Paul Watzlawick und der Konstruktivismus

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Paul Watzlawick und der Konstruktivismus
Kurzbiographie
Paul Watzlawick wurde 1921 in Villach Österreich geboren, wo er auch seine Kindheit und
Jugend verbrachte. Nach der Matura studierte er in Venedig Philosophie und moderne
Sprachen. Nach Abschluss dieser Studien wurde der junge Dr. Phil. am C.G. Jung-Institut in
Zürich zum Psychotherapeuten ausgebildet und betrieb anschließend eine eigene TherapiePraxis. 1957 wurde er an die Universität von El Salvador berufen. Im Jahr 1960 holte ihn der
Psychotherapeut Don D. Jackson nach Palo Alto in Kalifornien, wo Paul Watzlawick am
Mental Research Institut tätig war. Seit 1976 lehrt er an der Stanford University in Palo Alto
in Kalifornien.
Paul Watzlawick hat sich einen Namen als Psychotherapeut und
Kommunikationswissenschaftler gemacht. Er veröffentlichte mehrere wissenschaftliche und
populärwissenschaftliche Sachbücher.
1969 veröffentlichte er in Zusammenarbeit mit Don D. Jackson und J.H. Beavin das Buch
,,Menschliche Kommunikation", indem sie die Grundmuster von Kommunikations-Strategien
aufdeckten. Später folgten ,,Lösungen"(1974), ,,Wie Wirklich ist die Wirklichkeit"(1977),
,,Die Möglichkeiten des Anders-Sein"(1977), ,,Anleitung zum Unglücklich-Sein"(1983), sein
bekanntestes Buch sowie ,,Vom Schlechten des Guten" (1986).
Konstruktivismus im Allgemeinen
Kernaussage:
Unsere Wahrnehmungsbedingungen machen es uns unter keinen Umständen möglich, die
Welt insgesamt oder teilweise außerhalb unserer eigenen physischen und psychischen
Grenzen zu erkennen. Wir nehmen nur eine je beobachterabhängige, individuelle Realität
wahr.
Wenn wir zum Beispiel eine Farbe, sagen wir mal Gelb, sehen, sehen wir nicht die eigentliche
Farbe. Vielmehr nimmt unser Auge mit den entsprechenden Rezeptoren diese Wellenlänge
des Lichtes auf, die in unserem Gehirn und nur dort zu dem verarbeitet wird, was wir Gelb
nennen. Ob dieser Prozess bei allen gleich ist und ob du und ich auch nur annähernd dasselbe
sehen, wenn wir über Gelb reden ist somit sehr fragwürdig.
Radikaler Konstruktivismus:
Der radikale Konstruktivismus geht noch weiter. Er besagt, dass es überhaupt keine
ontologische, d.h. absolute und unabhängige Wirklichkeit gibt.
In diesem Zusammenhang stellte der Bischof Berkleye schon im 18. Jahrhundert die Frage:
,,Verursacht ein Baum der im Wald umstürzt auch dann ein Geräusch, wenn niemand da ist,
es zu hören?"
Paul Watzlawick und der Konstruktivismus:
Paul Watzlawick betrachtete den Konstruktivismus im Bezug auf die menschliche
Kommunikation. Es ging ihm darum zu zeigen, dass das, worauf wir uns in
zwischenmenschlichen Beziehungen als Realität beziehen, häufig nicht etwas objektiv
Vorhandenes, also im herkömmlichen Sinne ,,Wirkliches" ist, sondern vielmehr etwas, was
wir selbst herstellen oder etwas, dem wir seine für ,,eigentlich" gehaltene Bedeutung selbst zu
schreiben. Dabei betrachtet er die menschliche Kommunikation als offenes System, das heißt,
dass zwei Personen die kommunizieren nicht als Einzelwesen zu sehen sind, sondern
miteinander ein Ganzes, ein System bilden. In diesem System gibt es Rückkopplungen, so
dass die Art der Kommunikation von Person A nicht nur eine bestimmte Wirkung hat,
sondern gleichzeitig die Kommunikation der Person B mit bestimmt.
Die praktischen Erfahrungen zu seinen Theorien gewann Paul Watzlawick in seiner
therapeutischen Arbeit mit Schizophrenen. Die Psychiatrie war eines der wenigen Gebiete, bei
dem sich die Annahme einer ontologischen Wirklichkeit bis in die 60er Jahre gehalten hatte.
