Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik Seite 1 Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik A1: Ein Gedicht schreiben A2: Betrachtung von drei verschiedenen Strophen des gleichen Autors Man schreibt über irgendein Thema, das einem reizvoll oder belangvoll erscheint, ein Gedicht. Es kann kurz ( zwei bis drei Zeilen ) oder lang, gereimt oder ungereimt, mit oder ohne Versmaß, ernst oder heiter sein. Mögliche Themen: Schreiben / Gedichte schreiben Schreiben / Erwartungen Schreiben und Leben Schreiben für mich, für dich, für andere Gedicht darüber, was für mich ein Gedicht ist Gedicht über die Schwierigkeit ein Gedicht zu schrieben. Man liest die drei Strophen laut und überlegt sich, ob und aufgrund welcher Merkmale sie „Lyrik“ sind, und worin sie sich dabei unterscheiden. Anschließend versucht man beim Sprechen den Pulsschlag zu fühlen, und die Erfahrung, die man dabei macht, in seine Überlegungen miteinzubeziehen. Wenn man den Text geschrieben hat, ist es sinnvoll, einmal zu überlegen, aufgrund welcher Merkmale er nun ein „Gedicht“ ist. A5: Eine weitere Annäherung an den freien Vers A6: Umgehen mit freien Versen BSP: Das Herz, das gesagt hat: „Laß dir nicht bang sein um mich“, friert und ist bang BSP: Ich soll mich drein fügen und nicht fragen, warum ich das soll, und ich soll nicht um die, der es das gesagt hat. fragen, warum ich nicht fragen soll. Man formt den Text Frieds wieder um in freie Verse ( die Zeichensetzung kann man ganz oder teilweise wegfallen lassen ). Man vergleicht dann die eigene Versfassung mit dem Original, oder anderen Versfassungen. Man untersucht zunächst, was in den anderen Fassungen und danach, was in der eigenen Fassung durch die Anordnung der Verszeilen besonders hervorgehoben ist und welche Auffassungen des Textes sich ausdrücken. Man formt den Text Frieds wieder um in freie Verse ( wobei man die Zeichensetzung ganz oder teilweise wegfallen lassen kann ). Man vergleicht die eigene Fassung gegebenenfalls mit den Originalfassungen Frieds. Originalfassung: Ich soll mich drein fügen und nicht fragen warum ich das soll und ich soll nicht fragen warum ich nicht fragen soll. D:\75877218.doc 5/14/2016 2:26:00 AM Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik Seite 2 A7: Freie Verse aus Gebrauchs- und Alltagstexten A8: Freies schreiben von freien Versen Man formt einen Zeitungstext in freie Verse um, und zwar mit etwas längeren Verszeilen, und vergleicht sie dann wiederum mit dem Originaltext daraufhin, was kürzere oder längere Verszeilenanordnungnen für die Herausarbeitung bestimmter Sinnakzente bzw. für die Darstellung von Sinnzusammenhängen leisten. Man such sich einen Text: etwa einen Nachrichten- oder Anzeigentext aus Zeitungen und anderen Massenmedien, einen Werbetext, eine öffentliche oder amtliche Verlautbarung, eine politische Rede....., der einem erhellend oder kennzeichnend für unser Leben oder unsere Gesellschaft erscheint, und setzt ihn so in freie Verse, daß die einem selbst wichtigen Sinnzusammenhänge auffällig werden. Man schreibt einen Text in freien Versen. Dabei kann man Großschreibung der Zeilenanfänge, Einrückungen, Mittelachsanordnung, Anordnung in kurzen und langen Verzeilen, Zeilenmäßige und strophische Alleinstellung von Wörtern und Wortgruppen und Stropheneinteilung benutzen. Mit diesen Kunstgriffen kann man mühelos jeden beliebigen Text gewaltig aufdonnern; deshalb sollte man darauf achten, diese Kunstmittel möglichst oft so zu verwenden, daß sie eine Sinnfunktion für das, was man aussagen oder darstellen will, hat. A13: Annäherung an die Differenzerfahrung metrischer Formen A14: Lange und kurze Verszeilen Die 4. Verszeile der „Moritat von Mackie Messer“ ist: „Doch das Messer sieht man nicht“ BSP: Denn die einen sind im Dunkeln Man überlegt, welche Feststellung über diese Verszeile, nämlich über Merkmale, nach denen sie von anderen Verszeilen verschieden ist, möglich sind. Oft vergleicht man dafür mit einem sogenannten Strophenschema. Und die anderen sind im Licht. Und man siehet die im Lichte Die im Dunkeln sieht man nicht. Aufgabe: Man soll die Schlußstrophe zweimal umformen: Die Verszeilen sollen gleichmäßig alternierend gefüllt bleiben, doch statt jetzt vier einmal fünf Hebungen und ein andermal nur drei Hebungen haben. Man beurteilt dann die Wirkung der veränderten Fassungen. Überlege, wie noch längere und noch kürzere Fassungen wirken würden. D:\75877218.doc 5/14/2016 2:26:00 AM Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik A15: Regelmäßig und unregelmäßig gefüllte Verszeilen Seite 3 A16: Alternierende und daktylische Verszeilen Versuche, anhand des metrischen Schemas herauszufinden, wie die ersten Man spricht die ersten vier Zeilen des „Kanonen-Songs“ laut, und zeichnet fünf Verszeilen der 1. Strophe von Brechts Song „Die Seeräuber-Jenny“ ihr metrisches Schema auf. zu betonen sind. Man unterstreicht die Vokale der Silben, die eine Hebung Man formt nun zunächst die 2. Strophe so um, daß sie metrisch genauso tragen, und spricht die fünf Zeilen laut. Man formt diese Zeilen unter gebaut ist wie die 1. Strophe. Man formt dann die 2. Strophe noch einmal Beibehaltung der Anzahl der Hebungen jetzt so um, daß sie regelso um, daß die Verszeilen rein alternierend gefüllt sind. Man liest nun mäßig alternierend