreux (Seine), Nancy (Clinique Vautrin, Hôpital auxiliaire 3 und 14),
Schloß Les Perrais, Paris (Rue Bizet und Hôpital des Quinze-Vingts), Romilly-surSeine, Rimogne (Ardennes), Roubaix (Ambulances Ségur, St. Louis, Haumont),
Savigny-sur-Orge (Seine et Oise), Solesmes (Benediktinerabtei), Raon I’Etape
(Etappenlazarett), Reims, Pont-à-Mousson, Châlons-sur-Marne, Langres; im besetzten
Elsaß: Moosch, Malmerspach, Dammerkirch; in Belgien: Lüttich und Anderlecht.
An Kriegsopfern sind zu beklagen: Schwester J g n a c e , am 4. Januar 1916 zu
Moosch von einer Granate getötet und auf dem Militärfriedhof daselbst beigesetzt.
Infolge Erkrankung im Lazarettdienst verschieden die Schwestern: im Jahre 1915:
O c t a v i e (gest. 7. März zu Paris); im Jahre 1916: B e r c h m a n s (gest. 5. Januar zu
Darney, Bosges), A n t o n i a (gest. 9. September zu Nancy); im Jahre 1918:
H e r m e l a n d a (gest. 1. August zu Malmerspach), I s a i e (gest. 4. Dezember zu
Darney), M . H e n r i e t t e (gest. 4. Juni zu Solesmes); im Jahre 1919: B e r n a d e t t e
(gest. 31. Januar zu Paris), P h i l i p p i n e (gest. 19. März zu Paris), J u c o n d i n a (gest.
21. Februar zu Belfort); im Jahre 1920: M . J o s e p h (gest. 5. April zu Oberbronn).
Auch in der Kriegsfürsorge der Heimat leisteten die französischen Schwestern
Beträchtliches. Vor allem nahmen sich die in der Nähe der Kriegszone gelegenen
Häuser der zahllosen Flüchtlinge an, die bei den großen Offensiven das Hinterland
aufsuchen mußten. Durchziehende Soldaten wurden erquickt, Verwundeten die
Verbände erneuert. Kleidungsstücke für Krieger wurden ausgebessert. Viel wurde für
Kriegswaisen getan. In Belgien widmeten sich die Häuser von Anderlecht und Brüssel
(Rue Clemenceau) über die Kriegsdauer hinaus diesem Liebeswerk.
So hat auch im großen Weltkrieg die Genossenschaft den schweren
Anforderungen, welche die Not der leidenden Menschheit an sie stellte, in glänzender
116
Weise genügt. Eine große Anzahl von Schwestern hüben und drüben sind mit
Auszeichnungen bedacht worden.
Zweites Kapitel.
Im Kampfe gegen verheerende Volksseuchen.
1. Die Choleraepidemien im Jahre 1854 und 1855.
Die Liebe ist stärker als der Tod. Die wahre Nächstenliebe, die aus der
übernatürlichen Gottesliebe hervorgeht, scheut auch die Todesgefahr nicht, wenn es
gilt, dem gefähr-deten Nebenmenschen beizustehen. Die pflichttreue Krankenschwester
tritt furchtlos und opfermutig an das Bett auch solcher Kranken, die mit ansteckenden
Übeln behaftet sind. Sie weiß, daß sie nur der Pflicht ihres selbsterwählten Berufes
gehorcht, daß ihr Leben in Gottes Hand steht, dem sie es restlos geweiht hat. Sie eilt
mit Freuden auch an das Lager jener, vor denen der gewöhnliche Mensch mit Angst
und Schrecken zurückweicht, weil ihn der Ekel vertreibt oder Ansteckungsfurcht
zurückschaudern läßt, etwa an das Bett eines Cholerakranken.
Die Cholera! Es gab eine Zeit, wo schon dies bloße Wort starken Schrecken
verbreitete; damals, als die schreckliche Seuche ganze Gegenden verheerte und Städte
und Dörfer entvölkerte, wo sie als unheimlicher Gast aus Asien einwanderte und den
Westen Europas überrumpelte. Im Jahre 1830 drang sie bis Polen vor, dann immer
weiter nach Westen. 1849 suchte sie zum erstenmal das Elsaß heim und forderte in der
Stadt Straßburg 173 Opfer 186). Fünf Jahre später trat sie aber mit größerer Wucht auf,
sowohl im unteren wie im oberen Elsaß und in den benachbarten Vogesengebieten. Am
meisten wurden die armen Bevölkerungskreise heimgesucht. Der seit Jahren
anhaltende schlechte Geschäftsgang in der Industrie hatte große Armut und Not in
weitere Kreise getragen, und gerade hier, wo es an richtiger Ernährungsweise fehlte,
fand die furchtbare Krankheit einen günstigen Boden.
Da kamen die Töchter der jungen Niederbronner Genossenschaft als rettende
Engel, um die von allen verlassenen Cholerakranken in schnell eingerichteten Spitälern
oder in ihren armseligen Behausungen zu verpflegen. Die staatlichen Behörden wußten
nichts Besseres zu tun, als Niederbronn um Hilfe anzugehen. Wir haben schon früher
die rührenden Worte mitgeteilt, welche Mutter M. Alphons zum Abschied an ihre
Töchter richtete, die nach allen Richtungen hinauszogen, um die verseuchten Orte
aufzusuchen.
Da war es zunächst Straßburg, wo die fürchterliche Krankheit ganz heftig auftrat.
Bischof Räß, der unerschrocken von Krankenbett zu Krankenbett eilte 187), gab mit
vielen Mitgliedern der Geistlichkeit ein leuchtendes Beispiel des Opfermutes, dem
unsere Schwestern unerschrocken folgten 188). Schwester Mathilde, André, Eugenie
erhielten später vom Präfekten des Departements öffentliche Belobigungen 189). Schnell
gewöhnten sich die jungen Schwestern an die schrecklichen Szenen, welche diese
Seuche mit sich brachte. Von Schlettstadt erzählte Schwester Bonaventura, daß sie vier
Wochen lang in kein Bett kam und oft so müde war, daß sie über den Toten einschlief.
Auch im nahegelegenen Kestenholz, in welchem das Übel unverhältnismäßig viele
Leute wegraffte, eilten unsere Schwestern von Haus zu Haus. Ihrer unermüdlichen
Pflege verdanken viele die Genesung. Von Gerstheim berichtete der Herr v. Bancalis
den Obern, daß von den im Dorfe auftretenden Cholerafällen keiner tödlich verlief, dank
der verständnisvollen, unermüdlichen Pflege der Schwestern.
117
Auch in Colmar wütete die furchtbare Krankheit vom 9. August bis 4. November
in unheimlicher Weise: 339 Menschenkinder hat sie in dieser kurzen Zeit vernichtet. Die
davon Befallenen spürten zuerst eine drückende Schwere im Kopf, dann wühlenden
Schmerz im Unterleib; Durchfall und heftiges galliges Erbrechen stellten sich ein;
entsetzliche Krämpfe in den Wadenmuskeln, auch in der Brusthöhle erschütterten den
ganzen Körper, der meist nach und nach von einer eisigen Kälte befallen wurde. Oder
die Cholera trat ganz plötzlich in einer mehr trockenen und nervösen Form auf, ohne die
üblichen Begleiterscheinungen des Durchfalls und Brechens; ein fürchterlicher Krampf
legte sich auf die Brust und verrenkte die Glieder in schrecklichen Zuckungen.
Schwindel und Herzklopfen befiel die armen Opfer, die von furchtbarer Angst geplagt
wurden 190). Der Puls wurde immer schwächer, die Kranken verfielen im Gesicht, die
Augen sanken tief ein, der Körper bedeckte sich mit klebrigem Schweiß, die Stimme
wurde heiser, so daß die Kranken nur noch lispeln konnten. Die Haut nahm eine
blaugraue Färbung an, die Krämpfe wurden heftiger, furchtbarer Durst, Brennen im
Mund und eine unerträgliche Hitze im Magen erhöhten die Schmerzen des Kranken, der
bis zur Auflösung bei voller Besinnung blieb; eine hochgradige Gleichgültigkeit gesellte
sich zu diesem Zustand. Wenn nicht eine kräftige Reaktion im Körper auftrat, erfolgte
der Tod rasch 191).
Die Regierung ergriff alle damals üblichen Maßregeln; sie ließ an die arme
Bevölkerung wegen der herrschenden Lebensmittelteuerung während der Dauer der
Krankheit täglich eine kräftige Fleischsuppe austeilen 192). Für die Zeit der Epidemie
wurde die Zahl der Niederbronner Schwestern, die seit 1853 in der Stadt eine
Niederlassung hatten, von vier auf acht erhöht. Sie pflegten an zwei Orten die
Cholerakranken, bei den Brüdern und im alten Unterlindenkloster. Hier waren ständig
40 Kranke untergebracht. Schwester Caritas, damals im jugendlichen Alter stehend,
pflegte mit einer Magd diese Kranken allein. Zwei Schwestern einer andern
Genossenschaft, welche mithelfen wollten, trieben die furchtbaren Szenen bald wieder
von dannen 193). Sechs Wochen lang hat die tapfere Schwester den Ort des Grauens
nicht verlassen. 27 Nächte kam sie in kein Bett. Helfend und tröstend wandelte sie von
einem Krankenlager zum andern, wischte hier den klebrigen, übelriechenden Schweiß
von einer eiskalten Stirne, hielt dort die in gräßlichem Krampfe zuckenden Glieder fest,
half den im Todeskampf Röchelnden die letzten Gebete verrichten, reinigte das Lager
des einen vom ekelerregenden Unflat und suchte bei einem andern, dessen Körper in
Eiseskälte erschauerte, die fliehende Wärme zurückzurufen. Oft griff sie mit dem Arzte
zu verzweifelten Mitteln, um dies zu erreichen; man bettete die Ärmsten in eine Kiste
voll erhitzten Sandes, und sehr oft trat dann eine wohltätige Reaktion ein. Aber bei
vielen, vielen war alles Bemühen vergebens, in wenigen Stunden wurden sie eine
Beute des Todes. Es kam vor, daß Schwester Caritas mit der Magd während einer
einzigen Nacht acht Leichen in den Keller trug. Eine grausige Szene ist ihr im
Gedächtnis haften geblieben: sie hatte soeben einen Toten im Keller aufgebahrt, als
dessen Arme und Beine sich noch einmal in wilden Zuckungen bewegten; zu Tode
erschrocken, weckte sie den Arzt, der aber nur das eingetretene Ableben feststellen
konnte. Das schreckliche Krankheitsgift hatte in dem abgestorbenen Organismus
nachgewirkt 194).
In der Brüderanstalt war das Elend nicht minder groß. Schwester Juconde, die
dort pflegte, erzählte oft, daß die Kranken so rasch nacheinander starben, daß sie die
Leichen nicht schnell genug auf dem Rücken in die Totenkammer schleppen konnte. In
der Ratssitzung vom 31. Oktober 1854 lobte der Bürgermeister von Colmar den
"wahrhaft wunderbaren Opfermut" der Niederbronner Schwestern öffentlich und stiftete
ihrer Niederlassung zum Zeichen des Dankes 500 Franken. Desgleichen bat der
Präfekt des Oberrheins den Bischof Räß, der Generaloberin im Namen der Regierung
118
für die heldenmütige Aufopferung der Colmarer Schwestern zu danken 195). Schwester
Timothée aber war der Seuche zum Opfer gefallen, Schwester Adelinde, die bereits
angesteckt war, genas wieder.
Anfang Oktober verlangte der Präfekt des Oberrheins durch Bischof Räß zwei
weitere Schwestern für die von der Cholera heimgesuchte Gemeinde Beaucourt
(Kanton Delle) 196). Der böse Gast wich aber bald aus diesem Dorfe. Die Schwestern
konnten wieder abreisen, zum großen Bedauern des Pfarrers, der sich nicht lobend
genug aussprechen konnte über den Segen, den sie während ihrer kurzen Anwesenheit
verbreiteten. "Katholiken und Protestanten, Ungläubige und fromme Christen, alle
mußten dem Eifer und dem Opfergeist der guten Schwestern Anerkennung zollen." 197)
Der Bürgermeister Mény von Belfort erhielt auf sein dringendes Begehren ebenfalls
zwei Schwestern, die sich in der Pflege der Cholerakranken rühmlich auszeichneten.
Auch im Departement der Vogesen (Vosges) rief man die Hilfe Niederbronns an
gegen die auftretende Cholera. Der Präfekt von Epinal begehrte nicht weniger als 20
Schwestern, von denen 10 nach Mirecourt, 10 nach Neuf-Château sich begeben sollten
(Epinal, 20. August). Mutter M. Alphons willfahrte bereitwilligst dem Wunsche, konnte
aber nur acht Schwestern entbehren. Von Neuf-Château und Mirecourt aus verteilten
sich die Schwestern auf die umliegenden Ortschaften. Die Unterpräfekten dieser beiden
Kreise waren des Lobes voll für die allen Anstrengungen und Gefahren trotzenden
Krankenpflegerinnen 198). Der Pfarrer Thouvenet von Valfroicourt (Kanton Vittel), wo
zwei Schwestern den Cholerakranken beistanden, überhäuft ihr Wirken mit den
höchsten Lobsprüchen 199).
Anfang August erbat auch die Regierungsbehörde des Moseldepartements
Niederbronner Schwestern. In Mars-la-Tour und einigen andern Orten in der Umgebung
von Metz war ebenfalls die Seuche aufgetreten, wenn auch nicht im größeren Umfange.
Weil aber die Bevölkerung von einer Panik ergriffen war, hielt es die Behörde für
angebracht, durch Entsendung von Schwestern beruhigend zu wirken. Zunächst
wurden vier Schwestern nach Mars-la-Tour geschickt und zwei nach Waville (Kanton
Gorze). Der Bürgermeister dieses letzten Ortes fühlte sich veranlaßt, dem Präfekten für
die Wohltat dieser Entsendung zu danken und ihn zu bitten, diesen Dank auch der
Kongregationsleitung zu übermitteln: "Ohne die schnelle Hilfe, welche die Schwestern
Tag und Nacht den Kranken angedeihen lassen, wären schon viele gestorben. Sie
erfüllen ihre Sendung mit aller Hingebung, welche nur der größten Liebe entspringt. Sie
ersetzen zugleich den Arzt durch die Ratschläge, die sie den Kranken geben, und dank
ihrer Fürsorge ist bis jetzt nur eine geringe Zahl der Seuche erlegen. Jedermann
fürchtete sich vor ihr, und niemand wagte den Cholerakranken zu nahen, nur sie allein
schauderten vor keinem Falle zurück. Mit einem Wort, die Schwestern sind der
höchsten Achtung und des größten Lobes würdig." 200) Und als die Seuche, zu der sich
noch ein ansteckendes, bösartiges Schweißfieber gesellt hatte, vorüber war, schrieb
der Pfarrer von Waville an die ehrw. Mutter 201) folgende begeisternde Lobesworte, die
der Geschichtschreiber der Genossenschaft der Nachwelt nicht vorenthalten darf: "Ich
danke dem Vater der Barmherzigkeit, der mir zu Beginn meiner seelsorgerlichen
Tätigkeit das erbauliche und trostreiche Schauspiel der Hingebung und Frömmigkeit der
Schwestern Francisca und Agape gewährte. Ja, ehrw. Mutter, ich bin in der glücklichen
Lage, Ihnen sagen zu können, daß Ihre zwei Kinder während des Aufenthalts in Waville
sich als würdige Töchter des göttlichen Erlösers gezeigt haben. Ohne Rast und Ruhe
haben die beiden Schwestern den zahlreichen Kranken meiner großen Pfarrei die
eifrigste Fürsorge angedeihen lassen. Mit der zärtlichen Sorgfalt einer Mutter weilten sie
am Bette der Betrübten, schreckten vor keinem Opfer zurück, verrichteten die
niedrigsten Dienste und unterzogen sich mit wahrer Freude allem, wovor bei einer so
schrecklichen Krankheit die Natur zurückschaudert. Wie wohl tat es, sie beim
119
Liebeswerke zu beobachten, bei dem sie weder an Gesundheit noch an Nahrung und
Ruhe dachten! Wie oft waren die Nächte Zeugen ihres Opfermutes! Ein bißchen Schlaf
schien ihnen, deren Körper durch die Mühsale eines langen Tages ermattet war, schon
zuviel. Was aber am meisten Freude gewährte, waren ihre tröstenden, heiligen
Gespräche. Ihre Worte des Glaubens drangen in die Seelen ein und trösteten
wunderbar die Sterbenden. Wenn ich wußte, daß eine Schwester bei Todkranken
weilte, konnte ich ruhig schlafen. Stets waren die Schwestern an meiner Seite, wenn ich
den Sterbenden die heiligen Sakramente reichte, ermunterten sie und halfen auch die
Toten begraben. Bei aller Arbeit, die sie erschöpfte, schienen die Schwestern immer
wohlauf zu sein." In gleich lobenden Ausdrücken ergeht sich der Pfarrer von Loisy bei
Pont-à-Mousson, der ebenfalls zwei Schwestern zur Cholerapflege in seiner Gemeinde
gehabt hatte; er spricht mit Rührung und Dank von ihrer "grenzenlosen Hingebung und
wunderbaren Abtötung" 202). Unter den Schwestern, die von Pont-à-Mousson aus die
umliegenden Ortschaften bedienten, zeichnete sich namentlich Schwester Gabriel aus.
Als öffentliche Anerkennung für diese Dienstleistungen im bösen Cholerajahre
bekam die Genossenschaft von den Präfekten des Vogesen- und Moseldepartements
im Namen des Kaisers eine Bronzemedaille zugestellt 203). Die Colmarer Schwestern
erhielten zum Zeichen des Dankes vom fanzösischen Kultusministerium eine
Gratifikation von 300 Franken 204). Der Präfekt des Niederrheins dankte dem Bischof
von Straßburg im Namen der Regierung für die opfervollen und mutigen Dienste,
welche der Klerus, die Barmherzigen Schwestern und die Niederbronner
Genossenschaft in den schweren Tagen der Cholera der leidenden Menschheit
geleistet haben 205). Der "Niederrheinische Kurier" aber, das offizielle Regierungsblatt
von Straßburg, feierte in einem begeisterten Lobartikel auf die Tätigkeit des
katholischen Klerus während der Cholerazeit auch in gebührender Weise die
Verdienste der jungen Niederbronner Genossenschaft, die auf diese Weise einen
geradezu glänzenden Beweis für ihre Existenzberechtigung gegeben habe 206).
Bischof Räß, dem die schnelle Entfaltung der Kongregation so sehr am Herzen
lag, wußte die Aufopferung der Schwestern wohl zu schätzen. Um sich genauer zu
unterrichten über das, was sie im Dienste der Liebe in den Choleramonaten geleistet
hatten, begehrte er von der ehrw. Mutter die Berichte, welche die Schwestern etwa
nach Hause geschickt hätten. Er erhielt darauf (1. Dezember 1854) von ihr folgendes
Schreiben, welches einesteils ihre demütige Gesinnung in helles Licht stellt, andernteils
aber ein anschauliches Bild liefert von der heldenmütigen Aufopferung der jungen
Schwestern und dem vortrefflichen Geiste, von dem die Genossenschaft in ihrer
Wiegenzeit beseelt war.
"Was die Berichte der Schwestern betrifft, so haben wir diese nicht aufbewahrt;
sie haben sich meistens damit begnügt, uns den Zustand ihrer Gesundheit und ihren
Aufenthaltsort mit wenigen Worten anzugeben, welche die Eile, die sie hatten, zugleich
aber auch ihren Mut und ihre Entschlossenheit kundgaben. Erlauben mir Ew.
Bischöflichen Gnaden, derselben hier zu bemerken, daß ich, die eitle Ehre und das
Wohlgefallen an sich selbst wie das Feuer fürchtend, bei der Bildung und Leitung der
Schwestern beständig dahin arbeite, daß dieselben recht viel an Gott und an die treue
Erfüllung ihrer Berufspflichten denken, auf dasjenige aber, was sie gewirkt und geleistet
haben, nur insofern achten, um das Fehlerhafte, das sich dabei einschlich, zu
vermeiden und zu verbessern. Indessen kann ich nicht umhin, meine geistlichen
Töchter auf die Gnaden, die ihnen von oben zufließen, aufmerksam zu machen, damit
ihr Mut und ihre Entschlossenheit vermehrt und ihre Dankbarkeit gegen Gott angeregt
werde, damit sie sich immer mehr an ihn anschließen und ihm allein in allem die Ehre
geben. Ich kann also Ew. Bischöflichen Gnaden über die Dienstleistungen der
Schwestern keinen andern Bericht zusenden als denjenigen, der mir mündlich von
120
ihnen mitgeteilt wurde, und was ich mit eigenen Augen gesehen habe. Als die 18
Schwestern, die nach Lothringen gesandt wurden, nach und nach zurückkamen, war ihr
Gewand - das einzige, welches eine jede mitgenommen hatte - zwar nicht unreinlich,
doch so übelriechend, daß es gleich gewaschen werden mußte. Sie erzählten mir, daß
in manchen Orten, wo 50-60, ja oft noch mehr Kranke hart daniederlagen, wo ganze
Familien ausstarben und wo nur eine oder zwei Schwestern sich befanden, diese Tag
und Nacht auf den Füßen gewesen, von einem Haus zum andern geeilt und oft 5-6
Tage nicht zu Bett gekommen seien. Am Lager der Kranken und Sterbenden aber seien
sie manchmal sowohl im Gesicht als am Gewande vom Erbrechen der Kranken über
und über mit Unflat bedeckt worden, ohne für sich mehr tun zu können, als Gesicht und
Kostüm schnell mit einem Tuche abzuwischen und alsdann mit erneutem Eifer ihre
Liebesdienste fortzusetzen. 'Empfandet ihr denn keinen Ekel, keinen Widerwillen?'
fragte ich. 'Jawohl', antworteten sie, 'wir schauderten oft zurück, allein der Gedanke, es
gilt hier die Rettung der Seelen, ermunterte uns bald wieder. Da rief einer: Helft,
Schwester, helft, damit ich nicht zugrunde gehe; schon zehn Jahre sind verflossen,
seitdem ich nicht mehr gebeichtet habe, und jetzt muß ich sterben! Dort schrie ein
anderer: Ach, verlaßt mich nicht in der Gefahr ewigen Untergangs; schon seit drei
Jahren habe ich die heiligen Sakramente nicht mehr empfangen und stehe jetzt an der
Pforte der Ewigkeit! Manche wollten vom Beichten nichts reden hören und waren zuerst
wie verstockt, gingen aber doch endlich in sich und wurden mit den heiligen
Sakramenten versehen.'
"Kaum waren die sechs letzten Schwestern erschöpft und ermattet heimgekehrt,
so erhielt ich das Begehren des Präfekten 207), ihm 20 unserer Schwestern zu senden.
Dies war nicht möglich. Da aber diese sechs mich inständig baten, sie hinzuschicken,
willfahrte ich ihrem Verlangen. Solche und ähnliche Vorgänge und Berichte haben mich
mehrmals veranlaßt, Gott innigst zu danken, daß er den guten Kindern so wunderbar
beigestanden, sie so mächtig gestärkt und ihre Mühe und Arbeit so reichlich gesegnet
hat, und ihn zu bitten, dieselben nur vor eitler Ehre zu schützen, wie er sie vor
Ansteckung und Furcht vor der Krankheit bewahrt hat."
Im folgenden Jahre 1855 wurde das Elsaß abermals von der schrecklichen
Seuche heimgesucht. Zwar forderte sie nicht so viele Opfer wie im Vorjahre, wütete
dafür aber um so stärker in Gegenden, die vorher verschont geblieben waren, vor allem
in Niederbronn und seiner Umgebung. Da erwies sich abermals die Genossenschaft als
ein wahrer Segen. Tag und Nacht pflegten die Schwestern die in fürchterlichen
Krämpfen sich windeten Kranken zu Niederbronn und Reichshofen 208). Die Schwestern
Vitalis (aus Rufach) und Praxedis (aus Niederschäffolsheim) ließen dabei ihr junges
Leben. Für die vielen verwaisten Kinder gründete Mutter M. Alphons das Waisenhaus
zu Neunhoffen 209). Auch in Hagenau und Schlettstadt gab es für die Schwestern
reichlich Arbeit 210). Besonders stark war Mühlhausen im Oberelsaß betroffen. Unsere
Schwestern, die seit kurzem (1853) hier ansässig waren, erregten durch ihre
Selbstlosigkeit hohe Bewunderung. Zwei wurden vom Bürgermeister der Gemeinde
Pfaffenheim, wo die Seuche mehr als 100 Opfer hinwegraffte, gerufen. Auch die
Stadtverwaltung von Sulz (Oberelsaß) ließ zwei Schwestern zur Cholerapflege kommen
211).
Für besonders aufopfernde Pflege im Oberelsaß erhielten vom Ministerium zu
Paris die Schwestern Libère und Thecla Belobigungen 212).
Im Jahre 1856 machte sich die Cholera immer noch bemerkbar. So in Neundorf
bei Basel, wo die Schwestern Emanuel und Benedicte 213) die Kranken besorgten. Viele
verwaiste Kinder fanden im Waisenhaus der Mühlhauser Niederlassung Aufnahme.
1857 begehrte die Gemeinde Sulzmatt zwei Schwestern für die Cholerakranken.
121
2. Die Choleraepidemien von 1866 und 1873.
Dem deutsch-österreichischen Kriege von 1866 folgte als unheimlicher Gast die
Cholera durch die deutschen Gaue 214).
Der unterfränkische Kriegsschauplatz war besonders stark heimgesucht. Nicht
weniger als 14 Schwestern wurden von Darmstadt aus nach Aschaffenburg, Neubrunn,
Lohr und andere fränkische Orte gebracht, wo teils die Feldtruppen teils die
Ortseinwohner von der Seuche zu leiden hatten. In dem Städtchen Rothenfels bei
Würzburg pflegte Schwester Bonaventura mit zwei andern Schwestern cholerakranke
Soldaten; dank ihren Vorsichtsmaßregeln griff die Seuche nicht um sich. Mit dem Segen
Gottes, so schrieb der Ortspfarrer Barthelme ins Mutterhaus (8. Februar 1867), kamen
wenige Erkrankungsfälle vor, und die Schwerkranken wurden durch die liebevolle,
sorgfältige Pflege größtenteils wieder geheilt. Auch ins Hessische griff die Krankheit
über. Nach Fehlheim, einer Filiale der Pfarrei Bensheim, wurden im September die
Schwestern Landelina und Cyprian von Darmstadt aus gerufen. In dem kleinen Orte
hatte der Schrecken die Menschen völlig gelähmt. Bei Ankunft der Schwestern lagen
drei Tote schon einige Tage unbeerdigt in den Häusern, weil aus Furcht vor Ansteckung
niemand sie zu beerdigen wagte. Zuerst mußten die Schwestern die Leichen in die
Särge schaffen, ehe sie ihr Wirken beginnen konnten. 35 Personen waren von der
Seuche befallen, und kein Arzt war am Orte ansässig. Abwechselnd kamen zwei Ärzte
von Bensheim und gaben den Schwestern die nötigen Medikamente. Um die
Schwestern selbst kümmerte sich keine Behörde. Ein mitleidiger Bürger stellte ihnen
eine Kammer mit einem Strohsack und einem Stuhle zur Verfügung; der Lehrer Selbst
sorgte für ihre Nahrung. Am 21. September mußte Schwester Cyprian durch Schwester
Urban abgelöst werden, weil sie selbst angesteckt worden war; doch kam sie mit dem
Leben davon.
Nach Heppenheim wurde die schreckliche Krankheit durch preußische
Exekutionstruppen verschleppt. Damals weilten drei Schwestern im Orte. Sie bekamen
Cholerakranke ins Armenhaus, welche Schwester Nympha pflegen mußte, während die
beiden andern Schwestern Ursuline und Flaminia die übrigen Kranken im Schulhause
pflegten. Schwester Nympha ist ein Opfer ihres Berufes geworden. Eines Morgens
besuchte sie um fünf Uhr die heilige Messe, mußte aber während derselben infolge
plötzlichen Unwohlseins die Kirche verlassen. Am Nachmittag war sie bereits eine
Leiche. Seltsam ist der Umstand, daß im folgenden Jahre ihre eigene Schwester,
Schwester Lintrudis, in Mühlhausen ebenfalls der Cholera zum Opfer fiel.
Wenn die Epidemie in dieser Stadt auch nicht so stark um sich griff wie im Jahre
1855, so verliefen dafür die meisten Fälle tödlich. Die Schwestern aus der
Niederlassung in der Burggasse scheuten auch diesmal keine Gefahr und standen
unermüdlich den Kranken und Sterbenden bei. Die junge Schwester Lintrudis, die erst
vor vier Wochen ihre Profeß abgelegt hatte, kam eines Morgens früh von einer
Nachtwache nach Hause, schon den Todeskeim in sich tragend. Ihre Füße trugen sie
kaum mehr, sie war, als sie anlangte, bereits ganz blau, und noch am selben Abend
war sie eine Leiche. Sie war das letzte Opfer, das die Seuche in der oberelsässischen
Industriestadt forderte. Unter großer Teilnahme der Bevölkerung wurde sie zu Grabe
getragen, und der damalige Stadtpfarrer Sester sprach in der ergreifenden Leichenrede
den Gedanken aus, daß Gott vielleicht von der unschuldigen Schwester für die Stadt
Mühlhausen das Opfer ihres jungen, frühvollendeten Lebens abforderte.
Im Jahre 1866 wurde auch Luxemburg teilweise heimgesucht. Mehrere
Schwestern wurden begehrt. So war Schwester Richardis in der Gemeinde Monnerich
122
sehr segensreich tätig. "Ihr Andenken", schrieb der Ortspfarrer (13. September 1866),
"wird noch lange unter uns fortleben. Kaum war die gute Schwester am Krankenbette
tätig, so hatte sie durch ihre Aufopferung und ihr Gebet mit den Kranken der Krankheit
die Spitze abgebrochen." In Bettemburg pflegten die aus früherer Zeit mit dem bösen
Gast vertrauten Schwestern Juconde und Emanuel. Sie haben - nach einem Schreiben
des Dechanten Mayer (27. September 1866) - durch ihre Sorgfalt mehreren Personen
das Leben gerettet. In demselben Jahre erhielten unsere Schwestern von dem
Gemeinderate des lothringischen Ortes Saaralben eine öffentliche Dankesbezeigung für
ihre Aufopferung während der hier herrschenden Choleraepidemie.
Im folgenden Jahre (1867) trat die Cholera an einigen Orten in der Pfalz auf.
Unsere Schwestern pflegten in Maudach und Friesenheim. Das Präsidium der
pfälzischen Regierung dankt am 4. Oktober der Oberin in Speyer für "das
menschenfreundliche Wirken, die opferfreudige, furchtlose Ausdauer, welche von den
Schwestern bei Verpflegung der Kranken geübt wurde“. Die Schwestern Afra, Fredine,
Asella und Lucienne zu Speyer erhielten für hervorragende Leistungen während der
Choleraepidemie in der Pfalz eine königliche Anerkennung (12. September 1867). Zum
Zeichen des Dankes "für die unermüdliche, unerschrockene und aufopfernde Tätigkeit
und die liebevolle Behandlung der Kranken" während der Choleratage stiftet der
Gemeinderat von Maudach den Speyerer Schwestern 60 Gulden. Die Gemeinde
Friesenheim war mit dem gleichen Dankesbeweis vorausgegangen 215). Auch das
bischöfliche Dekanat des Landeskapitels Speyer sprach den mutigen Schwestern für ihr
"opfermutiges und erfolgreiches Wirken" den wärmsten Dank aus.
Die Stadt Speyer selbst wurde aber in dem Cholerajahre 1873 durch die Seuche
stark in Schrecken gesetzt 216). Hören wir über den Verlauf und die Verheerungen der
Seuche und die Tätigkeit unserer Schwestern einen anschaulichen Bericht der
Schwester Menodora, welche Zeugin der harten Tage war 217). "Zum Pflegen waren da
Schwester Lucia, die Oberin, Schwester Fredine, Afra, Asella und ich; später bekamen
wir noch vier Novizen aus dem Mutterhause zur Aushilfe. Die Cholera wütete in fünf
tiefgelegenen Straßen der Stadt, wo Wasser in den Häusern stand, da der Rhein
ausgebrochen war; sie fing im Juli 218) an und hörte im Oktober auf. Die ersten Tage
pflegten Schwester Fredine und ich in der Stadt. Dann mußten wir beide ins
Bürgerspital, denn was man nur noch in daselbe in einen Absonderungsbau bringen
konnte, kam hinein. Wir hatten zwei Säle für die Genesenden, drei für die andern; es
war schrecklich, wir hatten mitunter vier bis fünf Tote in einer Nacht, und es blieb uns
manchmal nichts anderes übrig, als sie gleich in den Sarg zu legen. Es läutete keine
Glocke, damit die Leute nicht noch mehr erschraken; die Toten wurden sofort ins
Leichenhaus auf den Gottesacker gebracht. Ein Tag war besonders schrecklich, wo die
ganze Zeit der Leichenwagen durch die Straßen fuhr. Unsere Oberin Schwester Lucia
wurde von der Krankheit befallen, genas aber wieder. Schwester Hilarion, die eben von
einem Kranken kam, wurde um Mitternacht plötzlich von der Seuche ergriffen, am
Mittag war sie, noch keine 28 Jahre alt, bereits eine Leiche. Wir beiden Schwestern
legten sie in den Sarg und siegelten ihn zu. Wir Schwestern im Spital mußten den
Kranken, die im Anfang der Krankheit waren, heiße Sandbäder geben und ganz warme,
aufregende Getränke, damit sie in Schweiß kamen; viele wurden dadurch gerettet. Bei
der Cholera stellte sich heftiges Erbrechen, Durchfall und Blutstockung ein; wir mußten
die Kranken auch reiben. Am 14. Oktober, als die Cholera aufhörte, wurde ich infolge
der Anstrengung und eines Schreckens von der Krankheit befallen, spät abends durch
den hochw. Herrn Geistlichen Rat Schwarz mit den heiligen Sterbesakramenten
versehen. Nach ihm kam Herr Kaplan Molz, brachte mir noch das fünffache Skapulier,
damit ich nicht ohne dasselbe sterbe. In der Nacht auf Theresiatag ging's besser. Als
ich etwas erholt war, kamen Schwester Fredine 219 und ich wieder ins Schwesternhaus
123
zurück." Die beiden tapferen Schwestern erhielten von Herrn Medizinalrat Heim zwei
goldene Kreuze zum Lohne für ihr aufopferndes Wirken.
Die kgl. pfälzische Regierung geizte auch diesmal nicht mit ihrem Lobe. Sie
übermittelte (20. Oktober 1873) "in dankbarer Anerkennung der aufopfernden Pflege,
welche die barmherzigen Schwestern während der herrschenden Choleraepidemie den
Kranken zuteil werden ließen", dem Speyerer Hause 150 Gulden mit dem Wunsche,
"daß ein angemessener Teil dieser Summe den an der Krankenpflege beteiligten
Schwestern zu ihrem persönlichen Besten überlassen werden möge". Die gleiche
Summe stiftete (27. November 1873) der Stadtrat der Gemeinde Speyer.
Auch während der schweren Choleraepidemie, die zu gleicher Zeit in München
so viele Opfer forderte 220), waren unsere dortigen Schwestern unermüdlich tätig. Dabei
zeichneten sich besonders durch große Opferwilligkeit aus die Schwestern Caritine,
Joel, Claudiana, Exuperia, Tibba und Benedicte. In deren Armen starb im Hause der
Buttermelcherstraße Schwester Prosper, die sich die Krankheit bei der Pflegetätigkeit
zugezogen hatte. Sie war das letzte der vielen Opfer, welche die böse Seuche in
München forderte 221).
3. Typhusepidemien.
Einem andern furchtbaren Feinde der Menschheit hatten unsere Schwestern
ebenfalls öfters gegenüberzutreten: dem Typhus.
Wir finden sie zuerst im Kampf mit dieser Seuche im Jahre 1855 in der
Rheinpfalz, wo die Gemeinden Pirmasens und Hambach schwer darunter zu leiden
hatten. In demselben Jahre ließ der Präfekt des Oberrheins zwei Schwestern nach
Altkirch kommen, wo der Typhus im Gefängnis und im Krankenhause mächtig
aufgetreten war 222). Die kgl. bayrische Regierung erbat im Jahre 1860 von der
Würzburger Filiale der Genossenschaft zwei Schwestern für eine in Ober- und
Unterwallbehrungen und in Güntersleben ausgebrochene Typhusepidemie, ebenso im
folgenden Jahre zum gleichen Zweck für die Gemeinde Mellrichstadt. 1863 grassierte
die Epidemie wieder sehr heftig in Güntersleben bei Würzburg. Schwester Lazarus und
Osmund wurden hingesandt. Die Krankheit war bei ihrer Ankunft schon eine Woche
vorher ausgebrochen und hatte täglich ein halbes Dutzend Menschenleben vernichtet.
Durch die unermüdliche Pflege der beiden Schwestern wurde die Gewalt der Seuche
gebrochen; niemand mehr starb. Jede von ihnen besorgte eine Dorfhälfte. Drei Monate
lang hatten sie angestrengten Dienst. Während dieser Zeit kamen sie in kein Bett; das
Höchste, was sie sich leisten konnten, war eine halbstündige Ruhe auf einem harten
Holzstuhle. Vormittags kochte Schwester Lazarus im Schulhause kräftige Fleischbrühe,
welche von den sechs gesund gebliebenen Dorfbewohnern ausgetragen wurde. Sonst
wanderten die Schwestern von Haus zu Haus, wuschen und kämmten die Erkrankten,
brachten die Betten in Ordnung und führten gewissenhaft die Anordnung der beiden
von Würzburg herbeigeeilten Ärzte aus. Mit bewunderungswürdiger Geduld lagen sie
ihren schweren Pflichten ob. Eines Tages kam König Ludwig I., der von dem großen
Elend des heimgesuchten Ortes gehört hatte, von Aschaffenburg herüber, erkundigte
sich teilnehmend nach dem Schicksal der Kranken und drückte den Schwestern seine
Bewunderung aus für ihre rastlose Tätigkeit. Als die Mehrzahl der Einwohner auf dem
Wege völliger Besserung war, wurden die sechs Gesunden, welche den Schwestern in
der Bedienung der Kranken beigestanden hatten, auch krank; doch gelang es der
Pflege der Schwestern, sie zu retten. Nach dem Aufhören der Seuche zogen sich die
beiden Schwestern in ihr Würzburger Klösterlein zurück. Doch vier Wochen nachher
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warf die tückische Krankheit den braven Pfarrherrn Wehner 223) aufs Krankenlager;
nach wenigen Tagen verschied er; Schwester Lazarus drückte ihm wehmütig die Augen
zu.
Als im Jahre 1872 in Straßburg und in den umliegenden Dörfern der Typhus
ausbrach, widmeten sich zahlreiche Schwestern mit gewohnter Opferwilligkeit der
Pflege der Angesteckten. Schwester Adria ist dabei ein Opfer ihres Berufes geworden.
Schwester Adelphe wurde nach Sulzbad geschickt, wo sie vier Wochen lang Tag und
Nacht am Lager der Typhuskranken wachte, und durfte gleich nachher zu demselben
harten Dienste für sechs Wochen nach Geispolsheim übersiedeln. Mit ihrem Leben
mußte im Jahre 1874 im Straßburger Militärlazarett, wo der Typhus ausgebrochen war,
Schwester Urban ihren Heldenmut bezahlen. Ein glänzendes Begräbnis mit
militärischen Ehren ist ihr zuteil geworden.
In Gerlachsheim (Baden) herrschte im Jahre 1879 der Typhus in heftiger Weise.
Den Schwestern Ludmilla und Perseveranda, die mit dem bösartigen Charakter der
Krankheit durch langjährige Erfahrung wohlvertraut waren, gelang es durch
unermüdliche, weise Pflege, der Seuche fast alle Angesteckten zu entreißen. Mit dem
gleichen Erfolge war Schwester Elise aus der Filiale Wertheim in der Gemeinde
Freudenberg tätig, in welcher im Jahre 1882 der Typhus etwa 70 Personen aufs
Krankenlager geworfen hatte. Nur wenige wurden eine Beute des Todes.
Mit welcher Sorgfalt und Sachkenntnis unsere Schwestern bei solchen
ansteckenden Seuchen vorgingen, erhellt aus einem bemerkenswerten Berichte,
welchen der Kantonalarzt von Bitsch, Dr. Willigens, im Jahre 1884 über die
Pflegetätigkeit einer Schwester an die Kreisdirektion von Saargemünd sandte. Es
handelt sich darin um die Schwester Felicienne, welche auf Bitten der Gemeinde
Liederscheidt in Lothringen die Pflege einer typhuskranken, siebenköpfigen Familie
übernommen hatten. Der Arzt schreibt: "Wir waren so glücklich, in dieser Schwester
eine Wärterin zu haben, welche allen, auch den härtesten Ansprüchen in bezug auf
umsichtsvolle und aufopfernde Krankenpflege gerecht geworden ist. Diese ebenso
verständige als praktisch geschulte Wärterin hatte gleich das Jammerhaus von Grund
aus umgestaltet, Zimmer und Fußböden gereinigt, die Krankenbetten gesäubert, für
frische Wäsche gesorgt, die alte Wäsche desinfiziert, die Fenster - zum Schrecken der
Dorfbewohner - weit offen gehalten, um der gesunden Luft freien Zutritt zu gestatten.
Wenn man ins Haus trat, war keine verpestete Luft mehr zu bemerken, und den
Kranken sah man das Gefühl der Behaglichkeit an. Dabei gewissenhafte und pünktliche
Befolgung der ärztlichen Vorschriften in Reichung der Medikamente und
Nahrungsmittel, in den gründlichen Körperwaschungen sämtlicher Kranken usw. Da bei
einer Entfernung von 13 km tägliche Besuche des Arztes nicht möglich waren, so
schickte sie sehr verständig verfasste, ausführliche Krankenberichte, sogar mit Angabe
der Morgen- und Abendtemperaturen. So hat sie wochenlang Tag und Nacht
unermüdlich und segensreich gewirkt, mit einer Hingebung und Aufopferung, die gewiß
weit über die gewöhnliche Pflichterfüllung hinausgeht. Ich halte es für eine Pflicht, und
es ist mir zugleich eine Freude, dieser so verdienstvollen, ganz von der Heiligkeit ihres
freigewählten Berufes durchdrungen und dabei so bescheidenen Schwester öffentlich
meinen Dank und den Ausdruck meiner Hochachtung darzubringen." 224)
Das Beispiel besonderer Umsicht bei dieser so gefährlichen Seuche gibt uns
auch Schwester Cyprian. Als in Klein-Krotzenburg (Hessen) im Jahre 1892 mehrere
Personen unter der typhösen Erscheinung erkrankten, ließ Schwester Cyprian, da kein
Arzt im Ort war, den Kassenarzt rufen und bat ihn, Desinfektionsmittel zu verschreiben.
Doch dieser wollte nicht an Typhus glauben. Als die Schwester auch beim
Bürgermeister nichts erreichte und die Erkrankungen sich vermehrten, wandte sie sich
vertraulich an den Kreisarzt. Sie gab ihm zugleich an, daß die ersten Erkrankungen alle
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im Umkreis eines Brunnens vorkamen, der direkt an der Abortgrube lag. Nach Prüfung
der Verhältnisse ließ der Kreisarzt sofort den Brunnen schließen und bemerkte: wenn
die Schwester nicht gewesen wäre, so wäre ganz Krotzenburg ausgestorben.
Es würde zu weit führen, alle die Fälle aufzuzählen, wo die Niederbronner
Töchter mutig und erfolgreich den Kampf gegen heimtückische Typhus- oder sonstige
Epidemien aufnahmen. Mehr als eine fiel bei solchen Gelegenheiten dem Tode zum
Opfer, den sie nie scheuten. Denn ihre Nächstenliebe war stärker als der Tod. Einige
Namen solcher tapferen seien hier noch genannt, die dem Verfasser dieser Zeilen
zufällig bekannt geworden sind; wie viele andere aber aus früheren Zeiten sind auf
ähnliche Weise den Heldentod christlicher Nächstenliebe gestorben, deren Namen von
den Menschen vergessen, aber mit goldenen Lettern im Buche der Vergeltung
aufgezeichnet sind?
Am 11. Februar 1869 verschied Schwester Calixte in ihrem 29. Lebensjahre zu
Belfort an Typhus, den sie sich bei der Pflege kranker Soldaten zugezogen hatte. Das
gleiche Los widerfuhr am 10. Dezember 1875 der Schwester Jsidore zu Châtillon-surSeine, welche eine am Typhus erkrankte Familie gepflegt hatte. An ihrem Grabe, das
die ganze Bevölkerung des Ortes umstand, hielt der Bürgermeister der auf dem Felde
ihres Berufes gefallenen Toten einen begeisterten Nachruf 225). Auch Schwester Acheul,
deren Tätigkeit wir schon bei der Darstellung der Kriegskrankenpflege gewürdigt haben,
starb auf diese Weise. Sie war einem typhuskranken Bahnbeamten beigestanden, als
sie infolge Ansteckung an derselben Krankheit zu Witry-les-Reims am 16. Dezember
1898 starb; die Eisenbahngesellschaft der Westbahn ließ sich bei ihrem Begräbnis
durch eine Abordnung von 18 Beamten vertreten. In Witry-les-Reims war ein Jahr
vorher - am 21. August 1897 - Schwester Florent ein Opfer ihres Berufes geworden; bei
der Pflege eines an Dysenterie Erkrankten hatte sie sich die gleiche Krankheit
zugezogen. Sie sollte in Reims beerdigt werden, aber die Pfarrgemeinde protestierte
dagegen und ließ es sich nicht nehmen, der opfermutigen Verstorbenen auf
gemeinsame Kosten an Ort und Stelle eine würdige Grabstätte zu bereiten. An
Typhusansteckung starb ferner am 5. Dezember 1897 zu Barr im Elsaß Schwester
Berthold. Desgleichen Schwester Bertrand zu Roubaix; sie verschied am 21. Oktober
1898, zehn Tage nach dem Tode des Kranken, den sie unermüdlich gepflegt hatte.
Einst hatte sie sich ins tiefe Wasser gestürzt, um ein ertrinkendes Kind zu retten: was
Wunder, wenn ihr Begräbnis sich zu einem großartigen, wenn auch tränenreichen
Triumphzug gestaltete, der im Grunde ebensosehr der alles überwindenden christlichen
Liebe galt als der stillen bescheidenen Schwester, die nie an sich, sondern nur an
andere dachte.
Ein wahrhaft christlicher Heroismus tritt uns entgegen in dem Tode der
Schwester Quadrata, die am 1. März 1883 im blühenden Alter von 28 Jahren zu
Lunéville am Typhus starb. Diese Schwester verkörpert das Jdeal einer wahren Tochter
des göttlichen Erlösers, der sein Leben hingab für die Menschen. Im Jahre 1881 kam
sie aus dem Hause zu Thann nach der Station Lunéville. Da sie der französischen
Sprache nicht mächtig war, konnte man sie zunächst nur in der Küche verwenden. Das
war für sie, die mit allen Fasern ihres Herzens die leidenden Menschen liebte, ein
großes Opfer. Am Kochherde konnte sie ihrem Tatendrange nicht genugtun. Darum
benutzte sie jede Gelegenheit, sich die notwendigen Elemente der fremden Sprache
anzueignen, um in der Krankenpflege wirken zu können. Nach fast drei Jahren wurde
ihr Herzenswunsch erfüllt. Man wies ihr einen typhuskranken Studenten der Medizin zu.
Drei Wochen pflegte sie den jungen Mann, den die tückische Seuche sichtlich dem
Tode entgegentrieb. Die Schwester war untröstlich. Da reifte in ihrer reinen Seele ein
heldenmütiger Entschluß. Indem sie in der heiligen Einfalt ihres frommen Gemütes sich
sagte, daß ein Arzt der Menschheit größere Dienste leisten kann als eine kleine,
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unbedeutende Krankenschwester, flehte sie zu Gott, er möge das Opfer ihres eigenen
Lebens annehmen und den jungen, hoffnungsvollen Mann, der mit dem Tode rang, der
leidenden Menschheit erhalten. Und Gott schien Wohlgefallen zu finden an ihrer Bitte.
Denn es geschah, daß sie alsogleich vom Typhus ergriffen wurde, während der Kranke,
den sie mit ihrer rührenden Sorge umgeben hatte, so schnell genas, daß er dem Sarge
der Hingeschiedenen mit tränenden Augen folgen konnte.
Still und unerkannt ging diese Schwester durchs Leben; aber wer möchte allen
irdischen Ruhm gegen ein solches Ende eintauschen?
Drittes Kapitel.
Im Weinberg des Herrn.
Als die Schwestern, welche im Cholerajahre 1854 nach dem lothringischen Dorfe
Waville geschickt waren, nach vollendeter Mission nach Hause zurückkehrten, schrieb
Rousset, der Inspektor der öffentlichen Armenpflege, aus Metz an die Obern des
Mutterhauses folgende bemerkenswerten Worte (1. Oktober 1854): "Die Hingabe, der
unermüdliche Eifer, die Klugheit, welche die Schwestern bei der Pflege der zahlreichen
Kranken von Waville an den Tag gelegt haben, sind ihre geringste Wohltat. In seiner
unendlichen Güte hat Gott sich Ihrer heiligmäßigen Schwestern bedient, um ein Volk,
das sich seit Jahren vom Wege des Glaubens und kirchlicher Pflichterfüllung entfernt
hatte, wieder zu ihm zurückzuführen. Vor kaum drei Monaten hat mir der hochw. Herr
Bischof von Metz mitgeteilt, daß in seiner ganzen Diözese ihm diese Gemeinde am
meisten Kummer bereite; heute ist die Umwandlung vollständig! Unter dem wohltätigen
Einfluß der Schwestern, dank ihrer rührenden Fürsorge, ihren frommen
Unterweisungen, ihrer aufopfernden Liebestätigkeit ist das Eis gebrochen, die
Einwohner sind eifrige Christen geworden und bekennen laut ihre Dankbarkeit
gegenüber diesen frommen Töchtern, deren Gott sich bediente, um dieses Wunder zu
wirken."
In diesen Worten ist jene andere Seite der christlichen Liebestätigkeit berührt, die
über dem leiblichen Wohle des Menschen sein geistliches, ewiges Wohlergehen nicht
außer acht läßt. Von Anfang des Bestehens der Genossenschaft an haben die Stifter
diese Seite der Wirksamkeit ihrer Mitglieder stets betont und eingeschärft, und ihre
Nachfolger haben es nicht anders gehalten. Die Pflegerinnen der Armen und Kranken
sollten zugleich eifrige Mitarbeiterinnen sein im Weinberge des Herrn. Das Seelenheil
der ihnen anvertrauten Kinder und Kranken soll ihnen nicht weniger am Herzen liegen
als die Gesundheit des Körpers. Darum heißt es auch so schön und richtig in einem von
den Obern im Jahre 1884 nach Rom gesandten Rechenschaftsbericht: "Die Schwestern
sind für die Seelsorge einer Gemeinde eine wertvolle, oft unentbehrliche Hilfe. Es gibt
Städte, wo ohne die Vermittlung der Schwestern der Geistliche zu vielen Kranken nicht
gerufen würde; wo sie weilen, wird er fast nie zurückgewiesen. Oft handelt es sich um
Kranke, welche nach 20, 30 ja 40 und mehr Jahren wieder ihre religiösen Pflichten
erfüllen und eines christlichen Todes sterben. Unter den Kranken, die auf diese Weise
wieder zur Kirche zurückkehren, befanden sich solche, welche geschworen hatten, im
Unglauben zu sterben, in dem sie beständig gelebt hatten."
Der Geschichtsschreiber der Genossenschaft, dessen Hauptaufgabe darin
besteht, ein möglichst allseitiges Bild ihres Wesens und Wirkens zu entwerfen, darf
deshalb auch an der vorhin angedeuteten rein geistigen Seite der christlichen
Liebestätigkeit nicht achtlos vorübergehen. Er weiß zwar, daß gerade diese Art des
Wirkens der Schwestern jenen Leuten höchst unangenehm ist, welche allem Religiösen
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gleichgültig oder feindlich gegenüberstehen, und daß man im Lager der Gegner der
katholischen Krankenpflegekongregation gerne das ausgeprägte christliche in der
Berufstätigkeit der Schwestern als Angriffspunkt herausgreift. Es fehlt nicht an Ärzten,
welche jede religiöse Einwirkung der Pflegeschwestern auf den Kranken als einen
Übergriff auf andere Rechte betrachten. Sie hätten recht, wenn dadurch der
Heilungsprozeß erschwert würde, vor allem, wenn es sich um Angehörige anderer
Konfessionen handelte. Jede Proselytenmacherei ist bei einer Institution, die sich im
Dienste der Kranken aller Bekenntnisse widmet, von vornherein ausgeschlossen. Aber
anders liegt die Sache, wenn es sich um Schwerkranke ihres Glaubens handelt. Da
zeichnet die Ordensregel der Schwester kurz und bündig ihr Verhalten vor: "Sobald
eine Gefahr beim Kranken eintritt, soll die Schwester Sorge tragen, daß ein Priester
berufen werde. Zeigt sich der Kranke bereitwillig, die heiligen Sakramente zu
empfangen, so soll sie ihm zur Vorbereitung und Danksagung behilflich sein. Zeigt er
sich nicht bereitwillig, so wird sie alles, war ihr die Klugheit eingeben kann, aufbieten,
um ihn für die Hilfsmittel der Religion zugänglich zu machen. Zu diesem Zweck wird sie
noch mehr beim lieben Gott als beim Kranken zudringlich sein; bei diesem aber wird sie
ihre Pflichten nur um so demütiger, sanftmütiger und opferwilliger erfüllen."
Das ist nichts anderes, als was auch die evangelische Diakonisse als ihre
"köstlichste Aufgabe" betrachtet, "die Gottlosen der Kirche zuzuführen" 226). "Kann das
ein Vergehen sein, wenn die pflegende Schwester, die vielleicht allein die Situation des
Patienten kennt, ihn auf seine Pflicht aufmerksam macht, ihm die volle Wahrheit betreffs
seines Zustandes in schonender Weise beibringt? Ist das nicht vielmehr wahre Liebe
und Barmherzigkeit gegenüber der sentimentalen Gewissenslosigkeit selbst der
nächsten Verwandten, den Kranken in totaler Unkenntnis zu lassen, ja ihn in
Hoffnungen einzulullen, die lauter Täuschungen sind?" 227)
So erscheint es mit gutem Recht der am Bette eines hoffnungslos erkrankten
Menschen stehenden Schwester als ein letzter, wichtigster Akt der Nächstenliebe, den
sie ihm gegenüber während der kurzen Spanne Zeit, die ihm zu leben noch übrig bleibt,
betätigen kann, wenn sie ihn vor dem ewigen Unglück bewahrt. Es ist nicht immer eine
leichte Aufgabe. Ihr Beruf in den Krankenhäusern und Privatwohnungen führt sie mit
allerlei Menschenkindern zusammen. Aber ein wenig Geduld, kluges, taktvolles
Abwarten, ein bißchen natürliche Frauenklugheit, und wenn alle anderen Mittel
versagen, die Zuflucht zum Gebete bringen die treubesorgte Hüterin meist doch zum
Ziele.
Oft genügt schon die stille und vor nichts zurückschreckende Pflegetätigkeit der
Schwester, um den Kranken besseren Gefühlen zugänglich zu machen. Da war Ende
der 1880er Jahre in St. Amarin (Oberelsaß) ein fünfundachtzigjähriger ehemaliger
Kapitän der französischen Armee, der sich auf strenge Anweisung des Arztes eine
unserer Schwestern als Pflegerin gefallen lassen mußte. Er tut es nur widerwillig, denn
das klösterliche Gewand kann er nicht leiden. Jedes religiöse Gefühl ist schon längst in
ihm erstorben. Mißtrauisch und mürrisch betrachtet er den unbequemen Gast. Allein je
mehr er verwundert zusieht, wie die Schwester still und geschäftig ihres bei der
besonderen Art seiner Krankheit nicht angenehmen Amtes waltet, um so
nachdenklicher wird er. Die frühere Abneigung verwandelt sich in festes Zutrauen; die
betende Schwester läßt in ihm die frommen Erinnerungen aus der Jugendzeit, das Bild
seiner gottesfürchtigen Mutter aufsteigen. Und siehe, er bittet die Schwester, daß sie
ihm von Gott und religiösen Dingen spreche, daß sie ihm das längst vergessene
Vaterunser lehre. Nur von der Beichte darf sie ihm noch nicht reden, das verträgt der
alte Soldat nicht. Er wird von Tag zu Tag schwächer. Als ihn die Schwester einst wieder
gewaschen und in frisches Linnen gebettet hatte, glänzt eine Träne der Rührung in den
müden Augen. Nun hält die Schwester den Augenblick für gekommen: "Wie wäre es,
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wenn Ihre Seele jetzt auch so gereinigt wäre wie Ihr Körper? Wie glücklich würden sie
sich dann fühlen!" Sie hatte richtig gerechnet. Nach einigen lahmen Einwendungen war
der alte Brummbär gewonnen. Mit großer Ergriffenheit empfing er die heiligen
Sterbesakramente und ging nach einigen Tagen ruhig und glücklich in die Ewigkeit ein.
Durch das unentwegte stille Wirken einer Schwester wurde auch eine bekannte
Münchner Schauspielerin auf dem Sterbebett für Gott wiedergewonnen. Auch sie hatte
sich auf Befehl des Arztes dazu bequemen müssen, bei einer schweren Erkrankung
eine unserer Schwestern herbeizuziehen. Als ausgesprochene Religionshasserin
brachte sie der Schwester nur Spott und Hohn entgegen, behandelte sie grob und
ungezogen. Aber lautlos und ohne Widerwillen versieht die Pflegeschwester ihr
undankbares Amt, begegnet der launenhaften, mürrischen Kranken stets mit derselben
und unerschütterlichen Liebenswürdigkeit und Sorgfalt. So geht es fast ein Vierteljahr,
währenddessen die Schwester ohne Klagen und Murren alle giftigen und bissigen
Ausfälle der Patientin gegen ihre religiösen Übungen ertragen hat. Da bemerkt sie eines
Tages Tränen in den Augen der abgezehrten Theaterdame. Sie fragt nicht nach deren
Ursache, sie wartet ab. Am folgenden Tage ersucht dann die Kranke schluchzend die
Schwester, sie möge sie wieder beten lehren, "denn", so fügte sie bezeichnenderweise
bei, "es muß doch etwas Höheres geben als dieses irdische Leben, da Sie sonst nicht
ein Vierteljahr lang mich mit so unendlicher Opferwilligkeit und Geduld ertragen hätten".
So hatte auch diese in der Trugwelt des Theaters verlorengegangene Seele den
Glauben ihrer Kindheit wiedergefunden und konnte getröstet und gestärkt zu Gott
eingehen. Um ihr diese große Gnade zu vermitteln, hatte Gott sich der selbstlosen
Liebe der Krankenschwester bedient.
Eine Aufzeichnung aus dem St. Vinzentiushause in Karlsruhe zählt für das erste
Halbjahr von 1883 allein 40 Fälle auf von Sterbenden, die nach langjähriger
Unterbrechung wieder gläubig die Sakramente empfingen. Ähnliche Fälle ließen sich zu
Hunderten erwähnen. Sehr oft aber sind größere Schwierigkeiten zu überwinden
gewesen, namentlich bei solchen Personen, in denen ein seit langen Jahren durch
schlechte Lektüre oder verderblichen persönlichen Umgang genährter fanatischer
Religionshaß alle guten Regungen erstickt hat. Aber die Liebe ist geduldig. In St. Dié,
der hübschen französischen Vogesenstadt, war ein Herr L. B. von allen Gutgesinnten
gefürchtet wegen seiner sprichwörtlichen Religionsverachtung; nichts war ihm heilig. Er
war bekannt als Verfasser abscheulicher Lieder auf den Heiligen Vater. Er war nicht
davor zurückgeschreckt, die heilige Beichte zu verhöhnen, indem er unerkannt in einem
Beichtstuhl mehrere Personen Beicht hörte und sich nachher mit dieser Heldentat
brüstete. Da warf ihn im blühenden Sündenzustande eine Lungenkrankheit danieder.
Schwester Pauline benachrichtigte den Pfarrer, der aber wenig Hoffnung hatte, dieses
verirrte Schäflein zurückzuführen. Doch vor der sanften Überredungsgabe der
Schwester zerfloß sein Haß. Reuig kehrte er zur Kirche zurück, und da er genas,
machte er durch sein frommes Leben das frühere Ärgernis wieder gut. Wie reich muß
sich nicht eine solche Schwester belohnt fühlen für die Mühen ihres Berufes, wenn Gott
sie als Werkzeug benützt, einen Verlorengeglaubten wieder heimzuführen! Schwester
Bernardine konnte aus Lille mit bewegtem Herzen im Jahre 1882 eine noch
auffallendere Sinnesänderung eines Verirrten ihren Obern berichten. Es handelte sich
um einen alten, seit vielen Jahrzehnten seinem Berufe untreu gewordenen Priester, der
an den Folgen eines schlechten Lebenswandels dem Grabe entgegensiechte. Mit Spott
und häßlichen Schimpfworten empfing der verkommene Greis die Schwester, die sein
Elend lindern sollte. Aber stumm betete sie am Bette sitzend ihren Rosenkranz und hielt
dem keifenden Manne mit ernstem Blick ab und zu das Kruzifix vor Augen. Das
entwaffnete schließlich den von Gewissensqualen gefolterten Todeskandidaten. Und
einem inneren Drange folgend erzählte er seiner Pflegerin die lange Geschichte seines
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verlorenen Lebens. Kann es für mich verfluchten noch eine Rettung geben? Aber mit
eindringlicher Beredsamkeit pflanzte die Schwester tröstliche Hoffnung in das
verzweifelnde Gemüt. Zum erstenmal nach vielen Jahrzehnten fing diese verirrte Seele
wieder an, zu beten, und nach Ablegung einer reuevollen Lebensbeichte verklärte der
Gottesfriede die Todesstunde des Unglücklichen, den Gottes Langmut und Erbarmung
dem ewigen Verderben entrissen.
Gerade die Schwestern der französischen Niederlassungen wissen von sehr
zahlreichen Konversionen von Mitgliedern der kirchenfeindlichen Freimaurerei zu
erzählen. Oft kam es auch vor, daß ein Angehöriger dieses Geheimbundes nicht
gestattete, daß kranke Mitglieder seiner eigenen Familie mit den letzten Tröstungen der
Religion versehen würden. Aber stets gelang es der unermüdlichen Geduld und dem
Gebete der pflegenden Schwestern, den Widerstand zu überwinden und die
Sterbenden mit Gott versöhnt aus dem Leben scheiden zu sehen. In Langres hat (im
Jahre 1881) eine Schwester eine schwerkranke Dame zu pflegen. Ihr Mann verbietet
der Schwester aufs strengste, ihr von religiösen Dingen oder gar vom Beichten zu
sprechen. "Ich litt furchtbar", so erzählte die seeleneifrige Krankenschwester,
"angesichts solcher Verhältnisse. Ich sah diese arme Seele der Ewigkeit
entgegengehen ohne die Gnadenmittel der Religion. Ich weinte im stillen und betete
unaufhörlich; der liebe Gott hat mein Seufzen erhört. Auf einmal ließ mir der Gatte völlig
freie Hand, ich verlor keine Zeit, um einen Priester zu rufen. Die arme Kranke empfing
die heiligen Sakramente mit vollem Bewußtsein, und drei Stunden später verschied sie,
indem sie mir vorher für das dankte, was ich für sie getan. Ich bin ganz abgemagert vor
Kummer, um so größer war dann meine Freude." Redet nicht echt apostolischer Geist
aus diesen schlichten Worten?
Es ist der Geist, den der Erzbischof von Paris, Kardinal Richard, in einem
Schreiben an die Generaloberin 228) an den Schwestern rühmt mit den Worten: "Seit
langer Zeit schon habe ich die Gelegenheit, alles Gute zu würdigen, das Ihre
Schwestern in den Stadtvierteln von Paris verrichten, in denen sie Niederlassungen
besitzen. In der jetzigen Zeit ist es mir ein großer Trost, zu sehen, daß die
Genossenschaften der Krankenschwestern sich vergrößern. Ihre Gegenwart am Bette
der Sterbenden wird notwendiger als je; denn selbst in den christlichen Familien denkt
man nicht genug daran, den Priester zu Schwerkranken zu rufen."
Die Liebe versöhnt! Wo sie herrscht, verbreitet sich Frieden. Sie tötet den Haß
und stellt zerrissene Bande wieder her. Eine Schwester aus St. Amarin mag uns
erzählen, wie sie den häßlichen Unfrieden aus einer Familie gebannt hat: "Im letzten
Sommer (1879) pflegten wir einen Mann, der an einem Blutsturz erkrankt war. Seine
Frau und seine Kinder hatten ihm wegen seines schlechten Lebenswandels das Haus
verboten. Von jedermann verachtet, brachte er die Nächte im Stalle zu, und als er krank
wurde, wollte ihn niemand aufnehmen. Als wir davon hörten, nahmen wir uns seiner an
und pflegten ihn nach Kräften. Die Hingabe der Schwestern machte auf ihn einen
solchen Eindruck, daß er nach einem Priester verlangte und zweimal eine reumütige
Beichte ablegte. Als es ihm besser ging, brachten wir ihn, vom Bürgermeister und der
Polizei begleitet, zu seiner Frau zurück, die ihn verstoßen hatte. Die Gatten versöhnten
sich und lebten von jetzt an im schönsten Frieden miteinander." Unzählige ähnliche
Fälle liegen vor, wo durch die Vermittlung der Schwestern vor dem Bette eines
sterbenden Vaters oder einer mit dem Tode ringenden Mutter langjähriger
Familienhader beigelegt wurde. Schwester Pauline meldet aus St. Dié: "Ein alter Notar,
der seit 20 Jahren seine fromme und würdige Gattin und seine fünf Kinder verlassen
hatte und mit einem Frauenzimmer zusammenlebte, fiel in eine tödliche Krankheit. In
seinem Testament hatte er ein Begräbnis ohne Priester vorgesehen. Aber auf unsere
Vorstellungen hin ging er in sich; Gott schenkte ihm die Gnade einer aufrichtigen
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Bekehrung. Um das langjährige Ärgernis wieder gutzumachen, ließ er die
Frauensperson aus seinem Hause weisen und erflehte die Verzeihung seiner Gattin,
die ihm gerne gewährt wurde. Mit ihr und mit Gott versöhnt, schied er aus dem Leben
glücklich und zufrieden."
Der seeleneifrigen Schwester ist die Sünde ein Greuel, und sie sucht sie zu
verhindern, wo es in ihrer Macht steht. Aus der vorhin genannten Stadt weiß Schwester
Adèle ein erfreuliches Erlebnis zu berichten: "Ein junges Mädchen, das nach seiner
ersten heiligen Kommunion mit den besten Vorsätzen ins Leben hinausging, hatte das
Unglück, in die Hände eines alten Lüstlings zu fallen, dessen Geliebte sie wurde. Als sie
plötzlich schwer erkrankte, bat man uns, ihr beizustehen. Wir taten es unter der
Bedingung, daß ihr Verführer keinen Schritt mehr in ihre Wohnung setze. Als die
Krankheit sich verschlimmerte, ermahnte die pflegende Schwester sie, ihr Gewissen in
Ordnung zu bringen, da es sich um eine glückliche oder unglückliche Ewigkeit handle.
Sie schenkte den Ermahnungen Gehör und bat um einen Geistlichen. Mit solcher
Zerknirschung bekannte sie die Verfehlungen ihres Lebens, daß sie sich ernstlich
entschloß, einen andern Wandel zu beginnen."
Wie oft ist es dem wohltätigen Einfluß der Schwestern gelungen, wilde Ehen zu
regulieren. Wo gute Worte fruchtlos blieben, hielt man auch mit entschiedenen
Vorstellungen nicht zurück. Auf diese Weise erzielte Schwester Ludwine, die überhaupt
mit Unerschrockenheit aufs Ziel losging, einen bemerkenswerten Erfolg. Sie war im
Jahre 1880 in Epinal tätig. Da wurde sie nach einem entfernten Fort der Festung
geschickt, um eine an der schwarzen Gelbsucht erkrankten Dame zu pflegen, welche in
unerlaubter Verbindung mit dem Festungskommandanten lebte. Da begab es sich eines
Tages, daß ein Soldat der dreihundertköpfigen Besatzung wegen irgendeines
Vergehens in Arrest geführt wurde. Vorher sollte er genau untersucht werden, ob er
keine verbotenen Gegenstände, namentlich Tabak bei sich hätte. Der Sträfling wollte
sich dies aber nicht gefallen lassen, setzte sich zur Wehr und vergriff sich tatsächlich an
seinem Vorgesetzten; da er auch noch einen Fluchtversuch wagte, verschlimmerte sich
seine Lage. Der Kommandant wollte die Angelegenheit dem Kriegsgericht übergeben.
Da der betreffende Soldat in vierzehn Tagen seine Dienstzeit vollendet hatte und zu
Hause von seiner armen, bejahrten Mutter, deren einzige Stütze er war, mit Schmerzen
erwartet wurde, hatte Schwester Ludwina Mitleid mit dem armen Menschen und
beschloß, bei dem Kommandanten für ihn einzutreten. Allein dieser versicherte der
Schwester, daß das strenge Gesetz ihn verpflichte, den Fall beim Kriegsgericht
anhängig zu machen. Da meinte die Schwester: "Nun, wenn Sie den Mann ins Unglück
bringen müssen, so kann ich auch die Dame nicht weiter pflegen, denn sie ist nicht Ihre
angetraute Frau, und es verträgt sich nicht mit meinem Ordenskleide, hier zu bleiben,
wenn Sie mir nicht versprechen, sich trauen zu lassen." Das war dem Offizier sehr
peinlich, denn die Dame war sterbenskrank, und doch mußte er im Interesse der
militärischen Zucht den Soldaten zur Anzeige bringen. Da verfiel er auf folgenden
Ausweg. Er ließ die gesamte Mannschaft antreten und rief auch Schwester Ludwina
herbei. Dann wurde der Gefangene vorgeführt, und unter lautloser Stille und
gespanntester Aufmerksamkeit der Besatzung erklärte der Kommandant, daß ihn die
Schwester um Gnade für den Sträfling gebeten habe. Er lege nun der versammelten
Mannschaft den schwierigen Fall vor und fragte sie, ob sie für Gnade oder die Strenge
des Gesetzes stimmen. Wie aus einem Munde erscholl der Ruf: "Gnade! Gnade!" Eine
Träne der Rührung stahl sich in das Auge des Offiziers. Der Gefangene aber warf sich
der Schwester zu Füßen, um ihr zu danken. Da ertönte von den Lippen der rauhen
Krieger der begeisterte dreihundertstimmige Ruf: "Es lebe die gute Schwester!" Nun
meldete der Kommandant diesen merkwürdigen Vorfall dem Kriegsgericht, das in
Anbetracht der besonderen Umstände Gnade für Recht walten ließ und den Häftling
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freisprach. Die Schwester ihrerseits drang weiter in den Kommandanten und ruhte
nicht, bis er ihr das ehrenwörtliche Versprechen gab, nach der Genesung der Kranken
sie vor Gott und der Welt zum rechtmäßigen Weibe zu machen. Groß war die Freude
der tapferen Schwester, als sich nach kurzer Zeit der Kapitän mit seiner nunmehrigen
Gattin im Schwesternhause vorstellte und sich bedankte für das Glück, das ihm der Mut
und die Entschlossenheit der Schwester bereitet habe.
Wie eifrig und erfolgreich haben nicht nur unsere Schwestern in diesem Sinne
während des großen Weltkrieges gewirkt! Wie vielen sterbenden Kriegern in deutschen
und französischen Lazaretten haben sie zu einem christlichen Tode verholfen nach
einem langen gottentfremdeten Leben! Wie manches Mal gelang es ihnen, wilde Ehen
zu regulieren! Wie oft können die französischen Schwestern melden, daß durch ihre
Bemühungen im Unglauben aufgewachsene Soldaten in den Lazaretten die erste
heilige Kommunion empfingen oder nicht Getaufte sich für die heilige Taufe vorbereiten
ließen! Es würde zuweit führen, hier diese Fälle alle aufzuzählen.
Das sind so einige Beispiele von der seelsorgerlichen Hilfsarbeit unserer
Schwestern. Viele ihrer neben der eigentlichen Berufsarbeit laufenden Werke, wie
Mädchenhorte und Jungfrauenvereine, verfolgen direkt die angedeuteten Zwecke. Für
alle Leiterinnen solcher Institutionen können die angedeuteten Worte gelten, welche
Stadtpfarrer Wiedemann im November 1913 der verstorbenen Oberin Cäciliana zu
Worms ins Grab nachrief: "Sie rief den schönen Marienverein ins Leben, dem sie als
Präfektin vorstand. Mit mütterlichem Rate stand sie jedem rettend und helfend zur
Seite. Ihr unermüdlicher Geist ruhte noch nicht, sie sah die Gefahren, die den
alleinstehenden jungen Leuten draußen drohen. Um diesen Gefahren zum Teil abhelfen
zu können, erachtete sie es als ein Bedürfnis, im Martinsstift diesen jungen Leuten
einen guten Mittagstisch zu bereiten sowie Gelegenheit zu geben, ihre Mittagspause
dort zu verbringen." 229)
Alle die zahlreichen sozialen Werke, welche in der älteren, mehr noch in der neueren Zeit von den Niederlassungen unserer Kongregation in den Groß- und
Industriestädten ins Leben gerufen wurden, dienen nicht zum geringsten Teil der
sittlich-religiösen Hebung und Förderung der so leicht gefährdeten weiblichen Jugend.
