Pädagogische Hochschule Heidelberg Sommersemester 2002 Hauptseminar: Morphosyntaxerwerb und Spontansprachanalyse Thema: Die Profilanalyse nach H. Clahsen, Profilbögen I-K Dozent: Prof. Dr. J. Cholewa Referentinnen: Anna Hahn, Felicitas Kössl Die Profilbögen I-K Linguistischer Hintergrund zu den Fragesätzen Fragesätze unterscheiden sich von anderen Satzarten durch eine normalerweise gegen Ende steigende Stimme () Fragesätze werden vom Sprecher formuliert, wenn er über einen bestimmten Sachverhalt nicht genügend informiert ist und er sich von seinem Gesprächspartner diese Informationen erhofft. Fragesätze sind damit Aufforderungssätze besonderer Art. Sie fordern nicht zu einer aktionalen Reaktion auf, sondern zu verbalen Reaktionen, in Form von Antworten. Genauer kann man zwei Typen von Fragesätzen unterscheiden, der Informations- oder auch Ergänzungsfrage und der Entscheidungsfrage. 1. Die Informationsfrage / Die Ergänzungsfrage: Die beiden Begriffe werden synonym verwendet. Ich werde in meinen Ausführungen den Begriff „Informationsfrage“ verwenden, da Clahsen in seiner Profilanalyse sich auch dieser Begrifflichkeit bedient. Informationsfragesätze werden durch ein Fragewort eingeleitet. Da diese Wörter immer mit „w“ beginnen, spricht man auch von w-Fragesätzen. Bsp: Wem gehört dieser Koffer? Was könnte wohl im Koffer sein? Diese Fragewörter stehen immer im Vorfeld des finiten Verbs. Weiter sind Informationsfragen meist durch die Inversion von Subjekt und Prädikat, relativ zum Aussagesatz, gekennzeichnet. Eine Ausnahme ist hier, wenn in dem Fragesatz nach dem Subjekt gefragt wird. Bsp: Wer hat die Frau begrüßt? Ergänzungsfragen werden diese Fragen genannt, da hier sozusagen eine Ergänzung an einer ganz bestimmten Stelle des Satzes verlangt wird. Bei der Informationsfrage ist dem Sprecher mindestens eine Komponente des Sachverhalts unbekannt. Die Existenz des gesamten Sachverhalts wird nicht in Frage gestellt. (Um Unterschied zu den Entscheidungsfragen). Informationsfragen können nach verschiedenen Satzgliedern fragen: „Was machst du gerade?“ Es wird nach dem Prädikat gefragt „Wer kommt morgen zu Besuch?“ Es wird nach dem Subjekt gefragt „Wen besuchst du morgen?“ Es wird nach dem Objekt gefragt 2. Entscheidungsfrage: Bei Entscheidungsfragen steht das finite Verb an erster Stelle. Auch bei den Entscheidungsfragen wird Inversion verlangt. Entscheidungsfragen heißen diese Fragen deshalb, weil mit ihnen in der Regel zu einer Entscheidung aufgefordert wird. Für den Sprecher ist unbekannt (oder unsicher) ob der gesamte Sachverhalt überhaupt existiert Der Gesprächspartner soll durch seine Antwort diese Unsicherheit beseitigen. Bsp: Nimmst du das Buch? Kommst du wirklich mit? Mögliche Antworten auf Entscheidungsfragen sind: Ja, nein, vielleicht, ich weiß nicht..... Sie können in der Regel sehr knapp beantwortet werden. I. Frage Phase l Abkürzung „Q“ ll QXY lll QXYZ+ lV (+w)VfS(X+) und QVfS(X+) Erklärung - Diese Frage besteht nur aus einer Konstituente (Konstituente = ein in einem Satz syntaktisch relevanter Teil). - Die Fragen sind nur durch die für die Frage charakteristische Intonation gekennzeichnet. Spieplatz - Zweikonstituentenfrage - Die Kinder können bereits Entscheidungs- und Informationsfragen bilden. Informationsfrage: wo Mathias? Entscheidungsfrage: da machen - Das Fragepronomen in den Informationsfragen steht von Beginn an am Satzanfang. - Die für das Deutsche erforderliche Inversion von Subjekt und finitem Verb fehlt meistens. - Die Frage wird durch die Intonation gekennzeichnet. - Drei- und Mehrkonstituentenfrage - Es vollziehen sich keine neuen Entwicklungen im Vergleich zur Phase 2. - syntaktische Markierungen, insbesondere