Philipps-Universität Marburg Fachbereich Chemie Übungen im Experimentalvortrag Leitung: Prof. Dr. B. Neumüller, Dr. Ph. Reiß Wintersemester 2007/08 Hinweis: Dieses Protokoll stammt von der Seite www.chids.de (Chemie in der Schule). Dort können unterschiedliche Materialien für den Schulunterricht heruntergeladen werden, unter anderem hunderte von Experimentalvorträgen so wie der vorliegende: http://www.chids.de/veranstaltungen/uebungen_experimentalvortrag.html Experimentalvortrag OC Zusatzstoffe in Lebensmitteln – natürlich genießen? vorgelegt von: Christoph Roßbach Alter Kirchhainer Weg 30 35039 Marburg e-mail: [email protected] Fächer: Chemie / Biologie Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung S. 3 2. Mindestens haltbar bis: S. 6 2.1. Konservierungsstoffe S. 6 Demo 1: Natürlich konservierte Lebensmittel S. 7 Versuch 1: Antimikrobielle Wirkung von Benzoesäure S. 11 Versuch 2: Nachweis der Sorbinsäure in Halbfettmargarine S. 14 Versuch 3: Qualitative Analyse von Nitrit in Wurst und Hackfleisch S. 18 2.2. Antioxidantien Versuch 4: Wirkung von L-Ascorbinsäure 3. Das Auge isst mit Lebensmittelfarbstoffe S. 21 S. 22 S. 24 S. 24 Versuch 5: Falscher Lachs S. 26 Demo 2: Isolierung eines Lebensmittelfarbstoffes S. 27 Versuch 6: Photometrische Bestimmung von Azorubin S. 30 4. Bio? Logisch! S. 32 Enzyme Versuch 7: S. 32 Nachweis der Invertaseaktivität S. 33 5. Schulrelevanz S. 36 6. Abbildungsverzeichnis S. 37 7. Literatur S. 37 2 1. Einleitung „Wurst ist eine Götterspeise, denn nur Gott weiß, was drin ist“ Jean Paul Als Johann Paul Friedrich Richter diesen Satz zu Beginn des 19. Jahrhunderts prägte, hatte er bereits seinen Künstlernamen Jean Paul nach seinem großen Vorbild Jean-Jacques Rousseau angenommen. In der heutigen Zeit bekommen diese Worte eine ganz neue Bedeutung. Viele Lebensmittel – vor allen Dingen Fertigwaren – sind mit Zusatzstoffen versehen, die beispielsweise haltbar machen, den Geschmack beeinflussen oder dem Produkt ein attraktiveres Erscheinungsbild verschaffen sollen. Einige dieser Stoffe sind natürlichen Ursprungs, viele im Labor synthetisiert. Der Verbraucher sieht sich konfrontiert mit einer Fülle von wissenschaftlichen Namen, Trivialnamen und Abkürzungen, deren Verwendung auch heute noch nicht einheitlich geregelt ist und keinen Hinweis auf die Herkunft und Menge der zugesetzten Stoffe geben. Das Lebensmittelrecht verpflichtet im § 2 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenständeund Futtermittelgesetzbuches (LFGB) den Hersteller und Händler, die einwandfreie Qualität der Waren zu gewährleisten. In ihm sind Lebensmittelzusatzstoffe als Stoffe definiert, die zu Lebensmittel zugesetzt werden und deren Beschaffenheit beeinflussen, um bestimmte Eigenschaften oder Wirkungen zu erzielen. Ausgenommen sind Stoffe mit Lebensmittelcharakter, wie zum Beispiel Eigelb, Verunreinigungen und übergehende Stoffe, wie Zinn, welches aus Konservendosen ausgelöst und in das versiegelte Produkt übergehen kann. Lebensmittelzusatzstoffe unterscheiden sich weiterhin von den Nichtzusatzstoffen, die während der Produktion aber auch bei der Verwendung eine Rolle spielen und entweder vor dem Verzehr verbraucht werden (siehe Enzyme im Kapitel 4: Bio? Logisch!) oder im Produkt verbleiben können, aber nicht als Zusatzstoff angegeben werden müssen. Dies gilt beispielsweise für Calcium- oder Magnesiumcarbonat, welche als Rieselhilfen im Speisesalz enthalten sind. Alle anderen zugesetzten Stoffe sind kennzeichnungspflichtig und müssen daher in der Zutatenliste auf der Verpackung des Lebensmittels angegeben werden. Es gibt 3 Grundvoraussetzungen, die den Einsatz von Zusatzstoffen in Lebensmitteln legitimieren. 3 Zunächst muss eine technische Notwendigkeit bestehen, wobei nur durch den Einsatz eines Zusatzstoffes das gewünschte Ergebnis erzielt werden kann. Den Zusatz von Geliermitteln in Puddingpulver kann somit jeder nachvollziehen, da die Zubereitung ohne diesen Zusatzstoff über eine schmackhafte Soße nicht hinauskommen würde. Die Verwendung von Geliermittel in Jogurt ist jedoch weit weniger gerechtfertigt. Des Weiteren darf der Einsatz nicht zur Täuschung des Verbrauchers führen, wodurch zum Beispiel der Eindruck von nahrhaften oder gesundheitsfördernden Inhalten erweckt würde, die gar nicht im Produkt enthalten sind. Die Verwendung von Farbstoffen in Eierlikör, die vortäuschend den Eigehalt optisch erhöhen, ist somit untersagt. Andererseits ist die Färbung von Nudelwaren legal, solange dies auf der Verpackung vermerkt ist. Zuletzt muss der Einsatz von Zusatzstoffen für den Verbraucher gesundheitlich völlig unbedenklich sein. Dies schließt aber nur ein, dass kein langfristiges Risiko bei lebenslangem Verzehr bestehen darf. Für Allergiker und überempfindliche Menschen ist der Verzehr bestimmter Ergänzungen aber sehr wohl ein gesundheitliches Risiko. Diese Personen sind auf eine klare und eindeutige Kennzeichnung aller verwendeten Stoffe angewiesen und müssen viele angebotene Nahrungsmittel meiden. In der Verordnung zur Neuordnung lebensmittelrechtlicher Vorschriften über Zusatzstoffe vom 29.01.1998 sind die rechtlichen Grundlagen zudem europaweit festgelegt. Die Zentrale Zulassung ausgewählter Stoffe erfolgt in Positivlisten. Nur Stoffe, die es in diese Liste „geschafft“ haben, also ausdrücklich erlaubt sind, dürfen Nahrungsmitteln zugesetzt werden. Auch sind viele Stoffe nur für bestimmte Produkte und in limitierter Menge zulässig. Ansonsten gelten die Regeln der Guten Herstellungspraxis: „So wenig wie möglich, so viel wie nötig.“ Die Ordnung der Stoffe erfolgt durch die E-Nummern, die auch schon über die Grenzen der Europäischen Union Verwendung finden. Ursprünglich stand das „E“ für Europa. Man kann es aber auch mit dem englischen Wort für essbar („edible“) in Verbindung bringen. Wie bereits am Anfang erwähnt, ist es dem Hersteller überlassen, ob er für die Stoffbezeichnung auf der Zutatenliste den wissenschaftlichen Namen, Trivialnamen oder die E-Nummer heranzieht. Mit der europaweiten Vereinheitlichung kamen in Deutschland 31 bisher nicht erlaubte Substanzen hinzu. Insgesamt gibt es nach europäischem Recht zurzeit 305 zugelassen Lebensmittelzusatzstoffe. Für 4 Bewertung auf Einhaltung der oben genannten Grundvoraussetzungen sind stattliche Kontrollbehörden zuständig. Als Maß für die Menge, die man an Stoffen höchsten zu sich nehmen sollte, gilt der Acceptable Daily Intake (ADI). Er beschreibt die tolerierbare Tagesdosis bezogen auf eine lebenslange Einnahme und wird in mg(Stoff) / kg(Körpergewicht) angegeben. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass Kinder bereits auf geringere Mengen eines Stoffes reagieren können, ein 70 Kilogramm wiegender Erwachsener wahrscheinlich aber noch nicht. Man nähert sich bei der Bestimmung dieses Wertes für einen bestimmten Stoff durch Tierversuche an Mäusen und Ratten schrittweise an. Zunächst wird die letale Dosis festgestellt, bei der 50 % der Tiere sterben. Im 90-Tage-Test und dem folgenden 2-Jahres-Langzeitversuch werden die subchronische und die chronische Toxizität bestimmt. Abschließend wird durch eine lebenslange Aufnahme der „no effect level“ weiterhin empirisch festgestellt. Die erhaltene Dosis, bei welcher auch bei einer lebenslangen und täglichen Verabreichung keine Wirkung bei den Tieren zu erkennen war, wird mit dem Faktor 1/100 multipliziert. Dieser teilt sich auf in 1/10 für die Übertragung der Daten vom Tier auf den Menschen und einem Sicherheitsfaktor von 1/10. Für die Zusatzstoffe ergeben sich ADI- Werte von 0,1 bis zu 200 mg(Stoff) / kg(Körpergewicht). Die meisten liegen jedoch zwischen 1,0 und 30 mg(Stoff) / kg(Körpergewicht). In meiner Arbeit beschränke ich mich auf die drei großen Zusatzstoffklassen Konservierungsstoffe, Antioxidantien und Farbstoffe und gebe einen kleinen Ausblick auf den Einsatz von Enzymen bei der Lebensmittelproduktion, deren Gebiet sich in der Lebensmittelindustrie in absehbarer Zeit wohl noch deutlich ausweiten wird. Neben diesen existiert eine Reihe von Zusatzstoffklassen mit einer tendenziell eher steigenden Vielzahl von Substanzen. Zur Erhaltung der Rieselfähigkeit werden neben den bereits erwähnten Carbonaten Kieselsäure und ihr Calciumsalz in Trockensuppen, Backpulver oder in Süßwaren verwendet. In Schmelzkäse werden Mono- und Polyphosphate als Schmelzsalze eingesetzt. Natrium- und Kaliumcarbonat haben als CO2-Produzenten die Hefe als Backtriebmittel abgelöst. Das Absetzen von Fruchtpartikeln wird in naturtrüben Säften durch Glycerinester verhindert. Stärke wird, um erhöhten technischen Ansprüchen zu genügen, acetyliert, phosphatiert und verestert und erscheint als modifizierte Stärke in der Zutatenliste. Zuckeraustauschstoffe und -ersatzstoffe wie die Zuckeralkohole Sorbit und Mannit 5 oder die Cyclohexylsulfaminsäure Cyclamat und ihre Salze dienen einer bewusst kalorienarmen Ernährung, sind aber auch für Diabetiker geeignete Nahrungsmittel ein wichtiger Zusatz, um nicht ganz auf süße Speisen verzichten zu müssen. Es existieren Säureregulatoren und Säuerungsmittel, Stabilisatoren, Emulgatoren, Feuchthaltemittel, Trennmittel, Überzugmittel, Schaumstabilisatoren, Trägerstoffe, Festigungsmittel, Füllstoffe und weitere. Eine nicht geringe Anzahl von Vertretern dieser Klassen steht im Verdacht mit verantwortlich zu sein für Krankheitsbilder wie Krebs, Alzheimer, ADHS, Zahnschäden und das China-Restaurant-Syndrom. Bei vielen konnte diese These widerlegt werden, andere müssen noch ausführlich überprüft werden. Von β-Carotin ist beispielsweise bekannt, dass die Aufnahme großer Mengen der isolierten Vitamin-A-Vorstufe bei Rauchern das Risiko für Lungenkrebs erhöht. Cyclamat ist in den USA verboten, da es im Verdacht steht krebserregend zu sein, was durch unabhängige Studien jedoch nicht bestätigt werden konnte. 2. Mindestens haltbar bis: 2.1 Konservierungsstoffe Aus der Menschheitsgeschichte können wir lernen, wieso es für alle Kulturen auf jedem Kontinent der Erde notwendig wurde, Lebensmittel haltbar zu machen. Die Konservierung von Lebensmitteln ist früher wie heute der wichtigste Grund für die Behandlung von Nahrungsmitteln und Getränken. Auch wenn wir derzeit keinerlei Probleme haben mitten im Winter frisches Obst und Gemüse im Supermarkt zu bekommen, sollten wir uns immer wieder daran erinnern, dass dieser Luxus einen Segen oder Fluch der heutigen globalen Wirtschaft darstellt. Dieses enge Netzwerk aus Angebot und Nachfrage, das es ermöglicht, Produkte vom anderen Ende der Welt noch am selben Tag zu uns zu schaffen, bestand für uns nicht immer. Noch für unsere Elterngeneration war es im Kindesalter undenkbar an Weihnachten frische Erdbeeren mit Schlagsahne zum Nachtisch zu genießen. Das wechselnde Nahrungsangebot durch die Jahreszeiten stellte die Menschen vor Herausforderungen, die schon sehr früh gemeistert wurden. Man erfand Methoden, die es erlaubten, Lebensmittel von den Sommer- und Herbstmonaten bis in die kalte Jahreszeit hinüberzuretten, ohne dass sie verdarben. Den Menschen gelang es 6 dadurch auch, sich bereits vor dem Altertum in unwirtschaftlichen Gegenden anzusiedeln, in denen der Anbau oder das Jagen und Sammeln von bestimmten Nahrungsmitteln nur in wenigen Wochen des Jahres möglich war. Heute dagegen ist Konservierung besonders dort gefragt, wo Produktions- und Konsumort vieler Lebensmittel weit auseinander liegen. Viele Früchte werden bereits unreif gepflückt. Sie sollen somit erst während ihrer Reise zu den Bestimmungsorten das volle Aroma und ihr schmackhaftes Erscheinungsbild entwickeln. Die meisten werden jedoch zusätzlich behandelt, damit sie nicht frühzeitig verderben, womit häufig der Verlust hoher finanzieller Einnahmen verbunden wäre. Der internationale Handel ist von konservierenden Maßnahmen regelrecht abhängig. In den großen Ballungszentren leben Menschen, die alle ein differenziertes Bedürfnis an Lebensmitteln haben. Es gibt heutzutage fast kein Produkt mehr, welches in den großen Städten nicht irgendwo zu bekommen wäre. Die konservierenden Zusätze erlauben es den Menschen aller Nationen täglich Suppen, Fleisch- und Wurstwaren, Gemüsegerichte, sowie Reis- und Nudelprodukte aus ihrer Heimat zu verzehren. Wenn man im Einzelnen von Konservierungsmaßnahmen berichtet, so sollte man vielleicht mit den traditionellen Mitteln beginnen. Auch heute begegnete man noch vielen Produkten traditioneller Verfahren beim Kauf von Lebensmitteln. Demo 1 Natürlich konservierte Lebensmittel Versuchsbeschreibung: Materialien: 2 Einmachgläser (Marmeladengläser), je eine Packung Käse, getrocknete Nudeln, eingelegte Essiggurken, geräucherte Forelle, Feta in Salzlake, Thunfisch in Öl, Flasche Wein Chemikalien: 1 Apfel, 1 Glas Honig, frische Champignons Durchführung: Der Apfel wird entkernt und in 8 gleich große halbmondförmige Stücke geschnitten. In einem Einmachglas werden die Stücke mit Honig übergossen. 7 Die Champignons werden im Ofen bei 70 °C für 2 Stunden getrocknet. Käse, Nudeln, Gurken, Forelle, Feta, Thunfisch und Wein werden in ihrer Verpackung belassen und zum Studium der Zutatenliste herumgereicht. Beobachtung: Die Äpfel sind in Honig konserviert etwa 1 Jahr haltbar. Die getrockneten Champignon-Stücke sind in einem verschlossenen Einmachglas mindestens 2 Monate haltbar. Auf den Zutatenlisten der mitgebrachten Lebensmittel sind außer natürlichen Inhaltstoffen keine weiteren Zusatzstoffe enthalten. Auswertung: Honig enthält neben den Zuckerhauptbestandteilen Fructose und Glucose weitere Zuckerarten, Pollen, Mineralstoffe, Proteine, Enzyme, Aminosäuren, Vitamine sowie Farb- und Aromastoffe. Zu den Bestandteile, die dem Honig seine gute konservierende Eigenschaft verleihen gehören die Ameisensäure, Benzoesäure und Wasserstoffperoxid. Alle drei besitzen keimtötende Wirkung. Zusätzlich ist der durch den Konzentrationsausgleich eintretende Wasserentzug aus den Apfelstücken am verschrumpelten Erscheinungsbild deutlich zu erkennen, was den Nährboden für Mikroorganismen und damit die antimikrobielle Wirkung zusätzlich beeinflusst. Wasserentzug oder natürlich vorhandene keimtötende Inhaltsstoffe sind auch die Gründe dafür, warum sowohl