Es wurde angenommen, dass es eine ontologische Wirklichkeit gibt, deren sich normale
Menschen klarer bewusst sind, als so genannte Geistesgestörte. Schizophrene besitzen oft
dieselbe Wirklichkeit erster Ordnung wie Normale, schreiben ihr aber eine ganz andere
Wirklichkeit zweiter Ordnung zu.
Paul Watzlawick machte folgenden Unterschied zwischen der Wirklichkeit erster und zweiter
Ordnung: In der Wirklichkeit erster Ordnung geht es um die physikalischen Eigenschaften
eines Objekts. In der Wirklichkeit zweiter Ordnung geht es um die Zuschreibung von Sinn,
Bedeutung und Wert dieses Objektes. Der Optimist und der Pessimist, die sich über das
halbvolle bzw. halbleere Weinglas unterhalten, haben zwar dieselbe Wirklichkeit erster
Ordnung, aber zwei grundverschiedene Wirklichkeiten zweiter Ordnung.
Der Placeboeffekt ist ein besonders gutes Beispiel für Wirklichkeitskonstruktion:
Vorschulkindern wurden während einer kurzen Reise so genannte ,,Heimwehtropfen"
verabreicht, die aber in Wirklichkeit nur aus Zuckerwasser bestanden. Den Kindern wurde
somit suggeriert, das der Arzt die Traurigkeit ,,wegmachen" könnte. Tatsächlich formten sich
die meisten betroffenen Kinder aufgrund dieses Versprechens eine veränderte Realität und
bekämpften so erfolgreich das Heimwehgefühl, für das es nun ,,eigentlich" keine
Berechtigung mehr gab.
Dieses Phänomen der selbsterfüllenden Prophezeiung funktioniert aber nicht nur bei
Einzelpersonen, sondern auch bei Gruppen und ganzen Massen. So wurde z.B. 1979 in
Kalifornien in den Medien berichtet, das es aufgrund der Öllieferungstops zu einer akuten
Benzinknappheit kommen würde. Tatsächlich war jedoch genügend Benzin da, um den
Normalverbrauch der kalifornischen Autofahrer zu decken. Die Medienberichte hatten
allerdings zur Folge, dass die Kalifornier so viel Benzin hamsterten, wie irgend möglich.
Damit trat nach wenigen Tagen wirklich der Zustand ein, der anfangs nur prophezeit worden
war. Es zeigt sich also daran, dass durch geschickte rhetorische Wirklichkeitskonstruktion
sehr nachhaltig auf soziales Verhalten eingewirkt werden kann. Massenmedien, Propaganda
und Werbung äußern Versprechen durch magische Worte, die zu einer veränderten
Realitätswahrnehmung führen und somit letztendlich zu dem Denken und Verhalten führen,
was bezweckt wurde.
Massenkommunikation (Klaus Mertens):
Menschen neigen dazu, zur Absicherung ihrer subjektiv konstruierten Wirklichkeit, die
Informationen aufzunehmen, die ihre Wirklichkeitsauffassung abstützen.(Klaus Mertens) Dies
erreicht er durch die Orientierung an anderen und durch die Konstruktion von Vorstellungen
über Wahrheiten. Dies Absicherung der eigenen Meinung durch die Orientierung an anderen
geschieht heute größten Teils über die Massenmedien. Hierbei liefert der Konstruktivismus
eine sozialpsychologische Erklärung für das, was als realitätsbildende oder
realitätsverzerrenede Kraft der Medien bezeichnet wird.
Beispiel:
Wenn sich ein Mensch zum Thema Wirtschaftsflüchtlinge informieren möchte, versucht er
dies auf Grund des komplexen Sachverhalts über die Massenmedien. Dort wird er womöglich
erfahren, das viele Immigranten aus wirtschaftlichen Gründen hier sind. Diese Meinungen,
auch die der Journalisten müssen nicht richtig sein, aber dadurch, dass in den Massenmedien
viele Personen ihre vagen Ansichten in der vagen Realitätsvorstellung andere spiegeln, nimmt
ein Großteil der mittelbar miteinander kommunizierenden Menschen die Fiktion der
Wirtschaftsflüchtlinge als Realität an. Ähnliche Mechanismen nutzt auch PR. So wie in den
Medien die öffentlich Meinung als Spiegelungseffekt von Pseudowissen erscheint, macht sich
PR das ,,Image" von Produkten und Firmen zu nutze. Images fungieren als hilfsweise
Realitätskonstruktionen, die einen Ersatz für das tatsächliche Wissen über einen bestimmten
Meinungsgegenstand bieten. Eine Zigarette bleibt z.B. eine Zigarette, aber ihr Image besagt
,,Smartheit", ,,Eleganz" oder ,,Abenteuer". PR nutzt dabei den Umstand aus, dass sich
Meinungen und Einstellungen beim Rezipienten durch Spiegelung in anderen Einstellungen
und Meinungen verfestigt.
