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VS 9
Neue Formen und Rollen für die Psychologie in philosophischen Grundlegungsprogrammen;
„Stream of consciousness“
I. „What I want is facts“. Tatsachen und innere Wirklichkeit
II. Stream of consciousness: Entdeckungen in der inneren Wirklichkeit bei
William James und Joyce
III. Sigmund Freud: Das Realitätsprinzip und die Struktur des psychischen
Apparats
IV. Edmund Husserl: Philosophie als strenge Wissenschaft
Gegen Naturalismus und Psychologismus
Begründung einer Phänomenologie
I. „What I want is facts“
Charles Dickens, Hard Times, Schilderung einer Schulszene vor dem Hintergrund strikt empiristischer
Annahmen: „Now, what I want is, Facts. Teach these boys and girls nothing but Facts. Facts alone are
wanted in life. ... You can only form the minds of reasoning animals upon Facts: Nothing else will ever
be of any service to them.“ Der Lehrer „went to work in the preparatory lesson, not unlike Morgiana in
the Forty Thieves: looking into all the vessels ranged before him, one after another, to see what they
contained. Say, good M’Choakumchild, When from thy boiling store, thou shalt fill each jar brim full byand-by, dost thou think that thou wilt always kill outright the robber Fancy lurking within – or sometimes
only maim him and distort him!“
- Facts versus Fancy
- Zusammenfassung zur vorigen Stunde: Es gibt unterschiedliche Typen von Erfahrungsphilosophie,
natur- und geisteswissenschaftlich ausgerichtet
- neue Rolle der Psychologie, die sich als Disziplin verselbständigt (führt 1913 zu einem „Lehrstuhlstreit“
zwischen Philosophie und Psychologie)
II. Stream of consciousness: Entdeckungen in der inneren Wirklichkeit bei William James und Joyce
William James (amerikanischer Philosoph und Psychologe, 1842-1910; lehrt erst Physiologie, dann
Professor für Philosophie, dann Profoessor fü+r Psychologie).
Psychologische Kernaussagen (vgl. seine Principles of Psychology, 2 Bde., 1890):
- Gegen Elementarismus; der menschliche Geist erweist sich bei genauer (Selbst-)Beobachtung nicht
also aus Elementen aufgebaut
- „we now begin to study the mind from within.“
- „Stream of thought“: Geist erweist sich als kontinuierlich
- Logische Zustände werden in die psychologische Untersuchung einbezogen
Techniken des „stream of thought“ setzt – neben vielen anderen – James Joyce literarisch ein; vgl. z.B.
folgende Passage aus dem Schlußkapitel von Ulysses:
„frseeeeeeefronnnng train somewhere whistling the strength those engines have in them like big giants
and the water rolling all over and out of them all sides like the end of Loves old sweet sonnnng the poor
men that have to be out all the night from their wives and families in those roasting engines stifling it
was today Im glad I burned the half of those old Freemans and Photo bits leaving things like that lying
around hes getting very careless and threw the rest of them up in the W C Ill get him to cut them
tomorrow for me...“
Auffallend dabei ist: Sobald man die wissenschaftlich motivierbare Forderung umsetzt, genau zu
beschreiben, was im menschlichen Geist vorgeht, scheint der verbindliche Charakter zu verschwinden.
Logik funktioniert nicht mehr durchgängig, lautmalerische Elemente treten auf, die Grammatik wird
gedehnt, die Kontinuitäten, wie sie auch James betont, sind nicht länger die des stringenten
argumentativen Zusammenhangs.
III. Sigmund Freud: Das Realitätsprinzip und die Struktur des psychischen Apparats
- Freud und die Frage nach der Realität: „Der Neurotiker wendet sich von der Wirklichkeit ab, weil er sie
– ihr Ganzes oder Stücke derselben – unerträglich findet.“, stellt also das Lustprinzip über das
Realitätsprinzip. („Formulierungen über die zwei Prinzipien des psychischen Geschehens“)
- Erfahrungsmöglichkeiten jenseits des Bereichs bewußter Wahrnehmung, aber im Rahmen einer
Methodologie von Erfahrungserkenntnis
III. Edmund Husserl (1859-1938): Philosophie als strenge Wissenschaft
Auswahl wichtiger Werke
Über den Begriff der Zahl. Psychologie Analysen (1887, 1891 als Philosophie der Arithmetik)
Logische Untersuchungen (Bd. 1 1900)
Ideen zu einer reinen Phänomenologie oder phänomenologischen Philosophie 1913
Die Krisis der europäischen Wissenschaft und die transzendentale Phänomenologie 1936
Cartesianischen Meditationen, 1931 auf französisch
Zur Biographie
Husserls Lebensweg exemplifiziert einen typischen, kaum durch äußere Ereignisse geprägten
akademischen Karriereweg. Geboren 1859 in Mähren, stirbt er 1938 in Freiburg i. Br. Dazwischen liegt
eine reine Universitätskarriere, an deren Anfang ein Studium steht, das wiederum zwar ungemein eng,
aber nicht wirklich direkt mit seinen professionellen Aktivitäten verbunden ist. Husserl studiert
Mathematik und Naturwissenschaften bei einigen der herausragenden Mathematikern der Zeit in
Leipzig, Berlin und Wien und wird mit einer mathematischen Arbeit promoviert. Sein weiteres Studium
führt ihn in die Philosophie; er studiert bei Franz Brentano in Wien und bei Carl Stumpf in Halle, beides
Philosophen, die sich besonders eng mit der Psychologie auseinandersetzten (Stumpf ist einer der
wesentlichen Begründer der Gestaltpsychologie). Seine Habilitation verbindet seine beiden bisherigen
Interessen: Über den Begriff der Zahl. Psychologie Analysen (1887, 1891 als Philosophie der
Arithmetik). Seine weitere akademische Karriere entwickelt sich zäh; über viele Jahre hinweg ist er
Privatdozent und außerordentlicher Professor, erst ab 1906 Professor in Göttingen, ab 1916 in Freiburg.
