Nervengifte und Drogen

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Nervengifte und Drogen – Fische, Frösche und andere Grausamkeiten
Die wachsende
Gefahr des
chemischen und
biologischen Krieges
(12.03.1998):
„Vor zehn Jahren
wurde das kurdische
Dorf Halabja von
irakischen Truppen mit
Senfgas und dem
Nervengas Sarin
angegriffen.
Fünftausend Männer,
Frauen und Kinder
starben sofort. ...“
Die Schwarze Witwe
Nicht nur die
Männchen dieser
Spinnengattung leben
in großer Gefahr – die
berüchtigten Weibchen
können auch mit dem
höchstwirksamen
Nervengift einen
Menschen töten.
Die Lösung des
Zombie-Rätsels
... Um den Zustand
des Scheintodes zu
erreichen, benutzen
die Voudou-Hexer das
Nervengift
Tetrodotoxin des
Kugelfisches ...
Kokain
... Wie fast jede Droge
mit Einfluss auf das
Nervensystem des
Menschen wurde auch
das Kokain als
medizinische Droge
verwendet und gilt
auch heute noch als
unverzichtbar ...
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Klassenstufe: 12/13
Schwerpunkt: Molekulare und cytologische
Grundlagen der neuronalen
Informationsverarbeitung: Wirkungsweise
einiger Nervengifte und Drogen
Voraussetzungen: Bau und Funktion des
Neurons, Erregungsentstehung und
Erregungsleitung, synaptische Verschaltung,
kompetitive Hemmung
Didaktisch-methodische Hinweise
Innerhalb der Unterrichtsreihe zu den
molekularen und cytologischen Grundlagen der
neuronalen Informationsverarbeitung bietet sich
bei der Behandlung der Wirkungsmechanismen
von Nervengiften und Drogen Lernen im Kontext
wie an keiner anderen Stelle an. Die vielfältigen
Möglichkeiten an Interessen und Erfahrungen der
Schülerinnen und Schüler anzuknüpfen, wirken
sich motivationsfördernd auf die weitere Arbeit
aus. Das Material berücksichtigt dies durch
Einbettung des Wirkungsmechanismus jedes
Giftes in ausführliche und interessante
Kontextinformationen.
Die Nervengifte und Drogen sind so
zusammengestellt, dass die Schülerinnen und
Schüler einen Überblick über die verschiedenen
Wirkorte an der Nervenzelle gewinnen können.
Gleichzeitig werden die Kenntnisse über die
molekularen Vorgänge an den Synapsen
gefestigt.
Der Einsatz der Arbeitsblätter im Unterricht ist
vielfältig. Eine Möglichkeit der
Unterrichtsgestaltung besteht in dem Einstieg
über Schlagzeilen und Auszüge aus Internet und
Zeitung (s. Rand-spalte), der die Frage nach der
Wirkungsweise der genannten Nervengifte und
Drogen aufwirft. Es folgt eine selbstständige und
arbeitsteilige Erarbeitung mithilfe der
Arbeitsblätter in Gruppen.
Eine Binnendifferenzierung ist so hinsichtlich des
Schwierigkeitsgrades der Wirkungsmechanismen
der verschiedenen Nervengifte und Drogen und /
oder den Wirkungsmechanismen und den
Kontextinformationen eines Giftes möglich.
Das Zusammentragen der Ergebnisse erfolgt
durch Anbringen der erstellten Plakate und
Kurzvorträge der einzelnen Gruppen oder auch in
Form eines Gruppenpuzzles. Das Schema der
Nervenzelle und Synapse kann zu diesem Zweck
stark vergrößert an die Tafel angebracht werden.
Sinnvoll ist auch eine Kopie der Abbildung auf die
Rückseite jedes Arbeitsblattes, sodass die
Schülerinnen und Schüler die Ergebnisse
eintragen können.