bei der Trocknung der Pilze, als auch bei den anderen demonstrierten natürlichen Konservierungsmaßnahmen eine längere Haltbarkeit gewährleistet ist. Die Konservierung von Wein ist nicht ausschließlich dem Alkoholgehalt zu verdanken. Der Einsatz von Sulfiten beruht zusammen mit dem Einsalzen weniger auf Zusätze, die durch lebende Organismen gebildet wurden, wie Honig, Öl oder Holz, sondern mehr auf mineralischen Substanzen, die aber ohne menschliche Veränderung so in der Natur vorgefunden werden können. Bereits im Altertum war man sich der keimtötenden Eigenschaften von Schwefel für die Weinherstellung bewusst. Man schwefelte bereits zu dieser Zeit Weinfässern aus, indem man Schwefel in ihnen verbrannte. Heute werden Weinen Sulfite zugesetzt, wodurch das Getränk auch längere Zeit zu lagern ist. Mit eines der ältesten Haltbarkeitsverfahren ist die Konservierung von Milch. Man weiß sicher, dass bereits 8 5000 v. Chr. die Käseherstellung vorrangig aus Ziegen- und Schafsmilch in Mesopotamien, Kleinasien, und Ägypten bekannt war. Es wird davon ausgegangen, dass bereits die Menschen der Steinzeit Käse kannten. In den Labmägen frisch geschlachteter Kälber werden sie gelbliche, genießbare Klumpen gefunden haben, wenn die Jungtiere zuvor noch Muttermilch aufgenommen haben. Heute gibt es eine schier unüberschaubare Vielfalt von Milchprodukten. Für die Käseherstellung werden die Milchproteine zunächst mit Hilfe von Milchsäurebakterien denaturiert, um sie von einem Großteil des Wassers zu trennen. Mit den Enzymgemischen Kälberlab oder einem Labersatz, der aus dem Schimmelpilz Aspergillus niger gewonnen wird, werden die Proteine so gespalten, dass die Milch koaguliert. Eine Salzlake entzieht den äußeren Käseschichten schließlich den Großteil des übrig gebliebenen Wassers, was ein Eindringen von Keimen erschwert. Eine Übersicht zeigt die verschiedenen Verfahren zur Erhöhung der Haltbarkeit von Lebensmitteln: Zusatz von - Alkohol - chemischen Konservierungsstoffen - Antioxidantien Bestrahlung Vakuum Pasteurisieren Gefrieren Gefriertrocknung chemisch physikalisch traditionell Einsalzen Schwefeln Pökeln Räuchern Einmachen Milchsäuregärung Einlegen in Honig Einlegen in Essig Trocknen Kühlen Sterilisieren Abb. 1: Konservierungsverfahren Allgemein ausgedrückt bedeutet Konservieren das Verhindern von Verderb der Nahrungsmittel durch Ausbreitung von Bakterien und Pilzen. Es unterscheidet sich damit von den gezielt eingeleiteten Reifungsvorgängen, bei denen Veränderungen des Produktes durch Mikroorganismen erwünscht sind. Als Beispiel wären hier das Abhängen von Fleisch, die Gärung bei der Sauerkraut- oder der Bier- und 9 Weinherstellung und die bereits beschriebene Käsegewinnung zu nennen. Es gibt kein universelles Konservierungsmittel. Viele Produkte oder Rohstoffe verlangen ein anderes Verfahren oder einen separaten Zusatzstoff. Das liegt daran, dass unterschiedliche Lebensmittel auch von unterschiedlichen Mikroorganismen befallen werden. Meist handelt es sich dabei um Pilze, die bei der Zersetzung der Nahrungsmittel für den Menschen giftige Substanzen produzieren. Die gebildeten Aflatoxine des Schimmelpilzes Aspergillus flavus beispielsweise sind im hohen Maße krebserregend und schädigen die Leber und das Nervensystem in kurzer Zeit. Die Pilzhyphen ziehen sich bei Befall oft nahezu unsichtbar durch das gesamte Produkt, auch wenn nur scheinbar kleine Stellen mit dem grün-weißen Schimmel befallen sind. Dies ist der Grund warum vor allem Brot auch schon bei kleinen Anzeichen von Schimmelpilzen nicht mehr verzehrt werden sollte. Aspergillus flavus ist übrigens ein naher Verwandter von Aspergillus niger, dessen Enzyme unsere Milch in Form von Käse haltbarer macht. Abb. 2: Aspergillus flavus Die industrielle Konservierung mit Lebensmittelzusatzstoffen stellt eine Ergänzung zu den traditionellen Verfahren dar. Der große Konservierungsstoffe liegt darin, dass die Vorteil aller eingesetzten Mikroorganismen, gegen die sie eingesetzt werden – im Gegensatz zur Behandlung mit verschreibungspflichtigen Antibiotika – kaum Resistenzbildungen aufweisen. Eine weit verbreitete Klasse von Konservierungsstoffen der Lebensmittelindustrie sind die Benzoesäure und ihre Salze, die Benzoate. Sie sind sowohl wirksam gegen Pilz- als auch gegen Bakterienbefall. Bei Menschen, die allergisch auf Acetylsalicylsäure reagieren, kann auch die Einnahme von Benzoesäure zu Überempfindlichkeitsreaktionen führen. Es sind viele Fälle bekannt, wo Benzoesäure die Nesselsucht Urtikaria auslöst, die sich durch rötliche juckende Quaddeln auf der 10 Haut kennzeichnet. Außerdem kann Benzoesäure zu Problemen bei Asthmatikern führen. Trotz der nicht geringen Anzahl an Nebenwirkungen ist Benzoesäure immer noch erlaubt, da sie, neben PHB-Estern (s.u.), den bisher einzigen sehr effektiven Schutz gegen Bakterien bietet. Natürlicherweise kommt Benzoesäure in Gewürznelken, Heidelbeeren und Himbeeren vor. O OH Benzoesäure (E 210) Versuch 1 Antimikrobielle Wirkung von Benzoesäure Versuchsbeschreibung: Materialien: 2 Erlenmeyerkolben (100 mL), 2 Gährröhrchen, 2 durchbohrte Gummistopfen (passend zu den Erlenmeyerkolben), Magnetrührer mit Heizplatte, Waage, Spatel, PE-Tropfflasche Chemikalien: Glucose (3 Esslöffel), frische Hefe (m = 2 x 2,5 g), Natriumbenzoat (m = 0,5 g), verd. Essigsäure (c = 2 mol/L) (10 mL), Bariumhydroxid-Lösung Durchführung: Die Heizplatte des Magnetrührers wird auf 20 – 30 °C eingestellt. In einem Erlenmeyerkolben werden 3 Esslöffel Glucose in 100 mL lauwarmen Wasser gelöst. Die Hälfte der Lösung wird in den zweiten Kolben überführt. In jeden der beiden Erlenmeyerkolben werden 2,5 g zerkrümelte Hefe und 10 Tropfen der verd. Essigsäure (c = 2 mol/L) gegeben. Nach kräftigem Schütteln gibt man zu einem der beiden Gemische 0,5 g Natriumbenzoat und durchmischt nochmals. Auf jeden Erlenmeyerkolben wird mit Hilfe der durchbohrten Stopfen ein Gährröhrchen gesetzt, welche 11 mit heiß gesättigter Bariumhydroxid-Lösung befüllt sind. Beide Gefäße werden auf die temperierte Platte gestellt. Es ist darauf zu achten, dass die Heizpatte nicht zu heiß eingestellt ist, da die Hefe ansonsten zerstört werden könnte. Nach einer halben Stunde kann die Beobachtung festgehalten werden. Beobachtung: Im Gährröhrchen, welches auf dem Erlenmeyerkolben ohne Benzoatzusatz aufgesetzt ist bildet sich ein weißer Niederschlag, während ein Gas durch die Bariumhydroxid-Lösung blubbert. Bei dem anderen ist auch bei Versuchende keine Veränderung zum Ausgangserscheinungsbild festzustellen. Auswertung: Im Kühlschrank sind die Zellen des Backhefepilzes Sacharomyces cerevisiae nahezu inaktiviert. Bei einer Temperatur von 32 °C entwickeln sich Hefekulturen am besten. Je nach Nahrungsangebot kann sich die Zellenzahl innerhalb von nur 2 Stunden verdoppeln. Ab einer Temperatur von etwa 45 °C beginnen sie abzusterben. Im aeroben Hefestoffwechsel wird die Glucose mit dem Luftsauerstoff zu Kohlendioxid und Wasser umgesetzt. C6H12O6(aq) + O2 (g) Hefe, Δ 6 CO2(g) + 6 H2O Das entstehende Kohlendioxid lässt sich mit einer gesättigten