Skript von Mr. Doug Haffernan

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1. Die Geschichte der Psychologie als Problem- und System-Geschichte
1.1 Ist die Geschichte der Psychologie eine Geschichte von aufeinander folgenden
„Paradigmen“?
Paradigmen-(Wechsel-)Debatte: kam gegen Ende der 60er Jahre auf
Wechsel vom Behavorismus zur Kognitionspsychologie
(„kognitive Wende“)
Paradigma/ -wechsel: Ausdruck kommt aus Philosophie derWissenschaftsgeschichte
Was versteht Thomas S. Kühn unter „Paradigma“?
1. Eine Theorie als logisch-deduktives System von Sätzen
2. Eine Anwendungs-Menge (Probleme, die die neue Theorie lösen kann)
3. Neue Theorie ermöglicht Entdeckung neuer Probleme
4. Eine Anzahl von akzeptierten Methoden
5. Eine Anhängerschaft (fast alle Forscher wechseln zur neuen Theorie)
Die Punkte 4 und 5 sind bedeutsam für die Psychologiegeschichte:
Zu 4: In der Psychologie gab es keinen von allen Forschern akzeptierten Methoden-Kanon
→Dissens über die Prüfmethoden
Zu 5: Es war nicht der Fall, dass fast alle Psychologen Anhänger einer bestimmten Theorie
wurden
- es bestanden verschiedene theoretische Ansätze nebeneinander
- es gab keinen Konsens über die wissenschaftlich relevanten Problemgebiete
Beispiele: Behavorismus, Denk- und Gestaltpsychologie
DAHER: Psychologiegeschichte noch keine paradigmatische Revolutionen
Stellungnahme von Theo Herrmann 1979:
- Gegenstandsbereiche zu heterogen, kaum gemeinsame Invarianten
- Keine generelle theoretische Sichtweise
- Keine Einigkeit darüber, welche Probleme bearbeitet werden sollen
- Psychologie ist ein loses Netzwerk von Forschungsprogrammen
Beispiele:
Zu 4: keine einheitlichen Methoden:
Beispiel: hermeneutische und nomothetische Methoden:
- hermeneutische (qualitative) Methoden: Verstehen, Nachvollzug von bewussten
oder unbewussten intentionalen Akten, statistische Methoden werden kaum
berücksichtigt →geisteswissenschaftlich
- nomothetisch-deduktive Methoden: Ziel ist die Erklärung des verhaltens mit
statistisch geprüften Hypothesen →naturwissenschaftlich
- Die Prüfung der Annahmen:
Nomothetische Richtung: statistische Bestätigung/Widerlegung
Hermeneutische Richtung: Verstehender Nachvollzug von Denken und Handeln
zur Prüfung ihrer Annahmen
- Verstehende = hermeneutische Methoden vor allem in den nach-freudianischen
Tiefenpsychologien
- Methoden-Streit nach dem 2. Weltkrieg
- Das nomothetische Verfahren setzte sich erst in der 2ten Hälfte des 20. Jhd durch
FAZIT: Auch der methodologische Dissens zeigt, dass die Psychologiegeschichte (noch)
keine Paradigmengeschichte ist
1.2 Psychologie-Geschichte als Problem- und System-Geschichte
1.2.1 Karl Poppers Sicht von Problem-Geschichte
Poppers Thesen: 1. Natur- und Sozialwissenschaften gehen immer von Problemen aus
Probleme werden entdeckt, wenn bisherige Erwartungen scheitern, d.h.
wenn Tatsachen auftreten, die die Hypothesen widerlegen.
a) welcher Art sind diese Tatsachen?
b) wie können wir diese Tatsachen erklären? (wie finden wir neue
Hypothesen? Welche zusammenhänge postulieren diese?)
2. Wir erzeugen gewöhnlich mehrere Lösungsversuche (Hypothesen) als
konkurrierende Alternativen →Versuch und Irrtum
3. Die Mehrzahl der Hypothesen scheitert am Problem oder an neuen
Problemen →Elimination
Poppers 3-Stufen-Modell:
Problem → neue Lösungsversuche → Elimination
Blick in die Psychologie, Beispiel Lernpsychologie
Problem: Wie entwickelt sich unser Lernen?