Arbeitsblatt Seite 41–45
1. siehe Abbildung 1
Wirkungsweise von Nervengiften und Drogen
Die Zubereitung des
Curare-Giftes
In Esmeralda lernte
Humboldt einen
indianischen
„Giftmeister“ kennen,
der stolz behauptete:
„Das Curare ... ist
besser als alles, was
ihr dort drüben (in
Europa) zu machen
wisst. Es ist der Saft
einer Pflanze, der
ganz leise tötet. ...“
© Ernst Klett Verlag GmbH, Stuttgart 2004 | www.klett.de
Von dieser Druckvorlage ist die Vervielfältigung für den eigenen
Unterrichtsgebrauch gestattet. Die Kopiergebühren sind abgegolten.
Autor: Tanja Tüllinghof
Grafiken: Jörg Mair, Herrsching
Seite aus: Natura aktuell 7
ISBN: 3-12-043494-9
40
Curare (Pfeilgift der Indianer)
Curare ist die Sammelbezeichnung für Pfeilgifte, die von den Indianerstämmen des
tropischen Südamerikas in den Stromgebieten des Orinoco und Amazonas u.a. aus
Pflanzen der Gattungen Strychnos und Chondodendron hergestellt werden. A. VON
HUMBOLDT war der erste Europäer, der herausfand, wie die Indios Curare für ihre
Blasrohr-Pfeile herstellten und beschreibt am Anfang des 19. Jahrhunderts seine
Teilnahme an der Zubereitung des Giftes: „... Der Indianer forderte uns von Zeit zur
Zeit auf, die Flüssigkeit zu kosten. Nach dem mehr oder weniger bitteren Geschmack
beurteilt man, ob der Saft eingedickt genug ist. Dabei ist keine Gefahr, da das Curare
nur dann tödlich wirkt, wenn es unmittelbar mit dem Blut in Berührung kommt. ...“
HUMBOLDT berichtet weiter von einem Farbigen, der die Giftpfeile durch Eintauchen
der Spitzen in die gewonnene schwarze Flüssigkeit für die Jagd nach kleinen Affen
und Vögeln vorbereitete: „Es war ein Zimmermann von ungemeiner Muskelkraft. Er
hatte die Unvorsichtigkeit, das Curare zwischen den Fingern zu reiben, nachdem er
sich unbedeutend verletzte, und stürzte zu Boden, von einem Schwindel ergriffen, der
eine halbe Stunde anhielt." Die Wirkung des Giftes hängt von der Dosis ab und lässt
nach einiger Zeit wieder nach. Es lähmt die Muskulatur in Sekunden und wird daher
zur Jagd verwendet. Getroffenen Tiere sterben einen schmerzlosen Tod.
Curarepfeile
Wirkungsweise von Curare
Ein Hauptbestandteil einiger Curare-Gemische ist das Tubocurarin.
Dieser Wirkstoff gelangt durch das Blut zu den Skelettmuskeln und wirkt
an der postsynaptischen Seite der neuromuskulären Synapse. Das
Tubocurarin besetzt reversibel die Rezeptoren für Acetylcholin, ohne die
entsprechenden Na+-Ionenkanäle zu öffnen. Ähnlich wie bei der
kompetitiven Hemmung von Enzymen durch Moleküle, die dem Substrat
ähneln, spricht man hier von der kompetitiven Verdrängung des
Acetylcholins. Das Tubocurarin wird auch nicht durch die
Acetylcholinesterase abgebaut, löst sich aber nach einer bestimmten Zeit
wieder vom Rezeptor, um dann erneut zu binden. Die Rezeptoren sind
folglich für das Acetylcholin langfristig blockiert und die
Muskelfasermembran kann nicht mehr depolarisiert werden. Deshalb
können durch Curareeinwirkung die Befehle zur Kontraktion nicht mehr
auf die Muskeln übertragen werden. Der Muskel wird für Nervenimpulse
unempfindlich.
Die Lähmung der Muskulatur des Menschen vollzieht sich in folgender Reihenfolge: Am empfindlichsten reagieren die Augenmuskeln. Es folgt die Lähmung der mimischen Gesichtsmuskeln sowie der Hals- und Nackenmuskeln. Gelähmte Schlund- und Kehlkopfmuskeln erschweren Sprechen und Schlucken. Die anschließende Lähmung der Extremitäten- und Bauchmuskulatur hat völlige Bewegungsunfähigkeit zur Folge. Dann
folgen die zur Atmung benötigte Muskulatur und das Zwerchfell. Bei der Jagdbeute der Indianer tritt meist der
Tod durch Atemlähmung ein, was Curare den schaurigen Ruf als „das“ südamerikanische Pfeilgift verschaffte.