BariumhydroxidLösung leicht nachweisen, da schwerlösliches weißes Bariumcarbonat ausfällt und die Lösung trübt. Ba(OH)2(aq) + CO2(aq) BaCO3(s) + H2O In saurer Lösung reagiert das der Mischung zugesetzte Benzoat zu Benzoesäure nach folgendem Mechanismus: O - O + + Na (aq) H3O + O (aq) OH + H2 O + + Na (aq) 12 (aq) Die entstandene Benzoesäure ist anders als ihr ionisches Derivat in der Lage die Membranen der Hefezellen zu durchdringen. In den Peroxisomen der Eukaryotenzelle hemmt sie die Wirkung des Enzyms Katalase. Das beim Metabolismus entstehende Wasserstoffperoxid kann nicht mehr zu Wasser und Sauerstoff gespalten werden. Eine Erhöhung der Konzentration des Zellgiftes Wasserstoffperoxid führt zum Absterben der Pilzzellen. Ein Vertreter der bereits erwähnten PHB-Ester oder Parabene ist der Para-HydroxyBenzoesäureethylester. O O CH3 OH para-Hydroxybenzoesäureethylester (E 214) Diese Konservierungsstoffklasse zeichnet sich durch einen starken Eigengeschmack aus. Daher werden sie bevorzugt in Fischkonserven verwendet, wobei der starke Fischgeschmack den der PHB-Ester überdecken soll. Diese Zusätze hemmen ebenfalls die Enzymaktivität von Bakterien und bilden einen effektiven Schutz gegen den Befall von Mikroorganismen. Ein weiterer großer Nachteil besteht jedoch darin, dass sie nach Aufnahme in den menschlichen Verdauungstrakt auch dort viele enzymatische Prozesse des Stoffwechsels stören und unterbinden können. Sie stehen im Verdacht Allergien auszulösen und sogar krebserregend zu sein. Mit der Propionsäure und den Propionaten existieren heute Konservierungsstoffe, die in Deutschland lange verboten waren, da sie bei Tierversuchen an Ratten in Zusammenhang mit der Bildung von Krebsgeschwüren gebracht wurden. Heute ist dieser Befund widerlegt und vorrangig die Propionate werden wieder als Zusätze für abgepacktes Brot verwendet, da Propionsäure einen starken Eigengeschmack besitzt. OH H3C O Propionsäure (E 280) 13 Anders dagegen sind Sorbinsäure und ihre Salze völlig geschmacksneutral. Da Sorbinsäure nur relativ schwer löslich in Wasser ist, werden meist ihre besser wasserlöslichen Salze, die Sorbate, als Konservierungsstoffe verwendet. Sie werden zum Beispiel in Halbfettmargarinen eingesetzt, da der höhere Wassergehalt hier das Wachstum von Bakterien und Pilzen begünstigt. H3C O OH Sorbinsäure (E 200) Wie schon bei den anderen konservierenden Zusatzstoffen beeinträchtigt auch die Sorbinsäure die Enzymaktivität vieler Mikroorganismen. Sie ist dabei für den menschlichen Organismus völlig unbedenklich, da sich ihre Wirkung nur in kleinem Maßstab entfaltet. Dies ist auch der Grund dafür, dass bereits mit Schimmel befallene Lebensmittel mit Sorbinsäure nicht wieder „keimfrei“ zu kriegen sind, was in der Lebensmittelindustrie ohnehin unzulässig, mit vielen anderen Konservierungsstoffen aber möglich wäre. Versuch 2 Nachweis der Sorbinsäure in Halbfettmargarine Versuchsbeschreibung: Materialien: 2 Reagenzgläser, Reagenzglasständer, Reagenzglasklammer, Bunsenbrenner, Feuerzeug, Magnetrührer mit Heizplatte, Becherglas (500 mL), Siedesteinchen, Spatel, 3 Einwegspritzen mit Kanülen (5 mL) Chemikalien: Rama, Lätta, verd. Schwefelsäure (c = 1 mol/L) (10 mL), Kaliumdichromat-Lösung (w = 0,2) (5 mL), ThiobarbitursäureLösung (w = 0,3) (5 mL) Durchführung: Für die Bereitung eines Wasserbads werden 200 mL Wasser im Becherglas auf der Heizplatte des Magnetrührers zum Sieden gebracht. 14 In ein Reagenzglas wird ein bohnengroßes Stück Rama, in das andere ein gleich großes Stück Lätta gegeben. Beide Reagenzgläser werden mit 4 mL verd. Schwefelsäure (c = 1 mol/L) und 0,5 mL Kaliumdichromat-Lösung (w = 0,2) versetzt, kräftig geschüttelt und über dem Bunsenbrenner kurz erhitzt. Dann werden noch jeweils 2 mL Thiobarbitursäure-Lösung (w = 0,3) hinzu gegeben, und die Reagenzgläser ins siedende Wasserbad gestellt. Nach ca. 5 Minuten kann die Beobachtung festgehalten werden. Beobachtung: Die Mischung im Reagenzglas mit der Halbfettmargarine (Lätta) färbt sich rot, die des anderen Reagenzglases leicht grün. Auswertung: Beim Erhitzen wird zunächst die doppelt ungesättigte Sorbinsäure zu Malondialdehyd oxidiert, wobei das Cr(VII) im Dichromat in schwefelsaurer Lösung zu Cr(III)-sulfat reduziert wird. H3C K2Cr2O7 (aq) H2SO4 (aq), Δ O 2 OH O O Malondialdehyd Der gleiche Prozess läuft auch mit einigen ungesättigten Fettsäuren der Vollfettmargarine ab. Die Mischung mit Rama als Ausgangssubstanz wird durch das blau-violette Chrom(III)-sulfat – [Cr(H2O)6]2(SO4)3 . 6 H2O – in gelber Mischung grün eingefärbt. Die grüne Färbung in der Lättamischung wird durch einen roten Polymethinfarbstoff überdeckt. Dieser entsteht bei der Reaktion von Malondialdehyd mit der Thiobarbitursäure in einer doppelt ablaufenden Aldolkondensationsreaktion. Δ O O OH - 3 H2O HN S + N H O Thiobarbitursäure O HN O S NH N H O O N H Polymethinfarbstoff 15 S Der erste Schritt zur Bildung des roten Polymethinfarbstoffes verläuft nach folgendem Mechanismus: H O O Tautomerie HN S HN + N H S O N H O O O O O - - H+ HN - H 2O O O HN S O N H O - H O HN S S + H N H O N H O O H O + 2 H+ - H+ Die Thiobarbitursäure liegt zu einem geringen Anteil durch Keto-Enol-Tautomerie auch als Enolform vor. Es entsteht eine nucleophile π-Bindung, die ihre Elektronenquelle am Alkoholsauerstoff hat. Das Proton ist hier sehr acide. Die πBindung greift den elektrophilen Kohlenstoff der Carbonylgruppe am Malondialdehyd an. Der Carbonylkohlenstoff an der Thiobarbitursäure ist dagegen durch die benachbarte elektronenschiebende Aminogruppe (insgesamt Lactam) kein gutes Elektrophil. In dieser Aldoladdition wird eine neue C-C-Bindung geknüpft. Das gebildete Aldol besteht aus einem Alkoholat an der β-Position der Carbonylfunktion. Das Proton am α-Kohlenstoff ist sehr acide, da das entstehende Anion über den Carbonylsauerstoff stabilisiert wird. Über doppelte Protonierung des Alkoholats und der folgenden Wasserabspaltung wird durch die Aldolkondensation die Ketogruppe zurückgebildet und das stabile einfach ungesättigte Thiobarbitursäurederivat entsteht als Zwischenprodukt Dieser Vorgang wiederholt sich mehr oder weniger gleichzeitig auch am zweiten Aldehyd-Ende des Malondialdehyds: 16 H O O O HN O - H+ NH O HN N H O O N H NH H + S O S S N H O O N H S + 2 H+ - H+ H - O - H + O O O + H O - H2O HN NH HN NH H S N H O O N H S S N H O O N H S Insgesamt werden in diesem Mechanismus drei Protonen abstrahiert. Die ersten beiden werden analog zum ersten Mechanismus abgegeben. Das letzte abstrahiert der mittlere Kohlenstoff des ehemaligen Malondialdehyds, da so der energetisch günstige Chromophor mit seinem delokalisierten π-Elektronen-System entsteht. Zwei wichtige anorganische Vertreter der Konservierungsstoffe sind Nitrite und Sulfite. Natriumsulfit befindet sich als Salz der Schwefligen Säure in allen Weinen in unterschiedlichen Konzentrationen. Es wirkt als Farbstabilisator, Desinfektionsmittel und Geschmackneutralisator und verhindert somit die Bildung ungewollter Gärungsund Oxidationsprodukte im Wein. Während Sulfit früher über Schwefeldioxid, das