doc - ChidS

Werbung
Hinweis:
Dieses Protokoll stammt von der Seite www.chids.de (Chemie in der Schule).
Dort können unterschiedliche Materialien für den Schulunterricht heruntergeladen werden,
unter anderem hunderte von Experimentalvorträgen so wie der vorliegende:
http://online-media.uni-marburg.de/chemie/chids/veranstaltungen/uebungen_experimentalvortrag.html
Philipps-Universität Marburg
Fachbereich Chemie
Sommersemester 2006
Seminar: Übungen im Experimentalvortrag
Leitung: Prof. Dr. M. Bröring, Prof. Dr. U. Koert,
Prof. Dr. B. Neumüller, Dr. P. Reiß
Das chemische Gleichgewicht
Von der unvollständigen Reaktion bis zur
Gleichgewichtskonstante
Vorgetragen am 29.06.2006
Vorgelegt von:
Hanna Tuszynski
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung............................................................................S.3
2 Reaktionsverständnis im Wandel der Zeit - Von der
unvollständigen Reaktion bis zur Reversibilität...................S.4
Experiment 1: Fällung von Bariumchlorid
a) Unvollständige Reaktion
b) Umkehrbarkeit der Reaktion
Berthollets Entdeckung
3 Einflüsse auf das Gleichgewicht - Das Prinzip vom kleinsten
Zwang...............................................................................S.10
Demonstration 1: Reaktion von Kohlenstoffdioxid und Wasser
Experiment 2: pH-Abhängigkeit der Löslichkeit von Kohlenstoffdioxid in
Wasser
Experiment 3: Druck-Abhängigkeit der Löslichkeit von Kohlenstoffdioxid in
Wasser
Sodawasser
Experiment 4: Temperatur-Abhängigkeit der Löslichkeit von Kohlenstoffdioxid
in Wasser
Das Prinzip vom kleinsten Zwang
4 Das Massenwirkungsgesetz.............................................S.19
Experiment 6: Bestimmung der Dissoziationskonstante von Essigsäure
Das Massenwirkungsgesetz: Geschichte, Herleitung und Anwendung
5 Ausblick.............................................................................S.26
Experiment 6: Verteilungsgleichgewicht Demonstration 2: Chromatographie
6 Schulrelevanz
7 Quellenverzeichnis............................................................S.31
2
1 Einleitung
Das Wort Gleichgewicht begegnet uns in unserem Alltag in vielfältiger Bedeutung. In
der Zeitung lesen wir davon, dass das ökologische Gleichgewicht gestört sei oder
dass die UNO sich um ein machtpolitisches Gleichgewicht bemüht; wir können uns
im seelischen Gleichgewicht befinden; Angebot und Nachfrage bestimmen das
wirtschaftlichen Gleichgewicht. Der Begriff wird also in so unterschiedlichen
Disziplinen wie Physik, Biologie, Psychologie, Politik, Wirtschaft und eben auch der
Chemie verwendet.
„Der Ausdruck Gleichgewicht bezeichnet den ausgeglichenen Zustand eines
Systems bzw. ein System mit vernachlässigbaren Schwankungen. Das Wort
kommt von der Balkenwaage, deren Waagbalken bei gleichem Gewicht auf beiden
Seiten horizontal steht.“
1
Es wird üblicherweise zwischen einem stationären und einem dynamischen
Gleichgewicht unterschieden. Das chemische Gleichgewicht gehört zu letzteren
Gruppe.
„Ein dynamisches Gleichgewicht liegt stets dann vor, wenn in einem System
zwei entgegengesetzt verlaufende Prozesse sich in ihrer Wirkung gerade
aufheben.“
2
Das chemische Gleichgewicht kann man wie folgt charakterisieren:
„[...] ein Zustand, bei dem keine weitere Änderung der Zusammensetzung des
Reaktionsgemisches erfolgt [...] nennt man chemisches Gleichgewicht“.bei dem
keine weitere Änderung der Zusammensetzung des Reaktionsgemisches erfolgt
3 [...]
nennt
man
chemisches
Gleichgewicht“
Die üblicherweise erste Assoziation - zum Thema „Gleichgewicht“ – ganz im Sinne
der Wortherkunft- ist die Balkenwaage. Da sich dort aber ein statisches
Gleichgewicht einstellt und daher also nicht als Modell für die hier betrachteten
dynamischen Vorgänge taugt, erscheint es auch nicht sinnvoll, die Balkenwaage wie
häufig üblich als Symbol zu verwenden.
1
wikipedia.de (27.07.2006)
ebd.
3
Riedel, 1999. S. 264f
2
3
Stattdessen wurde das Bild „Schwankendes Gleichgewicht“ des Deutsch-Schweizer
Kunstmalers Paul Klee gewählt. (*1879 †1940).
Paul
Klee,
der
sich
ausgiebig
mit
dem
Begriff
„Gleichgewicht“ auseinander setzte, sagte dazu:
„Das Gleichgewicht ist eine Bewegung von der
Lotrechten weg, welcher immer eine ent-sprechende
Gegenbewegung gegenübersteht.“
4
Abb. 1 Klee: Schwankendes
Gleichgewicht (1922)
2 Reaktionsverständnis im Wandel der Zeit
-Von der unvollständigen Reaktion bis zur Reversibilität Um den schwierigen Weg bis Erkenntnis des
Gleichgewichtscharakters von chemischen Reaktion
zu verstehen, muss man einen Blick zurück in die
Vergangenheit werfen.
Bis zum 18. Jahrhundert war die Vorstellung vom
Ablauf chemischer Prozesse durch die alchemistische
Sichtweise
geprägt.
Die
Alchemie
ist
eine
Naturphilosophie und chemische Reaktionen wurden
dementsprechend von ihren Anhängern als mystische
Stoffumwandlungen
verstanden.
Die
Reaktionen
wurden häufig in Analogie zum menschlichen Leben
Abb. 2 S. Michelspacher:
Cabala, Spiegel der Kunst und
Alchymia ..., 1615
gesetzt – so sprach man von der „chemischen
4
www.kah-bonn.de (27.07.2006)
4
Hochzeit“.
Im 18. Jahrhundert kam es dann zu einer Verwissenschaftlichung und zur Ausbildung
der heutigen Naturwissenschaften. Vor allem in der Physik wurden bahnbrechende
Entdeckungen gemacht.
Chemische
Reaktionen
wurden
nun
anhand
der
Affinitätstheorie bzw. Verwandtschaftslehre erklärt. Der