In der Medizin wurde der isolierte Wirkstoff Tubocurarin verwendet, um bestimmte Muskeln (z.B. Bauchmuskeln) bei Operationen ruhig zu stellen. Es wirkt nur auf die Skelettmuskulatur, nicht aber auf den Herzmuskel
oder die glatten Eingeweidemuskeln. Der Patient muss dann künstlich beatmet werden. Heute wird das künstlich hergestellte Pancuronium statt Tubocurarin verwendet. Es ist 5-mal wirksamer und seine Nebenwirkungen sind leichter handhabbar. Weitere Anwendungsbereiche von Curare sind die Behandlung von Multipler
Sklerose und Parkinsonscher Krankheit. Es dient auch als Gegenmittel gegen das Kampfgas Sarin.
Aufgaben
1. Fassen Sie die Wirkung von Curare auf die Nervenzelle zusammen und halten Sie Ihre Ergebnisse stichpunktartig auf einem Plakat fest.
2. Fassen Sie die Kontextinformationen zusammen und bereiten Sie einen Kurzvortrag vor.
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41
Kokain (je nach Verarbeitung auch Koks, Schnee, Coke, Crack, und Rocks)
Kokain ist eine aus den getrockneten Blättern der südamerikanischen Kokapflanze
gewonnene Droge, die aber auch vollsynthetisch hergestellt werden kann. Bei der
einheimischen Bevölkerung war der Genuss der Kokablätter zunächst nur im
Rahmen kultischer Handlungen erlaubt. Mit der spanischen Eroberung breitete sich
der Konsum dieser Droge jedoch bald aus, da das Kauen der unverarbeiteten Blätter
Hunger unterdrückt und schwere Arbeit erträglicher macht. Kokain gelangte durch
die spanischen Eroberer sehr schnell nach Europa und wurde bereits zu Beginn des
19. Jahrhunderts als regulärer Arzneistoff gegen Husten und als Lokalanästhetikum
eingesetzt. Der Apotheker PEMPERTON aus den USA erfand ein Getränk, das
Extrakte aus den Blättern des Kokastrauchs beinhaltete und als Allheilmittel
vermarktet wurde: Coca Cola. Bereits um die Jahrhundertwende war das hohe
Abhängigkeitspotential von Kokain bekannt. Das Kokain verschwand 1904 aus dem
Getränk, aber der Name blieb.
Zweig der Kokapflanze
Besonders Künstler, Intellektuelle und Politiker konsumierten Kokain. Einige Beispiele aus der Geschichte
sind: SIGMUND FREUD, RICHARD STRAUSS, HENRIK IBSEN und HERMAN GÖRING. Heutzutage ist die Droge immer
noch stark unter Künstlern und anderen sogenannten kreativen Berufen verbreitet. Der Schauspieler RIVER
PHOENIX kokste sich z.B. zu Tode und JOHNNY DEPP versucht vergeblich periodisch von den Drogen wegzukommen. Kokain wird inzwischen in allen Gesellschaftsschichten konsumiert.
Wirkungsweise des Kokains
Kokain ist eine das zentrale Nervensystem
stimulierende Droge, deren Wirkung mit
der Beeinflussung des NeurotransmitterStoffwechsels zusammenhängt. Es
verzögert die Wiederaufnahme der
erregenden Neurotransmitter Noradrenalin
und Dopamin aus dem synaptischen Spalt
in die präsynaptischen Speichervesikel des
vorgeschalteten Neurons. Wahrscheinlich
hemmt Kokain die Transportmoleküle für die Neurotransmitter. Die Wirkung dieser Botenstoffe wird dadurch
verstärkt, da sich die Dauer des Transmitteraufenthalts im synatischen Spalt verlängert und die Rezeptoren
der Ionenkanäle in der postsynaptischen Membran dauerhaft besetzt werden. Dies führt zu einer fortlaufenden Signalerzeugung und somit zu einer massiven Stimulation u.a. des zentralen Nervensystems.
