Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik

Werbung
Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik
Seite 1
Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik
A1: Ein Gedicht schreiben
A2: Betrachtung von drei verschiedenen Strophen des gleichen Autors
Man schreibt über irgendein Thema, das einem reizvoll oder belangvoll
erscheint, ein Gedicht. Es kann kurz ( zwei bis drei Zeilen ) oder lang,
gereimt oder ungereimt, mit oder ohne Versmaß, ernst oder heiter sein.
Mögliche Themen:
Schreiben / Gedichte schreiben
Schreiben / Erwartungen
Schreiben und Leben
Schreiben für mich, für dich, für andere
Gedicht darüber, was für mich ein Gedicht ist
Gedicht über die Schwierigkeit ein Gedicht zu schrieben.
Man liest die drei Strophen laut und überlegt sich, ob und aufgrund
welcher Merkmale sie „Lyrik“ sind, und worin sie sich dabei unterscheiden.
Anschließend versucht man beim Sprechen den Pulsschlag zu fühlen, und
die Erfahrung, die man dabei macht, in seine Überlegungen
miteinzubeziehen.
Wenn man den Text geschrieben hat, ist es sinnvoll, einmal zu überlegen,
aufgrund welcher Merkmale er nun ein „Gedicht“ ist.
A5: Eine weitere Annäherung an den freien Vers
A6: Umgehen mit freien Versen
BSP: Das Herz, das gesagt hat: „Laß dir nicht bang sein um mich“, friert und ist bang
BSP: Ich soll mich drein fügen und nicht fragen, warum ich das soll, und ich soll nicht
um die, der es das gesagt hat.
fragen, warum ich nicht fragen soll.
Man formt den Text Frieds wieder um in freie Verse ( die Zeichensetzung kann man ganz oder teilweise wegfallen lassen ). Man vergleicht
dann die eigene Versfassung mit dem Original, oder anderen Versfassungen. Man untersucht zunächst, was in den anderen Fassungen und
danach, was in der eigenen Fassung durch die Anordnung der Verszeilen
besonders hervorgehoben ist und welche Auffassungen des Textes sich
ausdrücken.
Man formt den Text Frieds wieder um in freie Verse ( wobei man die
Zeichensetzung ganz oder teilweise wegfallen lassen kann ). Man
vergleicht die eigene Fassung gegebenenfalls mit den Originalfassungen
Frieds.
Originalfassung: Ich soll mich drein fügen
und nicht fragen
warum ich das soll
und ich soll nicht fragen
warum ich nicht fragen soll.
D:\75877218.doc
5/14/2016 2:26:00 AM
Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik
Seite 2
A7: Freie Verse aus Gebrauchs- und Alltagstexten
A8: Freies schreiben von freien Versen
Man formt einen Zeitungstext in freie Verse um, und zwar mit etwas
längeren Verszeilen, und vergleicht sie dann wiederum mit dem
Originaltext daraufhin, was kürzere oder längere
Verszeilenanordnungnen für die Herausarbeitung bestimmter
Sinnakzente bzw. für die Darstellung von Sinnzusammenhängen
leisten.
Man such sich einen Text: etwa einen Nachrichten- oder Anzeigentext aus
Zeitungen und anderen Massenmedien, einen Werbetext, eine
öffentliche oder amtliche Verlautbarung, eine politische Rede....., der
einem erhellend oder kennzeichnend für unser Leben oder unsere
Gesellschaft erscheint, und setzt ihn so in freie Verse, daß die einem
selbst wichtigen Sinnzusammenhänge auffällig werden.
Man schreibt einen Text in freien Versen. Dabei kann man
Großschreibung der Zeilenanfänge,
Einrückungen,
Mittelachsanordnung,
Anordnung in kurzen und langen Verzeilen,
Zeilenmäßige und strophische Alleinstellung von Wörtern und
Wortgruppen und
Stropheneinteilung
benutzen.
Mit diesen Kunstgriffen kann man mühelos jeden beliebigen Text gewaltig
aufdonnern; deshalb sollte man darauf achten, diese Kunstmittel möglichst
oft so zu verwenden, daß sie eine Sinnfunktion für das, was man aussagen
oder darstellen will, hat.
A13: Annäherung an die Differenzerfahrung metrischer Formen
A14: Lange und kurze Verszeilen
Die 4. Verszeile der „Moritat von Mackie Messer“ ist:
„Doch das Messer sieht man nicht“
BSP: Denn die einen sind im Dunkeln
Man überlegt, welche Feststellung über diese Verszeile, nämlich über
Merkmale, nach denen sie von anderen Verszeilen verschieden ist,
möglich sind.
Oft vergleicht man dafür mit einem sogenannten Strophenschema.
Und die anderen sind im Licht.
Und man siehet die im Lichte
Die im Dunkeln sieht man nicht.
Aufgabe: Man soll die Schlußstrophe zweimal umformen:
Die Verszeilen sollen gleichmäßig alternierend gefüllt bleiben, doch statt
jetzt vier einmal fünf Hebungen und ein andermal nur drei Hebungen
haben. Man beurteilt dann die Wirkung der veränderten Fassungen.
Überlege, wie noch längere und noch kürzere Fassungen wirken würden.
D:\75877218.doc
5/14/2016 2:26:00 AM
Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik
A15: Regelmäßig und unregelmäßig gefüllte Verszeilen
Seite 3
A16: Alternierende und daktylische Verszeilen
Versuche, anhand des metrischen Schemas herauszufinden, wie die ersten Man spricht die ersten vier Zeilen des „Kanonen-Songs“ laut, und zeichnet
fünf Verszeilen der 1. Strophe von Brechts Song „Die Seeräuber-Jenny“ ihr metrisches Schema auf.
zu betonen sind. Man unterstreicht die Vokale der Silben, die eine Hebung Man formt nun zunächst die 2. Strophe so um, daß sie metrisch genauso
tragen, und spricht die fünf Zeilen laut. Man formt diese Zeilen unter
gebaut ist wie die 1. Strophe. Man formt dann die 2. Strophe noch einmal
Beibehaltung der Anzahl der Hebungen jetzt so um, daß sie regelso um, daß die Verszeilen rein alternierend gefüllt sind. Man liest nun
mäßig alternierend gefüllt sind. Man spricht nun laut die ursprüngliche
jeweils zusammen mit der 1. Strophe die beiden eigenen Fassungen und
Fassung. Überlege, was durch die ursprüngliche Form der Strophe über ein beurteilt, was sie durch die jeweilige Form für die Darstellung des Inhalts
Küchenmädchen ausgesagt wird, das in einem erbärmlichen Hotel davon leisten.
träumt, sich als Seeräuberbraut einmal an all denen, die es demütigen und
ausbeuten, rächen, sie nämlich alle köpfen lassen zu können, und ob und
wie die modifizierte Form diese Aussage verändert.