1. alte Theorie: wir erwerben Kenntnisse auf der Basis von „Vorbedingungen“
Kritik
2. neue Lösungsversuche
konkurrierende Lösungsversuche
a) Assoziationstheorie (Behavorismus)
b) Präformierte Strukturierung und Reifung (Gestaltpsychologie)
c) Genesis interner Strukturen durch aktive Interaktion mit Umwelt (Jean Piaget:
genetische Epistemologie)
3. Elimination
Neue Probleme
Ähnliche Theorien - Konkurrenz gibt es auf allen anderen Problemfeldern der Psychologie
Erfolgreiche Theorien entdecken:
- neue Anwendungsgebiete
- neue Probleme /wenn Theorie scheitert)
Erweiterung des 3-Stufen-Modells um eine 4.Stufe: neue Probleme, die aus der Falsifikation
der Theorie gefunden werden
Ein Beispiel aus der Psychologiegeschichte:
Die „klassische“ Lerntheorie behauptet: Jedes kognitive Verhalten erlischt mit der Zeit, wenn
es nicht verstärkt wird
Kritik durch klinische Phänomene (Neurosen) und durch die Experimente Napalkovs
→ Neue Probleme
→ Darstellung von Napalkovs Experimenten
→Eysencks neuer Lösungsvorschlag
Eysenecks Hypothese:
Konditionierte Reize, die einen Trieb in Gang setzen, verstärken die konditionierten
Reaktionen (d.h. der Trieb verstärkt die Reaktion)
Anwendung auf die Befunde Napalkovs:
- der konditionierte Stimulus (Federstrich) löst Furcht aus (Furcht ist nach Eysenck ein
Trieb)
- Die Furcht verstärkt die konditionierte Reaktion (Blutdruck-Steigerung)
- Triebgekoppelte konditionierte Reiz-Reaktions-Systeme benötigen keine externen
Verstärker
Konsequenzen:
- unterscheide externe und interne Verstärker
- Einschränkung der klassischen Lerntheorie in ihrer Gültigkeit: gilt nur für externe
Verstärker
- Eysencks Hypothese ist eine Ergänzung zur Lerntheorie (Erweiterung): Annahme,
dass es interne Verstärker gibt
Das Beispiel im Lichte des 4-Stufen-Modells:
- Poppers 4-Stufen-Modell
Poppers Modell ist ein wissenschaftslogisches Modell
- Andere problemrelevante Faktoren:
a) Hintergrund-Kontexte: Beispiele
b) Pragmatische Einstellungen: Beispiele
c) Außerwissenschaftliche Kontexte: Beispiele
1.2.2 Systemgeschichte der Psychologie
Wissenschaftliche Lösungsversuche werden in Systemen von (Aussage-)Sätzen formuliert.
- Ein Teil dieser Satzsysteme beschreibt Tatsachen
- Ein anderer erklärt die Tatsachen
- Die erklärenden Sätze geben Antworten auf Fragen über mögliche Zusammenhänge
von Tatsachenbereichen
- Ziel wissenschaftlicher Satzsysteme ist die Erklärung von Tatsachen
- Eine Erklärung erfordert:
a) allgemeine (Gesetzes-)Hypothesen
b) Sätze, die Tatsachen beschreiben
c) logische Ableitungen von Tatsachen-Sätzen aus allgemeinen Hypothesen
Beispiel: die psychoanalytische Erklärung der Paranoia
Kommentare zum Beispiel: - notwendige Bedingung für ein Satzsystem ist der logisch
deduktive Zusammenhang
- Erklärungen sind Problemlösungs-Versuche
Merkmalsbedingungen für wissenschaftliche Satzsysteme:
1. allgemeine gehaltvolle Aussagen
2. Sätze von eingeschränkter Allgemeinheit
3. Basis-Sätze
4. Sätze, die als einschränkende Bedingungen fungieren
5. deduktiver Zusammenhang
6. bewährende Sätze
7. kritisierende Sätze müssen zugelassen sein
2. Die Emanzipation der Psychologie aus der Philosophie
2.1 Philosophie und Psychologie (historisch)
-
-
-
-
bis in die 2. Hälfte des 20.Jhd war die Psychologie ein Teilgebiet der Philosophie
Gegenstand der philosophischen Psychologie war „die Seele“ und ihre Eigenschaften
und Tätigkeiten
die Seele als Akteurin der Tätigkeiten
die Seele wurde in verschiedenen philosophischen Richtungen unterschiedlich
konzipiert:
a) als materielles Teilsystem des Leibes
b) als „Form“ des Leibes
c) als nicht-materielle Substanz
Aufgabe der philosophischen Psychologien:
a) Eigenschaften und Tätigkeiten der Seele beschreiben und klassifizieren
b) Tätigkeiten zu erklären
Methode der philosophischen Psychologie:
a) die Introspektion – aber auch Beobachtung des Handelns
b) die Introspektion war subjektiv, d.h. philosophische „SchreibtischPsychologie“ der Philosophen selbst – keine Versuchspersonen/keine
Experimente
„Vater“ der Psychologie als Fach (in der Philosophie): Aristoteles
2.2 Vorbereiter der Emanzipation
 Die französischen Materialisten (18.Jhd)
- La Mettrie, d`Holbach, Helvetius u.a.