So sind die Schwestern des Allerheiligsten Heilandes fleißige und erfolgreiche
Arbeiterinnen im Weinberge des Herrn. Daß der Herr ihre Arbeit reichlich segnet, ist ihr
schönster Lohn und ihr bester Trost. Sie sind auch heute noch dem alten Geiste treu
geblieben, den die selige Stifterin in die Herzen ihrer ersten Töchter gepflanzt hat. Auch
auf ihre Nachfolgerinnen passen die schönen Worte, welch Domkapitular Molitor zu
Speyer einst zum Lobe der jungen Genossenschaft gesprochen hat: "Das ganze
Tagewerk der Schwestern und sehr oft noch die Stunden in der Nacht sind ein
fortgesetztes, unermüdliches Opfer. Sie besuchen die Armen, sie reinigen ihre
verpesteten Stuben, sie säubern die verwahrlosten Kinder, sie ermahnen zur Arbeit,
zum Gebet, zum Kirchengange, sie pflegen die verlassenen Kranken, sie trösten die
Sterbenden und schmücken die ärmste Dachkammer reinlich aus, wenn der Priester die
heilige Kommunion bringt. Dabei hat immer ihre barmherzige Liebe ihr
Hauptaugenmerk auf die geistige Not gerichtet, und die Predigt des Evangeliums, die
sie in den Häusern an jung und alt richten, ist darum so eindringlich und erfolgreich, weil
sie wenig Worte machen, es aber an der Predigt durch die evangelische Tat nicht
fehlen lassen. Da sie ärmer, notdürftiger leben als die Darbenden selbst, so können sie
mit allem Nachdruck zur Armut im Geiste, zur Ablegung des Müßigganges, zur Geduld
und Ergebung in der Not ermahnen." 230) Es bleibt immer wahr, was der Erzbischof von
Reims, Kardinal Langénieux, einst dem Superior Simonis schrieb 231): "Jede Pfarrei,
welche neben einem frommen Pfarrer eine von Euren Töchtern besitzt, ist sicher, daß
der Glaube geweckt wird und daß die Kinder und Kranken sich heiligen."
132
Viertes Kapitel.
Die sozialökonomische Bedeutung der Kongregation
für Staat und Gesellschaft.
Nichts kann mehr für die Notwendigkeit und die sozialökonomische Bedeutung
der kirchlichen Wohltätigkeitsgenossenschaften sprechen als die Tatsache, daß die
radikale französische Regierung gleich nach Ausbruch des Weltkriegs die früher
erlassenen ordensfeindlichen Dekrete wieder aufhob. Sie tat es, der Not gehorchend,
nicht dem eigenen Triebe, weil sie einsah, daß alle jene Organisationen der kirchlichen
Wohltätigkeit schlechthin unersetzlich seien.
Der Geschichtsschreiber der Niederbronner Genossenschaft wird es daher auch
nicht unterlassen, auf deren sozialökonomische Bedeutung für den Staat hinzuweisen,
und zeigen, was eine solche karitative Genossenschaft für die darbende und leidende
Menschheit leistet.
Schon oben ist dargelegt worden, daß die Gründung der Genossenschaft einem
dringenden Bedürfnis der damaligen Zeit entgegenkam 232); als besonders wohltätig
wurde gleich in den ersten Jahren ihres Bestehens die Ausübung der ambulanten
Krankenpflege empfunden. Heute, wo auf die Pflicht des Staates in der Krankenfürsorge immer mehr hingewiesen wird 233), wo namentlich die Notwendigkeit der
Hauskrankenpflege sowohl in den Armenvierteln der Großstadt als auf dem
abgelegenen Dorfe von Ärzten und Volksfreunden immer mehr betont wird, zeigt es
sich, daß unsere Genossenschaft mehr als je Daseinsberechtigung hat, und daß sie
dem modernen Staate kostbare und - was besonders hervorzuheben ist - doch nicht
kostspielige Dienste leistet. "Mehr und mehr", sagte Professor Rumpf im Jahre 1896
gelegentlich der Berliner Gewerbeausstellung, "wird es in das Bewußtsein des Volkes
übergehen, daß die Krankenschwester eines der wichtigsten Organe der öffentlichen
Gesundheitspflege, insbesondere der chronischen Krankheiten ist. Dann wird nicht
allein in Krankenhäusern Platz für Schwestern sein, das kleinste Dorf wird eine oder
mehrere Schwestern haben, welche der Pflege der Kranken und der Sorge für die
Umgebung dieser leben." 234) Diese Tätigkeit vor allem in der Gemeindekrankenpflege
ist von Anfang an als ein besonders segensreiches Arbeitsfeld der Kongregation
betrachtet und mit größtem Erfolg bebaut worden. Kaum drei Jahre nach dem
Entstehen der Genossenschaft konnte der Niederbronner Kantonalarzt Dr. Kuhn das
Wirken der Schwestern in anerkennender Weise folgendermaßen charakterisieren:
"Nicht nur wachen diese frommen Töchter am Bette der Kranken, lassen ihnen Tag und
Nacht die eifrigste Sorge angedeihen, wobei sie sich den Gefahren ansteckender
Krankheiten aussetzen und jedem Ekel trotzen, sondern indem sie in die Hütte des
Armen eindringen, bringen sie die Tröstungen der Religion mit sich, vertreiben durch
Sanftmut die Rohheit und bringen die Sauberkeit zur Herrschaft da, wo man sie bisher
nicht kannte." 235) In diesen wenigen Worten ist die ganze soziale Bedeutung der
privaten Krankenpflege anerkannt.
Heute ist man in maßgebenden Kreisen mehr noch als früher von dieser
Bedeutung durchdrungen, namentlich für die Armenkrankenpflege. Welche
mannigfachen Aufgaben hier der Krankenschwester harren, und wie schwer und
verantwortungsvoll, aber auch wie segensreich ihr Wirken ist, sagt uns treffend Dr.
Jakobsohn:
"Zweifellos
bildet
die
Armenkrankenpflege
bzw.
die
Gemeindekrankenpflege den schwierigsten und verantwortungsvollsten Zweig der
privaten Krankenwartung. Diese Tätigkeit umfaßt eine Reihe von Aufgaben, welche von
133
vornherein nicht unmittelbar zum eigentlichen Pflegedienst am Krankenbette, wie er in
der Hospitalpflege oder in der Privatpflege in begüterten Kreisen vor sich geht, gehören,
aber doch der Lage der Sache nach untrennbar mit ihr verbunden sind. Die
Krankenpflegepersonen, welche in der Armenkrankenpflege arbeiten, müssen nicht nur
sich die Fürsorge für die ihrer Obhut unterstellten Kranken angelegen sein lassen,
sondern es fällt ihnen auch eine wichtige und sehr bedeutungsvolle volkshygienische
Aufgabe zu. Sie sind als die besten und wirksamsten Pioniere gesundheitlicher
Lebensweise anzusehen, als die berufenen Träger sanitärer Aufklärung, die geeigneten
Zerstörer des Aberglaubens auf dem Gebiete des Gesundheits- und Krankenpflege,
welche so oft die Ursachen des menschlichen Elends, des körperlichen wie auch des
geistigen Siechtums, der Ausbeutung der verheerenden Volksseuchen sowie die
unüberwindlichen Hindernisse der Krankenbehandlung und Genesung bilden. Vermöge
ihrer intimen Stellung in den mittellosen Familien, in denen sie häufig auch die Sorge für
den Haushalt, die Obhut der Kinder usw. übernehmen müssen, gelingt es ihnen oft
besser noch als dem ja nur kurze Zeit verweilenden Arzte, erziehlich zu wirken, von
schädlichen Lastern zu entwöhnen und zu fruchtbringender Arbeitsamkeit anzuregen.
So wird die Tätigkeit der Gemeindekrankenpflegerin zu einer in prophylaktischer,
therapeutischer und sozialer Beziehung gleich wichtigen." 236)
Die hier angedeuteten Aufgaben sind stets von den Niederbronner Töchtern bei
der Ausübung ihres Berufes erfüllt worden. Aus den anerkannten Satzungen der
Genossenschaft mag einiges die Krankenpflege Betreffendes hier eingefügt werden.
Der erste und wichtigste Zweck der Genossenschaft ist die ambulante Krankenpflege,
vor allem in den Wohnungen der Armen. Darin, daß die Kongregation bis heute der
A r m e n k r a n k e n p f l e g e in Stadt und Land sich vorzüglich gewidmet hat, liegt ihre
große soziale Gegenwartsbedeutung. An erster Stelle der Konstitutionen heißt es: "Die
Schwestern pflegen die Kranken in deren eigenen Wohnungen. Sie suchen besonders
die armen Kranken auf und lassen sich angelegen sein, ihnen eine angemessene
Nahrung, die betreffenden Arzneimittel, die notwendige Bett- und Leibwäsche zu
verschaffen." Bei Ausübung der Krankenpflege sollen die Schwestern "weder
beschwerende Mühsale noch Verdemütigungen, weder Abwillen noch Gefahren für ihre
Gesundheit oder ihr Leben scheuen. Sie werden ihren Eifer mit dem Gedanken nähren,
daß sie für Gott arbeiten, der ihnen den Beruf geschenkt und ihre Belohnung sein will.
Sie werden sich befleißen, in den Armen und Kranken unsern Herrn Jesus Christus zu
ehren, der vom Himmel gekommen ist, die Wunden unserer Seelen zu pflegen, und
welcher die Verheißung gegeben, daß er alles, was wir für den letzten der Seinigen tun
werden, als ihm selbst getan annehmen wird".
Das Verhalten dem Arzte gegenüber wird treffend dahin bestimmt: "Es ist den
Schwestern verboten, sich in die Wahl eines Arztes für die Kranken einzumischen. Sie
sollen sich angelegen sein lassen, die Vorschriften des Arztes richtig aufzufassen, um
sie dann pünktlich zu beobachten." Im übrigen haben sie sich nur um das Wohl des
ihnen anvertrauten Kranken zu bekümmern. "Gespräche sowie das Lesen über Politik,
Gemeinde- oder Pfarrangelegenheiten sind den Schwestern verboten. Wenn in einer
Gemeinde Zerwürfnisse vorkommen, so werden die Schwestern nicht Partei ergreifen.
Auch in Familiengeschäfte werden sie sich nicht einmischen. Sind sie bei Reichen, so
werden sie sich wohl hüten, die Klagen der Dienstboten anzuhören." Nach diesen
allgemeinen Voraussetzungen eines ersprießlichen Krankendienstes werden folgende
hygienische Maßnahmen befohlen:
"Die Schwester wird die Reinlichkeit herstellen oder bewahren bezüglich der
Person des Kranken und dessen Lagers, in den Gefäßen zu dessen Bedienung, im
Krankenzimmer und in allem, was sich darin befindet. Sie wird die Auslüftung und
134
Beleuchtung desselben besorgen, aber dergestalt, daß es dem Kranken nicht
unbequem werde.
Dieselbe Reinlichkeit sollen die Schwestern an ihrer eigenen Person beobachten.
Die Hände waschen und die Kleider reinigen, so oft als es nützlich sein kann, doch
ohne einen Ekel oder Widerwillen merken zu lassen.
Die Schwester wird die Ordnung handhaben:
a) in der Person des Kranken, damit sowohl für die Anständigkeit als für sein
Wohlergehen Fürsorge geschehe und er passend zugedeckt sei;
b) im Krankenzimmer, damit alle, auch die geringsten Gegenstände, welche der
Schwester anvertraut sind, sich immer am gehörigen Platz befinden. Die
Aufmerksamkeit und die Opferwilligkeit der Schwester sollen sich dem Kranken zu
erkennen geben in der Pünktlichkeit, mit welcher er gepflegt wird; denjenigen aber, die
ihn besuchen, in der Reinlichkeit, Ruhe und Ordnung, welche im Zimmer herrschen. Sie
wird besonders fürsorgen, daß der Kranke nicht aufliege und aus Mangel an Pflege
noch Wunden erhalte.
Den Schwestern wird dringend empfohlen, die ihnen gegebenen
Vorsichtsmaßregeln, besonders bei ansteckenden Krankheiten, nicht zu
vernachlässigen. So sollen sie nicht ohne Ursache zu nahe am Krankenbette stehen,
Verbindungen nicht ohne Fürsorge vornehmen, wenn sie selbst etwa eine wunde Hand
haben, den Hauch des Kranken nicht ohne Notwendigkeit unmittelbar einatmen, das
Bett etwas ausdünsten lassen, bevor sie es zurichten usw.
Liegen arme Eltern krank danieder und ist niemand da, um an hilfebedürftigen
Kindern Mutterstelle zu versehen, so wird sich die Schwester eine Pflicht daraus
machen, ihre Fürsorge diesen Kindern reichlich zuzuwenden."
Diese letzgenannte Bestimmung ist von besonderer sozialer Bedeutung; denn
gerade in der Armenkrankenpflege kommt sehr oft außer der eigentlichen Pflege des
Erkrankten noch die Sorge um die Aufrechterhaltung und Unterstützung des ganzen
Hauswesens hinzu, wenn nämlich die Hausfrau selbst erkrankt ist, ganz fehlt oder für
den nötigen Lebensunterhalt sorgen muß. Dann obliegt der pflegenden Schwester auch
die Fürsorge für die unerwachsenen Kinder, sie ist Krankenpflegerin und Mutter
zugleich, muß sich in Fällen bitterster Armut - die in Großstädten viel häufiger
vorkommen, als man ahnt - um das Beschaffen der nötigen Nahrung, ja auch der
Kleidung und der Bettwäsche kümmern: kurz, sie ist in verzweifelten Lagen für viele
Familien der rettende Engel, der nicht nur in hygienischem Sinne aufklärend wirkt,
geordnete Zustände in verrotteten Familien anbahnt, sondern auch durch sein ganzes
Wesen und Auftreten einen sittlich veredelnden Einfluß auszuüben imstande ist. Es ist
kein geringes Lob, das am 20. August 1883 der Bischof von Lüttich, Viktor Joseph, in
einer Zuschrift an den Heiligen Stuhl unsern Schwestern spendet: "Am meisten aber
leuchtete ihr Eifer in der Pflege der kranken Armen, denen sie nicht bloß Heilung des
Körpers, sondern auch der Seele unaufhörlich angedeihen lassen. Während sie aber
auf diese Unglücklichen die Fülle ihrer barmherzigen Liebe ergießen, führen sie durch
ihre liebevollen Ermahnungen und ihr Beispiel die Familienangehörigen zur Besserung
ihrer Sitten und Ausübung der Tugenden. Daher geschah es, daß das ärmste Viertel
der Stadt, in dem allerlei Laster grassierten, durch den heilsaman Einfluß der
Schwestern so sehr sich änderte, daß es die Bewunderung des Pfarrklerus und aller
Gutgesinnten erregte."
In manchen Städten verbinden unsere Schwester mit der gewöhnlichen
Krankenpflege seit einigen Jahren noch die spezielle Fürsorge für Lungenkranke. Die
eigens dafür angestellten Schwestern machen in regelmäßigen Zwischenräumen ihren
Rundbesuch bei den vom Armenarzt ihnen bezeichneten Tuberkulösen, um sich genau
135
über ihren jeweiligen Zustand, Fortschritt oder die Verschlimmerung der Krankheit zu
unterrichten und die entsprechenden Maßnahmen zu treffen nach den Anordnungen
des Arztes.
So sind gerade für die Armenbevölkerung der Großstädte die Stationen für
ambulante Krankenpflege eine soziale Wohltat ersten Ranges, und gerne erkennen die
Gemeinde- und Gesundheitsbehörden die Leistungen der Schwestern an 237).
Die Größe dieser Wohltat erhellt am besten aus einigen Ziffern. Wir greifen ein
Jahr aus der Vorkriegszeit heraus, das Jahr 1913. Die Genossenschaft besaß allein im
Deutschen Reiche 212 Stationen für ambulanten Krankendienst mit 786 Schwestern.
Diese pflegten 46714 Kranke. Die Zahl der Nachtwachen - die Tagpflegen und die
unzähligen kleineren Dienstleistungen lassen wir unberücksichtigt, da nicht alle
Stationen darüber berichtet haben - betrug 81707.
Dabei ist zu beachten, daß eine große Zahl der Stationen der bäuerlichen
Bevölkerung auf dem Lande zugute kommen, und daß sehr viele dieser Stationen
schon zu einer Zeit gegründet waren, wo der Wert dieser sozialen Einrichtung noch
nicht so allgemein anerkannt war wie heute 238). Das ist ein Verdienst, das man unserer
Genossenschaft im Vereine mit andern kirchlichen Krankengenossenschaften, "bei
deren Mitgliedern hohe Leistungsfähigkeit mit größter Opferwilligkeit gepaart sich findet"
239), nicht hoch genug anrechnen kann. Noch im Jahre 1899 konnte der oldenburgische
Regierungsrat Düttmann mit Bezug auf kirchliche Krankenpflegevereinigungen sagen:
"Was die letzten Jahrzehnte auch an verheißungsvollen Anfängen auf dem Gebiete der
Ausbildung von Krankenpflegerinnen gebracht haben, das Schwergewicht liegt auch
heute noch immer bei den konfessionellen Genossenschaften, deren werbende Kraft
durch jene Konkurenz, wenn man sie so nennen darf, nicht geschwächt, sondern eher
gesteigert ist." 240) Diese Worte, die sich auf die kirchlichen Genossenschaften beider
Konfessionen beziehen, gelten im gewissen Sinne auch heute noch. Trotz der
ständigen Zunahme eines weltlichen, auf Erwerb angewiesenen Pflegerinnenpersonals,
dessen berufstechnische Ausbildung wir vollauf anerkennen, wird gerade für die
ambulante Armenkrankenpflege die Tätigkeit katholischer Ordensgenossenschaften
nicht entbehrt werden können. Einmal, weil diese ein echtes Karitaswerk sein muß.
"Höhere, übernatürliche Beweggründe müssen dieser Tätigkeit, welche immer
aufreibend und voller Gefahren ist, jene Weihe verleihen, die man sonst als
selbstverständlich voraussetzt, wenn das Weib den Kranken unterschiedslos, vorab den
männlichen, heute hier und morgen dort, wie eine Schwester dem Bruder, die intimsten
Dienste leisten soll." 241) Dazu kommt, daß gerade die katholischen Genossenschaften
bezüglich des Kostenpunktes ganz geringe Anforderungen stellen. Was Düttmann im
allgemeinen über die bescheidenen Bedingungen der Krankenpflegeorden sagt, findet
in der Chronik der meisten unserer Schwesternniederlassungen eine zutreffende
Illustration: "Nicht selten wird nur die Bereitstellung eines kleinen Häuschens, in dem
dann außer der Wohnung der Schwestern vielleicht einige Krankenbetten aufgestellt
werden, beansprucht und erwartet, daß die Mittel zur Unterhaltung der Schwestern
durch milde Gaben gedeckt werden." 242) Wie bescheiden, ja ärmlich sind die Anfänge
vieler Niederlassungen gewesen, und welches Maß an Opferwilligkeit und Selbstverleugnung wird mitunter von den Schwestern gefordert! Man muß sich oft wundern,
wie sie mit dem wenigen, was ihnen zum Lebensunterhalt zu Gebote steht, nicht nur
sich selbst erhalten, sondern auch noch für Arme und Notleidende sorgen und durch
eine ans Wunderbare grenzende Sparsamkeit manche Anstalten zu blühender
Entwicklung bringen konnten. In der persönlichen Bedürfnislosigkeit und Genügsamkeit
des um Gottes Lohn arbeitenden Personals liegt vielfach die Erklärung dafür, daß so
große Resultate mit möglichst geringen Mitteln erzielt werden konnten; es ist dies
wiederum ein nicht zu unterschätzendes sozialökonomisches Moment, das im
136
staatlichen Haushalt den Wert unserer Genossenschaft nicht gering anschlagen läßt
243).
Neben den Niederlassungen für ambulante Krankenpflege und oft mit diesen eng
verbunden sind eine stattliche Reihe von mehr oder weniger ausgedehnten, modern
eingerichteten Krankenhäusern, die von der Genossenschaft teils in eigener Regie teils
im Auftrag von Gemeinden oder karitativen Vereinen betrieben werden 244).
Die
größeren
Krankenhäusern
sind
zugleich
die
praktischen
Krankenpflegeschulen für die Schwestern, die hier die theoretische Ausbildung
ergänzen. Eine vorzügliche, staatlich genehmigte Krankenpflegeschule ist seit 1912 in
dem allen Anforderungen neuzeitlicher Hospitaltechnik genügenden stattlichen St.
Odilienkrankenhaus zu Straßburg-Neudorf in Betrieb 245). So ist für die tüchtige
Ausbildung bestens gesorgt, und die vielfach gegen das katholische
Ordenskrankenpflegepersonal geäußerten Bedenken entbehren der begründeten
Unterlage 246).
Mit dem engeren Krankendienst ist aber die soziale Bedeutung der Kongregation
nicht erschöpft. Auch in der sonstigen Armenfürsorge leistet sie Beachtenswertes;
Zeuge dessen sind die Armen- und Pfründnerhäuser, deren es 1913 in Deutschland 40,
in Frankreich 6 waren.
Dazu kommt eine ausgedehnte Waisenfürsorge. Im Elsaß allein besitzt die
Genossenschaft fünf eigene Waisenhäuser, die im Jahre 1913 877 Waisenkinder
erzogen; auf die den Schwestern anvertrauten Anstalten des übrigen damaligen
Deutschlands entfällt ebenfalls eine beträchtliche Zahl, so daß für das Deutsche Reich
(mit Elsaß) im Jahre 1913 1737 Waisen der Pflege der Genossenschaft unterstanden,
während französische Waisenhäuser ca. 200 Kinder aufwiesen. Mit bestem Erfolg war
die Kongregation bemüht, aus den ihr anvertrauten Zöglingen nützliche Glieder der
menschlichen Gesellschaft heranzubilden, begabten Kindern konnte vielfach auch eine
höhere Bildung auf den Lebensweg mitgegeben werden.

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In beträchtlichem Maße ist die Genossenschaft auch auf dem so wichtigen
Gebiete der K i n d e r - u n d J u g e n d f ü r s o r g e tätig.
Die große soziale Bedeutung der Kinderbewahranstalten ist heute, im Zeitalter
des Industrialismus, wohl unbestritten. Mit der zunehmenden Erkenntnis dieser
Bedeutung hat sich die Niederbronner Genossenschaft, obschon sie die Krankenpflege
als Hauptzweck betrachtet, auch dieses Zweiges moderner Wohlfahrtspflege
angenommen 247). Vielfach hängt ja die Kinderbewahranstalt aufs innigste mit der
Armen- und Waisenpflege zusammen, in allen jenen Fällen, wo die Familie nicht in der
Lage ist, die Erziehung der Kinder richtig und genügend zu leiten, sei es, daß der
Erwerb die Mutter aus der Kinderstube verbannt, sei es, daß eine leider in Großstädten
nur zu häufig auftretende sittliche Verwilderung des Familienlebens eine geordnete
Erziehung unmöglich macht. Da springt die rettende Liebe ein, und die Barmherzige
Schwester wird in Wahrheit all den Kleinen, mit denen sich die Mutter tagsüber nicht
abgeben kann, zur zweiten Mutter und übt an den armen Würmchen ein nicht
geringeres Werk der christlichen Liebe als am Bette des Kranken. So erklärt es sich,
daß zahlreiche, im Dienst der Krankenpflege stehende katholische Orden sich schon
früh an dem eminent sozialen Werke der Kleinkinderschulen beteiligt haben, wenn auch
die landläufige Literatur, die sich in Verherrlichung Fröbels, des Begründers der
Kindergärten, nicht genug tun kann, von diesen gleichgearteten Bestrebungen nichts
verzeichnet. Mit Recht sagt daher ein Erzieher: "So groß auch das Verdienst Fröbels
und seiner Freunde um die Kindergärten ist, so darf doch nicht vergessen werden, daß
137
die Idee der Unterstützung der Familie bei der Sorge um die kleinen Kinder auch von
anderer Seite aufgegriffen und realisiert worden ist. Vornehmlich waren es einige
Ordensgenossenschaften, die sich in liebevollster Weise der Kleinen annahmen. Nicht
bloß in großen Städten, sondern auch in kleinen Ortschaften, ja sogar auf dem Lande
finden wir gewöhnlich als Anhang zu einem Krankenhause auch eine von Schwestern
gehaltene Bewahranstalt, und die Ortsbewohner sind recht froh, daß sie dort ihre
Kinderchen unterbringen können. Wir haben recht viele solcher Anstalten besucht und
uns stets gefreut über die himmlische Geduld, mit der so eine Schwester tagtäglich und
stündlich der kleinen und kleinsten Bedürfnisse und Anliegen Rechnung trug. Wir
behaupten: Wo tausend andere die Geduld verlieren würden, diese Schwestern
behalten sie. Es muß wohl der an Opfer gewohnte Ordensstand es mit sich bringen,
daß diese Schwestern ohne Rücksicht auf Entgelt mit solcher Freudigkeit und Liebe
ihrem Berufe leben." 249)
Dieses Wort ist allen Freunden der christlichen Bewahrschule aus der Seele
gesprochen. Der Verfasser dieser Geschichte hatte während seiner Studienjahre in
München (1901 - 1903) und in späteren Ferienwochen im dortigen Herz-Jesu-Kloster
unserer Kongregation tagtäglich Gelegenheit, die unendliche Geduld der
Kinderschulschwestern zu bewundern, die in diesem Ameisenhaufen wuselnder,
krabbelnder Kinder Zucht und Ordnung und doch auch Frohsinn und Heiterkeit
aufrechterhalten konnten. Es entging ihm nicht, daß von einer in diesem tief christlichen
Geiste geleiteten Bewahrschule ein äußerst segensreicher Einfluß auf die Familie und
das gesamte soziale Leben unmittelbar durch die mit den Müttern verkehrende
Schwester und mittelbar durch die Pfleglinge ausströmen kann. Die Erfahrung hat ja
gelehrt, daß es für gewisse Volkskreise leichter ist, durch die Kinder die Erwachsenen
als umgekehrt jene durch diese zu beeinflussen. Über den Geist, von dem solche
Anstalten geleitet sind, und ihren Zweck sagt uns ein Bericht des Vereins der
Kleinkinderbewahranstalt der Heiliggeistpfarrei in München, die im Jahre 1884 von
unsern Schwestern im Herz-Jesu-Kloster eröffnet wurde: "Wir fordern von der
Kleinkinderbewahranstalt zwei Dinge: 1. daß in derselben Kinder von 3 bis 6 Jahren
aufgenommen, über Tags behalten, erzogen, auf Wunsch mittags verköstigt und nach
Möglichkeit, dem Alter entsprechend, unterrichtet werden; 2. daß das Leben in der
Anstalt vom katholischen Geiste durchdrungen und getragen sei. Unter letzterem
verstehen wir insbesondere, daß die Kinder in den Grundwahrheiten unserer heiligen
Religion unterrichtet und erzogen werden. Gottes Allmacht, Allgegenwart, Allwissenheit,
Güte, Gerechtigkeit, Gottes Lohn und Strafe in diesem und im andern Leben, den
Begriff der Tugend wie den Begriff der Sünde, die Notwendigkeit und Schönheit des
Gebetes nebst der Fähigkeit, beten zu können, die Geschichte von Weihnachten,
Ostern und Pfingsten: dies alles ist ein Samenkorn, das seinen fruchtbarsten Boden in
den Kinderherzen findet. Dies ist der Lehrstoff, den jede christliche Mutter ihrem Kinde
zu vermitteln verpflichtet ist, und wo die Kinderbewahranstalt an Stelle der Eltern tritt,
übernimmt sie die elterlichen Pflichten. Es gibt in der ganzen Welt nichts, was
Kinderherzen so zu bilden und zu veredeln und zugleich für alles übrige Lernen so
vorzubereiten vermag als der Unterricht und die Übung des Kindes in der Religion."
Man glaube aber nicht, daß das Religiöse, wie es nach diesem etwas reichlichen
Programm scheinen könnte, überwiegt, daß die Kinder etwa mit religiösen Elementen
übersättigt würden - ein Vorwurf, den die Anhänger der religiös indifferenten
Fröbelschen Methode gerne den christlichen Bewahrschulen machen 249).
Bei aller echt christlichen Wärme wird das weise Maß der direkt christlichreligiösen Beeinflussung nie überschritten, mit Weitherzigkeit werden Winke von allen
Seiten, auch von der Fröbelschen Richtung, verwertet. In Karlsruhe und Mannheim sind
neuestens direkte Fröbelgärten von den Schwestern eingerichtet worden.
138
Der minimale Wochensatz - von 20-50 Pfennig, bei Verabreichung des Essens
von 1 Mark in der Vorkriegszeit -, den die Eltern für die Kinder als Entschädigung zu
entrichten haben und der in besonderen Fällen auch noch erlassen wird, macht diese
Bewahrschulen zu einer sozialen Wohltat ersten Ranges. Es ist ferner zweifellos, daß
sie dem sittlichen Verderben der Jugend entgegenwirken, und sicher, daß sie fast
überall die Sterblichkeit der Kinder gemindert haben. Für das deutsche Reichsgebiet
entfielen auf unsere Genossenschaft im Jahre 1913 93 Bewahrschulen mit zusammen
10121 Kindern, von denen 1714 auch verköstigt wurden; 123 Schwestern waren dafür
tätig. Die Zahl der Bewahrschulen ist seither gewachsen.
An einem der segensvollsten Werke für Kinderwohlfahrtspflege, den sog.
K r i p p e n , worin Kinder bis zum dritten Lebensjahre gehegt und gepflegt werden, und
welche namentlich in Städten mit Arbeiterbevölkerung von größter sozialer und
hygienischer Tragweite sind 250), ist unsere Kongregation ebenfalls beteiligt. Sie
unterhält in Deutschland sieben solcher Anstalten, die im Jahre 1913 insgesamt 283
Kinder beherbergten. 1917 und 1918 wurden weitere Krippen in Darmstadt und Worms
eingerichtet.
Das stete Anwachsen der Großstädte mit ihren großen Gefahren für die
heranwachsende Schuljugend hat in der neueren Zeit zur Gründung von
K i n d e r h o r t e n geführt 251). Ihre wichtige Aufgabe besteht darin, schulpflichtige Kinder
unbemittelter, auf Erwerb außerhalb des Hauses angewiesener Eltern "während eines
Teiles der schulfreien Zeit zu beaufsichtigen, sie nützlich zu beschäftigen und in einer
für Verstand und Gemüt anregenden Weise zu unterhalten, um sie auf diese Weise an
Gehorsam, Tätigkeit, Ordnung und andere guten Sitten zu gewöhnen und vor dem
Einfluß schlechter Gesellschaft zu bewahren" 252). Von solchen sozial ungemein
bedeutsamen Anstalten haben die Niederbronner Schwestern in Deutschland sieben für
Mädchen mit zusammen 590 Kindern, zwei für Knaben mit 127 Besuchern (die Zahlen
gelten für 1913) teils in eigener Verwaltung, teils im Auftrag von karitativen Vereinen
unterhalten. Es ist klar, daß in all diesen Horten, in denen eine große Anzahl Kinder um
äußerst geringes Entgelt ein kräftiges Mittagsbrot erhalten, die Einwirkung auf die
Kinder in christlichem Sinne betont wird 253). Den Glanzpunkt des Jahres bildet hier wie
auch in den Bewahrschulen, die von der Genossenschaft unterhalten werden, die
Weihnachtsfeier mit der Bescherung. Man muß einer solchen beigewohnt haben, um
die große soziale Bedeutung eines scheinbar belanglosen Ereignisses richtig zu
würdigen; man versteht dann auch, daß sich die Schwestern die saure Mühe nicht
verdrießen lassen, viele Monate hindurch die wenigen freien Augenblicke, die ihnen das
harte Berufsleben läßt, für die Anfertigung zahlloser Kleidungsstücke und anderer
nützlicher Gebrauchsgegenstände zu verwenden, mit denen sie die meist armen Kinder
bescheren 254). Angesichts der allgemeinen Freude fühlen sich die Gebenden reicher
beschenkt als die Empfangenden.
Mit vielen Niederlassungen für ambulante Krankenpflege sind ferner
H a n d a r b e i t s s c h u l e n (Näh-, Strick- Flickschulen) verbunden, teils für die
schulentlassene, teils für die noch schulpflichtige Jugend an solchen Orten, wo eine
eigene Lehrkraft für diesen Unterricht an der Schule nicht besteht. In Bayern erteilen
einzelne Schwestern auch den obligatorischen Handarbeitsunterricht in der
Volksschule. Auch einige H a u s h a l t u n g s s c h u l e n werden von der Genossenschaft
geleitet.
Als eine ihrer Nebenaufgaben bezeichnet die Kongregation auch folgende: Die
Schwestern halten auf Wunsch und auf Begehren der Pfarrgeistlichkeit "an Sonn- und
Feiertagen Versammlungen von Jungfrauen, um dieselben zur Übung jungfräulicher
Tugenden anzuleiten." Dementsprechend stehen in Belgien, Deutschland und
Frankreich eine große Anzahl J u n g f r a u e n v e r e i n e mit über 7000 Mitgliedern unter
139
der Leitung unserer Schwestern, sowie einige Dienstbotenvereine. Dazu kommen eine
Anzahl von M ä d c h e n h e i m e n , welche erwebenden Mädchen, Arbeiterinnen,
stellenlosen Dienstboten, Ladnerinnen, Beamtinnen Unterkunft und Beköstigung
gewähren.
Aus dieser knappen Zusammenstellung erhellt zur Genüge der gewaltige soziale
Wert eines modernen karitativen Organismus von der Art unserer Genossenschaft. Ihre
Mitglieder sind selbst vielfach, ja zumeist Kinder mittlerer Volksschichten, Töchter
kleiner Leute. Die Aufnahmebedingungen kommen in weitherzigster Form dem sozialen
Empfinden unserer Zeit entgegen. Keine Standesrücksichten sind maßgebend, nur der
sittliche Wert der an die Klosterpforten pochenden Persönlichkeit, ihr reiner, guter Wille
und die sonstigen für den Beruf nötigen Qualitäten sind ausschlaggebend, nicht Stand,
Bildung und Besitz. Eine sog. "Mitgift" - 800 Mark – ist zwar in den Satzungen
vorgesehen, aber ihr Fehlen eher die Regel als die Ausnahme. Töchter des Volkes, die
dessen Leiden und Nöte kennen, gehen sie wieder hinaus zu ihm, zu den Kranken und
Armen, bescheiden, demütig, ohne jedes Aufsehen zu erregen, und wandeln
segenspendend durch die leidende Menschheit.
Mit möglichst geringen Kosten leisten sie der Gesellschaft außerordentlich
wertvolle Dienste. Rein volkswirtschaftlich betrachtet, gilt auch für unsere
Genossenschaft, was der Nationalökonom W. Hohn für die Trierer Borromäerinnen für
deren wirtschaftlichen Wert im Dienste des Staates feststellt: "Zunächst gehören die
Kräfte an sich, die Personen, welche sich in diesem Institut in den Dienst des einzelnen
Volkes und der Menschheit überhaupt stellen, dem Geschlechte an, das in der
Produktion wirtschaftlicher Güter naturgemäß hinter das männliche zurücktritt und der
Allgemeinheit in gewöhnlichen Fällen nur indirekt, durch Begründung einer Familie und
gute Kindererziehung, dienen kann. Jungfrauen, die das ehelose Leben im Kloster als
Beruf erwählen, würden auch aller Voraussicht nach in der Welt ehelos geblieben sein.
Jene Vermögensvorteile, welche sie bei der Erbabfindung vor der Profeß den
Geschwistern bereitwillig zugewandt und dadurch deren Wohlstand gefördert haben,
wären in der Welt von ihnen selbst verbraucht worden, ohne in gleicher Weise dem
Volkswohlstande zugute zu kommen. Vielfach hätte sich ihre Kraft in den Familien der
Eltern und Geschwister verzettelt und nicht die rechte wirtschaftliche Betätigung
gefunden." 255)
Ferner ist zu beachten, daß die für den Krankenpflegeberuf gründlich
ausgebildeten Profeßschwestern dauernd in ihrem Berufe - sei es in der Anstalts- oder
Privatkrankenpflege - tätig sind, daß sie ihre Erfahrungen am Krankenbette ständig
vermehren und dadurch die wertvolle Stütze des Arztes werden, von deren Hingabe
und Sachkenntnis in sehr vielen Fällen die Heilung des Patienten abhängt. "Daß eine
Barmherzige Schwester, die ihr Leben diesem Berufe widmet, dem Arzte eher dienen
kann als eine vorübergehende Pflegerin von kürzerer und kürzester Erfahrung, liegt auf
der Hand. Die Kosten ihrer Ausbildung sind im Verhältnis zu diesen an sich geringer,
und weil sie ihr Leben lang bleiben, was sie sind, weder nach drei oder seien es auch
mehr Jahre, ihren Beruf aufgeben oder heiraten oder sich pensonieren lassen, so
brauchen Mühe, Kosten und Zeit der Ausbildung nicht so häufig aufgewandt zu werden,
als wenn vorübergehende Pflegerinnen ihre Stelle versähen; man kann doch rechnen,
daß sie mit einem Durchschnittsalter von 45 Jahren vier andere Pflegerinnen
(Diakonissen und definitiv angestellte Pflegerinnen anderer Vereinigungen in eins
genommen) ohne klösterliche Verbindlichkeit aushalten." Infolge der schon
angedeuteten verhältnismäßig geringen Aufwendungen für die Erhaltung der
Pflegekräfte wegen der einfachen Lebenshaltung der Schwestern werden Leistungen
erzielt, die in andern Fällen nur unter Aufwendung ganz bedeutender Mittel zustande
kämen.
140
Zu berücksichtigen ist auch, worauf schon oben einmal hingedeutet wurde, daß
der anerkannte Sinn für Häuslichkeit, Ordnung und Sparsamkeit der Schwestern den
von ihnen verwalteten Häusern zugute kommt, mögen sie nun Eigentum der
Genossenschaft selbst sein oder Gemeinden und gemeinnützigen Körperschaften
angehören. Als be-zeichnend in dieser Hinsicht seien die Worte einer Denkschrift des
Vinzentiusvereins von Karlsruhe vom Jahre 1891 angeführt, in welcher die glückliche
Entwicklung des dem Verein gehörenden Krankenhauses auf die Tätigkeit der dort
angestellten Niederbronner Schwestern zurückgeführt wird: "Die vorzügliche Führung
des Haushaltes im St. Vinzentiushaus, die volle selbstlose Aufopferung der Schwestern
für die Vereinszwecke, das und nichts anderes ist das Fundament, auf dem sich die
Anstalt aufgebaut hat. Das ist das fruchtbare Erdreich, aus dem dieselbe ihr kräftiges
Wachstum und ihr glückliches Gedeihen zieht." Durch alle diese Anstalten aber
"erlangen in vorzüglicher Weise gerade jene Mitglieder der menschlichen Gemeinschaft
Hilfe in der Not, für welche schwachen Familien, oder wenn diese nicht dazu imstande
sind, Gemeinde und Staat die Sorge und Last zufällt".
Dazu kommt endlich noch der sehr beachtenswerte Umstand, daß die
Schwestern die staatlichen und gemeindlichen Lasten beträchtlich erleichtern, indem
sie die Mildtätigkeit weiter vermögender Kreise anregen 256). Und schließlich noch ein
hoher Gesichtspunkt: "Einmal das Hochopfer, welches das Ordensmitglied durch die
Weihe des ganzen Lebens für den engeren Dienst Gottes und des Nächsten in
Unterordnung unter ein gemeinschaftliches Ganze bringt, dann die große
psychologische und soziale Bedeutung des dauernden gemeinschaftlichen
Zusammenwirkens." 257)
141
Drittes Buch.
Äußere Geschichte der Genossenschaft.
Ihre Ausbreitung.
Erster Abschnitt.
Die im Jahre 1866 abgetrennten Zweige zu Wien, Ödenburg und Würzburg.
Erstes Kapitel.
Die Niederlassung in Wien und ihre Trennung (1857 - 1866).
Am 30. Dezember 1856 wandte sich die Gräfin Flora v. Fries im Auftrage des
Maria-Elisabethenvereins von Wien, dessen Vorsteherin sie war, an die Leitung des
Mutterhauses Niederbronn mit der Bitte, einige Schwestern zu senden, welche sich in
der Pfarrei Reindorf, einem damaligen Vorort von Wien 258), der Erziehung von
Waisenkindern und der Krankenpflege widmen sollten. Durch die Schenkung eines im
Braunhirschen Grund gelegenen Hauses (Nr. 61) war die Möglichkeit einer solchen
Niederlassung gegeben. Kardinal Rauscher, der Oberhirte der Wiener Erzdiözese,
genehmigte in einem an die Gräfin v. Fries gerichteten Handschreiben vom 28. März
1857, "daß ein Schwesternhaus der Töchter des göttlichen Erlösers zu Reindorf
gegründet und die hierzu erforderlichen Mitglieder der genannten geistlichen
Kongregation aus der Diözese Straßburg berufen werden". Er fügt bei: "Ich bitte
übrigens Gott, daß dies Samenkorn reichliche Früchte tragen möge, und zwar um so
mehr, da die große Bevölkerung der Pfarrei Reindorf an kirchlichen Anstalten so arm
ist." 259)
In Niederbronn willfahrte man gerne dem Wunsche des Elisabethenvereins.
Schwester Theophile Daur, aus Niederbronn gebürtig, eine sehr befähigte und
tatkräftige Natur, kam im Laufe des Frühjahrs 1857 mit vier andern Schwestern als
Oberin der neuzugründenden Filiale nach der Kaiserstadt 260).
Allein schon zu Anfang stellten sich Schwierigkeiten ein, da der
Elisabethenverein die Schwestern ausschließlich seinen Zwecken dienstbar machen
wollte. Schwester Theophile war aber nicht gewillt, dem Wirkungskreis der neuen
Niederlassung so enge Schranken zu setzen. Resolut, wie sie war, ging sie gleich an
die richtige Stelle, indem sie unterm 1. Oktober 1857 dem Herrn Kardinal die
Bedingungen mitteilte, unter denen sie ihre Tätigkeit auszuüben gesonnen war: "Der
fromme Maria-Elisabethenverein stellt uns die Zumutung, daß wir uns nur der
Förderung des Zweckes dieses Vereins innerhalb des uns angewiesenen Hauses und
vor allem der Obsorge über die uns übergebenen Mädchen widmen sollen. So sehr wir
auch bereit sind, dieses zu tun, so müssen wir uns doch vorbehalten, daß wir frei und
ohne erst eine Erlaubnis dieses Vereins einholen zu müssen, uns, sobald es die
Umstände erlauben werden, dem Hauptzwecke unserer Kongregation widmen zu
dürfen, nämlich der Krankenpflege in den Wohnungen der Kranken. Wir nehmen daher
von dem Vereine nur jene Unterstützung in Anspruch, welche zum Unterhalte der in
dem Hause verwendeten vier Schwestern, zur Erziehung der uns übergebenen Kinder
und zur Pflege der uns vom Verein überwiesenen Armen nötig ist, und muten diesem
Verein nicht zu, daß er auch jene Lasten, welche durch unsere Krankenpflege in den
auswärtigen Wohnungen entstehen, tragen soll, rücksichtlich welcher wir auf die
142
göttliche Vorsehung vertrauen und uns auch vorbehalten, die an uns gelangten
Almosen, welche wir nicht vom Maria-Elisabethenverein bekommen, nach unserm
Gutdünken zu frommen Zwecken verwenden zu dürfen."
Man versteht sehr gut, daß sich die Wiener Oberin gegen die Zumutung wehrte,
bloß das willenlose Organ der Elisabethendamen zu sein, daß sie sich namentlich
sträubte gegen das von diesen an die Schwestern erlassene Verbot der
H a u s k r a n k e n p f l e g e , die doch der Hauptzweck der Kongregation war. Sie setzte
sich auch sogleich mit dem damaligen Pfarrer von Reindorf in Verbindung, der von
ihrem Vorhaben, in seiner Pfarre die Hauskrankenpflege zu übernehmen, entzückt war,
und sie sprach sich auch in einer persönlichen Vorstellung des längeren mit dem
Kardinal aus. Anfangs empfing der Kirchenfürst sie ziemlich kühl. Doch hören wir
Schwester Theophile selber ihre Erlebnisse schildern: "Ich ließ mich nicht abschrecken,
und er wurde so väterlich und so gut und versprach mir, ganz meine Stütze zu sein, ich
sollte nur in allen meinen Anliegen meine Zuflucht zu ihm nehmen. Er sagte mir, je
mehr Kranke Sie hier besorgen, desto mehr Freude wird es mir machen, und mein
sehnlichster Wunsch ist, daß Ihr kleines Haus, das Sie bewohnen, ein großes Kloster
wird, daß viele, viele von Ihren Schwestern hier wirken können; den folgenden Tag ließ
ich mich mit einer Schwester zum Herrn Statthalter führen, der so gern mit Franzosen
zu tun hat. Ich sprach französisch mit ihm; er äußerte die größte Freude, französische
Schwestern hier in Wien etabliert zu sehen, und sagte mir, er selbst wolle uns beim
Kaiser ankündigen. Von dort ging ich zum Herrn Bezirksrat und zu den andern
Obrigkeiten der Gemeinde unserer Pfarrei, von welchen wir mit der größten Freude
empfangen wurden." 261)
Das Bedürfnis nach Schwestern, welche die ambulante Krankenpflege ausübten,
war tatsächlich in Wien sehr dringend. Die vorhandenen Barmherzigen Schwestern
genügten kaum für den Spitalkrankendienst. Mit scharfem Blick erkannte Schwester
Theophile, daß einer selbständigen Niederlassung der Niederbronner Schwestern ein
segensreicher Wirkungskreis auf dem Boden der Stadt Wien beschieden sei, wenn man
die Tätigkeit der Schwestern nicht einschränkte, wie es sich die Elisabethendamen
dachten. Da eine Einigung mit ihnen nicht erzielt werden konnte, die Generaloberin
aber eine Rückkehr der ausgesandten Schwestern nicht wünschte, zogen sie aus dem
vom Verein zur Verfügung gestellten Hause fort und mieteten sich vorläufig eine andere
Wohnung in der Schwanengasse Nr. 61.
Es folgten nun schwere, entbehrungs- und arbeitsreiche Tage und Monate für die
Schwestern. Aber die zähe Ausdauer der Oberin und die Opferfreudigkeit der
Mitschwestern trugen ihre Früchte. Am 1. März 1858 erließ Schwester Theophile mit
Gutheißung der geistlichen und weltlichen Behörden einen Aufruf zu Beiträgen für die
Gründung einer neuen Wohltätigkeitsanstalt für die Erziehung und Verpflegung armer,
verwaister und verlassener Kinder in dem Pfarrbezirk Reindorf. Im September
desselben Jahres wurde diese Anstalt eröffnet. Die Anfänge waren schwer. Neue
Schwestern kamen, um die Arbeitslast zu teilen und vor allem um das segensreiche
Werk der Krankenpflege auszuüben. Am Anfang des Jahres 1859 wünschte der
erzbischöfliche Sekretär Kornheisl, der von Anfang an das Unternehmen tatkräftig
förderte, von Rom aus dem Werke Glück und Segen. "Sagen Sie", schreibt er der
Oberin, "den neuangekommenen Schwestern, daß sie in Wien Wunder wirken müssen,
sonst geht es nicht. Denn ohne Geld ein großes Waisenhaus errichten und mit einem
Dutzend Schwestern die Krankenpflege in einer so großen Stadt unternehmem, heiße
ich doch Wunder wirken."
Die Schwestern aber brachten dieses Wunder fertig.
Schon nach kaum zwei Jahren hatten sie 150 Kinder in ihrem Waisenhause
versammelt. Die alte Behausung war zu enge geworden; Schwester Theophile war es
143
gelungen, zwei Häuser in der Kaiserstraße zu erwerben und für ihre Zwecke
einzurichten 262). Es fehlte auch nicht an Neidern und Verleumdern, die den
Stadtmagistrat gegen das neue, segensvolle Unternehmen mobil machten. Der
Magistrat drohte der Oberin mit der Entziehung der Waisenkinder. Kurz entschlossen,
forderte Schwester Theophile ihn auf, die Kinder zu holen. Da gab es einen allgemeinen
Protest der interessierten Kreise, und der Magistrat bat, die Oberin möchte doch die
Kinder behalten. Das war kein kleiner Sieg, und mit Stolz machte die Oberin dem
Straßburger Bischof Räß davon Mitteilung 263). Sie berichtet ferner, daß der
Krankendienst in Wien viel Arbeit mache. Wien sei eine verdorbene Stadt. Selten finde
man einen Kranken, der die Sterbesakramente empfangen wolle; die Schwestern
hätten in dieser Hinsicht viel zu beten und zu kämpfen; doch sei bis jetzt keiner von den
ihrer Pflege anvertrauten Kranken ohne die Heilmittel der heiligen Kirche aus dem
Leben geschieden. An Geldsorgen fehle es nicht; in den letzten zwei Jahren hätte sie
170000 Franken für Bauzwecke ausgegeben, doch seien davon bereits 110000
Franken bezahlt. Mit 400 Franken Schulden und Gottvertauen hätten sie angefangen.
Gott werde weiter helfen.
Im Jahre 1863 konnte bereits eine Filialgründung zu Ödenburg in der
ungarischen Diözese Raab vorgenommen werden. Mehr und mehr Schwestern mußten
vom Mutterhause herüberkommen. Als Bischof Räß im Sommer desselben Jahres das
Wiener Haus besuchte, konnte er der Mutter M. Alphons mitteilen, "daß dort die
Schwestern einen sehr heilsamen und allgemein anerkannten Wirkungskreis haben. Es
steht dort der Kongregation eine gesegnete Zukunft bevor. Der Kardinal, ein sehr
einsichtsvoller, beobachtender, kalt beurteilender, aber entschiedener Mann, ist dem
Werke außerordentlich zugetan, und nicht zwar sowohl in Worten als vielmehr
tatkräftig". Das Haus sei aber bereits zu eng; die Oberin wolle das Nachbarhaus kaufen,
er selbst, auch der Kardinal sei dafür. "Wenn in Österreich nachhaltig gewirkt werden
soll, müssen viele dortige Schwestern Aufnahme finden. Allein der weite Weg und die
Kosten schrecken ab. Mir scheint es daher unbedingt notwendig, an die Gründung
eines dortigen Postulates zu denken. Es ist dieses um so mehr ratsam, weil dort alle
Gutgesinnten, besonders Se. Eminenz und seine Umgebung, der festen Überzeugung
sind, daß die Strömung von dem Mutterhause ausgehen und Leitung und Leben von
dorther kommen und fortbestehen müssen." 264)
Der Gedanke, den Räß in Übereinstimmung mit Kardinal Rauscher faßte,
nämlich dem Wiener Hause ein Postulat anzugliedern, ist ebenso natürlich als
praktisch. Man konnte dadurch, daß man junge, zum Ordensberuf neigende Mädchen
in Wien aufnahm, auf einen viel stärkeren Zuzug österreichischer Mitglieder rechnen.
Die weite Reise nach dem fernen Frankreich schreckte manche Eltern ab, ihre Kinder
dorthin zu senden. Ein kürzerer oder längerer Aufenthalt aber im Wiener Hause, der
über die Fähigkeiten und Berufsmöglichkeiten inländischer Kandidatinnen ein sicheres
Urteil ermöglichte, bevor sie das eigentliche Noviziatsjahr im Mutterhause antraten,
erschien als das beste und einfachste Mittel, an Ort und Stelle selbst Kandidatinnen in
größerer Zahl zu gewinnen.
Schwester Theophile dachte aber weiter. Sie träumte bereits, ehe der Kardinal
noch an diese Möglichkeit dachte, von einem Wiener Noviziate. Als Räß Wien
verlassen hatte, kaufte sie sofort das Nachbarhaus für 49500 Gulden. Woher das Geld
nehmen? In letzter Stunde kam Hilfe. Die Gräfin Dietrichstein erbot sich, die Summe zu
begleichen, nachdem die Oberin ihr erklärt hatte, daß Bischof Räß sich mit der Absicht
trage, ein Noviziat zu errichten. Sie teilte es unterm 12. Juli Räß mit und fügte bei:
"Heute habe ich dem Kardinal es gemeldet, er hat mich sehr ermuntert, das Haus gut
zu einem Noviziat zu organisieren, und versprach mir noch namhafte Hilfe und Geld."
144
Damit war aber der erste Keim zur halb erfolgten Loslösung vom Mutterhause
gelegt. Mit einem selbständigen Noviziat war die Einrichtung einer von Mutterhause in
inneren Verwaltungssachen mehr oder weniger unabhängigen Provinz gegeben. Hatte
die selbständigere Stellung einer Provinzialoberin für Schwester Theophile vielleicht
eine besondere Anziehungskraft, daß sie den von Räß und dem Kardinal angeregten
Gedanken eines Postulates aus eigener Machtvollkommenheit weiter auf das Noviziat
ausdehnte? Im Mutterhause legte man ihr diese Absicht unter. Wie dem auch sei; auf
jeden Fall führte die von diesem Zeitpunkt ab erörterte Noviziatsfrage zur Trennung
vom Mutterhause. Dazu kam das wachsende Mißtrauen zwischen Schwester Theophile
und der Generaloberin, das einerseits genährt wurde durch das geheime Drängen jener
nach der Lösung des Noviziatsproblems, anderseits durch die großen, der
Generaloberin mißfallenden Baupläne zur Vergrößerung des Wiener Hauses. Das
Tempo der Wiener Oberin schien der ehrw. Mutter zu rasch, die Entwicklung des
Hauses zu schnell und in Anbetracht der bedeutenden notwendigen Geldmittel zu
gewagt.
Schwester Theophile wußte sich zu helfen. Anfang Februar 1864 wurde ihr
gestattet, eine Sammlung zu veranstalten. Sie wandte sich mit folgendem gedruckten
Aufruf an das gute Wiener Herz:
"Die Kongregation der Töchter des göttlicher Erlösers (Wien, Schottenfeld,
Kaiserstraße Nr. 27) ist bei der rasch zunehmenden Zahl der armen Kinder und jener
älteren, kränklichen Frauenspersonen aus besseren Ständen, welche in dem Pensionat
der Kongregation gegen möglichst billige Entschädigung Unterkunft und Verpflegung
erhalten, genötigt, statt der bisherigen Zimmerkapelle eine eigene Hauskapelle zu
erbauen. Die Zahl der durch die Kongregation verpflegten Personen beträgt mit
Einschluß der Ordensschwestern, welche sich der Krankenpflege widmen, in diesem
Augenblicke nahe an zweihundert. Gibt Gott seine Gnade dazu, so wird der Bau bis
zum kommenden Jahre vollendet sein, und dann werden nicht bloß die Bewohner des
Pensionats, die verwaisten und armen Kinder und die im Krankendienst ermüdeten
Ordensschwestern an dem Herzen des göttlichen Erlösers, der mitten unter ihnen
wohnt, Trost, Kraft und heilige Liebe gewinnen, sondern auch Fremde, welchen bei
besonderen Anlässen die Kapelle geöffnet wird, sich in den gottgeweihten Räumen
erbauen.
Se. Eminenz, unser hochw. Herr Kardinal Fürst-Erzbischof, der großmütige
Förderer aller edlen und frommen Werke, hat der Kapelle ein prachtvolles Altargemälde
zugesagt und dessen Ausführung der Meisterhand des Herrn k. k. akademischen
Professors Karl Wurzinger übertragen. Jede Gabe zur Bestreitung des kostspieligen
Baues wird mit größtem Danke und mit größter Gewissenhaftigkeit zur Ehre Gottes und
zum Heile der Seelen verwendet werden.
Wien, am Feste Mariä Lichtmeß 1864." 265)
Bereits am 18. Oktober desselben Jahres wurde die Kapelle des Neubaues
durch den Kardinal selbst eingeweiht, der vor den zahlreichen Anwesenden eine
Ansprache hielt.
Nach der Vollendung und zweckmäßigen Einrichtung des Neubaues faßte
Kardinal Rauscher, offenbar von Schwester Theophile stark beeinflußt, den Plan eines
eigenen Noviziates stärker ins Auge. Unterm 13. Februar 1865 ersuchte Se. Eminenz
den Straßburger Bischof, "dem Wiener Hause die Errichtung eines Noviziates zu
gestatten. Daß es im rechten Geiste geleitet wird, verbürgen die Eigenschaften der
Oberin, und die ohnehin stattfindenden Visitationen geben der Generaloberin alle
Gelegenheit, sich hiervon zu überzeugen. Der Zweck der Stiftung ist die Ehre Gottes
145
und das Heil der Seelen, und er wird durch die Errichtung des Noviziates wirksam
gefördert".
Räß benachrichtigte die Generaloberin sofort von dem Vorhaben des Kardinals.
Nach reiflicher Rücksprache mit dem Kongregationsrat unterbreitete sie (6. April 1865)
dem Bischof folgende Bedenken. "Der gute Ordensgeist, den man in den Schwestern
von Niederbronn bewundert, ist eine Frucht des Noviziates. Ein getrenntes Noviziat wird
trotz der Visitationen und Exerzitien 266) nicht dasselbe leisten; so wird der Einheitsgeist
allmählich abnehmem und endlich, je nachdem Umstände eintreffen, die völlige
Trennung von dem Zentralhause statthaben. Die Erfahrung lehrt, was solche Trennung
in andern Kongregationen für bedauernswürdige Folgen hatte." Die Generaloberin hat
das Recht und die Pflicht auf sich, die Schwestern in die Sukkursalhäuser und
Wohltätigkeitsanstalten zu versenden. Damit sie diese Versendung zweckmäßig
machen kann, muß sie eine genaue Kenntnis von dem Charakter und von den
Eigenschaften der zu versendenden Schwestern haben. Wie kann sie aber diese
Kenntnis von jenen haben, die nicht unter ihrer Leitung gebildet wurden? Wenn
Bedenken gegen die weite Reise ins Mutterhaus geltend gemacht würden, so könne
man wohl sagen, daß eine von Gott berufene Jungfrau sich durch die nötigen Auslagen
nicht von ihrem Vorhaben abschrecken lasse. Zudem ständen auch die materiellen
Interessen des Mutterhauses auf dem Spiel, da bei der sehr ungünstigen finanziellen
Lage des Mutterhauses dieses fast ganz auf die von den Aspirantinnen mitgebrachten
Aussteuersummen angewiesen sei. Zuletzt sei in den Konstitutionen vorgesehen, daß
nur beim Mutterhaus ein Noviziat sein dürfe.
Die Generaloberin blieb aber nicht bei einem brieflichen Gedankenaustausch in
der für die Kongregation so wichtigen Angelegenheiten stehen. Sie reiste noch im April
nach Wien. Sie erstattete von hier aus (30. April 1865) dem Straßburger Oberhirten
Bericht über das Ergebnis ihrer Reise. In anderthalbstündiger Unterredung besprach sie
die Sache mit dem Kardinal. "Er war äußerst zuvorkommend und billigte alle meine
Ansichten, die ich mit aller Entschlossenheit und ohne Furcht darlegte. Ich sah wohl ein,
daß ich nicht absolut das Vorhaben des Noviziates absprechen dürfte, jedoch stellte ich
meine Bedingungen so, daß es noch lange Zeit braucht, um es ins Werk zu setzen." Sie
berichtet aber auch von Unstimmigkeiten, die zwischen ihr und der Wiener Oberin
zutage traten. Es sei dieser unerträglich gewesen, daß die Novizenmeisterin von der
Generaloberin ernannt würde. Sie sagte rund heraus, daß sie keine Schwester aus dem
Mutterhause oder aus einem andern Hause annehme zur Bildung der Novizen, sie
wolle ihre Schwestern selbst bilden.
Man ersieht hieraus, daß zwischen der Generaloberin und der Wiener Oberin
Gegensätze bestanden, die für die Zukunft nichts Erfreuliches versprachen. Das
größere Maß von Selbständigkeit, das sich aus den angedeuteten Wünschen der
Schwester Theophile feststellen läßt, mußte einer Vorgesetzten von der Art der Mutter
M. Alphons großes Mißbehagen bereiten. Doch würde man der Wiener Oberin Unrecht
tun, wenn man behaupten wollte, sie hätte von vornherein eine Trennung in die Wege
leiten wollen. Am 11. Dezember desselben Jahres hat der erzbischöfliche Sekretär
Kornheisl in einem Schreiben an die Generaloberin ausdrücklich betont, daß Schwester
Theophile sich entschieden dagegen verwahrt habe, und sie selbst bat um dieselbe Zeit
(29. Dezember 1865) den Straßburger Bischof, er möge bei der ehrw. Mutter unter allen
Umständen erreichen, daß eine Trennung vom Mutterhause nicht eintrete.
Wenn Mutter M. Alphons bei ihrer Unterredung mit dem Kardinal sich der
Hoffnung hingegeben hatte, die ihr sehr unerwünschte Errichtung eines Noviziates auf
unbestimmte Zeit hinausschieben zu können, so täuschte sie sich. Am 19. Dezember
1865 wiederholte der Wiener Kirchenfürst, den Schwester Theophile ganz für ihre Pläne
gewonnen hatte, sein Begehren bei Bischof Räß. Seine Wünsche gehen aber schon
146
viel weiter, er fordert die Errichtung eines auch vermögensrechtlich vom Mutterhaus
unabhängigen Provinzialhauses. Indem er darauf hinweist, daß er die Frauen vom
Guten Hirten 267) nur dadurch wider die damalige Regierung, den Landtag, das
Abgeordnetenhaus und die Tagesblätter habe halten und retten können, daß er sie zu
einer österreichischen Ordensprovinz vereinigt habe, verlangt er die gleiche Einrichtung
auch für die Niederbronner Schwestern, "wenn sie die Hoffnungen erfüllen sollen,
welche sie erweckt haben. Sie bedürfen dringend einer mit entsprechenden
Vollmachten versehenen Provinzialoberin und eines dieser Oberin unterstehenden
Noviziates. Dann wird es den Häusern von Wien und Ödenburg an Kandidatinnen nicht
fehlen; die Ausstattung derselben wird den Grund zur Sicherstellung der zeitlichen
Hilfsmittel legen, und auch neue Gründungen werden nicht auf sich warten lassen. Für
die Zukunft der Genossenschaft in Österreich und den Fortbestand des guten Werkes
zur Ehre Gottes und dem Heile der Seelen ist die ehrw. Schwester Theophile
unentbehrlich. Der Generaloberin wird es natürlich freistehen, die Häuser in Österreich
selbst oder durch eine Bevollmächtigte zu visitieren, und hält sie es für zeckmäßig,
einen Priester aus dem Elsaß zur Leitung der geistlichen Übungen abzusenden, so wird
dies kein Hindernis finden, auch nicht in ökonomischer Beziehung, denn es handelt sich
dabei um keine bedeutende Summe. Doch ist es notwendig, daß die Selbständigkeit
des Vermögens der Provinz gewahrt werde. Es ist recht und löblich, wenn die Töchter
des Erlösers in Österreich und überall mit dem Mutterhause durch das Band der Liebe
vereinigt bleiben und die Innigkeit ihrer Teilnahme sich auch durch Geldbeiträge
bewährt; aber mit Recht sorgt jedes Haus zuerst für sich und seine eigenen Bedürfnisse
und Erfordernisse der Liebeswerke, die es sich zur Aufgabe stellt". Der Kardinal ersucht
daher noch einmal den Straßburger Bischof, "der frommen Genossenschaft jene
Gliederung zu geben, welche durch die Ausbreitung derselben unentbehrlich geworden
ist, und die Tätigkeit der ausgezeichneten Oberin von den Hemmnissen zu befreien,
welche größeren Erfolgen im Wege stehen".
Räß antwortete 268) dem Kardinal, daß er es ablehne, den Gang der Dinge
irgendwie zu beeinflussen. Im Grunde war ja dessen Forderung gleichbedeutend mit
einer Abtrennung. Diese war die bedauerliche Folge der Verschleppungspolitik der
Mutter M. Alphons, welche bei ihrer Anwesenheit in Wien durch eine klügere
Behandlung der Noviziatsfrage wohl einen günstigeren Ausgang hätte herbeiführen
können. Am 16. März 1866 teilte Kardinal Rauscher der Schwester Theophile mit, daß
er sich entschlossen habe, mehrfach geäußerten Wünschen entgegenzukommen und
deshalb die Niederlassung der Niederbronner Schwestern zu einem selbständigen
Mutterhause mit Noviziat erheben wolle.
Am 21. März 1866 schickte Schwester Theophile folgendes Schriftstück ins
Mutterhaus:
"Wohlerhrw. Mutter! Ihnen herzlich dankend für alles empfangene Gute und uns
immerwährend Ihrem Gebete empfehlend, tun wir Unterzeichnete Ihnen, wohlehrw.
Mutter, kund, daß wir frei und unabänderlich entschlossen sind, von nun an dem Hause
in Wien, welches Se. Eminenz zu einem Mutterhause erhoben, uns anzuschließen und
bekennen uns hiermit als von dem Mutterhause Niederbronn getrennte Mitglieder."
(Folgen die Unterschriften von 24 Schwestern.) Die Ödenburger Schwestern gaben die
gleiche Erklärung mit ab.
Im Mutterhaus wirkte dieses Schreiben wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Daß
es so war, hatte man nicht erwartet. Für Mutter M. Alphons war es ein harter Schlag. In
einem Begleitschreiben hatte Schwester Theophile sie gebeten, unter keinen
Umständen mehr nach Wien zu kommen oder eine andere Schwester zu schicken,
denn die Trennung sei für immer beschlossen. Der Kardinal seinerseits hatte dem
Mutterhause keine weiteren Mitteilungen gemacht. Die Generaloberin erhob in einem
147
Schreiben an Se. Eminenz (26. März 1866) Einspruch gegen die von Schwester
Theophile getroffenen Maßnahmen, und auch der alte Superior Reichard machte in
einem fast gleichzeitig abgegangenen Brief (27. März 1866) bewegliche Vorstellungen
über eine eingetretene traurige Tatsache. Wenn der Kardinal eine Kongregation habe
gründen wollen, so sei das sein gutes Recht. Aber die Erhebung der Wiener Filiale zu
einem Mutterhaus sei wider alles Recht erfolgt und sei nur durch Schwester Theophile
inszeniert worden, die schon längere Zeit es an dem schuldigen Gehorsam und der
schuldigen Ehrfurcht gegenüber ihrer Oberin habe fehlen lassen.
Bischof Räß bedauerte den Bruch auf das tiefste und teilte durchaus die Ansicht
der Oberin im Mutterhause, "daß in Wien alles gegen die kirchliche Ordnung geschehen
ist" 269). Eine am 11. Juli von der Generaloberin nach Rom gesandte Beschwerde hatte
nur den Erfolg, daß dem Straßburger Bischof von Rom (19. November 1866) mitgeteilt
wurde, er möge sich mit dem Erzbischof von Wien wegen des Provinzialhauses
verständigen.
Es kam aber zu keiner Verständigung mehr. "Ich bedauere", so schrieb der
Kardinal am 19. Februar 1867 an Bischof Räß, "den Riß, der in die Genossenschaft der
Erlöserschwestern gekommen ist, und wünsche, daß die Oberin des Stammhauses ihre
Aufgabe richtiger beurteilen lernt. Vorderhand läßt es sich nicht vermeiden, daß die
Häuser im Elsaß, in Franken 270) und Österreich sich ohne Zusammenhang entwickeln.
Lassen sich später Anknüpfungspunkte finden, so werde ich bereitwillig die Hand
bieten." 271)
Es fanden sich jedoch keine Anknüpfungspunkte mehr. Die Wiener
Genossenschaft entwickelte sich selbständig weiter. Beim Tode der Schwester
Theophile (gest. 17. August 1888) zählte sie etwa 400 Mitglieder. Unter ihrer
Nachfolgerin, Frau Generaloberin M. Generosa Erhard, nahm sie einen raschen
Aufschwung. Als sie im Jahre 1907 die Feier des fünfzigjährigen Bestehens feiern
konnte, zählte sie über 1200 Mitglieder 272); im Jahre 1914 war die Mitgliederzahl der
Kongregation, welche fortan den Namen "T ö c h t e r d e s g ö t t l i c h e n H e i l a n d e s "
trug, auf 1300 angewachsen 273).
Zweites Kapitel.
Das Haus in Ödenburg, Diözese Raab (1863 - 1866).
Im Frühling 1863 bat der Bischof der ungarischen Diözese Raab um vier
Schwestern aus dem Wiener Hause für eine Niederlassung in der Stadt Ödenburg. Er
stellte ihnen ein Haus in seinem bischöflichen Gute zur Verfügung mit der Bestimmung,
junge Waisen und auch andere Kinder zu erziehen, zu unterrichten und sich auch um
die Krankenpflege in der Stadt zu bekümmern. Bald mußten aber noch weitere
Schwestern aus dem Mutterhause begehrt werden. An der Spitze der Ödenburger
Niederlassung stand Schwester Basilisse. Die Oberaufsicht darüber wurde, wegen der
allzu weiten Entfernung des Mutterhauses in Niederbronn, der Wiener Lokaloberin
übertragen. Das Werk blühte rasch empor. Ende 1865 hatten in Ödenburg 12
Schwestern anstrengende Beschäftigung; 96 Waisenkinder befanden sich in ihrem
Hause, auch ein anderes Waiseninstitut wurde ihnen übertragen, so daß um diese Zeit
in der Diözese Raab 16 Schwestern weilten.
Bei dem innigen Zusammenhange mit dem Wiener Hause war es klar, daß es
auch in die mit der Wiener Noviziatsfrage verbundene Verwicklung mit hineingezogen
wurde. Der Bischof Johann Simon von Raab handelte da ganz im Einverständnis mit
148
dem Wiener Oberhirten. Am 30. Dezember 1865 unterbreitete er dem Straßburger
Bischof folgende Wünsche:
„Damit die Kongregation, deren Zweck so löblich und nützlich ist, in Ungarn
fortbestehen und sich ausbreiten kann, was sehr zu wünschen ist, scheinen mir zwei
Sachen durchaus notwendig zu sein. Die erste ist, daß die Konstitutionen der
Kongregation vom Heiligen Stuhle gutgeheißen oder wenigstens, wenn diese
Gutheißung bisher noch nicht erlangt wurde, dieselben durch Ew. Gnaden bestätigt
seien 274)unter deren Jurisdiktion Niederbronn, die Wiege der Kongregation, gestellt ist,
und uns mitgeteilt werden, hauptsächlich mir als Bischof der Stadt Ödenburg. Ein
anderer, nicht weniger notwendiger Punkt ist die Errichtung eines Noviziates in Wien,
damit die Aspirantinnen nicht genötigt sind, bis nach Niederbronn ins Elsaß zu reisen,
um dort ihr Noviziat durchzumachen. Ohne die Errichtung eines Noviziates in Wien ist
nicht zu hoffen, daß aus Ungarn gebürtige Personen, die nur die Landessprache
beherrschen und keine andern Sitten und Bräuche kennen als die unseres Landes, sich
in die Kongregation aufnehmen lassen wollen." Die Eltern der etwa zum Eintritt
geneigten Töchter fürchteten die weite Reise und scheuten die Unkosten. Die
Errichtung eines Wiener Noviziates behebe alle diese Schwierigkeiten. "Daß das
Gedeihen der Kongregation in Ungarn und die Möglichkeit für unsere Kinder, sich
derselben anzuschließen, von dieser Bedingung abhängt, ist so klar, daß jede fernere
Begründung überflüssig erscheint. Daher bitte ich Ew. Gnaden herzlichst, von Ihrer
Gewalt Gebrauch zu machen, um baldigst die Errichtung eines Noviziates im Wiener
Hause anzuordnen. Indem ich Ew. Gnaden diesen Vorschlag unterbreite, bin ich weit
davon entfernt, eine Spaltung in der Kongregation veranlassen zu wollen oder die
Ödenburger Schwestern von dem Niederbronner Hause zu trennen, welches die Mutter
der Kongregation ist. Ich will, daß die Autorität der Generaloberin unversehrt bleibe, und
ich begehre nichts und habe nichts anderes im Auge, als was für andere
weitausgedehnte Genossenschaften Brauch ist: nämlich, daß unter der gesetzmäßigen
Gewalt einer Generaloberin mehrere Provinzen gestiftet werden, welche durch enge
Bande mit dem Mutterhause vereinigt bleiben." Zuletzt bittet er Bischof Räß,
veranlassen zu wollen, daß die im Jahre 1863 in das Niederbronner Noviziat
eingetretene Gräfin v. Pongracz, welche der ungarischen Sprache mächtig sei, als
Lehrerin dem Ödenburger Hause überwiesen werde 275).