A23: Kleine Erfahrungen mit Lautnachahmungen
A24: „Lernt Vokale kennen“ ( Fühmann )
BSP: Ernst Jandl: auf dem land
BSP: Drei Chinesen mit dem Kontrabaß
rininininininininDER
brüllüllüllüllüllüllüllüllEN
schweineineineineineineineineinE
grunununununununuZEN
( ... )
Saßen auf der Straße und erzählten sich was.
Kam die Polizei. Ei, was ist denn das?
Drei Chinesen mit dem Kontrabaß.
Sprich die Strophen, wenn Ihr eine Gruppe seid, am besten reihum, in der
Weise, daß immer nur ein Vokal oder Diphtong verwendet wird, etwa:
Führe den Anfang von Jandls Gedicht sinngemäß weiter. Sprich das Ganze „Dri Chinisin mit dim Kintribiß ...“ Versuche, jede Vokalfassung der
laut und achte darauf, ob, wo und wie in ihm Laute nachgeahmt werden. „Drei Chinesen“ in ähnlicher Weise zu charakterisieren. Oder beschreibe,
um welche Art Lebensweisheit es sich handeln könnte und von wem aus
sie gesprochen sein könnte.
D:\75877218.doc
5/14/2016 2:26:00 AM
Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik
Seite 4
A25: Lyrik mit Lauteinlagen
A26: Erfolgreich werben mit Lautwirkungen
BSP: Christian Morgenstern: Igel und Agel
Man findet zunächst einige schon durch ihre Lautform überzeugende
lautsymbolische Markennamen für
ein wallende Fülle erzeugendes Haarwuchsmittel,
eine zart schmeichelnde Schönheitsseife,
ein wunderweiches Waschmittel,
strotzende männliche Vitalität spendende Energiepillen,
superknusprige Knabberkrackers,
einen prickelfrischen Zitronensprudel,
einen superschnell schmutzfressenden Klosettreiniger,
ein lindzügiges Abführmittel.
Ein Igel saß auf einem Stein
und blies auf einem Stachel sein.
Schalmeiala, schalmeialü!
Da kam sein Feinslieb Agel
und tat ihm schnigel schnagel
zu seinen Melodein.
Schnigula schnagula
schnaguleia lü!
Man macht sich klar, in welcher Weise hier Lautwirkungen verwendet
sind und was sie leisten.
Man versucht dann, auch das folgende Gedicht durch Lautwirkungen ein
wenig zu bereichern, indem man an die passende Stelle entsprechende
Wörter oder Zeilen einfügt.
A27: Eigene Versuche mit lautnachahmend- lautsymbolischer Lyrik A28: Versuch mit dem Klangcharakter eines Lenau-Gedichts nach
Gerhard Rühm
Man macht ein eigenes Gedicht mit Lauteinlagen:
Ein Paar streitet sich auf einem Rundgang durch den Zoo.
Man liest laut das Gedicht Lenaus und danach die zwei, Anfangs- und
Ein Junge blättert in seinen Comics und hört dabei der Strafpredigt seiner Schlußstrophe bearbeitenden Strophen Rühms. Man versucht dann, auch
Mutter zu.
die 2.-4. Strophe des Lenau-Gedichts in der Art von Rühm so
Ein Wahlredner gerät auf der Straße an einen bauchredenden
umzuformen, daß man Metrum, Reime und Vokale ( vor allem die
Tierstimmenimitator, der zur Freude der Umstehenden seine
metrisch betonten ) sowie viele Konsonanten möglichst unverändert läßt,
Bemühungen, ihn zur Wahl seiner Partei zu überreden, aus seinem
aber mit ihnen beliebige andere Wörter ( gegebenenfalls auch
Pepertoire kommentiert.
Unsinnswörter ) bildet. Man liest dann laut jeweils eine Lenau- und eine
Man schreibt ein lautnachahmendes und/oder ein lautsymbolisches
umgeformte Strophe und achtet darauf, ob wenig oder viel von dem
Gedicht über: Langeweile, Trauern, Klagen, Frust, Wut, Freude,
Gesamteindruck und vor allem der Stimmungslage des Lenau-Gedichts
Heiterkeit, Zärtlichkeit,...... oder eine Kombination von ihnen.
erhalten geblieben ist.
D:\75877218.doc
5/14/2016 2:26:00 AM
Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik
Seite 5
A31: Erfahrungen mit Reimen machen: der Sinngehalt des Reims
A32: Zur Reimerwartung des lautlichen Gleichklangs
a) BSP: Geduld, du kleine ____
Man hat verschiedene Gedichtstrophen vorgegeben. Man liest die
Strophen laut und achtet darauf, ob bei den Reimen etwas Auffälliges bzw.
nicht Erwartungsgemäßes vorliegt. Man überlegt sich, ob man dadurch bei
dem einen Gedicht mehr oder weniger gestört wird und warum das der
Fall ist.
Man versucht die Auffälligkeit des Reimes zu beseitigen, indem man auch
andere Reimwörter einsetzt. Man prüft nun, ob und warum einem der neue
Text formal besser als der originale zusagt.
Im lieben stillen _____
Man ergänzt das Gedicht mit passenden Reimwörtern. Finde eine
geeignete Überschrift. Überlege dann, ob es leicht oder schwer war, die
Reimwörter zu finden, und woran das liegen kann.
BSP: fluchen, suchen, holen, gestohlen..........
Ergänze den Reimtext zu einem vollständigen Gedicht, und find zu ihm
eine Überschrift. Überlege, ob es leichter war, zu den Reimen die Verse
als zu dem vorhergehenden Gedicht die Reimwörter zu finden, und woran
das liegen kann.
