Sekundärionen-Massenspektrometrie (SIMS) Zweck: Bestimmung der Spurenanalyse chemischen Oberflächenzusammensetzung, Tiefenprofile, Prinzip: SIMS beruht auf der Tatsache, daß durch Beschuß einer Oberfläche mit energiereichen Teilchen (meist Ionen) von dort Teilchen in Form von Atomen oder Ionen entfernt (gesputtert, zerstäubt) werden. Durch Massenanalyse der zerstäubten Teilchen kann die chemische Zusammensetzung bestimmt werden. Neben dem Sputtern treten allerdings noch parallel Effekte auf, die oft nachteilig sind. Z.B. Veränderung der Oberfläche, Implantation der auftreffenden Teilchen, Emission anderer Teichen (Elektronen) oder Strahlung. Bei SIMS beschränkt man sich auf die Ionen, die ein- oder mehrfach geladen sein können. Da die Ionen von den obersten Lagen der Oberfläche kommen, ist diese Methode sehr oberflächenempfindlich. Neben der Aufnahme von Tiefenprofilen, -durch das Sputtern wird ja laufend Oberflächenmaterial entfernt-, kann man durch Rastern eines feinfokussierten Strahles auch die laterale Zusammensetzung der Oberfläche untersuchen. Als Projektile werden in den meisten Fällen Argonionen oder Sauerstoffionen verwendet. Die Ionisierungswahrscheinlichkeit, und damit die Sputterausbeute hängen empfindlich von der chemischen Umgebung ab. Der größte Teil der zerstäubten Teilchen ist neutral. Die Ausbeute an positive Metallionen kann sich z.B. um Größenordnungen ändern, wenn Sauerstoff (oder andere stark elektronegative Elemente) auf der Probenoberfläche ist. Ein typisches positives und negatives SIMS Spektrum einer Aluminium Probe mittels Argonsputtern sieht man im nächsten Bild. 60 Man unterscheidet drei Regime, in denen man ein SIMS betreiben kann: a) Statisches SIMS (S-SIMS): In diesem Fall verwendet man sehr geringe Ionenströme (10-9 A·cm-2 1010 Ionen/sec. Damit wird nur Information von der obersten Atomlage erhalten, da bei diesen Strömen die Erosionszeit pro Monolage einige Stunden beträgt. Die Struktur und die Zusammensetzung der Oberfläche werden dabei kaum beeinflußt. b) Dynamisches SIMS (D-SIMS): In diesem Fall werden sehr hohe Ionenstromdichten verwendet (einige μ-mAcm-2). Dabei ist die Monolagen-Lebenszeit bei Millisekunden. Man erhält somit die chemische Zusammensetzung in die Tiefe der Probe (es bildet sich ein Krater aus). c) Abbildendes SIMS (I-SIMS): Durch gleichzeitiges Rastern mit einem fokussierten Strahl kann man 3-dimensionale Zusammensetzungen erhalten (Imaging SIMS). Eine zweite Möglichkeit für das ISIMS ist die großflächige Bestrahlung und die ortsempfindliche Detektion der Ionen durch eine spezielle Ionenoptik. Ein Hauptproblem von SIMS ist die Quantifizierung. Leider ist die Ionisierungswahrscheinlichkeit für verschiedene Spezies sehr verschieden und von der atomaren Umgebung abhängig (Matrixeffekt). Quantifizierung kann durch Verwendung von Standards erreicht werden, oder durch Zuhilfenahme von komplementären Meßmethoden (AES, XPS). 61 Verwendet man für die chemische Analyse die zerstäubten Neutralteilchen, indem man sie nachionisiert, spricht man von Sekundär-Neutral-Massen-Spektrometrie (SNMS). Verwendet man für das Bombardieren schnelle neutrale Atome, nennt man die Technik Fast Atom Bombardment (FAB)-SIMS. Meßtechnik: Eine SIMS Apparatur besteht im wesentlichen aus folgenden Komponenten: Primärionenquelle Strahlselektor (Energie- und Massenfilter) Fokussierungs- und Ablenkungseinrichtung Probenkammer mit Probenhalter und Probenschleuse Sekundärionenenergiefilter Massenanalysator Detektor Datenauswertung Primärionenquellen: i) Elektronenstoßionenquellen ii) Plasma-Ionenquellen iii) Hochfrequenzplasma-Ionenquelle. iv) Oberflächenionenquellen v) Feldionenquellen vi) Flüssigmetallionenquellen (LMIS) Strahlselektor: Bei der Ionenstrahlerzeugung werden neben den gewünschten Ionen auch Neutralteilchen, mehrfach geladene Ionen und Ionen des Restgases erzeugt. Diese müssen in einem geeigneten Massenfilter ausgeschieden werden. Die Anforderungen sind hierfür nicht sehr groß, einfache Einzelfokussierung ist ausreichend (z.B. mit einem magnetischen Sektorfeld oder einem Wien-Filter (Superpositionierung von elektrostatischen und magnetostatischen Feldern)): Es gehen nur Teilchen durch, wenn sich elektrostatische Ablenkung und Lorentzkraft aufheben (v = E/B). Massenauflösung von M/M = 50 ist leicht möglich und ausreichend. Das Wien Filter ist sowohl ein Massen- wie auch ein Energiefilter. 62 Fokussierungs- und Ablenkungseinrichtung: Im einfachsten Fall wird ein Makrofokussystem angewendet. Der Strahldurchmesser sollte aber größer sein als der Sekundärmassenanalysator „sehen“ kann, um Kraterrandeffekte zu vermeiden. Üblich sind Strahldurchmesser von 2-3 mm und analysierte Bereiche von 1 mm Durchmesser. Das Strahlprofil muß flach sein um ebene Krater zu bekommen, zur ausreichenden Tiefenauflösung. Um laterale Auflösung zu bekommen, muß ein Mikrofokussystem mit ScanEinrichtung eingesetzt werden. Mikrofokusse von etwa 1 werden angewendet. Da die Quellen meist größere Durchmesser haben, muß eine Ionenoptik eingesetzt werden. Die Ablenkung erfolgt über elektrostatische Platten, die vor oder nach der magnetischen Fokussierungslinse angebracht sein können. Sekundärionen-Massenfilter Das gesamte Filter besteht meist aus einer Abbildungsoptik, einem Energiefilter und einem Massenfilter. Das Energiefilter ist meist ein elektrostatischer Sektor, das Massenfilter ein magnetischer Sektor oder ein Quadrupolfeld. Das Energiefilter ist notwendig um eine ausreichende Massenseparation zu bekommen (z.B: M/M = 500), da die zerstäubten Ionen eine relativ große Energiebreite haben. 63 Bezüglich der Abbildungsoptik gibt es für laterale Auflösung zwei Möglichkeiten: a) Scanning mode: Der fein fokussierte Strahl wird über die Oberfläche gerastert und die entstehenden Ionen werden (unabhängig vom Ort) detektiert. Strahlposition und Ionenintensität ergeben dann das Rasterbild. b) Imaging mode: Die Probe wird großflächig beleuchtet und eine spezielle Abbildungsoptik bildet jeden Ort auf der Probe auf einem Bildschirm vergrößert ab. Wird in den Strahlengang der Massenseparator gebaut, kann man orts- und massenaufgelöste laterale Abbildung bekommen. Detektor Als Detektor kann entweder ein Faraday-Cup oder ein Elektronenmultiplier mit Konversionsdynode verwendet werden. FC´s können Ströme bis etwa 10-14 A messen, Multiplier bis etwa 10-20 A (counting mode). 64 Typische SIMS Anordnung: 65 Physikalischer Background, Vertiefende Betrachtungen Geschichtlich wurde Sputtern zuerst auf Hot spots oder auf Thermal spikes zurückgeführt. Heute wird allgemein das Konzept des Collision Cascade Models akzeptiert. Wenn ein energiereiches Ion auf einen Festkörper trifft, dringt dieses in den Festkörper ein und versetzt weitere Atome in Bewegung. Diese Kaskade hat Ausdehnungen im Bereich von 100Å und eine Lebensdauer von 10-11 - 10-12 sec. Es gibt im wesentliche zwei Mechanismen, die zur Abbremsung der Ionen führen: Nuclear Stopping Power: verursacht durch die Wechselwirkung der Kerne (Stöße), tritt vor allem bei schweren Ionen und geringen Ionenenergien auf Electronic Stopping