- naturwissenschaftlicher Zugang: Erforschung des Nervensystems
- Nervensystem: der Träger von psychischen Tätigkeiten
- La Mettrie: „Seele“ ist nur ein Name für einen Teil unseres Körpers, für
das Gehirn
Der Mensch ist, wie die anderen Tiere, eine biologische Maschiene
- Cabanis: begründet die physiologische Psychologie,
Seele=Nervensystem
 Philosophischer Materialismus im 19.Jhd
- Jak. Moleschott, Karl Vogt
In der Psychologie: Franz Joseph Gall und Stürzheim
„Phrenologie“: erste Lokalisations-Theorien
- Pawlow und Freud:
a) Pawlow: Psychologie ist Physiologie der höheren Nerventätigkeiten
b) Freud: der „psychologische Apparat“ = Nervensystem
Joh. Müller: „Großvater der experimentellen Psychologie“
Herrmann v. Helmholtz: Reizleitungs- und Reaktionszeitmessung
 Der englische Empirismus
- Vorgeschichte: Roger Bacon & Francis Bacon
Abrücken von Spekulationen (über die Seele) → „Psychologie ohne Seele“
- John Locke: Primat der Sinneserkenntnis für die Wissenschaften
a) alle Erkenntnis stammt aus der Sinneserfahrung
b) keine „angeborenen Ideen“: tabula rasa-Theorie des Geistes
c) Erfahrung stammt aus der Zusammensetzung der Wahrnehmungen
→Assoziationen
„Seele“ ist aus den Tatsachen des Denkens nicht erkennbar →Seele: keine
Erfahrungs-Tatsache
e) Wie kommen wir zur Erfindung von einer Seelen-Substanz? Antwort: ein
Denkzwang, der aus der Sprache resultiert
- David Hume:
a) radikalisiert die Kritik am Substanz-Begriff
b) verwirft die „substanzielle Geist-Seele“; in der Untersuchung der
Wahrnehmung finden wir keine Wahrnehmung der Seele
c) unser Ich ist nur ein Bündel von Perceptionen
d) Nachfolger: David Hartley und Jos. Pristley psychophis. Materialismus
- John Stuard Mill:
Chemie-Metapher: Assoziationen sind den chem. Verbindungen ähnlich
Elemente → Moleküle
→ Wilhelm Wundt
d)
 Fazit zum Empirismus
1. Primat der Erfahrung: Sinneserkenntnisse
2. radikale Kritik des „Seele“-Konstrukts
3. Aufgabe: Untersuchung der Wahrnehmungen und deren assoz. Verbindungen
(Denken ist Assoziieren)
4. Der Empirismus wird eine philosoph. Grundlage der meisten wissenschaftlichen
Psychologien
in puncto: Primat der Empirie in der Ablehnung der Seelen-Substanz
„Seele“ heute noch ein Begriff der Theologie und der
„spirituellen“ Volksmetaphysik, der religiös Gläubigen
Die moderne „Philosophie des Geistes“ berücksichtigt die Befunde der Neurowissenschaften
und der empirischen Psychologie
Literatur zur „Philosophie des Geistes“
Die neuzeitliche Philosophie hat die Emanzipation der Psychologie (aus der
Philosophie)vorbereitet und die moderne „Philosophie des Geistes“ profitiert von der
empirischen Psychologie
Die kritizistische Transzendental-Philosophie
Kant und die Neu-Kantianer
- Humes Kritik und Kant
- die Kant`sche Erkenntnis- und Wissenschafts-Philosophie → Folgen:
Seele kein Gegenstand einer wissenschaftl. Psychologie
- Erfahrung (Empirie) ist die Grundlage jeder Wissenschaft, ohne
Erfahrung keine Erkenntnis
- Kants Theorie der Erkenntnis
Erkenntnis basiert auf Sinnesempfindungen und deren Strukturierung:
