Die Theorie der Schweigespirale

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Die Schweigespirale
Seminar: Sportmedienpsychologie WS 2001/ 2002
Sandra Haubold
[email protected]
Schlüsselwörter:
Noelle- Neumann, Schweigespirale, öffentliche Meinung,
Isolationsfurcht, Massenmedien
Einführung
Die Schweigespirale – eine Theorie der öffentlichen Meinung. Im folgenden Abschnitt
werde ich die Grundzüge der Theorie der Schweigespirale näher darstellen, so wie
Elisabeth Noelle- Neumann sie in ihrem Buch Die Schweigespirale. Öffentliche
Meinung- unsere soziale Haut (1989) beschrieben hat.
Noelle- Neumann ist Professorin für Publizistik in Mainz und (ehemalige) Leiterin des
Instituts für Demoskopie Allensbach.
Die Theorie der Schweigespirale geht davon aus, dass die Menschen, die eine von
der öffentlichen Meinung abweichende Meinung vertreten, von ihren Mitmenschen
mit Isolation bedroht werden. Aus Angst, sich gesellschaftlich zu isolieren, schweigen
sie eher, als eine Meinung zu vertreten, von der sie annehmen, es handle sich um
eine Minderheitsmeinung. Jede Person nimmt die Meinung von anderen Personen
direkt durch andere oder durch die Medien wahr. (Merten; Schmidt & Weischenberg,
1994, 320).
„Öffentliche Meinung, das sind Meinungen, Verhaltensweisen, die man in der
Öffentlichkeit äußern oder zeigen muß, wenn man sich nicht isolieren will; in
kontroversen, im Wandel begriffenen Bereichen oder in neu entstandenen
Spannungszonen in der Öffentlichkeit äußern kann, ohne Gefahr, sich zu isolieren.
Der Druck, der von öffentlicher Meinung ausgeht, beruht auf der „Isolationsfurcht“
des Menschen.“ (Donsbach, 1987, S. 327).
Die Theorie der Schweigespirale
In den 70er Jahren formulierte Elisabeth Noelle- Neumann mit ihrer Theorie der
Schweigespirale erneut ein Konzept, in dem den Medien eine ausgesprochen starke
Wirkung auf die öffentliche Meinung zugesprochen wurde.
In der Theorie der Schweigespirale wird unterstellt, dass Menschen darum bemüht
sind, eine soziale Isolierung zu vermeiden, und dass sie über ein sogenanntes quasistatisches Wahrnehmungsorgan verfügen, mit dessen Hilfe sie relativ genau die
Relation von Bestätigung und Ablehnung in Bezug auf Themen und Überzeugungen
erkennen können.
Zwei
Quellen
stehen
dem
Individuum
im
Wesentlichen
für
ihre
Umweltbeobachtungen zur Verfügung: zum einen der direkte soziale Kontext, in dem
sich der Mensch bewegt und zum anderen die indirekte Beobachtung der Umwelt
über die Massemedien (siehe Abb. 1).
Person A
Person B
eigene Meinung
zum Thema x
konstant
 keine Isolationsfurcht
 hohe Redebereitschaft
 Wahrnehmung der
dissonant
 Isolationsfurcht
 geringe Redebereitschaft
 zum Thema x
Umweltmeinung
Wahrnehmung der
Umweltmeinung
zum Thema x
Direkte
Umwelt
Massen
medien
(zwischen beidem möglich:
doppeltes Meinungsklima)
Zeitpunkt t 1
Abbildung 1. Donsbach, 1987, S.327.
