GEW¨OHNLICHE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN 1. Gewöhnliche

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GEWÖHNLICHE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN
1. Gewöhnliche Differentialgleichungen
In einer gewöhnlichen Differentialgleichung ist die Unbekannte eine reelle Funktion
f : I → R einer reellen Variablen. Der Definitionsbereich I ist üblicherweise ein Intervall (oder eine Halbgerade oder die ganze reelle Gerade). Die Gleichung entspricht einer
Beziehung zwischen den ersten n Ableitungen der Funktion f , die an jeder Stelle t ∈ I
erfüllt ist:
F (t, f (t), f 0 (t), . . . , f (n) (t)) = 0
∀t ∈ I ,
(1.1)
wobei F (t, v0 , v1 , . . . , vn ) eine Funktion von n + 2 Variablen ist. n ist die Ordnung der
Gleichung.
Beispiel 1.1. Wir kennen die Ableitung der Funktion f :
f 0 (t) = a(t)
f 0 (t) − a(t) = 0 .
d.h.
In diesem Fall haben wir F (t, v0 , v1 ) = v1 − a(t).
Beispiel 1.2. Bei einem fliegenden Flugzeug wirken zwei Beschleunigungen gegeneinander: die aufgrund der Triebwerke vorhandene Schubbeschleunigung a(t) und die aus dem
Luftwiderstand resultierende Widerstandsbeschleunigung, welche über das Gesetz B(v) =
−v 2 von der Geschwindigkeit v abhängt. Für die Bahnkurve f (t) des Flugzeugs haben wir
dann die Gleichung
f 00 (t) = a − f 0 (t)2
f 00 (t) − a(t) + f 0 (t)2 = 0 .
d.h.
In diesem Fall ist F (t, v0 , v1 , v2 ) = v2 +
v12
− a(t).
1
(1.2)
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2. Das Cauchy Problem oder Anfangswertproblem
Im Beispiel 1.1 ist die Lösung der Gleichung eine Stammfunktion von f :
Z
f (t) = a(t) dt + C .
Auf einem Intervall I ist die Lösung nur bis auf eine additive Konstant C bestimmt.
Allgemein erwarten wir, dass, n spezifische Werte der Unbekannten oder deren Ableitungen
nötig sind, um die Lösung einer gewöhnlichen Differentialgleichung n-ter Ordnung eindeutig
zu bestimmen. Für das sogenannte “Cauchy Problem” stimmt diese Aussage, sobald F
genug regulär ist. In einem Cauchy Problem haben wir eine Gleichung der Form
f (n) (t) = G(t, f (t), f 0 (t), . . . , f (n−1) (t))
zusammen mit n Anfangsbedingungen, d.h.

f (t0 ) = a0



f 0 (t0 ) = a1




 f 00 (t0 ) = a2
(2.1)


...