Auch in Ödenburg gingen die Dinge den gleichen Lauf wie in Wien. Gleichzeitig
mit der Trennungserklärung der Schwester Theophile - am 21. März 1866 - traf im
Mutterhause zu Niederbronn auch die Erklärung der Ödenburger Oberin, Schwester
Basilisse Gürtler, ein, wonach sie mit 13 Schwestern sich entschlossen habe, "von nun
an das Haus in Wien als unser Mutterhaus anzuerkennen und uns zugleich als
getrennte Mitglieder des Mutterhauses von Niederbronn zu bekennen".
Es scheint aber, daß man in Ödenburg bald bedauerte, in die Trennung
eingewilligt zu haben, wie aus einem Schreiben der Schwester Basilisse an die ehrw.
Mutter erhellt (26. Januar 1867). Sie teilt ihr mit, daß sie in Raab bei dem Herrn Bischof
war, der ihr mitteilte, daß sie wieder an das alte Mutterhaus angeschlossen würden; er
hätte um die Zusendung der von Rom approbierten Regel gebeten. Er sagte auch, daß
der Kardinal von Wien die Trennung des Wiener Hauses noch nicht endgültig
ausgesprochen habe; er - der Bischof von Raab - hege die Hoffnung, daß auch Wien
sich wieder anschließen werde. "Auch las er mir einen Brief von Schwester Theophile
vor, welcher, ich bedauere es sagen zu müssen, voller Unwahrheiten war. Möchte sie
doch zur Einsicht kommen, daß man nur mit der Wahrheit bei dem lieben Gott und den
Menschen fortkommt." Danach muß der Bischof von Raab nicht ganz mit der völligen
Trennung der Ödenburger Filiale von Niederbronn einverstanden gewesen sein. Im
folgenden Jahre (1868) erhielt auch der neue Superior des Mutterhauses, Sattler, von
149
zwei Niederbronner Schwestern aus einer neuen Niederlassung zu Budapest die
Nachricht, daß der dortige Erzbischof - der damalige Raaber Oberhirte - den Wunsch
ausgesprochen habe, daß die Ödenburger Schwestern sich wieder mit dem alten
Mutterhause vereinigen möchten. Sattler schickte daher im Juli dem Erzbischof die
neuen Konstitutionen der Genossenschaft, ohne jedoch von dorther eine weitere
Äußerung in der Angelegenheit zu erhalten.
Das Ödenburger Haus seinerseits trennte sich bald von Wien und wurde
selbständiges Mutterhaus 276). Es verdient aber bemerkt zu werden, daß hier der
Wunsch noch lange rege blieb, wieder mit Niederbronn in Verbindung zu treten. Noch
im Jahre 1888 trug man sich in Ödenburg ganz ernstlich mit diesem Gedanken.
Schwester Albina, die ihre ewigen Gelübde noch in Niederbronn abgelegt hatte, war die
Seele solcher Bestrebungen. Sie setzte sich im Einvernehmen mit der damaligen
Generaloberin, welche nebst einer Mehrzahl von Schwestern die Wiedervereinigung mit
Niederbronn wünschte, mit Superior Simonis in Verbindung, der sie im April 1888 zu
einer Unterredung nach München bestellte. Schwester Albina und die damalige
Generaloberin kamen nach München und drückten dem Superior persönlich den
sehnlichsten Wunsch der Genossenschaft aus. Simonis befand sich in nicht geringer
Verlegenheit. Er hielt es für geraten, persönlich mit dem Bischof von Raab Rücksprache
zu nehmen und dessen Meinung zu hören. Anfang Mai reiste er hin, fand aber in der
Sache wenig Entgegenkommen; der Bischof dachte nicht an eine Wiedervereinigung
seiner Schwestern mit Niederbronn. Er brauche nötig Schulschwestern, und da die
Schwestern sich fast ganz dem Jugendunterrichte widmen, seien sie dem
ursprünglichen Zweck ganz entfremdet worden. So blieb alles beim alten, zum größten
Leidwesen der an der Sache interessierten Ordensfrauen 277).
Drittes Kapitel.
Würzburg (1854 -1866).
Schon im zweiten Jahre des Bestehens der Kongregation meldeten sich
überraschend viele Postulantinnen aus Würzburg und Umgebung im Mutterhaus zum
Eintritt. Der Geistl. Rat Emele, ein würdiger und angesehener Priester der Stadt, war die
Seele dieser Bewegung, und er trug sich schon im Jahre 1851 mit dem Plan, in seiner
Heimatstadt eine Niederlassung der Niederbronner Töchter ins Leben zu rufen 278).
Doch schenkte die Kongregationsleitung anfänglich diesem Ansinnen wenig Gehör, da
man nicht gerne Schwestern ihre Heimatgegend als Wirkungskreis anwies. Schließlich
unterstützte der Bischof von Würzburg - damals Georg Anton Stahl -das Ansinnen des
Herrn Emele und empfahl in einem Schreiben an Bischof Räß diesem die
Angelegenheit 279), indem er beifügte: "Ich kann dieses Unternehmen zugleich mit allen
Gutdenkenden, die die Sache kennen, nur mit Freuden begrüßen und zweifle nicht, daß
den Schwestern ein gesegneter und bald auch erweiterter Wirkungskreis sich öffnen
wird." Auch der Würzburger Elisabethenverein wünschte dringend die Entsendung
einiger Niederbronner Schwestern zur Ausübung der Krankenpflege und zur Leitung
einer Anstalt für verwahrloste Mädchen.
So wurde endlich am 11. Oktober 1854 die erste Niederlassung in Würzburg
gegründet 280). Schwester Honorine wurde als Oberin mit einigen Schwestern nach der
lieblichen Mainstadt geschickt. Ein kurz vorher verstorbenes Fräulein Franziska König
hatte ihr in Würzburg gelegenes Haus samt Mobiliar testamentarisch der Kongregation
verschrieben, mit der Klausel, daß, falls die Regierung die Schenkung nicht genehmige,
150
der Herr Bischof Erbe sein und die geplante Wohltätigkeitsanstalt errichten solle. Die
Generaloberin nahm die Schenkung nicht an und bat den Bischof, gleich an ihre Stelle
zu treten. Die Regierung genehmigte die Schenkung, das ansehnliche Haus wurde für
die Schwestern zweckmäßig instand gesetzt.
Das Unternehmen ließ sich bestens an. Die Tätigkeit der Schwestern, ihre
Opferwilligkeit und ihr erbaulicher Lebenswandel fanden allgemeine Anerkennung und
Bewunderung, auch bei Andersgläubigen. Diese Gefühle der Stadtbevölkerung kamen
in großartiger Weise zum Ausdruck bei dem Begräbnisse zweier kurz hintereinander
verstorbener Schwestern, die ihrem anstrengenden Krankenpflegeberuf früh zum Opfer
gefallen waren. Alle Schichten der Einwohnerschaft waren in endlosem Leichenzuge
beteiligt. Der allgemeine Wunsch, so meldet der Generalvikar Dr. Reißmann im Juli
1858, sei, daß sich die Schwestern in ihrer Aufopferung mehr mäßigen sollten. Das war
ein schönes und verdientes Lob.
Auch an andern Orten der Würzburger Diözese bildeten sich blühende
Niederlassungen der beliebten Genossenschaft. In K i s s i n g e n (1855) , V o l k a c h
(1857) ,
Dettelbach,
Lohr
(1858) ,
Kitzingen,
Heidingsfeld,
A s c h a f f e n b u r g , A r n s t e i n (sämtlich 1860) , K a r l s t a d t (1861) , H a ß f u r t
(1863) , M i l t e n b e r g , O c h s e n f u r t (1865) . In allen diesen Niederlassungen wirkten
die Schwestern segensreich. Hören wir aus der Zahl der vielen Anerkennungen nur die
Stimme der Karlstadter Distriktsspitalverwaltung (22. Juni 1866): "Das Wirken dieser
Schwestern ist ein wahrhaft religiöses und infolgedessen auch vom Segen des Himmels
überschüttet. Die Schwestern haben durch ihr streng religiöses, anmutiges und der
leidenden Menschheit aufopferndes Verhalten sich nicht nur die Hochachtung und das
Zutrauen aller derer, die mit denselben in Berührung kommen, im höchsten Maße
erworben, sondern auch bei der Karlstadter Verwaltung und allen weltlichen und
geistlichen Behörden der größten Zufriedenheit verdient gemacht."
So schien das von Niederbronn aus gepflanzte Reis in den fränkischen Gauen
einen fruchtbaren Boden gefunden zu haben. Aber früh schon zeigten sich Ansätze zu
Schwierigkeiten, die sich allmählich zu einem starken Gegensatze zum Mutterhaus
entwickeln sollten. Das Schicksal des Wiener Hauses wiederholte sich an Würzburg.
Man sah es von Anfang an in den leitenden geistlichen Kreisen ungern, daß die
in den Niederlassungen des Würzburger Sprengels angestellten Schwestern alljährlich
zu den im Mutterhause stattfindenden geistlichen Übungen reisen mußten.
Ein Schreiben des Würzburger Bischofs an den Straßburger Oberhirten (17.
September 1864) gibt darüber wünschenswerten Aufschluß: "Wäre es nicht besser",
heißt es da, "wenn überhaupt und für alle Zukunft für alle Schwestern im Bistum
Würzburg die heiligen Exerzitien hier gegeben würden? Ich habe sie schon zweimal
gehalten, ich bin gerne bereit, sie wieder zu halten, oder ich beauftrage hierzu einen
geeigneten Priester und habe auch gar nichts dagegen, wenn die Frau Generaloberin
selbst einen passenden Priester hierher senden und jedesmal selbst oder durch eine
Vertreterin beiwohnen will. Das Bistum Würzburg hat ca. 60 Schwestern. Rechne ich
nur 20 Gulden Reisegeld für jede, so macht das, wenn alle nach Niederbronn müssen,
im Jahre ca. 1200 Gulden. Man ist im Bistum Würzburg da und dort unzufrieden mit
dieser Ausgabe. Besonders unzufrieden hiermit ist Herr Crevenna, der große Wohltäter
der hiesigen Schwestern. Man sieht auch das häufige Reisen der Schwestern auf den
Eisenbahnen nicht gern, dessen Zerstreuungen man mit den geistlichen Exerzitien nicht
recht vereinbar findet. So erlaube ich mir, lediglich um der Sache willen, für die ich
seither gewiß aufrichtiges Wohlwollen bewiesen habe, dieses der Erwägung Ew.
Bischöflichen Gnaden anheimzugeben. Ob aber dieser Sache gedient sein wird, wenn
151
die Frau Generaloberin ein für allemal auf ihrer Ansicht beharrt? Ich habe Grund, sehr
zu zweifeln, und meine, der oben angedeutete Ausweg könnte zum Ziele führen."
Die angeführten Bedenken des Würzburger Bischofs haben vieles für sich.
Anderseits ist aber auch verständlich, daß es der Stifterin der erst im Werden
begriffenen Kongregation am Herzen liegen mußte, den Geist der Kongregation zu
festigen und das einheitliche Band, das alle Glieder der weitzerstreuten Klosterfamilie
dauerhaft umschlingen sollte, nicht locker werden zu lassen. Die jährlich
wiederkehrenden Exerzitien schienen ihr das beste Mittel hierzu. Bischof Räß riet ihr
jedoch, dem Ansinnen des Würzburger Kirchenfürsten nachzugeben, indem er ihr
schrieb (22. September 1864): "Die Geldfrage spielt in dem Benehmen der dortigen
Verwaltung eine Hauptrolle. Die Auslagen wären freilich außerordentlich, wenn die
Schwestern jedes Jahr alle zur Retraite einberufen würden. Diese Sache muß nach
reifer Überlegung zum Abschluß gebracht werden."
Daß dieser wünschenswerte Abschluß nicht zustande kam, liegt weniger an der
Generaloberin als an dem Verhalten der Würzburger Lokaloberin. Man hatte im
Mutterhaus die nicht ganz unbegründete Meinung, daß im Laufe der Jahre und mit der
zunehmenden Bedeutung des Würzburger Hauses Schwester Honorine ihre Stellung
selbstherrlicher gestalten wollte, als mit dem Geiste der Kongregationsstatuten
vereinbar war. Als sie sich im Sommer desselben Jahres (1864) durch den Bischof bei
der Generaloberin entschuldigen ließ, daß sie krankheitshalber den Herbstexerzitien im
Mutterhaus nicht beiwohnen könne 281), maß man dieser Entschuldigung keinen rechten
Glauben bei; man sah in diesem Verhalten die bestimmte Absicht der Würzburger
Oberin, sich von dem Mutterhause fernhalten zu wollen. Auch für das folgende Jahr ließ
sie sich abermals entschuldigen, was aber die Generaloberin als Ausflucht wieder nicht
gelten ließ. Wenn sie so krank sei, daß sie die Reise nicht machen könne, erhielt sie zur
Antwort 282), so sei sie auch nicht fähig, einem großen Hause vorzustehen. Diese
Antwort, von der Schwester Honorine sofort dem Bischof Kenntnis gab, verstimmte den
Würzburger Kirchenfürsten, der sogleich sich an das Mutterhaus wandte mit dem
Bemerken, daß Schwester Honorine auf seinen und des Arztes Rat diesmal nicht an
den Exerzitien teilnehme (7. August 1865). Gleichzeitig benachrichtigte er Bischof Räß
(8. August 1864) von dem Sachverhalt mit dem Bemerken, daß er selbst für geistliche
Übungen sorgen wolle. Räß möchte aber auf die Generaloberin einwirken, daß sie in
Zukunft mit dem Würzburger Hause doch mit mehr Diskretion verfahre und den dortigen
Verhältnissen besser Rechnung trage. Die Generaloberin sprach dann dem Würzburger
Bischof ihr Bedauern aus, ihm mißfallen zu haben. Aber die Schwestern aus der
Diözese Würzburg hätten ihr mitgeteilt, Schwester Honorine sei munter und gesund wie
zuvor. Schon dreimal habe sie sich von den Exerzitien dispensiert. "Wie kann ich ihr
Zutrauen schenken, wenn sie selbst keinen Gehorsam gegen die Regel und ihre
Vorgesetzten hat? Welches Beispiel gibt sie der ganzen Kongregation durch ein
solches Benehmen? Darf ich als Generaloberin dazu schweigen? Und ist es nicht an
mir, zu sorgen, daß die Beobachtung der Regel aufrecht bleibe?" 283) Auch andere
Klagen über Schwester Honorine erhebt sie in diesem Schreiben. Daß diese ihre
Rechte über Gebühr ausdehnte, geht aus einem späteren Warnungsschreiben der
Generaloberin hervor: Schwester Honorine habe ohne Erlaubnis der Obern
Hilfsschwestern angenommen und zum Krankendienst verwendet 284).
All dieses Peinliche zeigt, daß sich allmählich zwischen der Würzburger Filiale
und dem Mutterhaus Gegensätze gebildet hatten, die immer größer wurden. Man kann
freilich auch den Eindruck nicht los werden, daß die Stifterin in ihrem Vorgehen von
Anfang an eine größere Zurückhaltung vermissen läßt, und daß sie im Bewußtsein ihres
strengen Rechtes den Dingen, die sich immer mehr zuspitzten, nicht mit der kühlen
152
Überlegung gegenübertrat, die in schwierigen Lagen, vor allem, wo es sich andern
Gewalten gegenüber um Machtfragen handelt, allein den guten Ausgang verbürgen.
Als Schwester Honorine einer Einladung für die Februarexerzitien 1866 auf
Befehl des Bischofs wieder nicht Folge leistete, schickte die Generaloberin in der
Karwoche desselben Jahres die Schwester Adelinde, damals Assistentin, nebst der
Darmstädter Oberin Schwester Bonaventura nach Würzburg, um Schwester Honorine
nach dem Mutterhause abzuholen. Sie fanden aber einen wenig ehrenvollen Empfang
und zogen unverrichteter Dinge wieder fort. Der Bischof, durchaus auf Seiten der
Würzburger Oberin stehend, war darob und weil er von der Generaloberin noch
aufgefordert war 285), jene wegen ihrer Widerspenstigkeit zurechtzuweisen, sehr
aufgebracht und ließ ein Schreiben nach Niederbronn ergehen, worin er in scharfen
Worten gegen das dortige Vorgehen Einspruch erhob und mitteilte, daß er der
Würzburger Oberin wieder verboten habe, zu den Frühjahrsexerzitien ins Mutterhaus zu
reisen (7. Mai 1866)
Der Bischof von Straßburg war von diesem Schreiben auf das peinlichste
berührt. Er säumte nicht, der Generaloberin seine Meinung in der traurigen
Angelegenheit kundzutun (11. Mai 1866): "Da Ihnen im Briefe von Würzburg jeglicher
Einfluß und Autorität auf die dortigen Schwestern abgesprochen wird, so sehe ich nicht
ein, wie Sie dieselben unter diesen Verhältnissen dort lassen können. Sie haben sie
dorthin geschickt unter der Bedingung, daß die Statuten der Kongregation beobachtet
werden; für diese Beobachtung sind Sie vor Gott verantwortlich. Jeder Bischof hat das
Recht, neue Orden in seiner Diözese zu gründen. Will er aber fremde Schwestern
annehmen, so kann dies nicht anders geschehen, als wenigstens mit stillschweigender
Verpflichtung, die Regeln dieses Ordens oder dieser Kongregation aufrechtzuerhalten.
Sonst macht er die armen Schwestern von ihren speziellen Gelübden abtrünnig und
führt sie ins Verderben. Über diese Beobachtung der Regeln zu wachen, hat jeder
Bischof das Recht und die Pflicht, nicht aber von denselben permanent und
grundsätzlich freizusprechen. Keine Ordensoberin wird und kann vor Gott und der
Kirche in einer fremden Diözese sich dieses gefallen lassen, ohne ihr Gewissen zu
beschweren."
Aber die Generaloberin brauchte den von ihren Bischof erteilten Rat nicht mehr
zu befolgen. In Würzburg sorgte man dafür, daß seine Ausführung zum Teil überflüssig
wurde. Was man dort schon lange erwogen hatte, wurde jetzt Tatsache. Die
Würzburger Filiale wurde zum selbständigen Mutterhaus erklärt, nachdem die kgl.
Regierung ihr unterm 6. Juni 1866 die Rechte einer religiösen und zivilrechtlichen
Korporation erteilt hatte. Der Bischof berichtete die folgenschwere Tatsache der ehrw.
Mutter in folgendem Schreiben:
"Wohlehrw. Generaloberin!
Seit längerer Zeit ist es hier der allgemeine Wunsch, es möge das hiesige Haus
der Töchter vom göttlichen Erlöser zum Mutterhaus für die Diözese Würzburg erhoben
und, wie bereits in Wien geschehen, der Verband mit Niederbronn aufgelöst werden.
Diesem allgemeinen Wunsche gemäß hat der Magistrat der Stadt Würzburg, unterstützt
von der hiesigen Kreisregierung und unter Zustimmung der bischöflichen Oberbehörde,
mit der Bitte sich an Seine Majestät unsern allergnädigsten König gewendet, dem
hiesigen Hause die Rechte einer religiösen und zivilrechtlichen Korporation zu verleihen
und zu genehmigen, daß dieses Haus zum Mutterhause für die Diözese Würzburg
erhoben werde. Das hohe Staatsministerium hat diese Bitte in liebevollster Weise
unterstützt, und Se. Majestät haben geruht, die erbetene Genehmigung allergnädigst zu
erteilen, und haben diese Genehmigung huldvollst ausgesprochen. Die Freude hierüber
ist allgemein, weil das Haus sehr segensreich wirkt und nur auf diese Weise sein
Fortbestand gesichert ist. Infolgedessen habe ich letzten Freitag, den 15. Juni, in der
153
Ordinariatssitzung unter einhelliger Zustimmung aller geistlichen Räte, das hiesige
Haus der Schwestern vom heiligen Erlöser als Mutterhaus für das Bistum Würzburg
erklärt, habe die Schwester Honorine zur Oberin des Mutterhauses und zur
Generaloberin aller Schwestern des Bistums ernannt und beschlossen, allen im Bistum
Würzburg weilenden Schwestern dieses mitzuteilen mit dem Beifügen, daß jenen
Schwestern, die nach Niederbronn zurückkehren wollen, kein Hindernis gelegt sei, für
jene aber, die bei uns bleiben wollen, alles weitere werde kirchlich geordnet werden.
Über das Ganze werde ich, sobald möglich, dem hochw. Herrn Bischof von Straßburg
ausführlicher schreiben 286). Schwester Honorine wird also nicht nach Niederbronn
kommen, und ich kann auch von dorther keine Zusendung einer Oberin oder anderer
Schwestern mehr annehmen.
Mit aller Hochachtung
Ihrer Wohlehrwürden ergebener
 Georg Anton, Bischof von Würzburg.
Würzburg, 18. Juni 1866."
Die Pfarrer der Orte, an denen sich Niederlassungen der Schwestern befanden,
wurden durch ein vom 15. Juni datiertes Zirkular beauftragt, den Schwestern von der
Lostrennung des Würzburger Hauses Mitteilung zu machen und sie zu verständigen,
daß sie unbeschadet ihres Gewissens als Angehörige und Töchter des hiesigen
Mutterhauses in der Diözese Würzburg verbleiben können, daß es jedoch der freien
Entschließung jeder einzelnen überlassen bleibt, nach Niederbronn zurückzukehren,
wenn sie sich aus irgendwelchem Grunde hierzu gedrungen fühlen sollte, und wird
gewärtigt, daß jede Schwester ihren desfallsigen freien Entschluß innerhalb 14 Tagen
dem betreffenden Pfarrer kundgebe. Ihrerseits versandte die Generaloberin an alle
Filialhäuser des Würzburger Bistums ein Rundschreiben (20. Juni 1866), worin sie auf
Grund des päpstlichen Bestätigungsdekretes vom 6. März 1866 die Schwestern
auffordert, ins Mutterhaus zurückzukehren: "Ihr dürft keineswegs laut des obigen
Dekrets unter einem andern Mutterhause und unter einer andern Generaloberin als
unter der Generaloberin von Niederbronn stehen, der ihr Treue versprochen habt.
Niemand kann und darf euch zurückhalten, weil der Heilige Stuhl gesprochen hat."
Die Mehrzahl der Schwestern folgte diesem Rufe; nur 16 zogen es vor, die
neugeschaffene Lage der Dinge anzuerkennen und das Würzburger Haus als
Mutterhaus zu betrachten.
Die Leitung des Mutterhauses Niederbronn, die sich wie im Wiener Fall wegen
der durch den Würzburger Bischof vorgenommenen Trennung nach Rom gewandt
hatte, erhielt den Bescheid, sich mit dem Würzburger Oberhirten zu verständigen.
Bischof Räß wandte sich daraufhin an diesen (10. Januar 1867), bekennt aber, "in
größter Verlegenheit" mit diesem Auftrag zu sein, weil er "nicht leicht die Einsicht
gewinnen kann, wie die in der römischen Zuschrift besprochene Angelegenheit in das
gewünschte Geleise zu bringen sei". Er könne zwar an dem Vorstand einer fremden
Diözese nur mit Ratschlägen herantreten. Da aber ein ähnlicher Fall, wo ein Bischof die
Mitglieder irgendeiner fremden Kongregation von dem Mutterhause losgetrennt habe,
noch nicht vorgekommen sei, müsse er sich bei dem Würzburger Bischof selbst Rats
erholen und nach seinen Wünschen fragen. "Denn", fährt er fort, "ginge Ew. Bischöfl.
Gnaden Absicht entschieden dahin, das Würzburger Haus von dem Mutterhause
abgesondert zu lassen, dann müßten die Schwestern einzeln und in völliger Freiheit
verhört werden; und sollten sie sich dahin erklären, getrennt bleiben zu wollen, so wäre
meine Aufgabe, besagte Anstalt betreffend, gelöst und meine Mission abgetan. Den
betreffenden Schwestern bliebe dann in bezug auf das Mutterhaus nichts anderes
154
übrig, als das Niederbronner Ordenskleid abzulegen oder gegen ein anderes zu
vertauschen. Im entgegengesetzten Falle aber müßte ich die Bedingungen des
Mutterhauses vernehmen und im Interesse der Sache, an und für sich allein schon,
einzuwirken suchen."
Der Bischof von Würzburg erwiderte Räß (3. Februar 1867), "daß die Lösung des
Verbandes mit Niederbronn ein Akt der Notwendigkeit gewesen und die
Wiedervereinigung, sei es auch in Form eines Provinzialverbandes, eine Unmöglichkeit
ist. Ich werde die Sache in Rom vorlegen". Die 16 Schwestern, die nach erfolgter
Trennung und Zusicherung von Dispensen - wozu seine, des Bischofs,
Quinquennalfakultäten ausreichen - sich für die Trennung ausgesprochen haben,
konnten mit ausreichenden Gründen aus dem Hause von Niederbronn austreten.
Schließlich bittet er Räß, der Generaloberin von Niederbronn zu befehlen, die
Würzburger Schwestern nicht weiter zu beunruhigen, bis die Sache von Rom aus
entschieden sei.
Aber eine Wiedervereinigung erfolgte nicht. Der Verlust von Würzburg traf die
Stifterin noch härter als die Trennung Wiens. Wir haben oben gesehen, daß sie diesen
Schlag nicht mehr überwand. Mit Würzburg und Wien gingen dem Mutterhaus 25
blühende Stationen verloren.
In weiteren kirchlichen Kreisen Deutschlands erregte das zu Wien und Würzburg
Vorgefallene lebhaftes Interesse. Es verdient hier hervorgehoben zu werden, daß nicht
alle Prälaten das Vorgehen jener Diözesanverwaltungen billigten. Bischof Ketteler von
Mainz sprach sich dem Straßburger Bischof gegenüber dahin aus, "daß die
auswärtigen Häuser mit dem Mutterhause in enger Verbindung bleiben müssen, da es
sonst mit ihrem Leben aus wäre" 287).
Die Animosität des Würzburger Kirchenfürsten gegen das Mutterhaus in
Niederbronn hielt nicht an. Es scheint, daß ihn nachträglich die schnelle Errichtung des
Würzburger Mutterhauses reute 288). Vielleicht weil die stets von ihm beschützte
Schwester Honorine seinen Erwartungen in der Folgezeit nicht entsprach. Sie verließ im
Jahre 1880 die Würzburger Genossenschaft.
In diesem Zeitpunkte war man in der Genossenschaft nicht abgeneigt, den
Anschluß an Niederbronn wiederzufinden, und Superior Simonis hegte die Hoffnung auf
Wiedervereinigung. Aber der damalige Würzburger Bischof Franz Joseph v. Stein wies
ihn auf die Unmöglichkeit einer solchen hin, weil die Regierung die Würzburger
Genossenschaft als selbständige Kongregation anerkannt habe.
Bischof Antons Nachfolger, Valentin v. Reißmann (1870 - 1875), hatte wieder
Beziehungen zu Niederbronn angeknüpft, indem er dem Mutterhaus gestattete, im
Jahre 1872 zu Münnerstadt eine Filiale zu gründen. Bis 1874 wirkten dort zwei
Schwestern in einem Eisenbahnarbeiterspital; nach dessen Auflösung übernahmen sie
die Leitung der Kleinkinderbewahranstalt und die Ortskrankenpflege in Münnerstadt.
Das dauerte bis 1878, wo man die segensreich wirkenden Schwestern 289) mit großem
Bedauern scheiden sah, weil die Kreisregierung einen weiteren Aufenthalt nicht
gestattete, da die Erlaubnis zur Niederlassung nur für die Dauer des
Eisenbahnarbeiterspitals gegeben worden sei 290).
Auch die Würzburger Genossenschaft hat in der Folgezeit einen erfreulichen
Aufschwung genommen. Im Jahre 1914 zählte sie über 1200 Schwestern in 200
Niederlassungen.
Zweiter Abschnitt.
155
Die Niederlassungen der Genossenschaft
in den jetzigen Ländern ihrer Ausbreitung.
Erstes Kapitel.
Belgien.
1. Diözese Lüttich.
L ü t t i c h (Rue Thier de la Fontaine 71). Am 5. Juni 1868 kamen drei Schwestern
in das von Bischof von Montpellier gegründete Priesterheim, zu dem Frau DepretRongé in der Rue Agimont ein Haus zur Verfügung gestellt hatte. Im folgenden Jahre
(1. Mai 1869) eröffneten die Schwestern ein Mädchenpatronage, übernahmen auch in
der Pfarrei St. Servais die ambulante Krankenpflege. 1872 waren es schon acht
Schwestern; im Jahre 1884 verkauften sie, eines Straßendurchbruchs wegen, ihr Haus
und erbauten in der Rue Thier de la Fontaine ein Schwesternhaus, das sie am 25. März
1886 bezogen. 16 Schwestern.
L ü t t i c h (Rue des Anglais 31). Am 2. Juli 1886 wurde das Mädchenpatronage,
für das in der Rue des Anglais ein eigenes Lokal mit kleinem Schwesternhaus erbaut
worden war, eine eigene Niederlassung. Die Schwestern nehmen alleinstehende
Pensionärinnen auf und erteilen der Jugend christlichen Unterricht. 5 Schwestern.
2. Diözese Mecheln.
Anderlecht-Brüssel
(Rue Clemenceau 60). Krankenpflegestation,
gegründet 28. August 1879 durch Frau Depret. Auch Mädchenpatronage. Während des
Krieges nahmen die Schwestern Kriegswaisen auf. 13 Schwestern.
A n d e r l e c h t (Rue de Chapelain 2). Am 12. März 1890 kamen zwei Schwestern
in das ebenfalls von Frau Depret (gest. 1892) gegründete Haus Ste-Anne, das zur
Aufnahme von Pensionärinnen bestimmt war. Dieses Haus wurde 1892 in eine
chirurgische Klinik umgewandelt, die im Laufe der nächsten Jahre vergrößert und mit
einer Kapelle versehen wurde. 1914 bis März 1915 Lazarett für Deutsche und Belgier;
dann wurden bis 1919 Kriegswaisen aufgenommen. 16 Schwestern.
3. Diözese Brügge.
M o u c r o n - L e T u q u e t (Rue de Bruges 34). Gegründet 19. Oktober 1911 auf
Anregung des Dr. Vaneufville für die Krankenpflege im nahen Tourcoing, die seit 1905
Schwestern aus Roubaix ausgeübt hatten. Das neuerbaute Schwesternhaus gehört der
zu diesem Zweck von den Industriellen Lemaire und Tiberghien gegründeten Société
immobilière. 12 Schwestern.
Zweites Kapitel.
Die Niederlassungen im Deutschen Reiche.
A. Baden.
156
Erzdiözese Freiburg.
Die Erzdiözese Freiburg hatte durch die andauernden Bemühungen des edlen
Erzbischofs Hermann v. Vicari im Jahre 1845 die Barmherzigen Schwestern vom
heiligen Vinzenz von Paul erhalten; Bischof Räß war ihm behilflich gewesen, das
Freiburger Mutterhaus mit Schwestern aus dem für das katholische Deutschland so
bedeutungsvollen Mutterhause zu Straßburg zu begründen 291). Da aber diese
Schwestern ihren Satzungen gemäß die Krankenpflege nur in Hospitälern ausüben, wo
sie Großartiges geleistet haben, und da weibliche Genossenschaften für ambulanten
Krankendienst im badischen Lande erst später aufkamen 292), erklärt es sich, daß man
frühzeitig nach dem benachbarten Elsaß ausschaute, um für die einem dringenden
sozialen Bedürfnisse entsprechende häusliche Armen- und Krankenfürsorge geeignete
Kräfte zu finden. Die Wahl war nicht schwierig. In den zehn ersten Jahren seines
Bestehens hatte das Werk der Elisabeth Eppinger bereits weit über die Grenzen der
Straßburger Diözese hinaus gezeigt, daß es ihm weder an Beweglichkeit noch an steter
Bereitwilligkeit fehlte, neue Aufgaben zu übernehmen. Der rührige Vinzenzverein in der
badischen Landeshauptstadt hat mit der Berufung der Töchter Niederbronns im Jahre
1857 den Anfang gemacht.
Karlsruhe (Vinzentiushaus).
Der Karlsruher Vinzenzverein wurde am 20. Januar 1851 auf Anregung der
frommen und menschenfreundlichen Frau Finanzrat Baader gegründet und von dem
vortrefflichen, seeleneifrigen Kaplan Franz Xaver Höll geleitet 293). Der Verein fand
allenthalben großen Anklang, und das Beispiel, das die leitenden Persönlichkeiten in
der Ausübung werktätiger Nächstenliebe gaben, wirkte aneifernd auf weite Kreise der
katholischen Bevölkerung. Es gelang, die Mittel aufzubringen, um ein bescheidenes
Krankenhaus in der Spitalstraße (Nr. 31) zu mieten. Auch war man so glücklich, vom
Staatsministerium durch einen Erlaß vom 23. März 1853 die Genehmigung zur
Einführung Barmherziger Schwestern aus dem Freiburger Mutterhaus zu erlangen.
Zwei Schwestern kamen in das Haus und walteten trotz der ärmlichen Verhältnisse
fröhlich ihres Amtes. Bald mußte eine dritte Schwester erscheinen, und das Haus wurde
zu eng für die Zahl der hilfesuchenden Kranken. Aber in der Bevölkerung wurde auch
der Wunsch rege nach Schwestern, welche die Kranken in den Privathäusern pflegten.
Da die Freiburger Schwestern damals nach ihrer Ordenssatzung die ambulante
Krankenpflege nicht ausüben konnten, so berief der Verein drei Niederbronner
Schwestern, welche im Juli 1857 in ein Haus der Rüppurrerstraße (Nr. 34), das man
gemietet hatte, eingezogen, um im Dienste des Vereins der Hauskrankenpflege
obzuliegen.
Erzbischof Hermann begrüßte diese erste Niederlassung der elsässischen
Kongregation mit besonderer Freude. Der Minister v. Stengel hatte am 17. Juli auch die
staatliche Genehmigung erteilt, allerdings mit der Einschränkung, "d a ß d i e s e
Barmherzigen
Schwestern
keine
Korporationsrechte
im
Großherzogtum Baden erwerben könnten, da sie nicht zu den im
Lande rezipierten Genossenschaften gehör ten, sondern lediglich
a l s f r e m d e G ä s t e z u b e h a n d e l n s e i e n " . Auch für den vom Vinzenzverein
beschlossenen Neubau eines eigenen Hauses wurde von demselben Staatsminister
unterm 10. Juni 1859 die Genehmigung erteilt, wobei noch einmal betont wurde, daß
157
"damit dem Orden der nur als fremde Gäste zu behandelnden sog. `Niederbronner
Schwestern` in keiner Weise das Recht eingeräumt sein soll, Eigentum im
Großherzogtum zu erwerben".
Die neuen Schwestern machten sich in kurzer Zeit sehr beliebt. Schon im Jahre
1858 lobt Kaplan Höll in einem dem Bischof von Straßburg zugeschickten Schreiben ihr
bescheidenes, tugendhaftes Leben: Sie erhalten sich von Almosen und Geschenken
der Kranken, die sie pflegen. Auch die Protestanten holen sie sehr oft. Sie kümmern
sich auch eifrigst um das Seelenheil der ihrer Pflege anvertrauten Katholiken und haben
schon mehrere Schwerkranke, die lange Zeit dem kirchlichen Leben ferne geblieben
waren, dazu gebracht, daß sie vor ihrem Ende sich mit Gott versöhnten.
Am 28. August 1861 war das neue Haus in der Beiertheimer Gemarkung, dessen
Baukosten man mühsam durch Anleihen und wohltätige Spenden aufgebracht hatte, für
den Einzug fertiggestellt. Die Freiburger Schwestern verließen das alte Haus in der
Spitalstraße, um den Krankendienst im städtischen Spital zu übernehmen. Mit ihrer
ersten Oberin Schwester Franziska siedelten die Niederbronner Schwestern in den
Neubau über. Schon im Jahre 1864 mußte der Verein das Haus durch einen Anbau und
ein weiteres Stockwerk vergrößern. Auch eine Kapelle wurde errichtet, zu deren
Einweihung am 24. Oktober 1864 Erzbischof Hermannn den Hofkaplan Strähle und den
Domkapitular Weickum entsandte. Die Oberhofmeisterin Freifrau v. Roggenbach, die
stets eine tatkräftige Gönnerin des Vinzenzvereins gewesen war, stiftete mit einem
unbekannten Geber eine Monstranz. Später kamen die zwei herrlichen
Marmorkunstwerke aus dem Atelier des Professors Steinhäuser in die Kapelle: das
Kruzifix auf dem Hauptaltar und die Madonna mit dem Jesuskinde. "Sie gehören zu den
schönsten kirchlichen Gebilden des Landes und waren wohl schon unzähligemal
Veranlassung eines frommen Gebetes." 294)
Der fromme Gründer des Vereins und unermüdliche Förderer des
Vinzentiushauses, Kaplan Höll, der im Jahre 1862 Oberstiftungsrat geworden war, las
jeden Tag in der trauten Kapelle die heilige Messe, bis ihn 1872 ein Schlaganfall auf ein
langdauerndes Krankenlager warf; er ist am 23. Mai 1879 selig im Herrn entschlafen.
"Die Verhältnisse blieben nun längere Zeit in ruhiger, segensreicher Entwicklung im
alten Geleise. Die ersten Begründer hatten ihre Aufgabe gelöst; sie hatten mit Gottes
Hilfe ein wahres Werk christlicher Barmherzigkeit geschaffen. Kranke jeden Alters,
Standes und Geschlechtes fanden Aufnahme und liebevolle Pflege. Auch einzelne
ältere oder leidende Personen konnten sich dort in Pflege begeben. Im Kriegsjahre
1870/71 wurden in dem vom Verein unterhaltenen Lazarett 164 Verwundete von den
Schwestern gepflegt.
Nach Höll ist Stadtpfarrer Benz Vereinsvorstand geworden und hat eifrig
mitgeholfen, den Verein immer mehr auszugestalten und den Forderungen und
Bedürfnissen der neuen Zeit anzupassen. Im Jahre 1883/84 wurde dem Hause ein
großer Hinterbau angefügt, der lediglich zur Unterbringung von Kranken benutzt wurde.
In ein neues Stadium blühender Entwicklung trat die Karlsruher
Schwesternniederlassung im Jahre 1887 mit dem Eintreffen der neuen Oberin,
Schwester Bonaventura. Sie hatte in Darmstadt und in Thann im Elsaß in leitender
Stellung hinlängliche Beweise ihrer glänzenden organisatorischen Begabung und
praktischen Lebensklugheit gegeben, so daß die Obern ihr das Karlsruher Haus, in dem
es in den vorausgegangenen Jahren an inneren Schwierigkeiten nicht gefehlt hatte,
anvertrauten. Was Schwester Bonaventura in kürzester Zeit leistete. mag uns ein Mann
erzählen, der aus nächster Nähe Zeuge ihres unermüdlichen Wirkens gewesen und
dessen Name aufs engste mit der Geschichte des Karlsruher Hauses verknüpft ist: Herr
Oberstiftungsrat Mader. Am 31. Dezember 1891 berichtete er an den Superior des
Mutterhauses, Dr. Simonis: "Im August 1887 hatte der St. Vinzentiusverein das hohe
158
Glück, die Schwester M. Bonaventura als Oberin der Anstalt zu erhalten. Inzwischen
sind noch nicht einmal 3 1/2 Jahre verflossen, und es ist seither die Anstalt nicht bloß,
ich möchte sagen, in den Fundamenten erneuert, sondern nach allen Seiten
ausgedehnt und weiterentwickelt worden, so daß, wer nicht Zeuge aller dieser
Vorgänge war, es für kaum glaublich halten wird, daß in so kurzer Zeit so Großes und
Mannigfaltiges geschaffen worden ist, und dies alles von einer Frau! Niemand als die
Obern des Mutterhauses wissen besser, welches der Zustand der Anstalt im August
1887 war. Kaum hatte aber Schwester Bonaventura die Leitung der Anstalt
übernommen, so griff sie sofort mit ebensoviel Klugheit als Energie die Neuordnung der
vorgefundenen Verhältnisse an. Auf die Bemühung der Schwester Bonaventura ist es
zurückzuführen, daß die schon unter ihrer Vorgängerin in Anregung gebrachte
Wiedergewinnung eines besondern Hausgeistlichen realisiert worden ist. Der Tatkraft
und dem Ansehen derselben ist es zu verdanken, daß unter Mitwirkung eines früheren
Hausarztes - des derzeitigen Medizinalrats Dr. Molitor - der Anstalt einer der tüchtigsten
Ärzte hiesiger Stadt als Hausarzt gewonnen wurde, welcher seither durch seine
hervorragenden Operationen unter Assistenz der Schwestern ganz wesentlich zur
Hebung des St. Vinzentiushauses und zur Vermehrung des Ansehens der Schwestern
in den weitesten Kreisen beigetragen hat 295). Infolge davon und der unermüdlichen
Tätigkeit und des unvergleichlichen Opferlebens der Schwestern, insbesondere der
Schwester Bonaventura, hat die Frequenz des Hauses stetig zugenommen und
nunmehr eine Höhe erreicht, wie sie früher nicht existierte. Daneben lief und läuft noch
die bedeutende Krankenpflege in der Stadt. Nicht bloß war zeitweise das Haus überfüllt,
sondern es mußten auch viele Bittgesuche um Zusendung von Schwestern zu Kranken
in den Privathäusern abgewiesen werden. Die Sorge und Verantwortlichkeit der Frau
Oberin wird noch wesentlich dadurch vermehrt, daß es bei der Pflege der Schwestern
sich ja nicht bloß um Wiederherstellung der leiblichen Gesundheit, sondern vielfach um
Errettung der Seelen vom ewigen Verderben handelt. Meinen unmittelbaren
Wahrnehmungen entzieht sich zwar diese Tätigkeit der Schwestern; aber von Zeit zu
Zeit eröffnet sich mir doch ein Ausblick auf das Meer von Sorgen und Kümmernissen,
welche auf den guten Schwestern und insbesondere auf der Frau Oberin lagern, wenn
es gilt, einen armen Sterbenden noch im letzten Augenblicke vom Rande des
Abgrundes hinwegzureißen, und wie viele verdanken außer der Gnade Gottes einzig
und allein der unermüdlichen Einwirkung und dem eifrigen Gebete der Schwestern ihr
ewiges Heil 296). Man mag vielleicht sagen, daß dies alles zur Pflicht und Aufgabe
derselben gehöre, doch wird dadurch das schwerste persönliche Opfer nicht im
geringsten vermindert. Dazu kommt dann noch für die Frau Oberin die
gewissenhafteste Sorgfalt für das körperliche und geistige Wohl der Schwestern. Und
wie ist dieselbe gerade gegenwärtig so schwer bedrängt und in rührendster Sorge um
die kranke Schwester Alton. Die ganze Nacht hindurch bis zum Morgen harrt sie aus
am Lager der Schwererkrankten; alles bietet sie auf, um das teure Leben der
Mitschwester zu erhalten, sofern es Gottes Wille ist." Daneben ging noch die Gründung
neuer Werke. "Sie betrieb", heißt es ferner in dem Maderschen Bericht, "mit Feuereifer
die Erbauung des geräumigen Marienhauses. An der Bearbeitung des Planes in bezug
auf die Einteilung des Gebäudes hatte sie wesentlichen Anteil, und welche zahlreichen
Mühen und Verdrießlichkeiten erwuchsen ihr erst bei der Ausführung, nicht minder bei
der Restauration der Kapelle 297). Sobald das Haus seiner Vollendung entgegenging,
nahm sie die innere Einrichtung und Ausstattung in Angriff und entwickelte dabei mit
den ihr assistierenden Schwestern eine ganz immense Tätigkeit in Zurichtung und
Instandsetzung von alten, im St. Vinzenzhaus nicht mehr gebrauchten Gegenständen,
welche in großer Zahl auf dem Kapellenspeicher lagerten. Eine große Ausgabe wurde
dadurch der Anstaltskasse erspart. Alsbald begann dann die Besetzung des Hauses,
159
namentlich durch die Gründung einer H a u s h a l t u n g s s c h u l e für Töchter des
bürgerlichen Standes. Endlich müssen noch die K i n d e r s c h u l e n erwähnt werden;
denn auch sie verdanken ihre Existenz der unermüdlichen Tätigkeit der Schwester
Bonaventura."
Schwester Bonaventura genoß das Vertrauen des Dekans Benz in hohem
Grade; er ließ ihr in allen ihren Maßnahmen völlig freie Hand. Der Vorstand des
Vinzenzvereins, der am 20. Mai 1891, nicht zum wenigsten dem Drängen der Oberin
folgend, bei dem Ministerium des Innern um die Gewährung der Korporationsrechte
einkam, betonte in seiner Eingabe den Anteil, der den Schwestern an der
Ausgestaltung des Vereins zukommt: "Mit der immer mehr sich ausbreitenden
Anerkennung der hervorragenden Leistungen der Niederbronner Schwestern, nicht
minder durch die wirtschaftliche Tätigkeit der letzteren selber wuchsen die Mittel des
Vereins; und so kam derselbe in die günstige Lage, das enge Gebiet seiner
Wirksamkeit auszudehnen und insbesondere die Krankenpflege durch die Schwestern
jedermann ohne Rücksicht auf die konfessionelle Zugehörigkeit, soweit die Kräfte
reichten, angedeihen zu lassen." Zugleich gedenkt der Vorstand auch "der
hochherzigen Uneigennützigkeit des Mutterhauses in Oberbronn. Seit über 30 Jahren
sendet letzteres die für unsere nunmehr ins Große geratene Anstalt erforderliche
Anzahl Schwestern mit der für ihren schweren Beruf nötigen Vorbildung und ruft
diejenigen Schwestern, welche infolge des unvergleichlichen Opferlebens dauernd
krank oder invalide geworden sind, wieder zurück, ohne während dieser langen Reihe
von Jahren bis zur Gegenwart für die Ausbildung der jungen Schwestern und für den
Unterhalt der alt und dienstuntauglich gewordenen von unserer Anstalt auch nur die
geringste Entschädigung zu verlangen. Ebensowenig wird für die Tätigkeit der innerhalb
und außerhalb des Hauses beschäftigten gesunden Schwestern vom Mutterhaus
irgendwelche Vergütung beansprucht. Das Mutterhaus sendet also gesunde,
leistungsfähige Schwestern, welche ihren Lebensunterhalt in den der Vereinskasse
zufließenden Krankenverpflegungsbeiträgen selbst verdienen und die Überschüsse
derselben Kasse ohne jede Teilnahme an denselben zur freien Verfügung überlassen,
und zieht die im Dienste des Vereins untauglich gewordenen Schwestern zurück, um
solche auf eigene Kosten zu unterhalten. Das ist die einfache Lösung des Rätsels, wie
es möglich ist, daß der Verein bei Verpflegungsbeiträgen, welche für Erwachsene in
Abstufungen bis 1.10 Mark per Kopf und Tag herabsinken, womit nicht einmal der
Baraufwand für die tägliche Lebensnotdurft, geschweige der Aufwand für Arzt und
Apotheke bestritten werden kann, noch finanziell zu prosperieren vermag. Die
vorzügliche Führung des Haushaltes im St. Vinzentiushaus, die volle selbstlose
Aufopferung der Schwestern für die Vereinszwecke, das und nichts anderes ist das
Fundament, auf dem sich die Anstalt aufgebaut hat."
Durch Staatsministerialentschließung vom 1. August 1891 wurden dem
Vinzenzverein die Korporationsrechte bewilligt, nachdem die von der Regierung
verlangte Bestimmung, wonach dieselbe im Falle der Auflösung des Vereins nach
Paragraph 7 des zweiten Konstitutionsedikts von 1807 über dessen Vermögen nach
Maßgabe seines bisher verfolgten Zweckes zu verfügen berechtigt sein soll, in die
Statuten aufgenommen worden war 298). Erst jetzt konnte der Verein Rechtsgeschäfte
jeder Art vollziehen und Eigentum erwerben. Schwester Bonaventura drängte aber auch
darauf, daß das Verhältnis der Schwestern zum Verein in richtiger und billiger Weise
geregelt wurde. Dies geschah durch einen Vertrag, dessen Zustandekommen Dekan
Benz und Oberstiftungsrat Mader gegenüber einigen weiblichen Vereinsmitgliedern,
welche den Schwestern nur Pflichten, aber keine Rechte zugestehen wollten, energisch
betrieben und zum glücklichen Abschlusse brachten.
160
Bei all diesen Arbeiten und Sorgen rieb Schwester Bonaventura ihre durch ein
Herzleiden ohnehin geschwächten Kräfte völlig auf. Nach schweren Leiden ging ihre
Seele am 21. Juli 1892 in ein besseres Jenseits über. Mit ihr schied eine der
hervorragendsten Persönlichkeiten der Kongregation dahin. Sie war eine ungemein
tatkräftige, schaffensfreudige Natur, dabei von außergewöhnlicher Geistesbegabung.
Dr. Simonis, der ein feiner Seelen- und Menschenkenner war, wußte sie zu schätzen
und ihr die rechten Aufgaben zuzuweisen. "Sie hat eine Tätigkeit des Geistes, mit
welcher sie einzig dasteht", hat er von ihr gesagt 299). Wo sie weilte, standen alle, die
mit ihr zusammenkamen, unter dem Banne ihrer starken, gewinnenden Persönlichkeit.
Naturen, die von einem impulsiven Tätigkeitsdrange beseelt sind, wie es die ihre war,
vertragen nicht leicht kleinliche Hemmungen. Darum ist ihr zuletzt der Darmstädter
Boden nicht bekommen, den sie im Jahre 1869 verließ. Im deutsch-französischen
Kriege fand ihr Tätigkeitstrieb reichlich Nahrung in den Lazaretten des Pariser
Feldlagers; sie hatte im Krimkrieg, im österreichisch-italienischen Feldzug 1859 und im
deutsch-österreichischen Kriege von 1866 die Schrecken der Schlachtfelder reichlich
kennengelernt; dann ist sie in Thann Mutter der Waisenkinder geworden und hat zu
Karlsruhe ihre letzten Kräfte einem schönen Werke gewidmet. Daß ihr hier so großer
Erfolg beschieden war, erklärt sich daraus, daß man die Kreise ihres Wirkens nicht
störte, daß man vom ersten Tage ihres Kommens an in ihr die bedeutende
Persönlichkeit sah, der man vertrauen konnte und mußte. Darum konnte der
Vereinsvorstand an dem goldenen Jubelfeste des Vereins ihrer gedenken mit den
schönen Worten: "Sie war eine Frau von außerordentlichen Geistesgaben und feiner
Bildung, ausgestattet mit scharfem Blick für die Bedürfnisse der Zeit und für richtige
Beurteilung der sie umgebenden Verhältnisse, nicht minder aber auch mit
bewunderungswürdiger Energie in Durchführung einer einmal übernommenen Aufgabe.
Dekan Benz, selbst von geradem, offenem Charakter und energischer Tätigkeit,
schenkte der freimütigen und schaffensfreudigen Schwester volles Vertrauen und ließ
ihren Unternehmungen durchdringende Unterstützung angedeihen." Anderthalb Jahre
vor ihrem Tode hat Oberstiftungsrat Mader die Karlsruher Oberin richtig charakterisiert,
als er dem Superior des Mutterhauses schrieb 300): "So viel steht bei mir fest: mag die
Kongregation auch noch Mitglieder zählen, welche an Gaben des Geistes, an Tugend
und Frömmigkeit die Schwester Bonaventura überragen: an großartiger Auffassung der
hohen Ziele der Kongregation und der eigenen Pflichten, an glühendem Eifer, diese
Anschauung ins Leben umzusetzen und die Ehre und das Ansehen derselben nach
allen Seiten zu wahren und zu vermehren, an Tatkraft und Opferwilligkeit wird
Schwester Bonaventura sicherlich von niemand übertroffen. Sie ist eine herrliche Zierde
der Kongregation."
Sie ist während ihres Lebens von hohen und höchsten Persönlichkeiten
geschätzt und geehrt worden. Bischof Räß schickte ihr immer alle seine Hirtenbriefe; er
wandte sich an sie, um aus dem Großherzoglichen Geheimarchiv in Darmstadt für sein
großes Werk "Die Konvertiten" zu erhalten 301). Im Großherzoglichen Palais war sie ein
gern gesehener Gast; bei ihrem Kommen salutierte die Wache. Sie knüpfte dort viele
Beziehungen mit hohen Kreisen an. Um 1872 suchte sie im Thanner Waisenhause der
Fürst von Liechtenstein mit Mutter und Nichte auf und speiste daselbst. Im Feldlager vor
Paris ist sie um ihres Opfermutes willen hochgeschätzt worden. Als im September des
Jahres 1886 Kaiser Wilhelm die Stadt Straßburg besuchte, wurde Schwester
Bonaventura telegraphisch nach Straßburg berufen, um sich dem alten Kaiser
vorzustellen. Bei dieser Gelegenheit traf sie auch mit dem Großherzog von Hessen
zusammen, der mit ihr von alten Zeiten plauderte.
Aber all das hat sie nicht stolz gemacht. Für ihren demütigen, christlichen Sinn ist
bezeichnend, was sie der Generaloberin Schwester M. Alphons am 12. Februar 1867
161
schrieb, als sie vom Kaiser von Österreich das goldene Verdienstkreuz erhalten hatte:
"Ich bin so beschämt und bestürzt, daß ich mich recht ungeschickt mag benommen
haben. Ich eilte in die Kapelle, bat den lieben Heiland, er möge sich doch ja nicht von
uns zurückziehen, ich bekomme so große Furcht." Sie war mit ganzer Seele
Ordensfrau. Das zeigt sich auch in der rückhaltlosen Ergebenheit gegenüber ihren
Obern. Für die Stifterin hegte sie eine nie verlöschende Ehrfurcht und Liebe. Ihr Tod
ging ihr besonders nahe. In ergreifenden Worten drückte sie dem Bischof von
Straßburg ihren Schmerz aus 302): "O wie gern wäre ich für sie gestorben; ich hatte dem
lieben Gott das Opfer meines Lebens für sie gemacht; ach! er hat es nicht
angenommen."
Zu ihrer Nachfolgerin wurde Schwester Eugenie ernannt. Bald nach ihrer Ankunft
erfolgte die Gründung einer Station für ambulante Krankenpflege in der Oststadt. Leider
starb sie, "ein Vorbild von Milde, Sanftmut und Geduld, voll Eifer für die Angelegenheit
des Hauses und des Gesamtvereins" 303), an einem Lungenleiden am 15. April 1896.
Ihren Dienst übernahm Schwester Homberga, die bisherige Leiterin des Krankenhauses
zu Lengries (Oberbayern), welche seit der Eröffnung des neuen Krankenhauses an der
Südendstraße Oberin dieser Anstalt wurde, während an ihre Stelle im alten Hause
Schwester Cyrina, vorher Oberin in Heidelberg, trat.
Dieses "Neue Vinzentiushaus" an der Südendstraße war notwendig geworden,
weil das bisherige Haus den gesteigerten Anforderungen der neuzeitlichen Hygiene
nicht mehr entsprach. Ihre Kgl. Hoheit die Großherzogin brachte der im Jahre 1895
ernstlich gefaßten Frage des Neubaus reges Interesse entgegen und überwies
anläßlich der Feier des 70. Geburtstages des Großherzogs dem Verein eine reiche
Geldspende. Am 3. März 1898 wurde der Bau in der Südendstraße nach Plänen des
Architekten Franz Schäfer begonnen. Während der Ausführung, am 30. November
1898 starb der beste Gönner und Freund des Vereins, Dekan Benz, infolge eines
wiederholten Schlaganfalls. "Was seine Menschenfreundlichkeit und überaus große
Freigebigkeit ihm noch gelassen hatte, das war beizeiten seinem langjährigen
Schützling, dem Vinzentiushaus, vermacht worden." 304) Ihm folgte als Vereinsvorstand
der Geistliche Rat und Stadtpfarrer Knörzer. Am 15. Mai 1900 konnte endlich der
vollendete mächtige Bau von Superior Dr. Simonis unter Assistenz des Hausgeistlichen
Dr. Gröber eingeweiht werden, während am folgenden Tage unter allgemeiner
Beteiligung der Bevölkerung die glänzende weltliche Eröffnungsfeier stattfand. 30
Schwestern begannen darin ihre Tätigkeit. In den letzten Maitagen fand ein großer
Wohltätigkeitsbazar zugunsten des neuen Krankenhauses statt unter dem Protektorat
der Frau Prinzessin Wilhelm in den Räumen des Palais der Prinzen Max und Karl von
Baden. Auch die Kaiserin Augusta hat bei jedem Aufenthalt in Baden dem Hause viel
Wohlwollen entgegengebracht. Nach dem neuen Vereinsstatut von 1901 führen die
Oberinnen der Krankenhäuser den ganzen Haushalt in unabhängiger Weise und leiten
nach ärztlicher Anordnung die Krankenpflege. Zwischen dem Mutterhaus und dem
Vorstand des Vinzentiusvereins wurde am 10. April 1908 ein neuer Vertrag
geschlossen, der die gegenseitigen Verpflichtungen und Rechte regelt. 1920 zählte das
alte Vinzentiushaus 22, das Neue 38 Schwestern.
Am 1. Juli 1907 konnten die Karlsruher Schwestern das fünfzigjährige Jubiläum
ihres Wirkens in Karlsruhe feiern. Ihre Kgl. Hoheit die Großherzogin Luise sandte ein
herzliches Glückwunschschreiben. Der Vinzentiusverein beging diesen Tag durch
Abhaltung eines Festgottesdienstes in der St. Stephanskirche, bei dem sich der
Landesherr durch den Kammerherrn v. Delius, die Stadtbehörde durch Stadtrat v.
Chelius vertreten ließ. Herr Oberstiftungsrat Fritz, seit 1920 Erzbischof von Freiburg,
verlas vor seiner ergreifenden Festpredigt, welche eine wirkungsvolle Verteidigung des
katholischen Ordenslebens war, ein äußerst anerkennendes Schreiben des hochw.
162
Herrn Erzbischofs Dr. Thomas Nörber von Freiburg 305), das an Herrn Geistlichen Rat
Knörzer gerichtet war. "Es drängt uns", heißt es da, "als Oberhirt der Erzdiözese, bei
dieser Gelegenheit der Kongregationsleitung und den ehrw. Schwestern auch
Unserseits die wohlverdiente Anerkennung und den wärmsten Dank für ihr
unermüdliches, segensreiches Wirken im dornenvollen Berufe der Krankenpflege
auszusprechen."
A l t h e i m . Krankenpflegestation, gegründet 20. März 1911 durch Pfarrer
Baumann. Gemeinderat Haas stellte den Schwestern bis zur Vollendung eines
geplanten Schwesternhauses eine Wohnung. Für Unterhalt sorgt ein Krankenverein
und ein Gemeindezuschuß. 1918 Nähschule. 4 Schwestern.
B r u c h s a l (Friedhofstraße 9). Krankenpflegestation, gegründet 28. Juli 1859
durch Dekan Gugert. Die Stadt sorgte für Wohnung und Heizung, eine jährliche
Sammlung für den Unterhalt. Die Schwestern wohnten zuerst in der Salzgasse, von
1862 -1900 neben dem Spital. Als im Jahre 1900 die Stadt die freie Wohnung kündigte,
bildete sich ein eingetragener "Verein für Krankenpflege der Niederbronner
Schwestern", der für Unterhalt und Bau eines Schwesternhauses sorgte. Am 12. Juli
1902 zogen 12 Schwestern in den Neubau. 1920: 15 Schwestern.
B r u c h s a l (Versorgungsheim). Im Jahre 1868 wurde das 1842 gegründete
städtische Versorgungsheim den Niederbronner Schwestern anvertraut; 1880 wurde mit
dem Heim ein Waisenhaus, 1894 eine Krippe verbunden, die am 20. Februar 1920 den
Schwestern von St. Trudpert übergeben wurde. 16 Schwestern.
B r ü h l . Krankenpflegestation, gegründet 9. September 1892 durch Pfarrer
Bartholme von Schwetzingen, der ein Schwesternhaus erbaute; ein Krankenverein
deckte nach und nach die Baukosten. 1898 ließ Pfarrer Roth der neugegründeten
Pfarrei Brühl das Haus auf den Kirchenfonds schreiben und 1909 um ein Stockwerk
erhöhen. Die Schwestern leben vom Ertrag einer Kinder- und Arbeitsschule. Seit 1913
leiten sie eine Kinderschule in Rohrhof. 5 Schwestern.
B ü h l (Provinzhaus). Am 9. April 1919 wurde das Anwesen "Kohlberghof" (4 1/2
ha) der Frau Witwe Isenhart erworben und am 15. Oktober 1919 bezogen und als
Provinzialhaus mit Postulat und Noviziat für die Provinz Baden-Hessen eingerichtet
unter dem Namen "Mariahilf". Ende 1920: 17 Hausschwestern, 19 kranke Schwestern,
45 Novizen, 33 Postulanten. Zum Superior der Schwestern ist ernannt der hochw. Herr
Schmieder.
B u l a c h . Krankenpflegestation, gegründet 21. März 1900 durch Pfarrer
Schweickart und Bürgermeister Klein, und Kinderschule, in dem alten Schulhaus
untergebracht, das 1901 den Schwestern zur Wohnung angewiesen wurde; 1908 wurde
das alte Pfarrhaus Schwesternhaus. Ein "Schwesternverein" sorgt für den Unterhalt.
Oktober 1919 Arbeitsschule eröffnet. 5 Schwestern.
D e t t i n g e n (Hohenzollern). Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet
22. Juni 1920 durch Herrn Pfarrer Leonhart. 2 Schwestern.
Dossenheim. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet September
1888 durch Vikar Müller. Das in der Wilhelmstraße angekaufte Häuschen wurde 1891
um ein Stockwerk erhöht; Eigentümer ist der Kirchenfonds. Ein Krankenverein trägt zum
Unterhalt der Schwestern bei. 1920: 4 Schwestern.
Edingen. Krankenpflegestation, gegründet 10. März 1896 durch Pfarrer Scheu
von Neckarhausen, und Kinderschule; seit 1897 Arbeitsschule. 1906 wurde unter
Pfarrer Loes das auf den Kirchenfonds eingetragene Schwesternhaus um ein
Stockwerk erhöht; zu den Baukosten steuerte das Mutterhaus 3000 Mark bei. Ein
Krankenverein trägt zum Unterhalt bei. 4 Schwestern.
163
Eppelheim. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 1904 unter
Pfarrer Breinlinger; 1906 Arbeitsschule. Ein Krankenverein kommt für die Hausschuld
auf. 4 Schwestern.
Feldberg-Jägermatte. Kindererholungsheim, gegründet 10. Juni 1920 durch den
Karitasverband Freiburg, nur für die Sommerzeit. 5 Schwestern.
Friedenweiler. Kindererholungsheim, gegründet 12. Mai 1920 durch den
Karitasverband Freiburg, für die Sommerzeit. 2 Schwestern.
Freudenberg. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 22. März
1886. Die Gemeinde stellte Wohnung und Heizung und liefert Zuschuß zum Unterhalt.
1890 Winterarbeitsschule für erwachsene Mädchen. 1898 wurde das Haus vergrößert.
1920: 4 Schwestern.
Gerlachsheim. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 28. März
1871 durch Pfarrer Faulhaber. Die Schwestern wohnten 12 Jahre in Miete. 1884 ließ
Fräulein Serger die sog. "Kreuzwirtschaft" als Schwesternhaus, Kinder- und Nähschule
einrichten, sowie zur Aufnahme einiger alten Leute und verwahrloster Kinder, und auf
den Kirchenfonds schreiben; sie stiftete auch ein Kapital zum Unterhalt der Schwestern;
im Jahre 1910/11 ließ Herr Privatier Baur aus eigenen Mitteln einen größeren Anbau
herstellen. 1920: 6 Schwestern.
Gernsbach. Krankenpflegestation, gegründet 12. August 1872; Frau Maurer
gewährte den Schwestern Wohnung und Unterhalt. Nach ihrem Tode mußten sie eine
andere Wohnung suchen. Herr Dekan Krebs gründete dann einen Krankenverein für
den Unterhalt der Schwestern, die auch die Kranken der sechs Filialen besorgen. Seit
neuerer Zeit gewährt die Stadt einen Beitrag zum Unterhalt und Brennholz. 1910
vermachte das in Frankfurt verstorbene Fräulein Marie v. Günderode seine Villa, die am
9. Juni 1912 bezogen wurde. 4 Schwestern.
Gissigheim. Krankenpflegestation, gegründet 15. September 1895, Nähschule.
Die Schwestern wohnten im Gemeindehaus. Am 29. Juli 1899 bezogen die Schwestern
das neue, durch milde Gaben edler Wohltäter (besonders Pfarrer Weiß, Fräulein
Leimbach, Pfarrer Martin) errichtete Schwesternhaus, in dem 1900 eine Kinderschule
eröffnet wurde. 1904 gründete Pfarrer Kaiser einen Krankenverein für den Unterhalt der
Schwestern. 1920: 4 Schwestern.
Götzingen. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 20. Oktober
1920. 2 Schwestern durch die Gemeinde berufen.
Heddesheim. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 1. Mai 1895
durch Herrn Pfarrer Ruth. 1898 erbaute Pfarrer Knörzer ein Schwesternhaus, das 1899
bezogen wurde; es ist Eigentum des Fabertschen Fonds (Zweck: Handarbeitsunterricht
der weiblichen Jugend). Neben der Kinderschule wurde eine Industrieschule
eingerichtet, für welche Pfarrer Schäfer 1909 einen Saal anbauen ließ. 5 Schwestern.
Heidelberg (Burgweg 1). Krankenpflegestation, gegründet im März 1858 durch
Dekan Hauck; die (2) Schwestern wohnten zuerst in Miete in der Hauptstraße, dann in
einem Häuschen im Garten des Armenhauses. Eine jährliche Sammlung deckte die
Kosten des Unterhalts. 1866 waren 10 Schwestern tätig; sie siedelten in das von Herrn
Haupt gestiftete Haus für verwahrloste Kinder in der Plöckstraße über; 1872 entzog der
Magistrat den Schwestern die Erziehung der Kinder und kündigte ihnen die Wohnung.
Da gründete Herr Stadtpfarrer Wilms den Vinzenzverein, der eine Wohnung mietete.
1876 wurde das Haus am Burgweg gekauft und 1877 bezogen. 12 Schwestern.
Heidelberg (Kaiserstraße 19). Krankenpflegestation, gegründet 1890 durch
Stadtpfarrer Wilms in der Gaisbergstraße; Wohnung und Unterhalt bestritt der
Vinzenzverein. Später kam eine durch Frau Scherer ermöglichte Kinderschule in der
Kaiserstraße hinzu. 1897 bezogen die Schwestern in dieser Straße ein eigenes Haus,
164
das der 1896 verstorbene Buchhändler Oswalt zu diesem Zweck dem Kirchenfonds
vermacht hatte. 9 Schwestern.
Heidelberg-Schlierbach. Krankenpflegestation mit Arbeitsschule, gegründet
1902 durch Herrn Stadtpfarrer Wilms. Der Vinzenzverein und ein Krankenverein leisten
Beiträge zum Unterhalt der (3) Schwestern.
Heidelberg-Neuenheim. Krankenpflegestation, gegründet 10. April 1905 durch
den Vinzenzverein. Die (4) Schwestern wohnen in Miete Schröderstraße 29.
Heidelberg (Vinzentiushaus). Pensionshaus und Kinderschule, gegründet durch
Stadtpfarrer Schanno. Am 15. April 1915 zogen 6 Schwestern ein. Auch Kranke finden
Aufnahme (Klinik). 1920: 8 Schwestern.
Heidelberg (Krüppelheim). Am 1. Oktober 1920 bezogen 9 Schwestern, berufen
durch Herrn Prof. v. Bayer, das staatliche Krüppelheim für Kinder (120 - 160); zugleich
Kindergarten, Hort und Nähschule.
Heidelberg-Rohrbach. Am 18. Oktober 1920 bezogen 6 Schwestern im Auftrag
der staatlichen Behörde die Anstalt für lungenkranke Kriegsgeschädigte.
Hemsbach. Krankenpflegestation, gegründet September 1896; 1901 ließ Pfarrer
Wäldele ein Schwesternhaus erbauen, in dem eine Kinder- und Arbeitsschule eröffnet
wurde. Eigentümer ist der Kirchenfonds; ein Krankenverein trägt zum Unterhalt der
Schwestern bei. 1920: 6 Schwestern.
Hettingen. Krankenpflegestation, gegründet 29. Dezember 1919 durch Pfarrer
Baumbusch. 2 Schwestern.
Heuberg. Krankenpflegestation, gegründet 20. Juni 1920 durch den
Karitasverein Freiburg. Nur für die Sommerzeit. 6 Schwestern.
Hundheim. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 13. September
1913, ermöglicht durch die Stiftung des verstorbenen Herrn Kettemann, der dem
Vinzenzverein sein Haus für diesen Zweck vermacht hatte. Im September 1920
Arbeitsschule eröffnet. 3 Schwestern.
Jestetten. Am 1. Oktober 1920 ersetzten 4 Schwestern auf Wunsch des
Kreisausschusses Waldshut das bisherige Laienpersonal in der Idioten- und
Kretinenanstalt.
Jöhlingen (Spital). Krankenpflegestation, gegründet 8. November 1892 durch
Pfarrer Hauser, der das von der Gemeinde gestellte Haus einrichtete. Für den Unterhalt
sorgte eine Sammlung. 1896 wird das Haus vom Bezirksamt Durlach als
Ortskrankenhaus zur Aufnahme alleinstehender Personen eingetragen. 4 Schwestern.
Jöhlingen (Elisabethenhaus). In das durch Herrn Pfarrer Lutz erbaute
Elisabethenhaus kamen am 9. September 1912 3 Schwestern zur Übernahme einer
Kinder- und Arbeitsschule und zur Pflege von Pfründnerinnen. 1920: 5 Schwestern.
Karlsruhe (Theresienhaus). Krankenpflegestation, gegründet 5. November 1892
durch Herrn Dekan Benz. Der Vinzenzverein stellte Wohnung und gab einen Beitrag
zum Unterhalt. Bis 1895 wohnten die Schwestern, die anfangs viel mit Not und Armut
zu kämpfen hatten, in der Kronenstraße, dann im Zirkel Nr. 10. Am 24. November 1905
bezogen die Schwestern in derselben Straße ein vom Mutterhaus erworbenes,
neuhergerichtetes Haus, das Theresienhaus genannt wurde; edle Wohltäter richteten
eine Kapelle ein und verhalfen dem Haus zur Tilgung eines Teils der Schulden. 14
Schwestern.
Karlsruhe (Elisabethen- und Agneshaus). Nachdem 1888 Schwester
Bonaventura im Auftrag des Vinzenzvereins eine Kleinkinderschule an der Steinstraße
gegründet hatte, folgte 1889 eine zweite in der Hirschstraße, "die Elisabethenschule",
für die das Haus Sophienstraße 17 erworben wurde (1891), in dem auch die
Schwestern wohnten. Am 1. Januar 1909 wurde das St. Elisabethenhaus, ein stattlicher
165
Neubau, der die Genossenschaft 525 000 Mark kostete, seiner neuen Bestimmung
übergeben. Es dient als Heim für Beamtinnen, Ladnerinnen und alleinstehende
weibliche Personen, enthält Kinderschule und Nähschule, Stellenvermittlung des
katholischen
Mädchenschutzes,
Bibliothek
des
Borromäusvereins,
Paramentenvereinszimmer, Expedition des katholischen Karlsruher Gemeindeblattes,
ist Versammlungsort der Jungfrauenkongregation, des Geschäftsgehilfinnen- und
Dienstbotenvereins. Auch reisende Damen und stellensuchende Mädchen finden
Unterkunft.
Bald wurde das Haus für die vielen Werke zu klein, und das Mutterhaus erwarb
in der Hirschstraße ein Terrain für einen Neubau, der am 21. Januar 1912 als St.
Agneshaus durch Herrn Geistlichen Rat Knörzer eingeweiht wurde; in ihm befinden sich
der Kindernähschulsaal, der auch den oben genannten Vereinen als
Versammlungslokal dient, das Dienstbotenheim, Räume zur Aufnahme der Kursistinnen
und durchreisenden Damen, das Stellenvermittlungsbureau usw. Im Elisabethenhaus
sind seit 10. März 1910 eine Station für ambulante Krankenpflege und seit 1919 zwei
Fröbelsche Kindergärten. 24 Schwestern.
Karlsruhe-Mühlburg. Krankenpflegestation, gegründet 24. Mai 1887, und
Kinderschule. 1889 erwarb das Mutterhaus ein Haus in der Rheinstraße (Nr. 15), woran
eine Kinderschule angebaut wurde. 1896 Nähschule. 1912 bezogen die Schwestern ein
durch die Kongregation erstelltes stattliches Haus am Peter- und Paulsplatz. 12
Schwestern.
Karlsruhe-Grünwinkel. Kinderschule, gegründet 1888, die von den Schwestern
von Mühlburg geleitet wurde. 1899 ließ Bürgermeister Fahrer ein eigenes
Kinderschulhaus erbauen, das 1900 von zwei Schwestern bezogen wurde. 1901 kam
eine dritte Schwester für die Krankenpflege. Seit 1909 ist die Stadt Karlsruhe, der
Grünwinkel eingemeindet wurde, Eigentümerin des Hauses und hat auf 15 Jahre den
Schwestern freie Wohnung und Heizung zugesichert. Der Unterhalt wird bestritten
durch den Ertrag der Schule und monatliche Sammlung. 1920: 5 Schwestern.