gefüllt sind. Man spricht nun laut die ursprüngliche jeweils zusammen mit der 1. Strophe die beiden eigenen Fassungen und Fassung. Überlege, was durch die ursprüngliche Form der Strophe über ein beurteilt, was sie durch die jeweilige Form für die Darstellung des Inhalts Küchenmädchen ausgesagt wird, das in einem erbärmlichen Hotel davon leisten. träumt, sich als Seeräuberbraut einmal an all denen, die es demütigen und ausbeuten, rächen, sie nämlich alle köpfen lassen zu können, und ob und wie die modifizierte Form diese Aussage verändert. A23: Kleine Erfahrungen mit Lautnachahmungen A24: „Lernt Vokale kennen“ ( Fühmann ) BSP: Ernst Jandl: auf dem land BSP: Drei Chinesen mit dem Kontrabaß rininininininininDER brüllüllüllüllüllüllüllüllEN schweineineineineineineineineinE grunununununununuZEN ( ... ) Saßen auf der Straße und erzählten sich was. Kam die Polizei. Ei, was ist denn das? Drei Chinesen mit dem Kontrabaß. Sprich die Strophen, wenn Ihr eine Gruppe seid, am besten reihum, in der Weise, daß immer nur ein Vokal oder Diphtong verwendet wird, etwa: Führe den Anfang von Jandls Gedicht sinngemäß weiter. Sprich das Ganze „Dri Chinisin mit dim Kintribiß ...“ Versuche, jede Vokalfassung der laut und achte darauf, ob, wo und wie in ihm Laute nachgeahmt werden. „Drei Chinesen“ in ähnlicher Weise zu charakterisieren. Oder beschreibe, um welche Art Lebensweisheit es sich handeln könnte und von wem aus sie gesprochen sein könnte. D:\75877218.doc 5/14/2016 2:26:00 AM Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik Seite 4 A25: Lyrik mit Lauteinlagen A26: Erfolgreich werben mit Lautwirkungen BSP: Christian Morgenstern: Igel und Agel Man findet zunächst einige schon durch ihre Lautform überzeugende lautsymbolische Markennamen für ein wallende Fülle erzeugendes Haarwuchsmittel, eine zart schmeichelnde Schönheitsseife, ein wunderweiches Waschmittel, strotzende männliche Vitalität spendende Energiepillen, superknusprige Knabberkrackers, einen prickelfrischen Zitronensprudel, einen superschnell schmutzfressenden Klosettreiniger, ein lindzügiges Abführmittel. Ein Igel saß auf einem Stein und blies auf einem Stachel sein. Schalmeiala, schalmeialü! Da kam sein Feinslieb Agel und tat ihm schnigel schnagel zu seinen Melodein. Schnigula schnagula schnaguleia lü! Man macht sich klar, in welcher Weise hier Lautwirkungen verwendet sind und was sie leisten. Man versucht dann, auch das folgende Gedicht durch Lautwirkungen ein wenig zu bereichern, indem man an die passende Stelle entsprechende Wörter oder Zeilen einfügt. A27: Eigene Versuche mit lautnachahmend- lautsymbolischer Lyrik A28: Versuch mit dem Klangcharakter eines Lenau-Gedichts nach Gerhard Rühm Man macht ein eigenes Gedicht mit Lauteinlagen: Ein Paar streitet sich auf einem Rundgang durch den Zoo. Man liest laut das Gedicht Lenaus und danach die zwei, Anfangs- und Ein Junge blättert in seinen Comics und hört dabei der Strafpredigt seiner Schlußstrophe bearbeitenden Strophen Rühms. Man versucht dann, auch Mutter zu. die 2.-4. Strophe des Lenau-Gedichts in der Art von Rühm so Ein Wahlredner gerät auf der Straße an einen bauchredenden umzuformen, daß man Metrum, Reime und Vokale ( vor allem die Tierstimmenimitator, der zur Freude der Umstehenden seine metrisch betonten ) sowie viele Konsonanten möglichst unverändert läßt, Bemühungen, ihn zur Wahl seiner Partei zu überreden, aus seinem aber mit ihnen beliebige andere Wörter ( gegebenenfalls auch Pepertoire kommentiert. Unsinnswörter ) bildet. Man liest dann laut jeweils eine Lenau- und eine Man schreibt ein lautnachahmendes und/oder ein lautsymbolisches umgeformte Strophe und achtet darauf, ob wenig oder viel von dem Gedicht über: Langeweile, Trauern, Klagen, Frust, Wut, Freude, Gesamteindruck und vor allem der Stimmungslage des Lenau-Gedichts Heiterkeit, Zärtlichkeit,...... oder eine Kombination von ihnen. erhalten geblieben ist. D:\75877218.doc 5/14/2016 2:26:00 AM Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik Seite 5 A31: Erfahrungen mit Reimen machen: der Sinngehalt des Reims A32: Zur Reimerwartung des lautlichen Gleichklangs a) BSP: Geduld, du kleine ____ Man hat verschiedene Gedichtstrophen vorgegeben. Man liest die Strophen laut und achtet darauf, ob bei den Reimen etwas Auffälliges bzw. nicht Erwartungsgemäßes vorliegt. Man überlegt sich, ob man dadurch bei dem einen Gedicht mehr oder weniger gestört wird und warum das der Fall ist. Man versucht die Auffälligkeit des Reimes zu beseitigen, indem man auch andere Reimwörter einsetzt. Man prüft nun, ob und warum einem der neue Text formal besser als der originale zusagt. Im lieben stillen _____ Man ergänzt das Gedicht mit passenden Reimwörtern. Finde eine geeignete Überschrift. Überlege dann, ob es leicht oder schwer war, die Reimwörter zu finden, und woran das liegen kann. BSP: fluchen, suchen, holen, gestohlen.......... Ergänze den Reimtext zu einem vollständigen Gedicht, und find zu ihm eine Überschrift. Überlege, ob es leichter war, zu den Reimen die Verse als zu dem vorhergehenden Gedicht die Reimwörter zu finden, und woran das liegen kann. A33: Ein Versuch zur Reimspannung bei den Reimformen A34: Versuche zur Reimspannung bei den Reimstellungen Das Gedicht, ein Ghasel, ist stark geprägt durch seine Überreime, die ein Man liest drei