Als Jude verliert er unter den Nationalsozialisten seine Stellung.
Das vielleicht einschneidendste Ereignis in Husserls intellektueller Biographie liegt in der Einsicht in die
Unhaltbarkeit einer „psychologistichen“ Begründung von Logik und Mathematik, wie er selbst sie noch in
seiner Habilitationsschrift vertreten hatte. Die Grundidee konnten wir z.B. bei Mill sehen: die Denkakte,
die wir in Mathematik und Logik vollziehen, stellen lediglich weit entwickelte und verfeinerte Formen
derselben Akte dar, die wir auch im alltäglichen Denken vollziehen; vom Zählenlernen des Kindes führt
ein direkter Weg zu einem Theorem in der abstrakten Zahlentheorie. Dies, so Husserl, ist aus Gründen,
die er sein ganzes weiteres Leben festhält, unsinnig; das Gegenbild einer nicht psychologisch
begründbaren Logik erhielt Husserl u.a. von Frege. Dem Kampf gegen den sogenannten
„Psychologismus“, also der These, Mathematik und/oder Logik könnten durch Psychologe begründet
werden, gilt ein guter Teil seiner Schriften, insbesondere der erste Band seiner Logischen
Untersuchungen von 1900. Mit dieser Einsicht entdeckt Husserl für sich zugleich das Feld einer reinen,
apriorischen, strengen Wissenschaft, die er dann in seiner Phänomenologie ausbaut. Nach den ersten
Ansätzen dazu in den Logischen Untersuchungen formuliert er diese in seinen Ideen zu einer reinen
Phänomenologie oder phänomenologischen Philosophie von 1913. Gegen Ende seines Lebens wendet
er sich anderen, „lebensweltlichen“ – der Terminus stammt von Husserl – Themen zu: Die Krisis der
europäischen Wissenschaft und die transzendentale Phänomenologie von 1936 und die
Cartesianischen Meditationen, 1931 auf französisch erschienen, sind wichtige Werke aus diesem
Kontext.
Die Idee der Phänomenologie: Husserls Vorlesungen von 1906/7
Unterscheidung natürliche – philosophische Geisteshaltung; in der natürlichen Geisteshaltung stehen
uns logische und sachliche Lösungsstrategien für die auftretenden Probleme zur Verfügung; wenn in
der tyyisch philosophischen Fragestellung die Reflexion hinzutritt, fehlen solche Lösungsstrategien
zunächst völlig. Die Selbstverständlichkeit der Möglichkeit von Erkenntnis wird neu in Frage gestellt:
Das Problem von Immanenz und Transzendenz (wie kann unsere Erkenntnis aus ihrem immanenten,
‚inneren’, Bereich auf Dinge außerhalb dieses Bereiches, ‚Transzendentes’, zugreifen?).
Erkenntnistheorie wird damit zur Erkenntniskritik (Kantischer Terminus!), genauer: „Kritik der natürlichen
Erkenntnis in allen natürlichen Wissenschaften“. Zugleich resultiert daraus eine Metaphysik als
„Wissenschaft vom Seienden in absolutem Sinn.“ S. 23: „Diese Wissenschaft erwächst aus einer ‚Kritik’
der natürlichen Erkenntnis in den einzelnen Wissenschaften auf Grund der in der allgemeinen
Erkenntniskritik gewonnenen Einsicht in das Wesen der Erkenntnis und der
Erkenntnisgegenständlichkeit nach ihren verschiedenen Grundgestaltungen, in den Sinn der
verschiedenen fundamentalen Korrelationen zwischen Erkenntnis und Erkenntnisgegenständlichkeit.“
Die Wissenschaften – in ihrer Vielheit! – bilden Ausgangspunkt und Material dieser Erkenntniskritik.
Philosophie benötigt dazu eine neue Methode. Skeptische Elemente: „Index der Fraglichkeit“ („epoche“,
Enthaltung von Urteilssetzungen) gegenüber allen natürlichen Erkenntnisbeständen. Wie kann man
dann überhaupt noch, und sei es kritisch, von Erkenntnis handeln, welche Ausgangspunkte stehen zur
Verfügung? Zur Lösung: Nur selbstgesetzte Erkenntnis ist anfänglich möglich. Wie bestimmt man
Selbstgegebenheit? S. 30: „absolute Klarheit, aus der jede Frage ihre unmittelbare Antwort findet und
finden muß“.