a) durch „Anschauungsformen“ (Raum und Zeit) und b) durch die Kategorien des
Verstandes:
o Sinnesempfindungen + Anschauungsformen ergibt Wahrnehmung
o Wahrnehmung + Kategorien ergibt Erfahrung (Erkenntnisse)
o Alle Ideen in unserer Vernunft, die nicht mit Erfahrung gefüllt werden können,
sind auch keine Erkenntnisse
Solche Ideen sind zB Gott, Seele, Unsterblichkeit
o Sie können keine Gegenstände einer Wissenschaft werden, da sie keine
Erfahrungsbasis haben
o Aus der Erfahrung von psych. Erlebnissen kann nicht auf eine Seele als deren
substanziellen Träger geschlossen werden
Gegenstand der wissenschaftlichen Psychologie
Die Phänomene der „inneren Wahrnehmung“,
die bewussten Phänomene
- auf diese ist die Anschauungsformel der Zeit anwendbar
- die Anschauungsformel des Raumes ist nicht auf sie anwendbar
Die Neu-Kantianer
 Friedrich Albert Lange
„Psychologie ohne Seele“
Anschluss an Kants Theorie der „reinen Vernunft“
- Primat der phänomenalen Welt → Erfahrung
- Spekulationen sind Pseudoerkenntnisse, d.h. keine Erkenntnisse
- Alle Erkenntnisse basieren auf Sinneserfahrungen
- Erfahrungsloses Denken ist leere Spekulation
Einwände gegen die „Seelen-Metaphysik“ (Platon, Augustinus, Descartes)
F. A. Lange: Die Psychologie muss auf die Physiologie gegründet werden: Physiologie +
Psychologie, dann erst ist Psychologie als exakte Wissenschaft möglich
- Stellte Hypothesen auf, die physiologische und psychologische Phänomene verbinden
→ Prüfung der Hypothesen!
- Einbeziehen der Tier-Psychologie und Tier-Physiologie →
Experimente!
- Kinder-Psychologie
- Völker-Psychologie
Methodische Prinzipien:
- somatische Methode, Experiment
- Ablehnung der Introspektion
- Statistik
- Verhaltens-Beobachtung
 Hermann v. Helmholtz
- Verbindung von Empirismus und „kritizistischer TranszendentalPhilosophie“ (Kant)
- Theorie der Wahrnehmung
1. Sinnesreize werden interpretiert
a) Die Interpretation basiert auf früheren Erfahrungen
b) In die Interpretation gehen „unbewusste Schlüsse“ ein. Diese sind induktiver Art
und geschehen automatisch
2. Die Symbol-Theorie der Wahrnehmung
Wahrnehmungen sind Zeichen, keine Abbilder, für physische Einwirkungen
- Helmholtz`s Zeichentheorie der Wahrnehmung ist die „HintergrundsPhilosophie“ der
Modernen Wahrnehmungs-Psychologie
Brentano übernimmt die Zeichentheorie
 Franz Brentano
-
Psychologie als empirische Naturwissenschaft: beschreibende und
erklärende Wissenschaft
Ablehnung der Seelen-Metaphysik in der Psychologie
Brentanos Akt-Psychologie: Akt und Gegenstand (des Aktes)
Brentanos Bedeutung für die Psychologie des 20.Jhd.
Hume und Kant: Die Vordenker der Emanzipation der Psychologie von der Philosophie
- D. Hume (1711-1776): bedeutendster britischer Empirist
- J. Kant (1724-1804): transzendental apriorischer Begründungs-Versuch der Wissenschaften
- beide verwerfen die rationalistische Psychologie (Descartes & Co), Kritik des Seele-Begriffs
Seele möglicherweise metaphysische Fiktion!
- empirische Psychologie: ja
Seelen-Metaphysik: nein → „Psychologie ohne Seele“
Genealogie: Schaubild im Skript (F15)!!!