Strophenfassungen aus Alfred Lichtensteins „ Die wichtiges Formmittel dieser Gedichtart bilden. Man verändert die Dämmerung“ laut hintereinander. Man überlegt, wie eine Strophe Reimform, indem man die Überreime in klingende Reime verwandelt, also insgesamt auf einen wirkt und ob bzw. wie diese Wirkung sich durch die das zweite Wort des Reimes streicht; dabei muß man den Text verschiedenen Fassungen verändert. Man achtet darauf, wie man jeweils stellenweise etwas umformen. das Ende der Verszeilen betont.: ob man den Ton hoch hält, etwa auf Überlege nun, wie sich das Gedicht durch die Umformung der Reimform gleicher Höhe oder ob man ihn senkt. verändert hat: wie die einzelnen Reimformen wirken und welche Reimspannung man bei ihnen findet. Man liest das Gedicht „Im Winter“ von Georg Trakl laut; Man liest es dann noch einmal verändert in Paarreim-Anordnung. Man achtet darauf, ob durch die Veränderung der Versstellung der Charakter des Gedichts insgesamt berührt wird. Man überlegt, woran das liegen kann. D:\75877218.doc 5/14/2016 2:26:00 AM Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik A35: Übungen zum Reim und zur Reimstellung Seite 6 A36: Der ungewöhnliche Reim Man wählt beliebige Reime und bildet mit ihnen ein fröhliches Gedicht. BSP: flunkert – eingebunkert; Großglockner – Wäschetrockner Rotz – Wahrhaftigengotts; Dörfer – Surfer Dabei kann es sinnvoll sein, wenn man zunächst nur Reimfolgen Hände – Aggregatzustände zusammenstellt und dann zu den Reimen die Verszeilen schreibt. Interviewer – Wichtigtuer Man sollte versuchen mit verschiedenen Reimen zu arbeiten und aus ihnen Paarreime, Kreuzreime oder noch kompliziertere Reimstellungen zu Wähle in beliebiger Reihenfolge Reimpaare aus- man kann auch eigene machen. Und man kann mit stumpfen Reimen und klingenden Reimen hinzuerfinden- und mache ein fröhliches Gedicht mit beliebigem arbeiten. Man kann dann sein Gedicht noch in Strophen abteilen und einen Reimschema. Titel für es finden. A37: Erkundung eines romantischen Gedichts durch Arbeit mit seinen Reimen A38: Interpretation eines Gedichts von Eichendorff durch Arbeit mit seinen Reimworten ( Textreduktion ) BSP: 1. Fee – Reh – seh – vergeh – Weh BSP: Joseph von Eichendorff: Nachts Bitterlich – dich – flehentlich – inniglich – mich 2. ade – Café – Dreh – Klischee - Tee Gelegentlich – körperlich – liederlich – öffentlich – Sonnenstich ........ Nacht ........ sacht ........ Wolkenhülle ........ Tal ........ Nachtigall Man wählt zunächst aus der 1. Reimgruppe Reimpaare aus und macht dann mit ihnen ein Liebesgedicht. Man wählt dann aus der 2. Reimgruppe entsprechende Reimpaare aus und Man ergänzt die Reime zu einem Gedicht, so wie es Eichendorff macht auch mit ihnen ein Liebesgedicht. Überlege nun, welche Bedeutung geschrieben haben könnte ( oder auch zu einer Parodie ). Vergleiche nun das zugrundeliegende Gedicht Eichendorffs mit Deinem Gedicht auf die Reimwörter für Charakter und Aussage des Gedichts haben. inhaltliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede hin. D:\75877218.doc 5/14/2016 2:26:00 AM Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik Seite 7 A39: Gedichte schreiben mit Heine 1 A40: Gedichte schreiben mit Heine 2 BSP: Ein Traum, gar seltsam schauerlich, Führe diesen Beginn des Gedichts „Im Oktober 1849“ in demselben Metrum und Reimschema mit der Darstellung entsprechender historischer oder aktueller Vorgänge weiter. Ergötzte und erschreckte mich. Noch schwebt mir vor manch grausig Bild, Und in dem Herzen wogt es wild. Beschreibe in weiteren Strophen mit demselben Metrum und Reimschema einen solchen Traum. Schreibe mit demselben Metrum und Reimschema weitere Strophen zum Thema Traum. Forme Heines Gedicht „Erinnerung aus Krähwinkels Schreckenstagen“ aktualisierend um, oder schreibe nach seinem Muster ein eigenes Gedicht über entsprechende heutige Verhältnisse in Schule, Hochschule, Betrieb, Behörden, Staat, usw. A41: Ein Reimspiel: das Reihumgedicht – das Madrigal A42: Umgang mit der Wortwiederholung „Der Kopf ist leer, das Herz ist voll“ oder „Denk ich an Deutschland in der Nacht“ BSP: In den Dünen sitzen. Nichts sehen als Sonne. Nichts fühlen als Wärme. Nichts hören als Brandung. Zwischen zwei Herzschlägen glauben: Nun ist Frieden. Schreibe wie jeder im Kreis zu einer der ersten Verszeilen Heines eine mit Forme diese in Prosaanordnung gegebene Fassung eines Gedichts von ihr reimende zweite Verszeile sowie eine dritte Verszeile mit einem neuen Günter Kunert wieder in freie Verse um. Man kann den Text zunächst Reim, falte das Papier dann so, daß nur noch die letzte Zeile zu lesen ist, auch inhaltlich so verändern, daß er mehr Deine eigene Erfahrung ausdrückt, z.B. mit dem Titel: „Bei Dir“, „In Ferien“, „In der Schule“, und gebe es Deinem Nachbarn weiter, der entsprechend verfährt. Wenn „In der Stadt“,........ das Gedicht reihum weitergeschrieben worden ist und wieder zu Dir kommt, dann schreibe nur noch eine Verszeile als Schlußzeile. D:\75877218.doc 5/14/2016 2:26:00 AM Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik Seite 8 A43: Schlichte Übungen zur Wortwiederholung A44: Arbeiten mit strophischer Wortwiederholung Schule: Schule................................................. Jeden Tag .......................................... Jeden Tag ......................................... Jeden Tag ......................................... Schule .............................................. Nie .................................................... Nie ................................................... ... Fülle dieses Schema zu einem vollständigen Text aus. Dabei kann man natürlich Wörter und Zeichen verändern, einfügen oder streichen. Statt über Schule kann man mit diesem Schema auch über Familie, Freunde, Alltag, usw. schreiben. Lohnt sich Vierzig-Stunden-Arbeit wöchentlich monatlich, jährlich, rentenlänglich für Schleiflack-Anbauwand und Ledergarnitur da wo die Langeweile zu Hause ist? A45: Gedanken zu Mut und Hoffnung bei der Lektüre Brechts A46: Leitmotiv-Clustering Lies das 1953 in der DDR geschriebene Gedicht Brechts und versuche Dir seine Aussage klar zu machen. Achte darauf, wie sich mit der Wiederholung von „Stückchen“ dessen Bedeutung ändert. Schreibe selbst einen Text über „Mut“ und/oder Hoffnung nach dem Muster des Brecht-Gedichts. Es kann viele Bereiche treffen und bildlich sein, etwa: In einem verdorrenden Land..... In einem brennenden Haus..... Es kann aber auch direkt bezogen sein, etwa: Trotz aufgekündigter Freundschaft Trotz fehlender Berufsaussichten Man wählt ein einfaches Wort, das eine gewisse Menge an Bildungen, Ableitungen und Zusammensetzungen aufweist, etwa: mehr – eigen – nieder – hoch – gut – Hand – schaffen – usw. und schreibt von ihm in einem Cluster verschiedene Formen auf, die einem einfallen. Man ordnet die Wörter, die einem ertragreich erscheinen, in einer Reihenfolge an und füllt dieses Muster zu einem Text aus freien Versen auf. Man kann aber auch gleich vom Cluster aus einen Text schreiben. Man findet zu dem Text noch eine Überschrift aus dem erarbeiteten Wortmaterial. Man überlegt auch, wie das Kunstmittel des „Leitmotivs“ auf einen wirkt und was es in einem Text leistet. Lohnt sich .......... Setze das Gedicht mit weiteren Strophen fort. Oder schreibe nach diesem Muster oder auch in freier Abwandlung einen eigenen Text mit strophischer Wortwiederholung über Deine Lebenssituation oder Zukunftserwartungen, z.B. mit dem Titel: „Warum eigentlich?“ „Und für wen?“..... Man hebt das Wort ( die Worte ) für den entscheidenden Vorgang seines Textes durch eine Wiederholung, die man gegebenenfalls in einer D:\75877218.doc 5/14/2016 2:26:00 AM Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik Wiederholungsfigur anordnet, hervor. A47: Erarbeiten zweier Gedichte von ihren Leitmotiven her Seite 9 A48: Arbeiten mit gegensätzlichen Leitmotiven in zweischichtiger Textanordnung nach Ingeborg Bachmann: „Reklame“ Es liegen zunächst zwei Gedichte vor: Bertold Brecht, aus: An die Nachgeborenen Hans Magnus Enzensberger: Weiterung ( Textreduktion ) Man macht sich zunächst klar, wie in dieser Textreduktion die Worte, die das Leitmotiv bilden, miteinander zusammenhängen. Man überlegt dann, ob die Zukunft, wie Enzensberger sie hier mit Hilfe des Leitmotivs darstellt, ähnlich oder anders gesehen sein dürfte als in dem Gedicht, welches Brecht geschrieben hat. Man ergänzt vielleicht noch die Leitmotivworte Enzensbergers ganz oder in einigen Zeilen zu einem vollständigeren Text. Man stellt zunächst fest, welche Textschichten das Gedicht aufweist und wodurch sie formal, etwa syntaktisch bestimmt sind. Man untersucht dann, welche Leitmotive in den beiden Textschichten vorliegen, in welchem Verhältnis sie zueinander stehen und was sie insgesamt für die Aussage des Gedichts bedeuten. Man ersetzt nun einige Zeilen durch Zeilen, in denen man eigene Lebensfragen formuliert, z.B. die Frage nach der eigenen Zukunft. Man versucht die Frage leitmotivlich zu organisieren. Man liest das Gedicht dann so, daß die beiden Textschichten von verschiedenen Sprechern gelesen werden. A49: Einfache Übung zum leitmotivlichen Arbeiten in einer zweischichtigen Textanordnung A50: „Selbstsein“ – „Ein(e) andere( r ) sein“: Eigene Versuche mit Leitmotiven Man sucht sich ein Gedicht, das sich für eine Umformung in eine zweischichtige Textanordnung eignet. Man überlegt sich einen Vorgang oder ein Ereignis, die das, warum es in dem gewählten Gedicht geht, veranschaulicht, verteidigt, beschönigt, verschleiert, entkräftet, usw. Man versucht diese zwei Textmotive leitmotivlich zu organisieren. Man kann dabei so vorgehen, daß man etwa bei dem Gedicht zu jeder Strophe einen Begriff sucht, der das, worum es in ihr geht, auf einen bestimmten Bereich anwendet, oder mit einem bestimmten Bereich kontrastiert. Man sucht dann zu diesen Begriffen Wortfelder, bildet aus ihnen Sätze und schiebt sie in das Gedicht ein. Man stellt zu dem Themenkreis „Selbstsein“ oder „Ein(e) andere( r ) sein“ oder zu beiden ein Leitmotiv-Cluster auf: für Selbstsein etwa mit Assoziationsketten zu ich – selbst – eigen – einzeln – Echo - ....... Oder Umwandlung – Verwandlung – spielen – Rolle – Maske - .... Man schreibt daraus, gegebenenfalls aus beiden Clustern, einen Text in freien Versen. Wenn man beide Themenkreise bzw. Cluster verwendet, kann man auch mit einer zweischichtigen Textanordnung arbeiten. D:\75877218.doc 5/14/2016 2:26:00 AM Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik Seite 10 A51: Erkundung der Mehrdeutigkeit A52: Erarbeiten von Formen der Mehrdeutigkeit BSP: Volker von Törne: Frage Es liegen folgende Gedichte vor: Hans Magnus Enzensberger, aus: Landessprache Erich Fried: Nicht weit vom Stamm Hans Magnus Enzensberger: Hôtel Fraternité Mein Großvater starb an der Westfront; mein Vater starb an der Ostfront: an was sterbe ich? Man formt den Text wieder um in freie Verse, wobei man Wortwiederholungen in einer Figur anordnen kann. Man achtet darauf, ob die Man unterstreicht in den Gedichten die Wörter, die mehrdeutig sind und wiederholten Worte eine Besonderheit aufweisen, wodurch diese entsteht macht sich klar, wie die Mehrdeutigkeiten zustandekommen und versucht und was sie für die Aussage des Gedichts leistet. von ihnen her die Aussagen der Gedichte zu verstehen. A53: Arbeiten mit Mehrdeutigkeiten A55: Das Oxymoron als kühne Metapher Man findet nach Möglichkeit selbst ein Wort, gegebenenfalls ein zusammengesetztes Wort, oder eine Wortverbindung ( z.B. eine Redewendung ), die einem belangvoll erscheint und die Möglichkeit der Mehrdeutigkeit bietet. Man setzt dann das Wort bzw. die Wortverbindung in unterschiedliche Kontexte durch die eine Mehrdeutigkeit zum Ausdruck gebracht wird. Man macht aus dem Ganzen entweder ein Spruchgedicht oder auch einen längeren Text in freien Versen. Man bildet aus den Bereichen der Wahrnehmung, der Empfindung oder der Reflexion Oxymora, also Fügungen aus zwei sich widersprechenden Begriffen, wie etwa: Schwarze Helle Gellende Stille Flacher Tiefsinn Jauchzende Verzweiflung Man nimmt nun ein Oxymoron als Gedichttitel oder als letzte Zeile eines Gedichts und macht dazu einen kürzeren Text, am besten in freien Versen. D:\75877218.doc 5/14/2016 2:26:00 AM Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik Seite 11 A56: Wiederbelebung von Metaphern A57: Erkundung der Synästhesie – Spiele mit Synästhesien Hans-Curt Flemming mitten in der schlacht ist ein freundliches wort gefallen zwischen uns da liegt es wer wird es aufheben und dabei sein genick entblößen? Man stellt fest, wo in Gedichtausschnitten Synästhesien vorliegen. Man sieht nun auf die Farbwörter in ihnen und hält diese in einer Tabelle fest. Man schaut, welche positiv und welche negativ besetzt sind. Man überlegt sich, was das Ergebnis für eine mögliche Objektivität solcher Zuordnungen von Farben bedeutet. Man untersucht zunächst das Gedicht daraufhin, wie hier eine tote Metapher wiederbelebt worden ist: welcher ursprüngliche Bildspender wieder aktiviert wurde und welches Bildfeld von ihm her aufgebaut wurde. Man verfährt dann mit einer anderen toten Metapher ähnlich, etwa mit einer der folgenden Redensarten: ein Urteil fällen kein Wort verlieren jemanden zur Rechenschaft ziehen oder mit einer anderen Metapher, die einem ergiebig erscheint. Man macht damit einen kurzen Text in freien Versen. A58: Metapher als Übertragung eines fremden Wortes? Erprobung dieses Metaphernverständnisses Liebe ......... voneinander sehr angetan sein und doch auf den andern keinen Zwang ausüben. A59: Erste Annäherung an die Allegorie Man schreibt nach der Anregung Kleists mit einem Klavier oder einem anderen Musikinstrument oder mit sonst einem Bild wie Blume, Baum, Buch, Kerze, Uhr, usw. ein Gedicht in freien Versen etwa darüber, was ein Mensch ist oder wie er sich einem anderen gegenüber fühlt oder als was er sich in unserer Gesellschaft empfindet. Man formt den bildfrei gemachten Text wieder um in einen Bildtext etwa von einnehmen, besetzen, oder fesseln als Bildbereich aus. Man beurteilt die Wirkung von bildfreiem und bildlichem Text. D:\75877218.doc 5/14/2016 2:26:00 AM Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik A60: Allegorien vom Kreislauf des Lebens Seite 12 A61: Schlichte Erfahrung mit der reinen Allegorie Wolf Biermann: Portrait eines alten Mannes Die Nummer Ich bin eine Zirkusnummer. Mache Dir zunächst klar, worum es in diesem Gedicht geht. Dann sondert Ich habe einen Dompteur man die einzelnen Teile der Allegorie. Man stellt fest: Und einen Zirkusdirektor...... welche Zeilen den Bildempfänger ausmachen, über den mit Hilfe eines Bildes etwas gesagt wird; Man vervollständigt, wenn man sich etwa als Schüler, Student, Soldat, welche Zeilen den Bildspender ausmachen, also einen Bildteil, mit Hilfe Arbeitnehmer,.... in vergleichbarer Rolle fühlt bzw. gefühlt hat, diesen dessen etwas über den Bildempfänger ausgesagt wird; Text aus dem gegebenen Bildbereich Zirkus. Man kann dann die Vorlage welche Zeilen als Bedeutungsteil das formulieren, was der Bildteil über natürlich verändern, und man kann einen anderen Bildbereich wählen. den Bildempfänger aussagt. A62: Zum Umgang mit der allegorischen Personifikation Das Gedicht „Sprechstunde“ von Hans Magnus Enzensberger liegt vor. Man verdeutlicht sich, wie in diesem Gedicht Zukunft personifiziert und wie diese Personifikation in einen Handlungszusammenhang gebracht worden ist. Man wählt einen Begriff, der für einen selbst Belang hat, etwa Gerücht, Verdacht, Neid, Angst, ..... man personifiziert ihn und stellt ihn in einen knappen, gegebenenfalls auch verrätselten Handlungszusammenhang. Dabei kann man von bildlichen Ausdrücken und Redensarten ausgehen, in denen diese Begriffe vorkommen, z.B. ein Gerücht geht um Neid verzehrt jemanden Hoffnung wird begraben, Glück winkt A63: Erfahrungen mit politischem Bildgebrauch: Eine aktuelle Allegorie von unserem „Staatssschiff“ und „Staatskörper“ Ein seit der Antike gebräuchliches Bild für die Darstellung – vor allem schwieriger – staatlicher Verhältnisse ist das Schiff und der Schiffahrt und ist das vom Staat als menschlichem Körper mit Kopf, Gliedern, usw. Man stellt ein aktuelles politisches Problem und Wege zu seiner Lösung mit einer dieser beiden Allegorien in freien Versen dar. Achte darauf, ob das gewählte Bild Deine Darstellung des Problems und seiner Lösung auch wirklich trägt oder vielleicht unter eine bestimmte politische Optik stellt; sollte das der Fall sein, kann man dem Ganzen auch eine ironische oder satirische Wendung geben. D:\75877218.doc 5/14/2016 2:26:00 AM Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik Seite 13 A64: Erste Annäherung an das Symbol im Bildfeld „Krieg“ A65: Goethes Symbolgebrauch und Symbolverständnis Hans-Curt Flemming: an die wand gestellt Bertold Brecht: Der Himmel dieses Sommers Johann Wolfgang Goethe: „Mächtiges Überraschen“ und „Maximen und Reflexionen“ Man versucht zu klären, was die beiden Gedichte über den Krieg aussagen. Versuche zu verstehen, worum es in den Gedichten geht. Man sieht vor Stelle fest, wie das geschieht, welche Verwendung eines Bildes hier allem danach, was darauf hinweist, daß es bildlich zu lesen ist, und man vorliegt. Man versucht dann, selbst einen vergleichbaren Text zu sucht eine bildliche Bedeutung zu erfassen. Man überlegt auch, ob formale schreiben, entweder über einen ähnlich wie bei Flemming gesehenen Ähnlichkeiten mit anderen Gedichten bestehen. Man vergegen-wärtigt sich Gegenstand, z.B. auch, welchen Anlaß Goethe hatte, diese Bestimmungen von Symbol und eine Granatenhülse als Blumenvase, Allegorie vorzunehmen, und was das bedeuten könnte. Überlege, ob Du eine Schürze aus einer Fahne daran etwas problematisch findest. oder über einen einfachen Vorgang, den Du bildlich bedeutungsvoll findest, z.B. eine Schranke schließt sich Kinder winken vorbeifahrenden Soldaten zu usw. A66: Eigene Versuche mit symbolischer Bildform A67: Aktiver Umgang mit dem Enjambement Man vergegenwärtigt sich, wie in Rilkes Gedicht Gefangensein symbolisch dargestellt ist. Man versucht nun, über Gefangensein einen eigenen symbolischen Text zu schreiben. Er sollte sich nicht an dem Muster von Rilkes Gedicht orientieren, könnte aber über einen oder mehrere der folgenden Begriffe handeln: Kette – Gitter – Käfig – Zelle Vielleicht auch in kontrastiver Zusammenstellung mit einem oder mehreren der Begriffe: Himmel – Sterne – Wolken – ...... Man kann aber auch über inneres Gefangensein, also über die gefangenen Möglichkeiten, Fähigkeiten, Bedürfnisse, Interessen, ..... schreiben. Man macht sich klar, worum es in den zwei Gedichten im wesentlichen geht. Man vergleicht sie dann daraufhin, wie sich Verszeilen und Satzbau bei ihnen zueinander verhalten: wo die syntaktischen Einheiten sich mit den Verszeilen decken und wo sie über sie hinausgehen, vielleicht an besonders empfindlichen Stellen von ihnen zertrennt werden. Überlege auch, welche Funktion das jeweilige Verhalten von Verszeilen und Satzbau für den Inhalt der Gedichte hat. Verändere den Versaufbau der beiden Gedichte nun so, daß in dem Gedicht der Satzbau durch die Verseinteilung möglichst oft und heftig gestört wird. Man überprüft dann, welche Wirkung diese Veränderung auf D:\75877218.doc 5/14/2016 2:26:00 AM Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik Seite 14 Oder man versucht, einen Text über einen symbolischen Gesamtvorgang zu schreiben. die Aussage der beiden Gedichte hat. A68: Umwandlung von Prosa Peter Handkes in freie Verse mit Enjambement A69: Lyrische Experimente mit dem Satzbau Angst macht dich blind für die Not deiner Freunde – Ich möchte dich in einem fremden Erdteil sehen. Denn da werde ich dich Freundlichkeit blüht nicht im Garten der Furcht. unter den anderen endlich allein sehen. Und du wirst unter tausend andern Die Form dieses Gedichts ist für seinen Inhalt wohl etwas zu glatt. mich sehen. Und wir werden endlich aufeinander zugehen. Versuche das zu bessern, indem Du den Text in kürzere Zeilen mit möglichst auffälligen, den Satzzusammenhang deutlich zertrennenden Man formt die Prosastelle unter Verwendung möglichst funktionaler Enjambements schreibst. Beurteile die Wirkung. Enjambements um in freie Verse. Dabei sollte man vor allem die Stelle dann die Satzglieder so um, daß der Text auch durch den Satzbau Spannungsverhältnisse bzw. Gegensätzlichkeiten im Text durch spannungsreicher wird und schreibe ihn in kürzeren Verszeilen mit Enjambements darzustellen versuchen. Die Zeichensetzung kann man Enjambements. Beurteile wiederum die Wirkung. dabei frei handhaben, man kann den Text natürlich auch kürzen und verändern. A70: Aktiver Umgang mit dem Satzbau A71: Lyrische Experimente mit dem Satzbau Nah ist Und schwer zu fassen der Gott. Und manchen Gesang, den ich Dem höchsten zu singen, dem Vater, Gesonnen war, den hat Mir weggezehret die Schwermut........ Wie der Zwist der Liebenden, sind die Dissonanzen der Welt. Versöhnung ist mitten im Streit und alles Getrennte findet sich wieder. Man formt den Text so um, daß man Sätze mit der üblichen Abfolge der Satzglieder erhält. Man achtet darauf, welche Besonderheiten des Man schreibt den Text aus dem Schluß von Hölderlins „Hyperion“ zunächst in einer einfachen, dem Satzbau folgenden Versform in vier Zeilen. Man ordnet sie dann so um, daß die syntaktischen Fügungen der 1. und 2. sowie der 3. und 4. Verszeile jeweils über Kreuz zueinander stehen und beurteilt deren Wirkung. D:\75877218.doc 5/14/2016 2:26:00 AM Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik Seite 15 Satzbaus man bei Hölderlin antrifft, man überlegt, welche Absichten mit ihnen verbunden sein mögen und was sie leisten. Man versucht zu verstehen, was in den Texten gesagt ist. A72: Einfache Übung zu Parallelismus und Chiasmus A73: Lyrische Experimente mit dem Satzbau Man stellt zunächst fest, wie der Parallelismus in diesem Gedicht angelegt ist und was er für die Charakterisierung der Liebe leistet. Man versucht dann andere syntaktische Anordnungen, die vielleicht auch den Spannungscharakter der Überschrift besser darstellen, indem man etwa den ersten und dritten Satz in die Normalform und den zweiten und vierten Satz chiastisch in die am stärksten invertierte Form setzt, oder indem man vom ersten bis zum vierten Satz eine allmähliche Umwandlung von der Normal- in die am stärksten invertierte Form vornimmt. Man beurteilt die Wirkung. Wie der Zwist der Liebenden Sind der Welt Dissonanzen: Versöhnung ist mitten im Streit Und wieder findet sich alles Getrennte. A74: Aktiver Umgang mit dem Satzbau bei Bobrowski A75: Arbeiten mit „glatter“ und mit „harter“ Fügung Dies Gedicht „Friedhof“ ist vor allem deshalb schwer zu verstehen, weil sein Satzbau sehr eigenwillig und reduziert ist. Ein Weg zu seinem Verständnis ist deshalb, es so umzuschreiben und gegebenenfalls zu ergänzen, daß möglichst normale und einfache Sätze mit eindeutiger Zuordnung ihrer Satzglieder entstehen. Man achtet dabei darauf, welche Satzfiguren von Bobrowskt verwendet sind und was sie ursprünglich leisten, auch wie die eigene Fassung gegenüber der Originalfassung wirkt. „Weltende“ ist in diesem berühmten Gedicht, mit dem man den Beginn des literarischen Expressionismus angesetzt hat, grotesk durch teilweise recht beschränkte bürgerliche und so geradezu idyllische Unglücke dargestellt, und Teil dieser grotesken Idylle ist der meist sehr glatte Satzbau. Man versucht nun, ein anderes Gedicht über „Weltende“ zu machen – oder auch über „Naturkatastrophe“, usw., indem man gegebenenfalls die scheinidyllisierenden Vorgänge umformt und das Ganze umschreibt in eine harte Fügung. Man ordnet diesen Text noch einmal syntaktisch um, und zwar so, daß er noch ungeregelter, spannungsstärker und dissonanter wird: etwa indem man syntaktisch mehr oder weniger entbehrliche Texte wegläßt oder indem man Satzteile auch ohne Rücksicht auf den Satzbau in andere Sätze einschiebt. Man stellt eine Versform her, und man beurteilt die Wirkung ihrer Veränderungen. D:\75877218.doc 5/14/2016 2:26:00 AM Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik Seite 16 A76: Syntaktische Spiele mit Hypotaxe und Parataxe, Polysyndeton und Asyndeton A77: Syntaktische Reduktion als Produktions- und Interpretationsverfahren ( Textreduktion ) Goethes Gedicht aus den „Chinesisch-Deutschen Jahres- und TagesZeiten“ ist in syntaktisch gegliederter und gestufter ( hypotaktischer ) Fügung geschrieben; es wurde umgeformt in einen Text mit schlicht reihender ( parataktischer ) Fügung: Beurteile, wie die originale und wie die umgeformte Fassung wirkt. Nimm nun selbst eine solche Umformung vor und ändere die hypotaktisch gefügten Strophen des folgenden Gedichts in parataktische Fügungen um. Man wählt ein beliebiges Gedicht, das einem ergiebig oder auch schwierig erscheint. Man unterstreicht dann Worte und Wortgruppen, in denen sich für einen der Sinn des Textes konzentriert, die also etwas wie die Kernorte des Gedichts darstellen. Man schreibt sie dann – etwa in der Art des Hölderlin-Textes oder als freie Verse – gesondert auf, glättet den Text gegebenenfalls etwas oder man verdeutlicht ihn durch Zeichensetzung und Zeilenanordnung, so daß man nun einen eigenen Text über das erhält, was das Gedicht für mich vor allem aussagt. A78: Zeilenpuzzle mit Liebesgedichten Heines A79: Zeilenpuzzle mit drei Naturgedichten 1 Nur noch zuweilen im Traum; 2 Sie liebten sich beide, doch keiner 3 Sie sahen sich an so feindlich, 4 Sie trennten sich endlich und sahn sich .... 1 Alte Zeiten, linde Trauer 2 Rauscht die Erde wie in Träumen 3 Schweigt der Menschen laute Lust 4 Und es schweifen leise Schauer.... Man setzt die- jetzt alphabetisch geordneten – Verszeilen nach Möglichkeit wieder zu den Gedichten aus zwei bzw. drei Strophen zusammen, wie sie Heine geschrieben haben könnte. ( Dabei ist es Bei diesen Texten wurden die Verszeilen alphabetisch geordnet, die Satzzeichen am Zeilenende weggelassen und Groß- bzw. Kleinschreibung am Zeilenbeginn z.T. vereinheitlicht. Man stellt vom Text eine D:\75877218.doc 5/14/2016 2:26:00 AM Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik Seite 17 nützlich, wenn der Text abgeschrieben oder fotokopiert und zeilenweise einstrophige Gedichtfassung her, die die Verszeilen in eine für einen selbst zerschnitten wird ). Man achtet darauf, nach welchen Kriterien man sinnvolle Reihenfolge bringt. Diese Fassung soll nicht mit der zuordnet, was also für einen selbst die Verszeilen zu Strophen verbindet. Originalfassung übereinstimmen. Man