Power: Verursacht durch Elektronenanregungen im Festkörper, tritt hauptsächlich für leichte Ionen und mit zunehmender Energie auf. 66 Die auftreffenden Ionen werden einerseits implantiert, andererseits lösen sie Atome und Ionen von der Oberfläche ab. Die implantierten Ionen werden später wieder gesputtert und beeinflussen somit die Analyse. Ein weiteres Problem ist die Strukturänderung der Oberfläche. Folgende Effekte können auftreten: Frenkel Defekte (Atome auf Zwischengitterplätzen, Frenkelpaare), Schottky Defekte (Frenkelpaar mit Atom auf der Oberfläche), Versetzungen (Versetzungsnetzwerke), Kurzund langreichweitige Unordnung, Clusterbildung, Dotierung, Amorphisierung, Texturbildung. Integrale Sputter-Ausbeute (Sputter Yield): Verhältnis aus gesputterten Teilchen zur Anzahl der auftreffenden Ionen Differentielle Sputter-Ausbeute: Primärionen, Probe und Sekundärteilchen werden genauer spezifiziert: Primärionen: f(Energie, Ladungszustand, Auftreffwinkel (polar, azimut)) Target: f(Chemische Zusammensetzung, Kristallorientierung) Sekundärteilchen: f(Teilchenart, Ladungszustand, Energie, Sputterwinkel) Abhängigkeit des integralen Sputter-Yields vom Auftreffwinkel: Abhängigkeit von der Ionenmasse und Targetmasse 67 Abhängigkeit von der Ionenenergie Energieverteilung der zerstäubten Teilchen 68 Sputter Yield als Funktion des Ionenauftreffwinkels (Einkristall und Polykristall) Sekundärionenemission Die eigentlich wichtige Größe in SIMS ist der Anteil der Sekundärionen. Hängt wieder von allen möglichen Größen ab (Primärionenart, Ionenergie, Auftreffwinkel, Emissonswinkel, Probenstruktur, Probenverunreinigung). Vor allem Sauerstoff auf der Oberfläche erhöht die Sputterausbeute stark. Da gerade Sauerstoff oft im Restgas mehr oder weniger vorhanden ist, sind SIMS Spektren oft schlecht reproduzierbar. Sputtern mit Sauerstoffionen erhöht die Ausbeute für positive Ionen, Sputtern mit Alkalimetallionen erhöht die Negativionenausbeute. 69 Theoretische Betrachtungen zur Bildung von Ionen (Modell von Hagstrum): Ein Teilchen kann beim Verlassen der Oberfläche Ladung mitnehmen oder auf der Oberfläche lassen. Dieser Prozeß wird natürlich von den chemischen (elektronischen) Verhältnissen im Wechselwirkungsbereich abhängen. Elektronische Übergänge zwischen Oberfläche und Teilchen können in einem Bereich von innerhalb 1 nm durch Tunneln erfolgen. Die Verweildauer von Teilchen in diesem Bereich ist in der Größenordnung von 10-13 sec. Solche Übergänge können keine strahlenden Übergänge sein, da diese viel zu langsam sind (~ 10-8 sec). Hingegen sind Augeroder Resonanzübergänge möglich (~10-15 sec). Folgende Übergänge (An- und Abregungen) sind möglich: Auger-Neutralisation: Ein Elektron von einem gebundenen Metallzustand tunnelt in den Grundzustand des wegfliegenden positiven Ions (Prozeß 1). Die dabei freiwerdende Energie wird verwendet um ein weiteres Elektron aus dem Festkörper über das Vakuumniveau anzuregen (Augerelektron wird emittiert, Prozeß 2). Das endgültig wegfliegende Teilchen ist neutral. Resonanz-Neutralisation: Ein Elektron aus dem Festkörper tunnelt in ein Teilchenniveau gleicher Energie (Prozeß 4). Das wegfliegende Teilchen ist neutral, aber angeregt. Resonanz-Ionisation: Ein Elektron in einem metastabilen Zustand des Teilchens tunnelt in den Festkörper (Prozeß 3). Das wegfliegende Teilchen ist ein positives Ion. 70 Auger-Deexzitation: Temporär angeregte metastabile Teilchen können auf zwei Arten abgeregt werden: a) Ein Elektron geht vom Festkörper in den Grundzustand des Ions (Prozeß 