Begriff der Affinität wurde wohl schon im 13. Jahrhundert
von Albertus Magnus eingeführt, gelangte aber erst im
18. Jahrhundert zu folgender Bedeutung: Unter der
Affinität einen Stoffes bzw. Elementes verstand man eine
stoffspezifische, von anderen Parametern unabhängige
Größe. Man stellte sie sich analog zur von Newton
entdeckten Anziehung von Massen vor. Man tabellierte
die relativen Affinitäten, wie in Abb. 4 zu sehen ist. Die in
Abb. 3 J. D. Mylius: Anatomiae
auri sive tyrocinium medicoChymicum ..., 1628
den
Spalten
stehenden
Elemente
sollen
in
absteigender Affinität mit dem jeweiligen Element der
obersten Reihe reagieren.
Aus der Affinitätstheorien ergaben sich, vor allem aus heutiger Sicht,
zwei sehr
interessante Konsequenzen für die Natur von chemischen Reaktionen:
I. Chemische Reaktionen laufen immer vollständig ab.
II. Chemische Reaktionen laufen nur in eine Richtung ab.
Diese zwei Grundpfeiler werden nun
im ersten Experiment untersucht.
Abb. 4 Enzyklopädie (18. Jh.)
oben: Labor; unten: Affinitätstabelle
5
Experiment 1: Fällung von Bariumchlorid
a) Unvollständige Reaktion
Chemikalien:
Substanz
Gefahrenzeichen
R-Sätze
S-Sätze
K2CrO4(aq)
T, N*
49-46-36/37/38-43-
53-45-60-61*
50/53*
(c = 0,1 mol/L)
K2Cr2O7(aq)
T+, N*
(c = 0,2 mol/L)
49-46-E21-E25-
53-45-60-61*
E26-37/38-41-4350/53*
BaCl2(aq)
T*
20-25*
45
--
--
--
(c = 0,5 mol/L)
Wasser
Geräte:
4
(6)
Demonstrationsreagenzgläser,
Demonstrationsreagenzglasständer,
4
Messzylinder (25 mL), Wasserbad (heizbarer Magnetrührer, Becherglas (300 mL)),
Durchführung:
In je 2 Reagenzgläser wird mithilfe eines Messzylinders 20 mL der Kaliumchromatbzw. Kaliumdichromat-Lösung eingefüllt. Nun gibt man wiederum mithilfe eines
Messzylinders in je ein Reagenzglas mit Kaliumchromat- bzw. KaliumdichromatLösungen 20 mL Bariumchlorid-Lösung.
Die beiden mit Bariumchlorid versetzen Reagenzgläser werden in ein vorgeheiztes
Wasserbad gegeben.
Man vergleicht die Farbigkeit der ursprünglichen Lösungen mit denen, die mit
Bariumchlorid versetzt und im Wasserbad erhitzt wurden.
Da der Vorgang eine Weile dauert, empfiehlt es sich – wie im Vortrag – letztgenannte
Lösungen schon vorbereitet griffbereit zu haben.
*
Die Angaben beziehen sich auf die Reinsubstanz.
6
Beobachtungen:
Kaliumchromat-Lösung weist eine gelbe und Kaliumdichromat-Lösung
eine orange Färbung auf. Nach der Zugabe von BariumchloridLösung
ist
in
beiden
Reagenzgläsern
eine
deutliche
Niederschlagsbildung zu erkennen. Diese wird durch Erhitzen
beschleunigt. Nach dem Erhitzen und Absetzen des Niederschlages
erkennt man, dass der Überstand in dem ursprünglich mit gelber
Kaliumchromat-Lösung
gefüllten
Reagenzglas
farblos
ist,
wohingegen der Überstand in dem ursprünglich mit oranger
Abb. 5
links: K2CrO4
rechts: + BaCl2.
Kaliumdichromat-Lösung gefüllten Reagenzglas deutlich orange
gefärbt ist.
Auswertung:
Chromat bzw. Dichromat sind aufgrund einer Charge-TransferAbsorption stark farbige Ionen.
Bei der Reaktion von Chromat bzw. Dichromat mit BariumKationen, fällt das schwerlösliche Bariumchromat aus. (KL = 1,17 ·
2
10-10 mol2/L ).
(1) Ba
2+
(aq) +
(2) 2 Ba
2(aq)
CrO4
2+
(aq) +
 BaCrO4(s) 
2(aq) +
Cr2O7
+
(aq)
H2O(l)  2 BaCrO4(s)  + 2H
Abb. 6
links: K2Cr2O7
rechts: + BaCl2.
Die unterschiedliche Stöchiometrie der Reaktionen wird durch die Verwendung
doppelt so konzentrierter Dichromat-Lösung ausgeglichen.
Bei der Reaktion von Kaliumchromat mit Bariumchlorid bleibt ein farbloser Überstand
zurück. Dies ist ein Indiz dafür, dass so gut wie keine Chromat-Ionen mehr in Lösung
sind und somit die Reaktion nahezu vollständig abgelaufen ist.
Dies wäre also eine Reaktion, die im Einklang mit der Affinitätstheorie stünde.
Bei der Reaktion von Kaliumdichromat mit Bariumchlorid allerdings bleibt der
Überstand orange gefärbt. Es sind also immer noch eine größere Anzahl DichromatIonen in Lösung. Die Reaktion verläuft nur unvollständig und dass obwohl ein
Überschuss an Barium-Kationen vorhanden war.
 Diese Beobachtung widerlegt Behauptung I der Affinitätstheorie.
7
Experiment 1: Fällung von Bariumchlorid
b) Umkehrbarkeit der Reaktion
Chemikalien:
Substanz
Gefahrenzeichen
R-Sätze
S-Sätze
C
34-37
26-36/37/39-45
s. Experiment 1a
HCl(aq) (konz.)
Geräte:
s. Experiment 1a; 1 Glasstab, 1 Schliffflasche mit Stopfen (50 mL)
Durchführung:
In das Reagenzglas aus Experiment 1a, in dem Bariumchromat aus einer
Kaliumchromatlösung gefällt worden ist, gibt man ca. 20 mL konz. Salzsäure hinzu.
Man rührt mit dem Glasstab um.
Beobachtungen:
Der Niederschlag löst sich nach Zugabe der Salzsäure auf und der vormals klare
Überstand wird orange. Es ist die gleiche Farbe wie in der Vergleichsprobe mit
Kaliumdichromat-Lösung.
Auswertung:
Durch das Ansäuern gehen Dichromat-Ionen in Lösung, deutlich erkennbar an der
orangen Farbe (Chromat-Ionen sind nur bis zu einem pH > 6 vorhanden.)
(3) 2 BaCrO4(s) + 2H
(2) Ba
2+
(aq) +
+
(aq)
 BaCrO4(s) 
2(aq) +
Cr2O7
+
(aq)
H2O(l)  2 BaCrO4(s) + 2H
Vergleicht man diese Reaktionsgleichung mit der Reaktionsgleichung (2) aus
Experiment 1 a so fällt auf, dass genau die gleichen Reaktionspartner in gleicher
Stöchiometrie miteinander reagieren – nur sind Edukte und Produkte vertauscht. Die
Reaktion kann also in beide Richtungen ablaufen.
Daher kann man die Reaktion auch mit einem Gleichgewichtspfeil beschreiben:
8
(4) Ba
2+
(aq) +
2(aq) +