Absolute Evidenz selbstgegebener Erkenntnisse entspricht reiner Immanenz. „Alle nicht evidente, das
Gegenständliche zwar meinende oder setzende, aber nicht selbst schauende Erkenntnis ist im zweiten
Sinn transzendent.“ Vor allem auch: „objektive“ Wissenschaft ist transzendent. S. 38 „Es ist offenbar ein
nonsens, Möglichkeiten aufklären zu wollen (und zwar schon unmittelbare Möglichkeiten) durch
logische Herleitung aus einem nicht intuitiven Wissen.“
Folgerungen für eine Bestimmung der neuen Methode der Philosophie, die nun als Phänomenologie
neu zu bestimmen ist:
- intuitives Wissen
- Voraussetzung: Strategien der Reinigung („Reduktion“)
- Wissenschaftliche Verbindlichkeit; ein Psychologismus wird abgelehnt
Weitere Folgerungen:
- intuitive Wesenserkenntnis ist möglich; auch Allgemeinheiten, allgemeine Gegenstände und
allgemeine Sachverhalte können zu absoluter Selbstgegebenheit kommen.
- Intentionalität: Erkenntnisakte sind auf Gegenstände gerichtet; deshalb bleibt es möglich, bei rien
immanenter Untersuchung den Gegenstandsbezug beizubehalten; es gibt auch „im intentionalen Sinne“
Immanentes.
Weitere Bestimmungen (zusammengestellt aus Husserls Aufsatz über Philosophie als strenge
Wissenschaft)
Wissenschaft: - Objektive Wahrheit
- gesicherter Inhalt
- arbeitsteiliger Fortschritt
Gegen Naturalismus, Historizismus und Weltanschauungsphilosophie
-
Widersinn
-
Skeptizismus
-
Relativismus: Verlust der idealen Gewißheit der Wissenschaften
-
unzureichende deskriptive Klärung der Gegenstände
Husserls Ausweg: Phänomenologie
-
eine strenge Wissenschaft enthält Ideale
-
genaue Bewußtseinsanalyse: Gegenstände als korrelativ zum Bewußtsein (Intentionalität)
-
Unterscheidung von Gegenstandsarten
-
Zu den Sachen selbst!
-
Genaue Deskription
-
Reinigung
-
Wesensschau
Phänomenologie
„für die Wesensanalyse des Bewußtseins [ist] die Klärung aller Grundarten von Gegenständlichkeiten
unentbehrlich und sonach in ihr mitbeschlossen“ (22)
Phänomene haben keine Natur; „In der psychischen Sphäre gibt es [...] keinen Unterschied zwischen
Erscheinung und Sein, und wenn die Natur ein Dasein ist, das in Erscheinungen erscheint, so sind die
Erscheinungen selbst [...] nicht wieder selbst ein Sein“ (35)
VS 10
Anfänge der analytischen Philosophie: Programme für „Klarheit“ und „Sauberkeit“ in der
Philosophie
Aussagen des Wiener Kreises
- antimetaphysiche Tatsachenforschung = Geist der wissenschaftlichen Weltauffassung
- Einheitswissenschaft; Kollektivarbeit
- „Es gibt keine unlösbaren Rätsel“
- Methode der logischen Analyse : „Rückführung auf einfachste Aussagen über empirisch Gegebenes“
- verifikationistisches Sinnkriterium
- logischer Empirismus
- Zwei Typen von Aussagen: Empirische und bedeutungslose Äußerungen eines Lebensgefühls
- Zwei Typen von Wahrheiten: logische und empirische
- Philosophiekonzeption: „Es gibt keine Philosophie als Grund- oder Universalwissenschaft neben oder
über den verschiedenen Gebieten der einen Erfahrungswissenschaft; es gibt keinen Weg zu inhaltlicher
Erkenntnis neben dem der Erfahrung; es gibt kein Reich der Ideen, das über oder jenseits der
Erfahrung stände.“
Der Logische Empirismus: Der Wiener Kreis
Zu einer eingehenden historiographischen Erschließung vgl. Friedrich Stadler: Studien zum Wiener
Kreis, Frankfurt a.M. 1997.
Das sog. „Manifest des Wiener Kreises“ von 1929: Wissenschaftliche Weltauffassung. Der Wiener
Kreis, verfaßt von Rudolf Carnap, Hans Hahn und Otto Neurath.
Autoren und Widmungsträger. Moritz Schlick, 1882-1936, promovierte bei Planck, „dessen
Lieblingsschüler er wurde“ (Stadler) in mathematischer Physik; dann widmet er sich weiter den
Naturwissenschaften sowie der Psychologie, habilitiert sich dann aber in der Philosophie mit einer
Arbeit über Das Wesen der Wahrheit nach der modernen Logik und lehrt Philosophie in Rostock, wo er
ab 1921 ao. Prof. für Ethik und Naturphilosophie ist. Die Berufung nach Wien erfolgt auf Betreiben eines
Mathematikers, Hans Hahn, eines der Ko-Autoren des Manifests, im Jahr 1922. Ab 1924 organisiert
Schlick hier Diskussionszirkel, aus denen sich der „Wiener Kreis“ entwickelt. Kontakte mit Wittgenstein.
Tragisch das Ende: 1936 wird er im Wiener Uni-Hauptgebäude erschossen, von einem Studenten, der
private, aber auch weltanschaulich-politische Motive hatte. Zum Skandal wird die weitere Behandlung
des Täters, der im nationalsozialistischen Österreich bald begnadigt wird. Rudolf Carnap, 1891-1970 (!)
studiert in Jena Philosophie, Mathematik und Physik, u.a. bei Frege; ab 1926 als Privatdozent in Wien
und von Anfang an in den Wiener Kreis eingebunden; 1931 Prof. in Prag, 1936 Emigration in die USA.