Verbrennungsprodukt von Schwefel, in die wässrige Lösung gelangte, wird heute Natriumsulfit mit kontrollierbarer Dosierung zugesetzt. In manchen Weinen ist jedoch so viel Sulfit enthalten, dass bereits der Konsum von zwei Gläsern Wein den ADI überschreitet. Leider sind bis heute Mengenangaben von Zusatzstoffen nicht verpflichtend. Natriumnitrit befindet sich in fast allen Wurst- und Fleischprodukten außer Frischfleisch und Bratwürsten (s.u.). Es wird als Nitritpökelsalz (NaCl [99,6 %] / NaNO2 [0,4 %]) zugesetzt. Gepökelte Produkte sollten daher nicht zu stark erhitzt werden, weil dadurch krebserregende Nitrosamine entstehen können. Bratwürste 17 sind daher nicht gepökelt und dementsprechend weniger lange haltbar. Salzen mit Natriumchlorid reicht zu Konservierungszwecken leider nicht aus, da nur das NitritIon das Wachstum von Clostridium botulinum -Kolonien verhindert, die sich gerade auf Fleisch- und Wurstwaren besonders gut vermehren. Diese Bakterien können auch im anaeroben Milieu existieren und scheiden als Stoffwechselprodukt Botulinustoxin aus. Bei dieser Substanz handelt es sich um das stärkste bekannte biologische Gift. Bereits eine Aufnahme von einem zehnmillionstel Gramm hat tödliche Folgen für den Menschen. Die Nitrierung sorgt zudem dafür, dass Fleisch und Wurst über längere Zeit frischer aussehen. Dem Luftsauerstoff ausgesetzt wird der Muskelfarbstoff Myoglobin schnell oxidiert, was zu einer Graufärbung dieser Lebensmittel führt. Nitrit wird vom Fe(II)-Zentralatom des Häms im Myoglobin zu NO reduziert. Der gebildete Nitrosomyoglobin-Komplex erscheint rot und verleiht dem Fleisch eine ansprechende Farbe. Versuch 3 Qualitative Analyse von Nitrit in Wurst und Hackfleisch Versuchsbeschreibung: Materialien: 2 Reagenzgläser, Reagenzglasständer, 2 Bechergläser (300 mL), 5 Erlenmeyerkolben (50 mL), Glastrichter, Filterpapier, Magnetrührer mit Heizplatte, Spatel, Waage, 4 Einwegspritzen mit Kanülen (2 x 10 mL, 2 x 20 mL) Chemikalien: α-Naphthylamin (m = 0,25 g), Essigsäure (w = 0,3) (100 mL), Sulfanilsäure (m = 0,4 g), Hackfleisch (m = 100 g), Glas Bockwurst Durchführung: In einem Becherglas werden 100 g Hackfleisch mit Wasser 60 Minuten ausgekocht. Nach dem Abkühlen und Filtrieren wird das Filtrat als Lösung A neben dem Bockwurstwassers, als Lösung B aufgehoben. 18 Lunges 1: 0,25 g α-Naphthylamin löst man in einem Erlenmeyerkolben in 10 mL heißem Wasser, filtriert und ergänzt das Volumen des Filtrats mit Essigsäure (w = 0,3) auf 50 mL. Lunges 2: Im Erlenmeyerkolben werden 0,4 g Sulfanilsäure in 50 mL Essigsäure (w = 0,3) gelöst. In zwei Reagenzgläsern mischt man je 3 mL von Lunges 1 und 2. In eines der Reagenzgläser gibt man nun 10 mL von Lösung A, in das andere 10 mL von Lösung B. Beobachtung: Die Lösung B färbt sich schlagartig rot. Die Frischfleisch-Lösung A verbleibt in ihrer hellbraunen Farbe. Auswertung: Nitrit wird qualitativ mit den Lunges-Reagenzien nachgewiesen. Es handelt sich dabei um eine Azokupplung, wodurch ein roter Azofarbstoff entsteht. Kupplungsreagenzien sind hier typischerweise Sulfanilsäure und ein Aromat mit einer Aminogruppe. Der Mechanismus beginnt in allen Fällen mit der Bildung des Nitrosylkations in einer sauren Nitritlösung: N O O + H+ N + O H O + H+ N H - H2O O O H O N + Wasser wird vom protonierten Nitrit-Anion abgespalten, da sich somit das resonanzstabilisierte Nitrosylkation bilden kann: + O N O + + N Das Nitrosylkation greift als starkes Elektrophil im nächsten Schritt die Sulfanilsäure an. Der elektronische Angriff erfolgt vom freien Elektronenpaar am Stickstoff der 19 Aminogruppe (Nucleophil) auf den Stickstoff des positiv geladenen Nitrosyl-Ions. Es entsteht das Nitrosamoniumsalz und unter Protonenabgabe das neutrale Nitrosamin: H H N + N N + H H N - H+ O N H + HO 3S O N O HO 3S HO 3S + H+ - H+ - H2O + N N N N N O HO 3S HO 3S H N +H+ O + H HO 3S H Durch Protonen- und Elektronenumlagerung begünstigt kann ein Wassermolekül abgespalten werden. Die Triebkraft ist die Bildung des stabilen elektrophilen Diazoniumsalzes, das in mehreren Resonanzformen vorliegt. N + + N + N N N - N + HO 3S HO 3S HO 3S Im letzten Schritt greift das Elektrophil das α-Naphthylamin in einer elektrophilen aromatischen Substitution an. Der elektronenschiebende Substituent (Amin) aktiviert das aromatische System für diese Reaktion und dirigiert den Angriff auf die paraPosition. Das verbleibende Proton wird an derselben Position abstrahiert. Die Triebkraft hierbei ist die Wiederherstellung des aromatischen Systems. 20 N N + + H H HO3S N N HO3S N H N + H H α-Naphthylamin H N HO3S - H+ N N H Azofarbstoff 2.2 Antioxidantien Antioxidantien werden diejenigen Zusatzstoffe genannt, die den Verderb der Lebensmittel durch oxidative Prozesse verhindern oder verzögern sollen. Sie wirken im besonderen Maße als Radikalfänger für die bei vielen autoxidativen Prozessen entstehenden freien Radikale. Es wird vor allem einem Verlust von Vitamin A und C, dem Ranzigwerden von Fetten und Verfärbungen vorgebeugt. In den Positivlisten des LFGB stehen etwa dreimal mehr natürliche und naturidentische Antioxidantien als künstlich erschaffene. Bei diesen sind keine negativen Auswirkungen auf den menschlichen Organismus bekannt. Sie wirken sich eher positiv aus, da auch die freien Radikale, die man über die Nahrung und die Atmung aufnimmt, oder sich während der Stoffwechselprozesse bilden, im Körper selbst eingefangen werden und unschädlich gemacht werden können. Trotzdem werden immer noch viele künstlich synthetisierte Antioxidantien den Lebensmitteln zugesetzt. Ein Beispiel ist das Butylhydroxytoluol (BHT). CH3 OH CH3 CH3 H3C CH3 Butylhydroxytoluol (E 321) BHT wird beispielsweise Kaugummi zugesetzt. Es kann bei Allergikern zu Hautrissen führen oder bei dafür sensiblen Personen zu Verdauungsstörungen führen, da sich 21 BHT negativ auf die Verdauungsenzyme auswirkt. Es wird vermutet, dass BHT eine cancerogene Wirkung auf die Lunge hat. Völlig ungefährlich und wichtig für den menschlichen Organismus ist dagegen die LAscorbinsäure, die allgemein als Vitamin C bekannt ist. Vitamine können nicht vom Körper synthetisiert werden, müssen also über die Nahrung aufgenommen werden (Ausnahme Vitamin D bei ausreichend Sonnenlicht). Sie übernehmen vielseitige regulierende Aufgaben des Stoffwechsels, der Energiegewinnung und des Immunsystems. Ob gerade Vitamin C vorbeugende oder heilende Wirkung bei Erkältungskrankheiten hat ist umstritten, sicher ist dagegen, dass L-Ascorbinsäure für den menschlichen Metabolismus nicht nur als Reduktionsmittel und Radikalfänger essentiell ist. Die Mangelerscheinung ist Skorbut. Vor allem in Obst und Gemüse ist viel Vitamin C enthalten. Rosenkohl enthält, was überraschen mag, dreimal mehr pro hundert Gramm als Zitronen. L-Ascorbinsäure wird heute in großem Umfang industriell hergestellt und als naturidentischer Zusatzstoff vielen Lebensmitteln wie Marmeladen und Fruchtgetränken zugesetzt. Versuch 4 Wirkung von L-Ascorbinsäure Versuchsbeschreibung: Materialien: Petrischale, Messer, PE-Tropfflasche Chemikalien: 2 Äpfel, Zitrone, Ascorbinsäure-Lösung (c = 0,1 mol/L) (10 mL) Durchführung: Beide Äpfel werden in jeweils 2 Hälften zerschnitten und die Stücke mit der Schnittstelle nach oben auf Petrischalen platziert. Eine Apfelhälfte kann, wenn nur mit sauberen Küchengeräten gearbeitet wurde, verzehrt werden. Auf ein Stück gibt man wenige Tropfen Ascorbinsäure-Lösung (c = 0,1 mol/L), ein anderes wird mit dem Saft einer frischen Zitrone beträufelt. Das letzte Stück lässt man unbehandelt. Nach etwa 5 Minuten kann die Beobachtung festgehalten werden. 