Cr2O7
+
(aq)
H2O(l)  2 BaCrO4(s) + 2H
 Somit ist auch Behauptung II widerlegt. Die Affinitätstheorie ist falsch!
Berthollets Entdeckung
Claude Louis Berthollet (*1748 †1822), ein französischer Chemiker
und Arzt begleitete Napoleon 1798 nach Ägypten und machte dort
folgenschwere Beobachtungen an Natronseen.
Er erkannte, dass sich Natriumcarbonat als Krusten am Ufer dieser
in
Hitzeperioden
häufig austrocknenden Seen
abschied.
Er
formulierte folgende Reaktion - wenn auch natürlich nicht in der erst
später eingeführten Formelschreibweise:
Abb. 7
C.L. Berthollet
(5) 2 NaCl(aq) + CaCO3(aq)  Na2CO3 + CaCl2
Natriumchlorid + Kalkstein  Natriumcarbonat + Calciumchlorid
(Seewasser)
(Seegrund)
(Krusten am Ufer)
(See)
Abb. 8: Natronsee in Ägypten (Modell)
Das Entscheidende an dieser Beobachtung Berthollets war, dass zwar eine Reaktion
der verschiedenen Reaktionspartner bekannt war, aber laut der Affinitätstheorie die
Reaktion ausschließlich in die andere Richtung verlaufen sollte.
Berthollet verfolgte diesen Gedanken weiter und zog neben vielen falschen
Schlüssen auch den richtigen, dass die Reaktionsrichtung von äußeren Parametern
beeinflussbar ist. Er identifizierte die „Masse“ der an der Reaktion beteiligten Stoffe
als einen solchen Parameter – heute würde man präziser von Konzentration bzw.
Aktivität sprechen.
Seine Erkenntnisse veröffentlichte Berthollet in seinen Büchern „Recherches sur le
lois de l‘affinité“ (1801) und „Essai de statique chimique“ (1805).
9
Den Vorgang am Natronsee würde man heute so erklären: Auch hier liegt natürlich –
wie bei allen chemischen Reaktionen – ein Gleichgewicht vor. Zwar liegt dieses unter
Standardbedingungen weit auf der linken Seite, wenn aber das Natriumcarbonat
kontinuierlich aus dem Gleichgewicht entfernt wird – was durch die Krustenbildung
der Fall war – so verschiebt sich das Gleichgewicht nach rechts.
Abb. 9 Erkundung der Natronseen im Januar 1799
3 Einflüsse auf das Gleichgewicht
- Das Prinzip vom kleinsten Zwang Berthollet hatte die „Masse“ als beeinflussenden Parameter erkannt; in den
folgenden Experimenten soll die Verschiebung der Gleichgewichtslage durch
unterschiedliche Faktoren anhand des Systems Kohlenstoffdioxid/Wasser untersucht
werden.
Demonstration 1: Reaktion von Kohlenstoffdioxid und
Wasser
Chemikalien:
Substanz
Gefahrenzeichen
R-Sätze
S-Sätze
CO2(g)
-
-
-
Lebensmittelfarbe
-
-
-
Wasser
-
-
-
10
Geräte:
Gasflasche, Gaswaschflasche, Spritze mit Kanüle (20 mL), Schlauch, Eudiometer,
Kristallisierschale ( 19 cm), Stativmaterial
Durchführung:
Das Eudiometer und die Kristallisierschale werden mit angefärbten Wasser gefüllt
und als pneumatische Wanne aufgebaut. Die Spritze wird mit Kohlenstoffdioxid
befüllt. Mithilfe des Schlauches wird nun das Kohlenstoffdioxid langsam in das
Eudiometer eingeleitet.
Beobachtungen:
Im Eudiometer kann man aufsteigende Blasen beobachten. Nach der Einleitung kann
man ein Gasvolumen von ca. 5 mL ablesen.
Auswertung:
Da nur ein Teil des durchgeleitenden Kohlenstoffdioxids als Gasblase im Eudiometer
zu erkennen ist, muss das restliche Gas mit dem Wasser reagiert haben.
Kohlenstoffdioxid und Wasser reagieren in folgender Weise miteinander:
(6) CO2(g)  CO2(aq)
(7) CO2(aq) + 2 H2O(l)  HCO3- (aq) + H3O+(aq)
(8) HCO3- (aq) + H2O(l)  CO32- + H3O+(aq)
Die eigentlich zu erwartende Kohlensäure H2CO3 lässt sich in wässriger Lösung nicht
isolieren und dissoziiert sofort in die Carbonate. Daher wird sie bei den
Betrachtungen in dieser Arbeit außer Acht gelassen.
99,8 % des in Wasser gelösten Kohlenstoffdioxid liegen als physikalisch gelöste
Moleküle vor. (Gleichung (6)). Nur die restlichen 0,2 % dissoziieren in Carbonat und
Hydrogencarbonat, sind also chemisch gelöst.
Für
den
massen-
dementsprechend
und
auch
volumenmäßig
nicht
das
größten
Anteil
der
Massenwirkungsgesetz
Löslichkeit
des
gilt
chemischen
Gleichgewichts, sondern das Henry-Gesetz, das die Löslichkeit von Gasen in
Abhängigkeit des Partialdruckes und der Konzentration beschreibt.
11
(9) KH = cw/p
(KH = Henry-Koeffizient; cw = Konzentration in der Lösung; p = Partialdruck
Da es aber in diesem wie in den folgenden Experimenten nur um qualitative
Betrachtungen geht, die bei diesem Gleichgewicht die gleiche Anwendung finden,
wird dieser Umstand vernachlässigt.
Experiment
2:
pH-Abhängigkeit
der
Löslichkeit
von
Kohlenstoffdioxid in Wasser
Chemikalien:
Substanz
Gefahrenzeichen
R-Sätze
S-Sätze
CO2(g)
-
-
-
NaOH(aq)
C
34
26-36/37/39-45
Xi
36/37/38
26
c = 1 mol/L
HCl(aq)
c = 1 mol/L
Geräte:
Gasflasche, Gaswaschflasche, Saugflasche (100 mL), Stopfen, Kolbenprober mit
Hahn (100 mL), Schlauch, Silikon, Magnetrührer, Rührfisch, Spritze mit Kanüle (10
mL), Messpipette (10 mL), Peleusball, Stativmaterial
Durchführung:
Der Kolbenprober wird mit 100 mL Kohlenstoffdioxid befüllt und mithilfe eines
Schlauchstücks luftdicht mit der Saugflasche verbunden. Der Hahn ist geschlossen.
Zur Verbesserung der Abdichtung werden die Übergänge mit Silikonmasse
bestrichen. In die Saugflasche werden 10 mL Natronlauge pipettiert und ein
Rührfisch gegeben. Nun wird der Hahn so geöffnet, dass eine Verbindung zwischen
Kolbenprober und Saugflasche besteht. Die Apparatur wird mit 50 mL des im
Kolbenprober vorhandenen Kohlenstoffdioxids gespült. Nun wird die Saugflasche mit
12
einem Stopfen verschlossen und der unter der Saugflasche befindliche Magnetrührer