Zentrale Werke: Scheinprobleme in der Philosophie (1928); Der Logische Aufbau der Welt (1929);
Logische Syntax der Sprache (1934), Arbeiten zur Wahrscheinlichkeitstheorie. Hans Hahn, 1879-1934,
war Mathematiker, der von vielen als eigentlicher Begründer des Wiener Kreises angesehen wurde
(u.a., weil er Schlicks Berufung betrieb); Otto Neurath, 1882-1945, verbindet Philosophie,
Wissenschaftstheorie, politische und ökonomische Theorie; er engagierte sich u.a. in der Münchner
Räterepublik und leitete in Wien das „Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum“; umfangreiche
Lehrtätigkeit in Volkshochschulen, 1940 Flucht nach England.
Moritz Schlicks neue Konzeption des philosophischen Problems (vgl. seine Vorlesungen über die
Probleme der Philosophie in ihrem Zusammenhang)
Philosophische Probleme vs. Alltags- und Wissenschaftsprobleme. Für letztere gilt: „Wir wissen
eigentlich, was wir tun müßten, um die Fragen zu beantworten, wenn es auch praktisch vielleicht nicht
immer möglich sein wird.“ (Schlick, Probleme der Philosophie, 65). Die Rede von „Welträtseln“ wie bei
DuBois-Reymond wird deshalb unhaltbar. „Die ganze Verwirrung in der Philosophie ist dadurch
entstanden, daß man dort etwas zu finden hoffte, wo man noch nicht einmal suchen konnte“ (a.a.O. 68).
„Man darf bei dieser Art Fragen nicht über ihre Lösung nachdenken, sondern muß die Fragestellung
selbst prüfen“, muß ein „Verständnis des Sinns einer Frage“ gewinnen. Klassische philosophische
Fragen (etwa DuBois’ erstes Welträtsel, „Was ist das Wesen der Materie?“) erweisen sich dann als
genauso sinnlos wie „Ist Blau ebenso identisch wie Musik?“
„Die Methode der Wissenschaften ist die Beobachtung, das Experiment, verbunden mit Berechnungen,
Überlegungen; Die Methode des Philosophien ist die Besinnung; der Philosoph sieht sich die bereits
vorleigenden Sätze, Beobachtungen, Rechnungen an und macht sich klar, was sie bedeuten“; „die
Philosophie ist kein System von wahren Sätzen. Sie ist eine Kunst, eine Tätigkeit, die zur Klärung führt“:
Inhalt und Thesen des „Manifests“ von 1929
- Historische Einleitung: antimetaphysische Tatsachenforschung im Geist der Aufklärung = Geist der
wissenschaftlichen Weltauffassung. Wesentlich für den Wiener Kreis wurde, daß keines der Mitglieder
„ein sogenannter ‚reiner’ Philosoph [war], sondern alle haben auf einem wissenschaftlichen Einzelgebiet
gearbeitet“.
- Forschungsziel: Einheitswissenschaft. „Das Bestreben geht dahin, die Leistungen der einzelnen
Forscher auf den verschiedenen Wissenschaftsgebieten in Verbindung und Einklang miteinander zu
bringen.“ „Kollektivarbeit“.
- Methode und Ansatz: Wie will der Wiener Kreis diese Einheit herstellen? Sicher nicht durch die Suche
nach einer absoluten Fundamentalwissenschaft; ein solches Unternehmen würde dem Ideal der
antimetaphysischen Tatsachenforschung widersprechen. Sondern: „Suche nach einem Gesamtsystem
der Begriffe. Sauberkeit und Klarheit werden angestrebt, dunkle Fernen und unergründliche Tiefen
abgelehnt. In der Wissenschaft gibt es keine ‚Tiefen’; überall ist Oberfläche“ (305). „Die
wissenschaftliche Weltauffassung kennt keine unlösbaren Rätsel“; ihre Methode ist die der logischen
Analyse. Hierin unterscheide sich die neue Richtung vom früheren Empirismus und Positivismus, der
viel mehr „biologisch-psychologisch orientiert“ war. Man fragt nicht: ist es wahr oder falsch, wenn
jemand behauptet „Gott existiert“, sondern man fragt: „Was meinst du damit?“ Wendet man diese
Fragehaltung konkret an, so zeigt sich, daß es zwei genau unterschiedene Typen von Aussagen gibt:
zum einen die Aussagen der empirischen Wissenschaften, deren Sinn durch logische Analyse,
„genauer: durch Rückführung auf einfachste Aussagen über empirisch Gegebenes“ feststellbar ist. Der
zweite Typ von Aussagen ist bedeutungsleer, sie lassen sich nicht in dieser Weise analysieren. Sie sind
nur „Ausdruck etwa eines Lebensgefühls“. Es ist nun, darin sind sich die Protagonisten einig, überhaupt
nicht verwerflich, ein Lebensgefühl zum Ausdruck bringen zu wollen; wenn man das allerdings in der
sprachlichen Gestalt einer Theorie unternimmt, „so liegt darin eine Gefahr“, die nämlich, daß
vorgetäuscht wird, man mache empirische Aussagen, ohne das jedoch einzulösen.
Wenn keine unlösbaren Rätsel bestehen bleiben sollen, werden nur solche Aussagen akzeptabel sein,
von denen man vorab absehen kann, ob sie beantwortbar sind. Das wiederum setzt voraus, daß der
konkrete Weg der Beantwortung absehbar ist, selbst wenn die Antwort noch nicht bekannt sein muß.
Wiederum ist diese Entscheidung über den Gegenstandsbereich der Philosophie mit fundamentalen
Annahmen über die Natur der Sprache verbunden: verifikationistisches Bedeutungskriterium. Nur
solche Sätze haben eine Bedeutung, denen ich ein Verfahren zur Verifikation beigeben kann (vgl.