Inversion von Subjekt und finitem Verb kommen hinzu. Es wird zwischen Informationsund Entscheidungsfragen unterschieden. Informationsfrage: Wo is der andere stift? Entscheidungsfrage: Kann Julia auch mal sehen? - Das Fragepronomen kann auch fehlen, deshalb steht +w in Klammern. (+w) = W-Frage Vf = finites Verb S = Subjekt (X+) = Variable (kann durch mehrere Konstituenten besetzt werden) V (ob)X+ und (+w)X+ - Indirekte Fragesätze tauchen auf. - Auch bei den indirekten Fragesätzen wird zwischen Entscheidungsund Informationssätzen unterschieden. Indirekte Entscheidungsfrage: Ich will mal sehen, ob das schwarz is. Indirekte Informationsfrage: Weiß du wie wir das mit der flöte mach? - Die einleitenden Konjunktionen können fehlen; so stehen ob und +w in Klammern. (ob) = Einleitung des Nebensatzes. J. Komplementenstruktur Hier werden mit „Komplement“ alle Objekte oder Adverbiale bezeichnet. Unabhängig davon, ob es sich um Angaben oder Ergänzungen handelt. Wichtig ist ,dass bei dieser Teilanalyse fehlende Elemente, z. B. Auslassungen des Subjekts oder der verbalen Elemente, und die Wortstellung unberücksichtigt bleibt. Diese Teilanalyse richtet sich nur auf die Art und die Anzahl der vorkommenden Komplemente. Phase Abkürzung Erklärung lll VXA - Die Satzstruktur aus Phase 2 wird dadurch erweitert, dass die Kinder Adverbiale verwenden. und VXAA und andere (Ein Adverbial zeichnet sich durch folgende Eigenschaften aus: 1. Es wird unterschieden zwischen Adverbien (heute, schön, darin) Präpositionalphrasen (auf dem Tisch) und Nominalphrasen, welche durch ein Adverb substituierbar sind (den ganzen Tag lange) 2. Im Aussagesatz ist ein Adverbial topikalisierbar. - Im Profilbogen werden zwei Typen von Komplementenstrukturen unterschieden: 1. Zwei Komplemente, wobei X = Objekt oder Adverbial Jetzt du auto mal. D. fordert den Interviewer auf, ein Auto zu malen 2. Drei Komplemente, wobei X = Objekt oder Adverbial. Gleich macht er einmal krach. Gleich schießt der Jäger V VOiOd und VOiOdA und andere - Falls in der Äußerung weiterer Adverbiale vorkommen, wird der Satz bei andere erfasst. - Clahsens Untersuchungen zum Sytaxerwerb ergaben, dass die Kinder nun Äußerungen verwenden, in denen zwei Objekte vorkommen. - Ein indirektes Objekt kommt hinzu. das sag ich die mama da freß ich dich die zuckerkluntje auf Falls weitere Adverbiale vorkommen, werden diese durch andere erfasst. Oi = Enthält ein Substantiv oder Pronomen im Dativ. Der Kasus wird vom Verb regiert. Od = Enthält ein Substantiv oder Pronomen im Akkusativ. Der Kasus wird vom Verb regiert. K. Verbflexion Phase Abkürzung Erklärung - In diese Phase erscheine Verben vorzugsweise in der Stammform ( = ) und in der Infinitivform ( = -n ). Ich machen hier ll und n und t lll e lV st und andere - Gelegentlich werden Verben auch mit dem Flexiv –t markiert. fällt um - Die Kinder erweitern ihr Inventar an Verbflexionen um das Flexiv -e . - Ein Übergang in das korrekte Kongruenzsystem ist zu beobachten. - Übergeneralisierungen treten auf. ich kanne drinsitzen (M. will auch auf die Schubkarre klettern) - Der Erwerb des (Subjekt- Verb) –Kongruenzsystems wird in diese Phase abgeschlossen. - Als neues Verbflexiv tritt jetzt -st für die 2. Person Singular auf. Du malst schön! - Die Kategorie andere ist für die Fälle vorgesehen, die mit den vorgegebenen Beschreibungskategorien nicht erfasst werden können. Literatur: Clahsen, H.: Die Profilanalyse. Ein linguistisches Verfahren für die Sprachdiagnose im Vorschulalter. Berlin 1986. Helbig, G.: Deutsche Grammatik. Grundfragen und Abirß. München 1991. S. 144 - 146. Schüler Duden, Grammatik. Dudenverlag Mannheim, Wien, Zürich 1990 3 . S. 301 - 302.