Syrischer Bischof spricht auf Radio Horeb über die

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03. Dezember 2007
Falsche Weihnachtsromantik in einer verrückten Welt
Im Advent 1947, vor sechzig Jahren, schrieb der niederländische Pater
Werenfried von Straaten unter dem Titel "Kein Platz in der Herberge" einen
Artikel in der Zeitschrift seiner Prämonstratenser-Abtei. Mit flammenden
Worten rief er die Flamen in Belgien und den Niederlanden nur zwei Jahre
nach dem Zweiten Weltkrieg dazu auf, den ehemaligen deutschen
Kriegsgegnern, vor allem den Heimatvertriebenen, zu helfen. Es war die
Geburtsstunde des Hilfswerks "Kirche in Not". Doch Pater Werenfrieds
Mahnung, aus Weihnachten kein Fest der Gefühlsduselei und der falschen
Romantik zu machen, und Christus damit von neuem aus unserem Leben und
unserer Welt auszusperren, gilt heute wie damals, und ist heute wie damals
geeignet, unsere Herzen zu bewegen und zu einem Neuanfang mit Christus
zu inspirieren. Nachfolgend dokumentieren wir Pater Werenfrieds
Weihnachtsbrief im Wortlaut (Zwischentitel von der Redaktion eingefügt):
Als es zum erstenmal Weihnachten wurde, waren die Wege nach Bethlehem voller
Menschen - Menschen, die in die Stadt Davids eilten, um sich für die Volkszählung
registrieren zu lassen, die Kaiser Augustus angeordnet hatte. Um in dem Gedränge
voranzukommen, benutzten sie Hände, Füße und Ellenbogen, denn sie wussten zu
gut, dass nur die, die zuerst eintreffen, eine Unterkunft finden können. Wie es so oft
passiert, so geschah es auch damals: die Reichsten und Stärksten, die auf einem Pferd
oder einem Kamel ritten oder in einer schweren Karosse fuhren, verdrängten die
Kleinen mit ihren mickrigen Eselchen und belegten die noch
freistehenden Räume in den Herbergen. Für Maria, die Christus trug, blieb kein Platz
übrig.
Beste Freunde, könnt ihr euch vorstellen, wie eine Stadt von brutalen Menschen, die
nur an sich selbst denken, überrannt wird? Wisst ihr noch als man während des
Krieges die Straßenbahn Linie 41 stürmte? Wie dann gekämpft und getreten wurde?
Wie im anständigen Büroangestellten und im kleinen Spießbürger die Bestie
erwachte? Wie es keinen Anstand mehr gab und keine Ritterlichkeit, als man
rücksichtslos für das eigene Ich kämpfte? Ein jeder für sich selbst! So war es auch in
Bethlehem. Und darum gab es in der Herberge keinen Platz für sie. Keinen Platz
mehr für Christus. Und Maria wusste, dass ihre Tage erfüllt waren. Und Josef war
ratlos. Doch es blieb nichts anderes übrig: Einsam und verlassen liefen sie, zwei
kleine Menschen aus dem Volke, verloren inmitten der Masse ...
Seither hat sich nichts geändert. "Es ist schmerzlich, feststellen zu müssen, dass
ungleich dem Fortschritt der Wissenschaft die moralischen Werte des Menschen,
trotz des 2000-jährigen Versuches des Christentums, nicht gewachsen sind" (Jacques
Pirenne). Es gibt noch immer keinen Platz für Christus, weil die Menschen immer
noch um ihrer eigenen Selbstsucht willen leben, und weil sie die übrigen Menschen
faktisch vergessen, sobald sie selbst ein Zuhause haben und es ihnen gut geht. Viele
von uns haben ein Zuhause und es geht uns gut. Wir haben ein Häuschen mit einem
Garten oder eine Wohnung; es sind Scheiben in den Fenstern eingesetzt,
um die Kälte abzuhalten und eigentlich fehlt uns kaum etwas. Denken wir aber
jemals daran, dass draußen Maria und Josef tausendfach durch Europa umherirren,
dass sie Christus tragen, dass Christus in den Armen und Notleidenden, in den
Gequälten und Kranken schreit, in allen, die Er die Geringsten der Seinen genannt
hat und unter deren Ärmlichkeit Er den Glanz Seiner eigenen Person verbirgt?
Wieder wird es Weihnachten und Christus verlangt danach, von den Seinen
aufgenommen zu werden. Unsichtbar wandert er auf unseren Straßen. Seid dann
nicht wie die Raubtierherde von Bethlehem, wie die gleichgültigen Wirtsleute, wie
die wohlhabenden Bürger in den Kammern ihrer provinziellen Selbstzufriedenheit.