Schlicks Konzeption philosophischer Probleme)
Angestrebt wird eine genaue Scheidung zwischen Typen von Aussagen und damit auch von
Wissenschaften und demjenigen Bereich, wo höchstens Scheinprobleme auftreten.
Die Kombination aus logischer Methode und empiristischer Grundhaltung führt zum Begriff für diese
Richtung der Philosophie: logischer Empirismus. Man kann eine weitere Unterscheidung anführen, die
ebenfalls zu dieser Kennzeichnung führt. Wenn man nämlich fragt: welche Typen von wahren,
wissenschaftlichen Aussagen gibt es? So findet man wieder zwei Typen: Wahrheiten, die rein aufgrund
der Logik wahr sind (etwa in der Mathematik) und Wahrheiten, die aufgrund von
Erfahrungserkenntnissen wahr sind. Beide Typen von wahren Sätzen werden akzeptiert, aber auch nur
diese beiden Typen. Wichtig ist: Logik und Mathematik können überhaupt nur deshalb ohne
Erfahrungsbezug wahr sein, weil sie nichts über die Welt der Erfahrung aussagen (hierin liegt eine
scharfe Kant-Kritik!).
- Philosophiekonzeption: „Es gibt keine Philosophie als Grund- oder Universalwissenschaft neben oder
über den verschiedenen Gebieten der einen Erfahrungswissenschaft; es gibt keinen Weg zu inhaltlicher
Erkenntnis neben dem der Erfahrung; es gibt kein Reich der Ideen, das über oder jenseits der
Erfahrung stände.“
Carnap zu Scheinproblemen der Philosophie
„Analyse: „die ‚höheren’ Gegenstände werden auf ‚niedere’ zurückgeführt“.
Zerlegung nach „hinreichenden“ und „entbehrlichen“ Bestandteilen; letztere können mittels „rationale
Nachkonstruktion“ aus ersteren erschlossen werden.
Beispiel: Wahrnehmung von Fremdpsychischem: „der erkenntnistheoretische Kern jeder konkreten
Erkenntnis von Fremdpsychischem besteht aus Wahrnehmungen von Physischem; oder: das
Fremdpsychische tritt nur als (erkenntnistheoretischer) Nebenteil von Physischem auf.“
Vs 11: Möglichkeiten und Grenzen von Sprache: Frege und Wittgenstein
I. Wozu braucht man eine analytische Philosophie? Russells Theorie der Kennzeichnungen
Beispiel für die Rolle sprachanalytischen, die Logik einbeziehenden Philosophierens: Wie ist ein Satz
wie „Der gegenwärtige König von Frankreich ist kahl“ zu verstehen? Ist er wahr oder nicht?
Umformung in eine „definite description“ („Kennzeichnung“):
(x)([Kx & (y)(Kyy=x)] & Bx)
Damit wird die Wahrheitsfrage eindeutig geklärt (der Satz ist falsch), auch für die Negation dieses
Satzes, die alltagssprachlich doppeldeutig ist.
II. Gottlob Frege über Sinn und Bedeutung
Gottlob Frege (1848-1925)
Mathematisch-logische Hauptwerke
Begriffsschrift, eine der arithmetischen nachgebildete Formelsprache des reinen Denkens (1879)
Grundlagen der Arithmetik (1884)
Grundgesetze der Arithmetik 2 Bde. 1893/1903
Philosophisch wichtige Aufsätze gesammelt in
Funktion, Begriff, Bedeutung (Göttingen 1962 u.ö.)
Logische Untersuchungen (Göttingen 1966 u.ö.)
Im Ausgangsproblem von Freges Aufsatz über Sinn und Bedeutung von 1892 erkennen wir unschwer
das Problem wieder, das 60 Jahre später noch Quine umtreibt: das Problem der Gleicheit. Auch Frege
greift auf Kant zurück und formuliert die zentrale Frage prägnant: Eine Gleichheit der Form a=a (die
traditionelle analytische Gleichheit) scheint kaum Fragen aufzuwerfen (jedenfalls nicht bevor Quine sie
aufgriff), während die Formel a=b sofort problematisch, ja sogar widersprüchlich erscheint. Wie ist es
überhaupt denkbar, daß ein a=b sein kann? Wieder stoßen wir auf die Strategie des Operierens mit
Beispielen. Freges Standardbeispiel: Morgenstern und Abendstern. (Russells Beispiel: „Scott“ und der
„Autor von Waverley“). Weiteres Beispiel, diesmal aus der Mathematik: der Schnittpunkt der Diagonalen
im Dreieck. Offensichtlich, so Frege, ist es sinnvoll und notwendig, zu sagen, Morgenstern und
Abendstern seien identisch; beide Bezeichnungen bezeichnen denselben Gegenstand, den Planeten
Venus. Zugleich aber ist es denkbar, daß man beide Bezeichnungen sinngemäß verwendet, ohne von
der Identität des bezeichneten Gegenstandes Kenntnis zu haben.