Paul Watzlawick hat 5 Axiome für die Kommunikation aufgestellt:
Axiom: Als richtig erkannter Grundsatz, der keines Beweises bedarf.
Die Axiome der Kommunikation nach Watzlawick beschreiben wichtige Aspekte der
Kommunikation aus der Sicht der Sozialpsychologie.
1.Axiom: Man kann nicht nicht kommunizieren.
Beispiel: Eine Person, die mit verschränkten Armen im Wartezimmer sitzt und auf den Boden
starrt,
kommuniziert non-verbal, dass sie sich nicht unterhalten will. Es ist nach Watzlawick nicht
möglich nicht zu kommunizieren, da alles (Verhalten, Gestik, Mimik, sprechen und nicht
sprechen) Kommunikation ist. Watzlawick widerspricht somit der Auffassung, dass eine
Handlung ohne Intention
keine Kommunikation sei.
2.Axiom: Jede Kommunikation hat einen Inhalts und einen Beziehungsaspekt.
Eine Frau fragt eine Andere: ,,Sind die Perlen echt?" Die Gefragte kann nun die Frage auf der
Inhaltsebene auffassen, die sich direkt auf den Sachverhalt der Echtheit der Perlen bezieht.
Auf der Beziehungsebene aufgefasst, kann die Frau verstehen, dass die Andere ihr gegenüber
Neid
oder Bewunderung zum Ausdruck bringt. Dies ist eine gutes Beispiel für den
Konstruktivismus
nach Watzlawick, da Frau A Frau B auf der Inhaltsebene anspricht, Frau B sich aber auf der
Beziehungsebene angesprochen fühlt. Somit sehen beide jeweils nur ihre Realität, was in ihrer
Kommunikation zu Störungen führen kann.
3.Axiom: Die Beziehung zwischen Kommunikationspartnern ist durch die
Interpunktion von
Kommunikationsabläufen geprägt.
Beispiel: Eine Ehefrau nörgelt ständig an ihrem Mann herum, da sich dieser nach ihren
Angaben
bei Konfliktsituationen immer zurückziehe. Der Mann hingegen gibt an, er ziehe sich deshalb
zurück,
weil seine Frau immer nur nörgle. Im Wesentlichen erweisen sich ihre Streitereien als
monotones Hin
und Her der gegenseitigen Vorwürfe: ,,Ich meide dich, weil du nörgelst" und ,,Ich nörgle, weil
du mich meidest". Beide Partner nehmen ihr Verhalten nur als Reaktion auf das Verhalten des
anderen wahr,
ohne zu sehen, dass sie mit ihrem Verhalten das Verhalten des Anderen bedingen. Beide
interpunktieren den Kommunikationsablauf gemäß ihrer subjektiven Realitätswahrnehmung.
Dieser Fall von Konstruktivismus lässt sich auch auf das Wettrüsten im Kalten Krieg
anwenden:
Die Atommächte interpretierten ihr Aufrüsten nur als schutzbedingte Reaktion auf das
Aufrüsten
des jeweils anderen Landes, bedingten aber dadurch wieder das Aufrüsten des anderen.
Ein interessantes Phänomen im Bereich der Interpunktion ist die ,,selbsterfüllende
Prophezeiung":
Es handelt sich um Verhaltensformen, die bei anderen Menschen Reaktionen hervorrufen,
auf die dieses Verhalten eine angemessene Reaktion wäre, wenn sie es nicht selbst bedingt
hätte.
Beispiel: Wer davon überzeugt ist, dass ihn niemand respektiert, wird ein misstrauisches,
abweisendes Verhalten an den Tag legen, auf das seine Umwelt mit Unmut reagiert, was seine
Ursprüngliche Annahme beweist und ihn in seinem Verhalten bestätigt.
Das konstruktivistische Problem ist auch hier, dass der Betreffende sein Verhalten nur als
Reaktion auf das der anderen sieht, nicht aber als dessen auslösendes Moment.
4.Axiom: Menschliche Kommunikation bedient sich analoger und digitaler Modalitäten
Es gibt zwei Weisen, in denen ein Objekt dargestellt und zum Gegenstand von
Kommunikation gemacht werden kann. Es lässt sich entweder in einer Analogie ausdrücken
(z.B. Zeichnung) oder
durch einen Namen.