A33: Ein Versuch zur Reimspannung bei den Reimformen
A34: Versuche zur Reimspannung bei den Reimstellungen
Das Gedicht, ein Ghasel, ist stark geprägt durch seine Überreime, die ein Man liest drei Strophenfassungen aus Alfred Lichtensteins „ Die
wichtiges Formmittel dieser Gedichtart bilden. Man verändert die
Dämmerung“ laut hintereinander. Man überlegt, wie eine Strophe
Reimform, indem man die Überreime in klingende Reime verwandelt, also insgesamt auf einen wirkt und ob bzw. wie diese Wirkung sich durch die
das zweite Wort des Reimes streicht; dabei muß man den Text
verschiedenen Fassungen verändert. Man achtet darauf, wie man jeweils
stellenweise etwas umformen.
das Ende der Verszeilen betont.: ob man den Ton hoch hält, etwa auf
Überlege nun, wie sich das Gedicht durch die Umformung der Reimform gleicher Höhe oder ob man ihn senkt.
verändert hat: wie die einzelnen Reimformen wirken und welche
Reimspannung man bei ihnen findet.
Man liest das Gedicht „Im Winter“ von Georg Trakl laut; Man liest es
dann noch einmal verändert in Paarreim-Anordnung. Man achtet darauf,
ob durch die Veränderung der Versstellung der Charakter des Gedichts
insgesamt berührt wird. Man überlegt, woran das liegen kann.
D:\75877218.doc
5/14/2016 2:26:00 AM
Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik
A35: Übungen zum Reim und zur Reimstellung
Seite 6
A36: Der ungewöhnliche Reim
Man wählt beliebige Reime und bildet mit ihnen ein fröhliches Gedicht. BSP: flunkert – eingebunkert; Großglockner – Wäschetrockner
Rotz – Wahrhaftigengotts; Dörfer – Surfer
Dabei kann es sinnvoll sein, wenn man zunächst nur Reimfolgen
Hände – Aggregatzustände
zusammenstellt und dann zu den Reimen die Verszeilen schreibt.
Interviewer – Wichtigtuer
Man sollte versuchen mit verschiedenen Reimen zu arbeiten und aus ihnen
Paarreime, Kreuzreime oder noch kompliziertere Reimstellungen zu
Wähle in beliebiger Reihenfolge Reimpaare aus- man kann auch eigene
machen. Und man kann mit stumpfen Reimen und klingenden Reimen
hinzuerfinden- und mache ein fröhliches Gedicht mit beliebigem
arbeiten. Man kann dann sein Gedicht noch in Strophen abteilen und einen Reimschema.
Titel für es finden.
A37: Erkundung eines romantischen Gedichts durch Arbeit mit
seinen Reimen
A38: Interpretation eines Gedichts von Eichendorff durch Arbeit mit
seinen Reimworten ( Textreduktion )
BSP: 1. Fee – Reh – seh – vergeh – Weh
BSP: Joseph von Eichendorff: Nachts
Bitterlich – dich – flehentlich – inniglich – mich
2. ade – Café – Dreh – Klischee - Tee
Gelegentlich – körperlich – liederlich – öffentlich – Sonnenstich
........ Nacht
........ sacht
........ Wolkenhülle
........ Tal
........ Nachtigall
Man wählt zunächst aus der 1. Reimgruppe Reimpaare aus und macht
dann mit ihnen ein Liebesgedicht.
Man wählt dann aus der 2. Reimgruppe entsprechende Reimpaare aus und Man ergänzt die Reime zu einem Gedicht, so wie es Eichendorff
macht auch mit ihnen ein Liebesgedicht. Überlege nun, welche Bedeutung geschrieben haben könnte ( oder auch zu einer Parodie ). Vergleiche nun
das zugrundeliegende Gedicht Eichendorffs mit Deinem Gedicht auf
die Reimwörter für Charakter und Aussage des Gedichts haben.
inhaltliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede hin.
D:\75877218.doc
5/14/2016 2:26:00 AM
Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik
Seite 7
A39: Gedichte schreiben mit Heine 1
A40: Gedichte schreiben mit Heine 2
BSP: Ein Traum, gar seltsam schauerlich,
Führe diesen Beginn des Gedichts „Im Oktober 1849“ in demselben
Metrum und Reimschema mit der Darstellung entsprechender historischer
oder aktueller Vorgänge weiter.
Ergötzte und erschreckte mich.
Noch schwebt mir vor manch grausig Bild,
Und in dem Herzen wogt es wild.
Beschreibe in weiteren Strophen mit demselben Metrum und Reimschema
einen solchen Traum.
Schreibe mit demselben Metrum und Reimschema weitere Strophen zum
Thema Traum.
Forme Heines Gedicht „Erinnerung aus Krähwinkels Schreckenstagen“
aktualisierend um, oder schreibe nach seinem Muster ein eigenes Gedicht
über entsprechende heutige Verhältnisse in Schule, Hochschule, Betrieb,
Behörden, Staat, usw.
A41: Ein Reimspiel: das Reihumgedicht – das Madrigal
A42: Umgang mit der Wortwiederholung
„Der Kopf ist leer, das Herz ist voll“ oder
„Denk ich an Deutschland in der Nacht“
BSP: In den Dünen sitzen. Nichts sehen als Sonne. Nichts fühlen als
Wärme. Nichts hören als Brandung. Zwischen zwei Herzschlägen glauben:
Nun ist Frieden.
Schreibe wie jeder im Kreis zu einer der ersten Verszeilen Heines eine mit Forme diese in Prosaanordnung gegebene Fassung eines Gedichts von
ihr reimende zweite Verszeile sowie eine dritte Verszeile mit einem neuen Günter Kunert wieder in freie Verse um. Man kann den Text zunächst
Reim, falte das Papier dann so, daß nur noch die letzte Zeile zu lesen ist, auch inhaltlich so verändern, daß er mehr Deine eigene Erfahrung
ausdrückt, z.B. mit dem Titel: „Bei Dir“, „In Ferien“, „In der Schule“,
und gebe es Deinem Nachbarn weiter, der entsprechend verfährt. Wenn
„In der Stadt“,........
das Gedicht reihum weitergeschrieben worden ist und wieder zu Dir
kommt, dann schreibe nur noch eine Verszeile als Schlußzeile.
D:\75877218.doc
5/14/2016 2:26:00 AM
Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik
Seite 8
A43: Schlichte Übungen zur Wortwiederholung
A44: Arbeiten mit strophischer Wortwiederholung
Schule: Schule.................................................
