Medienwirkungstheorien im Sport 2 Kultivierungshypothese Anja Pörschmann [email protected] Schlüsselwörter: Medien, Kultivierungsanalyse, cultivation of beliefs, George Gerbner, Medienpsychologie Einführung Fernsehnachrichten sollen Fakten vermitteln und informieren. Darüber hinaus sind sie aber auch emotionalisierend und lösen beim Zuschauer unterschiedliche Gefühle in einem bestimmten Maße aus. Die Kultivierungshypothese, die von Gerbner entwickelt wurde, basiert u.a. auf dieser Annahme. Es soll nun ein Überblick mit einigen Untersuchungen zur Veranschaulichung folgen. Inhalt Ob Medien zur Steuerung der emotionalen Befindlichkeit Einfluß haben, wurde bereits von vielen Wissenschaftlern untersucht. Proust deutete dies als „jenen greulichen und doch wollüstigen Akt..., dank dessen Unglück [...] im Verlauf der letzten 24 Stunden, die Schlachten, die über 50 000 Männer das Leben kosteten, die Verbrechen, Arbeitsniederlegungen, Bankrotte, Feuerbrünste, Vergiftungen, Selbstmorde, Ehescheidungen, die grausamen Gemütswallungen des Staatsmannes wie des Schauspielers, uns, die wir nicht involviert sind, zur morgendlichen Speise verwandeln, auf höchst erregende und stärkende Weise mit dem anempfohlenen Einnehmen einiger Schlucke Milchkaffees verbinden.“ Die Frage nach den langfristigen Wirkungen dieser „Schlachten, Verbrechen und Selbstmorde“ wird in den Kommunikationswissenschaften als cultivation of beliefs (Kultivierungshypothese) zusammengefasst. Ende der 60er Jahre wurde in den USA eine Kommission zur Erforschung des Einflusses von Gewalt in den Medien auf das Verhalten der Menschen gegründet. Unter ihnen war George Gerbner von der Annenberg School of Communications in Philadelphia, der die Kultivierungshypothese aufstellte. Gerbner nimmt an, daß mit zunehmender Fernsehnutzung die Zuschauer die Fernsehinhalte für die Wirklichkeit halten und anders wahrnehmen, als wenn sie weniger fernsehen würden. Zuerst entwickelte er einen „Violence-Index“, mit dessen Hilfe der Gewaltgehalt in den Fernsehprogrammen quantitativ erfasst werden konnte. Somit wurde es möglich verschiedenen Programme hinsichtlich ihres Gewaltanteiles zu vergleichen. In den 70er Jahren sollte darüber hinaus der Einfluß der Medien, insbesondere die Wirkung des Fernsehens auf die Zuschauer, untersucht werden. Dieser Ansatz wurde als „Kultivierungsanalyse“ bekannt. Man ging davon aus, dass ein bestimmtes Selbstbild sowie ein Weltbild hervorgerufen wird, welches durch die Medien geprägt wird. Dabei wurde vermutet, dass die Welt bei den „Vielsehern“ deutlich bedrohlicher eingeschätzt wird als sie tatsächlich ist. Diese Effekte sind unter dem Namen „Kultivierungseffekte“ zusammengefasst, dessen Indikator die Differenz zwischen den „Vielsehern“ und „Wenigsehern“ bildet. Bei einer Befragung von Viel- und Wenigsehern, untersuchte Gerbner wie hoch die Interviewten den Anteil der Bevölkerung in bestimmten Berufen (insbesondere Richter und Detektive) einschätzten. Dabei stellte sich heraus, dass Vielseher die Häufigkeit bestimmter Berufsgruppen weitaus höher empfanden als dies in der Realität war. Nebenbei stellte sich heraus, dass die Vielseher auch das Vertrauen gegenüber Freunden und feindlichen Übergriffen ganz anders als die Wenigseher wahrnahmen. In den 80er Jahren beschäftigte sich Gerbner mit weiteren Gesichtspunkten. Den inhaltlichen Schwerpunkt bildeten nunmehr Kultivierungseffekte außerhalb des Gewaltbereichs, insbesondere die