Zeitpunkt t 2
Die direkten sozialen Kontakte vermitteln den Menschen, mit welchen Meinungen
man sich in der Öffentlichkeit positioniert bzw. isoliert, währenddessen die
Massenmedien ein Bild von der vermuteten Mehrheitsmeinung wiedergeben. Die
Massenmedien übernehmen darüber hinaus eine Artikulationsfunktion, indem sie für
die scheinbar vorherrschenden Standpunkte sprachliche Darstellungsmuster liefern,
die es all jenen erleichtern, ihre Meinung in der Öffentlichkeit zu artikulieren, die
diese Standpunkte selbst vertreten. (Fischer- Lexikon, 1994, S. 381)
Die einzelnen Individuen sind sich ihrer Isolationsfurcht jedoch nicht bewusst und
werden dadurch dazu gebracht, zu überprüfen, welche Meinungen und Handlungen
von der Gesellschaft akzeptiert werden und welche nicht, welche zu- und welche
abnehmen. Diese Fähigkeit, die Meinung anderer Menschen wahrzunehmen, wird
innerhalb der Theorie der Schweigespirale als quasi-statistischer Sinn bezeichnet.
(Schmidt & Zurstiege, 2000, S. 100)
Bei den Schätzungen der Menschen, welche Meinung gerade am stärksten vertreten
wird, kann es dazu kommen, dass die Bevölkerung sich über ihre soziale Umwelt
täuscht. Dies wird von Noelle- Neumann als pluralistische Ignoranz bezeichnet.
(Noelle- Neumann, 1989, S. 316)
„Die Mehrheit täuscht sich über die Mehrheit. Wenn eine bestimmte Einstellung in
einer moralisch geladenen Streitfrage fälschlich für eine Minderheiteneinstellung
gehalten wird, mit der man sich isoliert, und demoskopische Ergebnisse zeigen, daß
es tatsächlich eine weit verbreitete Einstellung (oder Verhaltensweise) ist, dann hat
das Einfluß, die Bereitschaft zum öffentlichen Bekenntnis wächst, und damit kommt
eine Anstoßwirkung in Gang.“ (Noelle- Neumann, 1989, S. 380)
Die Unterstellung eines quasi-statistischen Wahrnehmungsorgans von Menschen
reicht noch nicht aus, um den Mechanismus der Schweigespirale vollständig zu
erklären. Eine weitere wesentliche Annahme von Noelle- Neumann lautet daher,
dass Menschen dazu neigen, ihre Meinung zu verschweigen, wenn sie annehmen
müssen, dass sie damit von der vermuteten Mehrheitsmeinung abweichen.
Laut Noelle- Neumann ist die Triebfeder für dieses Verhalten die bei allen Menschen
zu beobachtende Angst vor sozialer Isolierung. Menschen, die glauben, die
Mehrheitsmeinung zu vertreten, neigen hingegen dazu, ihre Meinung auch öffentlich
zu äußern.
Dem nun einsetzenden Mechanismus verdankt die Theorie der Schweigespirale
ihren Namen: Im Zeitverlauf wird die (scheinbar) dominante Meinung immer häufiger
und die (scheinbar) schwächer vertretene Meinung immer seltener geäußert.
(Schmidt, 2000, S. 4)
Die Kritik an der Theorie der Schweigespirale
Das die Theorie der Schweigespirale vor allem in Deutschland so stark kritisiert
wurde, liegt nicht nur an den Inhalten der Theorie oder der Methodik, mit der sie
erarbeitet wurde, sondern hängt auch stark mit dem Zeitpunkt der Veröffentlichung
zusammen. Zwei Mal wurden Untersuchungen zur Theorie der Schweigespirale und
somit zu einer Theorie der öffentlichen Meinung „kurz vor einer Bundestagswahl“
durch Noelle- Neumann veröffentlicht. (Scherer, 1990, S. 26).
Durch diese Veröffentlichungen wurde aus einer Diskussion, die eigentlich
wissenschaftlich sein sollte, ein politischer Streit. Man warf Noelle- Neumann vor,
dass ihre Untersuchungen als „direkte Wahlhilfe für die Union verstanden werden
konnten und wurden“. (Scherer, 1990, S. 26)
Um die Theorie der Schweigespirale besser verstehen zu können, muss man wissen,
dass Elisabeth Noelle- Neumann dem Fernsehen den Vorwurf gemacht hatte, bei der
Bundestagswahl im Jahr 1976 den Wahlausgang durch eine sehr stark
linksgerichtete
Berichterstattung
entscheidend
beeinflusst
zu
haben.