angestellt.
Nach der ersten Reaktion wird mit der Spritze schnell 10 mL Salzsäure in die
Saugflasche hinzugegeben.
Beobachtungen:
Sobald die Saugflasche verschlossen und der Magnetrührer eingeschaltet ist, wird
der Stempel in den Kolbenprober hineingezogen.
Nach der anschließenden Zugabe von Salzsäure wird er wieder herausgedrückt.
Auswertung:
Hier liegen wieder die in Demonstration 1 betrachteten Gleichgewichte zwischen
ungelösten
und
(physikalisch)
gelösten
Kohlenstoffdioxid,
letzterem
und
Hydrogencarbonat und Carbonat vor.
In den Gleichungen (7) und (8) sind jeweils Oxonium-Ionen beteiligt. Diese werden
durch die Hydroxid-Ionen der Natronlauge neutralisiert.
(10)
OH-(aq) + H3O+(aq)  2 H2O
Dadurch verschieben sich die Gleichgewichte (7) und (8) auf die rechte Seite und in
Folge davon auch (6). Durch den nun entstehenden Unterdruck wird der Stempel in
den Kolbenprober hineingezogen.
(11)
CO2(g)  CO2(aq)
(12)
CO2(aq) + 2 H2O(l)  HCO3- (aq) + H3O+(aq)
(13)
HCO3- (aq) + H2O(l)  CO32- + H3O+(aq)
Gibt
man
nun
Salzsäure
hinzu,
sind
wieder
mehr
Oxonium-Ionen
im
Reaktionssystem vorhanden und die Gleichgewichtslage wird wieder mehr nach links
verschoben. Der Stempel wird herausgedrückt.
13
Experiment 3: Druck-Abhängigkeit der Löslichkeit von
Kohlenstoffdioxid in Wasser
Chemikalien:
Substanz
Gefahrenzeichen
R-Sätze
S-Sätze
Sodawasser
-
-
-
Lebensmittelfarbe
-
-
-
Geräte:
Saugflasche (100 mL), Stopfen, Kolbenprober (100 mL), Schlauch, Silikon,
Stativmaterial
Durchführung:
Der Kolbenprober wird mithilfe eines Schlauchstücks luftdicht mit der Saugflasche
verbunden. Zur Verbesserung der Abdichtung werden die Übergänge mit
Silikonmasse bestrichen. In die Saugflasche werden ca. 50 mL mit Lebensmittelfarbe
angefärbtes Sodawasser gegeben und diese anschließend mit einem Stopfen
verschlossen. Nun zieht man kräftig am Stempel des Kolbenprobers.
Beobachtungen:
Beim Herausziehen des Stempels, das eine gewisse Kraftanstrengung erfordert,
kann man eine Blasenbildung im Sodawasser erkennen. Diese kommt zum
Stillstand, wenn man keine Kraft mehr auf den Kolbenprober ausübt.
Auswertung:
In diesem Experiment wird eigentlich nur das Gleichgewicht zwischen ungelösten
und (physikalisch) gelösten Kohlenstoffdioxid betrachtet. (Gleichung (6))
Durch
den
erzeugten
Unterdruck
verringert
sich
der
Partialdruck
des
Kohlenstoffdioxids und das gelöste Kohlenstoffdioxid geht vermehrt in die Gasphase
(Blasen) über. Das Gleichgewicht verschiebt sich nach links. Natürlich verschieben
sich auch die „chemischen“ Gleichgewichte (7) und (8), dies kann aber im
Experiment nicht direkt beobachtet werden.
14
(14)
CO2(g)  CO2(aq)
(15)
CO2(aq) + 2 H2O(l)  HCO3- (aq) + H3O+(aq)
(16)
HCO3- (aq) + H2O(l)  CO32- + H3O+(aq)
Sodawasser
Dem gebürtigen Engländer und späteren Amerikaner Joseph
Priestley (*1733 † 1804) verdankt die Menschheit die Erfindung
des
mit
„Kohlensäure“
versetzen
Mineralwassers.
Der
Theologe, Philosoph, Chemiker und Physiker entwickelte das
Verfahren, wobei man mithilfe von Druck Wasser „sprudelig“
macht. Er bekam dafür Copley Medal der englischen Royal
Society.
Heute kann jeder Verbraucher, sofern er das möchte, sein
eigenes Mineralwasser herstellen
Abb. 10 J. Priestley
- es gibt zahlreiche
Trinkwassersprudler wie den WasserMaxx oder SodaStream. Das Kohlenstoffdioxid
muss dabei in kleinen, unter Druck stehenden
Gaspatronen erworben werden.
Abb. 11
links: Apparatur zur Bereitung künstlicher Mineralwässer aus dem 18./19. Jh.
rechts: moderner Trinkwassersprudler
15
Experiment 4: Temperatur-Abhängigkeit der Löslichkeit
von Kohlenstoffdioxid in Wasser
Chemikalien:
Substanz
Gefahrenzeichen
R-Sätze
S-Sätze
CO2(g)
-
-
-
NaOH(aq)
Xi
36/38
26
-
-
c = 0,01 mol/L
Methylrot (pH 4,4 – 6,2)
NaCl(s)
-
-
-
Eis
-
-
-
ention. Wasser
-
-
-
Geräte:
Gasflasche, Gaswaschflasche, Stativmaterial, 2 Erlenmeyerkolben (100 mL), 2
Luftballons,
Kolbenprober
mit
Hahn
(100
mL),
Becherglas
(300
mL),
2
Pasteurpipetten, Saughilfe, Glasstab, Messzylinder (50 mL), Bunsenbrenner,
Feuerzeug, Dreifuß, Drahtnetz; Kristallisierschale ( 19 cm),
Durchführung:
In dem Becherglas werden 200 mL entionisiertes Wasser mit ca. 1 mL
Indikatorlösung versetzt. Nun tropft man so lange verdünnte Natronlauge hinzu, bis
der Indikator von rot nach gelb umgeschlagen ist. Von dieser Lösung werden jetzt je
30 mL in die Erlenmeyerkolben gefüllt. Ein Erlenmeyerkolben wird mit einem
Luftballon verschlossen und zum Farbvergleich beiseite gestellt.
Der Kolbenprober wird mit 5 mL Kohlenstoffdioxid befüllt und dann auf 50 mL mit Luft
aufgezogen. Diese Kohlenstoffdioxid-Luft-Mischung gibt man nun in den zweiten
Erlenmeyerkolben, der dann umgeschwenkt und auch mit einem Luftballon
verschlossen wird. Dieser Kolben wird nun mithilfe des Bunsenbrenners erhitzt.
Anschließend wird er in ein Eisbad (Kristallisierschale mit Kältemischung aus Eis und
Natriumchlorid) gestellt.
16
Beobachtungen:
Der Indikator der Lösung im Erlenmeyerkolben schlägt nach der Zugabe von
Kohlenstoffdioxid nach rot um. Nachdem man das Reaktionsgefäß eine Weile erhitzt
hat kann man eine Blasenbildung in der Flüssigkeit beobachten. Außerdem bläht
sich der Luftballon und der Indikator schlägt wieder nach gelb um. Nachdem man
den Kolben nun in der Kältemischung gestellt hat, fällt der Luftballon wieder in sich