1). Die freiwerdende Energie wird verwendet, um das metastabile Elektron zu emittieren (Prozeß 6). b) Das metastabile Elektron fällt in den Grundzustand (Prozeß 5), die freiwerdende Energie wird zur Auger-Emission aus dem Metall verwendet (Prozeß 2). Im Wechselwirkungsbereich können diese Prozesse oftmals auftreten. Nachdem ein metastabiles Atom den Wechselwirkungsbereich verlassen hat, kann es strahlend oder durch Auger-Selbstionisation in den Grundzustand übergehen. Das Bilden und Überleben eines Ions ist offensichtlich ein sehr komplexer Prozeß und hängt von allen möglichen bereits erwähnten Faktoren ab. Eine theoretische Beschreibung ist praktisch unmöglich, qualitativ allerdings gilt für die Wahrscheinlichkeit der positiven Ionenemission: P+(E) exp{-C(E*i, - )/v} : Austrittsarbeit des Targets, E*i, : Ionisierungsenergie des freien Teilchens, v: Teilchengeschwindigkeit normal zur Oberfläche Für negative Ionen gilt eine ähnliche Beziehung: P-(E) exp{-C*( - A)/v} A: Elektronenaffinität des Teilchens Diese Gleichungen sagen uns: 1) Je größer der Austrittswinkel (v kleiner), desto geringer die Überlebenschance für Ionen 2) Typische Ionisierungsenergien der Elemente sind 5-15 eV, typische Austrittsarbeiten: 4-5 eV. Sauerstoff erhöht die Austrittsarbeit auf der Oberfläche ( 1 eV). Daher erhöht sich die Emissionswahrscheinlichkeit von positiven Ionen wenn Sauerstoff auf der Oberfläche ist (entweder durch Ar-Sputtern in Sauerstoffatmosphäre oder durch Sauerstoff-Sputtern) 3) Typische Elektronenaffinitäten für Halogene und Sauerstoff, Schwefel sind 1-3 eV. Adsorption von Alkalimetallen erniedrigen die Austrittsarbeit um bis zu 3 eV. Daher wird die negative Ionenausbeute bei Coadsorption von Alkalimetallen oder durch Sputtern mit Alkali erhöht. 71 Ionenstreuung (ISS, LEIS) (ISS: Ion scattering spectroscopy LEIS: Low energy ion scattering) Zweck: Bestimmung der Oberflächenzusammensetzung, Oberflächenstruktur, sehr oberflächenempfindlich teilweise auch der Prinzip: Wenn niederenergetische Ionen mit Oberflächenatomen stoßen, werden die gestreuten Ionen auf Grund der Stoßgesetze (Energie- und Impulserhaltung) gewisse Energieverluste aufweisen. Aus den Energieverlusten kann auf die Masse der gestoßenen Oberflächenspezies geschlossen werden. Bei ISS ist die Ionenenergie <10keV, typisch 1keV. Üblicherweise werden Edelgasionen verwendet (He+, Ne+, Ar+). Für die Abhängigkeit des Energieverlustes von der Streumasse gilt: E1/E0 = 1/(1+A)2 [cos1 + (A2-sin21)1/2]2 mit A = M2/M1. Natürlich erhält auch das Oberflächenatom Energie und Impuls in Richtung des Festkörpers. Dies kann weitere Kaskadenprozesse auslösen, ist aber hier nicht von Bedeutung. Wichtig ist, daß ein in einen bestimmten Winkel gestreutes Ion für bestimmte Oberflächenmassen bestimmte Energieverluste aufweist. 72 Die Ionen werden je nach Stoßparameter (impact parameter) d.i. der Normalabstand der Trajektorie zur Trajektorie durch das Atom, verschieden abgelenkt. Es entstehen dadurch sogenannte Schattenkegel (shadow cones), sodaß darunterliegende Atome nicht getroffen werden können. Dies ist ein Grund für die starke Oberflächenempfindlichkeit. Die in den Festkörper hineingestreuten Ionen werden sehr rasch neutralisiert. Es gibt daher praktisch nur Einfachstreuung. Die Lage der shadow cones bezüglich der Oberflächenatome bei unterschiedlichen Auftreffwinkeln beeinflußt die Streuwahrscheinlichkeit. Schräg darunterliegende Atome können entweder innerhalb oder außerhalb des Schattenkegels liegen und die Streuintensität bestimmen. 