Jeden Tag ..........................................
Jeden Tag .........................................
Jeden Tag .........................................
Schule ..............................................
Nie ....................................................
Nie ...................................................
...
Fülle dieses Schema zu einem vollständigen Text aus. Dabei kann man
natürlich Wörter und Zeichen verändern, einfügen oder streichen. Statt
über Schule kann man mit diesem Schema auch über Familie, Freunde,
Alltag, usw. schreiben.
Lohnt sich
Vierzig-Stunden-Arbeit wöchentlich
monatlich, jährlich, rentenlänglich
für Schleiflack-Anbauwand und
Ledergarnitur
da wo die Langeweile
zu Hause ist?
A45: Gedanken zu Mut und Hoffnung bei der Lektüre Brechts
A46: Leitmotiv-Clustering
Lies das 1953 in der DDR geschriebene Gedicht Brechts und versuche
Dir seine Aussage klar zu machen. Achte darauf, wie sich mit der
Wiederholung von „Stückchen“ dessen Bedeutung ändert. Schreibe selbst
einen Text über „Mut“ und/oder Hoffnung nach dem Muster des
Brecht-Gedichts. Es kann viele Bereiche treffen und bildlich sein, etwa:
In einem verdorrenden Land.....
In einem brennenden Haus.....
Es kann aber auch direkt bezogen sein, etwa:
Trotz aufgekündigter Freundschaft
Trotz fehlender Berufsaussichten
Man wählt ein einfaches Wort, das eine gewisse Menge an Bildungen,
Ableitungen und Zusammensetzungen aufweist, etwa: mehr – eigen –
nieder – hoch – gut – Hand – schaffen – usw. und schreibt von ihm in
einem Cluster verschiedene Formen auf, die einem einfallen.
Man ordnet die Wörter, die einem ertragreich erscheinen, in einer
Reihenfolge an und füllt dieses Muster zu einem Text aus freien Versen
auf. Man kann aber auch gleich vom Cluster aus einen Text schreiben.
Man findet zu dem Text noch eine Überschrift aus dem erarbeiteten
Wortmaterial.
Man überlegt auch, wie das Kunstmittel des „Leitmotivs“ auf einen wirkt
und was es in einem Text leistet.
Lohnt sich ..........
Setze das Gedicht mit weiteren Strophen fort. Oder schreibe nach diesem
Muster oder auch in freier Abwandlung einen eigenen Text mit
strophischer Wortwiederholung über Deine Lebenssituation oder
Zukunftserwartungen, z.B. mit dem Titel: „Warum eigentlich?“
„Und für wen?“.....
Man hebt das Wort ( die Worte ) für den entscheidenden Vorgang seines
Textes durch eine Wiederholung, die man gegebenenfalls in einer
D:\75877218.doc
5/14/2016 2:26:00 AM
Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik
Wiederholungsfigur anordnet, hervor.
A47: Erarbeiten zweier Gedichte von ihren Leitmotiven her
Seite 9
A48: Arbeiten mit gegensätzlichen Leitmotiven in zweischichtiger
Textanordnung nach Ingeborg Bachmann: „Reklame“
Es liegen zunächst zwei Gedichte vor:
Bertold Brecht, aus: An die Nachgeborenen
Hans Magnus Enzensberger: Weiterung ( Textreduktion )
Man macht sich zunächst klar, wie in dieser Textreduktion die Worte, die
das Leitmotiv bilden, miteinander zusammenhängen. Man überlegt dann,
ob die Zukunft, wie Enzensberger sie hier mit Hilfe des Leitmotivs
darstellt, ähnlich oder anders gesehen sein dürfte als in dem Gedicht,
welches Brecht geschrieben hat.
Man ergänzt vielleicht noch die Leitmotivworte Enzensbergers ganz oder
in einigen Zeilen zu einem vollständigeren Text.
Man stellt zunächst fest, welche Textschichten das Gedicht aufweist und
wodurch sie formal, etwa syntaktisch bestimmt sind. Man untersucht dann,
welche Leitmotive in den beiden Textschichten vorliegen, in welchem
Verhältnis sie zueinander stehen und was sie insgesamt für die
Aussage des Gedichts bedeuten. Man ersetzt nun einige Zeilen durch
Zeilen, in denen man eigene Lebensfragen formuliert, z.B. die Frage nach
der eigenen Zukunft. Man versucht die Frage leitmotivlich zu organisieren.
Man liest das Gedicht dann so, daß die beiden Textschichten von
verschiedenen Sprechern gelesen werden.
A49: Einfache Übung zum leitmotivlichen Arbeiten in einer zweischichtigen Textanordnung
A50: „Selbstsein“ – „Ein(e) andere( r ) sein“: Eigene Versuche mit
Leitmotiven
Man sucht sich ein Gedicht, das sich für eine Umformung in eine
zweischichtige Textanordnung eignet.
Man überlegt sich einen Vorgang oder ein Ereignis, die das, warum es in
dem gewählten Gedicht geht, veranschaulicht, verteidigt, beschönigt,
verschleiert, entkräftet, usw. Man versucht diese zwei Textmotive
leitmotivlich zu organisieren. Man kann dabei so vorgehen, daß man etwa
bei dem Gedicht zu jeder Strophe einen Begriff sucht, der das, worum es
in ihr geht, auf einen bestimmten Bereich anwendet, oder mit einem
bestimmten Bereich kontrastiert. Man sucht dann zu diesen Begriffen
Wortfelder, bildet aus ihnen Sätze und schiebt sie in das Gedicht ein.
Man stellt zu dem Themenkreis „Selbstsein“ oder „Ein(e) andere( r ) sein“
oder zu beiden ein Leitmotiv-Cluster auf: für Selbstsein etwa mit
Assoziationsketten zu ich – selbst – eigen – einzeln – Echo - .......
Oder Umwandlung – Verwandlung – spielen – Rolle – Maske - ....
Man schreibt daraus, gegebenenfalls aus beiden Clustern, einen Text in
freien Versen.
Wenn man beide Themenkreise bzw. Cluster verwendet, kann man auch
mit einer zweischichtigen Textanordnung arbeiten.