zusammen und die Indikatorfarbe wechselt erneut nach rot.
Auswertung:
Die
Löslichkeit
von
Gasen
ist
stark
temperaturabhängig.
Sowohl
die
Massenwirkungs- wie auch die Henry-Konstante sind temperaturabhängig. Die
meisten Gase, und so auch Kohlenstoffdioxid, lösen sich bei höherer Temperatur
schlechter, wobei hier v.a. die Henry-Konstante zu beachten ist. Der Lösungsvorgang
ist also exotherm.
Die gelbe Farbe der ursprünglichen Lösung zeigt einen pH-Wert von über 6,2 an.
Durch die Zugabe von Kohlenstoffdioxid nimmt die Oxonium-Ionen-Konzentration zu
(Gleichgewichte (7) und (8)) und der Indikator schlägt nach rot um.
Durch eine Erhöhung der Temperatur wird das Gleichgewicht auf die linke Seite
verschoben. Gelöstes Gas wird wieder frei und kann als Blasen beobachten werden
bzw. füllt den Luftballon. (Gleichung (14)) Dadurch verschieben sich auch die
Gleichgewichte (15) und (16) und die Oxoniumkonzentration nimmt wieder ab. Der
Indikator schlägt wieder nach gelb um,
(14)
CO2(g)  CO2(aq)
H<0
(15)
CO2(aq) + 2 H2O(l)  HCO3- (aq) + H3O+(aq)
(16)
HCO3- (aq) + H2O(l)  CO32- + H3O+(aq)
Bei der Abkühlung verläuft dann die Reaktion genau in umgekehrter Richtung und
der Indikator wird wieder rot.
17
Das Prinzip vom kleinsten Zwang
„Übt man auf ein chemisches System im Gleichgewicht einen Zwang aus, so
reagiert es, indem sich der Zwang verkleinert.“bei dem keine weitere Änderung der
5 Zusammensetzung des Reaktionsgemisches erfolgt [...] nennt man chemisches
Gleichgewicht“
Das Prinzip vom kleinsten Zwang hat Henry Louis Le
Chatelier 1884 in seinem Aufsatz „Sur un énoncé
général des lois de équilibres chimique“ veröffentlicht.
Zwar fasste er dort eigentlich nur Erkenntnisse anderer
Forscher zusammen, aber ein
universell gültiges
Prinzip, das dazu noch durch seiner Einfachheit und
leichte Anwendbarkeit besticht, war noch nicht formuliert
worden. 1888 findet der deutsche Physiker Ferdinand
Braun eine griffigere Formulierung als Le Chatelier,
deshalb wird es in Folge auch manchmal Le-Chatelier-
Abb. 12 H. Le Chatelier
Braun-Prinzip genannt.
Als „Zwänge“ auf ein System können angesehen werden
a) Konzentrationsänderung (Experiment 2)
b) Druckänderung (Experiment 3)
c) Temperaturänderung (Experiment 4)
Als Beispiel sei hier die Temperaturänderung erläutert. Im Experiment 4 ist die
Reaktion exotherm, wenn sie von rechts nach links abläuft. Erhöht man nun die
Temperatur, so verschiebt sich das Gleichgewicht nach rechts, da das System dem
„Zwang“
Wärmezufuhr
dadurch
verkleinert,
das
nun
die
endotherme
Reaktionsrichtung bevorzugt abläuft.
5
wikipedia.de (21.07.2006)
18
4 Das Massenwirkungsgesetz
Experiment 6: Bestimmung der Dissoziationskonstante von
Essigsäure
Chemikalien:
Substanz
Gefahrenzeichen
R-Sätze
S-Sätze
Essigsäure (konz.)
C
10-35
23.2-26-36/37/39-
c = 17,49 mol/L)
ention. Wasser
45
-
-
-
Geräte:
Becherglas (250 mL), Bürette (25 mL),
pH-Elektrode, Vollpipette (50 mL),
Peleusball, Glastrichter ( 3,5 cm), Magnetrührer, Rührfisch, Stativmaterial,
Haushaltsfolie
Durchführung:
Es werden 100 mL entionisiertes Wasser in das Becherglas pipettiert. Muss dieses,
wie im Vortrag, längere Zeit stehen, so wird es mit Haushaltsfolie verschlossen, um
die Verdunstung möglichst gering zu halten.
Nun wird die Bürette mit konzentrierte Essigsäure mithilfe des Glastrichters befüllt.
Das Becherglas wird auf einem Magnetrührer unter die Bürette gestellt und mittels
eines Rührfisches gerührt.
Nun wird 1 mL Essigsäure aus der Bürette in das Becherglas gegeben und der pHWert der Lösung wird mit einem pH-Meter gemessen.
Jetzt werden 2 weitere mL dazugegeben, so das sich dann also 3 mL konz.
Essigsäure in der Lösung befinden. Es wird erneut der pH-Wert gemessen.
Ebenso verfährt man bei Zugabe von weiteren 2, 5, und 10 mL bzw. insgesamt 5, 10
und 20 mL.
Bei der Durchführung im Labor wurden noch zwei weitere Messwerte aufgenommen.
Beobachtungen:
Folgende Messwerte wurden während des Vortrages bzw. im Sommersemester 2007
im Labor aufgenommen:
19
Messreihe Vortrag
V(HOAc) / mL
c(HOAc) / (mol/L)
pH
c(Protonen)/ (10-3 mol/L)
1
0,17
2,47
3,39
3
0,51
2,19
6,46
5
0,83
2,05
8,91
10
1,59
1,87
13,5
20
2,92
1,67
21,4
V(HOAc) / mL
c(HOAc) / (mol/L)
pH
c(Protonen)/ (10-3 mol/L)
1
0,17
2,50
3,16
3
0,51
2,30
5,01
5
0,83
2,22
6,03
7
1,14
2,15
7,08
10
1,59
2,09
8,13
15
2,28
2,01
9,77
20
2,92
1,96
12,2
Messreihe Labor
Die Errechnung der Konzentration der Essigsäure c(HOAc) erfolgte mittels der
Formel:
V ( HOAc)  17 , 49mol / L
i.
c ( HOAc) 
100mL  V ( HOAc)
Die Messwerte können auch graphisch aufgetragen werden. Die Wurzel der
Konzentration der Essigsäurekonzentration wird dabei auf die Abszisse, die
Konzentration der Protonen auf die Ordinate eingetragen.
20
Diagramm 1 Vortrag
Diagramm 2 Labor
21
Auswertung:
Essigsäure dissoziiert in Wasser zu Protonen bzw. Oxonium-Ionen und Acetat.
CH3COOH  H+ + CH3COO-
(17)
Dieses geschieht aber nicht vollständig, da Essigsäure eine schwache Säure ist.
Wie man aber aus den Diagrammen 1 und 2 erkennen kann, besteht ein linearer
Zusammenhang zwischen der Wurzel der Essigsäurekonzentration und dem pHWert bzw. der Protonenkonzentration. Es lässt sich eine Ausgleichsgerade durch den
Nullpunkt legen.
Eine Gerade, die durch den Nullpunkt geht, lässt sich durch folgende allgemeine
Gleichung beschreiben:
ii.
y  m x
In dem hier untersuchten Fall gilt dann also:
iii.