Die physiologische Psychologie im 19.Jhd
 Johannes Müller (1801-1858)
Gesetz von den „spezifischen Sinnes-Energien“ (die Beschaffenheit der Sinnesnerven
bestimmt die Qualität der Sinneswahrnehmungen
Bedeutende Schüler
 Weber und Fechner
- Ernst Heinrich Weber (1795-1878)
Bestimmung der (Reiz) Unterschieds-Schwelle
Webers „Schwellen-Gesetz“: ∆s/s = k
- Gustav Theodor Fechner (1801-1887)
Werk: Elemente der Psychophysik
o Die untere Reizschwelle
o Die obere Reizschwelle
o Die Unterschiedsschwelle
Das „Weber-Fechnersche Grundgesetz“: E = k∙logR
Kritik und Korrektur der Fechnerschen Gesetzes, Stevens Potenz-Gesetz
3. Die Elementen- oder strukturalistische Psychologie
(„Atomismus- und Chemismus-“ Metapher), W.Wundt und die 1.Leipziger Schule
- Wundt „institutionalisiert“ die Psychologie als eigenständige Wissenschaft
1879/80 Gründung des Leipziger Instituts (Psycholog. Laboratorium)
- Wundt kam von der Physiologie zur Psychologie
- Psychologie: Erforschung der Bewusstseins-Tatsachen
- Kontrollierte Introspektion
- Experiment
- „Elementaristische“ Psychologie
a) Elemente der Sinnesempfindungen
b) elemantare Gefühle (Lust-Unlust, Spannung-Entspannung/Lösung,
Erregung-Beruhigung)
c) Empfindungen: stets von Gefühlen begleitet
d) Psych. Elemente sind keine unveränderlichen Teile, sondern Ereignisse
e) Aktualismus ≠ Aktpsychologie (Brentano)
- Wundts Grundannahmen, sein System
a) seine philosoph. Einstellung
Aktualismus / Voluntarismus
b) Wundts philosophischer Hintergrund
Arthur Schopenhauers (1788-1860) Willensmetaphysik: „Wille als Kraft aller Dinge“,
in den Organismen als Strebungen
Wundt: die psychischen Ereignisse (Aktualitäten) sind Manifestationen des „Willens“
→ Voluntarismus
- Wille: letzte Ursache aller psych. Aktivitäten (keine „substantielle
Seele“)
- Im Willen gründet die Einheit des Bewusstseins
- Die wechselnden psy. Ereignisse sind Modifikationen des Willens „Das
Wollen ist die Seele“
- Gegenstandsbereich der Psychologie:
a) Alles, was in unmittelbarer Erfahrung „anschaulich“ (=phänomenal) gegeben ist
1. innere Erfahrung
2. äußere Erfahrung
=> „unmittelbare“ Erfahrung
b) Die Abgrenzung des Psychischen vom Physischen
physische Daten: mittelbar
psychische Daten: unmittelbar, der Selbstbeobachtung zugänglich
c) Psychophysischer Parallelismus
keine Interaktion zwischen physischen und psychischen Phänomenen
Wille manifestiert sich psychisch und physisch
- Die Ziele der Psycholgie
1. Analyse der psychischen Ereignisse in Elemente
2. Bestimmen der Arten von Verbindungen
3. Bestimmen der Gesetzmäßigkeiten
4. Mit Hilfe der Gesetze die Phänomene erklären
Das „psych. Kausalitäts-Prinzip“
- Methoden der Psychologie
1. Das Experiment: für die Erzeugung elementarer Bewusstsein-Tatsachen
2. Die Selbstbeobachtung der komplexen bewussten Erlebnisse
3. Die Analyse und Interpretation geistiger Erzeugnisse (Kulturprodukte)
Sprachen, Mythen, Sitten
→ Kulturpsychologie, Völkerpsychologie
- Die mentalen Prozesse
1. Die psych. Elemente
o einfache Sinnesempfindungen
o einfache Gefühle
o die 3-dimensionale Gefühlstheorie
Quantifizierung der Gefühls-Dimensionen
- physiologisch
- psychologisch
2. Die komplexen synthetischen Gebilde
o Vorstellungen, Affekte, Emotionen sind Resultate der „kreativen
Synthesis“ („mentaler Chemismus“)
o Die kreative Synthesis erzeugt Ganzheiten
Beispiele für die Synthesis zu Gegenständen (Vorstellungs-Inhalte)