D:\75877218.doc
5/14/2016 2:26:00 AM
Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik
Seite 10
A51: Erkundung der Mehrdeutigkeit
A52: Erarbeiten von Formen der Mehrdeutigkeit
BSP: Volker von Törne: Frage
Es liegen folgende Gedichte vor:
Hans Magnus Enzensberger, aus: Landessprache
Erich Fried: Nicht weit vom Stamm
Hans Magnus Enzensberger: Hôtel Fraternité
Mein Großvater starb an der Westfront; mein Vater starb an der Ostfront: an was
sterbe ich?
Man formt den Text wieder um in freie Verse, wobei man Wortwiederholungen in einer Figur anordnen kann. Man achtet darauf, ob die
Man unterstreicht in den Gedichten die Wörter, die mehrdeutig sind und
wiederholten Worte eine Besonderheit aufweisen, wodurch diese entsteht
macht sich klar, wie die Mehrdeutigkeiten zustandekommen und versucht
und was sie für die Aussage des Gedichts leistet.
von ihnen her die Aussagen der Gedichte zu verstehen.
A53: Arbeiten mit Mehrdeutigkeiten
A55: Das Oxymoron als kühne Metapher
Man findet nach Möglichkeit selbst ein Wort, gegebenenfalls ein
zusammengesetztes Wort, oder eine Wortverbindung ( z.B. eine Redewendung ), die einem belangvoll erscheint und die Möglichkeit der
Mehrdeutigkeit bietet.
Man setzt dann das Wort bzw. die Wortverbindung in unterschiedliche
Kontexte durch die eine Mehrdeutigkeit zum Ausdruck gebracht wird.
Man macht aus dem Ganzen entweder ein Spruchgedicht oder auch einen
längeren Text in freien Versen.
Man bildet aus den Bereichen der Wahrnehmung, der Empfindung oder
der Reflexion Oxymora, also Fügungen aus zwei sich widersprechenden
Begriffen, wie etwa:
Schwarze Helle
Gellende Stille
Flacher Tiefsinn
Jauchzende Verzweiflung
Man nimmt nun ein Oxymoron als Gedichttitel oder als letzte Zeile eines
Gedichts und macht dazu einen kürzeren Text, am besten in freien Versen.
D:\75877218.doc
5/14/2016 2:26:00 AM
Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik
Seite 11
A56: Wiederbelebung von Metaphern
A57: Erkundung der Synästhesie – Spiele mit Synästhesien
Hans-Curt Flemming
mitten in der schlacht ist ein freundliches wort gefallen zwischen uns
da liegt es
wer wird es aufheben und dabei sein genick entblößen?
Man stellt fest, wo in Gedichtausschnitten Synästhesien vorliegen. Man
sieht nun auf die Farbwörter in ihnen und hält diese in einer Tabelle fest.
Man schaut, welche positiv und welche negativ besetzt sind. Man überlegt
sich, was das Ergebnis für eine mögliche Objektivität solcher
Zuordnungen von Farben bedeutet.
Man untersucht zunächst das Gedicht daraufhin, wie hier eine tote
Metapher wiederbelebt worden ist: welcher ursprüngliche Bildspender
wieder aktiviert wurde und welches Bildfeld von ihm her aufgebaut wurde.
Man verfährt dann mit einer anderen toten Metapher ähnlich, etwa mit
einer der folgenden Redensarten:
ein Urteil fällen
kein Wort verlieren
jemanden zur Rechenschaft ziehen
oder mit einer anderen Metapher, die einem ergiebig erscheint. Man macht
damit einen kurzen Text in freien Versen.
A58: Metapher als Übertragung eines fremden Wortes? Erprobung
dieses Metaphernverständnisses
Liebe
......... voneinander
sehr angetan sein
und doch
auf den andern keinen
Zwang ausüben.
A59: Erste Annäherung an die Allegorie
Man schreibt nach der Anregung Kleists mit einem Klavier oder einem
anderen Musikinstrument oder mit sonst einem Bild wie Blume, Baum,
Buch, Kerze, Uhr, usw. ein Gedicht in freien Versen etwa darüber, was ein
Mensch ist oder wie er sich einem anderen gegenüber fühlt oder als was er
sich in unserer Gesellschaft empfindet.
Man formt den bildfrei gemachten Text wieder um in einen Bildtext etwa
von einnehmen, besetzen, oder fesseln als Bildbereich aus. Man beurteilt
die Wirkung von bildfreiem und bildlichem Text.
D:\75877218.doc
5/14/2016 2:26:00 AM
Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik
A60: Allegorien vom Kreislauf des Lebens
Seite 12
A61: Schlichte Erfahrung mit der reinen Allegorie
Wolf Biermann: Portrait eines alten Mannes
Die Nummer
Ich bin eine Zirkusnummer.
Mache Dir zunächst klar, worum es in diesem Gedicht geht. Dann sondert Ich habe einen Dompteur
man die einzelnen Teile der Allegorie. Man stellt fest:
Und einen Zirkusdirektor......
welche Zeilen den Bildempfänger ausmachen, über den mit Hilfe eines
Bildes etwas gesagt wird;
Man vervollständigt, wenn man sich etwa als Schüler, Student, Soldat,
welche Zeilen den Bildspender ausmachen, also einen Bildteil, mit Hilfe Arbeitnehmer,.... in vergleichbarer Rolle fühlt bzw. gefühlt hat, diesen
dessen etwas über den Bildempfänger ausgesagt wird;
Text aus dem gegebenen Bildbereich Zirkus. Man kann dann die Vorlage
welche Zeilen als Bedeutungsteil das formulieren, was der Bildteil über natürlich verändern, und man kann einen anderen Bildbereich wählen.
den Bildempfänger aussagt.
A62: Zum Umgang mit der allegorischen Personifikation
Das Gedicht „Sprechstunde“ von Hans Magnus Enzensberger liegt vor.
Man verdeutlicht sich, wie in diesem Gedicht Zukunft personifiziert und
wie diese Personifikation in einen Handlungszusammenhang gebracht
worden ist. Man wählt einen Begriff, der für einen selbst Belang hat, etwa
Gerücht, Verdacht, Neid, Angst, ..... man personifiziert ihn und stellt ihn
in einen knappen, gegebenenfalls auch verrätselten
Handlungszusammenhang. Dabei kann man von bildlichen Ausdrücken
und Redensarten ausgehen, in denen diese Begriffe vorkommen, z.B.
ein Gerücht geht um
Neid verzehrt jemanden
Hoffnung wird begraben,
Glück winkt
A63: Erfahrungen mit politischem Bildgebrauch: Eine aktuelle
Allegorie von unserem „Staatssschiff“ und „Staatskörper“
Ein seit der Antike gebräuchliches Bild für die Darstellung – vor allem
schwieriger – staatlicher Verhältnisse ist das Schiff und der Schiffahrt und
ist das vom Staat als menschlichem Körper mit Kopf, Gliedern, usw.