Frege schlägt eine Terminologie für diese Unterscheidung vor, die in feinfühliger Weise am
Sprachgebrauch orientiert ist: er unterscheidet zwischen Sinn und Bedeutung eines Ausdrucks (später
auch einer Aussage). 46 „Ein Eigenname (Wort, Zeichen, Zeichenverbindung, Ausdruck) drückt aus
seinen Sinn, bedeutet oder bezeichnet seine Bedeutung. Wir drücken mit einem Zeichen dessen Sinn
aus und bezeichnen mit ihm dessen Bedeutung.“ Im Beispiel wäre also die Bedeutung der Ausdrücke
„Morgenstern“ und „Abendstern“ identisch, nämlich jeweils der physische Gegenstand Venus, während
ihr Sinn unterschieden ist. Frege umschreibt den „Sinn“ eines Ausdrucks durch die „Art seines
Gegebenseins“, nämlich einmal als heller Stern am Abendhimmel, einmal am Morgenhimmel. Mittels
dieser Begrifflichkeit versucht er, die Eigentümlichkeit der ‚synthetischen’ Aussage a = b mit ihrer
gleichzeitigen Unterscheidung und Identifizierung von a und b zu verstehen. Die Fruchtbarkeit dieser
Begriffsbildung erweist sich sofort anhand weiterer, mit ihrer Hilfe zu treffender Unterscheidungen: So
kann es sinnvolle Aussagen geben, die keine Bedeutung haben. Nehmen Sie das Beispiel der
Homerischen Götter oder eines Fabelwesens wie Pegasus: Man kann offensichtlich in verständlicher,
sinnvoller Rede über beide sprechen, aber man kann nicht unbedingt damit beanspruchen, daß eine
solche Rede eine Bedeutung hat in dem Sinne, daß die in ihr verwendeten Ausdrücke sich auf
Gegenstände beziehen. Auch die Eigenart künstlerischer Rede hat mit dem Sinn zu tun, sie erfordert
aber noch eine weitere Unterscheidung, in der eine dezidiert subjektive Perspektive eingeführt wird:
44f.: „Die Bedeutung eines Eigennamens ist der Gegenstand selbst, den wir damit bezeichnen; die
Vorstellung, welche wir dabei haben, ist ganz subjektiv; dazwischen liegt der Sinn, der zwar nicht mehr
subjektiv wie die Vorstellung, aber doch auch nicht der Gegenstand selbst ist.“
Der nächste Schritt wird sein, nach der Übertragbarkeit der Fegeschen Unterscheidungen auf ganze
Sätze zu fragen (46ff.). Jeder Satz enthält offensichtlich einen Gedanken (Proposition); ist das der Sinn
oder die Bedeutung des Satzes? Wie könnte man eine solche Frage entscheiden? Frege nutzt hier eine
Prozedur von der Art, wie Quine sie kritisch erörtert: Wenn wir ein sinnverschiedenes, aber
bedeutungsgleiches Wort in einem Gedanken einführen, so ändert sich der Gedanke selbst; also ist der
Gedanke ist also etwas Sinnhaftes. Das klingt überraschend, denn man würde annehmen, daß der
Gedanke, der Inhalt des Satzes das Analogon zum Gegenstand als der Bedeutung eines Ausdrucks
darstellt. Was ist dann aber die Bedeutung des Satzes? Hat der Gedanke vielleicht gar keine
Bedeutung? Wenn man Sätze betrachtet, in denen Worte ohne Bedeutung – etwa „Odysseus“ –
vorkommen, so können solche Sätze sicher sinnvoll sein, auch einen Gedanken aussprechen, aber
haben sie eine Bedeutung? Schon die Frage, daß wir gerne wissen würden, ob „Odysseus“ eine
Bedeutung hat oder nicht, zeigt aber, daß wir auch dem ganzen Satz eigentlich gerne eine Bedeutung
zuschreiben würden. Was leitet uns dazu an? Ein „Streben“, das Frege als ein „Streben nach Wahrheit“
(48) charakterisiert. „Wir haben gesehen, daß zu einem Satze immer dann eine Bedeutung zu suchen
ist, wenn es auf die Bedeutung der Bestandteile ankommt; und das ist immer dann der Fal, wenn wir
nach dem Wahrheitswerte fragen. So werden wir dahin gedrängt, den Wahrheitswert eines Satzes als
seine Bedeutung anzuerkennen“, also den Umstand, ob der Satz wahr oder falsch ist. Argumente
hierfür: - „Der Gedanke, daß 5 eine Primzahl ist, ist wahr“ sagt nicht mehr als der Satz „5 ist eine
Primzahl“; jeder Behauptungssatz behauptet bereits aufgrund seiner Form seine Wahrheit.
- Ersetzung durch bedeutungsgleichen, aber sinnverschiedenen Ausdruck ändert den Wahrheitswert
nicht.
Es gibt demnach nur zwei mögliche Bedeutungen von Sätzen, das Wahre und das Falsche. Wenn man
lediglich diese Bedeutungen in Anspruch nehmen würde, wäre kein inhaltlich reicher Diskurs möglich.
Aber hierfür hat Frege vorgesorgt: alles Urteilen muß eben vermittelt über den Gedanken, den Sinn
eines Satzes vor sich gehen. Hierin sieht Frege in der Zusammenfassung seines Textes ein
wesentliches Resultat: „Wenn wir den Erkenntniswert von ‚a=a’ und ‚a=b’ im allgemeinen verschieden
fanden, so erklärt sich das dadurch, daß für den Erkenntniswert der Sinn des Satzes, nämlich der in ihm
ausgedrückte Gedanke, nicht minder in Betracht kommt als seine Bedeutung, das ist sein
Wahrheitswert.“ (65). a=b und a=a können beide wahr sein, also dasselbe bedeuten, aber dennoch
verschiedenen Sinn haben.