Karlsruhe-Beiertheim. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 20.
März 1892; 20. Mai 1893 1 Schwester für Industrieschule. Wohnung und Zuschuß zum
Unterhalt durch die Gemeinde. 1908 gründete Pfarrer Schanno von Bulach einen
Krankenverein und baute auf dessen Namen in der Alexandrastraße (Nr. 58) ein
Schwesternhaus mit Kinderschulsaal und Zimmern für Pensionärinnen. Im Januar 1920
Einrichtung eines Fröbelschen Kindergartens. 5 Schwestern.
Kehl.
Krankenpflegestation,
gegründet
9.
September
1888;
ein
Krankenpflegeverein sorgte für den Unterhalt der Schwestern und mietete eine
Wohnung in der Kasernenstraße, erwarb dann 1891 ein Haus in der Schulstraße, das
1894 bei der Ankunft einer sechsten Schwester vergrößert werden mußte. 1912/13
wurde das Haus abgetragen und durch die Bemühungen des Herrn Pfarrers Wild durch
ein schönes neues Heim ersetzt (jetzt Schulstraße 54). Am 20. August 1913 zogen die
Schwestern ein, am 15. Oktober wurde die Kapelle eingeweiht (vgl. Festschrift zur
Einweihung der neuen katholischen Pfarrkirche Kehl 1914, S.7). 5 Schwestern.
Königheim. Station für Krankenpflege, Kinder- und Arbeitsschule, gegründet 15.
September 1886 durch Herrn Dekan Eckert (gest. 1897), der mit freiwilligen Beiträgen
ein dem Kirchenfonds verschriebenes Haus erwarb. Die Schwestern, die einen
Gemeindezuschuß erhalten, pflegen auch die Kranken der Filiale Dienstadt. Im
Schwesternhaus finden auch alte Leute aus der Gemeinde Aufnahme. Unter Pfarrer
Kieser wurde für die Schulen ein Lokal im Garten erbaut. 6 Schwestern.
Ladenburg (St. Josephshaus). Krankenpflegestation, gegründet 25. März 1889
durch Pfarrverweser Eicheler, der einen Krankenverein gegründet hatte. 1896
166
Arbeitsschule eröffnet. Am 11. Dezember 1910 zogen die Schwestern in ein dem
Kirchenfonds verschriebenes neues Schwesternhaus. 5 Schwestern.
Ladenburg (Waisenhaus). Seit 20. März 1907 ist das 1772 gegründete
Waisenhaus den Schwestern anvertraut. 1920: 3 Schwestern.
Laudenbach. Krankenpflegestation, gegründet 12. April 1898 durch Pfarrer
Wäldele und Hauptlehrer Riemen. Ein Elisabethenverein sorgt für Unterhalt.
Arbeitsschule, 1911 Kinderschule eröffnet und über dem Schulsaal ein Stockwerk für
Schwesternwohnung aufgeführt. 3 Schwestern.
Leutershausen. Station für Krankenpflege, Näh- und Kinderschule, gegründet
durch Dekan Grimm 22. März 1889. Ein Krankenverein lieferte Beiträge zum Unterhalt
der Schwestern, die 1894 ein neues Haus bezogen, zu dessen Bau Lehrer Haas 4000
Mark gestiftet hatte; weil es bald zu klein wurde, sorgte Pfarrer Kästel 1906 für einen
Neubau (Eigentum des Kirchenfonds). 6 Schwestern.
Mannheim (D 4, 4). Am 28. Oktober 1858 kamen, von Kaplan Koch (später
Stadtpfarrer an der oberen katholischen Pfarrei) und Frau Deurer berufen, 3
Schwestern, die bei letzterer Wohnung fanden. Die Mildtätigkeit der Gläubigen sorgte
für den Unterhalt. Nach dem Tode der Frau Deurer wurde das Haus F 5, 23 erworben
und 1861 bezogen. Das Arbeitsfeld der Schwestern (ambulante Krankenpflege) wurde
immer größer, das Haus zu eng. Stadtpfarrer Koch und Oberbürgermeister Achenbach
gründeten ein Komitee, das in einen "Verwaltungsrat der Stiftung für Krankenpflege"
umgewandelt wurde und am 4. August 1868 die Rechte einer juristischen Persönlichkeit
erhielt. Mit gesammeltem Geld wurde das Haus D 4, 12 ersteigert und bezogen; die
Stiftungskomission für Krankenpflege vermietete es unentgeltlich den Schwestern. Im
Jahre 1885 wurde das Haus D 4, 4 gekauft und mit dem Schwesternhaus verbunden;
das Mutterhaus steuerte 25000 Mark bei und bestritt die Reparaturen. Seit 1889
gewährt die Stadt einen Zuschuß von 1000 Mark. Im Jahre 1902 erwarb die Anstalt
einen Garten in Feudenheim. Die vermehrte Anfrage von Pensionärinnen um Aufnahme
bewirkte, daß das Vorderhaus D 4, 4 um zwei Stockwerke erhöht wurde. Bei
Gelegenheit des fünfzigjährigen Jubiläums, am 28. Oktober 1909, liefen
Glückwunschschreiben der Großherzogin Hilda und des hochw. Herrn Erzbischofs
Nörber ein, der u. a. schrieb: "Ich hatte früher in Mannheim selbst Gelegenheit, mich an
dem Opfersinn der Niederbronner Schwestern zu erbauen. Seitdem ist Mannheim zur
Großstadt herangewachsen; damit sind aber auch die karitativen und sozialen
Aufgaben gewachsen. Die Schwestern Ihrer Kongregation sind stets mit in den
vordersten Reihen gestanden, wo es galt, die Schmerzen der leidenden Menschheit
und die mannigfachen sozialen Übel der Großstadt zu lindern und zu heilen. Es ist mir
deshalb eine wahre Herzensfreude, Ihrer ganzen Kongregation und allen zur Zeit in
Mannheim tätigen Schwestern bei diesem Jubiläum christlicher Nächstenliebe die
oberhirtliche Anerkennung und wärmsten Dank für Ihr treues Wirken in der Stadt
Mannheim auszusprechen." Am 18. März 1915 starb hochw. Herr Prof. Meck, der seit
1893 geistlicher Hausvorstand gewesen war. Er hat um die Ausbreitung der Schwestern
in Mannheim sich die allergrößten Verdienste erworben (vgl. das "Neue Mannheimer
Volksblatt" 1908, Nr. 286) und ist ihnen in geistlichen und weltlichen Dingen stets ein
selbstloser, treuer und unermüdlicher Berater und Sachverwalter gewesen. 24
Schwestern.
Mannheim-Schwetzingervorstadt. Krankenpflegestation, gegründet 20. Januar
1887 auf Wunsch der Armenkommission. Zuerst in Miete, bezogen die Schwestern im
März dieses Jahres eine von dem Fabrikanten Lanz gestellte Wohnung in der
Merzelstraße, wo im Oktober eine Kinderschule eröffnet wurde. Im April 1889 wurde
das für 27000 Mark erworbene Haus Nr. 27 in derselben Straße Schwesternhaus; 1894
wird im Hof ein Kinderschulsaal erbaut, auch eine Nähschule wird eröffnet. 1906 wird
167
das anstoßende Haus erworben. Im Mai 1910 siedelt die Kinderschule in einen Neubau
in der Kepplerstraße über, wozu Frau Geheimrat Lanz den Bauplatz geschenkt hatte.
Im zweiten Stockwerk ist die Arbeitsschule untergebracht; dazu ist ein Saal vorhanden
für Versammlungen des Dienstbotenvereins und der Jungfrauenkongregation. Das
Haus steht auf dem Namen des Vereins für Niederbronner Schwestern; außerdem wird
seit 1912 von dieser Station aus in einem Mietlokal in der Reinhäuserstraße eine
Kinderschule und seit 1918 ein Fröbelscher Kindergarten Augartenstraße 8 geleitet. 18
Schwestern.
Mannheim (Alphonsushaus). Kinderschule, gegründet in einem am 2. August
1896 eingeweihten Neubau im Stadtteil "Jungbusch". Die Baukosten wurden durch
Sammlungen aufgebracht, nachdem Herr Maier-Dobs schon vorher 10000 Mark
gespendet hatte. 1909 wurde ein Neubau nötig, wofür die Kosten aufgenommen
werden mußten; er steht auf dem Namen des Vereins für Niederbronner Schwestern.
Die Kinderschule zählt ca. 400 Kinder, von denen 60 - 80 Mittagbrot erhalten. In einem
Saal ist eine Nähschule untergebracht; auch einige Pensionärinnen finden Unterkunft.
Seit 1918 Fröbelgarten G 7, 30. 8 Schwestern.
Mannheim (St. Josephshaus). Krankenpflegestation und Kinderschule,
gegründet 1. Oktober 1902. Das St. Josephshaus, auch Smreckersche Anstalt genannt,
ist durch Herrn Ingenieur Smrecker im Stadtteil Lindenhof aus eigenen Mitteln zu dem
Zwecke erstellt worden (eingetragen als "Kinderbewahranstalt Lindenhof" G.m.b.H.).
Schon seit 1900 war provisorisch in der Gontardstraße Nr. 38 eine von 140 Kindern
besuchte Bewahranstalt gegründet worden. Fünf Schwestern wirken in der ambulanten
Krankenpflege, ca. 300 Kinder besuchen die Anstalt. 9 Schwestern.
Mannheim (St. Liobahaus). Eröffnet im September 1914 für Kinderschule,
Nähschule und ambulante Krankenpflege bei der projektierten Bonifatiuskirche. Das
Haus, ein stattlicher Neubau mit zwei Kinderschulsälen und Nähschulsaal stellte sich
mit Bauplatz auf 140000 Mark und ist Eigentum des Vereins für Niederbronner
Schwestern; ein Legat des verstorbenen Kommerzienrats Weyl und andere
Zuwendungen hatten das Werk ermöglicht. 7 Schwestern.
Mannheim (R 7). Volkskindergarten, eröffnet 15. April 1918 auf Anregung Prof.
Waldvogels. Der Verein für Niederbronner Schwestern hatte das Haus erworben.
Nähschule, Damenpensionat. 7 Schwestern.
Mannheim-Feudenheim. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet
1889; zuerst Mietswohnung, dann eigenes Haus, 1901 Neubau. Ein Krankenverein
steuert zum Unterhalt der (6) Schwestern bei.
Mannheim-Sandhofen. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 21.
Oktober 1899. Die Gemeinde stellte Wohnung und Schullokal und leistete einen Beitrag
zum Unterhalt. 1904 erwarb die Genossenschaft ein eigenes Schwesternhaus in der
Falkenstraße (Nr. 9); 1912 Nähschule errichtet. 6 Schwestern.
Mannheim-Sandhofen (Mädchenheim). Im Jahre 1902 wurden zwei Schwestern
von der Jutefabrik in der meist aus Polen und Italienern bestehenden Arbeiterkolonie
angestellt; 1906 wurde das Mädchenheim eröffnet, das mit 320 Arbeiterinnen besetzt
wurde. Eine bereits bestehende Krippenanstalt wurde einbezogen, auch Nähschule
eingerichtet, 1907 eigene Kapelle eingeweiht. Die Fabrik stellte Wohnung und
Brennmaterial und leistete Unterhaltsbeitrag. 9 Schwestern.
Neckarhausen. Krankenpflegestation, gegründet 1889 durch Pfarrer Krug; die
gräfliche Familie von Oberndorf stellte die Wohnung. 1894 übernahmen zwei neue
Schwestern die seit 1857 bestehende Kinderschule. 1903 Neubau, auf den
katholischen Kirchenfonds eingeschrieben, wofür Graf Friedrich v. Oberndorf den
Bauplatz stiftete; Oktober 1919 Eröffnung einer Industrieschule. 5 Schwestern.
168
Neudorf. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 1896 durch Herrn
Pfarrer Stern. 1895 Bau eines Schwesternhauses (dem Kirchenfonds gehörig). Ein
Gemeinde- und Krankenverein steuern zum Unterhalt der (4) Schwestern bei.
Oberkirch. Krankenpflegestation, gegründet 1864 mit drei Schwestern, die 1867
auch das alte Spital übernahmen. An dessen Stelle trat durch die wohltätige Stiftung
einer israelitischen Dame, Frau v. Haber, ein Neubau. 5 Schwestern.
Peterstal. Krankenpflegestation, Kinder- und Nähschule, gegründet 1899 durch
Pfarrer Helm (von der Pfarrgemeinde Ziegelhausen). Die Gemeinde ließ ein Haus
erbauen, das 1909 dem Kirchenfonds übertragen wurde. 1911 gründete Pfarrer
Nicolaus einen Krankenverein. 3 Schwestern.
Pforzheim (St. Josephshaus). Krankenpflegestation, gegründet 1865 durch
Herrn Fabrikanten Veltemann, der den (4) Schwestern, die acht Jahre in Miete
wohnten, zusammen mit Herrn Pfarrer Christ ein Haus aus eigenen Mitteln in der
Gerberstraße erbauen ließ. 1905 wurde von Herrn Dekan Leist an dessen Stelle das
jetzige Josephshaus errichtet (die Baukosten wurden bestritten durch Kapitalaufnahme,
gesammelte Beiträge und Zuschuß des Mutterhauses). Es gehört dem Vinzenzverein,
enthält die seit 1892 übernommene Kinderschule und Mädchenheim (46 Betten). 1914
Hauskapelle eingerichtet. Eine der ersten Schwestern, Schwester Geran, regte die
Einführung der Marienmaiandacht in Pforzheim an. 16 Schwestern.
Pforzheim (Gesellenhaus). Seit 1. Juni 1898 leiten zwei Schwestern den
Haushalt des katholischen Gesellenhauses; sie unterstehen der Oberin des St.
Josephshauses.
Pforzheim (Marienhaus). Mädchenheim für stellenlose Arbeiterinnen und
Dienstboten und Waisenkinder. Zuerst war in dem Hause (Waldstraße) eine seit 24.
Dezember 1887 den Schwestern anvertraute Kinderschule untergebracht. 1888 begann
man Waisen aufzunehmen, 1894 wird ein Stockwerk für das Mädchenheim aufgebaut.
Seit 1895 heißt die Anstalt, welche Eigentum des erzbischöflichen Bernhardusstifts zu
Freiburg ist, Marienhaus; sie vermag bis 25 Kinder und Mädchen aufzunehmen. Seit
1918 Fürsorge für Kriegerkinder. 2 Schwestern.
Plankstadt. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet im Mai 1897.
1900 Bau eines auf den Kirchenfonds eingetragenen Schwesternhauses, für dessen
Schuldentilgung ein Krankenverein sorgt. 6 Schwestern.
Rastatt (Mädchenwaisenhaus). Am 6. Februar 1858 übernahmen zwei
Schwestern den Haushalt, bald auch die Leitung der 1853 in der Hildastraße Nr. 15 von
Herrn Bankier Meyer gegründeten Mädchenwaisenanstalt, die 1858 in die
Kapellenstraße verlegt und 1877 von der Stadt übernommen wurde. 1910 zog sie in
das am Leopoldsring neuerbaute, 50 Betten zählende Waisenhaus. 5 Schwestern.
Rastatt (Vinzentiushaus). 1870 kamen drei Schwestern für Krankenpflege; bis
1873 wohnten sie in der Meyerschen Waisenanstalt, dann in Miete; 1882 erhielten sie
freie Wohnung im städtischen Karl-Friedrichstift in der Murgstraße. 1896 wurde auf
Anregung des Finanzrates Günther und Stadtpfarrers Guggert aus freiwilligen Beiträgen
und einem Zuschuß des Mutterhauses (12500 Mark) ein Schwesternhaus in der
Engelgasse erbaut, das 1903 auf den katholischen Kirchenfonds geschrieben wurde. Im
nunmehrigen Vinzentiushaus eröffnete der Vinzenzverein ein Dienstbotenheim und
kaufte dafür 1909 das Nachbarhaus ("Marienhaus"). 13 Schwestern.
Reicholzheim. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 26. Juni 1888
durch Herrn Pfarrer Walter, der für den Kirchenfonds ein Schwesternhaus angekauft
hatte. Gemeinde und Krankenverein sorgen für Unterhalt. 1910 Gründung einer
Winternähschule. 4 Schwestern.
169
Stühlingen. Winterschule für Landwirtschaft, gegründet 15. November 1920
durch Bürgermeister Bauer. 2 Schwestern.
Schweinberg. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 18. März 1913
durch Herrn Pfarrer Kohler. Ein Wohltäter, Herr Gregor Dörr (gest. 1911), hatte für den
Zweck sein Anwesen und Vermögen gestiftet, dazu kam eine Stiftung von 10000 Mark
durch Herrn Alois Kilian. Ein Neubau ist geplant. 3 Schwestern.
Schwetzingen. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 15. März
1888 durch Herrn Dekan Münch. 1890 Kinderschule, 1893 Arbeitsschule eröffnet. Ein
Schwesternverein kam für die Hausmiete auf. 1900 kaufte Herr Stadtpfarrer Blöder in
der Dreikönigsstraße das alte Schulhaus (für den Kirchenfonds) für Kinder- und
Arbeitsschule. 1914/15 ließ dafür der Vinzenzverein (ehemaliger Schwesternverein)
einen stattlichen Neubau herstellen. 9 Schwestern.
Völkersbach. Krankenpflegestation und Nähschule, gegründet 8. November
1920 durch Pfarrer Fuggis. 2 Schwestern.
Wagenschwend-Balsbach. Krankenpflegestation, gegründet 2. Oktober 1911
durch Pfarrkurat Ringel. Die Schwestern wohnen in Miete in Balsbach; die beiden
Gemeinden kommen für den Unterhalt auf. Seit Mai 1920 Arbeitsschule. 3 Schwestern.
Waldhausen. Krankenpflegestation für Waldhausen und Heidersbach-Einbach,
gegründet 1. April 1916 durch Pfarrer Mayerhöfer. Die drei Gemeinden kommen für
Miete und Unterhalt auf. 3 Schwestern.
Walldorf. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 15. Oktober 1886
durch Pfarrer Krämer. 1892 ließ die katholische Gemeinde unter Leitung des Herrn
Dekan Benz ein (dem Kirchenfonds gehörendes) Schwesternhaus bauen mit Kinderund Nähschule. 1920: 5 Schwestern.
Weinheim. Krankenpflegestation, gegründet 1892, Kinderschule 1904;
aufgegeben am 1. Juli 1912.
Wertheim. Krankenpflegestation, Kinder- und Arbeitsschule, gegründet 1868
durch Pfarrverweser Oberle, und die Fürstin Sophie von Löwenstein-WertheimRosenberg unter Mitwirkung des Fürsten Karl zu Löwenstein (als P. Raymundus 1907
in den Dominikanerorden eingetreten), der die Wohnung stellte und auch später alle
baulichen Veränderungen bestritt. Auch die Schwester des Fürsten, die Herzogin
Adelheid v. Braganza (gest. 1909), war eine ständige Wohltäterin des Hauses. Der
jetzige Fürst liefert jährlich einen Beitrag zum Unterhalt der (5) Schwestern.
Wieblingen. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 1. April 1892
durch Pfarrer Ersche. Das Haus gehört dem Kirchenfonds; ein Krankenverein sorgt für
die Abtragung der Hausschuld und liefert das Heizmaterial. 3 Schwestern.
Wiesloch. Krankenpflegestation, gegründet 1880 durch Stadtpfarrer Hofmann;
1887 Arbeitsschule und Kinderschule gegründet. 1893 bezogen die Schwestern ein
dem Vinzenzverein gehöriges neues Schwesternheim. 1898 wurde in Altwiesloch eine
Kinderschule eröffnet. Die Gemeinde leistet einen Beitrag zum Unterhalt der (7)
Schwestern.
Ziegelhausen. 1889 berief Pfarrer Helm im Namen des Josephsvereins zwei
Schwestern für eine Kinderschule, 1892 eine dritte für Krankenpflege. Sie bezogen
1893 das neuerbaute St. Josephshaus, das 1903 auf den Kirchenfonds geschrieben
wurde. 1913 wird die Kinderschule erweitert und die seit 1893 bestehende Nähschule
ins alte Pfarrhaus verlegt. Der St. Josephsverein sorgt für Licht und Heizung und
bestreitet die Miete für die Nähschule. 1920: 6 Schwestern.
170
B. Hessen.
Diözese Mainz.
Die Berufung der Niederbronner Schwestern nach dem Mainzer Sprengel steht in
innigem Zusammenhang mit dem raschen Aufblühen des kirchlichen Lebens nach der
Besitzergreifung des Mainzer Bischofstuhles durch den großen Bischof Wilhelm
Emanuel v. Ketteler 306). Sie geschah auf Betreiben des tatkräftigen katholischen
Stadtpfarrers Dr. Johann Baptist Lüft von Darmstadt. Für die Geschichte der
Genossenschaft im Mainzer Bistum und im Großherzogtum Hessen ist die Darstellung
der Geschichte der Darmstädter Niederlassung grundlegend. Darum wird diese an
erster Stelle zu behandeln sein.
Das barmherzige Schwesternhaus in Darmstadt.
Dr. Lüft, dem die katholische Kirchengemeinde in Darmstadt ihre rasch
aufblühende Entwicklung verdankt, war von Gießen, wo er als Seelsorger und als
Professor der Liturgik und Moral an der dortigen katholisch-theologischen Fakultät
äußerst segensreich gewirkt hatte, im Jahre 1835 als Pfarrer nach Darmstadt
gekommen 307). Als ehemaliger Schüler des Straßburger Bischofs Räß in den Mainzer
Lehranstalten bewahrte Lüft seinem Lehrer treue Anhänglichkeit und stand stets mit ihm
in Fühlung. Nachdem Lüft im Jahre 1858 nach Art der Vinzenzvereine einen
Armenverein zur Unterstützung der zahlreichen armen Gemeindemitglieder gegründet
hatte, wurde der Wunsch nach Berufung Barmherziger Schwestern laut. Lüft unterhielt
sich noch in diesem Jahre persönlich mit Bischof Räß über diese Angelegenheit und bat
um Entsendung einiger Schwestern aus dem Mutterhause Niederbronn. Am 11. Juni
1859 konnte er Räß melden, daß die Schwestern kommen könnten, sobald die
Erlaubnis der hessischen Regierung eingetroffen sei. Da der Darmstädter Boden von
den Schwestern durch ihre Art und Wirksamkeit erst erprobt werden müsse und auch
erst ein kleiner Teil der katholischen Gemeinde dem Institut günstig gesinnt sei, so
komme es darauf an, daß bei der Auswahl der zu schickenden Schwestern besondere
Umsicht walte; der Bischof möge sich der Sache annehmen. Neben dem Pfarrer traten
einige edeldenkende Laien für das segensreiche Werk ein, vorab der Geheime Rat
Maximilian von Biegeleben, Oberrechnungsrat Backé, Kaufmann Blaum und Dr. Bracht
308).
Am 1. September 1859 trafen die ersten Schwestern in Darmstadt ein:
Schwester Bonaventura als Oberin und die Schwestern Jovita und Gorgonia. Sie
bezogen ein Haus am Soderweg - die heutige Kinderschule der Schwestern -, welches
man für 4800 Gulden erworben hatte. Nach drei Wochen schon berichtete der Pfarrer
hocherfreut dem Bischof (24. September 1859), daß die Auswahl recht gut sei,
"besonders die Oberin Schwester Bonaventura macht einen vortrefflichen Eindruck. Sie
ist für hier ganz und gar geeignet." Die Schwestern hätten schon in sechs Häusern
Beschäftigung und bitten um eine vierte Schwester. "Der Reiz der Neuheit versammelt
bisweilen noch ein jugendliches Gefolge, wenn die Schwestern über die Straße gehen,
aber es wird sich bald geben." Und bald darauf 309) wiederholt er, daß die Schwestern in
dem ersten Vierteljahr ihres Hierseins alle Sympathien erobert haben, bei Katholiken
sowohl als bei Protestanten. Die ungünstige Stimmung bei einigen Protestanten sei
geschwunden. "Die Schwester Bonaventura hat durch ihre taktvolle und liebenswürdige
Art einen wesentlichen Anteil daran."
Hatten die Schwestern anfangs ihre Tätigkeit auf Hauskrankenpflege und
Armenfürsorge und die Leitung des im Jahre 1859 gegründeten Jungfrauenvereins 310)
171
beschränkt, so erweiterte um Ostern 1860 der eifrige Pfarrer ihr Arbeitsfeld durch
Gründung einer Arbeitsschule für arme Mädchen, zunächst für schulpflichtige Kinder,
die außerhalb der Schulzeit das Kloster besuchen sollen, um in Handarbeit unterrichtet
zu werden, daneben eine Schule für schulentlassene Mädchen, die bisher nur die
gewöhnlichen Nähschulen oder die Fabriken besuchten, wobei viele moralisch
zugrunde gingen. Diese Arbeitsschule wurde gleich stark in Anspruch genommen, auch
von Kindern des besseren Bürgerstandes; aber nur für 70 war Raum vorhanden,
ebenso viele mußten zurückgewiesen werden. Darum wandte sich Lüft wieder an den
Bischof Räß (29. Mai 1860), ob er zu einem notwendigen Neubau kein Geld beschaffen
könne. Das jetzige Kloster koste schon 9000 Gulden und nichts sei bezahlt. Diese
Schuld nehme die Kirchengemeinde auf sich, aber mehr könne sie nicht leisten. Auch
eine kleine Kapelle sei nötig, da das Kloster weit von der Kirche entfernt sei. Vielleicht
gebe der Verein für Verbreitung des Glaubens in Lyon einen Beitrag, denn das Kloster
sei ja auch eine Missionsanstalt. Bischof Räß ging auf diesen Gedanken ein und
unterstützte ein Gesuch um einen Geldbeitrag, das der Kirchenrat von Darmstadt nach
Lyon schickte. In der Begründung dieses Bittgesuches wird die Notlage der 4000
Seelen zählenden Kirchengemeinde betont. Der Bau einer Schwesternanstalt sei nötig,
um in die weibliche Jugend frühe und gründlich die Keime der Religion und des Guten
zu pflanzen und sie vor den Gefahren des Proletariats und des Unglaubens zu
bewahren. Dann heißt es weiter: "Die protestantische Bevölkerung konnte anfangs
kaum an den Gedanken glauben, ein katholischen Kloster in einer Stadt zu sehen,
welche stets ein Hauptsitz des Protestantismus war, in der Residenz eines Fürsten,
dessen Ahnen zu den Hauptgründern desselben gehörten. Aber wunderbarerweise
haben die Schwestern die Sympathien der hiesigen Protestanten ganz allgemein und
im hohen Grade gewonnen; es besteht für sie eine hohe Begeisterung, sie werden von
den Protestanten für den Krankendienst fast mehr als von den Katholiken gerufen." 311)
Dank der Befürwortung dieses Gesuches durch den Straßburger Bischof erhielt
der Pfarrer von der Lyoner Direktion des Glaubensverbreitungswerkes im Dezember
desselben Jahres 3000 Franken zugeschickt. Die von dem Ankauf des ersten Hauses
herrührende Restschuld war unterdessen auch bezahlt worden 312). Das Baukapital für
das neue Haus wurde teils durch milde Gaben, teils durch dreiprozentige
Schuldscheine zu 100 Gulden aufgebracht; die Kosten des unter der Leitung des
Geheimrats von Biegeleben aufgeführten Baues beliefen sich auf 10000 Gulden. Am
27. November 1862 konnte der Pfarrer dem Bischof Räß melden, daß der Neubau
vollendet und trefflich gelungen sei. Die Generaloberin, die im Oktober anwesend war,
hätte gesagt, daß sie Räß bitten werde, noch einen Beitrag von Lyon zu erwirken. Der
Bischof von Mainz habe das dorthin gerichtete Bittgesuch zwar nicht gern gesehen, weil
er sich dadurch für gehindert halte, auch etwas für ähnliche Zwecke zu bekommen;
darum habe er das Gesuch auch nicht befürworten wollen. Auch seien die Beiträge aus
der Diözese Mainz nach Lyon nicht bedeutend. Lüft teilt dem Bischof weiter mit, daß
dieses Jahr für die Anstalt besonders günstig verlaufen sei, wegen der Pflege der
verstorbenen Großherzogin Mathilde. Dazu habe die Oberin eine das ganze Jahr
dauernde Pflege in der Familie Brentano zu Frankfurt erhalten. Immerhin seien noch
8000 Gulden Restschulden da. Auch wären viel mehr Schwestern nötig.
Die am 23. Mai 1862 verstorbene Großherzogin Mathilde, eine geborene
Prinzessin von Bayern, war in ihrer sechswöchigen Krankheit von unseren Schwestern
gepflegt worden. Sie ist von Anfang an eine eifrige Gönnerin des Schwesternhauses
gewesen. An ihrem letzten Namensfeste noch hat sie den Schwestern ein Geschenk
von 1000 Gulden überreichen lassen 313). Die wohlwollende Gesinnung, welche vom
Großherzoglichen Hofe den so vielen Segen stiftenden Schwestern entgegengebracht
wurde, ermutigte die Katholiken Darmstadts, den Großherzog Ludwig um eine weitere,
172
für die fernere günstige Entwicklung der Schwesternniederlassung ungemein wichtige
Gunst zu bitten: um die Verleihung der Korporationsrechte. Zu ihrem Wortführer
wählten sie den Kammerherrn und Kreisrat Freiherrn von Stein, der am 16. März 1862
ein Bittgesuch an den Landesfürsten richtete. Ausgehend von dem hochherzigen
Geschenk der Großherzogin, fährt der Bittsteller fort: "So groß nun die Freude und das
innigste Dankgefühl für diese huldvolle Gabe ist, welches die Katholiken Darmstadts
beseelt, um so lebhafter ist bei denselben auch der Wunsch, daß diese ebenso
gnädigst bedachte Anstalt auch künftighin hier stets fortbestehen und gedeihen möge,
und sie würden darin einen ganz besonderen Schutz erblicken, wenn Ew. Kgl. Hoheit
die Gnade haben wollten, dieser Anstalt auch dieselben Rechte zu verleihen, welche
die öffentlichen milden Stiftungen im Großherzogtum besitzen und welche namentlich
dem hiesigen Diakonissenhaus und dem hiesigen Landkrankenhause bereits
allergnädigst verliehen worden sind, nämlich die Rechte einer moralischen Person mit
der Befugnis, auch Geschenke und Vermächtnisse von dritten Personen anzunehmen.
Sobald bekannt ist, daß diese Rechte auch dem Barmherzigen Schwesternhause
allergnädigst verliehen werden, wird das von Ihrer Kgl. Hoheit der Frau Großherzogin
huldreichst gegebene Beispiel sicherlich eine sehr mannigfache Nachahmung finden,
und es wird dieses auch den glücklichen Erfolg haben, daß der Anstalt auch noch
immer mehr die vielseitige Unterstützung zuteil wird, welche sie bei ihrer wohltätigen
Wirksamkeit sogar sehr bedarf."
Bereits am 18. März willfahrte der Großherzog dieser Bitte und erteilte "der unter
der Benennung 'Barmherziges Schwesternhaus zu Darmstadt' dahier bestehenden
Wohltätigkeitsanstalt die Rechte einer moralischen Person mit der Befugnis, Geschenke
und Vermächtnisse von dritten Personen anzunehmen, jedoch mit der Bemerkung, daß
in der Verleihung jenes Rechtes eine Anerkennung der sogenannten 'Kongregation der
Töchter des göttlichen Erlösers' als klösterlichen Vereins nicht enthalten ist, und daß es
sich von selbst versteht, daß dem Staate, wie über alle andern, so auch über die
genannte Wohltätigkeitsanstalt das Recht der Oberaufsicht zukommt, und daß
überhaupt auf dieselbe alle in bezug auf Wohltätigkeitsanstalten bestehenden
gesetzlichen Bestimmungen ebenfalls Anwendung finden" 314). Das Schwesternhaus
wurde nun als Eigentum der katholischen Pfarrgemeinde erklärt und die
Rechtsvertretung und Vermögensverwaltung einem ständigen "Verwaltungsrate"
übertragen; dieser bestand fortan aus dem Pfarrer und dem zweiten Geistlichen sowie
aus drei von dem Kirchenvorstand zu wählenden weltlichen Mitgliedern 315).
Im Jahre 1863 und 1864 kaufte der Verwaltungsrat Teile des angrenzenden
Feldstückes, weil sonst bei der regen Bautätigkeit die Anstalt von allen Seiten zu sehr
eingeengt worden wäre. Noch einmal suchte Lüft in Lyon Geld zu erhalten, jedoch
diesmal ohne Erfolg 316). Der ca. 2500 Gulden betragende Kaufpreis konnte aber schon
im Jahre 1865 dank einem Vermächtnis der Gräfin Oyon, einer Kollekte und Lotterie
ausbezahlt werden. In demselben Jahre ließ der junge Freiherr v. Perglas auf seine
Kosten das ganze Anwesen mit einer Mauer umgeben. Auch eine gefällige Hauskapelle
wurde geschaffen, deren Einrichtungskosten - 957 Gulden -durch eine von den
Hofdamen Gräfin Anna von Seinsheim 317) und Freiin von Breidbach veranstaltete
Sammlung sowie durch die Freigebigkeit des Pfarrers Lüft gedeckt wurden. Außerdem
hatte die Frau Großherzogin sämtliche Paramente und den Meßkelch, die Frau des
französischen Gesandtschaftssekretärs Grafen Breda den Speisekelch und die
Monstranz gestiftet.
Im deutsch-österreichischen Kriege 1866 leisteten die Schwestern in der Pflege
der Verwundeten Hervorragendes. Auch hier zeigte sich die Energie und Tatkraft der
Oberin auf voller Höhe. Schwester Jovita und Gorgonia wurden durch die
Überanstrengung krank und mußten im folgenden Jahre in Schwalbach sich einer
173
Badekur unterziehen; in Anbetracht der Verdienste der Schwestern um die
Verwundeten bewilligte ihnen die dortige Kurverwaltung in anerkennenswerter Weise
Freibäder. Durch ihre Beziehungen zum Hofe 318) erfreute sich Schwester Bonaventura
auch in den höchsten Kreisen großen Ansehens und kam auch mit auswärtigen
Fürstlichkeiten, die am Hofe weilten, oft in nähere Berührung, so mit der Herzogin
Modena, bei der sie in allen Anliegen ein geneigtes Ohr fand. Im Jahre 1867 konnte sie
ihrer geliebten Generaloberin freudig von einem Besuche berichten, den die Königin
von Bayern in Begleitung der Prinzessin Karl ihrem Hause abstattete, wobei sie der
Anstalt ein Geschenk von 50 Gulden hinterließ; die Königin habe sich angelegentlich
nach der Generaloberin erkundigt und sehe ihrem baldigen Besuche in München mit
Freuden entgegen 319).
Weniger Sympathien als bei hoch und nieder in Darmstadt fand Schwester
Bonaventura bei Bischof v. Ketteler.
Seitdem im Jahre 1866 dem altersmüden Pfarrer Dr. Lüft sein Kaplan J. B. Beyer
als zweiter Pfarrer beigegeben war, der Lüfts Stelle im Verwaltungsrat des
Schwesternhauses einnahm, kam es zu Unstimmigkeiten zwischen der Oberin und dem
Verwaltungsrat. Sie hatten wohl ihren Grund in der Auffassung, welche die Oberin von
ihren Rechten hegte, und welche dem Verwaltungsrat zu weitgehend erschien. Ein
Konflikt entstand zuerst, als Schwester Bonaventura auf ein Legat von 2000 Gulden,
dessen jährliche Zinsen auf ausdrücklichen Wunsch des Erblassers zur persönlichen
Verfügung der Oberin und nicht des Verwaltungsrates des Hauses stehen sollten,
Anspruch machte. Die Ausübung privater Wohltätigkeit, vor allem an Arme besserer
Stände, stellte an die Hauskasse oft bedeutende Anforderungen. Darüber glaubte die
Oberin, wohl nicht mit Unrecht, niemanden als ihren direkten Obern Rechenschaft
ablegen zu sollen. Pfarrer Lüft, der bis zuletzt die hervorragenden Eigenschaften der
Schwester Bonaventura schätzte, ist ihr in dieser Hinsicht nie in kleinlicher Weise
entgegengetreten 320).
Als der Verwaltungsrat nun anderer Ansicht war, wollte der Oberrechnungsrat
Backé, der mit Lüft 321) den Standpunkt der Oberin verfocht, den Großherzog um die
Erklärung bitten, "daß die dem hiesigen Schwesternhause verliehenen
Korporationsrechte nur durch die Frau Oberin des Hauses und nicht durch den
nachträglich gebildeten Verwaltungsrat auszuüben seien". Der Landesfürst bedeutete
aber dem Bittsteller in einer Audienz, er möge sich vorerst mit dem Bischof darüber
aussprechen. Eine Unterredung Backés mit Freiherrn von Ketteler zeigte aber, daß
dieser von dem Verwaltungsrat ganz für dessen Auffassung gewonnen war. Der Bischof
äußerte sich dahin, daß er sich die Anstalt zu Darmstadt nicht anders denke und
gedacht habe, als daß die Schwestern berufen worden seien zur Befriedigung der
Bedürfnisse der Gemeinde Darmstadt, und daß dieselben als Anstalt unter einer
weltlichen Verwaltung stünden. Er werde sich genötigt sehen, demnächst um
Entfernung der Frau Oberin zu bitten 322).
Dies geschah, wenn auch nicht gleich, so doch einige Jahre später. Am 31. Juli
1869 benachrichtigte die Leitung des Mutterhauses den Bischof von Mainz, daß man
die Schwester Bonaventura abberufen und durch Schwester Gorgonia ersetzen wolle.
Als in Darmstadt das Gerücht ging von der bevorstehenden Abberufung der beliebten
Oberin, war das Bedauern allgemein. Von allen Seiten wurden Schritte unternommen,
dies zu verhindern. Der französische Gesandte Graf d'Astorg wurde gebeten, in seiner
Eigenschaft als Franzose bei dem Bischof von Straßburg diesbezügliche Schritte zu tun
323). Gleichzeitig wurde die protestantische Baronin van der Capellen bei Räß vorstellig
in der Sache. Sie hätte letztes Jahr im Auftrag der Fürstin Battenberg und der Gräfin
d'Astorg mit einem Dutzend katholischer und protestantischer Damen der Gesellschaft
unter dem Beifall des Großherzogs eine Kinderkrippe gegründet und diese, ungeachtet
174
des Widerspruchs, der sich in protestantischen Kreisen erhob, den Schwestern
anvertraut; jetzt sei die Krippe vorzüglich im Gang, Räß möchte doch den Weggang der
Oberin verhindern 324). Der Großherzog selbst beauftragte den Domkapitular Lüft
ebenfalls, Räß um sein Einschreiten zu bitten. Lüft entledigte sich des Auftrages (7.
August 1869), bekennt aber, damit in Verlegenheit zu sein, besonders dem Bischof von
Mainz gegenüber, der schon vor einigen Jahren die Versetzung der Oberin dringend
gewünscht habe. Mit dem Bischof stimme der Verwaltungsrat und Pfarrer Beyer, sein
Nachfolger, überein. Dagegen sei der größere Teil der Bevölkerung, der katholischen
wie der protestantischen, warm für die Oberin eingenommen; von dieser Seite werde ihr
Verbleiben sehr gewünscht. Merkwürdig seien die kontrastierenden Urteile über diese
Frau, die in der Bevölkerung als höchst liebenswürdig und als ganz besonders für
Darmstadt geeignet gelte, während man sie in Mainz und im Verwaltungsrat für
herrschsüchtig halte. Lüft enthält sich seines Urteils in der Frage, da er nicht mehr
Pfarrer sei und Rücksichten auf Mainz zu nehmen habe. Im allerhöchsten Auftrage teilte
auch der Großherzogliche Hofmarschall v. Küchler dem Oberhirten von Straßburg mit
(11. August 1869), daß der Landesfürst den Weggang der Oberin persönlich sehr
bedauern würde: "Schwester Bonaventura ist in Darmstadt allgemein beliebt und
genießt das besondere Wohlwollen meines gnädigsten Herrn, da sie ihm durch die
aufopfernde Pflege, welche sie der höchstseligen Großherzogin Mathilde während ihrer
Krankheit angedeihen ließ, von der vorteilhaftesten Seite bekannt ist." Unterm 14.
August meldet Domkapitular Lüft dem Straßburger Bischof, daß er dem Großherzog
mitgeteilt habe, Räß werde seinen ganzen Einfluß aufbieten, daß Schwester
Bonaventura hier bleibe. Lüft selbst hält dies, "wenigstens vorerst", für das Beste. Die
Bevölkerung wünsche es sehr. Schwester Bonaventura sei für mehrere Wochen nach
Wiesbaden gereist. Wir erfahren aus Lüfts Schreiben auch Näheres über den tieferen
Grund der Verstimmung des Mainzer Prälaten: "Es hat ihm stets Verdruß gemacht, daß
man sich in betreff der Verwaltung unseres Klosters immer mehr nach Niederbronn und
Straßburg als nach Mainz wendet. Er hat es schon nicht gern gesehen, daß ich
Niederbronner Schwestern hierherberufen habe, obschon er in seiner ganzen Diözese
keinen so praktischen Orden hat, als dieser ist. Die Schwester Bonaventura war und ist
ihm obendrein auch an sich schon zu eigenmächtig, so daß er sich in seiner Autorität
über das Kloster beeinträchtigt glaubt." Unter der Darmstädter Bevölkerung ging eine
Bittschrift um, welche, mit 595 Unterschriften versehen, Karl Freiherr v. Dorth am 21.
August 1869 an Räß absandte.
Aber im Mutterhause sah man sich trotz aller dieser Schritte doch veranlaßt, bei
dem gefaßten Beschlusse zu beharren. Wir sind der Schwester Bonaventura an
anderer Stelle begegnet und haben ihr ferneres Lebenswerk dort eingehend gewürdigt.
Ende August begann Schwester Gorgonia ihres Amtes als Oberin im Schwesternhause
zu walten. Am 3. August hatte Bischof v. Ketteler der Generaloberin auf ihr Schreiben
vom 31. Juli geantwortet, daß er nichts gegen den Wechsel der Oberin zu erinnern
habe. "Die bisherige Oberin hat sich recht viele Verdienste in Darmstadt erworben, und
es werden deshalb sehr viele Bewohner von Darmstadt sie mit Schmerz aus ihrer Mitte
scheiden sehen. Auf der anderen Seite verkenne ich auch nicht, daß wichtige Gründe
für einen Wechsel sprechen, und ich finde ihn um so unbedenklicher, da die Schwester
Gorgonia mein volles Vertrauen besitzt und gewiß eine gute Stellvertreterin sein wird."
Das letztere war auch tatsächlich der Fall. Zu Anfang des folgenden Jahres
konnte Domkapitular Lüft nach Niederbronn berichten: "Wir sind mit der Leitung unserer
Anstalt durch die Oberin Gorgonia in hohem Grade zufrieden. Alles geht so ruhig und
bescheiden und doch so bestimmt und energisch. Das ist auch das öffentliche Urteil
über sie. Auch der Großherzog ist vollkommen ausgesöhnt; ein Beweis dafür ist auch,
daß derselbe ihr seit ihrer Rekonvaleszenz 325) täglich das Essen aus der Hofküche und
175
den Wein aus dem Hofkeller schickt." Auch das Verhältnis zu Pfarrer Beyer sei gut
geworden.
Das war das letzte Schreiben, das Lüft an das Mutterhaus richtete; am 23. April
1870 starb er. Mit ihm ging einer der größten Wohltäter und Förderer der Niederbronner
Kongregation dahin. Schwester Gorgonia wurde im Jahre 1873 durch Schwester Amalia
ersetzt. Auch die Beziehungen des Schwesternhauses zu dem Mainzer Oberhirten
wurden, nachdem sein Wunsch erfüllt war, sehr freundliche. Als Freiherr v. Ketteler sein
fünfundzwanzigjähriges Bischofsjubiläum feierte, überbrachte am 23. Juli 1875 eine
Abordnung der Darmstädter Schwestern die herzlichsten Glückwünsche ihrer
Genossenschaft 326). Einen Monat später gab der Bischof der Leitung des Mutterhauses
einige Verhaltungsmaßregeln für die schwierige Zeit des in Hessen ausgebrochenen,
wenn auch milder als in Preußen geführten Kulturkampfes. Er ratet dringend, die von
der Regierung getroffenen Anordnungen zu erfüllen, wonach für jede Person in einem
Schwesternhause auf hessischem Gebiete zuerst durch die Vorsteherin die
Genehmigung dazu beim Kreisamte einzuholen sei und die Versetzung erst nach
Eintreffen der Erlaubnis stattfinden dürfe. Wenn auch diese Anfrage höchst lästig sei, so
müsse man sich doch daran halten, "da hiervon unzweifelhaft der Fortbestand Ihrer
Genossenschaft in meiner Diözese abhängt. Wie mir scheint, ist es gut, in diesem
Augenblicke in der Nachgiebigkeit so weit zu gehen, wie es möglich ist, ohne
Glaubensprinzipien zu verletzen, damit wir uns die Ordenshäuser für bessere Zeiten
erhalten" 327). Dank der gewissenhaften Befolgung dieses Rates sind die
Kongregationshäuser in Hessen während der schwierigen Jahre 328) in ihrer Entwicklung
nicht gehindert worden. Am 25. Januar 1877 wünschte der große Bischof der
Generaloberin, "daß die Schritte, um die Genehmigung ihrer Kongregation 329) seitens
des Apostolischen Stuhles zu erlangen, mit dem besten Erfolg gekrönt werden.
Dadurch würden ihre Mitschwestern gewiß nur in dem Eifer bestärkt werden, welchen
dieselben auch in meiner Diözese betätigen, wodurch sie allenthalben die Verehrung
und Liebe der katholischen Bevölkerung und selbst Andersgläubiger sich erworben
haben".
Der deutsch-französische Krieg gab auch den Darmstädter Schwestern reiche
Gelegenheit zur Betätigung der christlichen Nächstenliebe an den kranken und
verwundeten Kriegern auf den Schlachtfeldern und in den Lazaretten. Nach dem Kriege
nahm das Schwesternhaus ständig an Ausdehnung und Bedeutung zu. Als man am 14.
September 1884 die Feier des fünfundzwanzigjährigen Bestehens der Anstalt festlich
beging, konnte der Pfarrer und Dekan Beyer, der sich um die Fortentwicklung des
Hauses hoch verdient machte, in seiner Festpredigt mit Recht sagen: "Wenn wir
indessen bedenken, daß bei Gründung dieser Anstalt nicht die geringsten Mittel
vorhanden waren, wenn wir dann sehen, welche Entfaltung und Ausdehnung das
bescheidene Werk genommen, wie dieses Senfkörnlein zu einem stattlichen Baume
herangewachsen ist: dann werden wir uns nicht verhehlen können und dürfen, daß das
ganze Unternehmen von Gottes Schutz und Segen während der verflossenen 25 Jahre
begleitet war! Und wir werden nicht anstehen, dankerfüllten Herzens auszurufen: Vom
Herrn ist das geschehen." 330)
Im Jahre 1872 wurde auf dem von der Stadtverwaltung ersteigerten Baugrund an
der Niederramstädterstraße ein Pensionshaus für alleinstehende Damen erbaut. Allein
die räumliche Zerstreuung der verschiedenen im Laufe der Zeit errichteten
Gebäulichkeiten machte sich immer mehr fühlbar. Daher beschloß man, im Anschluß
an das 1861 erbaute Haus einen geräumigen Neubau mit größerer Kapelle zu errichten,
der nach den Plänen des Mainzer Architekten Lukas von dem Bauunternehmer Ludwig
Riedlinger aus Darmstadt fertiggestellt wurde. Am 10. August 1887 legte Pfarrer Beyer
den Grundstein, am 24. Oktober des folgenden Jahres konnte bereits die Einweihung
176
des Hauses und die feierliche Konsekration der Kapelle durch den Diözesanbischof Dr.
Paulus Leopold Haffner in Gegenwart einer zahlreichen Volksmenge erfolgen. Die
ergreifende Festpredigt hielt Domdekan Dr. Heinrich aus Mainz. Unter den Ehrengästen
war Prinz Alexander von Battenberg, der ehemalige Fürst von Bulgarien, zu bemerken,
der aus Dankbarkeit dafür, daß die Darmstädter Schwestern im bulgarisch-serbischen
Kriege in Sofia die Verwundeten seines Heeres gepflegt und ihm selber in schwerer
Krankheit beigestanden hatten, das gemalte Fenster hinter dem Hochaltar gestiftet
hatte. Verschiedene andere Wohltäter hatten sich in die Kosten der Ausstattung der
neuen Kapelle geteilt; der prächtige Hochaltar wurde von dem Möbelfabrikanten Julius
Glückert geschenkt 331). In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre wurden zum Besten
des Schwesternhauses und seiner immer größere Anforderungen stellenden
wohltätigen Institute die sogenannten Schwesternkonzerte eingeführt, welche alljährlich
im städtischen Saalbau von Mitgliedern des Großherzoglichen Hoftheaters unentgeltlich
veranstaltet wurden; um ihr Zustandekommen und ihren erfolgreichen Verlauf machten
sich neben dem Großherzoglichen Hofkapellmeister Hofrat Willem de Haan der
Schloßinspektor Breidenbach und der Rentner Ludwig Litzendorff besonders verdient.
Nach Vollendung des Neubaus wurden die verschiedenen mit dem
Schwesternhaus verbundenen Wohltätigkeitseinrichtungen um zwei neue vermehrt: um
eine H a u s h a l t u n g s s c h u l e und eine K i n d e r b e w a h r a n s t a l t . Im Jahre 1902
wurde das Pensionshaus erweitert durch einen Anbau; dessen großer Saal dient den
sonntäglichen Versammlungen des 1901 gegründeten katholischen Mädchenvereins.
Dieser untersteht mit dem damit verbundenen Mädchenheim finanziell dem
Mädchenschutzverein, dessen Präsi- dentin Freifrau Elisabeth v. Biegeleben 332) sich
um den Neubau viele Verdienste erwarb.
Noch eines glänzenden Festes müssen wir in der Geschichte des Darmstädter
Schwesternhauses gedenken. Am 14. November 1909 wurde im großen Saale die
Feier des goldenen Jubiläums der Niederlassung begangen. Es war ein erhebender
Festakt, eingeleitet durch einen schwungvollen, von Rektor Peters gedichteten Prolog
und verherrlicht durch den katholischen Kirchengesangverein. Kaplan Kastell hielt die
Festrede. Besonderen Eindruck machten die herzlichen Gratulationsworte, welche im
Namen des Großherzogs und der Großherzoglichen Regierung der Minister des Innern,
Exzellenz Brau, sprach: "Die Niederlassung der Barmherzigen Schwester in Darmstadt
war die Aufrichtung eines Altars gleich demutsvoller wie glaubensstarker Frömmigkeit,
über dem seit 50 Jahren das Licht werktätiger Nächstenliebe leuchtet. Des Lichtes
Strahlen erhellten die Pfade der Hunderte von Schwestern, die an dieser Stätte tätig
waren oder von hier hinauszogen als Dienerinnen des Friedens, als Lehrerinnen und
Beraterinnen weiblicher Jugend, als Helferinnen unserer Ärzte, als Trösterinnen der
Mühseligen und Beladenen in den Stunden des Leidens und der Krankheit bis zum
letzten Gange. Unzählbaren wohl ist die stille Arbeit der Schwestern zugute gekommen
in Schloß und Hütte; keinen Unterschied kannten sie des Alters, Standes oder
Bekenntnisses. Eben darum kommen heute die Grüße herzlicher Teilnahme an dem
Ehrentage der Niederlassung von allen Seiten, und freudig und bewegt finden wir uns
alle, gleichviel welcher Konfession, zusammen auf einem Gebiete, auf dem es nur
Einendes, nicht Trennendes gibt." Im Auftrag des Großherzogs überreichte er der
trefflichen Oberin, Schwester Sidonia, welche während der letzten 25 Jahre mit großem
Geschick und Erfolg als Oberin die Anstalt leitete, die goldene Verdienstmedaille des
Ludwigsordens. Nach ihm feierte Bürgermeister Dr. Glässing die Verdienste der
Schwestern um die Bevölkerung der Stadt Darmstadt, in deren Auftrag er einen
namhaften Beitrag für den Unterstützungsfonds der Schwestern übergab 333). Für die
Ärzteschaft sprach Sanitätsrat Dr. Habicht, für den Verwaltungsrat Rentner Litzendorff.
Nachdem noch Kaplan Kastell ein Handschreiben des Herrn Bischofs von Mainz, Dr.
177
Kirstein, der von Anfang seiner Regierung an den Niederbronner Schwestern
besonderes Wohlwollen entgegenbrachte, verlesen hatte, richtete Domkapitular und
Stadtpfarrer Dr. Elz 334), wie seine Vorgänger Lüft und Beyer ein weiser und tatkräftiger
Förderer des Werkes, Worte des Dankes an die zahlreich erschienenen, allen Ständen
angehörenden Festteilnehmer.
Zur Zeit besorgen die Darmstädter Schwestern, deren Zahl auf 25 gestiegen ist,
folgende Werke: Ambulante Krankenpflege, Haushaltungsschule (50 Schülerinnen),
Näh- und Strickschule, Kleinkinderschule, Krippe (30 Kinder), Damenpensionat (36
Pensionärinnen), Dienstbotenheim, Waisenpflege.
Darmstadt (Lagerhausstraße 24). 1895 bezogen drei Schwestern die
Frauenklinik des Dr. Blumenthal, die 1901 an Dr. Machenauer überging und 1906
erweitert wurde. 1920: 6 Schwestern.
Darmstadt (Bessungstraße 115). 1904 gründete Herr Pfarrkurat Gallei eine
Kleinkinderschule, die von einer Schwester des Darmstädter Schwesternhauses geleitet
wurde. September 1906 Gründung einer Krankenpflegestation. Die Schwestern
erhielten eigene Wohnung. Zu ihrem Unterhalt wird von einem Damenkuratorium eine
Sammlung veranstaltet. Die Kinderschule erhält einen städtischen Zuschuß. Seit 1918
Kinderkrippe und Fürsorgekinder. 7 Schwestern.
Darmstadt (Schloßgartenplatz 3). Kinderschule, 1910 durch Pfarrer Fink von St.
Elisabeth gegründet; 1911 wurde ein Kinderhort eröffnet auf Anregung der Freifrau
Elisabeth v. Biegeleben. In diesem Jahr wurde auch eine Station für ambulante
Krankenpflege begonnen. 5 Schwestern.
Bensheim (Hospital). Am 19. September 1867 trafen, von der Spitalverwaltung
begehrt, fünf Niederbronner Schwestern ein, um die scheidenden Straßburger
Vinzentinerinnen zu ersetzen, mit Schwester Jovita als Oberin, die bis 1915 treu ihres
Amtes waltete. 1869 Neubau eines Südflügels. 1870 war das Haus Lazarett. Im Juli
1872 weihte Bischof Ketteler die renovierte Spitalkirche ein. Eine 1881 infolge der
Konversion einer evangelischen Dame gegen das Spital inszenierte konfessionelle
Hetze verlief wirkungslos (siehe darüber die interessante Broschüre "Aktenstücke zur
Beleuchtung und Erwiederung der gegen das Hospital zu Bensheim durch den
evangelischen Kirchenvorstand daselbst erhobenen Beschuldigungen". Bensheim
1881). 1869 war eine Arbeitsschule gegründet worden, die 1887 in das dem
"Sickingerschen Fonds" gehörige Haus neben dem Spital verlegt wurde. Am 16. Juli
1906 Eröffnung der von Pfarrer Möller gegründeten Kinderkrippe (später auch
Kinderasyl), seit 1910 selbständiges Haus (2 Schwestern). Im Spital 16 Schwestern.
Bodenheim. Krankenpflegestation, gegründet 6. Januar 1885. Fräulein v. Heuß
stellte den Schwestern die Wohnung und vermachte nach ihrem Tod ihr Anwesen der
Kirche als Schwesternheim. 1895 Eröffnung einer Kleinkinderschule, 1911 einer
Nähschule. 5 Schwestern.
Dieburg (St. Rochusanstalt). 1867 Gründung einer Krankenpflegestation; die
Gemeinde stellte Wohnung und bestritt Heizung und Unterhalt. 1884 gründete P.
Bonifatius Söngen Ord. Cap. den St. Rochusverein zwecks Einrichtung eines Krankenund Schwesternhauses. Er erwarb auf den Namen der bischöflichen Mensa das
Anwesen der Familie v. Kraatz, das 1885 bezogen wurde (30 Betten). Auch arme
Kinder wurden aufgenommen; für sie wurde 1893 das Waisenhaus erbaut, das 1894
schon 60 Kinder zählte. Unter Herrn Dekan Ebersmann wurde das Spital im Jahre 1910
erweitert. Die Anstalt untersteht einem Verwaltungsrat von 9 Mitgliedern. 1920: 13
Schwestern.
Dieburg (Schloß). Seit 10. September 1920 zwei Schwestern für Haushalt und
Pflege der kranken Baronessen v. Fechenbach.
178
Eberstadt. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet durch Herrn
Pfarrer Daus 20. März 1914. Das neuerbaute St. Josephshaus (Eigentum des
Kirchenfonds) wurde 26. April 1914 eingeweiht. Die Gemeinde steuerte zum Unterhalt
der Schwestern bei. Seit April 1920 Arbeitsschule. 4 Schwestern.
Friedberg. Krankenpflegestation, gegründet 31. März 1913, ermöglicht durch die
hochherzige Stiftung des 1903 ermordeten Herrn Pfarrers Thöbes und gegründet durch
Herrn Pfarrer Praxmarer. Die Schwestern konnten gleich in ein prächtiges Heim
(Weiherstraße Nr. 30) einziehen. Für den Unterhalt sorgt ein Schwesternkuratorium.
3 Schwestern.
Gießen. Krankenpflegestation, gegründet 7. Dezember 1882 durch Herrn Pfarrer
Rady. Freiherr v. Jungenfeld gründete einen Krankenverein zum Unterhalt der zwei
Schwestern, die zuerst in Miete wohnten und 1886 ein für sie erbautes Heim am
Riegelpfad bezogen (jetzt vier Schwestern). 1899 wurde vom Kirchenfonds das alte
Pfarrhaus überlassen, das 1906/08 und 1913/15 durch Anbauten vergrößert wurde, weil
seit 1899 ein Universitätsprofessor eine Klinik im Schwesternhaus untergebracht hatte,
die sich steigenden Zuspruchs erfreut. Der Kirchenfonds hat die von ihm erstellten
Räume den Schwestern vermietet. 1912 wurde in der zu Vereinslokal und Kinderschule
umgebauten alten Kirche eine Kinderschule eröffnet. 24 Schwestern.
Großsteinheim (Kreiskrankenhaus). Am 9. September 1889 kamen, von Kreisrat
Haas berufen, drei Schwestern für das neuerbaute Kreiskrankenhaus, das sie am 20.
Januar 1890 bezogen; bis dahin wohnten sie bei Bürgermeister Spielman. 1906 ließ die
Verwaltung die Hauskapelle einrichten. 6 Schwestern.
Hainstadt. Krankenpflegestation und Arbeitsschule, gegründet 21. März 1898
durch Herrn Pfarrer Helferich-Kleinkrotzenburg. 1901 wurde in dem neuen, der
Gemeinde gehörigen Schwesternhaus eine Kinderschule eingerichtet. Seit 1911 leiten
die Schwestern auch eine Kochschule, seit 1920 Volksstrick- und Industrieschule.
4 Schwestern.
Heppenheim (Spital). Zuerst Krankenpflegestation, gegründet 10. August 1861
durch Herrn Dekan Krämer. Die Schwestern nahmen auch Kranke auf, später
Waisenkinder. Die Wohnung (das Schulhaus in der Marktstraße) war zu eng, daher
erbaute die Gemeinde 1880 das Krankenhaus am Laudenbachertor, das für 36 Kranke,
15 Pfründner und 20 Kinder Raum bot und später noch vergrößert wurde. 1897
Kinderschule, 1898 Nähschule eingerichtet. 1911 Einrichtung einer Kapelle. 9
Schwestern.
Heppenheim (Marienhaus). Um das Spital zu entlasten, wurde durch Herrn
Dekan Mischler das Marienhaus eingerichtet und am 29. Juni 1909 bezogen. Die
Schwestern zahlen der katholischen Kirchengemeinde die Zinsen der Bauschuld. Das
Haus enthält die Kinder- und Nähschule und Räume für Pensionärinnen und ist Station
für ambulante Krankenpflege. 8 Schwestern.
Hochheim. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 1. November
1920 von Kommerzienrat Reinhardt und der Gemeinde. 2 Schwestern.
Horchheim. Krankenpflegestation, gegründet 15. September 1886 durch Herrn
Pfarrer Kumpf; Neujahr 1887 Kinderschule eröffnet. 1901 Neubau eines
Schwesternhauses, das der Gemeinde von dem Wohltätigkeitskomitee überlassen
wurde. 1911 Gründung einer Arbeitsschule. Ein Frauenverein sorgt für Unterhalt der
Schwestern, deren Zahl 1920 6 betrug.
Kleinauheim. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 1905 durch
Herrn Pfarrer Michel. 1906 Arbeitsschule, seit 1912 Kochschule. Das Schwesternhaus
gehört dem Kirchenfonds. 5 Schwestern.
179
Kleinkrotzenburg. Krankenpflegestation, gegründet im Dezember 1891 durch
Herrn Pfarrer Helferich; 1892 Eröffnung der Kinderschule. Am 1. Mai 1894 bezogen die
Schwestern ein neues Schwesternheim. Der St. Josephskrankenverein steuert zum
Unterhalt bei. 4 Schwestern.
Oppenheim. Krankenpflegestation, gegründet 16. September 1885 durch Herrn
Pfarrer Hermann. Die Schwestern besitzen seit 1917 in der Rathofstraße (Nr. 10) ein
eigenes Schwesternheim; sie pflegen auch die Kranken in den Filialen Dirheim und
Daxheim. Ein Schwesternkuratorium sorgt für den Unterhalt. 5 Schwestern.
Seligenstadt (Jakobstraße, Waisenhaus). Krankenpflegestation, gegründet 15.
April 1867 durch Herrn Benefiziat Menzel. 1869 konnte ein eigenes Haus bezogen
werden, worin Kinder- und Arbeitsschule Unterkunft fanden. 1898 mußte ein Neubau
erstellt werden, dessen Kostenlast ganz auf den Schultern der tapferen Oberin Romana
(seit 1870, gest. 1912) lag. Diese hatte seit 1870 auch Waisenkinder aufgenommen.
Der jetzige Bau, 1917 durch einen Brand schwer geschädigt, genügt auch nicht mehr
der gesteigerten Zahl der Kinder und Schwestern. Seit 1909 leiten die Schwestern eine
Koch- und Haushaltungsschule. 11 Schwestern.
Seligenstadt (Kreiskrankenhaus). Seit 2. Januar 1896 leiten die Schwestern
(anfangs zwei, jetzt acht) das von Kreisrat Haas-Offenbach gegründete
Kreiskrankenhaus (50 Betten).
Viernheim. Krankenpflegestation, gegründet 16. August 1882 durch Herrn
Pfarrer Euler, der aus eigenen Mitteln ein Schwesternhaus eingerichtet und 1884 mit
Kapelle versehen hat (gest. 1885). Sein Nachfolger Molitor (gest. 1904) erbaute 1900
ein Krankenhaus, zu dem er selbst den Bauplatz schenkte. Ein Teil des alten Hauses
wurde für Waisenkinder eingerichtet (ca. 15 - 20). Im Isolierbau des Krankenhauses
finden seit 1907 Tuberkulöse Aufnahme. Pfarrer Wolf ließ 1909 die Kapelle vergrößern.
12 Schwestern.
Worms (Martinsstift). Im Dezember 1869 kamen, von Stadtparrer Reuß berufen,
zwei Schwestern für ambulante Krankenpflege; sie wohnten zuerst am Obermarkt, dann
in einem Haus im Kreuzgang des Martinsstifts. Nach mühseligen Anfängen sorgte Frau
Geheimrat Dörr durch Gründung eines Krankenvereins für den Unterhalt der Schwestern; sie mietete auf ihre eigenen Kosten von der Kirchenverwaltung St. Martin das
heute bewohnte Haus. Nach ihrem Tod (1904) setzte ihr Sohn, Kommerzienrat Dörr,
das gute Werk fort. Stadtpfarrer Wiedemann (1890 - 1914) brachte sodann die
Niederlassung zu hoher Blüte. Er ließ, um eine Kinderbewahranstalt, Arbeitsschule und
Arbeitsasyl zu schaffen, den seit 1687 verschütteten Kreuzgang umbauen und nach
und nach durch den Bau und Erwerb neuer Räumlichkeiten ein geräumiges
Krankenhaus erstehen (Augen- und Ohrenklinik, Frauenklinik). 1899 wirkten bereits 20
Schwestern im Stift. Unterstützt wurde Pfarrer Wiedemann durch die treffliche Oberin
Schwester Cäciliana (1885 - 1913). Am 30. November 1919 feierte das Stift sein
fünfzigjähriges Jubiläum (vgl. die Broschüre: Das goldene Jubiläum der Barmherzigen
Schwestern im Martinsstift zu Worms, Sonderabdruck aus den "Wormser Nachrichten"
1919). Das Stift umfaßt heute folgende sozialkaritativen Werke: Ambulante
Krankenpflege, Ohren- und Nasenklinik, Augenklinik (24 Betten), Frauenklinik (12
Betten), Haushaltungsschule für Interne (12 Betten), Näh- und Strickschule,
Kleinkinderschule, Pensionat für alleinstehende Damen (30 Betten), Dienstbotenheim,
Arbeiterinnenheim
(12
Betten
und
Mittagstisch
für
80
Personen),
Kongregationsversammlungen, Paramentenverein, Besorgung der Kirchenwäsche für
St. Martin. 22 Schwestern.
Worms-Neuhausen. Kinderschule, 5. Juni 1905 durch Bemühung des Herrn
Pfarrers Ihm von der Liebfrauenkirche in Worms eröffnet im Hause der Frau E. Fensel,
180
die im Herbst 1905 einen eigenen Schulbau errichtete. Am 10. August 1907 erhielt die
Anstalt eine eigene Oberin. Drei Schwestern wirken in ambulanter Krankenpflege,
Kinder- und Arbeitsschule.
Worms (Säuglingsheim, Südanlage 3). Stiftung von Frau Geheimrat Dörr; das
mit 35 Betten ausgestattete, in prächtigem Neubau (300.000 Mark) untergebrachte
Säuglingsheim wurde am 1. Dezember 1918, eine Kinderschule im Frühling 1919
eröffnet. 6 Schwestern.
C. Rheinpfalz.
Diözese Speyer.
Bischof Nikolaus Weis von Speyer (1842 - 1869), der vertraute Freund des
Straßburger Bischofs, hat von Anfang an das Gedeihen der Niederbronner
Genossenschaft mit besonderem Interesse verfolgt. Ihr schnelles Wachstum hatte in
manchen Kreisen der Pfalz den Wunsch erregt, ein ähnliches Mutterhaus in der
Speyerer Diözese zu begründen. Da das Unternehmen nicht zustande kam, ließen sich
viele gottbegeisterte junge Pfälzerinnen in Niederbronn aufnehmen. Als Bischof
Nikolaus im September 1852 bei seinem Freunde Räß weilte und ihn auf seinen
Firmungsreisen begleitete, besprach er mit diesem die Gründung einer Niederbronner
Filiale in seinem Bistum 335). Schon am 9. November desselben Jahres traf Schwester
M. Alphons mit drei ihrer Töchter in Speyer ein und führte sie in die kleine, innerhalb der
Ringmauern des St. Magdalenenklosters gelegene Wohnung. Am selben Abend kam
auch Bischof Räß über Karlsruhe nach Speyer, um seine angelegentliche Teilnahme an
der neuen Gründung zu bekunden; es war die erste Tochter Niederbronns auf
deutschem Boden. Der Vinzenzverein hatte bei der Berufung der Schwestern sich
verpflichtet, ihnen Mietzins, Brennholz, Brot und einen monatlichen Beitrag von 15
Gulden zu liefern, für alles übrige sollten sie selbst aufkommen. Für die erste
Einrichtung der Wohnung war eine Sammlung bei den Katholiken der Stadt veranstaltet
worden. Der Vinzenzverein, der der staatlichen Behörde gegenüber als Dienstherr der
Schwestern auftrat, zeigte dieser unter Vorweisung der nötigen Zeugnisse ihr Verweilen
in der Stadt an und wurde in der nächsten Zeit in keiner Weise wegen der Berufung der
Schwestern belästigt. Diese übernahmen fortan die Pflege und Überwachung der
katholischen Armen und Kranken, mit denen sich bisher der Vinzenzverein und der mit
ihm in Verbindung stehende Elisabethenverein abgegeben hatten. Im Jahre 1854
übertrug die Stadtverwaltung den Schwestern auch die Suppenanstalt für die armen
katholischen Kinder der Stadt. Unter der tüchtigen Leitung der Schwester Justine, die
als erste Oberin ihr namentlich im Anfang mühevolles Amt zehn Jahre lang treu und
eifrig verwaltete, entfalteten die Schwestern eine von Katholiken und Protestanten in
gleicher Weise gewürdigte segensreiche Tätigkeit auf dem Gebiete der Armen- und
Krankenpflege.
So kam es, daß noch andere Pfarreien das lebhafte Verlangen nach der
Einführung Niederbronner Schwestern hegten. Dem eifrigen Pfarrer Dr. Nardini von
P i r m a s e n s gelang es, in seiner Pfarrei am 9. Juni 1853 eine Niederlassung zu
erhalten 336). Auch in F r a n k e n t h a l und D a h n suchte man unsere Schwestern für
die Armen- und Krankenpflege zu gewinnen, doch führten die Unterhandlungen hier zu
keinem Ergebnis. Glücklicher war die Gemeinde H a m b a c h , für welche der St.
Johannisverein im Juli 1854 drei Niederbronner Schwestern gewann. Derselbe Verein
zu L a n d s t u h l berief durch den trefflichen Stadtpfarrer Matthias Weber Anfang
Dezember 1854 ebenfalls einige Niederbronner Schwestern. Auch die Gemeinde
181
R ü l z h e i m , die sich zur Erlangung von Krankenschwestern vergebens an die
Mutterhäuser der Barmherzigen Schwestern in München und Freiburg gewandt hatte,
begehrte jetzt zu Niederbronn die Erfüllung ihrer Wünsche. Gerne sagte man hier
Gewährung zu, und es war bereits festgesetzt, daß die Schwestern am 15. Juni 1855
ihren Einzug in die Pfarrei Rülzheim halten sollten.
Da traf am 15. Dezember 1854 bei der Verwaltung des Rülzheimer Armenhauses
eine Ministerialverfügung aus München ein, die kurz und bündig, ohne nähere
Begründung, verkündete, d a ß d i e B e r u f u n g d e r O r d e n s t ö c h t e r d e s
Allerheiligsten Erlösers aus Niederbronn bei Straßburg zur
Übernahme der Krankenpflege in Anstalten und Gemeinden der
P f a l z n i c h t g e n e h m i g t w e r d e n k ö n n e , und daß hiernach die kgl. Regierung
daselbst das weiter Geeignete zu verfügen habe 337). Diese Verfügung wurde
gleichzeitig den Landkommissariaten zu Homburg, Neustadt und Pirmasens wegen der
Niederbronner Filialen zu Landstuhl, Hambach und Pirmasens zugeschickt. Dem
Wortlaute nach galt sie nur der Anstellung von Schwestern in Gemeinden und
öffentlichen Anstalten, nicht aber für alle jene Fälle, wo die Schwestern von Privaten
und Privatvereinen in den Dienst der Wohltätigkeit gestellt waren. Die pfälzische
Regierung aber, dehnte die Ministerialentschließung auch auf diese Fälle aus und
verbot den Schwestern den Aufenthalt in der Pfalz überhaupt. Am 28. Dezember wurde
der Stadtpfarrer von Pirmasens durch den Landkommissar Beer benachrichtigt, daß im
Sinne der Münchner Verfügung "die in allen Zweigen der Armenpflege seither
verwendeten vier Schwestern ihre bisherige Amtstätigkeit einzustellen und in ihr
Mutterhaus oder in ihre Heimat zurückzukehren haben". Noch rücksichtsloser ging der
Landkommissar zu Homburg vor, welcher anordnete, daß die Schwestern zu Landstuhl
innerhalb drei Tagen das Land zu verlassen hätten; die kräftige Einsprache des
dortigen St. Johannisvereins hatte zur Folge, daß die Ausweisungsfrist auf acht Tage
verlängert wurde, doch müßten die Schwestern sofort ihre Tätigkeit einstellen.
Anerkennung verdient die Haltung des Neustadter Landkommissars Kurz, der erst am
7. Januar 1855 dem Bürgermeister und Pfarrer zu Hambach eröffnete, daß die dortigen
Schwestern innerhalb drei Wochen die Gemeinde zu verlassen hätten.