Die Rolle der Hintergrundserfahrungen bei der kreativen Synthese
o Kreative Synthesen sind eine spezielle Art von Assoziationen
- passive Synthesis
- aktive Synthesis
o Ausblick in die Gestalts- und Denkpsychologie
die „Ganzheiten-Idee“
o die Assoziationsarten
o 3 Formen synthetischer Tätigkeiten
1. die Fusion
2. die Assimilation
3. die Komplikation
o die Zielgelenktheit der Synthesis
3. Apperzeption und Aufmerksamkeit
Bewusstseinsfeld und Fokus
4. Das Feld des Bewusstseins
4. Die Denk-Psychologie (Würzburger Schule)
1. Charakteristika des Forschungs-Programms
 Ausdehnung der experimentellen Methode auf alle Bereiche der
„höheren“ kognitiven Tätigkeiten (in Opposition zu Wundt)
 Hauptgegenstandsbereiche der Denkpsychologie:
- Aufgaben- und Problemlöseprozesse
- Spezielle Danktätigkeiten: Begriffs- und Urteilsbildungsprozesse,
abstraktes Denken
- Willensbildungsprozesse
- Die Funktion der Sprache
 Haupt-These: alle Dankprozesse sind zielgerichtet
Begiffe-Bilden, Urteilen, Argumentieren, Problemlösen, Wollen etc. sind
von Ziel-Gehalten gesteuert („determiniert“)
Die Zielvorstellungen müssen nicht immer bewusst sein → Seitenblick zur
Tiefenpsychologie
Seitenblick zu Brentano und Edmund Husserl: Denkprozesse sind
intentional → August Messer: „kein Gedanke meint sich selbst, es ist stets
bezogen auf etwas“
2. Wichtige Forscher und ihre Arbeitsgebiete
 Oswald Külpe (1862-1915)
- Experimente für alle Gegenstandsgebiete der Psychologie
- Die Rolle der prädisponierenden Ideen (Versche zum abstrakten
Denken)
- Reaktionszeit-Experimente mit verzögerter Antwort (auf Reizwörter)
Folgerung aus den Ergebnissen: zieldeterminierte Prozesse
- Systematisch kontrollierte Introspektion: die Fraktionsmethode
(„Schritt für Schritt“) zwischen Aufgabenstellung bis zur Antwort:
Methode des „lauten Denkens“
 Karl Marbe (1867-1937)
Untersuchte die Urteilsprozesse (richtig/falsch)
- Urteilen kann nicht auf „bildhaftes“ Vorstellen reduziert werden
- Wissen, dass der Urteilsgehalt mit der Gegenständlichkeit
übereinstimmt oder nicht…
- Wahrheit/Falschheit von Urteilen gehört in das Gebiet der Logik →
Trennung von Psychologie und der Gültigkeit der Logik (wie Frege
und Husserl)


- Das Denken hat seinen Maßstab in objektiven Sachverhalten
Narziß Ach (1871-1946)
- Forschungsgebiete: Bewusstsein, Willens-Prozesse
- Aspekte des Bewusstseins:
1. unanschauliches Wissen („Vollzugsbewusstsein“)
2. Intentionalität
3. „positives Moment“: Wissen, dass eine Gegenständlichkeit
gegeben (präsent) ist (Brentano, Hüsserl)
- Willenspsychologie: “perseverierende versus (ziel)determinierende
Tendenz“
1. die „assoziativ-perseverierende Tendenz“ (nach Georg Elias
Müller) bei Lernprozessen
2. die „determinierende Tendenz“ (Oswald Külpe) übernimmt
steuernde Funktion
Narziß Ach Kombiniert 1 und 2 in Willens-Experimenten
- Das Willens-Experiment
1. Installierung der perseverierenden Tendenz: sinnlose Silben, in
Reihenfolge Lernen, nach der Methode von Hermann Ebbinghaus)
2. Installierung der deterministischen Tendenz
Aufgabenziel: Bilde Stabreime mit den sinnlosen Silben
3. Konkurrieren v. perseverierender und deterministischer Tendenz
4. Messen der Zeit und der Anzahl der Versuche bis die
determinierende Tendenz sich „durchsetzt“ → Erfüllung der
gestellten Aufgabe
Das „assoziative Äquivalent“
- Kritik von Otto Selz und Kurt Lewin
Selz: Ich habe nicht die Entstehung von Willensakten untersucht,