73 Meßtechnik Für ISS benötigt man eine Ionenquelle und einen Energieanalysator, im Optimalfall sollen beide Instrumente unabhängig voneinander um die Probe gedreht werden können (oder Analysator und Probe drehbar). Als Ionenquellen werden die bei SIMS besprochenen verwendet (Plasmatron, Stoßionisationsquellen). Die üblichen Energieunschärfen von 1-10 eV sind ausreichend gut für 1keV Strahlen. Die Strahlen werden kollimiert und im Magnetfeld massensepariert. Bei Flugzeitmassenspektrometern als Analysator müssen die Strahlen auch gechoppt werden. Strahlströme im Bereich von 10-8 A. Strahlquerschnitte 1mm2. Die Probe soll kippbar und um den Azimut gedreht werden können. Oft wird aber mit konstantem Streuwinkel gearbeitet. Als Analysator wird oft ein hemisphärischer Energieanalysator ohne Kollektorlinse, aber mit Aperturblende verwendet, um die Winkelauflösung zu gewährleisten. Flugzeitanalysatoren (time-of-flight (TOF)) werden heute vermehrt eingesetzt. Die Vorteile sind, daß damit nicht nur die Ionen sondern auch die neutralisierten Teilchen detektiert werden können. Außerdem können gleichzeitig stark unterschiedliche Flugzeiten gemessen werden. Der apparative Aufwand ist allerdings größer. Man benötigt einen gepulsten Ionenstrahl (typ. 10 ns). Dies kann durch Ablenken des Ionenstrahls vor einer Blende geschehen. Die Flugzeit ist dann ein Maß für die Ionenenergie, bzw. den Energieverlust. Die auftretenden Energieverluste sind am größten, wenn die Projektil und Targetmassen ähnlich sind. Daher wird für die Detektion von leichten Oberflächenatomen Helium und für die schwereren Argon verwendet. Da häufig mit 90° Detektion gearbeitet wird, kann Wasserstoff nicht mehr nachgewiesen werden. Hierfür sind flache Detektionswinkel notwendig. 74 Physikalischer Background, Vertiefende Betrachtungen Bei der Streuung von Elektronen an Festkörpern ist die Wellenlänge der auftreffenden Teilchen in der Größenordnung der Variation des Streupotentials ( Å). Bei Atomen und Ionen ist die de Broglie Wellenlänge unter 1/100 Å. Daher kann in diesem Fall die Streuung klassisch behandelt werden. Es gilt die Erhaltung von Energie und Impuls, wobei nur Einzelstöße zwischen den auftreffenden Ionen (m1, v1, E1) und den Targetatomen (m2) angenommen werden. Für die einfachen Fälle der direkten Rückstreuung ( = 180°) und der Rechtwinkelstreuung ( = 90°) folgt: E´1/E1 = [(m2-m1)/(m2+m1)]2 bzw. E´1/E1 = (m2-m1)/(m2+m1) Wichtig ist, daß sich bei einem bestimmten Streuwinkel aus den Energieverhältnissen im Prinzip eindeutig die Massenverhältnisse bestimmen lassen. In der Praxis hängt aber die Massenauflösung i) von der Winkelauflösung, ii) von der Energieauflösung des Detektors und iii) vom Massenverhältnis A = m2/m1 ab. 75 Rastertunnelmikroskopie (RTM) (STM: Scanning tunneling microscopy) (AFM: Atomic force microscopy) (STS: Scanning tunneling spectroscopy) Zweck: Darstellung der Oberflächenstruktur mit atomarer Auflösung, Bestimmung der Elektronendichteverteilung, Messung der Austrittsarbeit, Oberflächenreibung,... Prinzip: Das STM wurde 1982 von Binning und Rohrer (IBM Zürich) entwickelt. (Nobelpreis 1986) Eine feine Metallspitze (W) wird in einem Abstand von einigen Å vor die Oberfläche gebracht. Auf Grund der Überlappung der Wellenfunktionen der (vordersten) Spitzen- und Oberflächenatome fließt ein Tunnelstrom. Dieser Strom ist abhängig vom Abstand, der Austrittsarbeit, der Elektronendichteverteilung und der angelegten Spannung. Die Spitze ist auf einem Piezohalter montiert der x, y und z Auslenkungen ermöglicht. Man kann das