Die
Bundestagswahl hatte der SPD/FDP- Koalition auf Kosten der CDU einen Wahlsieg
beschert. (Schmidt, 2000, S. 4)
Aber noch aus anderen Gründen ist die Theorie der Schweigespirale stark
angegriffen worden. Der wichtigste Kritikpunkt richtete sich gegen die grundlegende
Annahme des Ansatzes, der Angst des Individuums vor sozialer Isolierung.
Ist Verhaltenskonformität die einzige Möglichkeit des Menschen, um eine soziale
Isolation zu vermeiden?
Ist es nicht ebenso denkbar, dass der Mensch in einer Gesprächssituation seine
eigentliche Meinung verschweigt, sich aber in einer konkreten und unbeobachteten
Verhaltenssituation durchaus seiner verschwiegenen Meinung gemäß verhält.
(Schmidt, 2000, S.4)
Schmidt ist der Ansicht, dass die Theorie der Schweigespirale offenbar nur auf die
Unentschlossenen zutrifft, die sich mangels rationaler Meinungsbildung der
Mehrheitsmeinung anschließen. (Schmidt, 2000, S.4)
Zusammenfassung und Ausblick
Im Begriff der Schweigespirale liegt die Bewegung, das Sich- Ausbreitende, gegen
das man nicht ankommen kann. Aber je besser man den Prozess der öffentlichen
Meinung versteht, desto besser kann man auch auf diesen einwirken und durch
eigene Anstrengung der Schweigespirale entgegenarbeiten. (Fischer- Lexikon, 1994,
S. 379)
Mit dem Bild der Schweigespirale wird ein Verstärkereffekt von Reden und
Schweigen vor allem in Situationen des Wertewandels dargestellt. Unter dem
Gesichtspunkt der Massenkommunikationsforschung ist Reden und Schweigen
interessant, weil die Massenmedien mit Reden und Schweigen eng verknüpft sind.
(Fischer- Lexikon, 1994, S. 380)
Die Massenmedien sind die Öffentlichkeit und demonstrieren, was man in der
Öffentlichkeit zeigen darf oder zeigen muss. Sie machen außerdem sprechfähig,
geben
Formulierungshilfen
und
haben
die
schon
angesprochene
Artikulationsfunktion.
Die Schweigespirale hängt also nicht nur mit der Lust und dem Mut zu sprechen
zusammen, sondern auch mit der überwiegend aus den Massenmedien bezogenen
Fähigkeit dazu. (Fischer- Lexikon, 1994, S. 380)
Wie verhält sich die Theorie der Schweigespirale in Bezug auf den Sport?
Gibt es Situationen, in denen sich der Sportfan mit seiner eigenen Meinung
zurückhält und sich dafür der Mehrheitsmeinung anpasst oder kann er sich zu allem
äußern, egal ob es der Mehrheit entspricht und in der jeweiligen Situation
angemessen erscheint oder nicht?
Literatur
Donsbach, Wolfgang: Die Theorie der Schweigespirale. In: Michael Schenk (HRSG.): Medienwirkungsforschung. Tübingen 1987. S. 324-343.
Fischer- Lexikon: Publizistik- Massenkommunikation. Fischer Taschenbuch Verlag GmbH, Frankfurt
am Main 1994. S. 366- 382.
Merten, K.; Schmidt, S.J. ; Weischenberg, S. (Hrsg.). (1994): Die Wirklichkeit der Medien. Opladen
1994.
Noelle- Neumann, Elisabeth: Öffentliche Meinung. Die Entdeckung der Schweigespirale. Erweiterte
Ausgabe, Berlin und Frankfurt 1996 [1982].
Noelle- Neumann, Elisabeth: Die Theorie der Schweigespirale als Instrument der Medienwirkungsforschung. In: Max Kaase und Winfried Schulz (Hrsg.): Massenkommunikation. Theorien,
Methoden, Befunde. Opladen 1989.
Scherer, Helmut: Massenmedien, Meinungsklima und Einstellung. Eine Untersuchung zur Theorie der
Schweigespirale. Opladen 1990.
Schmidt, Siegfried J.: Medientheorie. Medienwirkungen, 2000.
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