Digital: Das Wort Katze benennt ein bestimmtes Tier, jedoch stehen die 5 Buchstaben k, a, t,
z, und e
in keiner Beziehung zu dem benannten Tier, es besteht lediglich ein semantisches
Übereinkommen
für die Beziehung zwischen Wort und Objekt.
Analog: Eine Katze zu zeichnen oder non-verbal nachzuahmen wäre eine analoge Darstellung
dieses
Tieres. Die Analogie hat eine grundsätzliche Ähnlichkeitsbeziehung zu dem Gegenstand für
den sie
steht.
Weitere Beispiele zur Erklärung des Unterschied zwischen analoger und digitaler
Kommunikation:
Eine fremde Sprache kann durch bloßes Hören (z.B. im Radio) niemals verstanden werden,
weitgehende Informationen lassen sich jedoch aus der Beobachtung von Ausdrucksgebärden
während des Sprechens ableiten, selbst wenn die sie verwendende Person einer anderen
Kultur
angehört.
Es besteht kein Zweifel darüber, daß die meisten menschlichen Errungenschaften ohne die
Entwicklung von digitaler Kommunikation kaum möglich gewesen wäre. Dies gilt vor allem
für die
Übermittlung von Wissen von einer Person zur anderen und von einer Generation in die
nächste.
Tiere bedienen sich ausschließlich analoger Kommunikation (Ausdrucksbewegungen,
Vokalisierung)
Tierbesitzer sind oft überzeugt, daß Tiere ihre Sprache verstehen. Was das Tier versteht
ist nicht die digitale Kommunikation (die Bedeutung der Worte) sondern die zahlreichen
Analogiekommunikationen, die im Ton der Sprache und in der sie begleitenden Bewegung
enthalten
sind.
Ein Geschenk ist eine analoge Kommunikation. Ob der Beschenkte jedoch in diesem
Geschenk
einen Ausdruck der Zuneigung, der Bestechung oder eine Wiedergutmachung sieht,
hängt von der Auffassung ab, die er von seiner Beziehung zum Geber hat.
Schon mancher Gatte fand sich einer noch nicht zugegebenen Schuld verdächtigt, wenn er
seiner Frau unerwartet Blumen mitbrachte.
Digitale Kommunikation hat eine logische Syntax und ist somit geeignet für denotative
Kommunikation
auf der Inhaltsebne.
Analoge Kommunikation bezieht sich meist auf die Beziehungsebene einer Kommunikation.
5.Axiom:Kommunikation kann auf symmetrischen und komplementären Beziehungen
beruhen.
Symmetrische und Komplementäre Interaktionen stehen für Beziehungen, die entweder auf
Gleichheit
oder auf Ungleichheit beruhen.
Im ersten Fall ist das Verhalten der beiden Partner sozusagen spiegelbildlich und ihre
Interaktion
daher symmetrisch.
Im zweiten Fall dagegen ergänzt das Verhalten des einen Partners das des anderen, wodurch
ihre
Beziehung komplementär ist.
Symmetrische Beziehungen zeichnen sich durch Streben nach Gleichheit und Verminderung
von
Unterschieden zwischen den Partnern aus, während komplementäre Interaktionen auf sich
gegenseitig ergänzenden Unterschiedlichkeiten beruht.
In der komplementären Kommunikation gibt es zwei verschiedene Positionen: Ein Partner
nimmt die
so genannte superiore, primäre Stellung ein, der andere die entsprechend inferiore, sekundäre.
Diese Begriffe, dürfen nicht mit ,,gut" oder ,,schlecht", ,,schwach" oder ,,stark" verwechselt
werden.
Komplementäre Beziehungen beruhen auf gesellschaftlichen oder kulturellen Kontexten
(wie z.B. im Fall von Mutter - Kind, Arzt - Patient, Lehrer - Schüler)
Literaturangaben:
*Paul Watzlawick: ,,Wie Wirklich ist die Wirklichkeit", R. Piper & Co Verlag, 22.Aufl.,
München 1976
* H. Gumin und H. Meier: ,,Einführung in den Konstruktivismus", (Paul Watzlawick.
,,Wirklichkeitsanpassung oder angepasste Wirklichkeit), R. Olderboug Verlag, München1985
*PR Kolleg Berlin, Band 3, Kommunikation
* Paul Watzlawick, Don D. Jackson, J.H. Beavin: ,,Menschliche Kommunikation",
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