Diese überraschend kommenden Maßnahmen erregten begreiflicherweise in den
katholischen Bevölkerungskreisen der Pfalz peinliches Aufsehen und berechtigten
Unwillen, um so mehr, als die Notlage der Gegenden, welche von der Maßnahme des
Ministeriums betroffen waren, groß war. Die herrschende Volksstimmung gibt sich
deutlich genug kund in einem Schreiben aus der Westpfalz, welches die "Deutsche
Volkshalle" am 19. Januar 1855 veröffentlichte:
"Was wird mit unsern armen Niederbronner Schwestern? Wenn die "Volkshalle"
unmittelbare Verbindung nach Bayern hat, so möchten wir sie gebeten haben, doch
drüben zu sagen, daß wir armes, nacktes katholisches Volk nur um eine Gnade bitten,
die Schwestern vom Allerheiligsten Heilande auf unsere Kosten halten zu dürfen. Wir
wissen es ja, der Staat, und wenn er barmherzig wäre wie unser Herrgott, er kann uns
nicht mehr helfen, und er tut's auch nicht. Wenn nicht Hungersnot und Pest
hereinbrechen sollen, müssen wir selbst dazu tun. Wir verlangen also keine
Staatsgenehmigung für fremde Orden; wir verlangen keine besonderen Rechte für
katholische Klostergesellschaften; wir sind abgesagte Feinde des polizeilichen
Gängelbandes; wir wollen selbst gehen lernen, wenn wir auch noch so oft stolpern. Also
nur um eine Gnade bitten wir demütig: Man lasse uns Werke der katholischen
Barmherzigkeit durch die Glieder eines religiösen Privatvereins ausüben, welcher, wenn
auch über der Grenze drüben gegründet, doch jedenfalls nicht fremder ist als die
schleswigholsteinischen lutherischen Geistlichen, welche man in der Pfalz angestellt
hat. Gewiß, die Katholiken haben seit 50 Jahren schon viele bescheidene Bitten um
182
Gewährung ihres guten Rechts in Deutschland gestellt. Aber bescheidener als diese
Bitte des verhungernden Westrichs ist doch noch keine gewesen 338). Sie fürchten
vielleicht, daß ich übertreibe, wenn ich vom verhungernden Westrich schreibe; aber
gegen Tatsachen helfen alle Staatstabellen nichts. Es ist erwiesen, daß die
Hauptnahrung einer Masse der Westricher Bevölkerung im vorigen Winter der Abfall der
Kartoffelschalen in den Rumfabriken war, welche dieses teure Nahrungsmittel zu
industriellen Zwecken verarbeiten. Anderswo bereiten sich die armen Leute Klöße aus
Kleie und Rüben. Vor einigen Wochen ging ich im Schneegestöber über Feld. Eine
ausgemergelte Gestalt in zerlumptem Anzuge begegnete mir und bat um ein Almosen.
Es war ein junger Mann von etwa 30 Jahren, den offenbar der Mangel so
heruntergebracht hatte. Ich frug ihn aus über seine Familie und seine Arbeit. 'Ich habe
Besen gebunden, Herr', war die Antwort, 'und drüben im Dorfe verkauft. Acht Kreuzer
(etwa zwei Groschen) habe ich erlöst. Ich gehe jetzt noch nüchtern nach Hause und
nehme für mein Weib und mein krankes Kind beim Krämer ein halbes Pfund
Kartoffelmehl mit. Es ist eigentlich nicht für die Menschen, sondern für das Vieh; aber
wir haben heute nichts anderes zu essen als dies.' Sie sehen, ich darf es wiederholen,
unser verhungernder Westrich braucht Barmherzigkeit. Wer wird so herzlos sein, ihm
die Barmherzigen Schwestern zu entziehen?"
Die Pfarrer der von der Maßregelung betroffenen Gemeinden riefen unverzüglich
den Beistand und die Hilfe ihres Bischofs an. Dieser griff denn auch sofort tatkräftig ein.
Schon am 2. Januar 1855 richtete er an den König selbst ein eindringliches Schreiben,
das von der Voraussetzung ausging, die pfälzischen Regierungsorgane hätten den
Erlaß vom 15. Dezember des verflossenen Jahres irrig ausgelegt.
Der Bischof meinte: "Wenn die kgl. Staatsregierung auch Gründe haben mag,
den Gemeinden und öffentlichen Anstalten der Pfalz die Wohltat des allgemein
anerkannten, bewunderungswürdigen Wirkens der Töchter des Allerheiligsten Erlösers
zu versagen, so dürfe doch wohl der fragliche allerhöchste Erlaß nicht so gedeutet
werden, als sollte damit der Privatwohltätigkeit, wie sie sich in den St. Johannis-, St.
Vinzentius- und St. Elisabethenvereinen auch im Bistum Speyer entfaltet, eine
Schranke gesetzt werden, wodurch diese Privatvereine in einer Art beeinträchtigt
würden, welche sonst andere Privatvereine und Gesellschaften nicht unterliegen. Denn
so wie nach den bestehenden Gesetzen in der Pfalz jeder Untertan sich des Rechts
erfreut, für sein Geschäft, sein Unternehmen, sein Handwerk sich jeglicher und aller
Hilfsarbeiter zu bedienen, welche er für tauglich erachtet, insofern dieselben sich nur
dem allgemeinen Polizeigesetze gemäß ausweisen und betragen, so dürfen doch auch
wohl die christlichen Privatvereine, deren einziger Zweck ist, den Pflichten der
Barmherzigkeit nachzukommen, das Recht in Anspruch nehmen, für die tagtäglich
wachsenden Bedürfnisse der Kranken- und Armenpflege sich solcher Kräfte zu
bedienen, welche, wie die Erfahrung seit Jahren gelehrt hat, und jetzt selbst die
Hospitäler des orientalischen Kriegsschauplatzes lehren, vor allem, wenn nicht allein,
tauglich sind, die Werke der Barmherzigkeit nach dem vollen Inhalte der christlichen
Liebe zu erfüllen. Solche Kräfte bietet die Genossenschaft der Töchter des
Allerheiligsten Erlösers zu Niederbronn zur Zeit für das Bistum allein dar, wie es sich
namentlich in Rülzheim erwiesen hat. Der gesegnete Erfolg ihrer Berufung nach
Speyer, Pirmasens, Landstuhl, Hambach hat auch bereits gezeigt, daß diese Wahl, wie
sie eben eine notwendige war, auch eine glückliche gewesen, wie aus einzuholenden
Berichten sich leicht und unzweifelhaft ergeben dürfte." Der Bischof schließt sein
bewegliches Schreiben mit den Worten: "Die Besorgnis, es vor Gott nicht verantworten
zu können, wenn ich in solcher Zeit des Elends und des Jammers nicht für diejenigen
Mittel verteidigend einträte, welche wenigstens in meinem Bistum als die
hervorragenden erscheinen, dem Übel zu steuern, das hat mich gedrängt, Ew. Kgl.
183
Majestät mit der Bitte zu nahen, die Töchter des Allerheiligsten Erlösers nach wie vor im
Dienste von Privatvereinen wirken zu lassen."
Noch an demselben Tage verständigte der Bischof den pfälzischen
Regierungspräsidenten, Herrn v. Hohe, von diesen am Hofe erhobenen Vorstellungen
mit der Bemerkung, "daß wenn irgendeine polizeiliche Maßregel gegen die Töchter des
Allerheiligsten Erlösers platzgreifend gewesen, durch ein Benehmen mit der
oberhirtlichen Stelle, mit deren Zustimmung die Schwestern aus dem Mutterhause in
das Bistum entsendet wurden und unter deren Aufsicht sie bisher gewirkt haben, jede,
auch die strengste Maßnahme in gemildeter Weise zur Ausführung hätte kommen
können und dabei alle Mißverständnisse wären vermieden worden". Zugleich ersucht
der Bischof, "jedes weitere Vorschreiten der äußeren Behörde auf dem bezeichneten
Wege, zur Verhütung fernerer Verwicklungen, bis zur allerhöchsten Entscheidung
einzustellen".
Auch im übrigen katholischen Deutschland rief die Maßnahme der pfälzischen
Regierung großes Aufsehen hervor. Schon am 2. Januar hatte der päpstliche Nuntius
zu München, Monsignore de Lucca, den Speyerer Oberhirten über die Angelegenheit
befragt 339); Bischof Nikolaus bat auch ihn dringend, in der Sache seinen ganzen Einfluß
geltend zu machen. Acht Tage später richtete Graf Arco-Balley, einer der trefflichsten
Reichsräte von München, an den Bischof ein teilnahmsvolles Schreiben, in welchem er
seine Dienste anbot. Bischof Nikolaus nahm diese freudig an. In dem Antwortschreiben
vom 12. Januar 1855 faßt er den peinlichen Zwischenfall auch von einem allgemeinen
kirchlichen Gesichtspunkte auf: "Da aber in dieser Maßregel, wie mir scheint, eine
große Beeinträchtigung der katholischen Kirchenfreiheit und der persönlichen Freiheit
liegt, so ist die vorliegende Ministerialentschließung auch ein Übel und ein Ärgernis für
die Katholiken in Bayern und für die katholische Kirche und muß jeden betrüben und
besorgt machen, der sich nicht gefühl- und kraftlos an die Staatsgewalt unbedingt
hingeben will." Durch seinen Sekretär, den Geistlichen Rat Molitor, den bekannten
Dichter und Schriftsteller 340), ließ er eine ausführliche Denkschrift ausarbeiten für den
Fall, daß Herr Lassaulx in der Zweiten Kammer die Sache berühre.
Diese Denkschrift ist für die Geschichte der Niederbronner Kongregation in
mannigfacher Beziehung beachtenswert; sie ist zugleich eine geistvolle Apologie
derselben 341). Es heißt da: "In dem persönlichen Verkehr mit den Armen und Kranken
in den Häusern liegt vor allem das Zeitgemäße, was diese Kongregation auszeichnet.
Sie entspricht dadurch einem schreienden Bedürfnisse der Gegenwart, was zum
wenigsten dem Vinzenzverein gegenüber nicht nachgewiesen zu werden braucht. Denn
auch dieser hat es ja erkannt, daß die persönliche Berührung mit den Armen der Nerv
der heutigen Armenpflege sei. Nimmt man noch dazu, daß diese Kongregation, geleitet
von einer dazu offenbar providentiell erfahrenen, hochbegabten Oberin, die ganze
jugendliche Kraft entwickelt, wie sie in der Geschichte der Kirche so oft neuerstehende
Organe des religiösen Lebens geoffenbart haben, so darf es nicht wundernehmen, daß
diese Töchter vom Allerheiligsten Heilande überall, wo sie erschienen sind, freudig
begrüßt wurden und sich in wenigen Jahren seit 1849 durch das ganze
weitausgedehnte Bistum Straßburg verbreiteten, wo sie bereits 1852 20 Häuser
gegründet hatten. Zu dieser Verbreitung trägt außer der exemplarischen Disziplin und
dem heroischen Eifer, welcher die Mitglieder beseelt, nicht wenig der bescheidene
Anspruch bei, den die Schwestern in bezug auf Obdach und Unterhalt an die
Gemeinden oder Privaten stellen, bei welchem sie Aufnahme finden. Die Töchter vom
Allerheiligsten Heilande begnügen sich mit der dürftigsten Einrichtung und leben ärmer
als die Ärmsten unter ihren Pflegebefohlenen und ermöglichen so an vielen Orten den
Segen ihres Wirkens, der bei größeren Ansprüchen, die sie ganz wohl erheben
184
könnten, ohne gegen die evangelischen Räte zu verstoßen, vielen armen Gemeinden
versagt bliebe."
Von dem bisherigen Wirken der Schwestern in der Pfalz sagt Molitor ferner: "Vor
einiger Zeit pflegten die Schwestern von Speyer in einer nahen Dorfgemeinde einen
Kranken, der an einem furchtbaren Gesichtskrebse litt, so daß kein Krankenwärter mehr
aufzutreiben war und die Schwestern selbst genötigt waren, alle 14 Tage zu wechseln,
bis der Kranke durch den Tod erlöst wurde. Ebendenselben Mut der christlichen
Nächstenliebe zeigten die Töchter vom Allerheiligsten Erlöser zu Pirmasens und zu
Hambach, wo der Typhus ausgebrochen war. Das, was sie binnen wenigen Wochen in
Landstuhl zuwege brachten, setzte die ganze Bevölkerung in Erstaunen. Denn sie
stellten den Straßenbettel ganz ab und brachten die müßiggängerischen Armen zur
Arbeit und begannen bereits einen entschiedenen wohltätigen Einfluß auf die Kinder der
verkommenen niedern Klassen zu gewinnen. Daß bei solchem Wirken, bei solchem
augenfälligen Segen auf allen Werken der Nächstenliebe, wobei sich die Schwestern
beteiligten, die Nachricht von ihrer beschlossenen Ausweisung allgemein Erstaunen,
Bestürzung, Mißmut und nicht geringe Aufregung hervorgerufen, ist wohl nicht zu
verwundern. Die Armen fürchten, ihre Wohltäterinnen zu verlieren; die Reichen
erkennen, daß die Schwestern ihnen unersetzbar sind für die Werke der Nächstenliebe,
welche sie durch diese bisher ausüben ließen. Die unbefangenen Protestanten
begreifen nicht, warum man ein so bescheidenes, nur Demut und Nächstenliebe
atmendes Werk stören wolle; die Katholiken fühlen sich tief gekränkt in ihrem
kirchlichen Leben, in der freien Bewegung und Entfaltung ihrer religiösen Bedürfnisse.
Der Klerus, der im Begriffe stand, allenthalben solche Schwestern in den Gemeinden
einzuführen, sieht sich des einzig ausreichenden Mittels beraubt, dem stündlich
steigenden Elende zu steuern, während auf der andern Seite mit dem besten Willen von
Staats wegen nichts geschehen kann, um dem Pauperismus zu steuern."
Wenn das Ministerium die Schwestern ausweise, weil es den Einfluß des
"fremden Ordens" fürchte, so sei diese Maßregel gänzlich verfehlt: "Denn gerade sie
muß fremde Sympathie rege machen, wenn das arme hungernde Volk und die
Wohlhabenden, die gerne helfen wollten, aber nicht selber und nicht allein können,
wenn der Klerus, dem der größte Teil der Last der Armut aufgebürdet ist, sieht, daß
man die barmherzigen Hände entfernt, in welchen sich die Gaben verdoppelten, durch
welche das kleinste Almosen ein gesegnetes wurde." Während man lutherischen, aus
Schleswig-Holstein vertriebenen Geistlichen in der Pfalz Unterkommen gewähre,
werden katholische Barmherzige Schwestern aus dem Nachbarlande verjagt. Und wer
sind diese Schwestern? Einfache elsässer Bauernmädchen, die samt ihrer Oberin keine
Silbe französisch sprechen und schon eine große Anzahl Deutsche, zumal aus der
Pfalz, in ihre Kongregation aufgenommen haben. Und sie sollen dem bayrischen Staate
gefährlich sein? Molitor weist dann darauf hin, daß in den Rheinlanden, in den Diözesen
Mainz und Köln, eine Reihe von Orden und Krankenschwestern tätig sind, während die
Pfalz leer sei. "Wie aber auch", schließt er seine Ausführungen, "die Entscheidung
erfolgen möge in der vorliegenden Sache: eines steht fest und ist seiner Wichtigkeit
wegen wohl zu erwägen. Der Konflikt ist seit ungefähr 14 Tagen ausgebrochen, und wir
überzeugen uns, da wir Gelegenheit haben, die Stimmung der Pfalz genau
kennenzulernen, von Tag zu Tag mehr, was wir anfangs selber nicht geahnt hätten.
Nicht die Untertanentreue, nicht der im Jahre 1849 genugsam bewiesene Gehorsam
des katholischen Volkes und Klerus, wohl aber das Vertrauen dieses Teiles der
Bevölkerung steht auf dem Spiel. Wenn es geopfert wird, fragt es sich, ob es wieder zu
gewinnen sein wird."
Am 18. Januar setzte der Speyerer Kirchenfürst alle Bischöfe des Königreichs
Bayern von der Sachlage und den darüber bereits gepflogenen Verhandlungen in
185
Kenntnis. Er stellte es ihrem Ermessen anheim, "ob und in welcher Weise die
angeregte Prinzipienfrage, welche die Bestimmungen des Konkordats in den Artikeln
VII und XVII wesentlich berührt und welche für die Entwicklung der Freiheit der Kirche
wie für die Lösung der drohend-ernsten Frage des gesellschaftlichen Lebens der
Gegenwart von der größten Bedeutung zu sein scheint, im Anschlusse an seine
bisherigen Schritte als gemeinschaftliche Angelegenheit aufgenommen und behandelt
werden dürfte, wenn seinen desfallsigen Vorstellungen kein Gehör gegeben werde".
Herr v. Hohe aber dachte nicht daran, den Erfolg der vom Bischof
unternommenen Schritte abzuwarten. Bereits am 13. Januar teilte er diesem mit, daß
bis spätestens am 5. Februar die Niederbronner Schwestern die Pfalz verlassen
müßten, und daß er die betreffenden Landkommissariate davon verständigt hätte. Er
ersuchte sogar den Bischof, "Die Schwestern, die bisher unter der Aufsicht des hochw.
Bischofs standen, zum freiwilligen Abzuge gefälligst anweisen zu lassen, damit der
Vollzug der Allerhöchsten Entschließung vom 15. vorigen Monats, der sich nicht
aufschieben läßt, nicht unnütz erschwert werde". In der Verfügung des Präsidenten an
die Landkommissare war bereits alles Nötige zur Ausweisung der Schwestern
vorgesehen. Es hieß da: "Man ist sowohl von den Schwestern als auch von den
betreffenden Vereinen, deren Existenz an eine die obrigkeitlichen Verfügungen
respektierende Haltung geknüpft ist, überzeugt, daß der Abzug der Schwestern nach
geschehener Aufforderung durch die Polzeibehörde aus freien Stücken erfolgen und
daß der Behörde keinerlei Veranlassung werde gegeben werden, behufs des Vollzuges
der höchsten Ministerialverfügung vom 15. vorigen Monats nach Zwangsmitteln greifen
zu müssen. Sollte letzteres übrigens dennoch notwendig werden, so ist dabei mit
möglichster Vermeidung alles öffentlichen Aufsehens zu verfahren und den Schwestern
eine dem kirchlichen Kleide entsprechende anständige Bahandlung angedeihen zu
lassen. Ihre Verbringung über die Grenze wird am besten in verschlossenen Wagen
und in Begleitung eines Polizeibeamten geschehen können. Diejenigen dieser
Ordenstöchter, welche etwa ihre Heimat in der Pfalz haben, sind in ihre pfälzische
Heimat zu bringen, und es ist aufzuklären, auf wessen Anregung sie in das Kloster zu
Niederbronn getreten sind und warum vor dem Eintritt in dasselbe keine Allerhöchste
Genehmigung eingeholt wurde. Zugleich ist den beteiligten Vereinen das Befremden
des unterfertigten Regierungspräsidiums darüber auszudrücken, daß sie diese
Schwestern ins Land gerufen haben und dieselben ihre Wirksamkeit eröffnen ließen,
ohne es nur der Mühe wert zu halten, der kgl. Regierung vorher darüber Anzeige zu
erstatten und um die notwendige Erlaubnis dazu zu bitten." 342)
Der Bischof weigerte sich natürlich, die Ausweisung der Schwestern zu
unterstützen und gab dem Präsidenten zu verstehen, daß die Erregung im katholischen
Volksteil noch wachse, wenn man die harten Maßregeln ausführe, ehe die Allerhöchste
Entschließung erfolge. Er betont nochmals: "Ich glaube, wenn ich darauf hindeute, nicht
befürchten zu müssen, daß gegen mich der Vorwurf erhoben werden könnte, als lege
ich der von Gott gesetzten Obrigkeit gegenüber zuviel Gewicht auf die Volksmeinung,
indem Bischof, Klerus und katholisches Volk in den jüngsten Zeiten der Verwirrung in
vielfacher Weise, selbst auf Gefahr des Lebens hin, bewiesen haben, wie wenig sie
dem göttlichen Gebote der Untertanenpflicht gegenüber auf die politische Meinung des
Tages zu halten haben! Nichtsdestoweniger verdient aber im gegebenen Falle die
Stimmung der katholischen Pfalz billige Berücksichtigung, nicht nur, weil sie sich in der
zeitgemäßen Ausübung der christlichen Barmherzigkeit behindert fühlt, sondern auch,
weil sie ihre bedauernswürdigen Armen einer Stütze beraubt sieht, welche, wie dies
dem verehrlichen Präsidium wohlbekannt ist, unersetzlich sein wird."
Mittlerweile forderte das Staatsministerium des Innern die pfälzische Regierung
auf, über die Sachlage eingehend Bericht zu erstatten. Die Schritte des Bischofs
186
schienen nicht erfolglos bleiben zu sollen. Der Pfarrer von Hambach, der selbst nach
München gereist war, um nötigenfalls die Bemühungen seines Oberhirten zu
unterstützen, konnte am 21. Januar diesem melden, "daß sowohl der Minister des
Innern als der des Kultus für die Sache sehr günstig gestimmt seien und ihre
desfallsigen Erklärungen bereits dem König abgegeben haben, allein ebenso gewiß sei
es auch, daß feindselige Einflüsse hinter dem Rücken der Minister sich bei Sr. Majestät
dem König Geltung zu verschaffen suchen". Bereits begann die bayrische Presse die
pfälzische Polizeimaßregel zu kritisieren. In einem sehr scharf gehaltenen Artikel fragte
die "Augsburger Postzeitung": "Welche Gefahr in aller Welt liegt denn hier auf Verzug?
Fürchtet man wirklich, daß das Herz des kgl. Pfalzgrafen durch die erneuerten
Vorstellungen seiner Untertanen, die Bürgermeister und Pfarrer an der Spitze, könnte
weich gemacht werden zu einem Akt, dessen Lohn die getrockneten Tränen des
Elendes sind, welches kein Polizeibefehl bannen noch hinwegfegen kann?" 343)
An höchster Stelle in München sah man schließlich ein, daß man keinen Grund
hätte, "mit den armen Töchtern des Allerheiligsten Erlösers wie mit Landstreicherinnen
zu verfahren" 344). Auch hielten es die leitenden Stellen für ratsam, rechtzeitig zu
verhindern, daß die Sache, die ohnehin viel unliebsames Aufsehen erregt hatte, in
beiden Kammern der Öffentlichkeit zur Diskussion gestellt würde. Darum erfolgte schon
am 29. Januar 1855 die Allerhöchste Entschließung: "Daß Se. Majestät der König die
Belassung der Töchter des Allerheiligsten Erlösers von Niederbronn bei Straßburg in
dem Regierungsbezirk der Pfalz unter dem Vorbehalte deren alsbaldiger Entfernung,
sobald Gründe hierzu gegeben sein sollten, huldvollst zu gestatten, hierbei jedoch
Allerhöchst kundzugeben geruht, daß die genannten Schwestern ohne vorherige
Anfrage nicht hätten aufgenommen werden sollen." Begründet wurde die Belassung
damit, "daß viele Ordensschwestern im Dienste der Wohltätigkeitsorgane ohne
äußeren, gegliederten Zusammenhang mit dem Mutterhause zu Niederbronn als
einzelne Individuen erscheinen und deshalb ausschließlich den fremdenpolizeilichen
Vorschriften unterliegen. Sie dürfen sich nicht als Orden oder Kongregation festsetzen
und Häuser gründen; sie sind als einfache Dienstleute ohne Anerkennung ihres
klösterlichen Charakters zu betrachten".
Mit Genugtuung wurde diese kgl. Verfügung vom Volke und der Presse begrüßt.
Das "Katholische Kirchen- und Schulblatt für das Elsaß" 345) stellte mit Freuden fest,
"daß diesmal die herzlose Beamtenwelt an dem persönlichen Entschlusse des
Landesherrn gescheitert ist". Noch in demselben Jahre zogen neue Schwestern in
Rülzheim und Herxheim ein.
In der Ministerialverfügung vom 29. Januar 1855 war die Wirksamkeit der
Schwestern auf die ambulante Krankenpflege beschränkt worden; in ihren eigenen
Häusern durften sie keine Krankenpflege betreiben. Diese einschränkende Bestimmung
wurde in der Folgezeit nicht streng eingehalten, ohne daß die Regierung etwas
dagegen zu erinnern hatte. Im Jahre 1868 gestattete sie sogar den Schwestern eine
Kollekte zur Aufführung des Neubaus zum Armenkinderhaus in Speyer. Erst im Jahre
1879 fand es der damalige Regierungspräsident für gut, die Bestimmungen vom 29.
Januar 1855 nochmals einzuschärfen 346). Als dann im Jahre 1887 der Neubau in der
Engelsgasse aufgeführt wurde, in welchem alleinstehende weibliche Personen und
ältere Dienstboten Aufnahme finden konnten, fragte das Bezirksamt Speyer unterm 6.
Juni dieses Jahres an, wozu dieser Neubau diene, und wies erneut auf die Verfügung
vom 12. März 1879 hin, "laut welcher die Ordensschwestern nur zur ambulanten, nicht
aber zur Krankenpflege in ihrer Wohnung verwendet werden dürfen, wie ihnen
überhaupt der Aufenthalt in Speyer nur mit dem Verbote einer förmlichen Niederlassung
gestattet ist". Darauf erklärte unterm 12. Juni 1887 der Dompfarrer Münch, daß der
Vinzenzverein nicht daran denke, ein Krankenhaus zu gründen; die Schwestern sind
187
und bleiben bloß im Dienste des Vinzenzvereins; sie sind und bleiben ambulante
Krankenpflegerinnen; an eine Niederlassung wird nicht gedacht.
Dieser der Staatsregierung gegenüber unsicheren Lage der Niederbronner
Genossenschaft in der Pfalz wurde schließlich ein Ende gemacht. Unterm 9. November
1891 teilte das Bezirksamt dem Domkapitular Schwarz mit, daß nach der
Ministerialentschließung vom 4. Oktober 1891 die Verhältnisse der Schwestern geregelt
worden seien, und daß die Oberin von Speyer um die Genehmigung einer
Niederlassung einkommen solle. Im Januar 1893 ging ein diesbezügliches Gesuch
nach München ab. Am 28. Februar 1894 wurde ein Vertrag des Vinzenzvereins mit dem
Kongregationshaus in München abgeschlossen. Danach bleiben die Schwestern im
Dienste des Vinzenzvereins, der für den Unterhalt derselben sorgt. Die Häuser, Gärten,
Mobilien sind Eigentum des Vereins, der sie den Schwestern zur Nutznießung überläßt.
Legate und Schenkungen werden vom Kongregationshaus in München übernommen.
Diesem Hause unterstehen seit dem Jahre 1892 von der kgl. Staatsregierung mit dem
Mutterhaus in Oberbronn geschlossenen Vertrage alle Schwesternhäuser der Pfalz für
alle äußeren, den Staat berührenden Angelegenheiten.
Die Speyerer Bischöfe bewahrten der Kongregation, die im Laufe der Jahre
immer mehr Ausdehnung in ihrer Diözese gewann, stets ihre rege Sympathie. Im Jahre
1883 spendete ihr Bischof Joseph Georg v. Ehrler, der schon während seiner Münchner
Dompredigerzeit den dortigen Schwestern ein aufrichtiger und stets hilfsbereiter Freund
gewesen war, in einem Schreiben an den Heiligen Vater 347) reichliches Lob. Es heißt
da: "In der Pflege der Kranken scheuen sie keine Mühe und suchen ihnen nach Kräften
beizustehen; besonders aber achten sie sorgfältig auf das Heil ihrer Seelen, beten mit
ihnen und ermahnen sie, die Krankheit christlich zu tragen. Was aber am wichtigsten
ist: sie haben keine größere Sorge, als daß die Sterbenden mit den heiligen
Sakramenten versehen werden. Nicht selten kommt es vor, daß Kranke, welche lange
Zeit hindurch die Kirche und ihre Sakramente verachtet hatten, durch die Bemühungen
der Schwestern dazu gebracht wurden, daß sie den Priester zu sich kommen ließen
und mit Gott versöhnt aus diesem Leben schieden. So kann mit Recht gesagt werden,
daß die Schwestern durch ihre Mühe und Sorge den Pfarrgeistlichen eine wertvolle
Hilfe in der Seelsorge sind."
Doch widmen wir nunmehr den einzelnen Häusern unsere Aufmerksamkeit.
Deidesheim. Krankenpflegestation, gegründet 29. August 1870. Frau Witwe
Schäffer hatte für (2) Schwestern ein Haus (Ecke Bahnhofstraße) dem Kirchenfonds
gestiftet; dazu kam 1887 die Schenkung des angrenzenden Jörgschen Hauses. 1907
wurden beide dank edler Wohltäter zu einem passenden Schwesternhaus umgebaut.
1912 Eröffnung einer Arbeitsschule, für die 1913 die Familie Siben das Lokal zur
Verfügung stellte. 1920: 6 Schwestern.
Deidesheim (Spital). Seit 1909 eigene Station, nachdem schon 1901 eine
Schwester in das Hospital eingetreten war. 5 Schwestern.
Diedesfeld. Krankenpflegestation, gegründet 9. September 1892 unter Pfarrer
Klör. 1893 Arbeitsschule, 1894 Kinderschule. Der Elisabethenverein, von der Gemeinde
unterstützt, sorgt für Unterhalt der Schwestern und stellte ihnen 1894 ein eigenes Haus.
4 Schwestern.
Dudenhofen. Krankenpflegestation, gegründet 20. März 1899 unter Pfarrer
Düfhels. Ein nachträglich gegründeter Elisabethenverein sorgte für Unterhalt. Pfarrer
Stammer erbaute mit Hilfe von Wohltätern (auch das Mutterhaus steuerte bei) ein
Schwesternhaus, bezogen im Mai 1903 (Eigentum der katholischen Kirchengemeinde).
3 Schwestern.
188
Edenkoben. Krankenpflegestation, gegründet 26. November 1887 unter Geistl.
Rat Wothe, der 1891 die alte Kirche als Schwesternhaus umbauen ließ (Eigentum des
Kirchenfonds). Ein Elisabethenverein sorgte für Unterhalt. Von 1888 bis 1907 waren
einige Schwestern (zuerst 1, dann 3) im Krankenhaus tätig. Am 1. Juli 1895 wird die
Arbeitsschule, 10. September 1900 die Kinderschule eröffnet. 8 Schwestern.
Edesheim. Krankenpflegestation, gegründet 9. September 1890; ein von Pfarrer
Stadtmüller gegründeter Elisabethenverein ließ auf seinen Namen ein Schwesternhaus
errichten und steuert zum Unterhalt bei. 1892 Kinderschule, 1893 Arbeitsschule
eröffnet. 4 Schwestern.
Germersheim. Krankenpflegestation, gegründet 30. November 1891 durch
Herrn Pfarrer Klein; die Wohnung stellte Herr M. Donis, bis der Elisabethenverein 1896
ein Haus erstellte (Ludwigsstraße) mit Lokal für die jetzt eröffnete Kinder- und
Nähschule. 5 Schwestern.
Germersheim (Spital). Seit 21. März 1910 wirken zuerst zwei, dann drei
Schwestern im Spital.
Hambach. Krankenpflegestation, gegründet 8. September 1892 durch Pfarrer
Engelbert. Familie Lederle gab die Wohnung und erstellte 1895 auf den Namen der
Kirche einen Neubau (über die frühere Niederlassung siehe weiter oben). 3
Schwestern.
Harthausen. Krankenpflegestation, gegründet 11. September 1900 durch Pfarrer
Burkhardt. Der Elisabethenverein sorgt für Wohnung und Unterhalt. 3 Schwestern.
Herxheim. Für das neugegründete Armen- und Krankenhaus berief Pfarrer
Mühlhäußer im Dezember 1855 vier Schwestern; heute teilen sich neun Schwestern in
die ambulante Krankenpflege, Fürsorge für die alten Pfründner und Waisenkinder der
1909 vergrößerten Anstalt (mit Ökonomiebetrieb).
Kirrweiler. Krankenpflegestation, gegründet 20. März 1902 durch Pfarrer Eckel;
1. Oktober 1902 drei Schwestern für Arbeitsschule und Handarbeitsunterricht in der
Volksschule; 1903 Kinderschule, wozu die Gemeinde ein passendes Haus stellte. Der
Elisabethenverein sorgt für den Unterhalt der Krankenschwestern, eine Stiftung der
1913 verstorbenen Frau Bachmann für die Schulschwestern. 4 Schwestern.
Lambrecht. Krankenpflegestation für Lambrecht und die Filialen, gegründet
durch Pfarrer Teppisch am 20. März 1897. Im Herbst Näh- und Kinderschule eröffnet.
Die Schwestern wohnten im alten Pfarrhaus, bis der Elisabethenverein im Jahre 1911 in
der Appelstraße (Nr. 72) ein Schwesternhaus erwarb. 6 Schwestern.
Lingenfeld. Krankenpflegestation, gegründet September 1907 durch Pfarrer
Huber; 20. März 1908 Kinderschule, 1909 Arbeitsschule. Der Elisabethenverein, der für
den Unterhalt sorgt, erbaute 1906 auf einem von den Eheleuten M. Weber geschenkten
Grundstück ein Schwesternhaus. 1920: 5 Schwestern.
Ludwigshafen-Mundenheim. Am 12. Februar 1875 übernahmen zwei
Schwestern nebst ambulanter Krankenpflege die Leitung der 1854 von Dekan Krebs
gegründeten Waisenanstalt St. Josephspflege; 1908 wird die Anstalt unter Dekan
Crönlein in den Neubau in der Altfriedhofstraße Nr. 8 übersiedelt und von zehn
Schwestern bezogen (80 Betten für Knaben und Mädchen); außerdem Arbeits- und
Kinderschule. Seit 1896 unterstützt der Elisabethenverein die Anstalt. 14 Schwestern.
Maikammer.
Krankenpflegestation,
gegründet
9.
September
1889.
Altbürgermeister Franz und Fräulein Klara Platz gaben die Mittel für ein
Schwesternhaus, das 1910 auf den Kirchenfonds eingetragen wurde. 1890
Kinderschule, 1896 Arbeitsschule eröffnet. Der Elisabethenverein sorgt für Unterhalt. 6
Schwestern.
189
Maudach. Krankenpflegestation, Kinder- und Arbeitsschule, gegründet 1899
durch Pfarrer Krebs. Der Elisabethenverein sorgte für Unterhalt und ließ 1902 ein
Schwesternhaus (dem Kirchenfonds gehörig) erbauen. 4 Schwestern.
Neustadt. Krankenpflegestation, gegründet 5. August 1875 durch Pfarrer Münch
und ermöglicht durch die Stiftung des 1872 verstorbenen Pfarrers Weckesser. 1876
Nähschule, 1877 Gründung des Elisabethenvereins zum Unterhalt der Schwestern;
1889 baute Pfarrer Junker ein neues Schwesternhaus (1893 auf den Kirchenfonds
geschrieben). 1896 erwarb die Kongregation das in der Schwesternstraße angrenzende
Anwesen für eine Kinderschule, im Jahre 1913 ein zweites und erstellte zwei große
Schulsäle für Kinder- und Arbeitsschule. Seit 1895 übernahm die Station auch die
Krankenpflege in der Filiale Mußbach. 14 Schwestern.
Pirmasens. Vom 13. Juni 1853 bis 2. März 1855 waren vier Schwestern in der
Kranken- und Armenpflege tätig. Dann gründete der Pfarrer Nardini die Genossenschaft
der armen Franziskanerinnen, die 1869 nach Mallersdorf in Bayern übersiedelten. (Vgl.
darüber Remling, Bischof Nikolaus v. Weis II 191 - 197).
Rheingönheim. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet im
September 1909 durch Pfarrer Hartmüller; 1910 Arbeitsschule. Der Elisabethenverein
sorgte für Wohnung und Unterhalt. 1915 wird die bisherige Notkirche zu einem
Schwesternhaus umgebaut und ein Schullokal neu erstellt. 5 Schwestern.
Rödersheim. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet durch Pfarrer
Anton 26. September 1898; März 1899 Arbeitsschule, 1907 Bau eines
Schwesternhauses durch den Elisabethenverein. Die Schwestern leiten den
Jungfrauenverein und erteilen seit 1907 Handarbeitsunterricht in der Volksschule. 4
Schwestern.
Rülzheim. Am 13. Juni 1855 kamen drei Schwestern in das Braunsche Waisenund Krankenhaus. Um zwei Schwestern für die ambulante Pflege zu erhalten, gründete
Pfarrer Luttenberger 1895 den Elisabethenverein. Die Anstalt verfügt über 12 Betten für
Kranke, 25 für alte Leute und zählt gegen 30 Waisenkinder. 7 Schwestern.
Ruppertsberg. Krankenpflegestation, gegründet auf Antrag des Bürgermeisters
Keller im September 1903. 1904 Kinderschule, 1910 Arbeitsschule eröffnet. Die
Schwestern leiten den Strickunterricht in der Volksschule und den Jungfrauenverein.
Das vom Bürgermeister Keller und Geschwister erbaute Schwesternhaus ist Eigentum
des Kirchenfonds. 4 Schwestern.
Schifferstadt. Krankenpflegestation, Kinder- und Arbeitsschule, gegründet 21.
März 1897 durch Herrn Dekan Ripplinger, der den Elisabethenverein für den Unterhalt
gründete und aus eigenen Mitteln das Schwesternhaus und das Schullokal erstellte und
nach seinem Tode (1905) seine Habe dem Kirchenfonds zugunsten der
Schwesternanstalt überließ. 1911 ließ Pfarrer Werner die Schullokale erweitern und
kaufte das angrenzende Anwesen Sattel. Schifferstadt hat der Genossenschaft schon
viele Mitglieder geliefert. 8 Schwestern.
Speyer (Engelgasse). Über die Anfänge vgl. weiter vorne. Im Jahre 1862 kaufte
das Domkapitel das Haus in der Engelgasse, das dem Vinzenzverein übergeben wurde.
1865 eröffnete die Oberin Schwester Lucia ein Waisenhaus; 1868 mußte ein Neubau
aufgeführt werden, wozu u. a. Bischof Nikolaus und Regens Laforet die Mittel lieferten;
nach dem Cholerajahr 1873 wuchs die Zahl der Kinder auf 50 an; 1878 war ein
3. Stockwerk nötig. Seit 1868 hatte das Haus eigene Kapelle. Am 11. Februar 1885
starb die verdienstvolle Schwester Lucia (geb. 1826 zu Hagenau; vgl. ihr schönes
Lebensbild in dem Sonntagsblatt "Der christliche Pilger" 1885, S. 65 f.) 1887 wurde auf
Wunsch des Herrn Bischofs Ehrler eine Kinderbewahranstalt eröffnet. Infolge einer
Stiftung des Kommorantpriesters Kollei und Beiträge anderer Wohltäter konnte ein
190
Versorgungsheim für ältere weibliche Dienstboten erbaut werden. 1891 wurde das
Kinderheim erweitert und in den letzten Vorkriegsjahren die ganze Anstalt bedeutend
vergrößert, abgerundet und praktisch ausgebaut. Im Dienste des Vinzenzvereins sind
jetzt 22 Schwestern tätig für ambulante Krankenpflege, im Waisenhaus (60 Kinder),
Kinderschule
(2
Abteilungen),
Pensionat
(34
Personen),
Leitung
des
Paramentenvereins.
Speyer (theologisches Konvikt). Seit 1. Oktober 1888 führen die Schwestern
(jetzt 8) den Haushalt des theologischen Konvikts.
Speyer (St. Vinzentiuskrankenhaus). Seit 1. September 1904 leiten die
Schwestern (jetzt 9) das Vinzentiuskrankenhaus.
Trippstadt. Krankenpflegestation, gegründet durch Pfarrer Dr. Fooß am 9.
September 1908; die (2) Schwestern wohnten unentgeltlich bei Herrn Förster Lamm, bis
die Genossenschaft 1909 ein Haus erwarb. Jetzt wurde eine Kinder- und Arbeitsschule
eröffnet. Für den Unterhalt der Schwestern gründete Pfarrer Herrmann den
Elisabethenverein. 1920: 5 Schwestern.
Venningen. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 25. Mai 1887
durch Pfarrer Legrum, nachdem die Witwe Hermann (gest. 1887) ihr Haus mit Zubehör
für diesen Zweck der Kirche vermacht hatte; 1888 Winterarbeitsschule. 1895 Neubau
für die Schule. 4 Schwestern.
Weidenthal. Krankenpflegestation, Kinder- und Nähschule, gegründet 19. März
1914. Der Elisabethenverein sorgte für Unterhalt und stellte ein Schwesternhaus mit
Schullokal. Auch die Gemeinde steuert zum Unterhalt bei. 3 Schwestern.
D. Das rechtsrheinische Bayern.
1. Erzdiözese München-Freising.
Die Anfänge in München. Die Stellung der Schwestern im Diözesanverband
und die staatsrechtlichen Verhältnisse. Das Herz-Jesu-Kloster.
Am 23. März 1857 kamen nach München vier Niederbronner Schwestern, welche
Domkapitular v. Prentner im Namen des Münchner Vinzentiusvereins berufen hatte zur
Pflege der Pfründnerinnen und Waisenmädchen im sogenannten Vinzentinum.
Schwester Adelinde, welche im Jahre 1861 als Assistentin ins Mutterhaus berufen und
nach dem Tode der Stifterin Generaloberin wurde, war die erste Oberin; ihr folgte
Schwester Lucretia. Auch der ambulanten Krankenpflege widmeten sich die
Schwestern, soweit es ihnen möglich war. An Sorgen und Mühen waren die ersten
Jahre mehr als reich. Der damalige Oberhirte der Erzdiözese München-Freising,
Erzbischof Gregor v. Scherr (1856 - 1877), begrüßte die Niederbronner Töchter mit
Wohlwollen und konnte ihnen auf Anfragen des Bischofs von Straßburg das schöne
Zeugnis ausstellen: "Tag und Nacht liegen sie den Werken der Religion, Frömmigkeit
und Barmherzigkeit ob und haben das Lob und den Beifall aller gefunden" (18. Januar
1859). 1858 war in München-Haidhausen die Gründung einer Niederlassung erfolgt,
dann kam Fürstenfeldbruck (1859), Laufen (1861), München-Dompfarrei (1864),
Tittmoning (1865). So schienen die Aussichten für eine gedeihliche Entwicklung der
Genossenschaft in der Erzdiözese recht günstig.
Da warfen die Würzburger Vorgänge, welche schließlich am 15. Juni 1866 zur
Trennung der dortigen Filialen vom Mutterhaus führten, ihre Schatten auch auf die
Münchner Verhältnisse. Wie es dort geschehen war, so hatte die Regierung für die
191
München-Freisinger Häuser die K o r p o r a t i o n s r e c h t e in Aussicht gestellt unter der
Bedingung, daß in München ein Provinzialhaus mit eigenem Noviziat, also ein
Mutterhaus mit einer eigenen Generaloberin errichtet würde. In Niederbronn, wo man
noch unter dem schmerzlichen Eindruck der Wiener Lostrennung stand und den Bruch
in Würzburg voraussah, hatte man begreiflicherweise keine Lust, das Experiment zu
wagen. Darum schrieb unterm 15. April 1866 die Stifterin, Schwester M. Alphons, der
Münchner Oberin Lucretia: "Ihr Töchter des göttlichen Heilandes bildet einen Körper,
der nur ein und dasselbe Haupt hat und von ein und demselben Geiste belebt ist, ihr
möget euch in Deutschland oder in Frankreich befinden; so müsset ihr im nämlichen
Geiste und unter dem Gehorsam der einen Generaloberin wirken und Gutes tun, so wie
ihr es auch zur Erbauung für jedermann bisher getan habt. Durch zwei Mutterhäuser
und unter zwei Generaloberinnen entsteht Trennung, die den Zerfall der Kongregation
herbeiführt. So etwas kann ich nicht gestatten, ich kann mithin die Korporationsrechte
nicht annehmen."
Nach der erfolgten Würzburger Trennung schien es der Oberin Lucretia doch
nötig, diese Rechte zu erwerben. Am 25. April 1866 teilt sie dem Straßburger Bischof
mit, daß sie die Korporationsrechte zu erwerben hoffe. "Der Herr Erzbischof ist sehr gut,
sehr besorgt für uns und war tief gekränkt über diese Spaltungen." 348)
Aber den Gedanken an ein Noviziat in München neben dem des Niederbronner
Mutterhauses hielt Erzbischof Gregor fest. Domkapitular v. Prentner, der zum Superior
der Schwestern in München ernannt worden war und ihnen stets ein treuer,
wohlmeinender Freund blieb, wandte sich in der Angelegenheit im folgenden Jahre
wieder an die ehrw. Mutter, erhielt aber von ihr bloß die Zusicherung, daß die
Kandidatinnen auf einige Wochen im Münchner Hause zur Prüfungszeit aufgenommen
werden, bis man überzeugt ist, ob sie Beruf haben oder nicht, ehe sie die Reise nach
Oberbronn antreten. Sie fügt aber bei: "Jedoch kann von Errichtung eines Noviziates
keine Rede sein; es wäre dies dem Einheitsgeist sehr nachteilig und müßte mithin
vermieden werden, um jede Gefahr für die Kongregation zu entfernen" (18. März 1867).
Bald darauf, am 28. Mai 1867, kaufte Schwester Lucretia um billigen Preis das
Anwesen des Stadtgärtners Sedlmayr in der Badstraße (heute Buttermelcherstraße 10);
im Juni siedelten die Schwestern dahin über, während im Vinzentinum vier Schwestern
mit Schwester Genoveva als Oberin zurückblieben. 1868 wurden zwei weitere
Grundstücke erworben; noch in diesem Jahre begann der Neubau des jetzigen HerzJesu-Klosters. Am 28. Juli 1869 wurde der Grundstein zur Kapelle gelegt. Das ganze
Anwesen wurde auf den Namen der Oberin Lucretia geschrieben.
Mittel zum Bau waren fast keine vorhanden. Die Erlaubnis, eine Sammlung
abzuhalten, stellte der Minister des Innern, ein Mitschüler des Domkapitulars v.
Prentner in Aussicht, "sobald die Rezeptionsfrage der Kongregation in Bayern bereinigt
ist". Herr v. Prentner bat nun den Erzbischof, er möge diese Frage in Ordnung bringen
und dabei von der Noviziatsfrage absehen. Die Errichtung eines Noviziates sei zu teuer,
auch seien vom Hausankauf noch Passiva vorhanden. Die Ordensobern könnten schon
wegen der Vorgänge in Wien und Würzburg das Noviziat nicht zugeben. Aber der
Erzbischof war diesen Gründen unzugänglich, er hoffte gerade durch das Münchner
Noviziat reiche Kandidatinnen mit erheblicher Aussteuer anzuziehen. Er beauftragte
Herrn v. Prentner, den Ordensobern mitzuteilen, daß er von der Noviziatsfrage nicht
abgehen werde, daß er sich jedoch mit einer zusagenden Erklärung begnügen wolle
und nicht sogleich auf der Errichtung bestehe. "Auch machte Se. Exzellenz die
merkwürdige Äußerung, er habe über diese Angelegenheit mit dem Herrn Bischof von
Würzburg gesprochen, und dieser habe erklärt, wenn ein Provinzialhaus in München
mit Noviziat zustande käme, so sei er geneigt, sich mit den Würzburger Schwestern
dem Münchner Hause anzuschließen." In einer Zuschrift an das Mutterhaus, der
192
vorstehende Angaben entnommen sind 349), spricht sich Herr v. Prentner g e g e n ein
Noviziat aus. Nur unter folgenden Bedingungen solle man ein solches zugeben: 1. Die
Münchner Novizinnen müßten die Aufnahme vom Generalmutterhause erhalten; 2. sie
müßten wenigstens die Hälfte des Noviziates in Niederbronn bestehen; 3. die
Zulassung zu den Gelübden müßte von Niederbronn erteilt werden.
Um diese Zeit richtete auch die Münchner Oberin an den Erzbischof die
dringende Bitte, "der vom Heiligen Stuhle als religiöse Kongregation bestätigten
Genossenschaft nicht länger mehr die oberhirtliche förmliche Anerkennung und
Approbation verweigern, sondern ihr dieselbe erteilen und zur Erlangung der
Korporationsrechte von seiten der kgl. Staatsregierung gnädigst dadurch mitwirken zu
wollen. "Die Gewährung der Korporationsrechte ist nämlich von den beiden kgl.
Staatsministern des Innern, beider Abteilungen, sowie von den betreffenden Herren
Referenten längst zugesichert, wenn einmal die oberhirtliche Genehmigung beigebracht
wird, und selbst Ihre Majestät die Königin-Mutter hat ihre Vermittlung und Fürsprache
dazu angeboten." Auf die wiederholten Fragen der Staatsregierung über die
oberhirtliche Anerkennung wisse sie nicht, was sie erwidern solle, und könne höchstens
eine ausweichende Antwort geben. Dadurch gerate die Kongregation der Regierung
gegenüber in ein schiefes Licht, "als besäße sie nicht das Vertrauen ihres
hochwürdigsten Oberhirten; doch könne sie, die Oberin, sich nicht erinnern, sich
desselben je unwürdig gezeigt zu haben. Niemand kann besser wissen als Se.
Exzellenz, mit welchen Hindernissen die Schwestern seit zehn Jahren hier zu kämpfen
hatten, was sie geduldet und erlitten, wie sie verfolgt wurden, während die Oberin auf
der andern Seite ihren Schwestern allen das Zeugnis geben kann und muß, daß sie in
der Pflege der Armen und Kranken unermüdet gewesen sind, worüber ihr die
Anerkennung von Personen aus allen, selbst den höchsten, ja allerhöchsten Ständen
und besonders auch der Ärzte wiederholt ausgedrückt wurde." Sie bittet daher Se.
Exzellenz dringend, mit der oberhirtlichen Anerkennung nicht länger zu warten.
Die Leitung des Mutterhauses, welche von dem Entschluß des Erzbischofs, die
Korporationsrechte nur gegen die Zusicherung eines Noviziates in Bayern zu begehren,
Kenntnis genommen hatte 350), ließ Herrn v. Prentner mitteilen 351), daß man im Rate
gegen ein Noviziat sei, doch wolle man die Sache weiter untersuchen und mit Bischof
Räß Rücksprache nehmen. Die Einheit der Kongregation litte zu sehr unter einer
solchen Maßnahme. Am 8. Januar 1868 schrieb der neue Superior Sattler an Herrn
v. Prentner, daß ihm Bischof Räß mitgeteilt habe, man möge in der Münchner Frage die
Entscheidung der Würzburger Angelegenheit abwarten, mit deren Klarlegung Räß vom
Heiligen Stuhl beauftragt wurde.
Es schien vorerst, als wollte der Erzbischof von seinem Lieblingsgedanken
abstehen. Die Schwestern bekamen im Januar 1868 von der Regierung die Erlaubnis,
zuerst für drei, dann für sechs Monate eine Sammlung zugunsten des Neubaues zu
veranstalten 352). Da der Neubau auf besondern Wunsch des Münchner Ordinariats
stattlich und geräumig werden sollte, dehnten die Schwestern, um die hohen Baukosten
wenigstens zum Teil zu decken, die Sammlung auch auf außerbayrisches Gebiet aus:
auf Österreich-Ungarn, ja bis nach Syrien, Palästina, Ägypten, Malta, wo eine der
Sammelschwestern (Schwester Bonosa) am 22. April 1870 starb und in der Gruft des
Domkapitels bestattet wurde.
Der Bau des Herz-Jesu-Klosters ging mittlerweile seiner Vollendung entgegen.
Die Teilnahme vieler Schwestern aus München an der Verwundetenpflege im deutschfranzösischen Kriege - schon 1866 hatten sie sich hierin rühmlichst ausgezeichnet hatte ihre Popularität nur gesteigert; am 27. Januar 1870 war ihren sonstigen
Verdiensten um die städtische Kranken- und Armenpflege in einer öffentlichen Sitzung
des Stadtrates gebührendes Lob zugeteilt worden. Der stattliche Neubau eröffnete für
193
die fernere Entwicklung der Genossenschaft in der Hauptstadt günstige Aussichten. Im
Februar desselben Jahres begehrte Schwester Lucretia vom König die
Korporationsrechte. Die Staatsregierung suchte, ehe sie dem Begehren nachkam, sich
zu vergewissern, welche Stellung die Kongregation nach Gewährung der
Korporationsrechte gegenüber dem Mutterhause einnehmen würde, worauf das
erzbischöfliche Ordinariat zunächst erwiderte, "eine Rückkehr der Schwestern in ihr
Mutterhaus sei durchaus nicht zu befürchten, im Gegenteil dürfte zuverlässigst erwartet
werden, daß die Schwestern in ihrem eigenen, wohlverstandenen Interesse eifrigst
bemüht sein werden, sich hier eine sichere Existenz zu gründen." Dem wurde der
Antrag beigefügt, die Bitte der Oberin Lucretia Wehner "uniform mit dem Würzburger
Präzedenzfalle" zu gewähren 353). Da es sich hier um die Errichtung eines völlig
selbständigen Mutterhauses handelte, verlangte die Regierung weitere Aufklärung und
erhielt vom Ordinariat am 26. August 1870 die Antwort: "Daß das hiesige Haus der
Niederbronner Schwestern dem Mutterhause in Niederbronn gegenüber die Stellung
eines Provinzialhauses für die Erzdiözese München-Freising mit eigenem Noviziate und
eigener Verwaltung, sohin tatsächlich eines nur dem Generalate untergeordneten
Mutterhauses einnehmen werde, und sein Eigentum und Vermögen selbständig
verwalten werde."
Daraufhin erfolgte die Ministerialentschließung vom 22. Dezember 1870, welche
erklärt:
"Se. Majestät der König haben der tatsächlich in München bestehenden
Kongregation der Töchter des göttlichen Heilandes die Allerhöchste landesherrliche
Anerkennung als religiöse Genossenschaft zu erteilen und derselben zugleich die
Korporationsrechte zu erteilen geruht." 354)
Die Korporationsrechte wurden demnach nur gewährt unter der Voraussetzung
der Errichtung eines selbständigen Provinzialhauses mit Noviziat und einer vom
Mutterhause getrennten Vermögensverwaltung. Im Mutterhause war von der
diesbezüglichen Verfügung des Ordinariats nichts bekannt geworden. Um so größer
war die Überraschung der Generaloberin M. Adelinde, die zu der am 27. Oktober 1870
stattfindenden Einweihung der Kapelle des neuen Schwesternhauses herbeigeeilt war,
als Se. Exzellenz der Herr Erzbischof, der persönlich den Weiheakt vorgenommen
hatte, ihr die Errichtung eines Noviziates nahelegte. Sie weigerte sich anfänglich, gab
aber auf eindringliches Zureden des Herrn v. Prentner schließlich die Zusage, als dieser
bemerkt hatte, der Erzbischof sei entschlossen, sonst dem Beispiel der Bischöfe von
Wien und Würzburg zu folgen. Auch könne man, wenn sich irgendein Nachteil zeigte,
das Noviziat wieder aufheben 355). Aufgrund dieser Zusage erklärte dann (12. März
1871) die Generaloberin dem Erzbischof: "In Betracht des von Ew. Erzbischöflichen
Gnaden geäußerten Wunsches, es möchte in München ein Provinzialhaus der
Genossenschaft der Schwestern des Allerheiligsten Heilandes mit Noviziat oder eine
bayrische Provinz errichtet werden, habe ich die Ehre, Hochderselben zu erklären, daß
von seiten des Generalates der Kongregation diesbezüglich kein Hindernis
entgegensteht, wofern die in den Statuten oder Satzungen vorgeschriebenen Normen
hinsichtlich der das Provinzialhaus betreffenden Befugnisse und Verpflichtungen
festgehalten werden."
Das war eine Entscheidung, deren Tragweite der damaligen Generaloberin und
dem Superior des Mutterhauses, Sattler, nicht voll zum Bewußtsein kam. Sattler hatte in
seinen neuen, von Rom während der Konzilszeit probeweise approbierten Statuten die
Errichtung von Provinzialhäusern schon vorgesehen, wiewohl bei der kurzen Zeit des
Bestehens der Genossenschaft die Errichtung solcher dem ganzen Organismus mehr
hinderlich als förderlich sein konnte.
194
Erst jetzt, nach dieser formellen Zusicherung, sprach der Erzbischof die
oberhirtliche Anerkennung der Niederbronner Genossenschaft aus und erklärte das
Schwesternhaus in der Badstraße als b a y r i s c h e s P r o v i n z h a u s , zu dessen
Superior Herr v. Prentner ernannt wurde (28. März 1871). Unterm 23. Oktober 1871
erteilte die Regierung "der in München bestehenden Genossenschaft der Töchter des
göttlichen Erlösers zum Zwecke der eigentümlichen Erwerbung des bisher auf den
Namen der Frau Oberin eingetragenen Vermögens" Dispens von den
Amortisationsgesetzen.
So war das Noviziat tatsächlich in aller Form errichtet. Am 17. Juni 1871 nahm
Erzbischof Gregor 12 Novizinnen die klösterlichen Gelübde ab und erteilte 20
Kandidatinnen das heilige Kleid. Seminarregens Dr. Moufang von Mainz hielt auf
besondere Einladung des Erzbischofs die Festpredigt. Am 13. April 1872 kleidete dieser
wieder 16 Kandidatinnen ein und nahm die Profeß von 5 Novizinnen entgegen, wobei
der zum Nachfolger Sattlers ernannte Superior des Mutterhauses Dr. Simonis die
Gelegenheitspredigt hielt. Noch drei weiteren Einkleidungen im Münchner Noviziat
wohnte er bei 356). Nun sollte im Sommer 1872 das Münchner Schwesternhaus im Sinne
der gewährten Korporationsrechte umgeschrieben werden. Jetzt erst erfuhr die
Oberleitung der Genossenschaft, daß die Korporationsrechte nur unter der Bedingung
gewährt worden seien, daß die Münchner Schwestern ihre Güter und Einkünfte
unabhängig vom Mutterhause verwalten würden, und daß die Generaloberin nur ein
allgemeines Aufsichtsrecht hätte, um die nötige Disziplin und Einheit zu bewahren.
Ohne Kenntnis dieser Sachlage hatte also die Generaloberin die Zustimmung zur
Errichtung eines Noviziates gegeben 357). Nunmehr verzichtete man auf die
Korporationsrechte und ließ das Haus, auf welches man eine beträchtliche Hypothek
aufnehmen mußte, um die Bauschulden zu decken, auf den Namen der Schwester
Lucretia und einiger Mitschwestern stehen. Erst jetzt begann man die Tragweite der
Errichtung des Noviziates einzusehen. Die ersten Schwierigkeiten ergaben sich aus
dem Mangel einer festgeregelten Noviziatsordnung des Münchner Hauses. Herr v.
Prentner, der alle Verhandlungen mit dem Erzbischofe geführt hatte, erklärte wiederholt
358), daß Se. Exzellenz gar nicht an einer in München abzulegenden Profeß halte, es
käme ihm nur darauf an, daß auch Kinder aus Bayern, ohne die Reise ins ferne
Mutterhaus zu machen, in München eine erste Probe ablegen könnten. So reisten denn
die eingekleideten Novizinnen nach Niederbronn, um dort einen Teil ihres Noviziates zu
vollenden. "Denn", sagte Herr v. Prentner, um die von Simonis geäußerten Bedenken
zu zerstreuen, "Ihre Schwestern sind Niederbronner Schwestern, es wäre doch eine
solche nicht denkbar, wenn sie zur Profeß käme, ohne das Mutterhaus in Niederbronn
gesehen zu haben." Als aber am 1. Mai 1873 der Erzbischof eine neue Einkleidung
abhielt und in einer Ansprache an die jungen Novizinnen die besondere Aufforderung
richtete: "Seid m i r gehorsam", sodann der Münchner Oberin Lucretia verbot, ohne
seine Erlaubnis München zu verlassen, spitzten sich die Beziehungen zwischen dem
Kirchenfürsten und der Leitung des Mutterhauses zu einem Konflikte zu, der ernste
Formen annahm, als ein erzbischöfliches Wort auch allen Schwestern, Novizinnen und
Postulantinnen untersagte, ohne Erlaubnis aus München fortzureisen. Dazu kam noch
ein Schreiben des Ordinariates, welches der Generaloberin auferlegte, die Assistentin
Schwester Perpetua, die im Schwesternhause zu München weilte, abzuberufen und das
Haus umschreiben zu lassen.
Schon ein Jahr zuvor (2. Juli 1872) hatte Bischof Räß dem Superior Simonis
gegenüber geäußert, daß, wenn nicht beizeiten die nötigen Maßregeln ergriffen würden,
sich in München die Vorgänge von Würzburg und Wien wiederholen würden. Der
Straßburger Oberhirte, der seit der Gründung der Genossenschaft stets seine ganze
Persönlichkeit für ihr Wohl und Gedeihen eingesetzt hatte, befürchtete, daß die in
195
München getroffene Einrichtung notwendigerweise den Ruin der Kongregation
herbeiführen müsse. Diese Befürchtung hatte sich jetzt, nachdem die Dinge diese
Entwicklung genommen hatten, auch dem Superior Simonis aufgedrängt. "Der
Erzbischof", schreibt er (4. Mai 1873) an Bischof Räß, "will eine organisierte Trennung
mit Erlaubnis der Obern." Solle er nachgeben? Vielleicht könnte man hier definitiv ein
Noviziat von einem Jahr mit einem zweiten in Niederbronn einrichten. Aber man werde
in München alles oder nichts wollen. Wenige Tage später erklärte ihm aber der
Erzbischof, daß er ein Noviziat mit Profeß wolle, indem er sich auf die Zusage der
Generaloberin vom 12. März 1871 berief. Simonis antwortete, daß das begonnene
Noviziat nur als ein Versuch, nicht als endgültige Einrichtung gelten könne 359). Aber Se.
Exzellenz beharrte bei ihrem Wunsche. So sah sich die Kongregationsleitung vor die
Frage gestellt: Entweder das Münchner Haus mit eigener Güterverwaltung,
selbständigem Noviziat und Provinzialat anzunehmen, was nichts anderes hieße, als
die Genossenschaft für alle Zukunft ruinieren 360), oder mit dem Erzbischof auf
gespanntestem Fuße zu leben und die Ausweisung zu gewärtigen. Die Generaloberin
war bereit, das geteilte Noviziat zuzugeben. Bischof Räß aber hat seinen delegierten
Superior mehrmals entschieden von allen Zugeständnissen abgeraten 361). So blieb nur
der Rekurs nach Rom übrig, der auch von einzelnen Münchner Persönlichkeiten, wie
Domkapitular v. Prentner und dem Domprediger Ehrler 362), der in selbstlosester Weise
den Schwestern wöchentliche Konferenzen hielt, angeraten war. Die Münchner
Nuntiatur nahm sich der Sache an, der Heilige Vater überwies sie der Kongregation der
Bischöfe und Regularen 363).
Erzbischof Gregor wandte sich nun direkt an Räß in einem längeren Schreiben
(4. September 1873), worin er sich bitter beklagt über den Superior, dessen Ernennung
er freudig begrüßt habe, weil er ihn vom Konzil her wohl kannte 364), doch seien seine
Hoffnungen getäuscht worden. Simonis scheine das hiesige Provinzialhaus mit dem
Noviziat eine Gefahr für das Mutterhaus zu betrachten. Das ganze Schreiben enthält
eine Reihe von Vorwürfen gegen die Kongregationsleitung, Klagen über die Mißachtung
der zuständigen oberhirtlichen Gewalt des Erzbischofs. Räß antwortete zunächst (28.
September 1873), daß seine Autorität nicht über die Grenzen seines
Diözesansprengels hinausreichen könne und wolle; er müsse vorerst mit den Obern die
Sache genau besprechen und untersuchen. Die eingehende Antwort auf die
erzbischöflliche Beschwerde erfolgte am 30. Dezember 1873, worin Räß die
Vorgeschichte des Münchner Noviziates berührt und die Zusage der Oberin vom 12.
März 1871 als nicht auf ganz freier Entschließung beruhend hinstellt. Da diese Zusage
die Errichtung des Noviziates nach Maßgebe der Ordenssatzungen gestattet, diese
Satzungen aber nur probeweise approbiert wären 365), so könne das errichtete Noviziat
auch nur als ein Versuch, nicht als eine endgültige Entscheidung angesehen werden.
Auf diesen Standpunkt stellten sich auch die römischen Behörden, welche am
15. April 1874 entschieden, daß das Münchner Noviziat und Provinzialat nicht den
kanonischen Gesetzen entsprechend errichtet sei, weil für eine solche Einrichtung die
Genehmigung des Heiligen Stuhles eingeholt werden müsse. Was die Umschreibung
des Hauses betreffe, so sollte diese auf eine günstigere Zeit verschoben werden 366).
Für den Gedanken eines bayrischen Sondernoviziates hatte der Erzbischof dem
Superior des Mutterhauses gegenüber folgende Gründe aufgeführt: 1. Man müsse die
Bayerinnen in Bayern lassen und sie nicht nach dem fernen Niederbronn schicken, das
nicht für sie passe. 2. Ein zweites Noviziat in München erleichtere den Beitritt mancher
Kandidatin, die nie nach Niederbronn gehen würde, und so stände der Genossenschaft
in Bayern eine großartige Entwicklung bevor. 3. Die Unkosten der weiten Reise auch für
die in die Exerzitien fahrenden Schwestern könnten erspart werden. 4. Das bayrische
Geld brauche nicht alles nach Niederbronn fließen.
196
In einer ausführlichen Denkschrift, die Simonis für seinen Bischof über die
Angelegenheit abfassen mußte, stellt dieser den angeführten Gründen andere
entgegen.
1. Die Nationalitätsfrage habe bisher in der Genossenschaft eine sehr
untergeordnete Rolle gespielt. Vor dem Kriege seien stets viele deutsche Schwestern
im Elsaß verwendet worden und hätten sich da sehr wohlgefühlt. Nach der Annexion
des Elsasses aber "scheint der Augenblick ganz unrichtig gewählt, um partikularistische
Ansichten der Kongregation gegenüber geltend zu machen, zur Stunde, wo alles
Eigentümliche der verschiedenen Völker wegfällt. Allein wäre die Sache nicht so, so
sollte doch der Nationalismus da ganz wegbleiben! Unsere Schwestern bilden so eine
Art Freikorps, gehen überall den physischen und moralischen Leiden der armen
Menschheit entgegen, ohne auf anderes als nur auf Gott zu schauen. Eine
Hauptbedingung ihrer Bildung besteht darin, daß sie sich über alle menschlichen
Rücksichten hinwegsetzen, mögen sich diese um Nationalitäts- oder andere Fragen
drehen. In dieser Hinwegsetzung haben sie besonders jenen Geist gefunden, welcher
sie im letzten Kriege so vortreffliche Dienste leisten ließ. Auch haben der hochw. Herr
Bischof von Lüttich und die acht französischen Bischöfe, in deren Bistümern unsere
Schwestern wirken, noch nicht im mindesten sich geäußert, sie möchten ein eigenes
Mutterhaus in einem ihrer Bistümer für unsere Schwestern haben. Da nun das
Münchner Noviziat geeignet ist, die Schwestern nach der Nationalität zu gruppieren, so
liegt in dieser Ansicht ein Grund, dasselbe eher aufzuheben als zu befestigen. Es würde
dadurch nämlich dem Geiste der Kongregation im allgemeinen schaden, dann auch
Anlaß zu allerlei ähnlichen Reklamationen geben, und so scheint der Keim einer
völligen Zersplitterung der Kongregation darin zu liegen."
2. Die Ansicht, daß das Münchner Noviziat größere Anziehungskraft ausübe,
bestehe nicht zu Unrecht. Doch auch vorher seien sehr viele Bayerinnen in Niederbronn
eingetreten. Eine Provinzeinteilung sei aber der Genossenschaft deshalb unzuträglich,
weil Angebot und Nachfrage in den einzelnen Provinzen sich nicht die Wage halten.
3. Der Vorwand der Ersparnis der Reisekosten sei durchaus untergeordneter
Natur. Der andere, daß das Geld nicht alles nach Niederbronn zu fließen brauche,
beruht auf einer totalen Unkenntnis und einer durchaus unrichtigen Beurteilung der
Sachlage. "Die Schwestern besitzen zwar in München ein prachtvolles Anwesen. Allein
nicht München hat dasselbe an Niederbronn geschenkt, sondern Niederbronn hat
München damit bereichert. Wir sind die Schenker, nicht die Beschenkten. Nachdem die
Kongregation schon ungeheuere Summen darauf abbezahlt hat, ist sie für etliche 40
Jahre noch verpflichtet, jährlich an 8000 Franken an die Hypotheken- und Wechselbank
auszuzahlen. Allerdings haben die Schwestern in Bayern gesammelt, um dieses Haus
zu bauen; allein die Summen, welche sie schon dazu verwendet haben, waren i h n e n
gegeben! Sie haben aber zuvörderst ihr eigenes Geld, und zwar beträchtliche Summen,
hineingesteckt, dann haben sie auch ihren Schweiß, ihre Kräfte, ihre Gesundheit und ihr
Leben dabei aufgeopfert. Sie haben Geld gesammelt bis in Ägypten, in Palästina, in
Syrien, nicht um dasselbe nach Niederbronn, sondern nach München zu tragen. Ihnen
hat die erzbischöfliche Stadt eine fromme Stiftung ersten Ranges zu verdanken; ihnen
die Errichtung einer dem Publikum zugänglichen Kirche von mehr als 100000 Franken.
Und jetzt, nachdem wir einerseits schon kolossal abbezahlt haben, anderseits beinahe
ein halbes Säkulum hindurch kolossal zu bezahlen haben, sollten wir genötigt werden,
dieses teilweise so schwer bezahlte, teilweise so schwer verschuldete Anwesen dazu
zu gebrauchen, die Kongregation zu zersplittern, damit wir das Geld nicht alles nach
Niederbronn transportieren! Für diesen Zweck hat keine Schwester gearbeitet, sich
ermüdet, keine ihre schweren Opfer dargebracht. Kein Wohltäter hat je solche
Bedingungen gestellt - und wäre je eine Gabe unter dieser Bedingung angeboten
197
worden, so hätten wir sie ganz entschieden zurückgewiesen." Die Richtigkeit der hier
ausgesprochenen Ansichten habe niemand besser begriffen als Herr v. Prentner. Als
die Staatsregierung den Antrag gestellt hatte, das Anwesen solle, falls dasselbe auf den
Namen der Kongregation geschrieben wäre und dieselbe in München zu existieren
aufhöre, dem Armenfonds der Stadt zufallen, antwortete Herr v. Prentner mit
Entrüstung, daß dies unmöglich sei. "Das Haus sei ein heiliges Eigentum der
Schwestern, da ja an jedem Stein desselben ihr Schweiß und ihr Blut klebt."
Im weiteren Teile der Denkschrift begründet Simonis die Notwendigkeit eines
einzigen Noviziates im Interesse des einheitlichen Geistes der Genossenschaft, der
Heranbildung der Novizen, des innigen Gefühls der Liebe und Zugehörigkeit der
Schwestern zur Genossenschaft, das sich in der Liebe zum Mutterhause verkörpere,
der Kongregationsleitung und weiten Ausdehnung der Genossenschaft. Alle neuen
Kongregationen mit weit mehr Mitgliedern hätten nur ein einziges Noviziat. Die
Erfahrung hätte zudem gelehrt, daß es mit einem einzigen Noviziat sehr gut gehe.
Das waren die Gesichtspunkte, welche Simonis leiteten, als er im Auftrag seines
Oberhirten Räß das Münchner Noviziat als eine der Entwicklung der Genossenschaft
schädliche Maßnahme bekämpfte. Nicht wenig leitete ihn dabei der auf manche
Anzeichen 367) gegründete Argwohn, daß das Noviziat eine Trennung in die Wege leiten
sollte.
Alle die der Kongregationsleitung und dem Münchner Oberhirten in gleichem
Maße peinlichen Vorgänge wären vielleicht zu vermeiden gewesen, wenn einerseits die
Generaloberin Schwester M. Adelinde sich nicht zu ihrem voreiligen Versprechen hätte
bewegen lassen und anderseits die Münchner kirchliche Behörde von vornherein das
Mutterhaus nicht im Zweifel gelassen hätte über ihre Absichten bezüglich der Errichtung
eines Provinzialates mit seinen Konsequenzen. Auch Herr v. Prentner, so wohlmeinend
er war, hat dadurch, daß er die wirklichen Absichten seines erzbischöflichen Herrn als
einen harmlosen Wunsch hinstellte, der bei dem äußeren Schein eines Noviziates sein
Genügen fände, mit dazu beigetragen, jene Differenzen hervorzurufen, die für alle
daran Beteiligten gleich peinlich sein mußten.
Im Herbst 1873 wurde die bisherige Oberin Lucretia in den Rat des Mutterhauses
berufen; ihr folgte am 9. Oktober Schwester Benedicte, die ihr Amt unter recht schwierigen Verhältnissen - das Vorausgegangene zeigt das zur Genüge - antreten mußte.