Bei kurzzeitigem Gebrauch in relativ niedrigen Dosen führt diese Stimulation zu einer gesteigerten Aufmerksamkeit und motorischen Hyperaktivität. Kokain bewirkt – zeitlich begrenzt – eine Leistungssteigerung und
erhöhte körperliche Belastbarkeit. Die ihm zugeschriebene Lust- und Potenzsteigerung kehrt sich bei fortdauerndem Konsum allerdings in sexuelles Desinteresse und Impotenz um. Ist der erste euphorische Rausch
vorüber, treten Symptome wie bei einer Depression ein und es entstehen typische Halluzinationen. Der „Kater“ lässt den Anwender nicht selten in den nächsten Kokainrausch flüchten. Regelmäßiger Kokaingebrauch
kann mittel- und langfristig zu schwerwiegenden körperlichen (z.B. Störungen des Nervensystems, Herzinfarkten), psychischen und sozialen Veränderungen führen. Die Hauptgefahr der Droge besteht darin, dass der
Konsument sehr schnell und massiv psychisch abhängig wird. Die Konsumenten können ohne die VerstärkerDroge kein normales Glücksempfinden mehr entwickeln. Zum Erreichen der gewünschten Wirkung müssen
immer höhere Dosen Kokain eingenommen werden. Ein „kontrollierter“ Konsum ist deshalb so gut wie unmöglich und Kokainvergiftungen sind nicht selten (evtl. Tod durch Atemlähmung und Kreislaufversagen).
Aufgaben
1. Fassen Sie die Wirkung von Kokain auf die Nervenzelle zusammen und halten Sie Ihre Ergebnisse stich2. punktartig auf einem Plakat fest.
2. Fassen Sie die Kontextinformationen zusammen und bereiten Sie einen Kurzvortrag vor.
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42
-Latrotoxin (Gift der Schwarzen Witwe)
Die Schwarze Witwe (Lactrodectus mactans) ist eine gefürchtete Spinne.
Ihr Biss reicht aus, um einen Menschen ernsthaft zu vergiften. Er
verursacht starke Schmerzen, Übelkeit, teilweise Lähmung und
Atembeschwerden. Todesfälle sind bekannt aber nicht die Regel. Die
Schwarze Witwe ist fast über die ganze Erde verbreitet, sie fehlt nur in
den nördlichen Teilen Nordamerikas und Eurasiens sowie in Mitteleuropa
und Ostasien. Man findet sie zwischen Steinen und unter Baumstämmen,
aber auch in Schuppen oder primitiven Toiletten.
Schwarze Witwe (w, 16 mm)
Früher waren deswegen Bisse in die Genitalien oder das Gesäß keine Seltenheit, da die Spinne sich gerne
unter der Klobrille versteckt hält. Heutzutage sind öfter die Gliedmaßen betroffen, weil man versucht, unter
einen von der Spinne bewohnten Gegenstand zu fassen. Die Schwarze Witwe ist gewöhnlich nicht angriffslustig; sie beißt nur zur Verteidigung. Wie bei den meisten Spinnen ist der Giftapparat der Männchen kleiner
als der der Weibchen, sodass Vergiftungen beim Menschen nur durch Weibchen hervorgerufen werden. Die
kleineren Männchen werden oft nach der Paarung von den Weibchen verspeist.
Wirkungsweise des -Latrotoxin
Die Schwarze Witwe besitzt ein äußerst
wirksames Neurotoxin, dessen
Hauptbestandteil ein Protein, das Latrotoxin, ist. Es ist ein relativ
großmolekulares Toxin, das seine
Wirkung am peripheren Nervensystem
entfaltet. Es bindet an ein
präsynaptische Membran ohne
präsynaptische Membran mit
-Latrotoxin
-Latrotoxin
Rezeptormolekül, das Bestandteil der
präsynaptischen Membran ist. In der Folge bildet sich ein Ionenkanal aus, an
dessen Struktur das Toxin wahrscheinlich selbst maßgeblich beteiligt ist und der besonders für Ca ² +-Ionen
durchlässig ist. Der Einstrom von Ca ²+-Ionen führt zur schlagartigen und irreparablen Entleerung der synaptischen Bläschen in den synaptischen Spalt von motorischen Endplatten. Die dabei freigesetzten Neurotransmitter bewirken die Depolarisation der postsynaptischen Membran und damit eine kontinuierliche Stimulation
der Muskulatur, aber auch von Schmerzrezeptoren. Schüttelfrost, Schmerzen und Atemnot sind die Folge.