c (H )  m 
c ( HOAc)
Formt man nun nach der Konstanten um und quadriert die Gleichung, erhält man:
iv.
m
2

c 2 ( H )
c ( HOAc)
Nun gilt für die Reaktion (17) aber wegen der Ladungsneutralität, dass
v.
c(H+) = c(Ac-)
ist. Setzt man nun Gleichung v. in iv. ein so erhält man:
vi.
m
2

c ( H  )  c ( Ac )
c ( HOAc)
Da m eine Konstante ist, enspricht vi. der Massenwirkungsgesetz-Gleichung. Man
kann nun die Dissoziations- bzw. Säurekonstante für Essigsäure ausrechnen.
vii.
K
s

c ( H )  c ( Ac )
 m
2
c ( HOAc)
Für die Messreihe während des Vortrages erhält man:
22
viii.
K
v
s
 1 , 3  10
 4
mol / L
und für die im Labor erstellte:
ix.
K
L
s
 4 , 4  10
 5
mol / L
Der Literaturwert für die Dissoziationskonstante von Essigsäure beträgt 1,76  10-5
mol/L. Zumindest im Laborversuch wurde also die gleiche Größenordnung gefunden,
bei beiden Versuchen Essigsäure als schwache Säure charakterisiert.
Der bessere Wert im Labor lässt sich wohl durch die höhere Anzahl der Messpunkt
sowie sorgfältigeres Arbeiten erklären; auch Raumtemperaturunterschiede könnten
eine Rolle gespielt haben.
Abgesehen von solchen technischen Fehlerquellen beinhalten die Herleitung des
Massenwirkungsgesetzes auf diese Art und Weise eine didaktische Vereinfachung,
die nicht unerwähnt bleiben soll. Im „richtigen“ Massenwirkungsgesetz steht die
Gleichgewichtskonzentration der Essigsäure und nicht die Ausgangskonzentration
wie in diesem Experiment. Der numerische Unterschied sollte aber so gering sein,
dass er vernachlässigbar ist.
Das Massenwirkungsgesetz: Geschichte, Herleitung und
Anwendung
Für eine chemische Reaktion mit der Reaktionsgleichung
(18)
aA + bB  cC + dD
gilt, dass der Quotient des Produkts der Konzentrationen der Produkte und des
Produkts der Konzentrationen der Edukte konstant ist. Die stöchiometrischen
Koeffizienten fungieren hierbei als Exponenten. Diese Gesetzmäßigkeit nennt man
das Massenwirkungsgesetz.
23
x.
K 
c c ( C )  c d (D )
c a ( A )  c b (B )
Die französischen Chemiker L. Péan de Saint-Gilles und Marcelin Berthelot
unternahmen in den Jahren 1860 bis 1865 zwar die
ersten
umfassenden
Studien
zum
chemischen
Gleichgewicht- sie untersuchten dazu die Bildung und
den Zerfall von Estern - die Formulierung eines
allgemein gültigen Gesetzes gelang ihnen jedoch noch
nicht. Dazu waren erst die beiden Norweger Cato
Maximilian Guldberg, Chemiker und Mathematiker,
und sein Schwager Peter Waage, Chemiker, in der
Lage. Erst sie hatten die Idee, nicht die absoluten
Abb. 13 C. Guldberg und P.
Waage
Massen der Edukte, sondern nur die Stoffmengenkonzentration, im damaligen
Sprachgebrauch „aktive Masse“ genannt, zu verwenden.
Im Schulunterricht wird das Massenwirkungsgesetz häufig auf kinetischem Weg
abgeleitet. Im Gleichgewicht gilt für die Reaktion (18):
xi.
v
hin
 v
rück
Daraus folgt, wenn die stöchiometrischen Koeffizienten gleich 1 sind:
xii.
k
hin
 c ( A )  c (B )  k
rück
 c ( C )  c (B )
Durch Umformung erhält man das Massenwirkungsgesetz:
xiii.
K 
c ( C )  c (D )
c ( A )  c (B )
k