 (n−1)
f
(t0 ) = an−1 .
t0 ist eine Stelle im Definitionsbereich von f und a0 , . . . , an−1 sind n bekannte reelle Zahlen.
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3. Die Trennung der Variablen
Die Trennung der Variablen ist eine Methode um die Lösungen einiger spezieller
Differentialgleichungen erster Ordnung zu finden. Diese Methode kann man anwenden,
wenn die Gleichung die folgende Form hat:
f 0 (t) = F (f (t))a(t) .
(3.1)
Wir dividieren durch F (f (t)) und integrieren in t:
Z t 0
Z t
f (τ )dτ
a(τ ) dτ .
=
t0 F (f (τ ))
t0
Mit der Substitutionregel haben wir
Z t 0
Z f (t)
f (τ )dτ
dw
=
.
t0 F (f (τ ))
f (t0 ) F (w)
Wenn also A eine Stammfunktion von a und G eine Stammfunktion von
Fundamentalsatz der Integralrechung
G(f (t)) = G(f (t0 )) + A(t) − A(t0 ) .
1
F
ist, gibt der
(3.2)
Sofern nun der Wert f (t0 ) für ein t0 ∈ I bekannt ist, können wir die Lösung f (t) finden,
indem wir die Funktion G umkehren.
Wenn H die Umkehrfunktion von G ist, dann haben wir nämlich
f (t) = H(G(f (t0 ) + A(t) − A(t0 )) .
Die allgemeine Lösungsformel hat somit die Form
f (t) = H(A(t) + C) ,
wobei die Konstante C aus den Anfangsbedinungen bestimmt werden kann. Aber Vorsicht:
die Funktion G ist nicht unbedingt immer umkehrbar.
Beispiel 3.1. Die homgene lineare Differentialgleichung erster Ordnung hat die folgende
Form
f 0 (t) + a(t)f (t) = 0 ,
wobei a eine bekannte Funktion ist. Wir wenden die Methode der Variablentrennung an:
f 0 (t)
= −a(t)
f (t)
Z t 0
Z t
f (t)
dt = −
a(τ ) dτ
t0 f (t)
t0
Z f (t)
Z t
dw
=−
a(τ ) dτ .
f (t0 ) w
t0
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Nehmen wir an, dass die gesuchte Lösung positiv ist. Dann lösen wir das Integral und
finden
Z t
log(f (t)) − log(f (t0 )) = −
a(τ ) dτ
t0
−
f (t) = f (t0 )e
Rt
t0
a(τ ) dτ
.
Wichtig: Diese Lösungsformel haben wir nun unter der Annahme, dass f überall positiv
ist, hergeleitet. Durch Einsetzen in die obere Gleichung können wir uns aber leicht davon
überzeugen, dass diese Formel auch gilt, wenn f (t0 ) ≤ 0.
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4. Die lineare Gleichung erster Ordnung
Die lineare Gleichung erster Ordnung hat die Form
f 0 (t) + a(t)f (t) + b(t) = 0 .
Die Gleichung heisst homogen, wenn b ≡ 0 und inhomogen sonst. Die allgemeine Lösung
im homogenen Fall ist
R
f (t) = Ce− a(t) dt .
(4.1)
Für das Anfangswertproblem an der Stelle t0 bekommen wir dann
−
f (t) = f (t0 )e
Rt
t0
a(τ ) dτ
.
(4.2)
Ein wichtiger Spezialfall ist, wenn a eine Konstante α ist: In diesem Fall hat die allgemeine
Lösung der Gleichung
f 0 (t) + αf (t) = 0
die Form f (t) = Ce−αt .
R
Falls A eine Stammfunktion von a ist (d.h. A(t) = a(t) dt), dann ist die Lösung im
allgemeinen Fall:
Z
−A(t)
−A(t)
f (t) = Ce
−e
b(t)eA(t) dt .
(4.3)
Für das Anfangswertproblem an der Stelle t0 haben wir dann
Z t
R
Rt
− tt a(τ ) dτ
f (t) = f (t0 )e 0
−
b(s)e− s a(τ ) dτ ds .
t0
(4.4)
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5. Die lineare Gleichung zweiter Ordnung mit konstanten Koeffizienten
Die homogene lineare Gleichung zweiter Ordnung mit konstanten Koeffizienten ist
f 00 (t) + af 0 (t) + bf (t) = 0 ,
wobei a und b zwei Konstanten sind.
Wir betrachten das entsprechende Polynom zweiter Ordnung:
P (x) = x2 + ax + b
Fall 1 P hat zwei reelle Nullstellen λ1 6= λ2 . Die allgemeine Lösung ist dann
f (t) = C1 eλ1 t + C2 eλ2 t ,
wobei C1 , C2 ∈ R zwei Konstanten sind.
Fall 2 P hat eine einzige reelle Nullstelle λ (d.h. P (x) = (x − λ)2 ). Die allgemeine
Lösung ist dann
f (t) = C1 eλt + C2 teλt .
Fall 3 P hat keine reelle Nullstelle: die Nullstellen sind zwei komplexe, zueinander
konjugierte Zahlen λ + iµ und λ − iµ (mit µ 6= 0). Die allgemeine Lösung ist dann
f (t) = C1 eλt cos µt + C2 eλt sin µt .
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