Öffnet eure Türen und eure Herzen einer jeden Not, die die Not Christi ist.
Die Not Christi?
Ich kenne junge Menschen, die schon seit Jahren verlobt sind. Wisst ihr, was eine
Verlobung ist? Das ist ein langsames Zueinanderwachsen zweier Menschen, die eins
werden müssen und die im wilden Pochen ihres Blutes den zwingenden Befehl
Gottes vernehmen, Erde und Himmel zu bevölkern. Der Aufschrei ihres Fleisches ist
im Wesen die Stimme Christi, die nach Leben ruft, die in neuen Seelen bestehen und
wachsen will. Solche junge Menschen sind wie Maria und Josef in unseren Tagen.
Doch wieder ist kein Platz in der Herberge. Im Gedränge der Gleichgültigkeit und
Ichsüchtigen suchen sie nach einem menschenwürdigen Leben oder nach einer
Unterkunft - ein paar Zimmern und einer kleinen Küche. Sie suchen voller Angst und
Ratlosigkeit, ist ihr Kampf nach all den Jahren doch so hoffnungslos schwer ... Aber
es gibt keinen Platz für sie. "Jetzt ist nicht die Zeit für eine Trauung", klingt es ihnen
aus dem Munde der Selbstsüchtigen entgegen, die sogar in ihren großen
Herrenhäusern über mehr Räume verfügen, als sie bewohnen können. Das ist Christi
Not. Oder glaubt ihr, Christi Leben sei hier nicht in Not?
Die Not der Vertriebenen
Die Not Christi?
Hundert Kilometer ostwärts liegt eine Stadt in Trümmern. Es ist fast nichts mehr
davon übrig, nur ein riesenhafter Bunker, wie sie die Deutschen überall gebaut
haben, um die Bevölkerung vor den Bomben zu schützen. Die übrig gebliebenen,
völlig verarmten Menschen der Stadt, hausen in diesem einzigen Bunker. Tausende
hocken hier beisammen. Es herrscht ein verpesteter Gestank. Jede Familie soweit man noch von Familien sprechen kann - liegt zusammengepfercht auf einigen
wenigen Quadratmetern Beton. Es gibt weder Feuer noch Wärme, es sei denn die
Wärme anderer Körper, woran man sich festklammert ... Und Christus will auch in
diesen Menschen leben - es sind übrigens unsere katholischen Brüder - mit Seiner
lilienweißen Reinheit, Seiner Nächstenliebe und Güte. Die Hirten haben Christus in
einem Stall angebetet, aber diese Leute haben noch nicht einmal einen Stall. Nach
menschlichem Ermessen kann Christus dort nicht leben, weil kein Platz für ihn da ist
... Das ist die Not Christi.
Die Not Christi?
Ein Verurteilter wurde aus dem Gefängnis entlassen. Er hat seine Strafe verbüßt und
kehrt nun zurück ins freie Leben. Ich habe den Jungen nie getroffen, und kenne
deshalb nicht den vollständigen Text dieses Dramas, worin er zwei Monate lang die
Hauptrolle spielte. Doch ich weiß, dass er nirgends einen Platz finden konnte und
dass für ihn überall die Türen verschlossen blieben. Nach zwei Monaten
hoffnungslosen Suchens hatte er den Glauben an sein Leben verloren: er hat sich
vergiftet. Das war natürlich verkehrt! Christus, der keinen einzigen Zöllner
verachtete, hätte in diesem Jungen leben können und seine Seele hätte ein Paradies
der Schönheit werden können, wenn er in den zwei Monaten wenigstens irgendwo
ein gutes Wort oder eine Lebensmöglichkeit gefunden hätte. Doch es war kein
Platz für ihn. Das ist die Not Christi.
Wohin die Selbstsucht führt
Liebe Freunde, wir leben in einer verrückten Welt. Eine Welt, die Jahrhundert um
Jahrhundert der rücksichtslosen Eigensucht als der höchsten Weisheit gedient hat ...
und wieder und wieder untergegangen ist. Eine Welt der Raubtiere und der
Gewalttäter. Eine Welt, in der man im Großen und im Kleinen das eigene Ich über
die Liebe gestellt hat. Von Cäsar bis Napoleon, von Hitler bis Stalin und zu den
amerikanischen Atomstrategen ist es immer dasselbe gewesen, und wird wohl immer
so bleiben. Cäsar wurde ermordet, Napoleon starb in der Verbannung, Hitler schoss
sich eine Kugel in den Kopf, Mussolini wurde gehängt... Was folgt? Gewalt und
zügellose Selbstsucht führen unfehlbar zum Untergang, das wissen wir. Wir haben es
selbst miterlebt und wir tragen selbst die Folgen. Doch wie blinde Tore gehen wir
den gleichen Weg weiter. Der Weg der Selbstsucht im Großen und im Kleinen. Von
den Weltkonferenzen der Großen Fünf bis zu der kleinen Geldgier eines Wucherers
und dem trägen Übel unserer eigenen Sünden wird die Welt von der Selbstsucht
regiert.