Man stellt ein aktuelles politisches Problem und Wege zu seiner Lösung
mit einer dieser beiden Allegorien in freien Versen dar. Achte darauf, ob
das gewählte Bild Deine Darstellung des Problems und seiner Lösung
auch wirklich trägt oder vielleicht unter eine bestimmte politische Optik
stellt; sollte das der Fall sein, kann man dem Ganzen auch eine ironische
oder satirische Wendung geben.
D:\75877218.doc
5/14/2016 2:26:00 AM
Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik
Seite 13
A64: Erste Annäherung an das Symbol im Bildfeld „Krieg“
A65: Goethes Symbolgebrauch und Symbolverständnis
Hans-Curt Flemming: an die wand gestellt
Bertold Brecht: Der Himmel dieses Sommers
Johann Wolfgang Goethe: „Mächtiges Überraschen“ und „Maximen und
Reflexionen“
Man versucht zu klären, was die beiden Gedichte über den Krieg aussagen. Versuche zu verstehen, worum es in den Gedichten geht. Man sieht vor
Stelle fest, wie das geschieht, welche Verwendung eines Bildes hier
allem danach, was darauf hinweist, daß es bildlich zu lesen ist, und man
vorliegt. Man versucht dann, selbst einen vergleichbaren Text zu
sucht eine bildliche Bedeutung zu erfassen. Man überlegt auch, ob formale
schreiben, entweder über einen ähnlich wie bei Flemming gesehenen
Ähnlichkeiten mit anderen Gedichten bestehen. Man vergegen-wärtigt sich
Gegenstand, z.B.
auch, welchen Anlaß Goethe hatte, diese Bestimmungen von Symbol und
eine Granatenhülse als Blumenvase,
Allegorie vorzunehmen, und was das bedeuten könnte. Überlege, ob Du
eine Schürze aus einer Fahne
daran etwas problematisch findest.
oder über einen einfachen Vorgang, den Du bildlich bedeutungsvoll
findest, z.B.
eine Schranke schließt sich
Kinder winken vorbeifahrenden Soldaten zu usw.
A66: Eigene Versuche mit symbolischer Bildform
A67: Aktiver Umgang mit dem Enjambement
Man vergegenwärtigt sich, wie in Rilkes Gedicht Gefangensein
symbolisch dargestellt ist. Man versucht nun, über Gefangensein einen
eigenen symbolischen Text zu schreiben. Er sollte sich nicht an dem
Muster von Rilkes Gedicht orientieren, könnte aber über einen oder
mehrere der folgenden Begriffe handeln: Kette – Gitter – Käfig – Zelle
Vielleicht auch in kontrastiver Zusammenstellung mit einem oder
mehreren der Begriffe: Himmel – Sterne – Wolken – ......
Man kann aber auch über inneres Gefangensein, also über die gefangenen
Möglichkeiten, Fähigkeiten, Bedürfnisse, Interessen, .....
schreiben.
Man macht sich klar, worum es in den zwei Gedichten im wesentlichen
geht. Man vergleicht sie dann daraufhin, wie sich Verszeilen und Satzbau
bei ihnen zueinander verhalten: wo die syntaktischen Einheiten sich mit
den Verszeilen decken und wo sie über sie hinausgehen, vielleicht an
besonders empfindlichen Stellen von ihnen zertrennt werden. Überlege
auch, welche Funktion das jeweilige Verhalten von Verszeilen und
Satzbau für den Inhalt der Gedichte hat.
Verändere den Versaufbau der beiden Gedichte nun so, daß in dem
Gedicht der Satzbau durch die Verseinteilung möglichst oft und heftig
gestört wird. Man überprüft dann, welche Wirkung diese Veränderung auf
D:\75877218.doc
5/14/2016 2:26:00 AM
Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik
Seite 14
Oder man versucht, einen Text über einen symbolischen Gesamtvorgang
zu schreiben.
die Aussage der beiden Gedichte hat.
A68: Umwandlung von Prosa Peter Handkes in freie Verse mit
Enjambement
A69: Lyrische Experimente mit dem Satzbau
Angst macht dich blind für die Not deiner Freunde –
Ich möchte dich in einem fremden Erdteil sehen. Denn da werde ich dich Freundlichkeit blüht nicht im Garten der Furcht.
unter den anderen endlich allein sehen. Und du wirst unter tausend andern
Die Form dieses Gedichts ist für seinen Inhalt wohl etwas zu glatt.
mich sehen. Und wir werden endlich aufeinander zugehen.
Versuche das zu bessern, indem Du den Text in kürzere Zeilen mit
möglichst auffälligen, den Satzzusammenhang deutlich zertrennenden
Man formt die Prosastelle unter Verwendung möglichst funktionaler
Enjambements schreibst. Beurteile die Wirkung.
Enjambements um in freie Verse. Dabei sollte man vor allem die
Stelle dann die Satzglieder so um, daß der Text auch durch den Satzbau
Spannungsverhältnisse bzw. Gegensätzlichkeiten im Text durch
spannungsreicher wird und schreibe ihn in kürzeren Verszeilen mit
Enjambements darzustellen versuchen. Die Zeichensetzung kann man
Enjambements. Beurteile wiederum die Wirkung.
dabei frei handhaben, man kann den Text natürlich auch kürzen und
verändern.
A70: Aktiver Umgang mit dem Satzbau
A71: Lyrische Experimente mit dem Satzbau
Nah ist
Und schwer zu fassen der Gott.
Und manchen Gesang, den ich
Dem höchsten zu singen, dem Vater,
Gesonnen war, den hat
Mir weggezehret die Schwermut........
Wie der Zwist der Liebenden, sind die Dissonanzen der Welt. Versöhnung
ist mitten im Streit und alles Getrennte findet sich wieder.