STM in drei verschiedenen Moden betreiben: a) Konstanter Abstand: Der variable Tunnelstrom ist ein Maß für die Oberflächenkorrugation b) Konstanter Tunnelstrom: Die dafür notwendige Piezospannung ist ein Maß für die Korrugation c) Variable Tunnelspannung: Dabei wird die DOS der Oberfläche bestimmt (Spektroskopie) 76 Der z-Abstand kann bis auf 0.01 Å reproduzierbar gemessen werden auf Grund der starken Distanzabhängigkeit des Tunnelstroms (Verschiebung von 1Å gibt etwa 10fachen Tunnelstrom). Die horizontale Auflösung liegt bei etwa 2 Å. Diese gute Auflösung kommt daher, daß nicht Strom zwischen einem Atom und der Oberfläche auf den Feldlinien gemäß dem Kugelmodell fließt, sondern das Tunneln zwischen (stark lokalisierten d-Orbitalen) stattfindet. Daher sind nur Übergangsmetalle (oder Si mit p-dangling bonds) gut auflösende Spitzen. Meßtechnik Das Herzstück des STM ist die Spitze. In den Anfängen ist das STM für umöglich gehalten worden, da Spitzen aus der Feldionenmikroskopie typische Radien von 1000 Å haben. Bald stellte sich heraus, daß nur das vorderste Atom der Spitze zur Abbildung beiträgt. Die Präparation solcher „guter“ Spitzen gelingt nicht immer. Typische Präparationsmethoden sind: Schleifen, Schneiden, Brechen oder Ätzen von dünnen (W) Drähten. Die übliche Methode ist das Ätzen der W-Drähte in KOHElektrolyten bei 10 V Wechselspannung. Nach der makroskopischen Erzeugung der Spitze ist meist die mikroskopische „Formierung“ der Spitze in-situ notwendig. Dies können sein: Ionenbeschuß, Heizen, Feldverdampfen, oder einfach Anstoßen am Substrat. Spitzen ändern sich üblicherweise nach bestimmter Zeit, und damit auch die Auflösung und Abbildungseigenschaft. Die mikroskopische x-y-z Bewegung wird mittels Piezokeramiken bewerkstelligt. Die ursprüngliche Anordnung bestand aus einem Tripod mit Spitze und der Probe auf einer „Laus“ zwecks gröberer Verstellung. Piezoaktuatoren arbeiten meist so, daß ein Teil der Keramik elektrostatisch auf dem Untergrund festgehalten wird und sich die Keramik durch Anlegen einer Spannung ausdehnt. Dann wird das andere Ende festgehalten und die Keramik kontrahiert. Der sogenannte „inch worm“ (zwei koaxiale Zylinder) kann Lateralbewegungen bis zu einigen mm in nm Schritten durchführen (Grobjustierung der Spitze). 77 Physikalischer Background, Vertiefende Betrachtungen Die oft diskutierte Frage bei STM war und ist: Was bedeutet die Korrugation des Tunnelstroms. Misst man die geometrische Korrugation, die Variation der Elektronendichteverteilung, die Korrugation der Austrittsarbeit oder gar die Elektronen-orbitale? Tatsächlich hängt der Tunnelstrom von all diesen Größen ab (Fowler-Nordheim Gleichung): I = D(V)·V·exp{-A·1/2·d}/d D(V): Elektronendichteverteilung (DOS) V: Spitzenspannung d: Distanz Spitze-Probe : Potentialbarriere zwischen Spitze und Probe (ungefähr das Mittel aus den beiden Austrittsarbeiten Den Einfluß der variablen Austrittsarbeit kann man extrahieren, indem man den Abstand moduliert. Dann gilt für die Austrittsarbeit: (lnI/d)2 Durch gleichzeitige Aufnahme von I und der Ableitung kann zwischen Topografie und Austrittsarbeitsänderung unterschieden werden. Genaugenommen hängt der Tunnelstrom von der besetzten und unbesetzten DOS von Spitze und Probe ab. Ist die Probe positiv fließen Elektronen von den besetzten Niveaus nahe der Fermikante der Spitze zu unbesetzten Niveaus der Probe und umgekehrt. Der größte Teil der Elektronen kommt aus einem Energiebereich innerhalb 0.3 eV unterhalb der Fermikante, hier ist die Transmissionswahrscheinlichkeit