III. Ludwig Wittgenstein (1889-1951): Philosophie und Sprachanalyse
1. Tractatus logico-philosophicus (1918/1921)
1. Ontologie
„1
Die Welt ist alles, was der Fall ist.
1.1
Die Welt ist die Gesamtheit der Tatsachen nicht der Dinge.“
[...]
2
Was der Fall ist, die Tatsache, ist das Bestehen von Sachverhalten.
2.01
Der Sachverhalt ist eine Verbindung von Gegenständen (Sachen, Dingen).“
- Tatsachen: formuliert in Form von Aussagen: „Es ist Fall, daß...“; cf. Strukturierung des
Wahrnehmungsfeldes, um überhaupt Gegenstände in ihm ausmachen zu können, vs. Aufbau aus
Elementen.
- Atomismus. Dennoch will Wittgenstein eine Art von Atomismus, nun von Tatsachen der aber nun sehr
viel komplexer ausfallen wird.
- Gegenstände: zur Definition 2.0123: „Wenn ich den Gegenstand kenne, so kenne ich auch sämtliche
Möglichkeiten seines Vorkommens in Sachverhalten.“
- Abbildung der Tatsachen in sprachlicher Form; Bildtheorie der Satzbedeutung. Gemeinsam zwischen
Bild und Wirklichkeit ist die „Form der Abbildung“.
Beispiele: Grammophonplatte, musikalische Notation, Aufführung eines Stückes
- Philosophie und Sprachkritik: „transzendentaler Lingualismus“
4.003 „Die meisten Sätze und Fragen, welche über philosophische Dinge geschrieben worden sind,
sind nicht falsch, sondern unsinnig. Wir können daher Fragen dieser Art nicht beantworten, sondern nur
ihre Unsinnigkeit feststellen. Die meisten Fragen und Sätze der Philosophen beruhen darauf, daß wir
unsere Sprachlogik nicht verstehen. (Sie sind von der Art der Frage, ob das Gute mehr oder weniger
identisch sei als das Schöne.)“ Hier wird offensichtlich „identisch“ als eine (abstufbare) Eigenschaft
eines Sachverhalts aufgefaßt, nicht als zweistellige Relation. Alls Gegenmittel folgt sofort eine erneute
Betonung der Bildtheorie: „Der Satz ist ein Bild der Wirklichkeit.“
Transzendentale Prinzipien: 5.6: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“
5.61: „Die Logik erfüllt die Welt; die Grenzen der Welt sind auch ihre Grenzen. Wir können also in der
Logik nicht sagen: Das und das gibt es in der Welt, jenes nicht.“ 5.63 „Ich bin meine Welt.“
- Philosophie und Mystik: „Das Rätsel gibt es nicht.“
6.522 „Es gibt allerdings Unaussprechliches. Dies zeigt sich, es ist das Mystische.“ 6.53 „Die richtige
Methode der Philosophie wäre eigentlich die: Nichts zu sagen, als was sich sagen läßt, also Sätze der
Naturwissenschaft – also etwas, was mit Philosophie nichts zu tun hat --, und dann immer, wenn ein
anderer etwas Metaphysisches sagen wollte, ihm nachzuweisen, daß er gewissen Zeichen in seinen
Sätzen keine Bedeutung gegeben hat. Diese Methode wäre für den anderen unbefriedigend – er hätte
nicht das Gefühl, daß wir ihn Philosophie lehrten – aber sie wäre die einzig streng richtige.“ 6.54 „Meine
Sätze erläutern dadurch, daß sie der, welcher mich versteht, am Ende als unsinnig erkennt, wenn er
durch sie – auf ihnen – über sie hinweggestiegen ist. (Er muß sozusagen die Leiter wegwerfen,
nachdem er auf ihr hinaufgestiegen ist.)“
7 „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen.“
Philosophische Untersuchungen (1947-49)
Neue Konzeption philosophischer Probleme: „Ich kenne mich da nicht aus“; therapeutische Zielsetzung.
Sprache in neuer Weise analysiert: § 27: Variationsbreite von Sprache: Ausrufe und ihre Funktionen
Beispiel: Wittgensteins Analyse von „Spiel“
- „Sprachspiel“
- „Familienähnlichkeit“
- geistige Akte: Können nicht zur Erläuterung beispielsweise von Spracherwerb herangezogen werden:
§ 33: „ ‚ er muß nur – selbstverständlich – wissen (oder erraten) worauf der Erklärende zeigt! Ob also
z.B. auf die Form des Gegenstandes, oder auf seine Farbe, oder auf die Anzahl etc. etc.’ – Und worin
besteht es denn – ‚auf die Form zeigen’? Zeig auf ein Stück Papier! – Und nun zeig auf seine Form, -nur auf seine Farbe, -- nun auf seine Anzahl (das klingt seltsam!) – Nun, wie hast du es gemacht? – Du
wirst sagen, du habest jedesmal etwas anderes beim Zeigen ‚gemeint’. Und wenn ich frage, wie das vor
sich geht, wirst du sagen, du habest deine Aufmerksamkeit auf die Farbe, Form etc. konzentriert. Nun
aber frag mich noch einmal, wie das vor sich geht.“ – „Aber das ist es nicht allein, was uns sagen läßt,
Einer richte seine Aufmerksamkeit auf die Form, die Farbe, etc. Wie ein Schachzug nicht allein darin
besteht, daß ein Stein so und so auf dem Brett verschoben wird, -- aber auch nicht in den Gedanken
und Gefühlen des Ziehenden, die den Zug begleiten; sondern in den Umständen, die wir nennen: ‚eine
Schachpartie spielen’, ‚ein Schachproblem lösen’, und dergl.“
- Regelfolgen (§ 31: Man kann ein Spiel lernen, ohne jemals explizit Regeln zu formulieren); Regelhafte
Reihen können in unterschiedlicher Weise fortgesetzt werden; der Versuch, auf eine ‚eigentlich
gemeinte’ Regel zuzugreifen, scheitert: s. oben zu Akten des Meinens.