Man formt den Text so um, daß man Sätze mit der üblichen Abfolge der
Satzglieder erhält. Man achtet darauf, welche Besonderheiten des
Man schreibt den Text aus dem Schluß von Hölderlins „Hyperion“
zunächst in einer einfachen, dem Satzbau folgenden Versform in vier
Zeilen. Man ordnet sie dann so um, daß die syntaktischen Fügungen der 1.
und 2. sowie der 3. und 4. Verszeile jeweils über Kreuz zueinander stehen
und beurteilt deren Wirkung.
D:\75877218.doc
5/14/2016 2:26:00 AM
Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik
Seite 15
Satzbaus man bei Hölderlin antrifft, man überlegt, welche Absichten mit
ihnen verbunden sein mögen und was sie leisten. Man versucht zu
verstehen, was in den Texten gesagt ist.
A72: Einfache Übung zu Parallelismus und Chiasmus
A73: Lyrische Experimente mit dem Satzbau
Man stellt zunächst fest, wie der Parallelismus in diesem Gedicht angelegt
ist und was er für die Charakterisierung der Liebe leistet.
Man versucht dann andere syntaktische Anordnungen, die vielleicht auch
den Spannungscharakter der Überschrift besser darstellen, indem man
etwa den ersten und dritten Satz in die Normalform und den zweiten und
vierten Satz chiastisch in die am stärksten invertierte Form setzt, oder
indem man vom ersten bis zum vierten Satz eine allmähliche
Umwandlung von der Normal- in die am stärksten invertierte Form
vornimmt. Man beurteilt die Wirkung.
Wie der Zwist der Liebenden
Sind der Welt Dissonanzen:
Versöhnung ist mitten im Streit
Und wieder findet sich alles Getrennte.
A74: Aktiver Umgang mit dem Satzbau bei Bobrowski
A75: Arbeiten mit „glatter“ und mit „harter“ Fügung
Dies Gedicht „Friedhof“ ist vor allem deshalb schwer zu verstehen, weil
sein Satzbau sehr eigenwillig und reduziert ist. Ein Weg zu seinem
Verständnis ist deshalb, es so umzuschreiben und gegebenenfalls zu
ergänzen, daß möglichst normale und einfache Sätze mit eindeutiger
Zuordnung ihrer Satzglieder entstehen. Man achtet dabei darauf, welche
Satzfiguren von Bobrowskt verwendet sind und was sie ursprünglich
leisten, auch wie die eigene Fassung gegenüber der Originalfassung wirkt.
„Weltende“ ist in diesem berühmten Gedicht, mit dem man den Beginn
des literarischen Expressionismus angesetzt hat, grotesk durch teilweise
recht beschränkte bürgerliche und so geradezu idyllische Unglücke
dargestellt, und Teil dieser grotesken Idylle ist der meist sehr glatte
Satzbau.
Man versucht nun, ein anderes Gedicht über „Weltende“ zu machen – oder
auch über „Naturkatastrophe“, usw., indem man gegebenenfalls die
scheinidyllisierenden Vorgänge umformt und das Ganze umschreibt in
eine harte Fügung.
Man ordnet diesen Text noch einmal syntaktisch um, und zwar so, daß er
noch ungeregelter, spannungsstärker und dissonanter wird: etwa indem
man syntaktisch mehr oder weniger entbehrliche Texte wegläßt oder
indem man Satzteile auch ohne Rücksicht auf den Satzbau in andere Sätze
einschiebt. Man stellt eine Versform her, und man beurteilt die Wirkung
ihrer Veränderungen.
D:\75877218.doc
5/14/2016 2:26:00 AM
Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik
Seite 16
A76: Syntaktische Spiele mit Hypotaxe und Parataxe, Polysyndeton
und Asyndeton
A77: Syntaktische Reduktion als Produktions- und
Interpretationsverfahren ( Textreduktion )
Goethes Gedicht aus den „Chinesisch-Deutschen Jahres- und TagesZeiten“ ist in syntaktisch gegliederter und gestufter ( hypotaktischer )
Fügung geschrieben; es wurde umgeformt in einen Text mit schlicht
reihender ( parataktischer ) Fügung: Beurteile, wie die originale und wie
die umgeformte Fassung wirkt.
Nimm nun selbst eine solche Umformung vor und ändere die hypotaktisch
gefügten Strophen des folgenden Gedichts in parataktische Fügungen um.
Man wählt ein beliebiges Gedicht, das einem ergiebig oder auch schwierig
erscheint. Man unterstreicht dann Worte und Wortgruppen, in denen sich
für einen der Sinn des Textes konzentriert, die also etwas wie die Kernorte
des Gedichts darstellen. Man schreibt sie dann – etwa in der Art des
Hölderlin-Textes oder als freie Verse – gesondert auf, glättet den Text
gegebenenfalls etwas oder man verdeutlicht ihn durch Zeichensetzung und
Zeilenanordnung, so daß man nun einen eigenen Text über das erhält, was
das Gedicht für mich vor allem aussagt.
A78: Zeilenpuzzle mit Liebesgedichten Heines
A79: Zeilenpuzzle mit drei Naturgedichten
1 Nur noch zuweilen im Traum;
2 Sie liebten sich beide, doch keiner
3 Sie sahen sich an so feindlich,
4 Sie trennten sich endlich und sahn sich ....
1 Alte Zeiten, linde Trauer
2 Rauscht die Erde wie in Träumen
3 Schweigt der Menschen laute Lust
4 Und es schweifen leise Schauer....
Man setzt die- jetzt alphabetisch geordneten – Verszeilen nach
Möglichkeit wieder zu den Gedichten aus zwei bzw. drei Strophen
zusammen, wie sie Heine geschrieben haben könnte. ( Dabei ist es
Bei diesen Texten wurden die Verszeilen alphabetisch geordnet, die
Satzzeichen am Zeilenende weggelassen und Groß- bzw. Kleinschreibung
am Zeilenbeginn z.T. vereinheitlicht. Man stellt vom Text eine
D:\75877218.doc
5/14/2016 2:26:00 AM
Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik
Seite 17
nützlich, wenn der Text abgeschrieben oder fotokopiert und zeilenweise einstrophige Gedichtfassung her, die die Verszeilen in eine für einen selbst
zerschnitten wird ). Man achtet darauf, nach welchen Kriterien man
sinnvolle Reihenfolge bringt. Diese Fassung soll nicht mit der
zuordnet, was also für einen selbst die Verszeilen zu Strophen verbindet. Originalfassung übereinstimmen. Man achtet darauf, warum man
Verszeilen mit anderen Verszeilen verbindet, wie und wieso man also
Sinnzusammenhänge des Gedichts herstellt.