22 Beobachtung: Die unbehandelte Apfelhälfte verfärbt sich nach wenigen Minuten braun. Die mit L-Ascorbinsäure oder Zitronensaft behandelte Fläche verfärbt sich dagegen kaum. Das verzehrte Apfelstück hat keine Gelegenheit sich zu verfärben. Auswertung: Für die Braunfärbung der Äpfel sind die so genannten Phlobaphene verantwortlich. Sie werden nur dann gebildet, wenn mindestens die drei folgenden Reaktionspartner zusammentreffen: - Phenolische Inhaltsstoffe im Apfel - Aktive Enzyme: Phenoloxidasen und Chinonpolymerasen - Sauerstoff Das bedeutet, dass erst wenn die Apfelfläche dem Luftsauerstoff ausgesetzt ist, eine Verfärbung auftreten kann: R R O2 , HO +1 Cu R Cu +1 R - H2O R +2 R +1 +1 R Cu O u O Cu +2 u R E +2 +2 O Polymerisation Phlobaphene O Das einwertige Kupfer des Enzymkomplexes (E) koordiniert am Sauerstoff des Phenols. In ortho-Position wird der Kohlenstoff mit dem Luftsauerstoff oxidiert, an den ein zweites Kupferatom des Enzyms koordiniert. Für die Dirigierung in orthoPosition ist die Tertiärstruktur des Proteins verantwortlich. Das Enzym liegt jetzt in oxidierter Form vor wird aber durch die Oxidation des Aromaten wieder reduziert. Das gebildete ortho-Chinon polymerisiert begünstigt durch entsprechende 23 Polymerasen zu Phlobaphenen, deren chinoides System für die Braunfärbung verantwortlich ist. L-Ascorbinsäure, die mit über 50 mg pro 100 g auch im Zitronensaft enthalten ist, verhindert eine Verfärbung, da die gebildeten Chinone direkt wieder zu Hydroxybenzolen reduziert werden und somit nicht mehr polymerisieren können. Die L-Ascorbinsäure oder ihre Salze (Ascorbate) werden dabei zu Dehydroascorbinsäure oxidiert. Für die im Apfel enthaltenen phenolischen Inhaltsstoffe wurde der Einfachheit halber Phenol als Beispiel ausgewählt. Das durch die Oxidation – begünstigt durch die enzymatische Katalyse – gebildete 1,2 Benzochinon wird zu 1,2 Dihydroxybenzol (Benzcatechin) reduziert. Oxidation O O - O +1 OH HO H+ O - 2 e- +2 O +1 O +2 C H2OH H - OH O Ascorbat C H2OH H Dehydroascorbinsäure Reduktion + 2 H+ + 2 e+2 +2 +1 O O HO 1,2-Benzochinon +1 OH Brenzcatechin (1,2-Dihydroxybenzol) Dihydroxybenzol) 3. Das Auge isst mit Lebensmittelfarbstoffe Eine nicht zu unterschätzende psychologische Bedeutung kommt den Farbstoffen zu, die Lebensmitteln zugesetzt werden, um damit das Kaufverhalten der Konsumenten zu beeinflussen. Lebensmittelfarbstoffe sollen Produkte vor allem attraktiver erscheinen lassen. Dabei dürfen sie den Farbton des frischen Produktes aber nicht 24 übertreffen, da ansonsten eine Täuschung des Verbrauchers hervorgerufen werden könnte. Schon im antiken Ägypten, über die Zeit des römischen Reiches bis ins Mittelalter wurden Speisen und Getränke gefärbt. Man verwendete dabei natürliche Farbstoffe, wie man sie beispielsweise in Ockersanden, Rote Beete, Möhren und Pflanzenblättern vorfand. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts ging man dazu über für diese Zwecke verschiedenfarbige Blei- Kupfer- und Quecksilberverbindungen zu gebrauchen. Man kam jedoch schnell davon ab, als man sich der gesundheitlichen Folgen einer Einnahme solcher Substanzen bewusst wurde. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Nachfrage nach billigen Farbstoffen immer größer. Besonders die Textilindustrie verlangte Mengen, die von den natürlichen Farbstoffvorkommen nicht mehr gedeckt werden konnten. Von England ausgehend synthetisierte man überall in den europäischen Laboren Farbstoffe, von denen sich die Azofarbstoffe durch eine besonders intensive Farbgebung auszeichneten. Diese wurden als physiologisch unbedenklich eingestuft und schon bald vielen Nahrungsmitteln zugesetzt. Als man jedoch die krebserregende Wirkung von „Buttergelb“ (Dimethylaminoazobenzol) entdeckte, wurden zunächst alle Azofarbstoffe für die Verwendung in der Lebensmittelindustrie in Deutschland verboten. Alle Farbstoffe, die man heute Lebensmitteln zusetzt und mit verzehrt werden, sind wie alle Zusatzstoffe mit einer E-Nummer versehen und müssen auf der Packung angegeben werden. Hinzu kommen solche Farbstoffe, die nur für die Oberflächenbehandlung einiger Produkte vorgesehen sind. Diese werden in der Regel nicht verspeist und haben eine C-Nummer. Alle Lebensmittelfarbstoffe sind nur für bestimmte ausgewiesene Lebensmittel erlaubt, von denen es jedoch nicht wenige gibt. Eher unbedenklich sind auch hier wieder natürliche Farbgeber, wovon die meisten so harmlos sind, dass sie keinen ADI-Wert besitzen. Als Beispiel sind hier folgende Farbstoffklassen mit in der Lebensmittelfärbung häufig verwendeten Vertretern zu nennen: - Porphyrine: Chlorophyll b (E140) (Blattfarbstoff) - Carotinoide o Carotine: β-Carotin (E 160 bzw. 160 a) (Möhre) o Xanthophylle: Lutein (E 161 b) (Eigelb) - Anthrachinonfarbstoffe: Echtes Karmin (Cochenille-Laus) - Cyanine: Betanin (E 162) (Rote Beete) 25 Demgegenüber ist heute eine Vielzahl von künstlichen Farbstoffen als Lebensmittelzusätze erlaubt. Darunter befinden sich viele: - Azofarbstoffe: Brilliantschwarz (E 151) - Triphenylmethanfarbstoffe: Brilliantblau (E 133) - Anthocyane (alle E 163): Malvidin (E 163 c) Versuch 5 Falscher Lachs Versuchsbeschreibung: Materialien: 2 Demoreagenzgläser mit passenden Gummistopfen, Demoreagenzglasständer, Spritzflasche Chemikalien: Ethanol, Lachs, Lachsersatz Durchführung: Man zerkleinert sowohl echten Lachs als auch den Lachsersatz und gibt die Stücke in je ein Demoreagenzglas. Es wird in jede Probe etwas Ethanol gegeben, und die mit den Stopfen verschlossenen Reagenzgläser werden kräftig geschüttelt. Man füllt beide Vergleichsproben mit Wasser auf und lässt einige Minuten ruhen, bevor die Beobachtung gemacht werden kann. Beobachtung: Die Lösung mit Lachsersatz färbt sich rot. Die diejenige mit echtem Lachs blass rosa. Auswertung: Lachsersatz besteht meist aus Seelachsfilet dessen weißes Fleisch mit den beiden Azofarbstoffen Ponceaurot und Gelborange eingefärbt ist. 26 HO + Na - HO N O3S + Na N - N O3S N - O3S + Gelborange S (E 110) Na - + SO3 Na - + SO3 Na Ponceau 4R (E 124) Beide Salze sind gut in wässriger Ethanollösung löslich, wodurch sich diese rot färbt. Die Farbe des echten Lachs ist nicht erst bei der Verarbeitung auf das Fleisch aufgetragen worden, sondern der Farbstoff wird während des Wachstums des Fisches in die Muskelzellen eingebaut. Er lässt sich daher nicht mit diesem einfachen Verfahren herauslösen, wodurch die Lösung nicht eingefärbt wird. Bei dem Farbstoff handelt es sich um Astaxanthin, ein Xanthophyll. Die Fische nehmen ihn über die Nahrung (Krebstiere) auf. O H3C CH3 CH3 HO H3C CH3 CH3 CH3 CH3 OH H3C CH3 Astaxanthin (E 161 j) O Industriell wird Astaxanthin aus der Blutregenalge Haematococcus pluvialis, einer Grünalge gewonnen, die in Stresssituationen den roten Farbstoff als UV-Schutz bildet. Er wirkt sich vitaminartig positiv auf die Fruchtbarkeit und Immunabwehr in Fischzuchten aus. Die Regenbogenforelle kann durch Zusatz des Farbstoffs als marktstarke „Lachsforelle“ mit dunklerem Fleisch verkauft werden. Demo 2 Isolierung eines Lebensmittelfarbstoffes Versuchsbeschreibung: Materialien: Mikrosäule, Stativmaterial, Waage, 2 Messzylinder (50 mL, 100 mL), Magnetrührer mit Rührfisch, 2 Erlenmeyerkolben (200 mL), 27 Becherglas (50 mL), Spatel, Glasstab, Universalindikatorpapier, Pasteurpipette mit Hütchen Chemikalien: Glaswolle, Seesand, Götterspeise, Salzsäure (c = 2 mol/L), Polyamidpulver (mittlere Korngröße von etwa 0,03 – 0,3 mm), Aceton, Reagenz 1: Ammoniaklösung (w = 0,25) / Methanol im Verhältnis 5 : 95, Reagenz 2: Eisessig / Methanol im Verhältnis 1:1 Durchführung: Die Mikrosäule wird mit Hilfe des Stativmaterials senkrecht befestigt und erst mit Glasswolle und dann mit einer 1-2 cm hohen Seesandschicht befüllt. 10 g Götterspeise werden eingewogen, mit 100 mL Wasser versetzt und die Mischung im Erlenmeyerkolben erwärmt, bis sich der Farbstoff gelöst hat. Anschließend wird die Lösung mit Salzsäure (c = 2 mol/L) auf pH = 5 angesäuert. In die noch warme Lösung gibt man 1,5 g Polyamidpulver und rührt um. Die erhaltene Suspension wird vorsichtig auf die vorbereitete Mikrosäule gegeben (vorher Erlenmeyerkolben unterstellen). Nachdem sich die gefärbte Polyamidschicht auf dem Seesand abgesetzt hat, spült man die Säule mit 6 Portionen von je 10 mL heißem Wasser und mit 6 Portionen von je 5 mL Aceton. Nach dem Wechsel der Vorlage desorbiert man mit 2 Portionen von je 5 mL von Reagenz 1. Die aufgefangene alkalische Farbstofflösung säuert man mit Reagenz 2 auf etwa pH = 6 an und hebt sie für Versuch 6 auf. Beobachtung: Die Beobachtungen der einzelnen Schritte sind in den Abbildungen 3-6 festgehalten. 28 Abb. 3: Ansetzen der Götterspeiselösung Abb. 5: Adsorption des Farbstoffs und Abtrennung der Gelatine Abb. 4: Befüllen der Mikrosäule Abb. 6: Desorption des Farbstoffs Auswertung: Polyamide besitzen neben den Amidbindungen auch freie endständige Aminogruppen. In saurer Lösung werden diese leichter protoniert, als die Sulfonsäurereste des Azorubins, da sie basischer sind. An die entstandenen Kationen mit formal positiver Ladung am Stickstoff können die Azorubin-Anionen eine ionische Wechselwirkung eingehen. Der Farbstoff wird an die Polyamidkörner adsorbiert. 29 In stark ammoniakalischer Lösung wird das Polyamid durch die starke Base Ammoniak deprotoniert. Das Gleichgewicht liegt hier auf der Seite der neutralen Amino- und Amidgruppen sowie des Ammonium-Kations. Der Farbstoff kann keine ionische Wechselwirkung mehr mit den Polyamidkörnern eingehen und geht in Lösung über. Um eine möglichst neutrale Farblösung zu erhalten wird mit etwas Eisessig angesäuert. Die Konzentration des Farbstoffes lässt sich auf photometrischem Weg quantitativ bestimmen. Versuch 6 Photometrische Bestimmung von Azorubin Versuchsbeschreibung: Materialien: Waage, 6 Messkolben (100 mL), Messkolben (1 L), Vollpipette 50 mL, Pasteurpipette, Magnetrührer mit Rührfisch, Becherglas (100 mL), Photometer mit Küvetten Chemikalien: Farbstofflösung, sowie Reagenz 1 und Reagenz 2 aus Demo 2, Azorubin, Phosphatpuffer (c = 0,15 mol/L) nach Sörensen (7,262 g Natriumhydrogenphosphatdihydrat + 3,521 g Kaliumdihydrogenphosphat aufgefüllt auf 1 L ention. Wasser) Durchführung: Die Farbstofflösung aus Demo 2 wird in einen 100 mL Messkolben überführt und mit der Pufferlösung auf genau 100 mL aufgefüllt. Für die Erstellung der Eichgeraden wird in 4 Messkolben Azorubin in aufsteigenden Mengen von 0,1 - 0,5 - 30 1,0 und 3,0 mg gegeben. Um gleiche Verhältnisse zur Vergleichsprobe zu schaffen gibt man in jeden Messkolben 10 mL Reagenz 1 und säuert mit Reagenz auf pH = 6 an. Die Messkolben werden nun mit Phosphatpuffer auf 100 mL aufgefüllt. Die Messung erfolgt bei 512 nm, dem Absorptionsmaximum von Azorubin. Aus den 4 Eichproben ergibt sich, bei Auftragung der Extinktion gegen die Konzentration, eine Vergleichsgerade. Die Farbstofflösung aus der Götterspeise kann nun gemessen, und es kann über die Extinktion auf die Konzentration geschlossen werden. Beobachtung: Die Messlösung hat eine Extinktion von 0,193. Auswertung: Die Extinktionen der Eichlösungen werden gegen ihre Massen-Konzentrationen an Farbstoff aufgetragen: E 1,0 0,5 x 0,2 1,0 mAzorubin mg VLösung 100 mL 2,0 4,0 3,0 c [mg/100 mL] Nach dem LAMBERT-BEERschen-Gesetz gilt, dass die Extinktion E zur Konzentration c aufgetragen einen linearen Zusammenhang bildet. 31 I E lg c d I0 E: I: I0 : ε: c: d: Extinktion Intensität des transmittierten Lichts Intensität des einfallenden Lichts (Vergleichslösung) dekadischer molarer Extinktionskoeffizient Konzentration der Lösung Schichtdicke Da die Masse zur Stoffmenge proportional ist, spielt es keine Rolle, ob die Konzentration c n m oder die Massenkonzentration (Dichte) herangezogen V V wird. Anhand der gemessenen Extinktion kann bereits durch Ablesen die entsprechende Masse an Farbstoff in 100 mL Maßlösung relativ genau bestimmt werden. Sie beträgt etwa 0,4 mg in 100 mL Lösung. In Demo 2 wurden 10 g der Götterspeise eingewogen. In 100 g Götterspeise dieser Marke sind demnach 4 mg Azorubin enthalten. Das entspricht zufälligerweise dem ADI Wert für Azorubin. 4. Bio? Logisch! Enzyme Enzyme sind Biokatalysatoren, die in vielen Reaktionen den anorganischen Katalysatoren weit überlegen sind. Im HABER-BOSCH-Verfahren z.B. wird aus Stickstoff und Wasserstoff Ammoniak hergestellt. Dazu sind Drücke von 200 bar und Temperaturen von 500 °C erforderlich. Stickstofffixierende Zellen der Leguminosen vermögen eine ähnliche Reaktion bei einer Atmosphäre und Raumtemperatur durchzuführen. Verantwortlich dafür ist die Nitrogenase, ein Enzym. In der Lebensmittelindustrie sind Enzyme immer mehr im Kommen. Sie sind in der Regel nicht kennzeichnungspflichtig, da sie aus den Produkten wieder entfernt werden, bevor sie zum Konsumenten gelangen, oder weil sie sich nach einer gewissen Zeit zersetzen. Enzyme sind daher keine Lebensmittelzusatzstoffe im engeren Sinne. Ein weiterer Vorteil ist, dass sie neben der hohen katalytischen Effektivität und der gesundheitlichen Unbedenklichkeit für den Menschen hochspezifisch in ihrer Wirkung 32 sind. Enzyme lassen sich also so auswählen, dass an den Produkten keine unerwünschten Reaktionen außer den gewollten ablaufen. Versuch 7 Nachweis der Invertaseaktivität Versuchsbeschreibung: (Vorversuch) Materialien: Herdplatte, Topf, Ofen, Honigglas Chemikalien: Vegitase® (Invertase-Kapseln in der Apotheke erhältlich), Raffinadezucker Durchführung: Um zu gewährleisten, dass gefahrlos Geschmacksproben vorgenommen werden können, sollte der Versuch nicht im Labor sondern in der Küche durchgeführt werden. 