- Privatheit: Wenn geistige Akte, die paradigmatisch für Privates stehen, für Regelfolgen und
Bedeutungszuweisung nicht hinreichen, büßen sie bereits wesentlich von ihrer Stellung ein. Man kann
sogar die Argumentation umkehren: wenn sie in solchen Fällen keine Rolle spielen, wird das Konzept
von Privatheit insgesamt zur Diskussion zu stellen sein. Gegen eine Privatsprache! Neue Analyse von
Schmerzen: Sie sind nicht „in meinem Körper“, genausowenig wie „in meinem Kopf“.
- Realitäts- und Existenzfragen:
Beispiele: § 47: „Aber welches sind die einfachen Bestandteile, aus denen sich die Realität
zusammensetzt?“ Offensichtlich sehr vielfältig: Schachbrett. „Auf die philosophische Frage: ‚Ist das
Gesichtsbild dieses Baumes zusammengesetzt, und welches sind seine Bestandteile?’ ist die richtige
Antwort: ‚Das kommt darauf an, was du unter ‚zusammengesetzt’ verstehst.’ (Und das ist natürlich keine
Beantwortung, sondern eine Zurückweisung der Frage).“
Wann ist etwas ein Wegweiser? Gibt es Wegweiser? Rolle des Gebrauchs.
Vs. 12
Analytische Philosophie des Geistes: Philosophie mit Beispielen und Gedankenexperimenten
[Für die Klausur nur am Rande relevant!]
1. Entwicklungslinien einer Philosophie des Geistes
Problem: Man kann entweder eine fast kontinuierliche Geschichte rekonstruieren oder aber einen
markanten Neueinsatz um 1950 annehmen.
- 1956: U.T. Place: Is Consciousness a Brain Process? 1958: H. Feigl: The ‚mental’ and the ‚Physical;
1959: J.J.C. Smart: Sensations and Brain Processes: „Identity theory“/“central state materialism“/“brain
state theory“: Bewußtsein IST ein Gehirnzustand
- Kritik der Identitätstheorie: „multiple realizability“ (mentale Zustände können in unterschiedlicher Weise
physikalisch realisiert werden): Funktionalismus (Putnam)
- Neue theoretische Konzepte zur Beschreibung von Mind-body-Relationen: Supervenienz, Emergenz
Neueinsatz: Bewußtsein als zentrale Kategorie; Differenzierungen innerhalb mentaler Zustände: Qualia,
Reduktion
2. Neue Methoden: Wissenschaftsorientierung, Gedankenexperimente und Sprachphilosophie
3. Grundbegriffe aktueller Philosophie des Geistes
3.1 Drei Szenarien: Putnam; Nagel; Jackson
- Brains in a vat; begriffliche Inkohärenz des Szenarios: widerspricht den Funktionsbedingungen von
Sprache
- What is it like to be a bat? Ziel: „objective phenomenology“
- The neuroscience genius in black/white environment; Was lernt dieser im Kontakt mit der vollständigen
Farbwahrnehmung?
3.2 Grundbegriffe
- Bewußtsein (Nagel; Jackson)
„Explanatory gap“
Qualia (1.-Person-Perspektive; phenonemal properties; „what is it like to be“...)
- Reduktion (Physikalismus; Elimination...) (Nagel, Jackson, Putnam): Zurückführung von
Gegenständen, Gesetzen, Theorien auf andere (Bsp. Thermodynamik auf statistische Physik;
Psychologie auf Neurophysiologie). Klassisches Modell (Ernest Nagel): alle Begriffe der einen Theorie
werden mittels Verknüpfungsregeln mit Begriffen der anderen Theorie verknüpft; dann sind alle Gesetze
der einen aus denen der anderen ableitbar. Fragen u.a.: Stärke der Reduktionsrelation? Alternative zum
klassischen Modell? Angemessenheit an Wissenschaftsbegriffe?
- Supervenienz: eine „superveniente“ Ebene (z.B. geistige Phänomene) ist durch eine Basis in der
Weise bestimmt, daß Unterschiede auf der supervenienten Ebene nur aufgrund von Unterschieden auf
der Basisebene möglich sind. (Diese Beziehung impliziert nicht die Reduzierbarkeit der supervenienten
Ebene auf die Basis-Ebene!). Vgl. auch Emergenz (‚higher order’ properties gehen aus ‚lower level’
properties hervor, ohne daß hier eine Vorhersagbarkeit besteht)
- Epiphänomenalismus (Zombies...): Bewußtsein als kausal irrelevante Begleiterscheinung von
physischen Vorgängen
Gesamtüberblick
(Bitte beachten Sie bei der Nutzung: Ein derartiger Überblick suggeriert eine
Eindeutigkeit in der Einordnung einzelner Autoren, die im historischen Befund
typischerweise nicht in dieser Klarheit gegeben ist! Der Überblick kann also nur als
Leitfaden für eigene Ausgestaltung anhand der Originaltexte dienen
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