sondern nur die Stärke der determinierenden Tendenz
Lewin: die determinierende Tendenz ≠ Wille
- Weitere Experimente von Michotte, Prüm und Lindworski und Hubert
Rohracher
Karl Bühler (1879-1963)
Einer der Lehrer von Karl Raimund Popper
- Untersuchungen zur Sprachpsychologie (Sprach und Textverständnis):
führt die Ergebnisse des Philosophen Edmund Husserl
(Phänomenologie) in die Sprachpsychologie ein
- Unterscheidung zwischen Sprechen und Denken (vom Sprechen dürfe
nicht auf das Denken geschlossen werden)
Charakteristika von Gedanken:
1. Denken: intentional
2. Ganzheit von Gedanken
3. sind nicht bloß Assoziationen
4. sind zielorientiert
Gedankentypen:
1. Regel-Wissen
2. Beziehungs-Wissen
3. Intentions-Wissen (Akt-Thematik)
Jeder Gedanke hat 3 Momente (Komponenten): Intention, Gegenstand,
Was-Bestimmtheit
Anleihen bei Husserl: Akt-Qualität, Akt-Materie, Referenz-Objekt
(transzendenter Gegenstand)
-
Bühlers Sprachtheorie:
1. Lebewesen sind Signal-Wesen
Information(sverarbeitung) ist Zeichenmanipuöation
Zeichen = „aliquid stat pro aliquo“
2. Soziale Komponenten: Sender – Empfänger
3. Darstellungs-Komponente: die Sache
Schemata siehe Skript! (F25)
3. Zentrale Gegenstandsbereiche der Psychologie aus der Sicht der Denkpsychologie
 Die Bildung von Vorstellungs-, Begriffs-, und Urteilsstrukturen
 Die Planung von Handlungen: Entscheidungsbildung, Intentionsbildung,
Handlungsplanung,…
 Psychische Prozesse bei Glauben, Vermuten, Schätzen
 Erwarten, Hypothesen erzeugen
 Psychologie der sprachlichen Produktion und des Sprachverstehens
 Problemlöseprozesse
 Vorstellen und abstraktes Denken (Vorstellen ≠ Denken)
Beispiel: Vorstellen und Begriff
Geometrische Gegenstände vorstellen ≠ geomet. Gegenstände denken
 Das logische Denken
axiomatisierte Logik ≠ psychologische Logik („Alltagslogik“)
axiomatisierte Logik als „Maßstab“, an dem die psychologische Logik
„gemessen“ wird
häufige Formen von Fehlschlüssen
 Die Denkpsychologie: Vorläuferin der modernen Kognitionspsychologie
4. Die Methoden der Denkpsychologie
 Die kontrollierte Selbstbeobachtung
- „anschauende Introspektion/Selbstbeobachtung“
auf der Basis von Introspektionen durch den VL
das unmittelbare Achten auf Erlebnis-Modalitäten
aufmerksamkeitsgeleitet
Methode des „lauten Denkens“ (Verbalisation)
zB verbalisieren, was bei Motiv-Konflikten erlebt wird
Protollierung durch den VL
- die fraktionierte reteospektive Introspektion
bei komplexen Denkaufgaben
die Fraktionierung: in bestimmten (kurzen) Zeitabständen müssen die
Vpn verbalisieren, was sie im letzten Zeitintervall gedacht haben:
Retrospektion; der VL gibt die Zeitintervale vor: Segmentierung der
Denkprozesse
die Protokollierung: Forderungen an die Protokollierung
die Ausbildung der Vpn
die Schwierigkeiten der Introspektion: akt- und gegenstandsbezogenes
Denken, Verbalisation, Deskription und Interpretation
 Das Experiment, verbunden mit Introspektion
5. Die Gestaltpsychologie
1. Die Frage der Vorläuferschaft
Zeitliche Priorität der „österreichischen Richtung“ vor der Berliner Richtung
- Graz: Alrxinus Meinong
- Prag: Chr. v. Ehrenfels (Schüler von Brentano und Meinong)
Carl Stumpf (Brentano-Schüler) 1894 nach Berlin
Carl Stumpfs Schüler und Nachfolger (1921/22): Wolfgang Köhler (in
Berlin)
Weitere Strumpf-Schüler: Kurt Koffka, Max Wertheimer, Chr. v.
Allesch
Ernst Mach als ein Vorläufer der Gestaltpsychologie?