Darstellung des Alters im Fernsehen und der Zusammenhang zwischen Fernsehkonsum und politischer Meinungsbildung, denn das Fernsehen hat mit seiner fortschreitenden Entwicklung immer mehr Einfluß auf die Zuschauer erhalten. "Wir beginnen mit der Behauptung, daß das Fernsehen der zentrale kulturelle Hebelarm der amerikanischen Gesellschaft geworden ist... Seine Hauptfunktion besteht darin, soziale Verhaltensmuster zu verbreiten und zu stabilisieren, nicht Veränderung zu kultivieren, sondern im Gegenteil Resistenz gegenüber Veränderungen zu schaffen. Fernsehen ist das Medium, das die meisten Leute sozialisiert, ihnen standardisierte Rollen und Verhaltensweisen vermittelt. Seine Funktion ist, mit einem Wort ,Enkulturation'" "Fernsehen ist die neue (und einzige) Kultur für diejenigen, die Informationen nur in Form von ,Unterhaltung' aufnehmen." Gerbner untersuchte, in welcher Weise Systeme von Medienbotschaften das öffentliche Bewußtsein beeinflussen. Er vertrat die Auffassung, dass sich die Menschen mit ihrer Meinung den anderen anpassen, was unter dem Begriff „Mainstreaming“ zusammengefasst wird. Dies ist, wie er mit einer Studie belegen konnte, bei Vielsehern signifikant häufiger der Fall als bei Wenigsehern. Vor allem bei politischen Überzeugungen spielt ist dies von Bedeutung, da, wie in einem Experiment festgestellt wurde, die Meinungen bei Wenig-Fernseh-Konsumierenden weiter auseinander gehen als bei Vielsehern. Zusammenfassung, Kritik, Diskussion, Ausblick Diese Untersuchungen haben viel Kritik erfahren, z.B. wurden die methodischen Vorgehensweisen bemängelt. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass es sehr schwierig ist, theoretische Konzepte in empirisch geprüfte Aussagen zu überführen. Dennoch ist es eine Tatsache, dass die Medien, v.a. das Fernsehen einen sehr starken Einfluß auf sämtliche Verhaltensbereiche ausüben. Dies ist auch im Sport der Fall, wo Fouls oft als Kavaliersdelikt abgetan werden, wobei sie in der Öffentlichkeit als vorsätzliche Körperverletzung zu verstehen sind. Ganz so harmlos, wie Proust es beschrieben hat, ist die allmorgendliche Zeitung, sowie das allabendliche Ansehen der Nachrichten im Fernsehen offenbar nicht, denn wie verschiedene Studien gezeigt haben, gibt es große Zusammenhänge zwischen TV-Konsum und Einstellungen bei spezifischen Zuschauergruppen und spezifischen Einstellungsmustern. Dies veranlasst eine Vielzahl von Wissenschaftlern, weitere empirischen Untersuchungen durchzuführen, u.a. Hawlins und Pingree. Die Forschungsergebnisse in Deutschland ergaben, dass sich ausgeprägtere Kultivierungseffekte bei der Erfassung spezifischer TV-Programme, wie z.B. Nachrichen, Soaps oder Kriminalfilme mit den entsprechenden Einstellungen zeigen. Literatur Bonfadelli, H.(1999). Medienwirkungsforschung 1. Konstanz: UVK Medien. Prof. Dr. Winterhoff-Spurk, P. (2000). Organisations- und Medienpsychologie <http://www.uni-saarland.de/fak5/orga/aktuelles/immer.htm>. Mediennutzung und Medienwirkung Aktuelle Forschungsprojekte 2000/2001 <http://www.rrz.uni-hamburg.de/hans-bredow-institut/forschung/wirkung.html>. Unz, D.,Schwab, F., Winterhoff-Spurk, P. Der alltägliche Schrecken? Emotionale Prozesse bei der Rezeption gewalthaltiger Fernsehnachrichten <http://emotions.psychologie.uni-sb.de/vorlesung/medien.rtf>. <http://medialine.focus.de/PM1D/PM1DB/PM1DBD/PM1DBDA/PM1DBDAA/pm1dbdaa.htm?buchst=K &snr=1762>. Zimbardo, P. G.(2000). Psychologie. Berlin: Springer Verlag.