Manchmal tritt der Tod durch Atemlähmung ein. Elektronenmikroskopische Aufnahmen der vergifteten NervMuskel-Verbindung zeigen eine Reihe Zerstörungen bis hin zum Auseinanderreißen der präsynaptischen
Membran und dem damit verbundenen Verlust sämtlicher Zellorganellen, einschließlich der synaptischen
Vesikel. Die postsynaptische Membran bleibt intakt.
Der Biss der Schwarzen Witwe selbst ist gewöhnlich sehr leicht; 60 % der Patienten beobachten keine
Schmerzen. Die Symptome treten nach 10 Minuten bis eine Stunde auf: An der Bissstelle beobachtet man
eine kleine rötliche Stelle. Danach treten die beschriebenen Symptome auf. Das Neurotoxin ruft auch eine
Reihe unspezifischer Reaktionen, z.B. starke Todesangst, Unruhe und Weinkrämpfe, hervor. Die akuten
Symptome dauern bei unbehandelten Patienten gewöhnlich einige Tage an. Schwäche, Müdigkeit, Kopf- und
Gliederschmerzen, Schlaflosigkeit und Impotenz können dagegen monatelang anhalten. Die Prognose ist
dennoch im Allgemeinen gut. Die Statistiken variieren bei den Todesfällen zwischen 0 und 6,2 %. Einen Gegenspieler zum -Latrotoxin findet man in Form des Botulinumtoxins, einer Substanz, die vom Bakterium
Clostridium botulinum produziert wird. Eine Vergiftung mit Botulinumtoxin kann bei Blockierung des Herzens
oder der Lunge bis zum Tod führen. Das Toxin blockiert die neuromuskuläre Verbindung durch eine Verhinderung der Freisetzung von Acetylcholin. Hier kann das Spinnengift als Gegengift eingesetzt werden.
Aufgaben
1. Fassen Sie die Wirkung von -Latrotoxin auf die Nervenzelle zusammen und halten Sie Ihre Ergebnisse
stichpunktartig auf einem Plakat fest.
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43
Sarin (Chemischer Kampfstoff)
In der Stoßverkehrszeit am Morgen des 20. März 1995 setzte die Aum-Shrin-Kyo-Sekte kleine Mengen des
Nervengases Sarin in der U-Bahn von Tokio frei. In der Folge starben über zehn Menschen, ca. 5500 Menschen wurden während der Flucht aus dem Tunnelsystem vergiftet oder verletzt. Das Nervengase ist unsichtbar und geruchlos und ein kaum sichtbarer Tropfen auf der heilen Haut genügt. Der tödliche Stoff löst schon
Minuten später die charakteristischen Vergiftungserscheinungen aus: Schweißausbruch, Schwindel mit
Erbrechen, Sehstörungen, gefolgt von unwillkürlichem Abgang von Stuhl und Urin, anschließend zunehmende
Krämpfe der gesamten Körpermuskulatur mit daraus resultierender Erstickung. Nach wenigen Minuten tritt der
Tod ein. Sarin ist einer der gefährlichsten chemischen Kampfstoffe, der vor und während des Zweiten Weltkrieges in Deutschland entwickelt und hergestellt worden ist. Bis in die 60er-Jahre wurde er in großen Mengen
zur Herstellung von chemischen Waffen durch die Großmächte in Ost und West produziert; es sind aber keine
Einsätze größeren Ausmaßes bekannt. Nach dem Golfkrieg haben Inspektionen im Irak ergeben, dass dort
einige hundert Tonnen Nervengift produziert worden sind. Verschiedene weitere Länder werden verdächtigt,
sich mit chemischen Waffen aufzurüsten. Die Rolle von Sarin ist aber nicht bekannt. Eine Reihe von Industriestaaten (organisiert in der Australiengruppe) versucht, durch Absprache von Exportkontrollen für kritische
Güter (Chemikalien, Anlagebauteile) die Weiterverbreitung von chemischen Waffen zu erschweren.