Klug und energisch, wie sie war, dazu von einem lauteren Charakter und beseelt von
dem wahren Geiste einer Ordensschwester, war sie der Sachlage durchaus
gewachsen, und es ist ihr gelungen, die Geschicke des "Herz-Jesu-Klosters" oder des
"Klösterls", wie es im Volksmunde heißt, durch alle Wirren und Fährnisse klug und
sicher hindurchzulenken. Da auch in den Volkskreisen die irrige Meinung verbreitet war,
von gewisser Seite auch geflissentlich verbreitet wurde, daß die Schwestern jeden
Pfennig Geldes dem Mutterhause abliefern müßten, waren die für den Unterhalt der
Schwestern nötigen Einnahmen sehr gering. So waren sie vielfach auf
Naturaliensammlungen angewiesen, welche ihnen jährlich von der Staatsregierung mit
Zustimmung des Erzbischöflichen Ordinariats in beschränktem Maße in der Umgebung
Münchens bewilligt wurden. Als im Jahre 1883 diese Naturaliensammlungen verboten
wurden, sah sich die Oberin genötigt, im Frühling 1884 (4. März) den hochw. Herrn
Erzbischof - seit 1878 Antonius v. Steichele - um Bewilligung einer neuen Sammlung
demütigst zu bitten, "da die Einnahmen des Hauses trotz des jährlichen Zuschusses
des Mutterhauses uns nicht in den Stand setzen, die Kräfte der fast ausschließlich zur
Pflege der armen Kranken bestimmten Schwestern zu erhalten, ferner diesen armen
Kranken die nötige Nahrung und Hilfe angedeihen zu lassen und den täglich hundert
und mehr Armen, welche an unserer Pforte anklopfen, den Hunger zu stillen". Dem
Gesuche war die Reflexion angeschlossen, daß man wegen der mannigfachen
198
Schwierigkeiten, die sich bei diesen Sammlungen schon ergeben haben, reiflich
überlegt hätte, "ob es irgendein Mittel gäbe, dieselben vollständig abzustellen. Es wäre
uns dies allerdings mehr wie erwünscht".
Dieses Mittel fand sich in der Einrichtung eines Pensionates für ältere kränkliche
Damen. Ein Terrain, welches der den Schwestern überaus wohlgesinnte Bierbrauer
J. B. Trappentreu geschenkt hatte, eignete sich vorzüglich zum Bauplatz. Erzbischof
Antonius besichtigte ihn auf Einladung des Herrn Simonis, der mit diesem Oberhirten
die besten Beziehungen pflegte, und erklärte sich mit dem geplanten Bau
einverstanden, der am 9. September 1884 vor der Front des rückwärtsgelegenen
Klosterbaues begonnen wurde. Für die Kosten mußte abermals ein bedeutendes
Kapital aufgenommen werden. In den unteren Räumen wurde eine
K l e i n k i n d e r s c h u l e eingerichtet.
Von 1878 bis 1882 fanden auf Anordnung des Ordinariats in der Klosterkirche die
sonntäglichen Schulgottesdienste der Heiliggeistschule statt. Bis zum Jahre 1885 wurde
für die Schwestern ein regelmäßiger Gottesdienst nicht abgehalten. Am 27. Oktober
1885 übernahm der der Straßburger Diözese angehörige Priester Dr. theol. Nikolaus
Paulus 368) die Stelle eines ständigen Hausgeistlichen. Seither sind die sonntäglichen
Meß- und Nachmittagsandachten in der einfach, aber geschmackvoll ausgestatteten,
sehr anheimelnden Klosterkapelle von Andächtigen fleißig besucht. Im Jahre 1887 starb
Herr Domkapitular v. Prentner, der den Schwestern in Freud' und Leid stets ein treuer
und wohlmeinender Freund gewesen war.
Noch immer harrte das schwierige Problem der Regelung der
Hauseigentumsfrage und des Verhältnisses der Staatsregierung gegenüber einer
ersprießlichen Lösung. Nach längeren Verhandlungen wurde die Sache im Jahre 1892
abschließend und befriedigend geregelt. Das Münchner Haus wurde zum
K o n g r e g a t i o n s h a u s f ü r g a n z B a y e r n erhoben mit Korporationsrechten. Am
19. August 1892 erklärte die Generaloberin Schwester M. Damien durch notarielle
Urkunde mit Zustimmung des Erzbischofs Antonius v. Thoma 369) und des
Kultusministers v. Müller, daß in Zukunft alle Gesuche bayrischer Gemeinden,
Pfarrämter, Vereine zur Erlangung von Schwestern an das Kongregationshaus in
München zu richten sind. In den vorausgehenden Verhandlungen hatte die
Staatsregierung erklärt, daß sie sich nicht darum kümmere, "ob die
Kongregationsleitung der Oberin in München irgendein materielles Bescheidungs- und
Verfügungsrecht zuerkennen will oder nicht. Der Kongregationsleitung soll es
unbenommen sein, die Oberin in München zu jedesmaliger Berichterstattung über die
Gesuche oder zur Einsendung derselben zu verhalten und ihr die zu erteilende Antwort
nach Form und Inhalt vorzuschreiben, wie es auch der Kongregationsleitung zustehen
soll, über die Verwendung der betreffenden Geldeinlieferungen sachgemäße Verfügung
zu treffen, die innere Einrichtung der Niederlassungen und deren gesamten Haushalt zu
regeln, sowie dem Münchner Hause und etwaigen andern in Bayern entstehenden oder
bestehenden Niederlassungen sonstige aus dem Bedarf der Kongregation und ihrem
nicht gelösten, einheitlichen Bestande und Verbande sich ergebenden Auflagen zu
machen; auch soll auf die Verteilung der Schwestern im allgemeinen, speziell
hinsichtlich der Bestimmung oder Abberufung der hiesigen Oberin eine hindernde
Einflußnahme des Staates nicht stattfinden. Durch Verfügungen der Zentralleitung darf
niemals ohne Einverständnis der Kgl. Bayrischen Staatsregierung der Immobilienbesitz
und der sonstige aus besonderen Zuwendungen sich zusammengesetzte
Vermögensbesitz der bayrischen Niederlassungen berührt oder belastet werden".
Diesen Bestimmungen fügen der Kultusminister und der Erzbischof die Erklärung bei,
"daß weder von weltlicher noch von geistlicher Seite an die Kongregation ein Ansinnen
auf Errichtung eines Provinzialates oder Noviziates für Bayern gestellt werden wird, wie
199
denn überhaupt an der ganzen inneren Einrichtung und Leitung der Kongregation durch
gegenwärtige Vereinbarung eine Änderung nicht herbeigeführt werden soll;
ebensowenig soll selbstverständlich durch die vorstehenden Verhandlungen in die
Eigentums- und Benutzungsrechte der hiesigen Niederlassung an der von ihr erbauten
Kirche im Anwesen Haus Nr. 10 an der Buttermelcherstraße dahier eingegriffen
werden, wenn auch die Erwartung ausgesprochen wird, daß diese Kirche im Notfalle für
einen oder eventuell zwei Schulgottesdienste an Sonn- und Feiertagen zu einer vom
Kloster zu bestimmenden Stunde, auf Ansuchen zur Verfügung gestellt wird" 370)
So hatte die Oberin Schwester Benedicte an ihrem Lebensabend noch die
Freude, das Werk, in dessen Diensten sie sich aufgerieben hatte, aus den größten
Schwierigkeiten befreit und einer blühenden Entwicklung entgegengehen zu sehen. Sie
starb am 12. Dezember 1893, von allen Mitschwestern betrauert, denen sie eine
herzensgute Mutter gewesen war. Sie fand in Schwester Laurienne, die ihr in den
letzten Lebensjahren mit Rat und Tat schon zur Seite gestanden war, einer jeder
Schwierigkeit gewachsene Nachfolgerin. Auch ihrer harrten keine leichten Aufgaben.
Durch den an der Kirche vorbeifließenden Isargraben war die Kirche feucht, das
Mauerwerk morsch geworden, so daß im Jahre 1897 eine kostspielige Erhöhung des
Baues und eine völlige Renovierung notwendig wurde. Se. Exzellenz Erzbischof Franz
Joseph v. Stein hat sie am 10. Dezember 1898 konsekriert. Ein weiteres Werk der
Oberin war die Gründung eines M ä d c h e n h o r t e s , der am 2. Februar 1902 in einem
eigens errichteten praktischen Neubau im Klostergarten eröffnet wurde. Am 29. Mai
1903 ernannte der Erzbischof den Geistlichen Rat Universitätssprofessor Dr.
Wirthmüller 371) zum erzbischöflichen Kommissar für das Schwesternhaus.
Im Jahre 1909 erhielt das Gotteshaus eine geschmackvolle Innendekoration,
durch welche der schöne Hochaltar mit dem Meisterbilde von Heß - das heilige
Herz Jesu darstellend - prächtig zur Geltung kommt. Überhaupt ist der in einfachen
Renaissanceformen gehaltene Bau von edler, vornehmer Wirkung. Durch die glückliche
Anlage von Galerien in den schmalen Längsschiffen ist es den Schwestern ermöglicht,
vom Laienpublikum abgesondert den Gottesdiensten beizuwohnen. Die Maiandachten
und die Herz-Jesu-Segensandachten im Juni erfreuen sich einer besonderen
Beliebtheit in der Stadtbevölkerung.
Ein neues, vorteilhaftes Aussehen erhielt die Gesamtbauanlage des Klosters im
Jahre 1911 - 1912 dadurch, daß der eine Flügel, der aus einem alten verwinkelten Bau
bestand, abgerissen und durch einen modernen, luftigen dreistöckigen Neubau ersetzt
wurde. Dadurch wurde es ermöglicht, die Zahl der Pensionärinnen zu vermehren. 1912
wurde eine weitere, dankenswerte soziale Einrichtung getroffen, indem für junge,
erwerbstätige Damen ein Mittagstisch begründet wurde, der regsten Zuspruch erhielt.
Auch die Kinderbewahranstalt und der Mädchenhort, in welchem die
schulpflichtige Jugend ihre Aufgaben anfertigt und in Handarbeiten unterrichtet und so
den Gefahren der Gasse ferngehalten wird, wiesen stets erfreuliche Besuchsziffern auf.
Desgleichen genügen die vorhandenen Schwestern kaum den Anforderungen, die
durch die Hauskrankenpflege an sie gestellt werden. In gerechter Würdigung der
Verdienste der Schwestern um die städtische Bevölkerung dankten die
Gemeindekollegien am 23. März 1907 gelegentlich der fünfzigjährigen Gedächtnisfeier
des Einzuges der Genossenschaft in München in einem herzlich gehaltenen Schreiben
für die in der ambulanten Krankenpflege der Stadtgemeinde geleisteten Dienste.
Die bedeutsame Stellung des Münchner Kongregationshauses für Bayern kam
auch dadurch zum Ausdruck, daß es ein Postulat für bayrische Kandidatinnen
unterhielt. Alljährlich entsandte es eine Anzahl von jungen Mädchen, die sich im
Münchner Hause für den Ordensberuf vorbereitet und in den Haushaltungsarbeiten
ausgebildet haben, in das Noviziat des Mutterhauses. Auch fanden in den
200
Herbstmonaten im "Klösterl" die jährlichen Exerzitien für eine Anzahl Schwestern des
rechtsrheinischen Bayern statt.
Nach der Beendigung des Weltkrieges, der auch dem Herz-Jesu-Kloster harte
Entbehrungen bescherte, dachte man in Anbetracht der Neuorganisation der
Genossenschaft daran, aus diesem Hause das Provinzhaus mit Noviziat zu machen. Im
Hin-blick darauf waren 1918 schon zwei angrenzende Anwesen erworben worden. Aber
dieser Plan verwirklichte sich nicht. Nachdem Se. Exzellenz Erzbischof M. v. Faulhaber
ein provisorisches Noviziat gestattet hatte, fand am 19. März 1920 die erste feierliche
Einkleidung statt. Die Noviziatsfrage für die bayrische Provinz fand durch die Erwerbung
des Kurhauses Wildbad bei Neumarkt eine glückliche Lösung.
Noch ist der bösen Tage zu gedenken, die das "Klösterl" und seine friedlichen
Bewohner in den Revolutionstagen des Frühlings 1919 durchzumachen hatte. Am
30. April fiel der erste Schuß in das Gartengebäude. Am 1. Mai wurde kreuz und quer in
den Garten geschossen, so daß sich niemand hinauswagen konnte. Am 2. Mai fielen
acht Schüsse in das Klosterdach, vier in das Haus selbst; eine Kandidatin wurde im
Zimmer durch ein Dum-Dumgeschoß schwer verwundet. Die heftige Beschießung
erfolgte von der Klenzestraße. Die schlimmsten Befürchtungen brachte der 3. Mai.
Diesmal war der Kirchturm das Angriffsziel. Von 8 Uhr morgens bis 3 Uhr nachmittags
hielt die weiße Garde das Kloster besetzt und feuerte aus den Fenstern auf die
Angreifer. Fünf der wütendsten Kommunisten wurden erschossen. Der Abend endlich
brachte die Ruhe und die sehnlichst erwartete Erlösung aus der Gefahr. 1920 belief
sich die Zahl der Schwestern auf 26.
Die übrigen Niederlassungen in der Erzdiözese München:
Freising (Distriktskrankenhaus). Seit 22. März 1884 leiten die Schwestern,
zuerst drei, heute sieben, das 1908 erweiterte Distriktskrankenhaus.
Fürstenfeldbruck (Krankenhaus und Josephsspital). 1859 übernahmen vier
Schwestern das Gemeindekrankenhaus und die ambulante Krankenpflege. 1885
Neubau mit Krankenhaus. Das bisherige Josephsspital wurde den Gemeindepfründnern
reserviert. 1920: 9 Schwestern.
Fürstenfeldbruck (Spitalstraße 2). Am 1. Oktober 1917 wird für die ambulante
Krankenpflege eine eigene Station in der Spitalstraße 2 eröffnet. 4 Schwestern.
Hohenaschau. Kinderschule und Hort, gegründet 15. Juni 1917 durch
Freiherrn v. Kramer-Klett. 3 Schwestern.
Laufen a. d. Salzach. Am 16. Mai 1861 übernahmen drei Schwestern die
Leitung des städtischen Kranken- und Pfründnerhauses, 1884 das von Johann Brandl
gestiftete Waisenasyl (20 Betten); seit 1904 sind zwei Schwestern in der ambulanten
Krankenpflege tätig. 9 Schwestern.
Lengries (Krankenhaus). Am 30. Dezember 1886 übernahmen zwei Schwestern
die Leitung des seit 1863 bestehenden Gemeindekrankenhauses. Nach Vollendung des
Neubaues (1881, 40 Betten) wurde das alte Haus als Pfründneranstalt eingerichtet und
einer Schwester unterstellt; in dieser wurde 1889 eine Kinderbewahranstalt eröffnet, die
1904 an die Schulschwestern überging. In besonderen Fällen üben die Schwestern
auch ambulante Pflege aus. 5 Schwestern.
Marwang. Krankenpflegestation und Nähschule, gegründet 21. April 1920 durch
den Hauskrankenpflegeverein. 4 Schwestern.
München (Vinzentinum). Am 25. März 1857 trafen auf Wunsch des
Vinzenzvereins die ersten Schwestern in der Bogenhauserstraße (jetzt Öttingenstraße)
zur Pflege armer und kranker Personen ein. Trotz ungünstiger Verhältnisse entwickelte
sich das Werk langsam unter Schwester Adelinde, der späteren zweiten Generaloberin.
Seit 1858 nahm man auch Waisenkinder an, die Ende der siebziger Jahre der Josephs-
201
anstalt in Haidhausen überwiesen wurden. 1860 weihte Erzbischof Gregor v. Scherr die
Kapelle ein, in der die ehrwürdige Stifterin M. Alphons mit den bayrischen Schwestern
oft die jährlichen Exerzitien abhielt. Seit 1878 wurden ältere weibliche Dienstboten
aufgenommen (1882: 60). Für den Hausgottesdienst sorgten uneigennützig die
Franziskanerpatres. 1903 wurde ein stattlicher Neubau an der Öttingenstraße
aufgeführt mit prächtiger Kapelle. Der Westflügel dient als Studienpensionat für
geistliche und weltliche Herren, der Ostflügel als Pensionat für alleinstehende Damen.
Den Hausgottesdienst besorgte seither der in der Anstalt wohnende Jesuitenpater
Duhr. 13 Schwestern.
München-Haidhausen (St. Josephsanstalt). Am 1. Dezember 1858 wurde die
Wirtschaftsführung des von dem Kaplan Joseph Gruber gegründeten St.
Josephskinderheims in einem Mietlokale (Kirchenstraße 26) zwei Schwestern
anvertraut. 1862 erfolgt die Gründung eines eigenen Heims Eggernstraße 6, das 1866
und 1873 erweitert wurde. 1863 übernahmen die Schwestern eine Kinderbewahranstalt,
1885 einen Mädchenhort, 1898 einen Knabenhort. Für diese drei Institute wurde 1897
in der Preysingstraße 21 ein Heim errichtet. In der unter einem geistlichen Inspektor
stehenden, dem St. Josephsverein gehörenden St. Josephsanstalt und den abhängigen
Kinderinstituten wirken 19 Schwestern, wovon sechs in der ambulanten Krankenpflege
(seit 1876) tätig sind.
München (Löwengrube 18). Krankenpflegestation, 1864 gegründet (fünf
Schwestern); die Hausmiete und einen kleinen Teil des Unterhalts bestritt die
Domkirchenfabrik aus den Zinsen gestifteter Kapitalien. 1920: 8 Schwestern.
München (St. Annaanstalt). 1867 gründete P. Helan Mayerhofer O. F. M.,
Stadtpfarrer an St. Anna, eine Kinderbewahranstalt, die zuerst von zwei Schwestern
des Herz-Jesu-Klosters geleitet und infolge Brandes aufgehoben wurde. 1868 erwarb
der Gründer in der Bogenhauserstraße (jetzt Öttingenstraße 8) für diesen Zweck ein
Haus, das bis 1875 Pensionäre aufnahm. 1872 eröffneten die Schwestern eine
Mädchenerziehungsanstalt, die 1897 durch Stadtpfarrer P. Remigius Stadtler sehr
vergrößert wurde (130 Kinder bis 16 Jahre, darunter ca. 40 Waisen, für welche
Freiplätze gestiftet sind, finden Aufnahme). 18 Schwestern sind darin tätig für
Kinderbewahranstalt, Jungfrauenverein und ambulante Krankenpflege.
München-Giesing. Krankenpflegestation, gegründet 17. Oktober 1872 vom
Vinzenzverein Giesing, der in der Pfarrhofstraße den (3) Schwestern ein Heim
errichtete. 1908 wurde in der Gietlstraße (Nr. 1) ein Neubau erstellt aus Gaben, die
Stadtpfarrer Wagner gesammelt hatte. Ein Krankenverein kommt zum Teil für den
Unterhalt der Schwestern (jetzt 13) auf, die sich auch der Fürsorge verwahrloster Kinder
widmen.
München (Augenklinik Herzog K. Theodor). 1882 eröffnete Herzog Karl Theodor
von Bayern im Krankenhaus zu Tegernsee eine Augenklinik mit einer Schwester, 1884
drei Schwestern; 1889/90 wurde im Schwabinger Krankenhaus eine Augenklinik
eröffnet, sodann in der Giselastraße Nr. 17 (1891), Maria-Josephastraße (1891 -1893),
Bismarckstraße (1894/95) nur für den Winter. Oktober 1895 erwarb der Herzog die
jetzige Augenheilanstalt in der Nymphenburgerstraße Nr. 43; die Klinik, seit dem Tode
des Herzogs (30. November 1909) von Dr. Zenker geleitet, ist seit 1900 selbständige
Schwesternstation. 9 Schwestern.
München-Au. Krankenpflegestation, gegründet 16. November 1881 durch den
Elisabethenverein, der eine Mietswohnung stellte. 1912 siedelten die Schwestern in das
vom Vinzenzverein erworbene Schwesternhaus Hochstraße Nr. 38 über. Für den
Unterhalt kommen zum Teil auf: Elisabethen-, Vinzenzverein, und Verein der freien
Vereinigung. 4 Schwestern.
202
München-Schwabing. Von 1874 bis 1910 leiteten die Schwestern das
Schwabinger Krankenhaus. 27. September 1900 hatte Geistl. Rat Erlacher eine Station
für ambulante Pflege gegründet. Bis 1909 wohnten die Schwestern Klemensstraße Nr.
29, später Viktor-Scheffelstraße Nr. 1. 1916 erwarb der Vinzenzverein Schwabing ein
eigenes Schwesternhaus Bismarckstraße 30. 1920: 9 Schwestern.
München (Deckersche Klinik). Seit 1897 sind die Schwestern in Dr. Deckers
Magenklinik, jetzt Seestraße Nr. 4 (Neubau), tätig. 1920: 13 Schwestern.
München (Lehrlingsheim). Seit 10. Januar 1904 führen die Schwestern den
Haushalt im Lehrlingsheim in der Morassistraße Nr. 16. 1920: 4 Schwestern.
München (Thorwaldsenstraße 16). Krankenpflegestation, gegründet 16.
September 1904 durch Stadtpfarrer Thanner von St. Benno im Auftrag des
Vinzenzvereins, der die Mietswohnung stellte und zum Teil für Unterhalt sorgt. Die
Schwestern leiten auch Kinderschule und Mädchenhort (Erzgießerstraße 7). 1913
erwarb der Vinzenzverein ein Schwesternhaus in der Thorwaldsenstraße Nr. 16. 6
Schwestern.
München (St. Wolfgangsanstalt). Im Oktober 1906 zogen vier Schwestern in die
durch den Vinzenzverein erbaute St. Wolfgangsanstalt (Orleansstraße 11) ein, welche
Schülern der Münchner Schulen ein Heim bieten soll. Auch wurde eine
Kinderbewahranstalt, ein Knaben- und Mädchenhort eröffnet, der Knabenhort 1908
geschlossen, um Platz für die wachsende Zahl der Zöglinge zu gewinnen. Seit 1911
sind zwei Schwestern in der ambulanten Pflege tätig. 1920: 10 Schwestern.
München (erzbischöfl. Palais). Seit 1. Dezember 1917 führen zwei Schwestern
den Haushalt Sr. Eminenz des Herrn Kardinals und Erzbischofs M. v. Faulhaber.
München (Salesianeranstalt Don Bosko). Seit 1. Dezember 1920 drei
Schwestern zur Haushaltführung in der Salesianeranstalt.
Niederaschau (Krankenhaus). Seit 11. September 1871 leiten die Schwestern
das Distriktskrankenhaus (16 Betten für Kranke und 13 für Pfründner). 1873 kam eine
dritte Schwester für Arbeitsschule und Volksschulindustrieunterricht. Jetzt vier
Schwestern, die in Ausnahmefällen auch ambulante Pflege ausüben.
Petershausen. Krankenpflegestation, Kinder- und Nähschule, gegründet
22. März 1910 durch Pfarrer Schmid. Benefiziat Rottmaier hatte das Schwesternhaus
erbauen lassen (für den Kirchenfonds) und Kapital zum teilweisen Unterhalt gestiftet.
3 Schwestern.
Tegernsee (Distriktskrankenhaus). Seit 1867 ist den Schwestern Pflege und
Hauswirtschaft des von der Königin Karoline von Bayern gegründeten und 1882
erweiterten Distriktskrankenhauses (80 Betten für Kranke und alte Leute) anvertraut.
Die 1882 von Herzog Karl Theodor gegründete Augenklinik ist 1899 dauernd nach
München verlegt worden. 6 Schwestern.
Tittmoning (Krankenhaus). Am 7. August 1865 übernahmen drei Schwestern
das Krankenhaus (35 Betten) und Armenhaus (16 Betten). 6 Schwestern.
Traunstein. Das von der Kongregation käuflich erworbene Kurhaus wurde
31. Mai 1917 bezogen. 14 Schwestern.
Waging (Kranken- und Armenhaus). In die von dem Münchner Dompropst
Dr. J. v. Brand gestiftete Anstalt zogen im März 1897 zwei Schwestern; 1900 Neubau,
der 1908 erweitert wurde. 1920: 3 Schwestern.
Wolfratshausen (Distriktskrankenhaus). Seit 1. Oktober 1891 zwei Schwestern
im Krankenhaus. 1915 Neubau. 1920: 6 Schwestern.
2. Erzdiözese Bamberg.
203
Aisch. Krankenpflegestation, Kinder- und Nähschule, gegründet 11. November
1919 durch den Verein für Jugendfürsorge und ambulante Krankenpflege. 4
Schwestern.
Bamberg (Heinrichsdamm 13). Am 8. Oktober 1872 kamen die ersten drei
Schwestern nach Bamberg auf Veranlassung eines interkonfessionellen Vereins, der
ihnen ein Haus in der Storchgasse anwies. Neben der Krankenpflege leiteten sie eine
Krippen- und Kinderbewahranstalt. 1873 wurde in der Fleischstraße für 9000 Gulden
ein geeignetes Haus erworben. Die Kaufsumme bestritten Generalvikar Thumann und
Frau Flierl. Da die Schwestern noch keine Korporationsrechte besaßen, wurde das
Haus auf die erzbischöfliche Klerikalseminarstiftung überschrieben. Die Schwestern
bezogen es 1. Mai 1874, erhielten auch eine Kapelle. Die Krippe war eingegangen, die
Bewahranstalt blieb in der Storchgasse und wurde vom Dompfarramt übernommen; für
die Auslagen kam der 1871 gegründete Schulverein auf, der 1897 die Anstalt nach der
Michelsbergstraße (Nr. 3) verlegte. Wegen der wachsenden Anzahl der Schwestern
wurde dank edlen Wohltätern am Heinrichsdamm ein stattliches Schwesternhaus
erbaut, das am 15. Juni 1892 von 15 Schwestern bezogen wurde. Am 18. Januar 1898
starb der Lyzealprofessor Dr. Heinrich Weber, der für die Niederbronner Schwestern in
Bamberg und in andern Niederlassungen ein hochherziger Wohltäter und
unermüdlicher treuer Freund und Berater war. Er hat für die Schwestern ein beliebtes
Gebetbuch verfaßt ("Rosenkranz und Kreuzweg" - Rixheim 1889-, 492 S., auch ins
Französische übersetzt). 1908 wurde eine Schwester mit der städtischen
Lungenheilfürsorge betraut. Ein Schwesternverein und die Stadt decken zum Teil die
Unterhaltungskosten der Schwestern, deren Zahl jetzt 17 beträgt.
Bamberg (St. Josephsanstalt). Im März 1880 wurde die Leitung der durch den
St. Josephsverein gegründeten Knabenwaisenanstalt (am Jakobsplatz) den Schwestern
übertragen. 1915 wurde sie erweitert. Ende 1920 wirken hier 10 Schwestern, von denen
eine im Auftrag des Kinderschulvereins die Kinderschule in der Michelsbergstraße leitet.
Bamberg (Krippenanstalt). Für die 1896 in der St. Josephsanstalt errichtete
Kinderkrippe erwarb der interkonfessionelle Krippenverein ein eigenes Heim am
Weidendamm (Nr. 21). Im Jahre 1907 teilte sich der Verein in zwei konfessionelle
Abteilungen. Das bisherige Lokal wurde dem katholischen Krippenverein
überschrieben. 2 Schwestern.
Bamberg (St. Elisabethenanstalt). Am 19. November 1897 übernahmen zwei
Schwestern die von Domkapitular Dr. Lahner gegründete Elisabethenanstalt für
Waisenmädchen. Zunächst in dem der Kongregation gehörigen Hause
Michelsbergstraße Nr. 4 (mit 4 Kindern begonnen) untergebracht, siedelte sie in die
vom Taubstummenverein gekaufte Appelsche Villa am Jakobsberg (Nr. 34) über; 1908
wurde dank größeren Zuwendungen des Domkapitels die Villa Michel erworben und
zweckdienlich eingerichtet, und 1914/15 wurde die Anstalt bedeutend vergrößert, so
daß sie jetzt für 70 Kinder Raum hat. Seit 1917 unterhält die Anstalt ein Seminar zur
Ausbildung
von
Ordenskandidatinnen
als
Handarbeitslehrerinnen
und
Kindergärtnerinnen. 10 Schwestern.
Burgebrach. Krankenpflegestation und Kinderschule, gegründet 12. Dezember
1901 durch Herrn Dekan Hau (gest. 1903), der zum Teil aus eigenen Mitteln auf den
Namen der Zivilgemeinde ein Anwesen erwarb und ein Schullokal errichtete. Pfarrer
Schneider ließ zum Teil auch auf eigene Kosten ein Stockwerk auf das Schwesternhaus
aufführen. Gemeinde und Schwesternverein bestreiten den Unterhalt der drei
Schwestern.
204
Erlangen (Harfenstraße 21). Krankenpflegestation, gegründet 4. Mai 1888. Ein
1911 gegründeter Krankenverein, der zum Teil für den Unterhalt der Schwestern
aufkommt, erwarb das heutige Schwesternhaus. 1908 war ein Neubau für die
Kinderschule errichtet worden. Seit 1904 wirken zwei Schwestern in der
Universitätspoliklinik. 6 Schwestern.
Erlangen
(Bruckerstraße
144).
Im
März
1912
wurde
eine
Schwesternniederlassung für die Arbeiterfamilien der Baumwollspinnerei Erlangen
gegründet, nachdem schon 1911 eine Schwester aus der Harfenstraße eine
Kinderschule eröffnet hatte. 1912 wurde eine Kinderkrippe (mit 12 Betten), 1913 ein
Mädchenhort und eine Arbeitsschule gegründet. Die Aktiengesellschaft stellte das
Schwesternhaus und sorgt für den Unterhalt. 4 Schwestern.
Frensdorf. Krankenpflegestation, Kinderschule, Altersheim für Schwestern,
gegründet im November 1920, im Erbgut der Schwestern Jllidia und Rogatian. 3
Schwestern.
Fürth. Krankenpflegestation, gegründet 16. September 1895; die drei
Schwestern wohnten drei Jahre unentgeltlich bei den Eheleuten Schilling, dann in einer
von dem Krankenverein (gegründet durch Stadtpfarrer Späker) gestellten
Mietswohnung; 1910 wird ein eigenes Schwesternhaus in der Lessingstraße (Nr. 2)
erworben. Die Schwestern (heute 8) leiten eine Kinderschule (seit 1916) und den
Dienstmädchenverein.
Gößweinstein. Krankenpflegestation, Kinder- und Nähschule, gegründet 19.
April 1917 durch Reichsrat Franz Weidinger, in dessen Elternhaus die vier Schwestern
wohnen.
Höchstadt a.d. Aisch. 1898 wurde durch Bürgermeister Gmeiner zwei
Schwestern das (1513 gegründete) Bürgerspital anvertraut. 1903 kam eine dritte
Schwester für ambulante Krankenpflege. 1920: 3 Schwestern.
Kronach (Städtisches Krankenhaus). Am 8. September 1882 übernahmen drei
Schwestern das städtische Kranken- und Pfründnerhaus; 1889 kamen zwei Schwestern
für ambulante Krankenpflege. 1892 wurde das Greisenasyl in der Kulmbacherstraße mit
dem Krankenhaus verbunden. Heute 10 Schwestern.
Kronach (Distriktskrankenhaus). Seit 1. Januar 1895 zwei Schwestern im
Distriktskrankenhaus. 1903 Neubau, seither 4 Schwestern.
Lichtenfels. Krankenpflegestation, gegründet im März 1889. Die Gemeinde, die
zum Teil für den Unterhalt der Schwestern (zuerst 3, jetzt 9) sorgt, hatte 1887 mit Hilfe
der Stiftung des Dekans Unrein ein Schwesternhaus erbauen lassen, das 1909
vergrößert wurde. Die Schwestern sind auch in der Tuberkulosenfürsorge tätig.
Neunkirchen a. Brand. Krankenpflegestation, gegründet 18. November 1912.
Der Elisabethenverein bestreitet Wohnungsmiete und Unterhalt. 4 Schwestern.
Nürnberg (St. Josephshaus) Krankenpflegestation, gegründet 29. September
1890 durch Geistl. Rat Kreppel. Die fünf Schwestern wohnten zuerst Fünfzehnerplatz
Nr. 10, dann Winklerstraße Nr. 11 auf Kosten des Vereins für Krankenpflege. 1897
erwarb Rechtsanwalt Dr. Stapf das Anwesen Harmoniestraße Nr. 28, als das St.
Josephshaus den Schwestern eingeräumt wurde. Für den Unterhalt kommt zum Teil
der Verein auf. Jetzt wirken 18 Schwestern in der Niederlassung.
Nürnberg-Wetzendorf. Am 15. Oktober 1897 wurde die in der Augustenstraße
(Nr. 19), später Amalienstraße (Nr. 19) durch den edelgesinnten Israeliten Herz
gegründete Wärmestube zur Austeilung von Suppen an Arme zwei Schwestern
übertragen. 1300 Kinder und 900 Erwachsene besuchten sie täglich; in einem Winter
kamen ca. 800000 Teller Suppe und 600000 Portionen Brot zur Verteilung. Für die
Ausgaben kam der Wärmestubenverein auf. 1898 kam eine Schwester für ambulante
205
Krankenpflege. Herz (gest. 7. September 1897) ließ auch die Hauskapelle ausstatten.
Er hat auch einen Mädchen- und Frauenverein gegründet, um ein Dienstmädchenheim
zu ermöglichen, für das im angrenzenden käuflich erworbenen Anwesen ein am 7.
Dezember 1901 eröffneter Neubau aufgeführt wurde. 1907 vertraute der Karitasverein
Nürnberg den Schwestern je eine Kinderschule im Bezirk Neuwetzendorf und St.
Leonhart an. Seit 1912 läßt die städtische Armenpflege durch die Schwestern armen
Schulkindern Essen verabreichen. 9 Schwestern.
Nürnberg (Marienhaus). Am 1. Mai 1910 übernahmen drei Schwestern das in
der Harmoniestraße (Nr. 28) gelegene, an das St. Josephshaus angrenzende
Marienhaus (für stellenlose Mädchen, alleinstehende erwerbstätige Frauen,
Schülerinnen). Auch die durch den Karitasverein für die Kinderschulen in den Bezirken
Wöhrd und Glaishammer berufenen Schwestern wohnen im Marienhaus, das von dem
Krankenpflegeverein erbaut und dem Mädchenschutzverein vermietet ist. 6
Schwestern.
Nürnberg (Humboldtstraße 129). Krankenpflegestation, gegründet durch Dekan
Stähl von der Herz-Jesu-Pfarrei am 20. Oktober 1915. Für Mietwohnung und zum Teil
für den Unterhalt kommt der Verein für Krankenpflege der Niederbronner Schwestern
auf. Zuerst 3, jetzt 6 Schwestern.
Nürnberg (Versorgungslazarett I und II). Die während des Krieges in das
Garnisonslazarett (jetzt Versorgungslazarett) berufenen drei Schwestern wurden nach
1918 beibehalten; 1920 pflegten in den Abteilungen I und II acht Schwestern.
Reichmannsdorf. Krankenpflegestation und Kinderschule, durch Freifrau
v. Schrottenberg am 15. Oktober 1910 gegründet, die ein Schwesternhaus einrichtete
und für ihren dauernden Unterhalt ein Kapital stiftete. 3 Schwestern.
Scheßlitz (Distriktskrankenhaus). Seit 1. Juli 1881 leiten die Schwestern das
1889 und 1893 vergrößerte Distriktskrankenhaus (30 Betten). 1902 wurde die
Landkrankenpflege eingeführt; seit 1913 ist eine Schwester in der Lungenfürsorge
tätig. 5 Schwestern.
Scheßlitz (Pfründnerhaus). Am 1. Februar 1920 übernommen. 2 Schwestern.
Seßlach (Distriktskrankenhaus). Am 1. September 1897 kamen zwei Schwetern
in das kleine Distriktskrankenhaus und Pfründnerhaus (Flenderische Stift), 1898 zwei
Schwestern für ambulante Stadtkrankenpflege, Kinderschule und Industriewinterschule
der Volksschülerinnen, 1905 eine Schwester für Landkrankenpflege. Der
Krankenverein sorgt zum Teil für den Unterhalt. 5 Schwestern.
3. Diözese Augsburg.
Benediktbeuern (Krankenhaus). Seit 12. Oktober 1892 ist das
Gemeindekrankenhaus für Benediktbeuern und Kochel unsern Schwestern anvertraut.
4 Schwestern.
Faulenbach (St. Ulrichsheim). Zwei Schwestern führen seit 23. März 1904 das
von Bischof Maximilian v. Lingg von Augsburg gegründete Erholungsheim für Priester.
Im Winter Kochkurse für die Mädchen des Orts. 1920: 3 Schwestern.
Füssen (Stadtspital). Am 1. April 1887 übernahmen drei Schwestern das
städtische Krankenhaus. Nach Übersiedlung der Kranken in das neue
Distriktskrankenhaus blieben nur die Gemeindepfründner zurück. Die sechs Schwestern
üben auch die ambulante Pflege aus.
Füssen (Distriktskrankenhaus). Seit 9. April 1894 wirken die Schwestern (zuerst
3, jetzt 6) im neugegründeten Distriktskrankenhaus.
206
Füssen (Fabrikkrankenhaus). Am 16. Juni 1888 zogen zwei Schwestern in das
Krankenhaus der Seilerfabrikaktiengesellschaft. Seit 1911 Fabrikkinderkrippe. Jetzt
5 Schwestern.
Neu-Ulm. Krankenpflegestation, gegründet 1. Juli 1899 durch Bürgermeister
Kollbach. Ein Krankenverein sorgte für Unterhalt und Mietswohnung; 1905 erwarb die
Kongregation ein kleines Haus in der Donaustraße (Nr. 3) und eröffnete eine
Arbeitsschule. Einen namhaften Teil der Kaufsumme gab Frau Nadler. Fräulein Schühle
(gest. 1909) vermachte der Kongregation ihr Haus in der Augsburgerstraße (Nr. 8) als
Schwesternheim. 5 Schwestern.
4. Diözese Eichstätt.
Eichstätt (Städtisches Altersheim). Das frühere Distriktskrankenhaus, wo die
Schwestern seit 1. August 1872 pflegten, ist jetzt Pfründnerhaus. 1920: 4 Schwestern.
Eichstätt (Kreszentiaheim). Krankenpflegestation, am 10. Oktober 1914 als
eigene Filiale in dem vom Vinzenzverein am Graben gemieteten Kreszentiaheim
eröffnet, nachdem seit 1885 die ambulante Pflege vom Krankenhaus aus geübt worden
war. 1915 erwarb der Verein ein eigenes Schwesternhaus. 7 Schwestern.
Hilpoltstein (Kranken- und Waisenhaus). Am 1. März 1858 übernahmen drei
Schwestern die Krankenpflege im Spital (heutiges Bezirksamtsgebäude), worin seit
1860 auch verwahrloste Mädchen Aufnahme fanden. Beide Anstalten wurden 1878 in
die jetzigen dem Bezirk gehörigen Gebäude verlegt; 1907 wurde das Kinderheim durch
einen Anbau erweitert. Seit 1885 leitet eine Schwester die Kinderbewahranstalt in
einem dem Kirchenfonds gehörigen Lokal. Waisenhaus und Krankenhaus bilden seit
1918 zwei selbständige Stationen, jenes mit 5, dieses mit 3 Schwestern.
Kipfenberg (Distriktskrankenhaus). Seit 12. Oktober 1867. 3 Schwestern.
Neumarkt (Provinzialhaus und Noviziat). Das frühere Kurhaus Wildbad in der
Oberpfalz, am Fuße des Mariahilfsberges, wurde im Jahre 1920 von der Kongregation
für 480000 Mark erworben, um daraus das Provinzialhaus und Noviziat der bayrischen
Provinz zu machen. Am 24. Juli 1920 ist dieses Noviziat kanonisch errichtet worden.
Das Haus zählte Ende 1920 15 Schwestern, 66 Novizinnen, 35 Postulantinnen. Zum
Spiritual ist ernannt der hochw. Herr Mader.
Seligenporten. Krankenpflegestation, gegründet 10. Oktober 1920 durch den
Krankenpflegeverein, und Kleinkinderschule. 2 Schwestern.
5. Diözese Passau.
Neuötting (Spital). Am 1. November 1881 kamen in das 1426 gegründete und
jetzt baulich ganz erneuerte Heiliggeistspital drei Schwestern, die 1882 auch das
Kecksche Waisenstift mit zehn Mädchen übernahmen. 1891 wurde ein eigenes Haus
für zahlende Pensionäre erbaut (seit 1896 "St. Josephsstift"). Seit 1894 war eine
schwester in der ambulanten Pflege tätig. 5 Schwestern.
Neuötting (Klostergasse 6). Seit 20. Januar 1901 ist in dem von den Eheleuten
Bittl gestifteten Haus der Klostergasse eine eigene Station für ambulante Krankenpflege
eröffnet. Eine Kapitalstiftung derselben Wohltäter sicherte den Unterhalt. 3 Schwestern.
6. Diözese Regensburg.
207
Aus der einzigen Niederlassung in dieser Diözese, dem Knabenwaisenhaus in
Eschelbach, sind die Schwestern im Jahre 1920 zurückgezogen worden, nachdem sie
seit 24. April 1867 dort gewirkt hatten.
208
Drittes Kapitel.
Frankreich.
Als die Genossenschaft in dem elsässischen Niederbronn gegründet wurde, war
das Elsaß eine französische Provinz. Die Regierung des zweiten Kaiserreiches hat, wie
wir gesehen haben, die Kongregation durch Dekret vom Jahre 1854 staatlich anerkannt.
Sie war also eine französische Ordensgesellschaft. Allein da die zuströmenden
Mitglieder zunächst vorwiegend aus dem deutschredenden Elsaß, auch aus der Pfalz
und dem südlichen Deutschland kamen, erklärt sich, daß der Wirkungskreis der
Schwestern sich mehr auf das Elsaß und Süddeutschland, ja bis Österreich und Ungarn
ausdehnte als auf das innere Frankreich. Im Jahre 1870 befanden sich, wenn man von
Elsaß-Lothringen absieht, von 95 Niederlassungen nur 11 im französischen Inlande.
Das will jedoch nicht besagen, daß man hier die neuaufblühende Kongregation
auch späterhin noch mit dem Mißtrauen betrachtete, das ihr in den allerersten Jahren
aus vielen Kreisen entgegengebracht war. Die heroische Tätigkeit der Niederbronner
Töchter während des schrecklichen Cholerajahres 1854 in den Dörfern des Vogesenund Moseldepartements hatte die Vorurteile gründlich zerstreut. Aber das Frankreich
des zweiten Kaiserreiches verfügte selbst über reichlich viele religiöse
Genossenschaften, die sich den Werken der Nächstenliebe widmeten 372). Als im Jahre
1868 der Pariser Fabrikbesitzer Emil Müller für ein von ihm gegründetes Waisenhaus zu
Jvry-sur-Seine vier Niederbronner Schwestern begehrte, deren Wirken er von seiner
Vaterstadt Mühlhausen her schätzte, hatte er Mühe, von dem Erzbischof Darboy von
Paris die Genehmigung dazu zu erhalten, weil ja die Pariser Erzdiözese genug
Kongregationen für diesen Zweck hätte. So erklärt sich ohne weiteres das
verhältnismäßig
langsame
Anwachsen
der
Niederlassungen
in
den
außerstraßburgischen Bistümern des Landes. Aber überall, wo sie ihre Wirksamkeit
entfalteten, wußte man sie wohl zu schätzen. Bezeichnend für diese Wertschätzung
sind die Urteile des Episkopates. Nicht ohne Interesse ist auch ein Gutachten, das der
Militärgeistliche Vincent Bougereau auf besonderen Wunsch des vorgenannten
Fabrikanten Müller über das Wirken der Schwestern in Ivry abgab. Er schreibt 373):
"Zuerst beglückwünsche ich Sie über die Auswahl des Ordens, die Sie getroffen haben;
er ist ausgezeichnet durch den Geist der Einfachheit und Hingebung, welcher diese
Ordensfrauen beseelt. Ich habe sie so gut beobachtet und kann nach meinem
Gewissen versichern, daß sie für diese armen Kinder durch die fromme, unermüdliche
und erleuchtete Sorge, die sie ihnen angedeihen lassen, eine köstliche Vorsehung sind.
Einfachheit und Opferwilligkeit, verbunden mit der nötigen Festigkeit, sind nach meinem
Dafürhalten die Quelle des Erfolges, den sie über die verwahrlosten Naturen dieser
armen kleinen Lehrjungen und Arbeiter davongetragen haben.... 374) Ich kenne viele
religiöse Frauengenossenschaften; ich habe mit ihnen in Berührung gestanden, teils im
Kolleg als Schüler und Lehrer, teils in der Seelsorge und im Spital, wo ich wohne 375);
aber ich muß es zur Ehre Ihrer Schwestern sagen: keine hätten Sie mit so viel Hingabe
und Verständnis unterstützt. Dies hängt mit einer ganz besonderen Leitung zusammen,
welche die Gründer der Genossenschaft in so glücklicher Weise ihren Mitgliedern
haben angedeihen lassen. Denn ich nehme an, daß der Geist, der diese guten
Schwestern beseelt, in der ganzen Genossenschaft regiert, und daß sie das Gute, das
sie hier wirken, überall hervorbringen. Kurz gesagt: Ihre Schwestern sind fromm, aber
von einer offenen, erleuchteten Frömmigkeit, die sich allen mitzuteilen versteht. Sie sind
eifrig, tatkräftig und betätigen ihren erhabenen Beruf zur allgemeinen Erbauung. Ich bin
glücklich, daß ich ihnen dieses Zeugnis ausstellen kann. Indessen ist mir noch etwas
209
aufgefallen: nämlich der Familiengeist, der unter ihnen herrscht, die Liebe, das
gegenseitige Ertragen, das leider auch den Klosterfrauen oft so schwer fällt, haben
mich oft gerührt. Ich habe sie darob oft beglückwünscht und sie aufgefordert, auf
diesem so echt christlichen Wege zu verharren. Diese Eigenschaften der kleinen
Gemeinschaft habe ich vor allem ihrer Oberin, der Schwester Tharsille, zugeschrieben.
Diese treffliche Ordensfrau, die während der Belagerung von Paris und besonders
während der Revolutionstage so mutig war, hat uns mit großer Liebenswürdigkeit und
Hingebung die größten Dienste geleistet. Auch in den gefährlichsten Augenblicken
dieser traurigen Heimsuchung sah ich sie nie den Mut verlieren. Wenn ich dieses
erwähne, zahle ich nur eine alte Dankesschuld ab für alle die Dienste, die sie mir
erwies...."
Nach dem Frankfurter Frieden dachte man in französischen Kreisen nicht an eine
Lostrennung vom Mutterhaus. Die republikanische Regierung betrachtete das Haus in
Epinal als französisches Kongregationshaus, mit dem alle Fragen zu erledigen waren.
Sonst blieb alles beim alten. Gerade damals, nach dem Kriege, setzte eine steigende
Verbreitung der Niederbronner Schwestern in Frankreich ein. Von dem 1880
einsetzenden "Kulturkampf" der radikalen Regierung blieb die Genossenschaft
verschont. Unbekümmert um die immer weiter sich ausdehnende kirchenfeindliche
Strömung schritt die Gründung neuer Filialen weiter. Mitten im schärfsten Kampfe, im
Jahre 1901, wurde in der Diözese Reims die Station Rimogne gegründet. Nur vereinzelt
wurde die Kongregation von den kulturkämpferischen Maßnahmen der Kirchenfeinde
betroffen. So mußte 1906 das Waisenhaus Paris-Menilmontant seine Unterrichtsschule
schließen, ebenso das Waisenhaus zu Gérardmer (Vosges). Und am 1. August wurden
durch Ministerial-erlaß die Niederlassungen zu Braux und Nouzon (Ardennen)
aufgehoben. An andern Orten trat die Bevölkerung energisch für die Beibehaltung der
Schwestern ein. Dann ebbte die antiklerikale Hochflut ab. Die Popularität der
Schwestern war nur gewachsen; während des Weltkrieges bewiesen sie erst recht ihre
Unentbehrlichkeit. Clémenceau suchte kein anderes Krankenhaus auf als die Klinik der
Rue Bizet in Paris. Seit Kriegsende kann die Kongregationsleitung den vielen Anfragen
um neue Niederlassungen bei weitem nicht genügen. Doch ist auch die Zahl der
französischen Postulantinnen gewachsen.
Die Niederlassungen verteilen sich auf folgende Diözesen:
1. Erzdiözese Besançon.
Belfort (Rue Grande Fontaine 18). 3. Januar 1861 kommen auf Bitten des
Magistrats drei Schwestern für ambulante Krankenpflege, wohnen zuerst in der Nähe
des Rathauses, dann im Rathaus, 1880 (6 Schwestern) Rue du Quai; leiten
Suppenanstalt des Vinzenzvereins, 1883 Nähschule, seit 1885 Abgabe von Kleidern,
Heizungs- und Nahrungsmittel für Arme, 1891 jetzige Wohnung. Seit 1899
Mädchenpatronage in einem von Herrn Alfred Engel gestellten Lokal. 11 Schwestern.
Belfort (Rue de Strasbourg 23). 6. April 1886 gegründet auf Betreiben des Herrn
Pfarrers Humbrecht von St. Joseph (zurzeit Erzbischof von Besançon) für ambulante
Krankenpflege; bis 1889 auch Suppenanstalt des Vinzenzvereins, 1898 - 1905 Krippe.
Mädchenpatronage. Nähschule. 6 Schwestern.
Lure (Dep. Haute-Saône). 1877 durch Unterstüzung der Frau Petitjean
gegründet für Hauskrankenpflege. Die Stadt logiert die Schwestern und trägt zu ihrem
Unterhalt bei. 1892 - 1904 Austeilung von Almosen der öffentlichen Armenpflege. 4
Schwestern.
210
Mamirolle (Dep. Doubs). 15. Oktober 1873 zwei Schwestern in dem von dem
Senator Monnot-Arbilleur gegründeten, von Frl. Bartoli seit 1893 und nach deren Tod
(1919) von Kommandant Marquiset unterstützten Greisenasyl. 3 Schwestern.
Ornans (Dep. Doubs). 15. Dezember 1853, durch Herrn v. Vereia gegründete
Station für Armenfürsorge und Hauskrankenpflege. 3 Schwestern.
2. Diözese Châlons.
Châlons-sur-Marne. 4. Februar 1859 übernahmen vier Schwestern das
städtische Greisenasyl St. Jacques, das durch die Oberin, Schwester Xavier (gest.
1886), zur Blüte gebracht wurde. Unter ihrer zweiten Nachfolgerin, Schwester Eulalie
(gest. 1906), wurde ein Neubau aufgeführt, der durch die Bemühungen der Schwester
Valère im Jahre 1913 eine schmucke Kapelle erhielt. 1920: 12 Schwestern.
3. Diözese Dijon.
Châtillon-sur-Seine (Dep. Côte d'or). 1. Oktober 1868 anläßlich einer
Typhusepidemie durch Bürgermeister Couvreux mit drei Schwestern für
Hauskrankenpflege eröffnet. Die Gemeinde stellte die Wohnung im frühen Pfarrhause
nebst jährlicher Vergütung. 1895 Erweiterung des Hauses durch die Société civile
commerciale, welche auch 1919 einen Garten außerhalb der Stadt für die Schwestern
erwarb. 6 Schwestern.
Laignes (Dep. Côte d'or). Station für Hauskrankenpflege und Leitung des von
Frl. Fays-Buisson gestifteten Gemeindespitals, gegr. 24. März 1894. 3 Schwestern.
4. Diözese Langres.
Langres. 1. Juni 1857 auf Wunsch des Dompfarrers Hutinel mit vier Schwestern
für Hauskrankenpflege eröffnet. Wohnung seitens der Stadt; 1868 durch Legat der
Gräfin de Rouvres an die Stadt eigenes Schwesternhaus, Rue Boulière 15, auch
Unterhalt. 1920: 8 Schwestern.
5. Diözese Laval.
Bouère (provisorisches Noviziat) Juni 1918 bis Juli 1919.
6. Diözese Lille.
Lille (Rue Colbert). Station für Armen- und Krankenpflege, 25. März 1882 in der
Rue Colbert eröffnet, 1887 durch Neubau bedeutend vergrößert. Seit 1886 eigene
Schwester für die Arbeiten der Société de secours aux ouvriers malades des fabriques
de Lille; 1908 übernahm eine Schwester die Krankenpflege im Arbeiterviertel Fives und
die religiöse Beeinflussung der verwahrlosten Jugend. Seit 1898 Leitung des Œuvre du
vestiaire des écoles der Pfarreien St. Pierre et Paul und St. Benoît Labre. 1909
übernahm in der Pfarrei St. André eine Schwester die Leitung eines Nähkurses für
Arbeiterfrauen, im April 1910 eine andere Schwester einen Handarbeitskurs in dem
nahen Mons-en-Baroeuil. Erwähnt sei noch, daß die Œuvre municipale du prêt de linge
auf Stadtkosten die Schwestern mit der nötigen Wäsche für arme Kranke versieht.
20 Schwestern.
Roubaix. 1886 durch den Stadtpfarrer von St. Martin, Kanonikus Bertaux, und
Frau Elise Motte mit drei Schwestern eröffnet. 1888 bezogen sie das von dieser Dame
(gest. 3. Oktober 1888) vermachte Haus auf der Place de la Liberté. 1897
Vergrößerung des Hauses und Kapelle. Andere Werke: Nähkurs für die Arbeiterinnen
der Fabrik Lepoutre; Mädchenpatronage; Euvre du prêt de linge für arme Kranke,
211
gestiftet 1888 von dem Ehepaar Louis Wattine-Hovelacq, das jährlich ca. 125000
Wäschestücke verleiht. 23 Schwestern.
La Madeleine-lez-Lille. 15. Oktober 1895 auf Bitten des Ortspfarrers Dezitter
und mit Hilfe wohltätiger Damen als Station für Kranken- und Armenpflege eröffnet.
Fräulein Cussac stellte die Wohnung, die nach dem Tode derselben von Frau Witwe
Boselli käuflich erworben und den Schwestern zur ständigen Verfügung gestellt wurde;
1910 umgebaut und mit Kapelle versehen. 8 Schwestern.
7. Diözese Nancy.
Lunéville. 16. Oktober 1855 mit vier Schwestern eröffnet für ambulante
Krankenpflege; sie wohnten zuerst Rue des Bosquets 22, von 1864 - 1872 Grande Rue
31; 1872 - 1876 in einem von Pfarrer Duplessy erbauten größeren Haus in der Rue de
Moncel, wo ein Damenpensionat eröffnet wurde, das 1876 einging. Im Sommer 1874
war eine zweite Station in der Rue St. Elisabeth 17 gegründet worden. 1879 bezogen
sie endgültig das Anwesen Rue de Moncel 2, das die Kirchenfabrik von St. Jacques
angekauft hatte; 1893 ließ die Kongregation ein Stockwerk auf das Haus bauen, das
1906 der Staat in Verwaltung nahm und gegen Mietzins den Schwestern überließ. Bis
1914 besorgten sie auch die Anfertigung von Kleidern für 200 arme Schulkinder jährlich.
9 Schwestern.
Nancy. Am 21. März 1884 kamen drei Schwestern auf Begehr des Herrn
Pfarrers Trouillet nach dem Vorort Malzéville; sie wohnten in einem ihm gehörigen
Haus, das nach seinem Tod (1885) verkauft wurde. Nun siedelten die Schwestern nach
Nancy über in die Rue de Thionville, wo sie in der Krankenpflege reichlich
Beschäftigung fanden. 1897 eröffneten sie (Rue Ste. Marie 1) auf Wunsch des
Chirurgen Vautrin eine chirurgische Klinik mit 20 Schwestern. Ende 1920 war die Zahl
auf 25 gestiegen.
Pont-à-Mousson (Place St. Antoine 20). 18. Mai 1853 bezogen drei Schwestern
ein von Herrn Noisette unentgeltlich zur Verfügung gestelltes Haus; 1872 leistete die
Gemeinde einen Unterhaltszuschuß. Später erfolgte die Aufnahme von
Waisenmädchen, und edle Wohltäter ermöglichten die Vergrößerung des Hauses, in
dem die Waisen bis 1886 verblieben. Nachher bloß Krankenpflegestation. 1916 stark
beschädigt. 5 Schwestern.
Pont-à-Mousson (Asile départemental de St-François d'Assise). Armenhaus,
Stiftung des Frl. Leuternier aus Diedenhofen, übernommen 19. März 1885, durch das
Bombardement 1914 ganz zerstört und jetzt aufgehoben.
Pont-à-Mousson (Waisenhaus). 2. Juli 1886 bezogen die Waisenkinder von der
Place St. Antoine das von Frau Magot de Rogéville gestiftete Waisenhaus, das der
Stadtgemeinde überwiesen wurde. Im Krieg stark beschädigt. 3 Schwestern.
Rosières-aux-Salines (Spital). Am 22. März 1892 übernahmen drei Schwestern
die Leitung des von Frau Viktor Poirel der Stadt Nancy vermachten Hospizes für
Rekonvaleszenten des städtischen Krankenhauses zu Nancy. 4 Schwestern.
8. Erzdiözese Paris.
Paris (Rue Georges Bizet 23). Dieses sehr bedeutende Krankenhaus hat eine
Vorgeschichte. Im März 1868 kamen auf Begehren des Fabrikanten E. Müller vier
Schwestern für das von ihm gestiftete Knabenwaisenhaus nach Jvry-sur-Seine. Infolge
des Krieges 1870 ging dieses ein, die Schwestern blieben nachher zur Ausübung der
Krankenpflege in dem Hause, bis im Jahre 1879 Herr Müller ihnen kündigte. Seit 1875
212
hatten sie Waisenmädchen aufgenommen. Abbé Charles, Pfarrer von St. Pierre du
Chaillot in Paris, stellte den Schwestern das Haus Rue Georges Bizet 23 zur
Verfügung, das die Genossenschaft erwarb. 1. April 1881 zog die Oberin Schwester
Theobaldine mit acht Schwestern ein. Die Waisen fanden anderweitig Unterkunft (s. das
Folgende). Nach schwierigen Anfängen blühte die neue Station auf; 1886 waren 25
Schwestern tätig, das Haus wurde vergrößert. Als der berühmte Chirurg Prof. Terrier
1888 Schwester Theobaldine operierte, bat er, im Hause seine Kranken aufzunehmen.
Man sagte zu, und die Anfänge der später so bekannten Klinik waren gelegt. Die
Genossenschaft errichtete 1895 ein neues Krankenhaus, das von zahlreichen
Chirurgen benutzt wurde. Die Zugkraft des Hauses, wo z. B. 1912 auch Clemenceau
sich behandeln ließ, bewirkte, daß es am 21. August 1911 die staatliche Autorisation
erhielt. 1912 - 1914 erfolgte eine weitere bauliche Ausdehnung. Im Krieg wurde es
Lazarett, meist für Offiziere; unter andern wurde der bei den Dardanellen verwundete
General Gouraud hier gepflegt. Weitere Vergrößerung ist vorgesehen. 46 Schwestern.
Paris-Ménilmontant (Rue du Retrait 9, Waisenhaus). 25. März 1881 von den
Waisenmädchen von Jvry bezogener Neubau. Die Anstalt, die 1913
80
Waisenmädchen zählte, ist ganz auf die christliche Wohltätigkeit angewiesen. Ein Teil
der Schwestern widmet sich der Hauskrankenpflege, auch leiten sie zwei
Mädchenpatronagen, ein Damenouvroir und geben Katechismusunterricht. 21
Schwestern.
Paris (Rue des Pyrénées 48). 29. September 1885 mit zwei Schwestern
eröffnete Station für ambulante Krankenpflege; bis 1887 Rue Bel-Air 4, dann Rue des
Pyrénées 48. 1913 hat der Staat das Haus unter Sequester genommen und läßt die
Schwestern Miete bezahlen. Armendispensaire. 1912 bis 1920 Mädchenpatronage mit
Nähschule in der Pfarrei der Unbefleckten Empfängnis, Ferienkolonie in Louannec in
der Bretagne. 9 Schwestern.
Paris (Rue Philippe de Girard 15). Krankenpflegestation, am 19. März 1900
gegründet im volkreichen Arbeiterviertel von St. Laurent durch Herrn Pfarrer Olmer (der
auch die vorausgehende Station gründete). Das Haus gehörte der Kirchenfabrik und ist
vom Staat sequestriert und gegen Miete den Schwestern belassen worden. 11
Schwestern.
Le Perreux (bei Paris). Krankenpflegestation, durch Herrn Pfarrer Ferdinand
12. Oktober 1892 gegründet; 1894 Mädchenpatronage. Die Schwestern helfen im
Katechismusunterricht der Pfarrei. Das 1909 renovierte Haus gehört der Société
immobilière de la région Parisienne. 6 Schwestern.
Fontenay-sous-Bois (Seine). Krankenpflegestation, gegründet 18. September
1886 durch Pfarrer Salmon. Zuerst in Mietswohnungen, beziehen die Schwestern 1896
ein von Frau Depille gestiftetes Anwesen. 1897 Mädchenpatronage. 1912 ließ ein edler
Wohltäter, Herr Ruel, einen Neubau aufführen. 11 Schwestern.
9. Erzdiözese Reims.
Avenay (Anstalt St. Joseph). Gegründet 25. März 1876 als Versorgungsheim für
alte und kranke Leute beiderlei Geschlechts in einem von Frau Depret geschenkten
Anwesen; 1880 Nebengebäude errichtet; am 15. August 1881 wurde die Kapelle durch
Erzbischof Langénieux eingeweiht. 1920 Provinzialhaus. 10 Schwestern.
Reims (Faubourg Cérès). 26. September 1887 gegründet durch Pfarrer
Leonardy für Hauskrankenpflege im Arbeiterviertel. Andere Werke: christlicher
Jugendunterricht, 1897 Mädchenpatronage mit Nähschule, wofür 1899 unter Pfarrer
Froment ein neues Lokal erbaut wurde. 1906 Dispensaire, 1910 Œuvre de l'aiguille
213
prévoyante für sämtliche Mädchenschutzvereine der Stadt, wo die Mädchen zweimal
wöchentlich an ihrer Ausstattung arbeiten. Im Krieg total zerstört. Die acht Schwestern
haben provisorisch eine andere Wohnung bezogen.
Reims (Rue de Pontgivart 26). 20. März 1895 als Station für ambulante
Krankenpflege gegründet durch Pfarrer Leconte von St. Benoît; wohltätige Damen (Frau
Charbonnaux, die 1898 das jetzige Schwesternhaus erstellte, Gräfin Bertrand de MunWerlé u. a.) sorgten für den Unterhalt. Andere Werke: seit 1898 Handarbeitsschule für
Kinder, 1901 Nähstube für Arbeiterfrauen, 1911 Mädchenpatronage. Im Krieg stark
beschädigt, aber wieder aufgenommen. 3 Schwestern.
Reims (Rue Ponsardin 104). 10. September 1896 für Krankenpflege mit zwei
Schwestern durch Pfarrer Martincourt von St. Maurice gegründet. Die Schwestern
leiteten die Donnerstagsnähschule für schulpflichtige Mädchen und erteilten ihnen
Katechismusunterricht. 1912 Mädchenpatronage der Pfarrei. Schwesternhaus Eigentum
einer Zivilgesellschaft. Im Krieg ganz zerstört. Die 4 Schwestern jetzt in Miete.
Rimogne (Ardennen). 21. März 1901 durch Pfarrer Gérard gegründet für
ambulante Krankenpflege. Mädchenpatronage. Erteilung von Katechismusunterricht.
1919 bezogen die (2) Schwestern ein von Pfarrer Nicolas für sie erworbenes Haus.
St. Brice und Courcelles. 10. November 1900 gegründet als
Krankenpflegestation für die beiden von Arbeitern bevölkerten Ortschaften. Ein Komitee
unter Vorsitz des Herrn Senart trug für den Unterhalt Sorge. Mädchenpatronage mit
Nähkurs. 2 Schwestern.
Le Waridon (Gemeinde Montcy bei Charleville). Seit 31. Juli 1920 führen drei
Schwestern den Haushalt des Exerzitienhauses der Diözesanmissionäre und widmen
sich in Montcy der Krankenpflege, dem Mädchenpatronage und dem
Katechismusunterricht.
Witry-lez-Reims. 8. September 1890 durch den Ortspfarrer Bonnaire für
ambulante Krankenpflege gegründet; Mädchenpatronage. 1909 vermachte Frau
Lamotte-Gory den Schwestern testamentarisch ein Haus als Wohnung; die Erben
fochten das Testament mit Erfolg an; da steuerte die Bevölkerung das Geld zu einem
Neubau bei, der 1912 bezogen werden konnte. Im Krieg zerstört, aber wieder
aufgenommen durch 2 Schwestern, die vorläufig in ihrer notdürftig hergestellten
Waschküche wohnen.
10. Diözese St. Dié.
Celles-sur-Plaine (Hospital). 27. März 1894 kamen auf Wunsch der
Armenverwaltung zwei Schwestern in das von der Familie Cayet gestiftete und durch
Herrn Cartier eingerichtete Armen- und Krankenhospiz. 1896 kam eine dritte Schwester
für ambulante Krankenpflege. Jetzt 4 Schwestern.
Darney. 24. September 1890 bezogen drei Schwestern ein von Frau Witwe
Mangin gestiftetes Haus für ambulante Krankenpflege. 5 Schwestern.
Dompaire. Juni 1879 bezogen zwei Schwestern das von Pfarrer Margaine
erbaute Haus, das er nach seinem Tode (16. Oktober 1896) der Armenverwaltung
überließ als ständiges Schwesternhaus. Ambulante Krankenpflege, Ouvroir, seit 1906
im Winter Suppenküche für arme Volksschüler. 1920 wurden die Schwestern von der
Armenverwaltung zur Leitung eines von Herrn Grandgeorges gestifteten Hospizes
berufen. Ouvroir und Suppenküche seit dem Krieg aufgehoben. 4 Schwestern.
Epinal. 1. Dezember 1855 wurde diese Station mit 3 Schwestern eröffnet; 1856
bezogen sie ein von der Stadt erworbenes Haus auf der Place Guilgat; 1859 Vertrag mit
der Armenkommission für 6 Schwestern. 1873 wurde die Niederlassung zum
214
K o n g r e g a t i o n s h a u s f ü r F r a n k r e i c h erhoben. 1891 neuer Vertrag für acht
Schwestern. 1895 bezogen sie die neue Wohnung in der Rue du Chapitre; im
September dieses Jahres übernahmen sie eine städtische Suppenküche, 1905 eine
Milchausschankstelle für Säuglinge bedürftiger Familien. 10 Schwestern.
Epinal (Waisenhaus). Bereits 1875 fing die Oberin des Schwesternhauses zu
Epinal an, vernachlässigte Kinder zu sammeln; 1884 wurde dieses Werk zu einer
selbständigen Anstalt erhoben, dank einer edlen Wohltäterin, Fräulein Philomene de
Rothou; 50 - 60 verwaiste oder verwahrloste Mädchen finden Aufnahme. Im Krieg wurden die Kinder evakuirt. 8 Schwestern.
Gérardmer (Waiseshaus). 22. Oktober 1867 als Krankenpflegestation durch
Pfarrer Guylot gegründet; durch Gemeinderatsbeschluß vom 8. Februar 1869 wurde
das Waisenhaus in einem Neubau, der 1870 als Lazarett diente, errichtet. 1883 und
1889 bauliche Vergrößerungen. Vor dem Krieg 56 Kinder. 1904 wurde auf Grund des
Schulgesetzes die Anstaltsschule unterdrückt. 6 Schwestern.
Laneuveville. 9. September 1896 Krankenpflegestation, durch Pfarrer Gilbert
gegründet; später zu kleinem Spital ausgestaltet. 5 Schwestern.
Raon-l'Etape (Gemeindekrankenhaus). 20. März 1894 kamen 2 Schwestern in
das Gemeindekrankenhaus, das sich nach und nach vergrößerte, seit 1913 auch
Soldaten der Garnision verpflegte. Im Herbst 1914 hatte das Haus stark unter den
Kriegsereignissen zu leiden. 6 Schwestern.
St. Dié. 4. Oktober 1864 bezogen 2 Schwestern ein von den Geschwistern
Simon bereitgestelltes Haus, das sie bis 1870 bewohnten. Nach dem Krieg, während
dessen sie in den Lazaretten pflegten, wohnten sie in der Rue du Nord (Nr. 22, später
Nr. 23) bis ihnen im Jahre 1899 Fräulein Georgel in der Rue St. Charles (Nr. 12) ein
geräumiges Haus zur Verfügung stellte. Im Jahre 1906 bot Fräulein Georgel im
Einverständnis mit der Generaloberin das Haus dem aus seinem Palais vertriebenen
Herrn Bischof Foucault zur Wohnung an; am 19. März 1907 siedelten die Schwestern
wieder in ihr früheres Heim in der Rue du Nord 23 über, das der Bischof erworben
hatte. Neben der ambulanten Krankenpflege üben die Schwestern im Auftrag der
Société municipale de secours mutuel die Armenfürsorge aus. 12 Schwestern.
Thaon. 20. März 1893 durch die Familien Mathieu und Perrin gegründete Station
für Krankenpflege. Anfangs zwei Schwestern, die 1914 auf sieben stiegen. 1908 -1912
Nähschule. Anfertigung von Armenkleidern. Von 1915 bis 1919 bestand hier ein
provisorisches Postulat für Frankreich. Am 25. Oktober 1915 fand die erste Einkleidung
von Novizinnen statt. 1909 und 1920 wurde unter Pfarrer Bogard durch die Familie
Willig das Schwesternhaus vergrößert. 7 Schwestern.
Xertigny (St. Andreashospital). 23. Mai 1876 kamen, von der Gemeinde berufen,
zwei Schwestern in das Gemeindehospital; dank der Sparsamkeit der Schwestern und
der Hilfe edler Wohltäter (Lecomte u. a.) konnte ein Neubau errichtet werden.
8 Schwestern.
11. Diözese Troyes.
Romilly-sur-Seine. 18. September 1889 durch den hochw. Herrn Bischof Cortet
gegründet für ambulante Krankenpflege; daneben Katechismusunterricht und
Mädchenpatronage. 1899 Bau eines geräumigen Schwesternhauses aus dem Nachlaß
des Jesuitenpaters Pierre Lenfant. 8 Schwestern.
12. Diözese Valence.
215
Marsanne (Dep. Drôme). Seit 1. August 1919 sechs Schwestern zur Versorgung
der Wallfahrtskirche Notre-Dame de Fresneau; in dem von der Gräfin de Laselve und
General de Montluisant zur Verfügung gestellten Hause nehmen die Schwestern
Pensionäre auf; in Marsanne üben sie ambulante Krankenpflege aus und leiten ein
Ouvroir und ein Mädchenpatronage.
13. Diözese Straßburg.
Altkirch. Nachdem 1852 zwei Schwestern eine Station für Krankenpflege
begonnen hatten, verließen sie nach anderthalb Jahren wegen Unstimmigkeiten
zwischen Pfarr- und Gemeindebehörde die Stadt. Erst Januar 1862 wurde die Station
wieder eingerichtet; die Familien Jourdain und Gilardoni nahmen sich der Schwestern
kräftig an; sie bewohnen ein der Gemeinde gehöriges Haus; diese gewährt seit 1890
auch eine jährliche Vergütung. Während des Krieges mußten sie ihre Tätigkeit
unterbrechen, da die Stadt in der Feuerzone lag; die Wiederaufnahme erfolgte 1919. 4
Schwestern.
Alt-Thann. Seit 16. Oktober 1881 leiten die Schwestern das von Herrn Fabrikant
Mertzdorff gestiftete Krankenhaus; 1899 Neubau; Arbeiterküche. 3 Schwestern.
Ammerschweier. Durch notariellen Akt vom 9. Januar 1903 schenkte Herr
Superior Simonis der Genossenschaft sein Vaterhaus. Seit Oktober 1902 wohnten hier
zwei Schwestern für ambulante Krankenpflege. 1905 - 1906 wurde das Haus renoviert
und dient als "Ignatiusheim" erholungsbedürftigen Schwestern als Sommerfrische.
3 Schwestern.
Andlau. Gegründet 1851, aufgehoben 1906.
Barr. Städtisches Bürgerspital, seit 1871 von den Schwestern geleitet, die bis
1891 auch die ambulante Krankenpflege besorgten. 6 Schwestern.
Bartenheim. Station für ambulante Krankenpflege, ermöglicht durch die Stiftung
der Fräulein Franziska Herzog, die der Gemeinde ihr Haus, Mobilar und Stiftungskapital
überließ, begonnen 14. November 1910. 2 Schwestern.
Bindernheim. Krankenpflegestation, gegründet 3. September 1918 durch Pfarrer
Bandsept vor allem dank dem Legat Camill Hofer. 2 Schwestern.
Bischheim. Station für ambulante Krankenpflege, gegründet 21. Oktober 1896
durch Herrn Pfarrer Scheer. Die Familie Schaller stellte unentgeltlich die Wohnung;
1914 bezogen die Schwestern das Schallersche Familienhaus, das die verstorbene
Frau Schaller der Kirchenfabrik als ständiges Schwesternhaus vermacht hatte.
4 Schwestern.
Bischweiler. Station für ambulante Krankenpflege, gegründet 1862 durch Herrn
Pfarrer Gsell; 1871 bezogen die Schwestern ein von Wohltätern der Kirchenfabrik als
Schwesternhaus übergebenes Anwesen. Jungfrauenverein. 7 Schwestern.
Bitschweiler (Oberelsaß). März 1897 gegründet für ambulante Krankenpflege
durch Herrn Pfarrer Schaffar und den Gemeinderat. 1913 ließ die Gemeinde das alte
Schulhaus als Wohnung einrichten; es wurde im Kriege zerstört. 2 Schwestern.