am größten. Da für Metalle die DOS oberhalb und 78 unterhalb der Fermikante vergleichbar ist, ändert die Spannungspolarität nicht viel am Ergebnis. Bei Halbleitern aber beeinflusst die Spannung sehr stark das STM-Bild. Hinzu kommt, daß bei dotierten Halbleitern auch Tunneln in die Donor und Akzeptorniveaus auftreten wird. Diese sind noch dazu stark lokalisiert im Gegensatz zu den delokalisierten Zuständen des Halbleiters. Weiters führt die Spannung zwischen Spitze und Probe zur Bandverbiegung und daher zur Änderung der DOS. Halbleiter zeigen allgemein viel schönere STM-Bilder als Metalle. Theorie des Tunnelprozesses (Tersoff-Hamman Theorie) Tunneln wird als Überlapp von Wellenfunktionen beschrieben. Folgende Vereinfachungen werden gemacht: a) Die Spitze wird durch ein Atom mit einem s-Orbital beschrieben. b) Es gibt keine weiter Wechselwirkung zwischen Spitze und Probe (Deformierung der Orbitale, Hybridisierung) c) Die angelegte Spannung ist klein Die Spitze kann daher als Punkt angesehen werden und die Probe wird nur durch die Elektronendichte im Bereich des Ferminiveaus beschrieben. Der Tunnelstrom ist dann proportional zur lokalen Elektronendichteverteilung (LDOS) der Probe am Ort der Spitze. I = dk |(r,k)|2 (Es-EF) Die Deltafunktion stellt sicher, daß nur Elektronenzustände im Bereich der Fermienergie zur LDOS beitragen. Die gemessenen Konturen konstanten Tunnelstroms entsprechen dann den Konturen konstanter partieller Elektronendichte der Probe am Ferminiveau und am Ort der Spitze. Elektronendichteverteilungen können relativ einfach berechnet werden und dann mit den Experimenten verglichen werden. Am Beispiel des hochgeordneten Graphits (HOPG) kann man das schön zeigen. Es gibt im 6-er C-Ring A und B-Typ Kohlenstoff, je nachdem ob unterhalb ein C-Atom sitzt oder nicht. Rechnungen zeigen, daß die totale Elektronendichte zwar für beide Typen gleich ist, nicht aber die LDOS. Im Experiment sind tatsächlich statt 6 nur jeweils 3 Atome im Ring sichtbar. 79 Es gibt eine Reihe von Erweiterungen zur Tersoff-Hamman Theorie. So ist zum Beispiel erst durch die Einbeziehung von d-Orbitalen die gute laterale Auflösung erklärbar. Weiters wird die Spitze nicht als Punkt sondern als halbunendlicher eindimensionaler Faden angenommen. Alle Theorien gelten nur für schwachen Überlapp. Bei stärkerem Überlapp spricht man von elektronischem Kontakt, er tritt vor dem mechanischen Kontakt auf. Zusätzlich zum Tunnelstrom kommt es zwischen Spitze und Probe auch zu Kraftwirkungen (Pauli Repulsion bei abgeschlossenen Elektronenschalen). Die Kraftwirkung ist ebenfalls abhängig von der LDOS am Ort der Spitze. Die Methode die dies ausnützt nennt man Atomic force microscopy (AFM). Man kann daher STM und AFM in gleicher Weise einsetzen, das AFM aber besonders bei isolierenden Proben oder Spitzen. Beim AFM wird die Auslenkung der Spitze entweder optisch oder kapazitiv gemessen. Spitzen im AFM werden heute meist auf mikromechanischer Basis aus Si oder Si3N4 hergestellt. 80 Tunneling spectroscopy Wie bereits gesagt, ist der Tunnelstrom von der LDOS in der Nähe des Ferminiveaus abhängig. Durch Variation der Bias Spannung kann Information über D(E) gewonnen werden. In der Praxis nimmt man Konstantstrom-Topographien bei verschiedenen Spannungen auf. SRS ist besonders bei Halbleitern interessant, da sich hier die Konturen bei Spannungsänderung besonders stark ändern. Mittels Vorzeichenumkehr kann man entweder unbesetzte Bänder oberhalb des Ferminiveaus oder besetzte Bänder unterhalb des Ferminiveaus untersuchen. 81