Wirkungsweise des Sarins
Das Nervengas kann auch gasförmig
über die Atemwege und die Augen in den
Körper gelangen. Seine Wirkung beruht
auf einem Eingriff in die normale Reizübertragung an der Verbindungsstelle
zweier Nervenzellen. Der Nervenkampfstoff Sarin ähnelt dem Neurotransmitter Acetylcholin von der Struktur her so stark, dass er sich an die Substratbindungsstelle der Acetylcholinesterase im Sinne eines Schlüssel-Schloss-Mechanismus bindet und somit als Hemmstoff wirkt. Das eigentliche Substrat Acetylcholin kann nicht mehr abgebaut werden, häuft sich
im synaptischen Spalt an und als Folge ergibt sich eine Dauerreizung des Nervensystems. Eine solche Situation ist mit der Lebensfähigkeit eines Organismus allenfalls für wenige Minuten vereinbar. Es kommt zu
Schweißausbrüchen, Erbrechen, Krämpfen und schließlich zu Atemlähmung und Kreislaufkollaps, da das
durch feste Bindungen angelagerte Sarin nicht oder nur sehr langsam von dem Enzym abgelöst werden kann.
Die Behandlung einer Vergiftung ist sehr schwierig, da sie abhängig von Zeitpunkt und Stärke der Vergiftung
erfolgen muss. Das wichtigste Gegenmittel ist das Atropin, das sich auf noch freie Rezeptoren der postsynaptischen Membran setzt, selbst keinen Reiz auslöst und so eine stärkere Reizung des Nervensystems verhindert. Entspricht die Atropin-Dosierung nicht exakt dem Ausmaß der Vergiftung, kommt es zu zusätzlichen
Vergiftungserscheinungen, denn das Atropin macht die Hemmung der Acetylcholinesterase nicht rückgängig.
Deshalb sollten gleichzeitig sogenannte Reaktivatoren injiziert werden, die das aktive Zentrum des Enzyms
vom Kampfstoff befreien. Eine erfolgreiche pharmakologische Behandlung mag aufgrund der genauen Dosierung des Gegenmittels und der sofortigen Behandlung in einem chemischen Krieg nur im Einzelfall möglich
sein, aber sicher nicht für die Masse. Zu bedenken ist ferner, ob die intensiv betriebene Suche nach effektiveren Gegenmitteln nicht zu einem neuen Rüstungswettlauf mit der Entwicklung einer neuen Generation chemischer Kampfstoffe führt, gegen die die heutigen Gegenmittel wirkungslos sind.
Aufgaben
1. Fassen Sie die Wirkung des Nervengiftes auf die Nervenzelle zusammen und halten Sie Ihre Ergebnisse
stichpunktartig auf einem Plakat fest.
2. Fassen Sie die Kontextinformationen zusammen und bereiten Sie einen Kurzvortrag vor.
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Tetrodotoxin (TTX, Zombiepulver, Kugelfischgift, Fugugift)
Der Glaube an „Zombies“ (lebende Tote) ist auf der Voudou-Insel Haiti so stark
verbreitet, dass sogar die ärmsten Bauern Unsummen an Geld ausgeben, um
große Steinklumpen zu erwerben, die sie über den Gräbern ihrer Toten
anbringen. Dadurch soll verhindert werden, dass böse Zauberer, die Bokors,
den Leichnam stehlen, in einen halbtoten Zombie verwandeln und in ein
entlegenes Gebiet bringen, wo er ein Sklavendasein fristen muss. Obwohl sie
essen, atmen und sich bewegen, sollen die Zombies nicht selbstständig denken
können und wissen anscheinend auch nicht wie ihr früheres Leben ausgesehen
hat.