Blotzheim. 15. Oktober 1879 kamen zwei Schwestern in das von Herrn Pfarrer
Haßler als Gemeindespital eingerichtete alte Pfarrhaus und übernahmen zugleich
ambulante Krankenpflege. Seit 1919 nur noch ambulante Pflege. 3 Schwestern.
Bollweiler. 1. Oktober 1898 auf Wunsch des Bürgermeisters Fuchs und der
Familie Pfulb begonnene Krankenpflegestation; die Familie Pfulb sorgte für Wohnung,
die Gemeinde für Unterhalt. 2 Schwestern.
216
Brumath (St. Josephsspital). Am 24. April 1850 als Krankenpflegestation durch
Herrn Pfarrer Köhler gegründet, der den Schwestern auch die Wohnung stellte. 1879
schenkte er das im Laufe der Jahre vergrößerte Anwesen der Genossenschaft, die es
1890 und 1903 durch Ankauf benachbarter Grundstücke erweiterte und 1909 einen
Vereinssaal für katholische Vereine neben der Anstalt erbauen ließ. Unter den
Oberinnen sei die Schwester Caritas genannt, welche 1858 - 1907 das Haus leitete und
die allgemeine Hochachtung der Angehörigen aller Konfessionen genoß; sie konnte am
29. Juni 1915 im Mutterhaus ihren neunzigjährigen Geburtstag feiern, starb jedoch bald
nachher am 23. Juli. Im Krieg war die Anstalt Lazarett. 5 Schwestern.
Colmar (Krankenhaus). 1853 ließ Stadtpfarrer Maimbourg vier Schwestern
kommen. Sie wohnten bis 1859 in der Schädelgasse (Haus Brendel), 1859 - 1873 in der
Salzgasse (Haus Weck-Salzmann). Die Schwestern zeichneten sich im Cholerajahr
1854 aus. 1866 - 1911 verwalten sie die städtische Suppenküche für die Armen. 1873
wird das in der Rappgasse gelegene Gebäude des aufgehobenen Collège libre als
Krankenhaus eingerichtet. Es wurde 1897 in einen von der Genossenschaft erbauten
Neubau in der Rösselmannstraße verlegt. Ein 1914 für die vielbesuchte Klinik
begonnener Flügelanbau mußte während des Krieges eingestellt werden und wurde
1921 vollendet. Im Krieg Lazarett. Einige Schwestern widmen sich stets der ambulanten
Krankenpflege und der Armenfürsorge. 30 Schwestern.
Colmar (Collège libre und Bischöfliches Konvikt). Im Jahre 1852 übernahmen
vier Schwestern den Haushalt des von Bischof Räß gegründeten Collège libre. Nach
dessen Auflösung (1873) blieben die (7) Schwestern in der nach La Chapelle verlegten
Anstalt bis 1890 (vgl. über die Anstalt Ingold, Histoire du Collège libre de Colmar-La
Chapelle - Colmar 1908). Im September 1898 wurde in den Räumen des ehemaligen
Collège libre ein neues Bischöfliches Konvikt für Schüler der Colmarer höheren
Lehranstalten errichtet, dessen Haushalt unsern Schwestern anvertraut wurde.
Während des Krieges wurde das Gymnasium Zillisheim hierher verlegt. 8 Schwestern.
Dambach (bei Niederbronn). 1850 Gründung einer Krankenpflegestation mit
Waisenanstalt in der Filiale Neunhoffen; 40 - 50 verwahrloste Kinder erhielten Obdach
und Nahrung; 1867 wurden die Kinder in das Waisenhaus Niederbronn übersiedelt. Die
Krankenstation blieb in Dambach bestehen; 1887 erbaute die Kongregation den
Schwestern ein eigenes Haus; sie sorgt auch für den Unterhalt. 2 Schwestern.
Dambach (bei Schlettstadt). 1857 übernahen die Schwestern das Armenhaus
und die ambulante Krankenpflege. 4 Schwestern.
Dammerkirch. 16. April 1879 kamen drei Schwestern in das von der Gemeinde
und einigen Wohltätern gestiftete Armenhaus, das 1893 in ein Krankenhaus
umgewandelt wurde. Auch ambulante Krankenpflege. 3 Schwestern.
Dinsheim. Krankenpflegeverein, durch Herrn Pfarrer Reibel (gest. 1909)
gegründet und 10. September 1895 eröffnet. 1909 schenkte er der Genossenschaft das
von ihm erworbene Schwesternhaus. Die Gemeinde trägt zum Unterhalt der
Schwestern bei. 2 Schwestern.
Ensisheim. Nachdem eine in den fünfziger Jahren gegründete
Krankenpflegestation 1861 eingegangen war, erfolgte 1909 eine Neugründung durch
Herrn Pfarrer Meyberger. Fräulein Mann stellte die Wohnung, ein Damenkomitee sorgte
für den Unterhalt, der 1920 von der Gemeinde übernommen wurde. 2 Schwestern.
Epfig. Im Januar 1871 berief Bürgermeister Dr. Buhlmann zwei Schwestern für
das von ihm gegründete Gemeindearmen- und Krankenhaus, das 1887 durch Neubau
erweitert wurde. Auch ambulante Krankenpflege. 5 Schwestern.
Geberschweier. 1852 gegründete Station, 1854 aufgehoben.
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Gebweiler (Waisenhaus). 1853 kamen vier Schwestern in das von Herrn Pfarrer
Dietrich und dem als Dichter bekannten Abbé Ch. Braun gegründete Waisenhaus.
Unter der Leitung der Oberin, Schwester Stephanie (1872 - 1911), nahm nach
schwierigen Anfängen das Haus blühenden Aufschwung, dank auch der Unterstützung
aus den Kreisen der Gebweiler Großindustriellen. Ein Gebäude entstand um das
andere. Mit 45 Kindern hatte Schwester Stephanie das Haus übernommen; als sie am
1. Februar 1911 starb, zählte die Anstalt 286 Kinder und 32 Schwestern. Ein Nachruf
schrieb von der Toten: "Unter dem segensreichen Wirken der Verstorbenen gingen aus
der Anstalt acht Priester, sieben Lehrer, mehrere Ordensbrüder, über 20
Ordensschwestern und zahlreiche gut angestellte Beamte hervor. Besonders in der
Krankenpflege hat das Waisenhaus Unvergleichliches geleistet. Auch in sozialer
Hinsicht war die Verstorbene sehr erfolgreich tätig. Gleich 1872 gründete sie eine
Jungfrauenverein, 1882 richtete sie eine Nachtschule ein, 1884 ein Arbeiterinnenheim
und später einen Näh- und Bügelkursus. Hier sei noch besonders darauf hingewiesen,
daß eine Kommission, die auf die gegen das Waisenhaus im Bezirkstag von einer
bekannten Seite erhobenen Angriffe die Einrichtungen des Hauses zu prüfen hatte, der
Schwester Oberin nicht genug ihre Bewunderung für die ganze Organisation
aussprechen konnte. Ihr Andenken wird mit ihrem großen Lebenswerke fortbestehen."
376) Eine eigene Anstaltsschule, seit 1902 vierklassig, sorgt für den Unterricht der
Knaben und Mädchen. Ein größerer Neubau war in Angriff genommen, als der Krieg
ausbrach; er wurde erst 1921 unter großen Opfern beendigt. Während des Krieges
mußten die Kinder in Oberbronn untergebracht werden. 22 Schwestern.
Gebweiler (Issenheimerstraße). Im Jahre 1900 hatte auf Wunsch der Firma
F. J. Frey Schwester Theodard die Leitung einer Arbeiterküche übernommen. Am 19.
März 1910 wurde daraus eine Krankenpflegestation mit drei Schwestern, denen die
Fabrik die Wohnung stellte. Während des Krieges aufgehoben.
Geispolsheim. Krankenpflegestation, gegründet im Oktober 1889; eine jährliche
Sammlung und ein Beitrag der Gemeinde bestreiten den Unterhalt; seit 1909 eigenes
Haus, das die Kongregation mit Beihilfe von Fräulein Schwab erbaute. 3 Schwestern.
Gerstheim. Krankenpflegestation, gegründet durch die Baronin Louise Françoise
de Bancalis (gest. 1851), die ein kleines Kloster mit Kapelle erbaut hatte, in das am
11. September 1851 drei Schwestern einzogen. Sie nahmen auch Waisenkinder auf.
Baron Henri de Bancalis, der weiter für das Werk seiner Mutter sorgte, hinterließ bei
seinem Tode (1878) kein Testament. Durch den Weggang seines Sohnes, des Barons
Rodolphe de Bancalis (1879), waren die Schwestern des Unterhaltes beraubt, doch
sorgte dann der Baron Raphael de Bancalis, die Bürger und die Gemeinde selbst für die
Kosten, so daß die Station bestehen blieb. Nach dem Tode der Gründerin war das
Eigentumsrecht am Hause zum Teil auf mehrere Familien in Frankreich übergegangen,
und das Anwesen bildet noch heute ein ungeteiltes Grundstück. Die Bemühungen der
Kongregation, es zu erwerben, sind bis jetzt resultatlos geblieben. 2 Schwestern.
Hagenau. Krankenpflegestation, gegründet 16. Dezember 1850 in der St.
Nikolauspfarrei. Die Schwestern bewohnten ein von der Genossenschaft erworbenes
Haus (Landweg 119). Die Gemeinde trug von Anfang an zum Unterhalt der Schwestern
bei. 1868 wies sie ihnen das ehemalige Prämonstratenserpfarrhaus neben St. Nikolaus
als Wohnung an. Heute 10 Schwestern. Seit 1918 ist eine Schwester mit der
Lungenkrankenfürsorge im Kanton Hagenau betraut.
Hirsingen (Armenhaus). In das 1863 von Herrn Pfarrer Römer zur Aufnahme
von Armen und Kranken gemietete Haus zogen vier Schwestern ein. Pfarrer Böcklin
erwarb die Anstalt auf seinen Namen und ließ sie als Privatunternehmen durch eine
Kommission verwalten; seit 1909 ist sie Gemeindeeigentum. Die Schwestern besorgten
auch die ambulante Krankenpflege. Am 9. Februar 1916 aufgehoben.
218
Hochfelden. Oktober 1850 bezogen zwei Schwestern das von den Familien
Paulus, Roth und Heberle gegründete Armenhaus. Die anfangs schwierigen materiellen
Verhältnisse besserten sich allmählich. Am 2. Oktober 1910 wurde die Anstalt in das
vom Armenrat erworbene Anwesen des verstorbenen Barons v. Schauenburg als
Pfründner- und Armenhaus verlegt. Die Schwestern sind auch in der ambulanten
Krankenpflege tätig. 5 Schwestern.
Hüningen. Station für ambulante Krankenpflege, unter Herrn Pfarrer Schoech
am 21. März 1899 eröffnet. Die Gemeinde stellte die Wohnung, für den Unterhalt sorgt
ein 1898 gebildeter Frauenverein. 3 Schwestern.
Hüsseren-Wesserling. Krankenpflegestation, gegründet 1872; die Gemeinde
bestreitet die Wohnungsmiete und zum Teil den Unterhalt der drei Schwestern.
Isenheim (Krankehaus). 16. November 1855 wurde die Leitung des durch die
Fabrikanten Joseph und Theobald Zimmermann gegründeten Kranken- und
Armenhauses den Schwestern übertragen. Auch Hauskrankenpflege. 1894 - 1895
leiteten sie die Arbeiterküche der Spetzschen Fabrik. Seit 1912 ist ein Ökonomiebetrieb
mit der unter Aufsicht eines von der Gemeinde eingesetzten Spitalrates stehenden
Anstalt verbunden. 5 Schwestern.
Jägerthal. Am 25. März 1852 übernahmen zwei Schwestern die Schule für die
katholischen Kinder dieses bei Niederbronn im Walde gelegenen Weilers. Wegen
Mangels an Unterrichtsschwestern wurde im Juli 1911 die Station aufgehoben, die
Schule einer Laienlehrerin übertragen, vom 20. Oktober 1920 ab wieder aufgenommen,
zugleich auch für ambulante Krankenpflege. Unterhalt und Wohnung bestreitet die
Kongregation. 2 Schwestern.
Kestenholz. Zur Zeit der Choleraepidemie 1855 pflegten zwei Schwestern die
Kranken; sie blieben ständig für Hauskrankenpflege. 1891 bezogen sie ein von Fräulein
Rauscher der Gemeinde geschenktes Wohnhaus, das ihrem Willen gemäß als
Kranken- und Armenhaus dient; Ökonomiebetrieb ist damit verbunden. 4 Schwestern.
La Baroche. Krankenpflegestation und Mädchenpatronage, gegründet
Dezember 1920 durch Pfarrer Saltzmann. 2 Schwestern.
Landser. Krankenpflegestation, Nähschule und Kinderbewahranstalt, gegründet
durch die Damen Laillier und Cuënot d'Alaize, die der Genossenschaft das ihnen zu
guten Zwecken vermachte Gut Wendling zur Verfügung stellten, eröffnet 11. August
1913. Nach der Schlacht von Mühlhausen (1914) provisorisches Feldlazarett. 3
Schwestern.
Leberau. Am 10. September 1887 kamen auf Antrag der Firma Dietsch zwei
Schwestern für die Pflege ihrer kranken Arbeiter; die Firma bestritt Unterhalt und stellte
die Wohnung. Bald ließ die Gemeinde eine dritte Schwester für die Ortskranken
kommen, die bei den anderen Schwestern wohnte. Als sie 1897 eine Arbeiterküche für
die genannte Firma übernahm, gestattete diese, daß sämtliche Schwestern die
Ortskrankenpflege mitbesorgten. 3 Schwestern.
Malmerspach. Auf Wunsch der Fabrikaten Jungk und Germain kamen am
10. September 1883 zwei Schwestern für die Pflege ihrer kranken Arbeiter. Sie wohnten
zuerst in Moosch und bezogen am 21. Oktober das Fabrikspital in Malmerspach (23
Betten). 1911 Erweiterung des Spitals unter der fürsorglichen Verwaltung des Herrn
Schubetzer. 1904 Errichtung einer Kochschule für Arbeiterinnen. Im Krieg Lazarett.
5 Schwestern.
Marienthal. Am 12. Juli 1851 übernahm die Genossenschaft die Führung des
Haushalts in dem von Bischof Räß neben der Wallfahrtskirche errichteten Priesterhaus,
in dem heute neun Schwestern wirken. Das 1913 verstorbene Fräulein Valette schenkte
219
sein Wohnhaus nebst Garten zur Gründung einer Krankenpflegestation. Eine
Schwester aus dem Priesterhaus widmet sich diesem Werk.
Markirch. Krankenpflegestation, 19. November 1852 auf Wunsch der
Armenverwaltung begonnen. Fräulein Julie Koch, welche von Anfang an die
Schwestern in ihrer Wohnung (Rue St. Louis 63) aufgenommen hatte, schenkte der
Kongregation im Jahre 1859 das Haus, das durch Anbau erweitert wurde. Stadt und
Armenverwaltung liefern Beiträge zum Unterhalt der Schwestern, zu deren Gunsten
auch einige Renten gestiftet sind. Damenouvroir zur Anfertigung von Armenkleidern. 7
Schwestern.
Markolsheim. Krankenpflegestation, gegründet 12. Juli 1870 auf Wunsch des
Pfarrers Karm, Bürgermeisters Hirschel und des Arztes Dr. Ritzinger. Die Gemeinde
liefert Wohnung und einen Beitrag zum Unterhalt. 3 Schwestern.
Marlenheim. 20. August 1867 übernahmen auf Wunsch des Pfarrers Meyer zwei
Schwestern die Leitung des von Fräulein Anna Harter gestifteten Armenhauses. Bald
wurde eine dritte Schwester für ambulante Krankenpflege berufen. Die von einer
besonderen Kommission verwaltete Anstalt erweiterte sich (Ökonomiebetrieb) und
nimmt auch Kranke und Pfründner auf. 4 Schwestern.
Masmünster. Krankenpflegestation, gegründet im November 1868 durch Pfarrer
Noll, der ein Schwesternhaus erwarb und es testamentarisch der Kirchenfabrik
verschrieb. Der Unterhalt der Schwestern wird durch Zuschuß der Gemeinde und
Beiträge der Bürger bestritten. 4 Schwestern.
Mommenheim. Station für Armen- und Krankenpflege, gegründet 1850,
aufgehoben 1862.
Moosch (Spital Jungk). 1890 gründete Herr Fabrikant Heinrich Jungk ein
Schwesternhaus in Moosch für ambulante Krankenpflege, Winternähschule für
Arbeiterinnen und Aufnahme erkrankter Angehöriger der Arbeiter. Am 16. Dezember
1890 kamen drei Schwestern von Malmerspach in die neue Station. Die Kongregation
wurde Eigentümerin der Anstalt. 1911 ließ Herr Jungk einen zur Aufnahme von Armen
und Kranken bestimmten prächtigen Spitalbau für 235000 Mark errichten, dessen
Kosten er allein bestritt. (Grundsteinlegung am 12. April 1911, 6. September 1912
Einweihung und Eröffnung). Während des Krieges leistete das Haus, das im besetzten
Gebiete lag, der französischen Armee als Lazarett große Dienste. Das Spital nimmt
auch Pensionäre auf. 9 Schwestern.
Mühlhausen (Burggasse). Am 15. März 1853 kamen, durch den Vinzenzverein
und Pfarrer Uhlmann für ambulante Krankenpflege berufen, 5 Schwestern; zuerst in
verschiedenen Mietswohnungen, zogen sie 1856 in ein von der Kongregation angekauftes Anwesen in der Burggasse, in dem eine Anstalt für Waisenmädchen und
Arbeiterinnen untergebracht wurde, nachdem der Vinzenzverein für diesen Zweck ein
Komitee gebildet hatte (Pfarrer Uhlmann und die Herren Miquey und Delarue). Die erste
Oberin, Schwester Theophile, ging 1857 nach Wien, ihr folgten Schwester Sophie (gest.
1862) und Schwester Damien, später Generaloberin. Sie brachte das Haus zur Blüte;
1867 erwarb sie, dank der Unterstützung der Schwester des Pfarrers Uhlmann, das
benachbarte Anwesen. Das war der Anfang des heutigen Krankenhauses. Unterstützt
wurde Schwester Damien stets durch die edle Frau Miquey 377), deren Hilfe im
Kriegsjahr 1870 besonders wertvoll war. Seit 1878 zahlte auch die Stadtverwaltung
einen jährlichen Beitrag für das Waisenhaus und die Krankenpflegeschwestern. 1890
gründete Schwester Damien das Knabenwaisenhaus, für das Schwester Seraphine,
Nachfolgerin der zur Generaloberin erwählten Schwester Damien, 1889 einen Neubau
erstellen ließ, dank einer bedeutenden Geldspende des verstorbenen Herrn Miquey.
220
Am 11. September 1889 wurde die Herz-Jesu-Kapelle der Anstalt eingeweiht, die
aus einem Vermächtnis der 1878 verstorbenen Frau Miquey erbaut war. 1890 siedeln
die Arbeiterinnen des Mädchenheims in die Thénardstraße über. 1896 Errichtung eines
Neubaues für Waisenkinder unter sechs Jahren, zum Teil mit Beihilfe eines Legates
von Fräulein Zurlinden und Frau Clavé. 1900 kam diese Waisenabteilung nach
Dornach, und die Waisenmädchen bezogen diesen Bau, während die Knaben in das
bisherige Mädchenhaus übersiedelten. das 1889 erbaute Knabenhaus wurde
Krankenhaus mit neuem Operationssaal. (Der erste war 1878 eröffnet worden.) Das
bisherige Krankenhaus wurde zu Wohnungen für den Hausgeistlichen und
Pensionärinnen eingerichtet. Auf die 1900 zur Assistentin gewählten Schwester
Seraphine folgte Schwester Alfreda. 1904 Ankauf der alten Häuser am Teufelsturm. Der
zweckmäßige Ausbau der Anstalt wurde weitergeführt. 1913 - 1914 wird der alte Bau
des
nach
Dornach
verlegten
Knabenwaisenhauses
umgestaltet
für
Schwesternwohnungen und Nähsaal für schulentlassene Waisenmädchen. Zurzeit 37
Schwestern.
Dankbar ist hier auch des 1913 (4. Oktober) verstorbenen Hausgeistlichen
Monsignore Touvet, zu gedenken. Langjähriger Hauslehrer in hohen Familien, zog er
sich 1893 in die Burggasse zurück und ist 20 Jahre lang der Anstalt ein
liebenswürdiger, unermüdlicher, treuer geistlicher Berater gewesen.
Mühlhausen (Patronage, Thénardstraße). Arbeiterinnenheim, 20. Oktober 1890
eröffnet, um alleinstehende Arbeiterinnen Kost und Wohnung zu bieten; auch
Ausbildung im Haushalt, Nähen und Handarbeiten. Das Haus wurde von der
Kongregation aus eigenen Mitteln erbaut auf einem von Herrn Pfarrer Ungerer von St.
Joseph angebotenen Terrain, das mit zu diesem Zweck gesammelten Geldern
erworben war. 1906 größerer Anbau mit neuer am 15. Dezember 1906 eingeweihten
Kapelle. Die Anstalt, die 100 jungen Mädchen und 20 Pensionärinnen ein preiswertes
Heim bietet, ist eine soziale Wohltat ersten Ranges. Die Schwestern üben auch
ambulante Krankenpflege in diesem Stadtviertel aus. 15 Schwestern.
Mühlhausen (Städtisches Pfründnerhaus). 15. Juni 1895 übernahmen sechs
Schwestern auf Begehr des Bürgermeisters Hack die Leitung des für arme Greise und
Greisinnen eingerichteten städtischen Pfründnerhauses (1900 erweitert) in der EngelDollfusstraße. (270 Personen.) 16 Schwestern.
Mühlhausen (St. Genovevapfarrei). Krankenpflegestation, gegründet 21. März
1898 auf Wunsch des Herrn Pfarrers Biehler. Bis 1905 Mietswohnung in der
Frühlingsstraße, wofür das Pfarramt aufkam; seither im eigenen von der Kongregation
erbauten Hause in der Habsheimerstraße, wofür Frau Witwe Engelhardt den Platz
geschenkt hatte. 5 Schwestern.
Mühlhausen (Ortskrankenhaus). 1894 - 1911 leiteten drei (4) Schwestern das
Krankenhaus der Ortskrankenkasse Mühlhausen im Greyelweg 18.
Mühlhausen-Dornach (Belforterstraße 12). Krankenpflegestation, gegründet 8.
Mai 1882 auf Anregung des Herrn Pfarrers Seyfried. Die Schwestern wohnten anfangs
neben dem Pfarrhaus, von 1905 ab in der Didenheimerstraße (Nr. 24); die Gemeinde
bestritt den Unterhalt und einen Teil der Wohnungsmiete. Die am 24. Juli 1912
verstorbene Rentnerin Louise Baur schenkte der Kongregation das Haus
Belforterstraße 12, worin die Schwestern seit Juni 1914 wohnen; auf Grund einer
Stiftung der Schenkgeberin gewähren sie einer gewissen Anzahl älterer unbemittelter
weiblicher Personen Aufnahme und Pflege. 6 Schwestern.
Mühlhausen-Dornach (Waisenhaus). 1899 erwarb die Kongregation das bei
Dornach gelegene Schloß Riff-Zurhein, wohin im Jahre 1900 die Waisenkinder unter
sechs Jahren und ca. 20 Waisenlehrlinge aus der Burggasse übersiedelten. Im Jahre
221
1911 wurde auf dem angrenzenden angekauften Gelände ein Neubau, der als
Waisenknabenhaus dienen sollte, begonnen. Kaum war dieser im Rohbau vollendet, als
am 11. Dezember 1911 ein Brand das alte Schloß in Asche legte. Menschenleben
gingen zum Glück nicht zugrunde; die Kinder wurden vorläufig in andern (städtischen)
Lokalen untergebracht. In den fertiggestellten Neubau, dessen Zustandekommen die
Stifterin der Lehrlingsanstalt, Frau Gibert, und eine von der Kongregation
aufgenommene Anleihe von 325000 Mark ermöglichte, siedelten im September 1912
171 schulpflichtige Knaben aus der Burggasse über, desgleichen die Lehrlinge. Am 13.
Oktober 1912 weihte der Ortspfarrer Kretz (jetzt Generalvikar) die Kapelle der Anstalt
ein, die einen eigenen Hausgeistlichen besitzt und 15 Schwestern zählt.
Neudorf (Oberelsaß). Krankenpflegestation, gegründet 20. Dezember 1855
durch Bürgermeister Mueser. Die Gemeinde stellte die Wohnung. 1867 bezogen die
Schwestern ein von Frl. Katharina Moser der Gemeinde geschenktes Anwesen, in dem
auch Arme und Waisenkinder Aufnahme finden. 1908 durch Neubau vergrößert.
Ökonomiebetrieb. 6 Schwestern.
Niederbronn (Schwesternheim). Nach der Verlegung des Mutterhauses nach
Oberbronn (1880) wurde das bisherige Mutterhaus Altersheim für kränkliche und alte
Schwestern; als ihre Zahl über 100 stieg, wurde 1907 ein geräumiger linker Flügel
angebaut mit moderner Badeeinrichtung für auswärtige Schwestern, die einer
Niederbronner Badekur bedürfen. Mit dem Hause ist Ortskrankenpflege verbunden.
An das Schwesternhaus angeschlossen ist das Waisenhaus, 1867 gegründet
zum Ersatz der 1861 eingegangenen Anstalt Neunhofen; die Kinder (Mädchen) waren
in den Nebengebäuden des Mutterhauses untergebracht, vom 2. November 1871 bis
15. April 1880 in Oberbronn, seither in Niederbronn; seit 1893 bewohnen sie einen
praktisch angelegten Neubau; ca. 50 Kinder von 2 bis 16 Jahren, die im Haus
unterrichtet werden. Eigener Anstaltsgeistlicher, der auch das Altersheim pastoriert.
106 Schwestern.
Niederbronn (Ökonomiehof) Nach der Verlegung der Bruderkongregation nach
Singlingen blieb der Hof in Betrieb. 14 Schwestern, denen mehrere Knechte
beigegeben sind, bewirtschaften die dazu gehörigen Güter. Ihnen ist die pietätvolle
Unterhaltung des angrenzenden Klosterfriedhofs anvertraut.
Oberbronn. Mutterhaus. Noviziat und Postulat der französischen Provinzen.
Schwesternkrankenhaus. Ortskrankenpflege. Ende 1920: 85 Schwestern, wovon 44
Kranke.
Orschweier. Krankenpflegestation, gegründet 24. Oktober 1864 durch Pfarrer
Schermesser. Die Geschwister Ziegler sorgten für Wohnung und Unterhalt (auch für die
folgenden Zeiten) und übergaben 1878 ihr Haus und Vermögen der Gemeinde, damit
es ständig den Schwestern zugute käme. 2 Schwestern.
Osthausen. Krankenpflegestation, gegründet 19. März 1899 und ermöglicht
durch die Stiftung des am 20. Juni 1898 verstorbenen Fräuleins Justine Speth, das sein
Haus und ganzes Vermögen der Gemeinde zu diesem Zwecke vermacht hatte.
2 Schwestern.
Pfaffenheim. Krankenpflegestation, gegründet 22. Oktober 1866; Herr Prof.
Lichtlé gewährte den Schwestern Wohnung in seinem Hause nebst Unterhalt, wofür
jetzt die Gemeinde aufkommt. 2 Schwestern.
Rappoltsweiler. Krankenpflegestation, gegründet 5. November 1852 durch
Herrn Pfarrer Werner. Die Schwestern bewohnten anfangs ein kleines, der
Kirchenfabrik gehöriges Haus und hatten mit materiellen Schwierigkeiten zu kämpfen.
1893 bezogen sie ein von der Gemeinde erbautes Heim, wofür die Schwestern 13000
222
Mark durch Sammlungen aufgebracht hatten; die Gemeinde leistet auch einen Zuschuß
zum Unterhalt. 1895 Abendnähschule für Fabrikarbeiterinnen gegründet, 1896
Jungfrauenverein. Die Armenverwaltung läßt durch die Schwestern die Unterstützungen
an die Armen verteilen. Die Schwestern leiten auch die von Frau Lenoir gegründete
Arbeitsstube für Armenkleidung. 5 Schwestern.
Regisheim. Krankenpflegestation, gegründet 26. Juli 1860 durch Pfarrer Böckel.
Die zwei Schwestern waren anfangs nur auf freiwillige Unterstützung angewiesen und
wohnten im Gemeindehause. Seit 1873 leistete die Gemeinde Zuschuß; 1910 erbaute
sie ein Schwesternhaus. 2 Schwestern.
Reichshofen. Krankenpflegestation (erste auswärtige Niederlassung der
Genossenschaft), begonnen mit vier Schwestern am 8. April 1850. Für Wohnung und
Unterhalt sorgte der Vicomte de Bussierre nebst andern Wohltätern. 1857 wurden die
Schwestern zurückgezogen. Die Neugründung erfolgte durch Herrn Pfarrer Fritsch
(gest. 28. November 1914; er war lange Zeit außerordentlicher Beichtvater der
Schwestern im Mutterhaus) im November 1891. Für Wohnung und Unterhalt sorgt die
Gemeinde. Von 1909 bis zum Krieg besorgten die Schwestern eine
Säuglingspflegestelle und leiteten eine Damenarbeitsstube für Armenkleider. 3
Schwestern.
Riedisheim. Krankenpflegestation, gegründet 1886; die Eheleute Schaller
stellten den Schwestern ein neuerbautes Haus zur Verfügung, das sie 1901 der
Gemeinde als Schwesternhaus überließen. Die Gemeinde liefert einen Zuschuß zum
Unterhalt (zum Teil aus Renten von Stiftungskapitalien herrührend). 4 Schwestern.
Rixheim (Spital). 1864 berief die Gemeinde zwei Schwestern in das
neugegründete Gemeindespital; 1868 Neubau, 1901 Einrichtung einer Kapelle. Die
Schwestern besorgen auch die ambulante Krankenpflege. 1920: 7 Schwestern.
Röschwoog. Krankenpflegestation, gegründet 11. September 1911 durch
Pfarrer Hiff, der auf einem von der Familie Schwartz geschenkten Grundstück ein auf
die Kirchenfabrik eingetragenes Schwesternhaus erbauen ließ. Gemeinde, Pfarramt
und Bürgerschaft sorgen für den Unterhalt. 3 Schwestern.
Rothau. Krankenpflegestation, auf Anregung des Pfarrers Hüß am 20. März
1900 gegründet; sechs Jahre hatten die Schwestern eine von Frau Ostré gratis gestellte
Wohnung inne, bis 1905 Pfarrer Kübler mit Hilfe einer Sammlung und des hochw. Herrn
Prälaten Müller-Simonis ein auf das katholische Pfarramt eingetragenes
Schwesternhaus bauen konnte. Rentner Dasse schenkte den Baugrund. Der Unterhalt
der Schwestern, zu dem in den ersten Jahren das Mutterhaus viel beitrug, wird durch
Sammlung und sonstige Beihilfe bestritten. 3 Schwestern.
Rufach. Am 2. Oktober 1852 berief Pfarrer Stöckle zwei Schwestern an die von
ihm gegründete Anstalt für arme Kinder, die anfangs von Laien geleitet und außerhalb
des Ortes in einem Mietsgebäude untergebracht war; 1850 bezog sie ein von Fräulein
Probst der Armenverwaltung gestiftetes Anwesen, das 1854 auf die Kirchenfabrik
umgeschrieben wurde. 1856 Anbau; 1862 staatliche Anerkennung. Das Haus zählte 25
- 30 Waisen. Es wurde 1920 aufgehoben. Vier Schwestern, denen das Pfarramt die
Wohnung, die Gemeinde den Unterhalt gewährt, blieben für ambulante Krankenpflege.
Saales. Krankenpflegestation, 23. September 1880 unter Pfarrer Mathis
gegründet; die zwei Schwestern wohnten zwei Jahre bei Fräulein Barthelemy, deren
Oheim, Herr Crovisier (gest. 1884), sich ihrer annahm und 20000 Mark stiftete für ihren
Unterhalt. Die Armenverwaltung mietete die Wohnung. Während des Krieges mußten
die Schwestern mit den übrigen Einwohnern wegziehen. Im März 1919 wurde die
Station wieder aufgenommen. 2 Schwestern.
223
Saarunion. Zuerst Krankenpflegestation, durch Pfarrer Matheis im September
1888 gegründet; die zwei Schwestern wohnten zuerst in Miete, bis 1897 ihnen die
Leitung des städtischen Krankenhauses übertragen wurde; die ambulante Pflege wird
nebenbei ausgeübt. 4 Schwestern.
St. Amarin. Krankenpflegestation, gegründet 1868 während einer
Typhusepidemie; die Schwestern erhielten 1870 eine im Jahre 1906 erweiterte
Wohnung im Gemeindehause; Unterhalt durch die Gemeinde. 4 Schwestern.
St. Ludwig. Krankenpflegestation, gegründet 10. September 1892 durch Pfarrer
Dietsch und Bürgermeister Wagner. Die Gemeinde, die für den Unterhalt sorgt, überließ
1894 den Schwestern das alte Pfarrhaus als Wohnung. 4 Schwestern.
St. Pilt. Auf Wunsch des Herrn Bleger wurden 1866 zwei Schwestern für
ambulante Pflege berufen, die bald darauf auch das von demselben gestiftete Spital
übernahmen. Die Gemeinde sorgt für den Unterhalt. 4 Schwestern.
Scherweiler. Krankenpflegestation, gegründet 5. April 1878. Zum Unterhalt der
Schwestern, die im alten Schulhause wohnen, dienen teilweise die Zinsen eines vom
verstorbenen Herrn Pfarrer Caspar gestifteten Kapitals. 3 Schwestern.
Schlettstadt. Krankenpflegestation, gegründet im Cholerajahr 1854; die
Schwestern wohnten zuerst im Bürgerspital, bis 1856 die Stadt ihnen eine eigene
Wohnung stellte, zuerst im Neuen Weg, dann bis 1900 im sog. Pavillon
(Lehrerinnenseminar), bis 1910 Schlossergasse 2, seither am Krautmarkt 7. Seit 1865
leistet die Stadt einen bestimmten Beitrag zum Unterhalt. 1880 - 1910 besorgten die
Schwestern die städtische Armensuppe. 9 Schwestern.
Sennheim. Krankenpflegestation, gegründet 9. September 1906 unter Pfarrer
Meyer auf Anregung der Firma Thierry-Mieg, die für die Wohnung und Unterhalt
aufkam. Die Anstellung einer vierten Schwester wurde durch Wohltäter, u. a. Frau
Heuchel, ermöglicht. Die Schwestern widmeten sich auch der Privatarmenfürsorge und
leiteten eine von Frau Keuchel eingerichtete Kochschule für Fabrikarbeiterinnen. Im
Krieg zerstört, erst im September 1920 wieder aufgenommen. 3 Schwestern.
Sentheim. Im April 1879 kamen auf Wunsch des Großindustriellen R. Bian zwei
Schwestern für Krankenpflege und Arbeiterfürsorge; sie wohnten bis 1911 in einem
Nebengebäude der Fabrik, dann in einem von der Firma neu eingerichteten
Schwesternhause, in dem ein Saal zur Abhaltung eines Winternähkurses für
Arbeiterinnen und Versammlungen eines Jungfrauenvereins dient. 3 Schwestern.
Sigolsheim. Krankenpflegestation, gegründet 9. September 1888; die
Schwestern wohnen in einem auf Wunsch des Bischofs Räß von dessen Erben der
Kongregation geschenkten Hause, die auch ein Kapital zu ihrem Unterhalt stifteten. 3
Schwestern.
Stotzheim. Krankenpflegestation, gegründet 5. Oktober 1889 durch Pfarrer
Glöckler, der mit mildtätigen Gaben ein Schwesternhaus gekauft hatte, das 1895
Eigentum der Kongregation wurde. Der Unterhalt wird aus freiwilligen Gaben und einem
Beitrag der Gemeinde bestritten. 2 Schwestern.
Straßburg (Stelzengasse). Im Oktober 1851 kamen auf Wunsch des Bischofs
Räß sechs Schwestern in die Münsterpfarrei für Kranken- und Armenpflege. Sie
wohnten zuerst in einem 1853 von der Genossenschaft gekauften Hause in schwierigen
materiellen Verhältnissen, da niemand sich um ihren Unterhalt kümmerte. Als der
gesteigerten Anforderungen wegen die Zahl der Schwestern sich auf 14 vermehrte, war
die Wohnug zu klein. Bischof Räß wies ihnen Wohnräume in der von ihm erworbenen
alten Tabakmanufaktur an (an der Stelle des bischöflichen Gymnasiums), die aber
ungesund waren. Da erwarb die Kongregation das Haus Nr. 16 am Stephansplatz
(1856). Einige umwohnende Hausbesitzer protestierten dagegen, weil sie die Errichtung
224
eines Kranken- und Armenasyls befürchteten. Aber der damalige treffliche Präfekt des
Unterelsasses, Migneret, trat mit seinem Einfluß für die Schwestern beim Pariser
Kultusministerium ein und forderte den Bürgermeister auf, ein Gutachten darüber
abzugeben, ob eine Schwesternniederlassung in Straßburg zweckmäßig sei, und ob sie
die berechtigten Interessen der Umwohner schädige. Eine Untersuchungskommission
gab dieses Gutachten ab (im Sommer 1856), das von Anfang bis Ende ein glänzendes
Lob der sozialkaritativen Tätigkeit der Schwestern enthält. Daraufhin erlaubte die
Kaiserliche Regierung der Genossenschaft, das Haus am Stephansplatz für 44000
Franken zu erwerben, worin die Schwestern bis 1899 blieben. Am 4. Juli 1899 bezogen
25 Schwestern das neue Heim in der Stelzengasse, welches die Kongregation am 25.
Januar 1898 gekauft hatte (ehemalige Niederlassung der Jesuiten). Ihre Tätigkeit
beschränkte sich nicht bloß auf ambulante Krankenpflege. Seit 1900 wirken sechs
Schwestern in der städtischen Armenfürsorge; von 1900 bis 1914 war eine Schwester
an der Suppenküche von St. Marx tätig. Seit 1904 wirken mehrer andere Schwestern
mit Erfolg in der städtischen Fürsorge für Lungenkranke; zwei andere waren bis vor
dem Krieg von der Militärverwaltung mit der Krankenpflege in den Familien subalterner
Militärbeamten betraut. Nicht zu vergessen sind die Dienste, die sie im Auftrag des
Franz-Regis-Vereins in der inneren Mission der katholischen Stadtpfarreien leisten. 31
Schwestern.
Straßburg (Kolleg St. Arbogast). Von 1851 bis 1858 leiteten vier Schwestern den
Haushalt des von Bischof Räß gegründeten katholischen Kollegs von St. Arbogast in
der Judengasse.
Straßburg (Garnisonslazarett I). Während der Belagerung von 1870 berief bei
Ausbruch einer Blatternepidemie die Militärverwaltung vier Schwestern; die deutsche
Administration behielt sie bei. Vor Kriegsausbruch waren 11 Schwestern ständig im
Dienst; ihre Zahl stieg während des Krieges auf 35, die mit größter Opferwilligkeit den
aufreibenden Dienst in dem stets stark belegten Hause versahen. Nach dem
Waffenstillstand vom 11. November 1918 wurden die Schwestern zurückgezogen, da
die französische Verwaltung eigene Schwestern (Vinzentinerinnen) mitgebracht hatte.
Straßburg-Königshofen. Station für ambulante Krankenpflege auch
Armenfürsorge, gegründet durch Pfarrer Rohmer am 6. Oktober 1906. Für
Mietwohnung und Unterhalt sorgt ein Damenkomitee. 2 Schwestern.
Straßburg-Kronenburg. Krankenpflegestation, gegründet 5. April 1906 durch
Pfarrer Fuchs; für Mietwohnung und Unterhalt sorgt ein Krankenverein. 2 Schwestern.
Straßburg-Neudorf (Rheinauerstraße 13). Krankenpflegestation, auf Wunsch
von Pfarrer Wöhrel am 27. Oktober 1894 gegründet; die Schwestern wohnten zuerst in
Miete in der Polygonstraße, bis 1908 die Kongregation in der Rheinauerstraße ein
eigenes Haus erstellte, das auch einige Pensionärinnen aufnimmt. Die Schwestern
besorgen auch die Kranken des Vorortes Neuhof. 5 Schwestern.
Straßburg-Neudorf (St. Odilienkrankenhaus). Am 23. Juni 1910 wurde auf
einem von der Kongregation erworbenen Terrain am Poltiweg der Bau eines modernen
Krankenhauses begonnen, wofür die Firma Müller-Moßler unter Mitwirkung von Prof.
Dr. Stolz und Dr. Kuhn die Pläne entworfen hatte. Am 12. März 1912 bezogen die
ersten Schwestern das Haus, das nach völliger Einrichtung am 16. Juli 1912 Herr
Superior Hanns feierlich eröffnete. Am folgenden Tage weihte der hochw. Herr
Weihbischof Dr. Freiherr Zorn von Bulach die prächtige Kapelle ein, wobei Herr Pfarrer
Wursthorn-Neudorf die Festpredigt hielt (abgedruckt in der Festschrift "Das St.
Odilienkrankenhaus in Straßburg-Neudorf" Buchdruckerei des "Elsässer", 1912; hier
auch genaue Beschreibung des stattlichen Baues). Das mit großen Kosten errichtete
und mit allen neuzeitlichen Einrichtungen (2 Operationssäle, Röntgenkabinett,
225
Sterilisierräume, Lichtbäder usw.) versehene Haus kann 120 Kranke aufnehmen. Die
innere Abteilung wurde Herrn Dr. Kuhn, die chirurgische Station Dr. Schäffer anvertraut.
Dr. Kuhn leitete zugleich die am 27. Oktober 1912 staatlich genehmigte
Krankenpflegeschule für die Schwestern (vgl. Dr. Kuhn, Bericht über die Tätigkeit der
Krankenpflegeschule am St. Odilienkrankenhaus, in der "Straßburger Medizinischen
Zeitung" 1914 24-27). Bei Kriegsausbruch wurde der größte Teil des Hauses als
Lazarett eingerichtet; 28 Schwestern pflegten die Verwundeten. 1920: 52 Schwestern.
Straßburg-Ruprechtsau. Krankenpflegestation, gegründet 1. Dezember 1894
durch Pfarrer Hassenfratz; für Wohnung und Unterhalt sorgte ein Krankenverein; 1897
wurde aus dem Ertrag wiederholter Sammlungen ein eigenes auf das Pfarramt
eingetragenes Schwesternhaus (Kirchgasse 32) erbaut, das 1907 dank der
Hochherzigkeit von Msgr. Jacoutot erweitert wurde. 4 Schwestern.
Suffelweyersheim. Krankenpflegestation durch Pfarrer Willinger 15. Oktober
1912 gegründet; die Wohnung stellte Fräulein Meyer unentgeltlich; der Unterhalt der
Schwestern wird durch Sammlung gedeckt. 2 Schwestern.
Sufflenheim. Krankenpflegestation, gegründet 9. September 1904 unter Pfarrer
Weiß; Fräulein Meßner stellte den Schwestern unentgeltlich die Wohnung, die
Gemeinde sorgt für Unterhalt. 3 Schwestern.
Sulz (Oberelsaß). Krankenpflegestation, gegründet 1855 gelegentlich der
Choleraepidemie, wo Fräulein d'Andex die Schwestern kommen ließ und bis 1870 für
Wohnung und Unterhalt sorgte. 1870 erwarb die Gemeinde das jetzige
Schwesternhaus, womit eine Armenküche verbunden wurde. Winterarbeitsstube für
Armenkleidung. 5 Schwestern.
Thann (Waisenhaus). Am 12. Juli 1856 kamen die ersten Schwestern für
ambulante Krankenpflege; sie wohnten im oberen Stadtteil bis 1871. Im Jahre 1863
übernahmen sie das von dem Ehepaar Henriet an dem Bungert gegründete
Waisenhaus; sie begannen mit 12 Kindern. Als ihre Zahl sich mehrte, erwarb Pfarrer
Grünenberger das Schlößchen Marsilly am Kattenbach, zunächst auf seinen eigenen
Namen, und setzte eine Kommission ein, die mit gesammelten Gaben das Gut
instandsetzte. 1871 zogen die Schwestern in das jetzt St. Josephsweisenhaus
genannte Anwesen ein; die Mädchen bezogen mit den Schwestern den Schloßbau, die
Knaben das neueingerichtete Dienstgebäude. Die Oberin, Schwester Bonaventura
(vorher in Darmstadt, später in Karlsruhe), brachte die Anstalt aus den finanziellen
Schwierigkeiten heraus und erreichte auch, daß die Stadt einen Beitrag für die
ambulante Krankenpflege auswarf. Der am 16. November 1874 verstorbene Pfarrer
Grünenberger übertrug testamentarisch das Eigentum der Anstalt auf Superior Simonis
und Direktor Umhang, durch die es später auf die Kongregation überging. Pfarrer Huhn
verdankt das Haus die 1887 erbaute Kapelle. 1889 Anbau des Knabenwaisenhauses,
1894 der des Mädchenwaisenhauses. Der erste Hausgeistliche, Abbé Umhang (früher
Direktor des Kollegs zu La Chapelle, gestorben 3. März 1901), ließ auf eigene Kosten
die Wohnung des Hausgeistlichen erbauen. 1908 wurde das Knabenhaus bedeutend
vergrößert. Von Anfang an wurde ein Ökonomiebetrieb eingerichtet, für den 1920 ein
1914 begonnener Neubau fertiggestellt wurde. Bei Kriegsausbruch weilten in der
Anstalt 25 Schwestern und 245 Kinder. Sie mußten, weil Thann in der Feuerlinie lag, ins
Innere Frankreichs geflüchtet werden. Das Knabenhaus wurde durch Geschosse stark
beschädigt, Ende 1918 wieder bezogen. 25 Schwestern.
Wanzenau. Krankenpflegestation, gegründet 1. April 1898 durch Pfarrer
Schillinger; die zwei Schwestern wohnten zuerst unentgeltlich bei Fräulein Corumel, bis
Pfarrer Schillinger 1906 auf den Namen der Kirchenfabrik ein Schwesternhaus mit
Vereinslokal erbauen ließ. Die Schwestern leiten den Jungfrauenverein. 4 Schwestern.
226
Wasselnheim. Krankenpflegestation, auf Wunsch des Pfarrers Hunckler am 19.
Dezember 1850 gegründet; nach einigen Jahren aufgehoben und am 23. Dezember
1878 durch Pfarrer Adam erneuert. Die zwei Schwestern bezogen das
Gemeindearmenhaus. Am 29. November 1910 wurde für den Kanton Wasselnheim ein
neues Krankenhaus mit 45 Betten eröffnet, worin vier Schwestern tätig sind, die auch
die ambulante Krankenpflege besorgen.
Weiler (bei Thann). Krankenpflegestation, gegründet 15. Juni 1881 unter Pfarrer
Monsch. Die Schwestern wohnten in Miete, bis sie 1919 das durch Fräulein Weigel
vermachte Schwesternhaus bezogen; für ihren Unterhalt sorgt die Gemeinde; für eine
dritte Schwester (1894) warf die Familie Köchlin eine Summe aus. 1899 Eröffnung einer
Abendnähschule für Arbeiterinnen. 3 Schwestern.
Weißenburg. Krankenpflegestation, gegründet 2. April 1870 unter Pfarrer
Schäffer. Die Wohnung, ein Teil des ehemaligen Augustinerklosters, stellte die
Kirchenfabrik; Gemeinde und Krankenverein sorgen für Unterhalt. 4 Schwestern.
Weyersheim. Krankenpflegestation, 1867 gegründet durch Pfarrer Siffer. Die
Gemeinde stellte die Wohnung; von 1882 ab steuert sie auch zum Unterhalt bei.
2 Schwestern.
Zabern. Station für Kranken- und Armenpflege, gegründet 19. November 1851
unter Pfarrer Fischer. Die Armenverwaltung übertrug den Schwestern eine
Suppenküche. Die Gemeinde sorgte für Wohnung und Unterhalt. 1910 übernahmen die
Schwestern den Jungfrauenverein St. Odilia. Seit Mai 1914 widmen sie sich der
Lungenkrankenfürsorge in den Gemeinden des Kantons Zabern, indem jeden Monat in
jeder Gemeinde ein Besuch gemacht wird. 9 Schwestern.
Zillisheim. Auf Wunsch des Bischofs Räß übernahmen die Schwestern die
Führung des Haushalts in der 1869 eröffneten bischöflichen Lehranstalt Zillisheim,
nachdem sie schon seit 1866 während des Baues der Anstalt die Ökonomiearbeiten der
zugehörigen Güter geleitet hatten. 1874 - 1880 hatte die Regierung die Anstalt
geschlossen. Bei der Wiedereröffnung, 19. April 1880, nahmen die Schwestern ihre
Tätigkeit wieder auf, unter der Oberin Schwester Leonie. Als sie im April 1913 zum
Ausruhen ins Muterhaus übersiedelte, widmete ihr der Jahresbericht der Schule die
ehrenden Zeilen: "Seit 1880 hatte sie unermüdlich für Schüler, Lehrer und Dienerschaft
gesorgt und in treuer Bescheidenheit immer ihre schwere Pflicht erfüllt, so daß der
verdiente Gotteslohn für sie sicher reichlich ausfallen wird. Das liebevollste Andenken
all der vielen, mit denen sie in ihrer langen Wirksamkeit hier zu tun gehabt hat, wird ihr
auch in der Ferne gesichert bleiben und weit über ihren Lebensabend dauern." Im
August 1914 war das Haus Zeuge heftiger Kämpfe, und Lehrer und Schwestern haben
über 1200 schwerverwundete Krieger beider Armeen treu gepflegt. Die Anstalt mußte
dann geräumt werden und wurde nach Colmar verlegt bis 1919. 11 Schwestern.
Zinsweiler. Krankenpflegestation, gegründet 19. Juni 1918 unter Pfarrer
Elsässer auf Wunsch der Fabrikleitung, welche für Wohnung und Unterhalt aufkommt.
2 Schwestern.
14. Diözese Metz.
Kneuttingen. Krankenpflegestation, gegründet 20. September 1904 unter Herrn
Pfarrer Scharf für die Arbeiter der Firma de Wendel, die 1914 ein Schwesternhaus
erstellte und für den Unterhalt sorgt. 4 Schwestern.
Öttingen. Bei einer Typhusepidemie im Jahre 1906 wurde für ein Notspital die
Schwester Polyeucte von Rümelingen (Luxemburg) berufen, die bald eine zweite
Schwester zur Aushilfe erhielt. 1910 wurde Öttingen selbständige Krankenpflegestation.
227
1912 richtete die Gesellschaft der Öttinger Bergwerke ein Krankenhaus (15 Betten) mit
Dispensaire ein. Graf v. Beauffort unterhält eine Schwester für ambulante
Krankenpflege. 4 Schwestern.
Pfalzburg. Krankenpflegestation, gegründet 1857 durch Herrn Pfarrer Heim. Das
der Kongregation gehörige Schwesternhaus wurde bei der Beschießung 1870 zerstört,
und die Schwestern verließen die Stadt. Sie kehrten erst 1880 in das wiederaufgebaute
Haus zurück, übersiedelten 1884 in das von der Offizierswitwe Frau Dillenschneider der
Kongregation geschenkte Anwesen, in das sie auch Kranke aufnahmen. 1900 wurde im
Garten ein Neubau errichtet als Lazarett mit 20 Betten für kranke Soldaten der
Garnison. 6 Schwestern.
Saaralben (Armenhaus). Das von den Eheleuten Burgun (gest. 1853) gestiftete
Armenhaus wurde am 9. Juli 1851 von zwei Schwestern bezogen. Im Jahre 1881 wurde
ein Neubau errichtet für Aufnahme von Kranken; die übrigen Räume dienen den
Pfründnern. Die Anstalt erhält sich durch Ökonomiebetrieb. 9 Schwestern.
228
Viertes Kapitel.
Luxemburg.
Rümelingen. Krankenpflegestation, gegründet 18. Juli 1874 durch den
Grubenbesitzer Gonner für verletzte Arbeiter. 1898 wurde neben dem von der
Grubenverwal-tung gestellten Schwesternhaus ein Anbau mit Krankensaal nebst
Operationszimmer und Kapelle errichtet. Nach dem Tode des Herrn Gonner vermietete
sein Rechtsnachfolger Hoffmann-Nau das Spital im Jahre 1911 der Spitalkommission
für die Arbeiter der vereinigten Bergwerkgesellschaft. 9 Schwestern.
Schweiz.
Diözese Basel.
Porrentruy (Pruntrut). Krankenpflegestation, gegründet 21. März 1893 durch
Prof. Béchaux, nachdem am 18. Februar 1893 der hochw. Herr Bischof von Basel seine
Zustimmung erteilt hatte. Die Schwestern wohnten erst in Miete; 1895 schenkte Abbé
Fischer, pensionierter Militärgeistlicher des vierten Schweizer Regiments in sizilianischneapolitanischen Diensten, sein Haus mit Garten (Rue de l'église) der katholischen
Kirchengemeinde als Schwesternhaus. 5 Schwestern.
Nachträge
Erzdiözese Mecheln. Die jetzige Adresse der beiden Häuser ist:
1. Brüssel-Cureghem (Avenue Clémenceau 70).
2. Anderlecht-lez-Bruxelles (Place de la Plaine 14 a).
Mannheim-Neckarvorstadt
(St.
Agneshaus).
Krankenpflegestation,
Kinderschule und Nähschule. Am 28. Oktober 1889 bezogen auf Wunsch des Herrn
Pfarrkurator Becker zwei Schwestern zunächst eine Mietswohnung, am 4. November
1890 ein eigenes Heim in der Mittelstraße. Im März 1891 wurde eine Kinderschule (mit
120 Kindern), im September eine Nähschule eröffnet. Im Jahre 1900 mußte ein eigener
Saalbau für die Schulen errichtet werden, zu dem das Mutterhaus 5000 Mark
beisteuerte. Seit 1905 Jungfrauenverein. 1910 wurde ein drittes Stockwerk auf das
Schwesternheim gesetzt, worein die Nähschule verlegt wurde; in deren bisherigem
Raum wurde eine weitere Kinderschule eingerichtet. Seit 1918 Fröbel-Kindergarten.
Das mit beträchtlichen Bauschulden belastete Anwesen steht seit 1909 auf den Namen
des "Vereins für Krankenpflege". 1920: 17 Schwestern.
229
Anhang
Tabellen und Übersichten
I.
Die Generaloberinnen.
Schwester Marie Alphons (1849 - 1867)
Elisabeth Eppinger, geb. am 9. September 1814 zu Niederbronn, gründete die
Kongregation am 28. August 1849, legte am 2. Januar 1850 die Ordensgelübde ab.
Sie starb am 31. Juli 1867 zu Niederbronn.
Schwester M. Adelinde (1867 - 1885)
Luise Weber, geb. am 6. November 1835 zu Oberbronn, erhielt das Ordenskleid am
27. Mai 1852, wirkte zu Straßburg, Colmar, Mülhausen, gründete 1857 die erste
Niederlassung in München (das Vinzentinum), wurde 1861 Generalassistentin in
Niederbronn, zur Generaloberin gewählt am 22. September 1867, wiedergewählt am
30. September 1873 und am 12. August 1879. Sie starb am 9. Mai 1885 zu
Oberbronn.
Schwester M. Damien (1885 - 1900)
Luise Richert, geb. am 2. April 1831 zu Winzenheim (Oberelsaß), erhielt das
Ordenskleid am 8. Dezember 1853, wirkte zunächst in Straßburg, gründete die
Niederlassung zu Thann, war von 1862 bis 1885 Oberin in Mülhausen (in der
Burggasse) und zugleich vom 21. Oktober 1871 bis 30. September 1873
Generalassistentin, wurde am 25. Juni 1885 zur Generaloberin gewählt und am 20.
Juni 1891 und am 5. Juli 1897 wiedergewählt. Sie starb am 29. April 1900 zu
Oberbronn.
Schwester M. Macrine (1900 - 1909)
Magdalena Frey, geb. am 1. Mai 1845 zu Mülhausen (Oberelsaß), legte am 17.
Dezember 1876 die Ordensgelübde ab, wirkte zuerst in Straßburg, wurde 1880
Oberin zu Weißenburg, 1884 Oberin zu Avenay (Marne), 1886 Novizenmeisterin in
Oberbronn, am 5. Juli 1897 Generalassistentin, am 11. Juni 1900 Generaloberin,
wiedergewählt am 11. Juni 1906. Sie starb am 30. Juli 1909 zu Oberbronn.
Schwester M. Livier (seit 1909)
Marie Stumpf, geb. am 7. September 1865 zu Kestenholz (Unterelsaß), legte am 8.
September 1885 die Ordensgelübde ab, wirkte zuerst in Mülhausen, dann als Gehilfin
der Novizenmeisterin in Oberbronn, wurde im November 1900 Novizenmeisterin in
Oberbronn und am 6. Oktober 1909 Generaloberin.
230
II.
Die Generalassistentinnen.
Schwester M. Adelinde (1861 - 1867)
(Siehe unter Generaloberinnen)
Schwester Melanie (22. September 1867 bis 21. Oktober 1871)
Elise de Callenstein, geb. am 21. September 1824 zu Niederbronn, in die
Kongregation aufgenommen am 2. Mai 1850, gestorben als Oberin der
Krankenpflegestation zu Colmar am 14. Januar 1880.
Schwester Stephanie (22. September 1867 bis 21. Oktober 1871, Ökonomin)
Josephine Bihl, geb. am 8. Januar 1833 zu Schlettstadt, in die Kongregation
aufgenommen am 2. Februar 1859, seit 1872 Oberin des Waisenhauses in
Gebweiler, gestorben daselbst am 3. Februar 1911.
Schwester Prudence (22. September 1867 bis 21. Oktober 1871, Visitatorin)
Anne Marie Dietrich, geb. am 26. November 1827 zu Schweighausen (Oberelsaß), in
die Kongregation aufgenommen am 2. August 1851, Oberin 1871 bis 1872 in
Marlenheim, 1872 - 1889 in La Chapelle, 1889 - 1903 in Belfort (Rue Grande
Fontaine), gestorben daselbst am 3. Oktober 1903.
Schwester Delphine (22. September 1867 bis 21. Oktober 1871)
Magdalena Hummel, geb. am 25. Juni 1816 zu Niederbronn, in die Kongregation
aufgenommen am 19. März 1851, gestorben als Oberin zu Masmünster am 10. Juni
1874.
Schwester M. Damien (21. Oktober 1871 bis 30. September 1873)
(Siehe unter Generaloberinnen)
Schwester Blandine (21. Oktober 1871 bis 30. September 1873 und
20. Juni 1891 bis 5. Juli 1897)
Katharina Kreichgauer, geb. am 2. Juni 1827 zu Studernheim (Rheinpfalz), in die
Kongregation aufgenommen am 2. August 1851, Oberin des Alten Vinzentiushauses
zu Karlsruhe 1870 - 1887, Oberin in Niederbronn 1887 bis 1897, in Andlau 1897 1906, gestorben zu Oberbronn am 1. Mai 1909.
Schwester Aveline (21. Oktober 1871 bis 30. September 1878)
Hortense Saar, geb. am 24. Januar 1830 zu Markirch, in die Kongregation
aufgenommen am 8. Dezember 1853, Oberin zu Colmar (Collège libre) 1861 bis
1871, gestorben am 16. Oktober 1878 zu Niederbronn.
Schwester Perpètua (21. Oktober 1871 bis 25. Dezember 1889, Visitatorin)
Franziska Gerlach, geb. am 5. September 1817 zu Madfelden (Westfalen), in die
Kongregation aufgenommen am 2. August 1851, erste Oberin der Niederlassung in
Gebweiler 1853 - 1871, gestorben am 25. Dezember 1889 zu Oberbronn.
Schwester Lucretia (30. September 1873 bis 27. Juni 1887)
Margareta Wehner, geb. am 13. März 1829 zu Münnerstadt (Bayern), in die
Kongregation aufgenommen am 22. April 1856, Oberin des Vinzentinums in München
231
von 1861 - 1867, sodann des Hauses in der Buttermelcherstraße bis 1873, gestorben
am 27. Juni 1887 zu Niederbronn als Lokaloberin des dortigen Hauses.
Schwester Victorine (30. September 1873 bis 12. August 1879 und
25. Juni 1885 bis 25. August 1902)
Wilhelmine Seyfried, geb. am 3. August 1829 zu Hartheim (Baden), in die
Kongregation aufgenommen am 8. Dezember 1851, Oberin des Martinstifts in Worms
1879 -1885, gestorben am 25. August 1902 zu Oberbronn.
Schwester Tharsille (12. August 1879 bis 25. September 1898, Ökonomin und Visitatorin)
Katharina Knäbel, geb. am 3. Oktober 1834 zu Brunstatt (Oberelsaß), in die
Kongregation aufgenommen am 2. August 1864, Oberin in Jvry bei Paris 1868 1879, gestorben am 25. September 1898 zu Oberbronn.
Schwester Seronna ( 12. August 1879 bis 25. Juni 1885)
Marie Weiß, geb. am 31. Januar 1831 zu Oberenzen (Oberelsaß), in die
Kongregation aufgenommen am 9. August 1857, gestorben als Oberin zu Thann am
4. Februar 1889.
Schwester Ferdinand (6. April 1890 bis 2. April 1917)
Anna Heuler, geb. am 5. Januar 1839 zu Marbach (Bayern), in die Kongregation
aufgenommen am 8. Dezember 1860, wirkte seit diesem Datum beständig, zuletzt als
Oberin in Heidelberg (Burgweg), bis sie an Stelle der verstorbenen Schwester
Perpétue am 6. April 1890 zu Generalassistentin ernannt wurde. Sie starb in
Oberbronn am 30. Oktober 1918.
Schwester M. Macrine (5. Juli 1897 bis 11. Juni 1900)
(Siehe unter Generaloberinnen)
Schwester Zénobie (9. November 1898 bis 11. Juni 1900)
Julie Schell, geb. am 29. Juli 1842 zu Bitsch (Lothringen), in die Kongregation
aufgenommen am 6. Dezember 1859, Oberin des Schwesternkrankenhauses in
Niederbronn, später in Oberbronn 1880 - 1901, gestorben als Oberin der Klinik zu
Nancy am 20. Mai 1912.
Schwester Alberta (seit 11. Juni 1900)
Elisa Messerer, geb. am 17. Januar 1850 zu Eckkirch (Oberelsaß), legte am 12.
November 1871 die Ordensgelübde ab, wirkte in Colmar und La Chapelle und war
von 1890 bis 1900 die erste Oberin der Klinik in Anderlecht bei Brüssel.
Schwester Séraphine (seit 11. Juni 1900)
Augustine Polet, geb. am 23. August 1855 zu Hermalle (Belgien), legte am 3.
September 1879 die Ordensgelübde ab, wirkte sodann zu Mülhausen im Hause in
der Burggasse, dessen Oberin sie von 1885 bis 1900 war.
Schwester Smaragda (seit 24. November 1902)
Agnes Haas, geb. am 19. Januar 1855 zu Meersburg (Baden), legte am 6.
September 1881 die Ordensgelübde ab, war 1888 - 1892 Oberin des Städtischen
Krankenhauses zu Füssen und von 1892 bis 1902 des Theresienhauses in Karlsruhe
(Zirkel 21), von wo sie an die Stelle der verstorbenen Schwester Victorine in den
Generalrat der Kongregation berufen wurde.
232
Schwester Euphrasia (seit 2. April 1917)
Margareta Buchinger, geb. am 13. Oktober 1870 zu Niederliebersbach (Hessen),
legte am 8. September 1890 die Ordensgelübde ab, wirkte sodann im St. Agneshaus
in Mannheim (Neckarvorstadt), dessen Oberin sie von 1911 an war, bis sie am 2.
April 1917 zur Nachfolgerin der hochbetagten erkrankten Assistentin Schwester
Ferdinand ernannt wurde.
Schwester Milburga (seit 24. Februar 1920)
Elisabeth Schilling, geb. am 2. April 1857 zu Schwetzingen (Baden), legte am 3.
September 1879 die Ordensgelübde ab, war bis 1885 zu Mannheim (D 4, 4) tätig und
führt seitdem den Haushalt der Klostergeistlichen in Oberbronn.
Schwester Chromatia (seit 24. Februar 1920)
Emma Füll, geb. am 1. Januar 1858 zu Königshofen (Bayern), legte am 6. September
1881 die Ordensgelübde ab, stand von 1895 bis 1911 dem Städtischen
Pfründnerhaus in Mülhausen vor und eröffnete 1911 das neue St.
Odilienkrankenhaus in Straßburg-Neudorf, dessen Oberin sie bis 1921 blieb.
III.
Die Generalsekretärinnen.
Schwester Adèle (? bis Juni 1870 und 1877 - 1902)
Katharina Hentz, geb. am 4. August 1829 zu Reichshofen (Unterelsaß), in die
Kongregation aufgenommen am 27. Mai 1852, langjährige Generalsekretärin bis Juni
1870, dann bis Juli 1871 Novizenmeisterin, Juli bis Oktober 1871 Oberin in Colmar,
dann in Langres und St. Dié, von 1877 bis 1902 abermals Generalsekretärin, darauf
im Ruhestand in Oberbronn, gestorben daselbst am 27. April 1909.
Schwester Walburga (Juni 1870 bis Dezember 1877)
Magdalena Seckler, geb. am 18. Februar 1830 zu Wattweiler (Oberelsaß), in die
Kongregation aufgenommen am 2. Februar 1859, Oberin in Kestenholz 1877 - 1886,
alsdann im Ruhestand in Oberbronn, gestorben daselbst am 17. Juli 1888.
Schwester Synesia (seit 1902)
Barbara Bedacht, geb. am 26. September 1857 zu Landsham (Bayern), legte am
5. September 1877 die Ordensgelübde ab.
IV.
Die Provinzialoberinnen und ihre Assistentinnen.
1. Für die erste französische Provinz (Oberbronn).
Schwester Isidore (Provinzialoberin seit 1920)
Josephine Schultz, geb. am 29. Juni 1876 zu Niedersteinbrunn (Oberelsaß), legte am
8. September 1897 die Ordensgelübde ab, zuletzt Oberin in Porrentruy (Schweiz).
233
Schwester Thaïs (Provinzialassistentin seit 1920)
Elise Heiny, geb. am 24. Juli 1868 zu Reichsweiler (Oberelsaß), legte am 19. März
1890 die Ordensgelübde ab; Oberin des Schwesternkrankenhauses zu Oberbronn.
Schwester Marie-Felix (Provinzialassistentin seit 1920)
Anna Schwach, geb. am 19. Juli 1875 zu Rappoltsweiler (Oberelsaß), legte am 19.
März 1898 die Ordensgelübde ab; Oberin im Kloster zu Niederbronn.
2. Für die zweite französische Provinz (Avenay).
Schwester Vincent de Paul (Provinzialoberin seit 1920)
Clémence Paronelli, geb. am 1. Januar 1867 zu Belfort, legte am 19. März 1887 die
Ordensgelübde ab, war zuletzt Oberin in Brüssel (Avenue Clémenceau).
Schwester M. Florence (Provinzialassistentin seit 1920)
Madeleine Rauch, geb. am 13. Februar 1855 zu Rappoltsweiler (Oberelsaß), legte
am 4. April 1875 die Ordensgelübde ab; Oberin zu Epinal (Rue du Chapitre).
Schwester Marguerite-Marie (Provinzialassistentin seit 1920)
Henriette Oger, geb. am 18. März 1870 zu Pont-à-Mousson, legte am 19. März 1901
die Ordensgelübde ab; Oberin in Avenay (Marne).
3. Für die erste deutsche Provinz (Neumarkt in Bayern).
Schwester Urbicia (Provinzialoberin seit 1920)
Anna Marie Bogensperger, geb. am 17. Dezember 1863 zu Burgebrach (Bayern),
legte am 19. März 1889 die Ordensgelübde ab, war zuletzt Oberin des Vinzentinums
in München.
Schwester Marie-Therese (Provinzialassistentin seit 1920)
Frieda Alwers, geb. am 27. Juni 1873 zu Neustadt (Rheinpfalz), legte am 19. März
1896 die Ordensgelübde ab, war zuletzt Oberin in Dr. Deckers Klinik in München.
Schwester Anna-Marie (Provinzialassistentin seit 1920)
Isabella Schmitt, geb. am 27. Juni 1874 zu Nürnberg, legte am 8. September 1896
die Ordensgelübde ab, war zuletzt Sekretärin in Bühl (Baden).
4. Für die zweite deutsche Provinz (Bühl in Baden).
Schwester Gaudentia (Provinzialoberin seit 1920)
Johanna Knörzer, geb. am 20. Februar 1866 zu Aschhausen (Württemberg), legte am
8. September 1885 die Ordensgelübde ab, war zuletzt Oberin in Mannheim
(Großmerzelstarße).
Schwester Godina (Provinzialassistentin seit 1920)
Rosa Walleser, geb. am 26. April 1867 zu Wieden (Baden), legte am 19. März 1889
die Ordensgelübde ab, war zuletzt Oberin in Heidelberg (Kaiserstraße).
Schwester Marie-Berta (Provinzialassistentin seit 1920)
Sophie v. Schneider, geb. am 21. April 1872 zu Mannheim, legte am 19. März 1901 die
Ordensgelübde ab; Oberin im Alten Vinzentinushaus in Karlsruhe.
234
V.
Die Novizenmeisterinnen.
1. In Niederbronn und Oberbronn
Schwester Marie-Joseph (bis Juni 1870)
Marguerite Chevreux, geb. am 5. März 1819 zu Pont-à-Mousson, in die Kongregation
aufgenommen am 2. Mai 1850, gestorben am 27. Juli 1871 zu Oberbronn.
Schwester Adèle (Juni 1870 bis Juli 1871)
(Siehe unter Generalsekretärinnen)
Schwester M. Célestine (Juli 1871 bis August 1886)
Karoline Schaub, geb. am 8. April 1835 zu Betschdorf (Unterelsaß), in die
Kongregation aufgenommen am 28. August 1856; Oberin zu Avenay von August
1886 bis Mai 1897, gestorben zu Oberbronn am 3. August 1897.
Schwester M. Macrine (Juli 1886 bis November 1897)
(Siehe unter Generaloberinnen)
Schwester M. Guillaume (Juli 1897 bis November 1898)
Rosalie Romon, geb. am 14. Juli 1847 zu Straßburg, legte am 19. März 1883 die
Ordensgelübde ab, seit 1898 Oberin des Hauses in Paris-Ménilmontant.
Schwester M. Florence (November 1898 bis November 1900)
(Siehe unter Provinzialoberinnen und Assistentinnen)
Schwester M. Livier (November 1900 bis Oktober 1909)
(Siehe unter Generaloberinnen)
Schwester M. Sébastienne (Oktober 1909 bis Januar 1910)
Josephine Nägert, geb. am 13. Mai 1866 zu Kienzheim (Oberelsaß), legte am 19.
März 1884 die Ordensgelübde ab; zurzeit Oberin in Thaon (Vosges).
Schwester Saint-Charles (seit Januar 1910)
Anna Fender, geb. am 29. September 1867 zu Rappoltsweiler (Oberelsaß), legte am
19. März 1893 die Ordensgelübde ab.
2. Im provisorischen Noviziat zu Bouère (Mayenne).
Schwester M. Florence (Juni 1918 bis Juni 1919)
(Siehe unter Provinzialoberinnen)
3. In Karlsruhe und Bühl.
Schwester Euphrasia (September 1919 bis Mai 1920)
(Siehe unter Generalassistentinnen)
235
Schwester Palladia (seit Mai 1920)
Josephine Stein, geb. am 23. Februar 1879 zu Oberhausen (Rheinpfalz), legte am
19. März 1901 ihre Ordensgelübde ab.
4. In München und Neumarkt.
Schwester Witburga (seit März 1920)
Katharina Schreiner, geb. am 5. Juli 1874 zu Edesheim (Rheinpfalz), legte am 8.
September 1896 die Ordensgelübde ab.
VI.
Die Postulantenmeisterinnen.
1. In Niederbronn und Oberbronn.
Schwester Angèle (? bis 1878)
Luise Tschieret, geb. am 18. Februar 1843 zu Thann, legte am 16. Juli 1871 die
Ordensgelübde ab, Oberin in Paris-Ménilmontant 1881 - 1886, Weißenburg 1886 1897, Avenay 1897 - 1900, St. Dié 1900 - 1910, gestorben am 23. April 1915 zu
Moosch.
Schwester Anysia (1878 - 1901)
Magdalena Backé, geb. am 28. Mai 1848 zu Darmstadt, legte am 16. Juli 1871 die
Ordensgelübde ab, von 1901 ab krank in Oberbronn, gestorben daselbst am 27. Juli
1914.
Schwester Optata (1901 - 1919)
Christina Schipper, geb. am 12. Dezember 1857 zu Kissingen (Bayern), legte am 19.
März 1888 die Ordensgelübde ab. Seit März 1919 Postulantenmeisterin in Karlsruhe,
dann in Bühl.
Schwester Ephrem (seit 1919)
Gertrud Ehrminger, geb. am 14. April 1873 zu Wiesweiler (Lothringen), legte am 19.