k
hin
rück
24
Guldberg und Waage haben das Massenwirkungsgesetz zwar empirisch auch auf
dem kinetischen Weg gefunden, korrekt ist die Herleitung trotzdem nicht. Die
Stöchiometrie einer Reaktionsgleichung und die Ordnung der Reaktion sind nicht
zwingend miteinander verknüpft und daher lässt sich über den kinetischen Weg der
Zusammenhang zwischen den stöchiometrischen Koeffizienten und den Exponenten
im Massenwirkungsgesetz nicht allgemeingültig herleiten.
Dies
ist
aber
auf
thermodynamischen
Wege
möglich.
Mithilfe
eines
Gedankenexperiments zu adiabatischen Kompression bzw. Expansion eines Gases
kommt man von der Definition der freien Enthalpie
xiv.
G  H  TS
zu der Beziehung
xv.
G
0
  RT ln
p c ( C )  p d (D )
p a ( A )  pb ( B )
  RT ln K
p
Es gibt also eine einfache Beziehung zwischen der freien Enthalpie und der
Gleichgewichtskonstanten. Diese Beziehung gilt selbstverständlich auch für nicht
gasförmige Reaktanden, dort wird wie bekannt statt des Partialdruckes die
Konzentration bzw. die Aktivitäten als Variablen eingesetzt.
Die Gleichgewichtskonstante hat eine große praktische Bedeutung. Sie findet sich
z.B. im Löslichkeitsprodukt oder in der Säurekonstante wieder. Betrachtet man das
Löslichkeitsprodukt von Bariumchromat, so ist es nichts anderes als die
Massenwirkungskonstante der Dissoziationsreaktion:
BaCrO4  Ba2+ + CrO42-
(19)
xvi.
K
L
 c ( Ba
2 
)  c ( CrO
2 
4
)  1 ,17  10
 10
mol / L
25
5 Ausblick
Die Anwendung von Gleichgewichten beschränkt sich im chemischen Schulunterricht
nicht nur auf die Herleitung des Massenwirkungsgesetzes. Ein häufig „verwendetes“
Gleichgewicht soll in dem folgenden Experiment bzw. Demonstration erläutert
werden.
Experiment 6: Verteilungsgleichgewicht
Chemikalien:
Substanz
Gefahrenzeichen
Thymolblau (pH 1,2- -
R-Sätze
S-Sätze
-
-
34-37
26-36/37/39-45
-
-
2,8 und pH 8,0-9,6)
HCl(aq) (konz.)
C
NaOH(aq) (c = 0,002 mol/L)
Geräte:
2 Petrischalen, 2 Uhrgläser, Filterpapier (passend zu Petrischalen), Becherglas (250
mL), Glasstab, Pasteurpipette, Saughilfe, Messzylinder (50 mL), Overhead-Projektor,
Pinzette
Durchführung:
In dem Becherglas werden ca. 100 mL Natronlauge mit ca. 1 mL Indikatorlösung
versetzt bis die Lösung kräftig blau erscheint. 50 mL dieser Lösung füllt man nun in
Petrischale Nr.1.
In die zweite Petrischale gibt man ca. 50 mL konzentrierte Salzsäure. Die Schale
wird mit einem Filterpapier und einem Uhrglas bedeckt, ohne dass das Filterpapier
die Flüssigkeit berührt. Man lässt mind. 5 –10 Minuten stehen.
Stellt man nun Petrischale Nr.1 auf einen angeschalteten Overhead-Projektor, so
erscheint an der Wand ein blauer Kreis. Nun wird das Filterpapier vorsichtig von
Petrischale Nr.2 auf Petrischale Nr.1 gehoben, wieder ohne die Flüssigkeiten zu
26
berühren. Die Petrischale wird mit dem zweiten Uhrglas verschlossen. Nach wenigen
Minuten wird das Filterpapier entfernt.
Beobachtungen:
Am Ende des Versuches kann man gelbe Schlieren in der vormals blauen Flüssigkeit
entdecken.
Auswertung:
Folgende Reaktionen finden statt:
 Petrischale Nr.1:
(20)
H3O+(aq) + Cl-(aq)  HCl(aq) + H2O(l)
(21)
HCl(aq)  HCl(g)
(22)
HCl(g)  HCl(ad)
 Petrischale Nr.2:
(23)
HCl(ad)  HCl(g)
(24)
HCl(g)  HCl(aq)
(25)
HCl(aq) + H2O(l)  H3O+(aq) + Cl (aq)
(26)
H3O+(aq) + OH (aq)  2 H2O(l)
(27)
Ind (aq) + H2O(l) HInd(aq) + OH (aq)
-
-
-
-
In der ersten Petrischale stellt sich ein Gleichgewicht zwischen der dissoziierten und
nicht dissoziierten Salzsäure ein. Letztere steht wieder im Gleichgewicht mit dem
gasförmigen Chlorwasserstoff. Dieser befindet sich wiederum im Gleichgewicht mit
den am Filter adsorbierten Teilchen.
In der zweiten Petrischale stellen sich nach der Überführung des Filterpapiers die
gleichen Gleichgewichte ein; nur in umgekehrter Reihenfolge. Durch die OxoniumIonen der dissoziierten Salzsäure werden Hydroxid-Ionen der Natronlauge
neutralisiert. Dadurch wird der vorher blaue, deprotonierte Indikator Thymolblau
protoniert und schlägt nach gelb um.
27
Demonstration 2: Chromatographie
Chemikalien:
Substanz
Gefahrenzeichen R-Sätze
S-Sätze
Al2O3
-
-
-
4-Methoxyazobenzen
-
-
22,24/25
Sudan-Gelb
Xn
20/22
24/25
trans-Azobenzen
T,N
20/22,45,48/22,50/ 45,53,60,61
53
Petrolether
T,F
11,38,48/20,62,65 16,23,24,33,36/37,
62
Toluen
Xn,F
11,20
16,25,29,33
ention. Wasser
-
-
-
Geräte:
Chromatographierohr mit Hahn (l = 50 cm;  2 cm), Glaswolle, Glastrichter,
Glasflasche mit Schliffstopfen, Messpipette (10 mL), Peleusball, Messzylinder (100
mL) Schlauch, Becherglas (300 mL), Becherglas (100 mL), Pasteurpipette, Saughilfe,
Stativmaterial
Durchführung:
75 g Aluminiumoxid werden mit 3 mL Wasser vermischt und in der geschlossenen
Glasflasche 2 h stehen gelassen.
Man stellt ein Petrolether/ Toluen-Gemisch im Verhältnis 4:1 her und schlämmt das
aktivierte Aluminiumoxid mit 75 mL auf. Anschließend wird das aufgeschlämmte
Aluminiumoxid in das senkrecht eingespannte Chromatographierohr, das unten mit
Glaswolle verschlossen wurde, gefüllt. Um Hohlräume zu vermeiden wird vorsichtig
mit einem Schlauchstück gegen das Chromatographierohr geschlagen.
Das Lösungsmittelgemisch wird nun in das unter der Säule befindliche kleine
Becherglas gelassen bis sich der Flüssigkeitspegel in dem Chromatographierohr
etwas oberhalb der Aluminiumoxid-Oberfläche befindet.
Nun wird ca. 3 mL des Farbstoffgemisches der drei Farbstoffe mit einer
Pasteurpipette vorsichtig oben auf die Säule gegeben, wobei eine Aufwirbelung der
Aluminiumoxidschicht zu vermeiden ist.
28
Anschließend wird der Hahn so weit geöffnet, dass das Lösungsmittel langsam
raustropft. Man spült mehrfach mit 50 mL Petrolether/ Toluen-Gemisch nach.
Für die Demonstration wird der Hahn geschlossen, wenn die erste Farbstoffzone im
unteren Drittel der Säule angelangt ist. Man lässt die Säule bei geschlossenem Hahn
trocknen.
Beobachtungen:
Das Farbstoffgemisch, das eine orange-bräunliche Farbe hat, wird in
drei Komponenten aufgetrennt. Im unteren Drittel der Säule befindet
sich eine gelbe, darüber eine weitere gelbe und oben eine orange
Farbstoffzone.
Auswertung:
Chromatographie
ist
ein
Verfahren,
dass
die
Trennung
von
Stoffgemischen in ihre Einzelteile erlaubt. Dazu bringt man es in ein
System mit einer stationären und einer mobilen Phase, die sich in
ihren chemisch-physikalischen Eigenschaften unterscheiden.
Nun stellt sich zwischen mobiler und stationärer Phase wiederholt ein
Gleichgewicht ein. So verteilen sich die verschiedenen Bestandteile
des Gemisches unterschiedlich in den beiden Phasen und die
Wanderungsgeschwindigkeiten sind verschieden. Man kann also ein
ähnliches Prinzip, ein Verteilungsgleichgewicht, wie in Experiment 6
beobachten.
In dieser Demonstration war Aluminiumoxid die polare stationäre
Phase und das Petrolether/ Toulen-Gemisch das unpolare Laufmittel
bzw. die unpolare mobile Phase.
Die Polarität der drei Farbstoffe nimmt in der Reihenfolge transAzobenzen > 4-Methoxyazobenzen > Sudan-Gelb zu. Dies entspricht
daher auch der Reihenfolge der Auftrennung. Das unpolare trans-
Abb. 14
Säulenchromatographie
Azobenzen wird am schnellsten durch die Säule transportiert, da es am wenigsten
Wechselwirkungen mit dem Aluminiumoxid eingeht.
29
OH
OMe
NH
N
N
N
trans-Azobenzen
NH
N
4-Methoxyazobenzen
Sudan-Gelb
6 Schulrelevanz
Der hessische Lehrplan (2006) für das Gymnasium schreibt das Thema „Das
Chemische Gleichgewicht“ sowohl im Leistungs- wie auch im Grundkurs verbindlich
als Unterrichtseinheit für die 13 Jahrgangsstufe vor. Im Leistungskurs ist das Thema
eingebettet in „Antrieb und Steuerung von chemischen Reaktionen:
 GK 13.1: Das Chemische Gleichgewicht/
 LK 13.1: Antrieb und Steuerung chemischer Reaktionen
o Umkehrbare Reaktionen und chemisches Gleichgewicht (Experiment 1)
o Massenwirkungsgesetz (Experiment 5)
o Prinzip vom Zwang (Demonstration 1, Experiment 2-4)
o Anwendungen des Massenwirkungsgesetzes
Die Löslichkeit und das Chromatographieverfahren können schon in der Klasse 8
thematisiert werden:
 8.1:
 Verbindliche Unterrichtsinhalte/ Aufgaben:
o Lösungen und Löslichkeit (Experiment 1 u. 4)
 Fakultative Unterrichtsinhalte/ Aufgaben
o
Chromatographie (Demonstration 2)
30
8 Quellenverzeichnis
Bücher/ Zeitschriften/ Skripte:

Braun, Thomas M: Das Massenwirkungsgesetz – eine Alternative Ableitung.
In: Praxis der Naturwissenschaften – Chemie 5. 1987, S.17-19

Küng, Hans Ulrich: Chemisches Gleichgewicht. In: Berg, Hans Christoph/
Schulze Theodor (Hrsg.): Berner Lehrkunststücke ... im Didaktikdiskurs.
Luchterhand. Neuwied [u.a.]. 1998. S.29-136

Krätz,
Otto:
7000
Jahre
Chemie.
Alchemie,
die
schwarze
Kunst.
Schwarzpulver. Sprengstoffe. Teerchemie. Farben. Kunststoffe. Biochemie
und mehr. Von den Anfängen im Orient bis zu den neuesten Entwicklungen im
20. Jahrhundert. Nikol. Hamburg. 1999.

Merck Chemikalien Reagenzien 2002. Parzeller. Fulda. 2002

Paeske, Arnold: Das chemische Gleichgewicht. Eine didaktisch motivierte
Analyse der historischen Entwicklung seiner Theorie und Überlegungen zur
Einführung der Thematik in der gymnasialen Oberstufe. Waxmann. Münster
[u.a.]. 1992

Pasch, Eberhard: Experimente zum chemischen Gleichgewicht. In: Chemie in
der Schule 8. 1980. S.361f

Paschmann, Antje/ De Vries, Tömjes/ Lüchtenborg, Katrin/ Arshadi, Noushin/
Parchmann, Ilka: Die Bedeutung der Ozeane im Kohlenstoffkreislauf. Eine
Hinführung zum Begriff des Chemischen Gleichgewichts im Rahmen der
Konzeption Chemie im Kontext – Teil 1. In: Zeitschrift des Vereins zur
Förderung des mathem.-naturw. Unterrichts 3. 2000. S. 170-175

Ralle,
Bernd/
Jansen,
Walter:
Zur
Behandlung
des
chemischen
Gleichgewichts und des Massenwirkungsgesetzes in der Sekundarstufe II der
Gymnasien unter Einbeziehung der geschichtlichen Entwicklung Teil 1. In:
Zeitschrift des Vereins zur Förderung des mathem.-naturw. Unterrichts 3.
1986. S. 161-168

Reichhardt, C./ Carell, T./ Auel, C./ Schween, M.: Skriptum zum Organischchemischen Grundpraktikum. Fachbereich Chemie der Philipps-Universität
Marburg. 2001. 2. überarb. Aufl. S.43-46

Riedel, Erwin: Anorganische Chemie. de Gruyter. Berlin [u.a.]. 1999. 4. Aufl.
31

Weißenhorn,
R.G.:
Verteilungs-
und
–
Säure-Base-Gleichgewichte
Lernprozesse an einem „Chemischen Kabinettstück“ [1]. In: Praxis der
Naturwissenschaften 1. 1994. S. 2-5

Winterstein, Christel/ Felber, Wolfram: Zwei Experimente zum Druckeinfluß
auf das chemische Gleichgewicht. In: Chemie in der Schule 10. 1981. S.427
Internetquellen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Chemisches_Gleichgewicht (27.07.2006)

http://de.wikipedia.org/wiki/Chromatographie (27.07.2006)

http://de.wikipedia.org/wiki/Berthollet (27.07.2006)

http://de.wikipedia.org/wiki/Henry-Gesetz (27.07.2006)

http://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_Priestley (27.07.2006)

http://de.wikipedia.org/wiki/Le_Chatelier (27.07.2006)

http://dc2.uni-bielefeld.de/dc2/mwg/mwg-ther.htm (27.07.2006)

http://www.kah-bonn.de/index.htm?ausstellungen/klee/sonderfuehrungen.htm
(27.07.2006)

http://lernarchiv.bildung.hessen.de/archiv/lehrplaene/gymnasium/chemie
(27.07.2006)
Abbildungsnachweis:

Küng, 1998 [Abb. 9]

Krätz, 1999 [Abb. 2-4, 11 (links)]

http://www.cultuurnetwerk.org/bronnenbundels/2000/2000_60b.jpg
(27.07.2006) [Abb. 1]

http://dbhs.wvusd.k12.ca.us/webdocs/Gallery/Guldberg&Waage.GIF
(27.07.2006 ) [Abb. 13]

http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Lechatelier.jpg (27.07.2006 ) [Abb. 12]

http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Joseph_Priestley.jpeg (27.07.2006 ) [Abb. 10]

http://i4.discount24.de/4/prod/920000/920502_lm.jpg (27.07.2006) [Abb. 11
(rechts)]

http://isimabomba.free.fr/biographies/chimistes/berthollet.jpg
(27.07.2006)
[Abb. 7]
Hinweis: Nicht aufgeführte Abbildungen sind Werke der Autorin.
32
Herunterladen