A80: Versuche mit vier- und dreizeiligen Strophen
A81: Versuche mit Terzine und Stanze
Man macht aus einem vorhandenen Gedicht ein anderes Gedicht mit drei Man verfaßt aus dem Material eines der beiden Gedichte von Lichtenstein
oder vier dreizeiligen Strophen. Man wird die Strophen i.a. aus einem
und Trakl in der vorhergehenden Arbeitsanregung A79 selbst eine dreireimenden Verszeilenpaar und einer reimlosen Verszeile, einer Waise (x), oder vierstrophige Terzine. Dazu muß man allerdings eine dritte Reimzeile
zusammensetzen und kann dabei die Waise
selbst schreiben. Man macht nun aus der Terzine Georges ein neues
vor das Reimzeilenpaar (xaa xbb ...)
Gedicht, nämlich eine Stanze, die acht Verszeilen aufweist und nach dem
zwischen das Reimzeilenpaar (axa bxb ...)
Schema abababcc reimt. Und man macht dann vielleicht kontrasteshalber
hinter das Reimzeilenpaar (aax bbx ...)
aus der Terzine Georges noch ein Gedicht mit zwei vierzeiligen Strophen
setzen. Man kann die Waise auch verändern. Man kann sie verkürzen oder in Paarreimen.
verlängern, man kann sie als Waise in allen Strophen oder eine variierende Vergleiche die beiden Gedichte nun miteinander und bestimme die
Verszeile einsetzen.
Unterschiede zwischen den Strophenformen.
Worin unterscheiden sich die beiden Gedichte?
A82: Versuche mit Kehrzeilenstrophen dreier Herbstgedichte
A83: Versuche mit Strophenformen an einem eigenen Cento
Man kann zunächst bei dem Fried-Text seine Ergiebigkeit für die
Herstellung von Sinnzusammenhängen erproben , indem man eine
Reihenfolge der Zeilen auslost und sieht, welchen Text mit welchen
Sinnzusammenhängen eine solche Reihe ergibt.
Man liest die drei Herbstgedichte und vergegenwärtigt sich den
Strophenaufbau, vor allem die Verwendung der Kehrzeilen in den
Strophen und ihre Leistung. Man macht dann aus dem Material des FriedGedichts ein eigenes Gedicht nach dem Modell eines der drei
(Andreas Thalmayr: Teestunde)
Dieses Gedicht, ein Cento, ist aus Bruchstücken von Gedichten Günter
Herburgers, Michael Krügers, Jürgen Theobaldys und Rolf Dieter
Brinkmanns montiert.
Man macht sich in ähnlicher Weise zu einem bestimmten Thema aus
einem vertrauten Gedicht einen eigenen, reimenden oder nichtreimenden
Cento, man schreibt ihn aber in Strophen oder organisiert die Strophen
nach dem Modell eines der drei Herbstgedichte aus A81 mit Kehrzeilen.
D:\75877218.doc
5/14/2016 2:26:00 AM
Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik
Seite 18
Herbstgedichte.
A84: Erkundung des Sonetts: Die äußere Form
A85: Erkundung des Sonetts: Die Funktion der äußeren Form
Eduard Mörike:
Heut lehr ich euch die Regel der Son—
Versucht gleich eins! Gewiß, es wird ge--,
Vier Reime hübsch mit vieren zu versch--,
Dann noch drei Paare, saß man vierzehn h--,...
Man formt ein gegebenes Sonett um, indem man zunächst aus den beiden
Terzetten eine vierzeilige Strophe in der Form der beiden ersten Quartette
macht. Man ändert dann die beiden ersten Quartette um in zwei dreizeilige
Strophen und die beiden Terzette in eine vierzeilige Strophe in
Paarreimform. Man liest alle Fassungen laut, vergleicht sie miteinander
und mit dem Original und versucht die besondere Leistung der Sonettform
zu bestimmen.
Bei dieser Spielform des Sonetts wurden die Reimsilben vom Autor
ausgelassen. Man setzt sie ein und stellt fest, welches Reimschema das
Sonett hat: Man erhält so die klassische Bauform des Sonetts.
Man geht von dieser Bauform aus und sieht nach, ob und wieweit sie in
dem folgenden Prosa-Sonett verwirklicht ist. Dazu muß man in ihm die
Zeilen und Strophen abteilen bzw. es in Versform schreiben.
A86: Erkundung des Sonetts: Die innere Form
Man macht sich zunächst klar, welche Auffassung beispielsweise des
Sonetts und seiner Leistung in diesem Sonett Goethes ausgedrückt ist.
Man stellt dann fest, welche Gliederung seine Gedankenführung
aufweist, was vor allem die einzelnen Strophen formal darstellen und
welche Funktion sie innerhalb des Gesamtvorgangs des Sonetts haben.
Man wendet nun an, was man erarbeitet hat und schreibt gemäß dieser
A87: Kritische Betrachtung von unmetrischen und reimlosen
Sonetten
Man untersucht und vergleicht zwei Sonette daraufhin, welche Momente
der strengen Sonettform bei ihnen aufgegeben und welche beibehalten
worden sind. Man überlegt, was die Verwendung der Sonettform in den
beiden Gedichten nun noch leistet und in welchem Gedicht sie am
überzeugendsten ist.
D:\75877218.doc
5/14/2016 2:26:00 AM
Günter Waldmann: Produktiver Umgang mit Lyrik
Seite 19
Gliederung einen Text um.
A88: Versuche mit eigenem „Sonettieren“
Man macht einen Versuch mit dem alten und einmal sehr beliebten
literarischen Gesellschaftsspiel der „aufgegebenen Reime“.
Man schreibt also nach einem bestimmten Reimschema zunächst nur die
Endreime auf und ergänzt sie dann zu vollständigen Verszeilen. Man
kann die Reime aber auch zusammen mit anderen Teilnehmern
auswählen und dann gemeinsam reihum zu Verszeilen ergänzen.
Oder man schreibt ein Sonett in strenger oder gelockerter Form, in
metrischen, unmetrischen oder freien Versen mit oder ohne Reim und
geht dabei von der inneren Form, aus.
D:\75877218.doc
5/14/2016 2:26:00 AM
Herunterladen