März 1894 die Ordensgelübde ab.
2. Im interimistischen Postulat zu Thaon (Vosges.)
Schwester M. Sébastienne (März 1915 bis Juni 1919)
(Siehe unter Novizenmeisterinnen)
3. In Karlsruhe und Bühl.
Schwester Optata (seit März 1919)
Vorher Postulantenmeisterin in Oberbronn
236
4. In München und Neumarkt.
Schwester Witburga (März 1919 bis März 1920)
(Siehe unter Novizenmeisterinnen)
Schwester Sanctina (seit März 1920)
Franziska Hemberger, geb. am 16. Februar 1882 zu Bulach (Baden), legte am 19.
März 1906 die Ordensgelübde ab.
VII.
Die Zahl der Profeßschwestern 1872 - 1920 1).
1872: 600 Schwestern
1880: 800
"
1891: 1273
"
1894: 1421
"
1897: 1600
"
1900: 1800
"
1903: 1971
"
1906: 2163
"
1)
1907: 2235 Schwestern
1908: 2306
"
1909: 2369
"
1910: 2424
"
1911: 2469
"
1912: 2520
"
1913: 2587
"
2)
1914: 2587
"
1915: 2644 Schwestern
1916: 2671
"
3)
1917: 2667
"
1918: 2630
"
1919: 2656
"
1920: 2721
"
Soweit die Akten des Sekretariats (Triennal- und Jahresberichte) darüber Aufschluß geben.
2)
Es fand in diesem Jahre nur eine Profeß statt (im März); diejenige des Monats September
wurde des Kriegsausbruches wegen auf März 1915 verschoben.
3)
Der hier einsetzende vorübergehende Rückgang ist, außer auf den Krieg, vor allem auf die
größere Sterblichkeit zurückzuführen, wie folgende Zahlen zeigen:
1913: 40 Sterbefälle
1914: 41
"
1915: 45
"
1916: 40
"
1917: 62 Sterbefälle
1918: 95
" (Grippe!)
1919: 61
"
1920: 50
"
237
VIII.
Übersicht über die Ausbreitung der Kongregation in den verschiedenen
Bistümern (1850 - 1920).
Die Zahl der Niederlassungen betrug am Ende des Jahres:
im Bistum:
1850
1855
1860
1865
1870
1875
1880
1885
1890
1895
1900
1905
1910
1915
1920
Straßburg
9
28
34
38
47
46
53
57
65
72
83
85
89
90
90
Metz
―
2
3
3
1
1
2
2
2
2
2
3
4
4
4
Speyer
―
4
4
3
4
6
6
6
11
14
20
23
28
29
29
Nancy
―
2
3
2
2
2
2
4
5
6
6
6
6
5
5
Besançon
―
2
1
1
1
4
5
5
5
5
5
5
5
5
5
St. Dié
―
1
2
3
4
5
6
8
9
12
13
12
12
12
12
Würzburg
―
1
12
15
―
1
―
―
―
―
―
―
―
―
―
München
―
―
3
6
11
13
13
15
15
16
20
22
23
23
29
Langres
―
―
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
Freiburg
―
―
5
5
11
13
13
13
30
41
50
53
58
64
77
Wien
―
―
1
1
―
―
―
―
―
―
―
―
―
―
―
Eichstätt
―
―
1
1
2
3
3
3
3
3
3
3
3
4
7
Châlons
―
―
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
Mainz
―
―
1
2
6
6
6
10
11
13
16
17
21
23
27
Raab
―
―
―
1
―
―
―
―
―
―
―
―
―
―
―
Regensburg
―
―
―
―
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
―
Paris
―
―
―
―
1
1
1
3
4
5
6
6
6
6
6
Dijon
―
―
―
―
1
1
1
1
1
2
2
2
2
2
2
Lüttich
―
―
―
―
1
2
2
3
2
2
2
2
2
2
2
Bamberg
―
―
―
―
―
1
2
4
7
9
14
15
17
20
25
Luxemburg
―
―
―
―
―
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
Reims
―
―
―
―
―
―
1
1
4
7
8
9
7
7
8
Mecheln
―
―
―
―
―
―
1
1
2
2
2
2
2
2
2
Versailles
―
―
―
―
―
―
1
2
1
1
1
―
―
―
―
Passau
―
―
―
―
―
―
―
1
1
1
1
2
2
2
2
Lille
―
―
―
―
―
―
―
1
2
3
3
3
3
3
3
Arras
―
―
―
―
―
―
―
1
1
1
―
―
―
―
―
Augsburg
―
―
―
―
―
―
―
―
2
4
5
6
6
6
6
Troyes
―
―
―
―
―
―
―
―
1
1
1
1
1
1
1
Basel
―
―
―
―
―
―
―
―
―
1
1
1
1
1
1
Brügge
―
―
―
―
―
―
―
―
―
―
―
―
―
1
1
Valence
―
―
―
―
―
―
―
―
―
―
―
―
―
―
1
9
40
72
83
95
109
122
145
188
227
268
282
302
316
348
(bis 1913 Cambrai)
238
IX.
Belgien
5
4
1
Deutsches
Reich 1
202
141
51
23
1
16
7
95
Frankreich 2
139
122
26
22
12
9
4
1
Luxemburg
1
1
1
Schweiz
1
1
348
269
79
45
13
25
11
96
26
Baden
77
56
11
4
1
6
1
35
23
4
49
Hessen
27
21
9
3
3
3
16
2
1
14
Rechtsrhein.
Bayern
69
39
26
13
3
3
23
1
8
Rheinpfalz
29
25
5
3
4
90
83
17
14
1
26
13
94
5
19
1
13 113
6
Schüler-, Lehrlings-,
Gesellenheime
Damen-Ouvroirs,
Paramentenvereine
Heime für weibliche Jugend
Weibliche Jugend- und
Standesvereine
Katechismusunterricht
Haushaltungs- und
Kochschulen
Handarbeitsschulen
Kinderhorte
Kindergärten
Bewahrschulen
Krippenanstalten,
Säuglingspflege
Waisenhäuser
Stationen für ambzlante
Krankenpflege
Krankenhäuser und
Erholungsheime
Armen- und
Pfründnerhäuser,
Altersheime
Armenküchen
Armenfürsorge
Niederlassungen
Zusammenfassende Übersicht über die Tätigkeit der Kongregation nach dem
Stand vom 31. Dezember 1920
2
63
11
7
14
26
1
4
17
15
91
12
11
17
2
36
5
2
3
8
1
9
5
5
21
22
14
1
9
__________
_
1
2
Näherhin
in:
4
1
Davon im:
Bistum
Straßburg
5
5
1
1
2
7
1
2
4
239
X.
Übersicht über die am 31. Dezember 1920 bestehenden Niederlassungen
und deren Tätigkeit.
Amb
Arbnh
Arbnv
Armnf
Armnh
Bewsch
= Ambulante Krankenpflege
= Arbeiterinnenheim
= Arbeiterinnenverein
= Armenfürsorge
= Armenhaus
= Bewahrschule
(Kleinkinderschule)
Dbh
= Dienstbotenheim
Dbv
= Dienstbotenverein
Disp
= Dispensär (Verbandstelle)
Fkdrg
= Fröbel-Kindergarten
Hand
= Handarbeitsschule (Strick-,
Näh-, Industrieschule)
Haush
= Führung des Haushalts
Haushsch = Haushaltungsschule
Jgfv
= Jungfrauenverein
Kat
= Katechismusunterricht
Knhort
= Knabenhort
Kochsch = Kochschule
Krkh
= Krankenhauspflege
Ladnh
= Ladnerinnenheim
Lehrlh
= Lehrlingsheim
Mdhort
= Mädchenhort
Mdpatr
= Mädchenpatronage
Ortsstricksch = Ortsstrickschule
Ouv
= Ouvroir (Damenverein zur
Anfertigung von Kleidern
für Arme
Par
= Paramentenverein
Pens
= Pensionäre
Pfrd
= Pfründnerpflege
Säuglf
= Säuglingsfürsorge
Schlrh
= Schülerheim
Schlrnh
= Schülerinnenheim
Stellnv
= Stellenvermittlung
Tubf
= Tuberkulosenfürsorge
Vkdrg
= Volkskindergarten
Wais
= Waisenpflege
Belgien.
(5 Niederlassungen, 62 Schwestern)
Bistum Brügge.
(1 Niederlassung, 12 Schwestern
Bistum Lüttich.
(2 Niederlassungen, 21 Schwestern)
Erzbistum Mecheln.
(2 Niederlassungen, 29 Schwestern)
Deutsches Reich:
(202 Niederlassungen, 1478 Schwestern)
Baden und Hohenzollern.
Erzbistum Freiburg.
(77 Niederlassungen, 588 Schwestern)
234
Bayern.
(98 Niederlassungen, 667 Schwestern)
Bistum Augsburg.
(6 Niederlassungen, 29 Schwestern)
Erzbistum Bamberg.
(25 Niederlassungen, 164 Schwestern)
Bistum Eichstätt.
(7 Niederlassungen, 39 Schwestern)
Erzbistum München-Freising.
(29 Niederlassungen, 242 Schwestern)
Bistum Passau.
(2 Niederlassungen, 8 Schwestern)
Bistum Speyer.
(29 Niederlassungen, 185 Schwestern)
Hessen.
Bistum Mainz.
(27 Niederlassungen, 223 Schwestern)
Frankreich.
(139 Niederlassungen, 1167 Schwestern)
Erzbistum Besancon.
(5 Niederlassungen, 27 Schwestern)
Bistum Châlons-sur-Marne.
(1 Niederlassung, 12 Schwestern)
Bistum Dijon.
(2 Niederlassungen, 9 Schwestern)
Bistum Langres.
(1 Niederlassung, 8 Schwestern)
Bistum Lille.
(3 Niederlassungen, 51 Schwestern)
Bistum Metz.
(4 Niederlassungen, 23 Schwestern)
235
Bistum Nancy.
(5 Niederlassungen, 46 Schwestern)
Erzbistum Paris.
(6 Niederlassungen, 104 Schwestern)
Erzbistum Reims.
(8 Niederlassungen, 34 Schwestern)
Bistum St. Dié.
(12 Niederlassungen, 78 Schwestern)
Bistum Straßburg.
(90 Niederlassungen, 761 Schwestern)
Bistum Troyes.
(1 Niederlassung, 8 Schwestern)
Bistum Valence.
(1 Niederlassung, 6 Schwestern)
Luxemburg.
Bistum Luxemburg.
(1 Niederlassung, 9 Schwestern)
Schweiz.
Bistum Basel-Lugano.
(1 Niederlassung, 5 Schwestern)
236
XI.
Aufgehobene Niederlassungen.
Belgien.
Bistum Lüttich
Vaux-sous-Chèvremont 1873 - 1888
Deutsches Reich.
Baden.
Erzbistum Freiburg.
Achern 1869 - 1878
Mannheim (Laurentianum) 1906 - 1912
Sandhausen 1895 - 1904
Weinheim 1892 - 1912
Bayern.
Erzbistum München-Freising.
Altomünster 1867 - 1871
Dollenstein 1867 - 1869
München-Schwabing (Krankenhaus) 1874 - 1910
Bistum Regensburg.
Eschelbach 1867 - 1920
Bistum Speyer.
Landstuhl 1854 - 1861
Neustadt a.d. Hardt (Klinik Schäfer) Januar bis Oktober 1903
Pirmasens 1853 - 1855
Bistum Würzburg.
Arnstein 1860 - 1866
Aschaffenburg 1860 - 1866
Dettelbach 1858 - 1866
Haßfurt 1863 - 1866
237
Heidingsfeld 1860 - 1866
Karlstadt 1860 - 1866
Kissingen 1855 - 1866
Kitzingen 1860 - 1866
Litzingen 1860 - 1866
Lohr 1858 - 1866
Miltenberg 1865 - 1866
Münnerstadt 1872 - 1878
Ochenfurt 1865 - 1866
Volkach 1857 - 1866
Werneck 1856 - 1866
Würzburg 1857 - 1866
Hessen.
Bistum Mainz.
Darmstadt (Klinik Lossen) 1902 - 1903
Frankreich.
Bistum Arras.
Beuvry 1884 - 1899
Erzbistum Besancon.
Isle-sur-Doubs 1855 - 1858
La Chapelle-sous-Rougemont 1852 - 1869
Marnay 1862 - 1863
Bistum Langres.
Langres (Pensionshaus) Januar bis Juli 1887
Bistum Laval.
Bouère 1918 - 1919
Bistum Meaux.
St-Fiacre 1882 - 1884
Bistum Metz.
St. Quirin 1859 - ?
Singlingen 1855 - 1870
Bistum Nancy.
Pont-à-Mousson (Greisenasyl) 1885 - 1914
Toul 1856 - 1862
Erzbistum Paris.
Ivry 1868 - 1881
238
Erzbistum Reims.
Boult-sur-Suippe 1895 - 1900
Braux 1893 - 1908
Rouzon 1895 - 1908
Sedan 1890 - 1892
Bistum Straßburg.
Andlau 1850 - 1906
Blodelsheim 1859 - 1909
Brunstatt 1862 - 1867
Colmar (Collège libre) 1852 - 1873
Colmar (Waisenhaus) 1860 - 1862
Geberschweier 1852 - 1854
Gebweiler (Arbeiterküche der Fabrik Frey) 1900 - 1917
Hirsingen 1863 - 1916
Homburg 1865 - 1873
Kinzheim 1852 - ?
Mommenheim 1850 - 1862
Mülhausen (Ortskrankenhaus) 1894 - 1911
Neunhofen 1850 - 1864
Niederschäffolsheim 1879 - 1881
Örmingen 1852 - ?
Ottrott 1858, aufgehoben in demselben Jahr
Pfastatt 1867 - 1871
Regisheim (Mädchenheim) 1897 - 1917
Saales (Greisenasyl) März bis Juli 1896
Schirmeck 1862 - 1863
Sierenz 1864 - 1865
Straßburg (Kolleg St. Arbogast) 1851 - 1858
Straßburg (Garnisonslazarett) 1870 - 1919
Wasenberg bei Niederbronn 1851 - 1870
Wildenstein 1884 – 1913
Bistum St. Dié.
Lusse 1884 - 1903
St. Dié (Greisenasyl) 1885 - 1890
Tendon 1856 - 1880
Bistum Versailles.
Mainville 1884 - 1901
Villemoisson 1880 - 1889
Österreich.
Erzbistum Wien.
Wien 1857 - 1866
Ungarn.
Bistum Raab.
Ödenburg 1863 - 1866
239
Anmerkungen.
Anmerkungen in französischer Sprache wurden nicht alle berücksichtigt!
1)
Der Vater des 1899 verstorbenen Bischofs Ludwig von Metz.
2)
1839 zählte Niederbronn auf 2924 Einwohner 1124 Katholiken; von den übrigen waren
1478 Protestanten, 309 Israeliten, 13 Angehörige anderer Bekenntnisse. In den
Sommermonaten weilten zahlreiche Badegäste aus dem Innern Frankreichs in
Niederbronn, meist praktizierende Katholiken; dieser Umstand verlieh der Pfarrei
besondere Wichtigkeit.
3)
Reichards Aufzeichnungen und die zu erwähnenden Schriften Bussons könnten nicht als
genügende Grundlage dienen.
4)
Vgl. darüber und namentlich über die wissenschaftliche Bedeutung von Räß die Schrift
von A. Schnütgen, "Das Elsaß und die Erneuerung des katholischen Lebens in
Deutschland von 1814 bis 1848" (Straßburg 1913), und J. Guerber, Bruno Franz Leopold
Liebermann (Freiburg 1880).
5)
In einem am 6. Februar 1850 an den französischen Kultusminister abgeschickten Bericht
schreibt Räß seine Eindrücke von diesem Besuch nieder.
6)
Vgl. den für unsere Frage interessanten Aufsatz im "Katholischen Kirchen- und Schulblatt
für das Elsaß", Augustheft (Straßburg 1848).
7)
Vgl. darüber Galland, Josef v. Görres 484. Es sei auch an die Vorgänge erinnert, die sich
1846 in La Salette abspielten.
8)
Starb 1860 als Pfarrer zu Benfeld im Unterelsaß.
9)
Über die Resultate dieser Untersuchung konnte ich nichts ermitteln.
10)
Geboren am 18. Juni 1802 zu Straßburg, trat der protestantische Edelmann im Jahre
1837 zum Katholizismus über und ist durch verschiedene wertvolle geschichtliche Werke
eine Stütze der katholischen Sache geworden. Er starb 1865.
11)
Aus einem Brief Reichards an Räß vom 29. Juli 1850; er meldet, daß täglich Bekehrungen
stattfinden.
12)
Lomnitz hat diese Reise sehr ausführlich beschrieben und das Manuskript dem Bischof
Räß übersandt; es liegt im Straßburger Ordinariatsarchiv und ist für die Geschichte der
Kongregation nicht ohne Interesse.
13)
Nach einem Brief Reichards an Räß vom 7. Februar 1850. Im Mai des folgenden Jahres
besuchte Reichards Vikar, Lienhard, den Dichter in Paris und versicherte ihn des
Interesses, das man ihm im Kloster zu Niederbronn entgegenbringe und der Gebete, die
man für ihn verrichte. Er war, wie Lienhard in einem Schreiben an Räß (datiert Paris,
1. Mai 1851) berichtet, dadurch sehr gerührt und bat um Fortsetzung der Gebete.
14)
Dieser hochbegabte, als glänzender Redner bekannte geistliche, der kurz vor dem Tode
Napoleons I. ausersehen war, auf der Insel St. Helena die dortigen für den Umgang mit
240
den kranken Verbannten weniger geeigneten Geistlichen zu ersetzen, war gerade im
Begriff, sich einzuschiffen, als die Kunde vom Ableben des Exkaisers eintraf. Seine große
Demut ließ ihn öfters glänzende Stellungen, ja angebotene Bischofssitze ausschlagen;
vgl. über ihn die Biographie des Abbè Besson.
15)
Der Titel der deutschen Übersetzung lautet: Leben und Offenbarungen der ekstatischen
Jungfrau Elisabeth Eppinger zu Niederbronn.
16)
Die schmucklosen, eintönigen Originalberichte Reichards, die mir vorlagen, lassen mich
diese Vermutung aussprechen. Überhaupt lehrt die Erfahrung, daß solche
Aufzeichnungen angeblicher Offenbarungen, die von zweiter Hand redigiert werden, von
der Kritik mit besonderer Vorsicht aufzunehmen sind; besonders lehrreich sind in dieser
Hinsicht Klemens Bretanos Aufzeichnungen der Geschichte der gottseligen Katharina
Emmerich. Mit diesem Hinweis will ich keine Parallele zwischen dieser und Elisabeth
Eppinger ziehen. Dort liegt ein viel markanteres religiöses Phänomen vor. Über Bretanos
Anteil an der Fassung der Geschichte der Katharina Emmerich vgl. die lehrreiche Schrift
von H. Cardauns, Klemens Bretano. Beiträge, namentlich zur Emmerichfrage (Köln 1915).
17)
Die durch den Vicomte de Bussierre auf dem laufenden gehalten wurde.
18)
Im Februar 1850 hatte Räß dem päpstlichen Nuntius zu Paris einen ausführlichen Bericht
zur Übermittlung an den päpstlichen Stuhl übersandt; durch ein Schreiben vom 18.
Februar 1850 bestätigt der Nuntius den Empfang der Denkschrift. Im Auftrag Sr. Heiligkeit
richtete dann der Staatssekretär Kardinal Antonelli an den Nuntius ein Schreiben (Portici,
22. März 1850), das in einer von mir im Nachlaß Räß’ vorgefundenen französischen
Übersetzung zu finden ist.
19)
Diese bedeutende, nur im Elsaß und Frankreich verbreitete Kongregation wurde 1783
gegründet. ... Geschichte der Kongregation der Schwestern von der göttlichen Vorsehung
(Kolmar 1910); Heimbucher, Die Orden und Kongregationen der katholischen Kirche III
(1908) 374.
20)
In diesem Schreiben bemerkt Bacher noch, daß ihn mehrere Pfarrer tadelten, weil er jener
Person, die man als Schwärmerin bezeichnete, Glauben schenkte; auch der Bischof
erfahre darob Tadel. "Ich lasse sie reden und bin gewillt, sie dennoch in die
Schwesternkongregation aufzunehmen."
21)
Das Schreiben ist aufgegeben zu Thann am 18. August.
22)
Vgl. das gründliche Werk von W. Liese, Wohlfahrtspflege und Caritas im Deutschen
Reich, Deutsch-Österreich, der Schweiz und Luxemburg (München-Gladbach 1914) 75.
23)
Über den Pauperismus im Elsaß zu dieser Zeit vgl. L. J. Reboul-Deneyrol, daselbst ein
äußerst lobender Abschnitt über die Schwestern von Niederbronn; Chr. Hackenschmidt,
Armut und Barmherzigkeit im Elsaß (Straßburg 1880); S. 68 f. werden die Niederbronner
Schwestern behandelt und das Zeitgemäße ihrer Gründung besonders hervorgehoben.
Für Deutschland: Fr. Schmidt, Über die Zustände der Verarmung in Deutschland, ihre
Ursachen und die Mittel, ihnen abzuhelfen (Zittau und Leipzig 1837); Rosch, Über die Not
im Volke, die Unzufriedenheit und die Auswanderungen (Nürnberg 1838); A. v.
Holzschuher, Die materielle Not der unteren Volksklassen und ihre Ursachen (Augsburg
1850).
24)
Gleichzeitig kamen auch in Deutschland allerlei wohltätige Genossenschaften auf, welche
die Not der Zeit angeregt hatte; siehe darüber W. Hohn, Barmherzige Schwestern vom hl.
241
25)
Karl Borromäus (Trier 1900) 289 f.
F. Hettinger bei G. Ratzinger, Geschichte der kirchlichen Armenpflege (1884).
26)
Ich entnehme alle diese und die folgenden Angaben einer geschriebenen Chronik des
Niederbronner Hauses.
27)
Mit Recht hebt E. Sitzmann (...) dieses Verdienst Reichards hervor.
28)
Vgl. darüber Glöckler, Un faux Louis XVII, le baron de Richemont, en Alsace 1849-1851
(Rixheim 1899) Louis Beuillot machte Anfang August 1850 im "Univers" einen heftigen
Ausfall gegen Niederbronn. Noch am 25. Januar 1852 konnte Herr Louis de Cissy, ein
ständiger Niederbronner Sommergast und eifriger Freund des Klosters, an Räß
schreiben, daß in Frankreich die Erregung gegen Niederbronn groß sei. Das beweisen
auch die vielen Anfragen französischer Bischöfe bei Räß aus dieser Zeit, die ich einsehen
konnte. Auch Bischof Räß, der den Abenteurer, der mehrere Tage in Niederbronn geweilt
hatte, bei sich in Sigolsheim empfing, zog sich dadurch bei der republikanischen
Regierung keine geringen Ungelegenheiten zu. Für die ganze damals so viel Staub
aufwirbelnde Ange legenheit ist auch die folgende Aufzeichnung des österreichischen
Botschafters in Paris, Grafen Joseph Alexander v. Hübner, nicht ohne Interesse; er
schreibt in seinen "Erinnerungen" unterm 13. Februar 1853: "der Bischof von Straßburg,
Monseigneur Räß, ein alter Bekannter aus der Zeit von 1831, wo er noch Domherr war,
versäumt es nie, wenn er nach Paris kommt, mich aufzusuchen. Heute speiste er bei mir,
und ich habe ihn selten in solcher Begeisterung wie diesen Abend gesehen. Er verehrt
Louis XVII. und ist überzeugt, daß derselbe in der Person des Baron Richemond noch
existiere. Dank einer Hellseherin, der Schwester Augusta von Niederbronn (der richtige
Name ist wohl dem Gedächtnis des Schreibers nicht gegenwärtig geblieben), von welcher
der Bischof viel Gutes sagt, ist dieser Glaube im Elsaß so ziemlich verbreitet. Diese
Volkslegende, würde man es glauben, beunruhigte Louis Napoleon bereits, als er nur
einfacher Präsident der Republik war, und er grollt deshalb dem Monseigneur Räß: "Der
Bischof von Straßburg", sagte er mir einmal, "tritt als Apostel eines Betrügers auf. Sie
glauben doch nicht, daß an dieser Geschichte etwas Wahres sein könnte?" Vgl. Graf J. A.
v. Hübner, Neun Jahre der Erinnerung eines österreichischen Botschafters in Paris unter
dem zweiten Kaiserreich 1851 - 1859 I (Berlin 1904) 65. - Über den problematischen Wert
solcher politischen Prophezeiungen vgl. J. Zahn, Einführung in die christliche Mystik
(Paderborn 1908) 527 f.
29)
Von der Korrespondenz des Bischofs von La Rochelle und Cisseys lagen mir Abschriften
des Herrn v. Cissey vor. Über Cisseys eifrige Beziehungen zu der Stifterin vgl. L. Bastien,
Vie de M. de Cissey (Paris 1893) 33 ff.
30)
Konvertit, 1832 von Metternich als Rat an die k. k. Hof- und Staatskanzlei in Wien
berufen; vgl. über ihn Rosenthals Konvertitenbilder aus dem 19. Jahrhundert I, 1. Abt.,
478 ff.
31)
7. Februar 1851.
32)
Straßburg, 14. Dezember 1851.
33)
Im Original unterstrichen.
34)
Bei Busson, Troisièmes lettres 59.
35)
Aus einer im Auftrag des Bischofs Weis von Speyer an den Reichsrat von Arco-Valley
gerichteten Denkschrift; über den Inhalt wird im zweiten Hauptteil bei der Darstellung der
242
Niederlassungen im Speyrer Bistum noch berichtet.
36)
Regelbuch für die Kongregation der Töchter des göttlichen Erlösers in Niederbronn
(Straßburg 1855, Eb. Huder), 20 Seiten. Daselbst erschien auch eine französische
Ausgabe.
37)
Sie starb heiligmäßig am 7. Juli 1871.
38)
18. Februar 1852.
39)
31. Oktober 1853, nach einem Schreiben von Räß an Reichard.
40)
Diese Berichte hat Räß sorgfältig aufbewahrt.
41)
Vgl. Reboul-Deneyrol, Paupérisme et Bienfaisance dans le Bas-Rhin 354.
42)
18. Dezember 1852.
43)
Vom 20. Dezember 1852.
44)
Bericht vom 12. Januar 1853.
45)
10. Dezember 1852.
46)
Diese Tätigkeit wird weiter hinten in einem eigenen Abschnitt ausführlich gewürdigt.
47)
Busson, Troisièmes lettres 66.
48)
Des im Krimkrieg (1854) gestorbenen Oberkommandierenden des französischen
Expeditionskorps.
49)
Er starb 1890 als Pfarrer zu Rädersheim.
50)
Die eine, Schwester Raphael, starb schon am 11. September 1854, die andere,
Schwester Felizitas, am 12. März 1857.
51)
Es amtierten dort die Herren Klein, der bald nach Amerika auswanderte, Gapp (1862),
Ritleng (1866), Köpfer (1867), Zimmermann (1870).
52)
Präfekt entspricht dem deutschen Regierungspräsident.
53)
Der eine Art geistliche Legion gestiftet hatte zur Missionierung Nordafrikas.
54)
Ein Herr Scheltienne aus Mézières.
55)
Sein Nachfolger wurde Pfarrer Rauch; Reichard hätte gerne seinen treuen und eifrigen
Administrator Lienhart als Nachfolger gesehen. Allein die Regierung, der für eine Pfarrei
zweiter Klasse konkordatsmäßig die Bestätigung des Pfarrers zustand, wollte ihn nicht
genehmigen, da er in der Affäre des falschen Thronprätentenden Richmont eine wichtige
Rolle gespielt hatte. Bischof Räß, der dem Kultusminister gegenüber betonte, daß er
selbst nie daran dachte, Lienhart für Niederbronn in Vorschlag zu bringen, weil diesem
"ausgezeichneten Priester" der Geist der Selbständigkeit mangelte, spendet ihm doch
243
hohes Lob dafür, daß er fast sein ganzes Vermögen für die Genossenschaft verwendet
habe.
56)
Im Mittelalter saßen hier die Edlen von Born. Im Jahre 1587 errichtete Graf Ludwig von
Leinigen einen Neubau, der 1669 zum Teil zerstört wurde. In der französischen
Revolution als Nationaleigentum versteigert, ging das Gut nacheinander an verschiedene
Besitzer über, zuletzt (1824) wurde es Eigentum des Grafen von Strahlenheim, Gemahls
einer Gräfin von Löwenhaupt; vgl. Näheres über die Geschichte des Schlosses und der
Herrschaft Oberbronn bei Clauß, Historisch-topographisches Wörterbuch des Elsasses
784 f.
57)
Für den in Italien weilenden Kaiser zeichnete die Kaiserin Eugenie.
58)
Niederbronn zählt heute ca. 3000 Einwohner; das Bad wurde früher viel stärker besucht
als jetzt. Das große Eisenwerk von Dietrich & Co. macht Niederbronn zu einem
bedeutenden Industrieort.
59)
Für die einzelnen Häuser verweise ich auf das dritte Buch.
60)
Aus einem Briefe der Münchner Oberin, Schwester Lukretia, an Superior Simonis vom
9. Januar 1873.
61)
Datiert Paris, 20. Dezember 1858.
62)
20. Dezember 1858.
63)
20. Dezember 1858.
64)
23. Januar 1859.
65)
29. Mai 1858.
66)
28. Januar 1859.
67)
26. Juli 1858.
68)
21. Dezember 1858.
69)
10. Januar 1859; mitgesandt waren Berichte des Dekans F. A. Hauck von Heidelberg, des
Vikars F. X. Höll von Karlsruhe und des Schwesternbeichtvaters Burger von Rastatt.
70)
Diese Animadversiones sind auch gedruckt in den Annales Iuris Pontificii (1866) 2174.
71)
Vgl. dazu F. B. Sägmüller, Lehrbuch des katholischen Kirchenrechts (Freiburg 1909) 846
ff.
72)
Im Jahre 1861 hatte er in Niederbronn die französischen Exerzitien gepredigt; vgl. über
ihn Merklen, L'abbé Ch. Martin, premier directeur du Gymnase catholique de Colmar
(1876).
73)
Predigt, gehalten im Kloster zu Niederbronn bei Gelegenheit des Approbationsfeier der
Kongregation des Allerheiligsten Heilandes (12. Juni 1866) von Herrn Abbé Simonis,
Professor der Heiligen Schrift in Straßburg (Straßburg 1866, Ed. Huder).
244
74)
Simonis pflegte dies öfters zu erzählen; vgl. J. Kannengieser, L'abbé Simonis (Rixheim
1914) 197.
75)
Am 3. August 1867.
76)
Brief vom 25. August 1867.
77)
Gütige Mitteilung des 1920 verstorbenen hochw. Herrn Provinzials P. Humbrecht vom
Kloster Bischenberg im Elsaß. P. Humarque war damals noch Weltpriester und Sekretär
des Bischofs Cavrot von St. Diè, späteren Kardinals von Lyon. Über ihn erschien eine
größere Biographie von P. H. M. Hamez: Le R. P. Humarque, rédemptoriste, ou le vienx
Père aveugle, 1817-1896 (Paris 1900).
78)
Constantinople, le 24 juillet 1854.
79)
Brief, datiert München, 22. November 1860. In einem andern Schreiben vom 17. Juni
1861 empfiehlt die Prinzessin verschiedene Anliegen dem Gebete der Schwester M.
Alphons. Diese hat der Prinzessin auch den Wunsch ausgesprochen, daß die
Kongregation sich möglichst verbreite, worauf die Prinzessin ihr mitteilte: "Ihr
Erweiterungswunsch liegt mir so sehr am Herzen, daß ich meinem hochw. Beichtvater
nach Rom schrieb, er möge für denselben von dem Papst seinen Segen und Gebet
erbitten." In einem Briefe vom 16. November 1862 beglückwünscht die Prinzessin der
Oberin zu ihrer Wiedergenesung.
80)
Niederbronn, 13. Februar 1867.
81)
Geboren 1834 zu Bennweier im Oberelsaß; er wurde 1884 Generalvikar des Bischofs
Stumpf und starb am 25. Juni 1905 als Domkapitular zu Straßburg.
82)
D. i. Subregens.
83)
Mann wollte wohl dadurch das Klostervermögen gegen eventuelle staatliche
Annexionsgelüste sicherstellen. Daß Schwester M. Alphons den Bischof zum Erben
einsetzte, geschah, um Erbansprüche der Ihrigen unmöglich zu machen. Daß aber die
Sache bedenklich war, zeigt der Prozeß. Von Interesse in dieser Frage dürfte eine
Mitteilung von Räß an Reichard, datiert 22. Februar 1852, sein. Räß teilt mit, daß der
Jesuitenprovinzial bei ihm war und ihm bekanntgab, daß die Mehrzahl der
Kongregationen es nach dem letzten Dekret (welchem?) vorziehe, auf den Namen einiger
Mitglieder zu erwerben.
84)
Aus einem Schreiben an den Regensburger Jesuiten P. Marty, der sich am 13. Dezember
1871 um Aufschluß über die Kriegsereignisse an Schwester M. Adelinde gewandt hatte.
85)
Ich konnte über den betreffenden Herrn nichts in Erfahrung bringen, kann daher den
Bericht der Schwester nicht auf seine Richtigkeit kontrollieren. Grund zum Zweifel liegt
aber nicht vor.
86)
Ich verdanke diese und andere Nachrichten der Schwester Leonie, die damals in
Oberbronn pflegte.
87)
Vgl. Zweites Buch.
245
88)
Vom 18. April 1871
89)
Soweit in der folgenden Darstellung die Person Sattlers handelnd erscheint, folge ich
einer von ihm verfertigten Aufzeichnung über die ganze Angelegenheit, betitelt
"Breviarium historicum", niedergeschrieben am 2. Februar 1872, 2 Folioblätter. Die
Stimmen der Gegenseite konnte ich in einer Reihe von Briefen verschiedener Schwestern
an den Bischof hören. Ich habe mich nach bestem Wissen und Gewissen bemüht, die
ganze Sache objektiv zu betrachten und darzustellen. Wertvolle Fingerzeige gab mir ein
nachträglicher Bericht von Superior Simonis an die S. Congr. Epp. et Reg.
90)
Die gedruckten Exemplare sind mit dem Druckjahr 1871 versehen: "Auszug aus den
Satzungen der Genossenschaft der Schwestern vom Allerheiligsten Heilande von
Niederbronn, Bistum Straßburg (Elsaß). Vom Heiligen Stuhl bestätigt. (Rixheim 1871, A.
Sutter.) 65 Seiten.
91)
Forsan acrius ac decuit, sagt er selbst in seinem Breviarium historicum.
92)
Brief vom 13. April 1870.
93)
Vom 12. November 1871.
94)
14. November 1871.
95)
Ich entnehme diese Einzelheiten der inhaltreichen Biographie von A. Kannengieser, Mr.
l'abbé Simonis, député au Reichstag, supérieur des Soeurs de Niederbronn (RixheimParis 1914). Eine kurze biographische Notiz hatte schon 1906 G. Glöckler geliefert: Ignaz
Simonis (Rixheim 1906).
96)
Das Nähere siehe ausführlich bei A. Kannengieser a. a. O. 95 ff.
97)
26. März 1878.
98)
Die reizende Episode bei A. Kannengieser, Mr. l'abbé Simonis 519 f.
99)
Aus einem Briefe an die Schwestern von Eschelbach vom Jahre 1894.
100) An Heinrich Weber in Bamberg, datiert Oberbronn, 2. Dezember 1892.
101) An denselben, 23. Juni 1897.
102) A. Kannengieser, Mr. l'abbé Simonis 526.
103) Wo sich seit 1880 das Mutterhaus befand.
104) Vom 21. September 1872.
105) Aus einem Brief von Simonis an Räß.
106) Das Schreiben ist abgedruckt bei A. Kannengieser, Mr. l'abbé Simonis 225 f. Ein gleiches
Schreiben erhielt auch Räß; das Original liegt im Ordinariatsarchiv.
107) Das Dekret bei A. Kannengieser a. a. O. 226.
246
108) Brief vom 23. April 1875.
109) Nach einer längeren Denkschrift von Simonis an Räß; der Superior betont darin, daß auf
diese Weise das Generalkapitel die verschiedenen Länder repräsentieren und die
fähigsten Schwestern erhalten würde.
110) Darüber ausführlich weiter unten.
111) Nach einem Schreiben des P. Freyd von Rom an Räß, 27. September 1873.
112) Simonis an Räß, 7. September 1875.
113) Simonis an Räß, 13. Januar 1876.
114) 20. Juli 1883.
115) Mainz, 25. Januar 1877.
116) Im dritten Buche.
117) An Heinrich Weber in Bamberg, 23. Juni 1897.
118) Nach einer Aufzeichnung von Schwester Stephanie.
119) Gedruckt: Festrede, gehalten bei Gelegenheit des goldenen Jubiläums der Kongregation
vom Allerheiligsten Heilande am 28. August 1899 in der Klosterkirche zu Niederbronn von
L. G. Glöckler (Rixheim 1899, A. Sutter).
120) In einem Brief an seine Nichte, die Baronin von Sensburg.
121) 17. Dezember 1900.
122) Schwester Leonie, die ehemalige Oberin von Zillisheim, hat sich der großen Mühe
unterzogen, eine große Anzahl dieser Briefe für mich zu sammeln und zu kopieren.
123) An die Schwester zu Worms, 5. Januar 1897.
124) An die Schwestern zu Neudorf, 20. Dezember 1894.
125) Nach Klein-Krotzenburg, 17. November 1898.
126) Nach Malmersbach, 21. Dezember 1891.
127) Nach Bruchsal, 10. November 1898.
128) Nach Neustadt, 8. Dezember 1896.
129) Nach Biernheim, 2. Oktober 1900.
130) Nach Lenggries, 25. März 1898.
131) Nach Blotzheim, 22. November 1896.
247
132) Nach Moosch, 19. Dezember 1892.
133) Nach Horchheim, 17. November 1893.
134) Nach Schifferstadt, 15. Juli 1897.
135) Nach Seligenstadt, 10. Dezember 1897.
136) Nach Mannheim, 2. Oktober 1892.
137) Nach Blotzheim, 29. Dezember 1893.
138) Nach A., 3. März 1898.
139) Nach Nürnberg, 11. Januar 1894.
140) Nach Moosch, 1. Mai 1893.
141) Nach Weiler, 12. November 1896.
142) Nach St. Amarin, 22. November 1897.
143) Nach Eschelbach, 31. Dezember 1888.
144) Nach Heppenheim, 17. November 1898.
145) Nach Füssen, 30. Dezember 1888.
146) Nach Mülhausen, 14. Februar 1898.
147) Nach Diesfeld, 17. Dezember 1900.
148) Nach Giesing, 6. November 1896.
149) Nach Blotzheim, 13. November 1898.
150) Nach Malmersbach, 21. Dezember 1891.
151) Nach N., 2. Februar 1899.
152) Nach E., 31. Dezember 1888.
153) Worms, 12. Dezember 1901.
154) Vgl. die Sonderschrift: Zum Jubelfest des hochw. Herrn Flor. Wolff, Klostergeistlichen zu
Oberbronn, am 8. November 1910 (Rixheim 1911).
155) Braun war auch als philosophischer und aszetischer Schriftsteller tätig; über ihn vgl. den
Nekrolog von N. Delsor in der Revue catholique d'Alsace (1911) 332-335.
156) Bei A. Kannengieser, Mr. l'abbé Simonis 553.
248
157) Darunter der tapfere Oberst der ehemaligen päpstlichen Armee, Blumenstihl.
158) Herr Superior Simonis, Anrede an die im Kloster zu Oberbronn versammelten Oberinnen
am Vorabend seiner Beerdigung (Rixheim 1903).
159) Trauerrede, gehalten von Ehrenkanonikus Superior Guerber am 14. Februar 1903
(Rixheim 1903).
160) Guerber, Trauerrede 15.
161) Eingehend unterrichtet über diesen Punkt A. Kannengieser, Mr. l'abbé Simonis 378 f.
162) Geboren am 22. August 1856 zu Bindernheim (Unterelsaß) als Sohn des Lehrers
F. X. Hanns, absolvierte er die humanistischen Studien im bischöflichen Kleinen Seminar
zu Straßburg und (seit 1874) im sog. Collège libre zu La Chapelle, das er als Baccalareus
verließ, um in das Priesterseminar zu Straßburg einzutreten. Am 8. August 1880 zum
Priester geweiht, wurde er als Vikar an der Münsterpfarre zu Straßburg, 1884 als Kaplan
an St. Martin in Kolmar angestellt. Im Jahre 1894 übernahm er die Pfarrei Neudorf im
Oberelsaß, in der er sich als praktischer Seelsorger sehr verdient machte; ein bleibendes
Andenken hat er sich durch den Bau der neuen Pfarrkirche gesichert.
163) Alles dieses wurde in den Jahren 1905 und 1906 geschaffen.
164) "Der Elsässer" vom 2. August 1909.
165) Marie Stumpff, geboren am 7. Februar 1865 zu Kestenholz im Unterelsaß, machte am
8. September 1885 Profeß.
166) Vgl. darüber die Schrift: Das St. Odilienkrankenhaus zu Straßburg-Neudorf (Straßburg
1912), und weiter unten im dritten Buch.
167) Vgl. die treffliche Übersicht von J. Fischer, Die Niederbronner Schwestern und ihre
Wirksamkeit in Elsaß-Lothringen, in Nr. 2 der "Elsaß-Lothringischen Blätter für
Armenpflege" (1914).
168) Am 20. Oktober 1919 unterrichtete der Kardinalstaatssekretär Gasparri die Generaloberin
von dieser Ernennung.
169) In der dänischen Monatsschrift "Varden" (November 1903) 237.
170) In den Heeren Napoleons waren öfters Krankenschwestern tätig.
171) Erst das tatkräftige Eingreifen der erwähnten Miß Nightingale machte den geradezu
entsetzlichen Zuständen im englischen Lager ein Ende; vgl. darüber Nutting und Dock,
Geschichte der Krankenpflege II (Berlin 1911) 108ff.
172) Ich fand diese Anzahl festgestellt in einer Notiz des Courier du Bas-Rhin vom 30.
November 1854; Miß Nightingale verdankte ihnen viele Anregungen und war ihnen
herzlich zugetan, weshalb sie natürlich in England von unerleuchteten Geistern
angegriffen wurde; vgl. Dora Melegari, Florence Nightingale, in der Zeitschrift Le
Correspondant vom 25. Juli 1913, 375.
173) "Das Bild einer barmherzigen Schwester" in dem katholischen Sonntagsblatt "der
249
christliche Pilger" (Speyer, 1. März 1885).
174) Nach einem Schreiben des erzbischöflichen Sekretärs Kornheisl an Superior Reichard
vom 17. März 1862 und der Schwester Theophil von Wien vom 22. März 1861.
175) Das Folgende nach einer Anzahl Originalkorrespondenzen des Wiener Hauses mit dem
Mutterhaus.
176) Über die Krankenpflege katholischer Ordensschwestern im Kriege von 1864 liefert
zahlreiche dankenswerte Angaben das Buch von Trewes, Geschichte der katholischen
Gemeinden zu Hamburg und Altona; vgl. auch "Kölnische Volkszeitung" 1914, Nr. 402.
Dazu J. Jeiler, Die gottselige Mutter Franziska Schervier (Freiburg 1912) 246 ff.
177) Über die Stationen dieses Spitals vgl. K. Roßbach, Geschichte der Entwicklung des
bayrischen Militärsanitätswesens (Ingolstadt 1904) 150.
178) Nach einem Bericht der Schwester Gervasia von Bodenheim.
179) Soisy, 9. Januar 1871.
180) Französischer Name für Acheolus.
181) Schreiben an die Generaloberin vom 7. März 1871.
182) 18. Oktober 1872; am 20. Juni 1873 erhielt es das von der Kaiserin Augusta gestiftete
Verdienstkreuz für Frauen und Jungfrauen.
183) Vgl. Festschrift zur Erinnerung an das 50jährige Stiftungsfest des St. Vinzentiusvereins
Karlsruhe (1901) 30.
184) Originalbrief vom 28. Dezember 1887 im Archiv Oberbronn.
185) Datiert Darmstadt, 9. Januar 1888.
186) V. Stoeber et G. Tourdes, Topographie et histoire médicale de Strasbourg et du
département du Bas-Rhin (Paris-Strasbourg 1864) 448.
187) Vgl. Gazette médicale de Strasbourg (1854) 273 ff.
188) In der Zeit vom 16. Juli bis 7. November forderte die Krankheit in Straßburg 550 Opfer, in
Barr 92, Kestenholz 86, Schlettstadt 47, Mutzig 82, Hagenau 38, Hindisheim 21,
Maasmünster 21, Oberehnheim 17, Müttersholz 14, Schiltigheim-Bischheim 51; im
ganzen Unterelsaß ca. 1130 Tote; vgl. Stoeber et Tourdes a. a. O. 455.
189) 14. April 1855.
190) Vgl. die Schilderungen in dem Blatt Le Glaneur du Haut-Rhin vom 6. August 1854.
191) Ich zeichne dieses Krankheitsbild nach Schilderungen in der Leitung Le Glaneur du HautRhin vom 6. August 1854 und bei M. Frank, Die Choleraepidemie in München im Jahre
1873 - 1874 )München 1875) 261 f.
192) Courier du Bas-Rhin vom 25. September 1854. Ferner wurde der Verkauf der Gurken
250
verboten, was aber unter dem Volke erregte Protestkundgebungen hervorrief; ebd. vom 6.
September.
193) Dem Verfasser hat die ehrwürdige, hochbetagte Schwester Caritas im Sommer 1914
diese Einzelheiten selbst erzählt; sie ist am 23. Juli 1915 gestorben.
194) Solche Kämpfe bei toten Colerakranken sind konstatiert z. B. in der Gazette médicale de
Strasbourg (1855) 355f.; M. Frank, Die Choleraepidemie in München im Jahre 1873 1874 (München 1875) 76; vgl. auch die lebendige Schilderung der Cholera in Berta
v. Suttners bekanntem Roman "Die Massen nieder" auch Maxim Gorkis Novelle "Orlow
und seine Frau".
195) Bei Schickelé, Le curé Maimbourg, in der Revue catholique d'Alace (1912) 80.
196) Räß an Reichard, Sigolsheim, 11. Oktober 1854.
197) Schreiben vom 24. Oktober 1854.
198) Schreiben vom 28. und 31. August 1854.
199) Brief vom 24. Oktober 1854.
200) Maville, 19. August 1854.
201) 30. Oktober 1854.
202) Loisy, 28. Oktober 1854.
203) Durch Schreiben der betreffenden Präfekten an Bischof Räß vom 25. Juli und 1.
September 1855.
204) Der Präfekt des Oberrheins an Bischof Räß, Colmar, 27. November 1854.
205) 23. November 1854, im Ordinariatsarchiv.
206) Vgl. Schickelé, Le curé Maimbourg (1912) 256.
207) Des Vogesendepartements.
208) In Niederbronn starben von 136 Kranken 44, in Reichshofen kamen auf 386 Kranke 104
Todesfälle; vgl. Stoeber et Tourdes, Topographie 455.
209) Später nach Niederbronn verlegt.
210) In Hagenau gab es 92, in Schlettstatt 25 Todesfälle. Im ganzen Unterelsaß belief sich ihre
Zahl auf 530; vgl. Stoeber et Tourdes a. a. O.
211) In Sulz gab es am 16. August bereits 117 Tote; vgl. Glaneur du Haut-Rhin vom 26. August
1855. In Mülhausen forderte die Cholera im Juli 290, im August 102 Opfer; ebd.
212) Paris, 9. April 1856.
251
213) Gestorben in München 1893.
214) Vgl. über dieses Cholerajahr M. v. Pettenkofer, Zum gegenwärtigen Stand der
Cholerafrage (München und Leipzig 1887) 161 ff.
215) Durch Ratsbeschluß vom 17. Oktober 1867 waren 75 Gulden bewilligt worden.
216) Vgl. über diese Epidemie M. v. Pettenkofer, Zum gegenwärtigen Stand der Cholerafrage
551 ff.
217) Aufgezeichnet am 6. Januar 1914.
218) Das stimmt wohl nicht ganz; nach M. v. Pettenkofer (a. a. O. 551) begann die Epidemie
Ende August.
219) Schwester Fredine starb am 23. Januar 1890 infolge unermüdlicher Pflege der
Influenzakranken.
220) Vgl. darüber M. v. Pettenkofer, Zum gegenwärtigen Stande der Cholerafrage 423; dazu
M. Frank, Die Choleraepidemie in München im Jahre 1873 - 1874.
221) Man zählte 1466 Todesfälle auf 3040 Erkrankte; vgl. M. Frank a. a. O. 112.
222) Schreiben des Präfekten an Bischof Räß, Colmar, 1. Mai 1855, im Ordinariatsarchiv.
223) Er war der Bruder der späteren Münchner Oberin Schwester Lucretia.
224) Einem Schreiben des Betreffenden Arztes an die Generaloberin (Bitsch, 18. März 1884)
entnommen.
225) Das Journal de Châtillon vom 12. Dezember widmet der Schwester einen sehr
ehrenvollen Artikel.
226) Nach Schäfer, Die weibliche Diakonin III, bei A. Nutting u. L. Dock, Geschichte der
Krankenpflege II (Berlin 1911) 42.
227) W. Längstalter, Diakonissen oder Barmherzige? (Leipzig 1904) 135.
228) Paris, 15. September 1892.
229) "Wormser Nachrichten" vom 21. November 1913.
230) Aus einem Bericht, den Bischof Weis im Jahre 1855 an den Reichsrat v. Arco-Valley nach
München schickte.
231) Reims, 12. November 1894.
232) Das betont auch G. Ratzinger, Geschichte der kirchlichen Armenpflege (1884).
233) Vgl. besonders A. v. Lindheim, Saluti aegrorum. Aufgabe und Bedeutung der
Krankenpflege im modernen Staate (Leipzig und Wien 1905) 11 ff.
234) Bei Hauser u. Düttmann, Die Krankenpflege auf dem Land (Leipzig 1899) 92.
252
235) Niederbronn, 5. Januar 1853.
236) G. Liebe, P. Jacobsohn, G. Meyer, Handbuch der Krankenversorgung und
Krankenpflege I (Berlin 1899) 244. Auch J. Schilling (Die Krankenpflege in kleinen Städten
und auf dem Lande, in "Deutsche Krankenpflege-Zeitung" - 1898) erblickt die
Hauptaufgabe der Landkrankenpflegerin in der volkshygienischen Mission, welche sie
unter der Bevölkerung zu erfüllen hat.
237) Vgl. z. B. Archiv für öffentliche Gesundheitspflege in Elsaß-Lothringen X (1885) 376 f., wo
es für die Stadt Straßburg heißt: "Die von denselben (d. i. Niederbronner Schwestern)
geleisteten, aufopferungsvollen Dienste bei der Stadtkrankenpflege werden allerorts
anerkannt."
238) Vgl. dazu besonders A. v. Lindheim, Saluti aegrorum 330 f., wo die Notwendigkeit einer
geordneten Krankenpflege für ländliche Distrikte anerkannt wird.
239) So Dr. Düttmann bei Hauser u. Düttmann, Die Krankenpflege auf dem Lande 66.
240) Ebd. 66. Düttmann nennt S. 67 Anm. 2 die Niederbronner Schwestern unter den
Genossenschaften, die sich vorzugsweise der ambulanten Krankenpflege widmen.
241) Denkschrift über die Krankenfürsorge des Dritten Ordens, in Bayern anerkannter Verein,
Sitz in München (1913) 2.
242) Hauser u. Düttmann a. a. O. 82, Anm. 1.
243) Vgl. dazu eine Äußerung des Medizinalrates Dr. Rathmann (Die berufliche und freiwillige
Krankenpflege der Frau - Leipzig 1913 - 31): "Die Orden leisten durch ihre strenge
Disziplin Vorzügliches, sie verlangen von ihren Mitgliedern absolute Entsagung und
Aufopferung für den idealen Zweck und arbeiten, was nicht zu unterschätzen ist, zumal für
einen schwer belasteten Gemeindesäckel, sehr viel billiger als andere krankenpflegende
Organisationen."
244) Vgl. im dritten Buch die Darstellung der Einzelhäuser.
245) Vgl. Dr. A. Kuhn, Bericht über die Tätigkeit der Krankenpflegeschule am St.
Odilienkrankenhaus zu Straßburg-Neudorf, in der "Straßburger medizinischen Zeitung"
(1914) 24 ff.
246) Eine gute Entkräftigung der gegen den Krankendienst katholischer Ordensschwestern
gerichteten Vorwürfe bei W. Längstalter, Diakonissen oder Barmherzige? 127 ff.
247) Über die Entwicklung des Kleinkinderschulwesens in Deutschland vgl. K. A. Schmid,
Enzyklopädie des gesamten Erziehungs- und Unterrichtswesens IV (1881) 29 - 62; A.
Hirtz, Krippen, Kinderbewahranstalten, Kinderhorte (Hamm 1906); Roloffs Lexikon der
Pädagogik II 1189.
248) A. Hirtz a. a. O. 35.
249) Gegen den "pietistischen" Einschlag der Kinderschulen wendet sich z. B. A. Fischer, Die
Hauptprobleme der Kindergartenreform, in der Zeitschrift für pädagogische Psychologie
und experimentelle Pädagogik, 14. Jahrg. (1913) Heft 1. In Reims Enzyklopädischem
253
Handbuch der Pädagogik ist die christliche Bewahrschule, die ja auch auf evangelischer
Seite einen wichtigen Bestandteil der inneren Mission bildet, gar nicht erwähnt. Dagegen
wird ihr Schmids Enzyklopädie (IV 33 ff.) in ausgezeichneter Weise gerecht, mag er auch
zunächst nur die evangelische Schule im Auge haben. In trefflicher Weise wird diese auch
behandelt von Schwester Henriette, Die Kinderbewahranstalt auf dem Lande (Jena 1902),
S. 6: "Kinderbewahranstalten... sollten ausschließlich in christlichem Sinne geleitet
werden."
250) Über Krippen vgl. A. Hirtz, Krippen, Kinderbewahranstalten, Kinderhorte 61; Roloffs
Lexikon der Pädagogik II 1118; hier wird die Zahl der gegenwärtig in Deutschland
bestehenden Krippen auf 200 angegeben, wovon 25 - 30 von katholischen
Ordensgemeinschaften geleitet werden.
251) Vgl. dazu W. Liese, Wohlfahrtspflege und Caritas im Deutschen Reich 145 f.
252) Nieden in Reims Enzyklopädischen Handbuch der Pädagogik IV (1906) 910.
253) Mit Recht sagt Nieden a. a. O.: "In den konfessionell getrennten Horten kann die
erziehliche Einwirkung eine tiefergehende sein als in den konfessionell gemischten
Anstalten." Im Jahre 1913 gab es in Deutschland in 256 Orten 1245 Horte; vgl.
Pädagogische Jahresschau über das Volksschulwesen im Jahre 1913 (Leipzig und Berlin
1914) 139. Davon stehen 150 in katholischer Leitung.
254) So wurden im Hort und in der Bewahrschule des Herz-Jesu-Klosters in München in der
Vorkriegszeit ca. 500 Kinder beschert.
255) W. Hohn, Die Nancy-Trierer Borromäerinnen in Deutschland 1810 - 1899. Ein Beitrag zur
Statistik und Geschichte der Barmherzigen Schwestern, ihres wohltätigen und sozialen
Wirkens (Trier 1899) 203. Hohn hat in diesen wertvollen Studien die wirtschaftlichen
Momente zuerst gründlich und zutreffend betont.
256) Dieses Moment ist von Hohn (Die Nancy-Trierer Borromäerinnen in Deutschland 1810 1899) für die Borromäerinnen treffend ausgeführt worden, gilt aber für alle karitativen
Genossenschaften.
257) F. Schaub, Die katholische Caritas und ihre Gegner (München-Gladbach 1909).
258) Jetzt zum XIV. Stadtbezirk gehörig.
259) Abschrift des Schreibens im Straßburger Ordinariatsarchiv; vgl. auch C. Wolfsgruber,
Josef Othmar Rauscher, Kardinalerzbischof von Wien (Freiburg 1888) 342.
260) In einem im Wiener "Vaterland" vom 4. August 1907 veröffentlichten "Gedenkblatt zu
fünfzigjährigen Jubelfeier der Kongregation der Töchter des göttlichen Erlösers in Wien"
ist irrigerweise 1856 als Eröffnungsjahr der Anstalt angegeben.
261) Brief vom 5. Oktober 1857.
262) Am 1. Oktober 1860 übernahmen Schulschwestern aus Bayern das Schwesternhaus zu
Reindorf; vgl. C. Wolfsgruber, Kardinal Rauscher 343.
263) 4. Dezember 1861.
264) Straßburg, 5. Juli 1863.
254
265) Gedruckt von Ludwig Mayr in Wien.
266) Dieselben wurden durch den Niederbronner Klostergeistlichen Vix den Wiener
Schwestern erteilt; seit September 1864 hatten sie mit Erlaubnis des Kardinals einen
eigenen, der Straßburger Diözese angehörenden Hausgeistlichen, den in jeder Beziehung
trefflichen Abbé Brey, der sich in Wien größter Wertschätzung erfreute.
267) Vgl. darüber C. Wolfsgruber, Kardinal Rauscher 342.
268) Am 25. Januar 1866; ich entnehme dieses Datum einem Schreiben des Kardinals an Räß
vom 19. Februar 1866.
269) Schreiben an Mutter M. Alphons, Straßburg 30. März 1866.
270) D. i. Würzburg.
271) In einem längeren Schreiben vom 14. November 1868 an die S. Congr. Regular. et Episc.
rechtfertigte Kardinal Rauscher sein Vorgehen.
272) Nach dem Festbericht in dem Wiener "Vaterland" vom 4. August 1907.
273) W. Liese, Wohlfahrtspflege und Caritas im Deutschen Reich, Deutsch-Österreich, der
Schweiz und Luxemburg (München-Gladbach 1914) 76. Auf reichsdeutschem Boden
gründete 1914 das Wiener Mutterhaus eine Filiale zu Neunkirchen im Fürstentum
Birkenfeld; vgl. "Kölnische Volkszeitung" 1914, Nr. 507.
274) Was ja der Fall war.
275) Als Schwester Amelie verblieb diese Gräfin im Mutterhaus.
276) Um 1908 zählte die Ödenburger Kongregation in 38 Häusern ca. 300 Schwestern; vgl.
Heimbucher, Die Orden und Kongregationen der katholischen Kirche III (1908) 571.
Schwester Basilisse ist später aus der Genossenschaft ausgetreten.
277) Nach Briefen von Simonis an Bischof Stumpf von Straßburg vom 4. und 11. Mai 1888.
278) Nach Briefen Reichards an Räß vom 11. März 1851 und 4. Mai 1851.
279) Wiesbaden, 24. Juli 1853.
280) Am 11. Oktober 1904 beging die Würzburger Kongregation die Feier des fünfzigjährigen
Bestehens. Bei dieser Gelegenheit gab die "Augsburger Volkszeitung" vom 14. Oktober
einige geschichtliche Notizen, die sich jedoch nur auf die spätere Zeit beziehen.
281) Bischof Georg Anton an Räß, Kissingen, 29. August 1864.
282) Die Generaloberin an Schwester Honorine, 25. Juli 1865.
283) Brief an Bischof Georg Anton vom 9. August 1865; nach einer Kopie im Straßburger
Ordinariatsarchiv.
284) Die Generaloberin an Schwester Honorine am 9. Februar 1866.
255
285) Durch Brief vom 15. April.
286) Bischof Räß erhielt die ähnlich gehaltene Mitteilung unterm 24. Juni. Sie schließt mit den
Worten: "Die Erhebung des hiesigen Hauses zu einem Mutterhaus ist eine vollendete
Tatsache. Bei allem, was in dieser Hinsicht geschehen ist und noch geschehen soll, war
und wird es mein Wille sein, den ganzen Akt derart durchzuführen, daß ich ruhig darüber
in die Ewigkeit gehe und also auch Rom und Niederbronn die Sache nach den Regeln der
Gerechtigkeit ordne."
287) Räß an Schwester Bonaventura in Darmstadt vom 16. August 1867.
288) Im Jahre 1872 schrieb der neue Superior Simonis dem Straßburger Bischof, daß ihm der
Münchner Domprediger (gemeint ist Ehrler, der spätere Bischof von Speyer), der 1867
noch zur Würzburger Diözese gehörte, öfters mitgeteilt habe, daß der (1870) verstorbene
Bischof Georg Anton v. Stahl sein damaliges Vorgehen bitter bereut habe (Simonis an
Räß vom 1. Mai 1872). Hier sei noch eine Stelle aus einem Schreiben des Ingolstädter
Benefiziaten Anton Lindl an den Superior Sattler (Ingolstadt, 25. Oktober 1869) mitgeteilt,
wo es heißt, "daß der gute Bischof von Würzburg hintergangen und die selige ehrwürdige
Mutter verleumdet worden ist". Auch folgende Stimmen haben für den
Geschichtsschreiber der Kongregation gewissen Wert.
289) Es lag mir eine Bescheinigung der Stadtverwaltung vom 14. September 1878 vor, die den
scheidenden Schwestern dankt und bedauert, "daß die Bewilligung der Verlängerung des
Aufenthaltes der Schwestern der Kompetenz der Ortsbehörde entrückt ist".
290) Als Superior Simonis bei dem Regierungspräsidenten von Würzburg, den er im Reichstag
traf, persönlich um eine weitere Autorisation der Münnerstadter Niederlassung
nachsuchte, erhielt er einen abschlägigen Bescheid mit der interessanten Begründung,
daß der damalige Kapitularvikar Dr. Himmelstein keine Niederbronner Schwestern
wünschte. Dr. Himmelstein war im Jahre 1866 Superior des Würzburger Hauses
gewesen.
291) Vgl. A. Schnütgen, Das Elsaß und die Erneuerung des Katholischen Lebens in
Deutschland von 1814 bis 1848 (Straßburg 1913) 141 f.; H. Maas, Geschichte der
katholischen Kirche in Baden (Freiburg 1891) 186 f.; Mayer, Der Orden der Barmherzigen
Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul in der Diözese Freiburg 1845 - 1896 (Freiburg
1896).
292) So die Gengenbacher Schwestern, gestiftet 1866.
293) Vgl. die Festschrift: "Zur Erinnerung an das fünfzigjährige Stiftungsfest des St.
Vinzentiusvereins Karlsruhe 1851 - 1901" (Freiburg, Caritasdruckerei), 33 Seiten. Über
Höll vgl. F. Dor, Lebensbilder aus dem Seelsorgeklerus (Karlsruhe 1916) 1 - 29.
294) Festschrift des Vinzenzvereins 20.
295) Es handelt sich um Dr. Ruppert.
296) Ein Bericht der Karlsruher Schwestern vom Jahre 1883 zählt allein 40 Fälle auf von
Sterbenden, die nach vieljähriger religiöser Gleichgültigkeit wieder die heiligen
Sakramente empfingen.
297) Vollendet 1891 unter Leitung des Kunstmalers Mader.
256
298) Festschrift 22.
299) In einem Schreiben an den Oberstiftungsrat Mader vom 22. November 1891.
300) In dem oben erwähnten Schreiben vom 31. Dezember 1890.
301) So dankte er ihr unterm 5. Juni 1867 "für den klugen und entschlossenen Eifer, den sie
bei dieser historischen Angelegenheit entwickelt und bewiesen habe". In gleicher
Angelegenheit schrieb er unterm 16. August 1867.
302) Schwester Bonaventura an Räß, Darmstadt, 14. August 1867.
303) Festschrift 26.
304) Ebd.; hier auch die Baugeschichte des Hauses 24 ff.
305) Abgedruckt in der Festschrift des "Badischen Beobachters" vom 1. Juli 1907.
306) Vgl. die treffliche Biographie von O. Pfülf S.J., Bischof v. Ketteler I (Mainz 1899) 291.
307) Eingehend ist sein Wirken geschildert in der inhaltreichen "Festschrift zur Einweihung der
katholischen St. Elisabethenkirche zu Darmstadt am 30. September 1905". Wo sie für die
nachfolgende Darstellung herangezogen wurde, ist sie als "Festschrift" zitiert. Im übrigen
stütze ich mich für die Geschichte des Darmstädter Hauses auf die Korrespondenz Lüfts
mit Räß, Briefe Kettelers und offizielle Aktenstücke.
308) Vgl. Predigt zur Feier des fünfundzwanzigjährigen Bestehens des barmherzigen
Schwesternhauses zu Darmstadt, gehalten am 14. September 1884 von J. B. Beyer,
Stadtpfarrer und Dekan (Darmstadt 1884, Herbert) 4; O. Pfülf, Bischof v. Ketteler I 291;
Festschrift 34.
309) Lüft an Räß am 24. November 1859.
310) 1885 umgewandelt in die Marianische Jungfrauenkongregation.
311) Aus einem Schreiben Lüfts an Räß vom 1. Juli 1860.
312) König Ludwig I. von Bayern hatte 1000 Gulden gespendet, die Großherzogin Mathilde 500
Gulden nebst einem jährlichen Beitrag von 200 Gulden, eine Lotterie in Darmstadt hatte
1200 Gulden ergeben. Festschrift 34.
313) Vgl. "Darmstädter Zeitung" vom 14. Februar 1862.
314) Die Entschließung wurde dem Kammerherrn Freiherr v. Stein vom Ministerium am 1. Mai
1862 zugestellt.
315) Festschrift 35.
316) Lüft an Räß, 11. Januar und 21. Mai 1864.
317) Die spätere Frau Oberhofmarschall Westerweller von Anthoni.
257
318) Am 30. Mai 1862 hatte sie vom Großherzog die goldene Medaille des Ludwigsordens
erhalten.
319) Leider pflegte Schwester Bonaventura viele ihrer Briefe nicht zu datieren. In einem
undatierten Schreiben meldet sie auch einmal ins Mutterhaus, daß König Ludwig von
Bayern in bürgerlicher Kleidung ganz unerkannt sich das Klösterchen angesehen habe;
an der großherzoglichen Tafel habe man sich darüber köstlich amüsiert.
320) Am 7. April 1865 schrieb die Generaloberin an Lüft, daß Schwester Bonaventura immer
große Ausgaben hätte: "sie habe so viele schamhafte Arme, denen sie in der Not
beispringe, ohne jemand anderem Rechenschaft abzulegen als mir allein. Gerade an
solche Arme verwendet sie ihre Gaben, die sie von Wien und Rußland erhielt, weil unsere
Regeln hauptsächlich darauf dringen, die Almosen so zu verwenden".
321) "Lüft", so teilt Schwester Bonaventura ihrer Generaloberin mit, "sagte mir, er hätte noch
immer geglaubt, daß das Geld uns gehöre, denn es sei außer Zweifel."
322) Aus einem Schreiben Backés an die Generaloberin vom 13. November 1866.
323) D'Astorg an Räß, 4. August 1869.
324) Die Baronin C. van der Capellen an Räß, 4. August 1869.
325) Sie hatte sich überanstrengt.
326) O. Pfülf, Bischof v. Ketteler III 241.
327) Freiherr v. Ketteler an die Generaloberin, Mainz, 6. August 1875.
328) Vgl. darüber O. Pfülf, Bischof v. Ketteler III 206 ff.
329) Es handelte sich um die Approbation der neuen Statuten.
330) Predigt a. a. O. 5.
331) Festschrift 47.
332) Gestorben am 22. März 1911.
333) Im Jahre 1869, als sich der erste Todesfall im Schwesternhause ereignete (Schwester
Eulalie), hatte die Stadt einen ausgedehnten Begräbnisplatz gestiftet.
334) Im Jahre 1891 folgte er dem am 5. März 1890 verstorbenen Pfarrer Beyer. Gestorben am
9. Mai 1915.
335) Ich folge hier und für das Folgende zum Teil der gründlichen Darstellung in F. X. Remlings
trefflichem Buche "Nikolaus v. Weis, Bischof zu Speyer. Sein Leben und Wirken" I
(Speyer 1871) 156 ff.
336) Über dieses Haus und seine kurze Geschichte siehe weite hinten.
258
337) Abgedruckt in der "Deutschen Volkshalle" (Köln 1856) Nr. 17.
338) Diese schlimmen Zustände in der Pfalz beleuchtet grell die Flugschrift: "Ein offener Brief
über die Not in der Pfalz, ihr Wesen, ihre Ursachen und Wirkungen und über die Mittel zu
deren Abhilfe" (Kaiserslautern 1855).
339) Dieser war seit dem 18. Mai 1854 als Nuntius bei dem bayrischen Hofe beglaubigt.
340) Er starb 1880 als Domkapitular zu Speyer; vgl. über ihn Buchbergers Kirchliches
Handlexikon II (1912), Sp. 1002.
341) Wir haben sie im ersten Teil dieses Buches mehrmals angezogen; auch Remling
(Nikolaus v. Weis 158) hat sie benutzt. Mir lag eine Abschrift des Oberbronner
Klosterarchivs vor.
342) Die Verfügung ist abgedruckt in der "Deutschen Volkshalle" (Köln 1855) Nr. 19.
343) Am 23. Januar 1855; auch der Münchner "Volksbote" in Nr. 20 und die Beilage zur
"Pfälzer Zeitung" vom 26. Januar 1855 ließen sich vernehmen.
344) F. X. Remling, Nikolaus v. Weis I 171.
345) Jahrg. 1855, S. 56. Dieser geharnischte Artikel hat zweifellos Molitor zum Verfasser; zur
Sache vgl. auch noch die Wochenschrift "Der christliche Pilger" (Speyer 1855) 31.
346) Verfügung vom 12. März 1879.
347) Speyer, 10. August 1883.
348) D. i. die Würzburger Angelegenheiten.
349) v. Prentner an den Superior (damals Schott, interimistischer Leiter), 13. November 1867.
350) Schott an Räß, 19. November 1867.
351) Schott an v. Prentner, 24. November 1867.
352) Sattler (der neue Superior) an Räß, 20. Januar 1869.
353) Schreiben des Ordinariats an das Staatsministerium des Innern für Kirchen- und
Schulangelegenheiten vom 13. Juni 1870.
354) Vgl.
auch
J.
Silbernagl,
Verfassung
und
Verwaltung
Religionsgenossenschaften in Bayern (Regensburg 1900) 644.
sämtlicher
355) Nach dem Schreiben des Bischofs Räß an den Erzbischof von München vom 30.
Dezember 1873.
356) Nach ausführlichen Aufzeichnungen von Simonis.
357) Herr Generalvikar Rampf bemerkte einmal zu Simonis, daß seinerzeit aufgefallen sei, daß
man die Sache dem Mutterhause verheimlicht habe.
259
358) Ich folge hier, wo nichts anderes vermerkt, den Ausführungen von Simonis, deren
unbedingte Zuverlässigkeit ich an der Hand seiner Korrespondenz mit Räß kontrollieren
konnte.
359) Simonis an Räß, München, 19. Mai 1873.
360) Simonis an Räß, 1. August 1873.
361) Sint ut sunt, aut non sint. Schon am 2. Mai 1873 hatte Simonis bei seinem Bischof von
München aus angefragt, was er tun solle, da er die Verantwortung in der Angelegenheit
nicht tragen wolle. "Ich wünsche nur nach Ihren Anweisungen zu handeln." Daraus und
aus andern mir vorliegenden Belegen geht hervor, daß Simonis in der ganzen
unerquicklichen Angelegenheit nur auf Anweisung seines Bischofs handelte.
362) Später Bischof von Speyer.
363) Nach einem Schreiben von Simonis an Räß, 21. November 1873.
364) Er hatte als theologischer Beirat den elsässischen Missionsbischof Kobès nach Rom
begleitet.
365) Sie waren um diese Zeit schon außer Kraft gesetzt.
366) Kardinal Binarri, Präfekt der C. Episc. et Reg., an Räß, Romae 15 Aprilis 1874. Auch der
Vorschlag eines geteilten Noviziates wird hier abgelehnt.
367) Er gibt diese in der Denkschrift auch genau an.
368) Der bedeutende Forscher
Geheimkämmerer.
für
Reformationsgeschichte,
seit
1902
päpstlicher
369) 1889 - 1897 Erzbischof von München.
370) Vom Oktober 1907 bis Juli 1908 und Oktober bis 18. Dezember 1908 war die
Klosterkirche der Heiliggeistpfarrei, deren Kirche renoviert wurde, zur Abhaltung der
Pfarrgottesdienste ganz zur Verfügung gestellt.
371) Er starb schon im Jahre 1905.
372) Man vgl. nur das Werk von H. Keller, Les congrégations religieuses en France (Paris
1880).
373) Jvry, le 10 juin 1871; Originalschreiben an H. Müller im Klosterarchiv
374) Es handelt sich um das Waisenhaus des Fabrikanten in Jvry.
375) Gemeint ist das Hospice des incurables in Jvry.
376) Über ihr Wirken vgl. die Festschrift: Jubilé de Soeur Stéphanie, Supérieure de l'Orphélinat
de Guebwiller 1872 - 1897.
260
377) Vgl. über diese große Wohltäterin die Biographie von J. Wagner, Vie de Madame Miquey
et souvenirs de Mulhouse (Mulhouse 1891). Über ihre Beziehungen zu den Schwestern
besonders S. 41 f. 95 ff.
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