Es steht ein tragisches Wort in der Heiligen Schrift: "Er kam in sein eigenes Haus,
doch die Seinen nahmen ihn nicht auf." Kein Platz in der Herberge, weil "die Seinen"
keine Liebe hatten. Hier liegt die verborgene Wurzel von Krieg und Verwüstung.
Doch wir wissen, dass Er der Friedensfürst ist, nach dem sich die Welt sehnt und den
wir so bitter nötig haben. Lasst uns denn in Gottes Namen die Liebe
wiederherstellen, die die Türen und Herzen für ihn öffnet! Wir Menschen gehören
doch zusammen. Allesamt. Auch die Deutschen und die Kommunisten. Auch die
Verlobten ohne Haus und Zukunft und die frierenden Kranken in ihrem Bunker und
alle die anderen. Wir müssen Platz für einander schaffen und einander lieben und
helfen. Nicht mit Worten, sondern mit Taten, wie der heilige Martin. Er ritt auf
einem Pferd, ein Armer folgte ihm, der nichts mehr hatte. Da nahm er seinen Mantel,
schnitt ihn mitten entzwei und gab die Hälfte dem Armen. Der Arme war Christus.
Jeder Arme - im vollen Sinne des Wortes - ist Christus. Gebt also Kleider- und
Nahrungsmittelpakete für unsere Brüder in Deutschland und fordert nicht das letzte
Kilo Kohle von ihnen zurück. Stellt den Obdachlosen Räume in euren Häusern zur
Verfügung, einen Platz an eurem Tisch für die Hungernden. Schenkt eure Liebe, eure
Barmherzigkeit, eure Vergebung und eure Freundlichkeit allen!
Der heilige Johannes schrieb an die Christen: "Daran erkennen wir die Liebe: Er hat
Sein Leben für uns gegeben; auch wir müssen unser Leben für die Brüder geben.
Wenn einer also die Güter dieser Welt besitzt und seinen Bruder in Not sieht, sein
Herz aber verschließt, wie bleibt in ihm dann noch die Liebe zu Gott? Kinder, lasst
uns nicht mit dem Wort und mit der Zunge lieben, sondern mit der Tat und in der
Wahrheit" (1 Joh 3, 16-17). Solange wir dies nicht getan haben, bleibt unsere Tür
und unser Herz für Christus geschlossen. Kein Platz für Ihn bei uns! Alle Krippen,
rote Lämpchen, Gefühlsduselei und falsche Romantik können dies nicht gutmachen.
Lasst uns denn in unserem Herzen und in unserer nächsten Umgebung Frieden
schließen; die alten Streitigkeiten vergessen; einander mild und fest die Hände
drücken; die Liebe wieder herstellen. Denn das kleine, schreiende Kind in der Krippe
ist Emmanuel, der Gott-mit-uns. Und Gott ist Liebe.
Zum fünften Todestag von Pater Werenfried, lädt "Kirche in Not" am Samstag, 19.
Januar, zu einem Begegnungstag nach Köln ein. Das traditionelle Treffen beginnt
um 11 Uhr mit einer von Kardinal Joachim Meisner zelebrierten Heiligen Messe im
Kölner Dom. Nach einem Mittagsimbiss stehen die Vertreibung der Christen im Irak
und die Haltung der Katholiken in der NS-Zeit, im Mittelpunkt einer
Podiumsveranstaltung im Kölner Maternushaus. Mit dabei sind neben anderen
Erzbischof Louis Sako aus Kirkuk im Irak und die Schwester des verstorbenen
Kölner Kardinals Joseph Höffner, Helene Hesseler, die für Ihren Einsatz für
verfolgte Juden in Yad Vashem als "Gerechte unter den Völkern" geehrt wurde.
Nähere Informationen und Anmeldung unter Telefon: 0 89 / 7 60 70 55,
[email protected] oder unter: www.kirche-in-not.de.
Fotos zum obigen Artikel schicken wir Ihnen auf Anfrage gerne zu.
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