- Chr. v. Ehrenfels beruft sich 1830 auf Ernst Mach
- Doppelrolle Ernst Machs? (Mülligan/B. Smith)
Machs „Muskel-Empfindungen“ als synthetische Elemente →
Seitenblick zu G. Berkeley (engl. Empirismus)
2. Richtungen der Gestaltpsychologie
 Die Grazer (=österreichische) Richtung: die „Produktionstheorie“ (A. Meinong
und Vittorio Benussi)
Synthetische Tätigkeiten, die Relationen erzeugen; Vergleich zur
Assoziationstheorie
Kritik der Assoziationstheorien:
- A-Theorie kann nur die Verbindung der Elemente, aber nicht die Form
erklären
- Formen (Gestalt-Qualitäten) sind Produkte des Verstandes
- Beispiel: Sternbilder (s. Folie 18)
Vittorio Benussi (1875-1925)
experim. Prüfung der Produktionstheorie mit mehrdeutigen Gestalten
- die Möglichkeit mehrfacher Interpretation liegt im „nicht-sensorischen
Psychismus“ (metasensorische Verarbeitungsfaktoren)
- Gestalt-Qualitäten sind „Zusatz-Phänomene“: gestaltende Faktoren mit
Freiheitsgraden
Jean Piagets Auseinandersetzung mit der Gestaltpsychologie
 Die „Berliner“ Gestaltpsychologie
„Gründung“: 1910 in Frankfurt: Experiment zum sog. φ-Phänomen (Phi-Phän.)
Max Wertheimer (Frankfurt), Wolfgang Köhler, Kurt Koffka
φ-Phänomen: 1. präsentiert werden mit Trachistoskop zwei diskrete, ruhende
Reize, zB zwei verschieden gerichtete Linien ← → oder
Punkte, die (stationär) abwechselnd aufleuchten
2. präsentiert werden die beiden Reize in einem Zeitintervall
von 1/16 sec
3. Wahrnehmungs-Effekt: eine einzige Linie wird
wahrgenommen, oder ein Leuchtpunkt bewegt sich hin und
her
„Folgerungen“, die die Gestaltpsychologen zogen:
1. φ-Phänomen kann nicht auf Reizelemente zurückgeführt
werden, contra Reiz-Automismus und Assoziationsm.
2. Bewegnungsgestalten sind keine „Aufeinanderfolge von
Empfindungen“ (Assoz. von Ereignissen in raumzeit
Kontinuität)
3. Neues Problem: Wie sind die Gestaltbildungen zu erklären?
→ Gründe für Gestaltbildung im Organismus: innere
Anlagen, Prinzipien zur Gestaltbildung
3. Gestalt-Gesetze
1. Prinzip der Prägnanz-Tendenz oder Gesetz der „guten Gestalt“
Beispiele:
- Sternbilder (Wahrnehmung)
- Kunstwerke → „Dalmatiner“ (Wahrnehmung)
- Kognitive Tätigkeiten: Problem-Löse-Prozesse als Herstellung „guter,
geschlossener Gestalt“
- Motivation: Aufgaben zu Ende führen (Zeigarnik-Effekt)
Gesetz der Geschlossenheit: geschlossene Gebilde werden schneller und
leichter wahrgenommen als offene
2. Figur-Grund-Beziehung
Feld-Effekte: Figurhintergrund, Beispiele Kippfiguren
3. Gesetz der Gleichartigkeit
Tendenz zur Musterbildung nach Ähnlichkeiten
4. Gesetz der Nähe
Nahe beieinander liegende Gegenstände werden als Gruppe wahrgenommen
4. Denken und Problemlösen
Problemlösen: definiert als „Umstrukturieren“ von der Struktur des Ist-Zustandes in
eine Struktur des Ziel-Zustandes
Beispiele: Streichholzproblem (nach Katona), Düncker´s
Bestrahlungsproblem
Phasen des „produktiven Denkens“ (Problemlösen) → Vier-Phasen-Theorie
1. Vorbereitungsphase
Problemdefinition: Ist-Zustand – Sollzustand, welche Hindernisse?
2. „Inkubation“
z.T. unbewusste Bearbeitung des Problems, selektive Aufmrksamkeit,
selektive unbewusste Verarbeitung
3. Erleuchtung (Aha, Einsicht, „heureka“)
Plötzlicher Einfall einer Lösungshypothese
Beispiel: Kekule. Benzol-Ring
4. Verifikation bzw Prüfung des Einfalls
5. Methoden der Gestaltpsychologie
W. Köhlers Transpositions-Experiment als crucial Experiment contra Behavorism
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