Doch die Vorstellung von der magische Verwandlung in einen „Zombie“ ist nichts anderes als Aberglaube. Um
diesen Zustand des Scheintodes zu erreichen, benutzen die Bokors das Gift des Kugelfisches, Tetrodotoxin.
Voudou-Spezialisten bleiben knapp unter der tödlich wirkenden Dosis. Alle Körper- und Hirnfunktionen des
Opfers werden drastisch reduziert; er ist klinisch tot. So als Scheintote präpariert, werden die Opfer begraben
und überleben einige Tage im Sarg. Nach dem Ausgraben verabreicht der Bokor dem „Zombie“ weitere Drogen und Gifte, die ihn befähigen, sich zu bewegen, aber keinen klaren Gedanken aufkommen lassen.
Wirkungsweise des Tetrodotoxins
Tetrodotoxin ist eines der stärksten natürlich vorkommenden Gifte, die das
Nervensystem angreifen. Durch einen spezifischen Angriffspunkt ist dieser Stoff
hochtoxisch und nach wenigen Minuten wirksam. Die Fortleitung eines Nervenimpulses wird blockiert, indem sich das Toxin an einer bestimmten Stelle des
Natriumkanals, unabhängig von dessen Funktionszustand (aktiviert, inaktiviert,
in Ruhe), festsetzt und damit den Na+-Ionentransport durch die Zellmembran
hemmt. Dabei reicht ein Toxinmolekül pro Kanal aus. Eine Depolarisation wird
somit verhindert. Die Bindungsstelle für das Tetrodotoxin befindet sich an der
Außenseite des Natriumkanals, denn injiziert man es in eine Nervenfaser, so ist keine blockierende Wirkung
festzustellen. Die Bindung des Toxins ist hochspezifisch, d.h. es werden keine anderen Kanäle blockiert, und
reversibel. Bei einer Tetrodotoxinvergiftung kann keine Nervenerregung stattfinden. Die Reizbarkeit der Skelettmuskulatur und die Kontraktionskraft des Herzens wird herabgesetzt. Bei einer schweren Vergiftung tritt
innerhalb von 6 bis 24 Stunden der Tod durch Herz- und Atemstillstand ein. Dabei bleibt das Bewusstsein bis
zuletzt erhalten. Bei leichten Vergiftungen erfolgt eine Besserung nach wenigen Stunden und bleibt ohne
weitere Folgen.
Vergiftungen durch Tetrodotoxin zählen nach wie vor zu den zahlenmäßig bedeutenden Vergiftungen, zumal
die Kugelfische (Fugu) in Japan als Delikatesse gelten und in speziellen Restaurants durch lizenzierte Köche
zubereitet werden. Die hochgiftigen Innereien müssen sorgfältig entfernt werden. Die Japaner lieben das Prickeln von Lippen, Zunge und Rachen beim Verzehr dieser Speise. Tetrodotoxin fand auch Eingang in die
moderne Medizin, da es ähnliche, wenn auch bei weitem stärkere, Eigenschaften als einige Lokalanästhetika
besitzt. Neben Morphin wird es bei Krebskranken als schmerz- und krampflösendes Mittel verwendet und als
solches in Japan hergestellt. Produzent des Toxins ist die Mikroalge Pseudoalteromonas haloplanctis, die auf
Tangwiesen in subtropischen Meeren lebt. Die Fische fressen die Mikroalgen und reichern das Gift in ihrem
Fleisch an. Wie der Kugelfisch sich vor dem Gift schützt, ist noch nicht völlig geklärt. Eine Vermutung lautet,
dass Mutationen die Ionenkanäle der Tiere so veränderten, dass Tetrodotoxin daran nicht mehr anbinden
kann. Andere Hinweise deuten darauf hin, dass spezielle Eiweiße die Giftmoleküle abfangen. Diese könnte
eines Tages vielleicht einmal als Gegenmittel dienen.
Aufgaben
1. Fassen Sie die Wirkung von Tetrodotoxin auf die Nervenzelle zusammen und halten Sie Ihre Ergebnisse
stichpunktartig auf einem Plakat fest.
2. Fassen Sie die Kontextinformationen zusammen und bereiten Sie einen Kurzvortrag vor.
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