achtet darauf, warum man Verszeilen mit anderen Verszeilen verbindet, wie und wieso man also Sinnzusammenhänge des Gedichts herstellt. A80: Versuche mit vier- und dreizeiligen Strophen A81: Versuche mit Terzine und Stanze Man macht aus einem vorhandenen Gedicht ein anderes Gedicht mit drei Man verfaßt aus dem Material eines der beiden Gedichte von Lichtenstein oder vier dreizeiligen Strophen. Man wird die Strophen i.a. aus einem und Trakl in der vorhergehenden Arbeitsanregung A79 selbst eine dreireimenden Verszeilenpaar und einer reimlosen Verszeile, einer Waise (x), oder vierstrophige Terzine. Dazu muß man allerdings eine dritte Reimzeile zusammensetzen und kann dabei die Waise selbst schreiben. Man macht nun aus der Terzine Georges ein neues vor das Reimzeilenpaar (xaa xbb ...) Gedicht, nämlich eine Stanze, die acht Verszeilen aufweist und nach dem zwischen das Reimzeilenpaar (axa bxb ...) Schema abababcc reimt. Und man macht dann vielleicht kontrasteshalber hinter das Reimzeilenpaar (aax bbx ...) aus der Terzine Georges noch ein Gedicht mit zwei vierzeiligen Strophen setzen. Man kann die Waise auch verändern. Man kann sie verkürzen oder in Paarreimen. verlängern, man kann sie als Waise in allen Strophen oder eine variierende Vergleiche die beiden Gedichte nun miteinander und bestimme die Verszeile einsetzen. Unterschiede zwischen den Strophenformen. Worin unterscheiden sich die beiden Gedichte? A82: Versuche mit Kehrzeilenstrophen dreier Herbstgedichte A83: Versuche mit Strophenformen an einem eigenen Cento Man kann zunächst bei dem Fried-Text seine Ergiebigkeit für die Herstellung von Sinnzusammenhängen erproben , indem man eine Reihenfolge der Zeilen auslost und sieht, welchen Text mit welchen Sinnzusammenhängen eine solche Reihe ergibt. Man liest die drei Herbstgedichte und vergegenwärtigt sich den Strophenaufbau, vor allem die Verwendung der Kehrzeilen in den Strophen und ihre Leistung. Man macht dann aus dem Material des FriedGedichts ein eigenes Gedicht nach dem Modell eines der drei (Andreas Thalmayr: Teestunde) Dieses Gedicht, ein Cento, ist aus Bruchstücken von Gedichten Günter Herburgers, Michael Krügers, Jürgen Theobaldys und Rolf Dieter Brinkmanns montiert. Man macht sich in ähnlicher Weise zu einem bestimmten Thema aus einem vertrauten Gedicht einen eigenen, reimenden oder nichtreimenden Cento, man schreibt ihn aber in Strophen oder organisiert die Strophen nach dem Modell eines der drei Herbstgedichte aus A81 mit Kehrzeilen. D:\75877218.doc 5/14/2016 2:26:00 AM Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik Seite 18 Herbstgedichte. A84: Erkundung des Sonetts: Die äußere Form A85: Erkundung des Sonetts: Die Funktion der äußeren Form Eduard Mörike: Heut lehr ich euch die Regel der Son— Versucht gleich eins! Gewiß, es wird ge--, Vier Reime hübsch mit vieren zu versch--, Dann noch drei Paare, saß man vierzehn h--,... Man formt ein gegebenes Sonett um, indem man zunächst aus den beiden Terzetten eine vierzeilige Strophe in der Form der beiden ersten Quartette macht. Man ändert dann die beiden ersten Quartette um in zwei dreizeilige Strophen und die beiden Terzette in eine vierzeilige Strophe in Paarreimform. Man liest alle Fassungen laut, vergleicht sie miteinander und mit dem Original und versucht die besondere Leistung der Sonettform zu bestimmen. Bei dieser Spielform des Sonetts wurden die Reimsilben vom Autor ausgelassen. Man setzt sie ein und stellt fest, welches Reimschema das Sonett hat: Man erhält so die klassische Bauform des Sonetts. Man geht von dieser Bauform aus und sieht nach, ob und wieweit sie in dem folgenden Prosa-Sonett verwirklicht ist. Dazu muß man in ihm die Zeilen und Strophen abteilen bzw. es in Versform schreiben. A86: Erkundung des Sonetts: Die innere Form Man macht sich zunächst klar, welche Auffassung beispielsweise des Sonetts und seiner Leistung in diesem Sonett Goethes ausgedrückt ist. Man stellt dann fest, welche Gliederung seine Gedankenführung aufweist, was vor allem die einzelnen Strophen formal darstellen und welche Funktion sie innerhalb des Gesamtvorgangs des Sonetts haben. Man wendet nun an, was man erarbeitet hat und schreibt gemäß dieser A87: Kritische Betrachtung von unmetrischen und reimlosen Sonetten Man untersucht und vergleicht zwei Sonette daraufhin, welche Momente der strengen Sonettform bei ihnen aufgegeben und welche beibehalten worden sind. Man überlegt, was die Verwendung der Sonettform in den beiden Gedichten nun noch leistet und in welchem Gedicht sie am überzeugendsten ist. D:\75877218.doc 5/14/2016 2:26:00 AM Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik Seite 19 Gliederung einen Text um. A88: Versuche mit eigenem „Sonettieren“ Man macht einen Versuch mit dem alten und einmal sehr beliebten literarischen Gesellschaftsspiel der „aufgegebenen Reime“. Man schreibt also nach einem bestimmten Reimschema zunächst nur die Endreime auf und ergänzt sie dann zu vollständigen Verszeilen. Man kann die Reime aber auch zusammen mit anderen Teilnehmern auswählen und dann gemeinsam reihum zu Verszeilen ergänzen. Oder man schreibt ein Sonett in strenger oder gelockerter Form, in metrischen, unmetrischen oder freien Versen mit oder ohne Reim und geht dabei von der inneren Form, aus. D:\75877218.doc 5/14/2016 2:26:00 AM