25 g Zucker werden in 50 mL Wasser gelöst und mit 3 mL 25 %iger Invertaselösung versetzt. Den Ansatz stellt man für 30 min in den Ofen bei einer Temperatur von 55 °C. Anschließend wird etwa auf ein Drittel des Volumens eingedampft. Beobachtung: Es entsteht eine honigartige Masse, die aber wegen der Inhaltsstoffe neben der Invertase in den Vegitase®-Kapseln nicht sonderlich lecker schmeckt. Auswertung: Das Enzym Invertase wandelt Saccharose in Invertzucker um. Invertzucker ist nichts anderes als α-D-Glucose und β-D-Fructose (die beiden Bestandteile der Saccharose) im gleichen Stoffmengenverhältnis. Dieses Gemisch wird Invertzucker genannt, da es polarisiertes Licht in die entgegengesetzte Richtung dreht wie Saccharose. Invertzucker ist milder und fruchtiger als Saccharose und verleiht dem Honig natürlicherweise seine Konsistenz, da er nicht so leicht kristallisiert. 33 Invertase α-D-Glucose Saccharose β-D-Fructose O H HO (aq) OH H H OH H OH OH α-D-Glucose Pyranoseform (aq) D-Glucose offenkettige Form (aq) β-D-Glucose Pyranoseform Die Drehung des polarisierten Lichts in umgekehrter Richtung zur Saccharose beruht auf der Tatsache, dass die durch die Glycolyse frei gewordene α-D-Glucose mit ihrer offenkettigen Form und diese wiederum mit der Pyranoseform der β-D-Glucose in einem Gleichgewicht steht. In der Summe drehen alle Stereomeren der Monosaccharide das Licht in die entgegengesetzte Richtung zum Disaccharide Saccharose. Versuchsbeschreibung: Materialien: Magnetrührer mit Heizplatte, 3 Reagenzgläser, Becherglas (500 mL) Chemikalien: Raffinadezucker (Saccharose), Vegitase®, Kunsthonig aus Vorversuch, Fehling - Lösung I : 1, 75 g Kupfersulfat (CuS04) in 25 ml H2O, Fehling - Lösung II: 8,5 g Kaliumnatriumtartrat (KNaC4H4O6) und 2,5 g Natriumhydroxid (NaOH) in 25 ml H2O) Durchführung: Man stellt jeweils eine 25 %ige Lösung von Raffinadezucker, Vegitase® und Kunsthonig her und gibt 2 mL in je ein 34 Reagenzglas. Nun gibt man zu jeder Lösung gleiche Teile von Fehling-Lösung I und II und erhitzt im Wasserbad. Beobachtung: Alle Lösungen sind nach Zugabe der Fehlingschen Lösung dunkelblau gefärbt. Kunsthoniglösung Am entsteht Reagenzglasboden nach Erhitzen ein der brauner Niederschlag. Auswertung: Das Disaccharid Saccharose gehört nicht zu reduzierenden Zuckern, da es keine Aldehyd-Funktion besitzt. Nach der enzymatischen Spaltung in die Monomere α-DGlucose und β-D-Fructose können die Aldehydgruppen der offenkettigen ZuckerFormen nach folgender Reaktionsgleichung mit den Fehling-Lösungen reagieren: Oxidation: R +1 H + 2 OH- R O +3 OH + H2O + 2 e- O Reduktion: +2 2+ 2 Cu + +1 + 2 e- 2 Cu Der Chelator Kaliumnatriumtartrat komplexiert die Cu2+-Ionen, wodurch die tief dunkelblaue Farbe entsteht. Die Komplexierung verhindert, dass Cu2+ mit den Hydroxid-Ionen zu Cu(OH)2 ausfällt. Der Aldehyd wird im Basischen zur Carbonsäure oxidiert, wobei Wasser freigesetzt wird und Elektronen zur Reduktion des Kupfers zur Verfügung gestellt werden. Das einwertige Kupfer reagiert in einer Säure-BaseReaktion zum braunen Cu(I)-oxid und Wasser. +1 2 Cu + + 2 OH - +1 Cu 2O + H 2O rotbraun Zum Beweis, dass sich in der Vegitase® keine Monosaccharide befinden, wird auch mit dem Invertase-Pulver eine Probe durchgeführt, die negativ verläuft. 35 5. Schulrelevanz Die Versuche wurden nach Schultauglichkeit ausgesucht, leicht modifiziert oder wie im Falle der Herstellung und des Nachweises von Invertzucker teilweise neu erdacht. Die Behandlung der Versuche im Unterricht fügt sich gut in das Wahlthema der Jahrgangsstufe 12: Angewandte Chemie (Nahrungsmittel: u.a. Inhaltsstoffe, Zusatzstoffe, Konservierung) des Hessischen Lehrplans für Gymnasien (G8) ein. Es ist ein vielseitiger Bezug auf mehrere Themen möglich, wobei die Experimente ausgewählt werden können, um vom Allgemeinen zum Speziellen zu gelangen. Die Behandlung von Zusatzstoffen in Lebensmitteln soll das kritische Konsumentenverhalten der Schüler fördern, wobei ihnen auch nahe gebracht werden sollte, dass das Kaufverhalten sich schneller auf die Hersteller auswirkt, als gesetzliche Regelungen. Sie sollen abwägen können, welche Zusätze sinnvoll sind und auf welche man durch Umstellung der Verbrauchergewohnheiten verzichten könnte. Viele Hersteller werben bereits damit, ihren Produkten keine Konservierungsstoffe, Geschmacksverstärker und andere künstlichen Zusatzstoffe zuzusetzen. Der Kursstrukturplan von 1979 beschreibt bereits auf S.4: „Für die Mitwirkung an Entscheidungsprozessen z.B. zum Schutze der Umwelt und zur Verbesserung der Lebensbedingungen ist chemisches Sachverständnis Voraussetzung, für das der Chemieunterricht einen wichtigen Beitrag leisten kann.“ Diese Grundlagen können auch mit fächerübergreifenden Maßnahmen, z.B. in Projektarbeiten oder dem Besuch außerschulischer Lernorte (Lebensmittelhersteller) vertieft werden. Konkrete Überschneidungen ergeben sich beispielsweise in den Fächern: Geschichte: Zusammenhänge von Wissenschaft und Gesellschaft Biologie: Mikroorganismen, Aufbau der Zelle, Cancerogenität, physiologische und psychologische Beeinträchtigungen von Substanzen Politik: Bedeutung der Wirtschaft, Handel, Handelswege, Märkte, Rechtvorschriften und deren Kontrolle, Kontrollinstanzen des Gesetzgebers Religion: Rituelle Bedeutung bestimmter Nahrungsmittel und Behandlungstechniken Geographie: Regionale Abhängigkeit bestimmter Konservierungsmethoden 36 6. Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Abb. 2: Abb. 3: Abb. 4: Abb. 5: Abb. 6: Stichwortsammlung http://milksci.unizar.es/bioquimica/temas/toxico/micotoxinas.html (05.02.08) Versuchsdokumentation Versuchsdokumentation Versuchsdokumentation Versuchsdokumentation 7. Literatur Deifel, A. / Treiber, D. (1995): Lebensmittelfarbstoffe. In: Naturwissenschaften im Unterricht Chemie, Heft 30, S.24-33. Lebensmittelchemische Gesellschaft, Fachgruppe der GDCh (Hrsg.) (1990): Schulversuche mit Lebensmittel-Zusatzstoffen. Verlag Behr. Lück, E. (1985): Lebensmittelzusatzstoffe – Chemie in der Nahrung? In: Praxis der Naturwissenschaften – Chemie. Heft 8, S. 6-8. Vollhardt, K. Peter C. / Schore, Neil E. (1995): Organische Chemie. VCH Verlagsgesellschaft, Weinheim. Schmidkunz, H. (1995): Einfache Versuche zur enzymatischen Bräunung. In: Naturwissenschaften im Unterricht Chemie, Heft 30, S.55-56. Schmidkunz, H. / Wagner, W. (1999): Moderne Lebensmittel – eine öffentliche Beunruhigung? In: Naturwissenschaften im Unterricht Chemie, Heft 49, S.4-6. Seabert, Heidrun; Wöhrmann, Holger (1992): Konservierung von Lebensmitteln mit und ohne Chemie. Red.-Gemeinschaft Soznat, Marburg. – mit Stuebs, R. (1997): Lebensmittelzusatzstoffe im Chemieunterricht – Experimentiervorschlägen (II). In: Chemie in der Schule. Heft 11, S.402-409. mit Stuebs, R. (1997): Lebensmittelzusatzstoffe im Chemieunterricht Experimentiervorschlägen (I). In: Chemie in der Schule. Heft 9, S.316-323. Vaupel, E: (1999): Färben von Lebensmitteln – gestern und heute. In: Praxis der Naturwissenschaften – Chemie. Heft 2, S.2-8. http://www.gesetze-im-internet.de/lfgb/BJNR261810005.html http://www.zusatzstoffe-online.de/home/ 37