Literaturskript zur Vorlesung: „Didaktik nach der Entwicklungstheorie Maria Montessoris“ INHALT 1. Biographisches zu Montessori 1.1 Wer war Montessori 1.2 Ihre Kindheit, Jugend, frühes Erwachsenenalter 1.3 Ihr beruflicher Werdegang 1.3.1 Montessori’s Ausbildungsweg 2. Zur Montessori-Methode 2.1 Von der Ärztin zur Pädagogin: 2.1.1 Die Entstehung der Methode und Einflüsse 2.1.2 Jean Itard 2.1.3 Seguin 2.1.4 Helen Parkhurst 2.1.5 Clara Grunwald 2.1.6 Freinet und Petersen 2.1.7 Pereira 2.1.8 Helene Helming 2.1.9 Anna MAccheroni 2.1.10 Blavatsky 2.1.11 Hugo de Vries 2.2 Verbreitung der Methode 2.2.1 San Lorenzo und das erste Kinderhaus 2.2.2 Montessori’s pädagogisches Urerlebnis 2.2.3 Il metodo und andere Werke 2.2.4 Verbreitung der Methode und Kinderhäusergründungen - Übersicht 3. Weitere Entwicklungen 3.1 Montessori in Katalonien, die Zeit zwischen 1916 und 1936 3.1.1 Katalonien 3.1.2 Machtantritt der Nationalsozialisten 3.2 Montessori in Indien, die Zeit zwischen 1939 und 1949 3.3 Die Zeit nach dem 2.Weltkrieg 3.4 Ihre letzten Lebensjahre 4. Begriffsdefinitionen und Zusammenhänge 4.1 Begriff der Didaktik 4.2 Begriff Entwicklungstheorie 4.2.1 Begriff Entwicklung (noch ausführen) 4.3 Zusammenhang von Didaktik und Entwicklungstheorie 4.3.1 Entwicklungstheorie Montessori’s 4.3.2 Zusammenhang Didaktik und Entwicklungstheorie 4.3.3 Montessori’s Erziehungstheorie 5. Die Einflüsse auf M. Montessoris Entwicklungstheorie 5.1 Zu den Wurzeln dieser Theorie: Einflüsse 5.1.1 Einfluss des Positivismus 1 5.1.2 5.1.3 5.1.4 5.1.5 5.1.6 Einfluss des Katholizismus Einfluss Indienaufenthalt Montessori und die Theosophen Biologie und Evolutionstheorie Montessori und die Frauenbewegung 6. Montessoris Entwicklungsmodell und Menschenbild 6.1 Der Mensch aus Sicht Montessoris 6.2 Stellung des Menschen im Kosmos 6.3 Friedenserziehung 6.4 Kind als geistiger Embryo 6.5 Biologische Triebkräfte 6.5.1 Engramm 6.5.2 Horme 6.5.3 Mneme 6.5.4 Nebule 6.6 Zentrum und Peripherie 6.7 Der absorbierende Geist 7. Die sensiblen Phasen/ sensitive Perioden 7.1 Die sensiblen Phasen nach Montessori 7.1 Montessori’s Phasenmodell der Entwicklung 7.1.1 Die erste Phase (0-6 Jahre) 7.1.2 Die zweite Phase (6-12 Jahre) 7.1.3 Die dritte Phase (12-18 Jahre) 7.2 Entwicklung und Nachahmung/Sprache 7.3 Der Ordnungssinn (n.Montessori, S.59) 7.4 Die Intelligenz (n.Montessori, S.70) 7.5 Die Bedeutung der Hand (n.Montessori, S.88) 7.6 Die Bewegung (n.Montessori, S.102) 7.7 Der immanente Bauplan 7.8 Wo ist Montessori’s Entwicklungsmodell einzuordnen 8 Begriffe 8.1 Begriff der Deviation 8.2 Begriff der Normalisation 9 Zum didaktischen Entwurf Montessoris 9.1 Bedeutung von Hilfe, Belohnung und Strafe bei Montessori 9.2 Grundlegung von Montessoris Didaktik 9.2.1 Der Begriff der Arbeit nach Montessori 9.3 Die freie Arbeit 9.4 Polarisation der Aufmerksamkeit 9.5 Engramme 9.6 Die vorbereitete und die räumliche Umgebung 9.7 Aufgaben und Rolle der Pädagogen 9.8 Das didaktische Material 9.8.1 Isolation der Schwierigkeit 9.8.2 Kombinierbarkeit 9.8.3 Wiederholung und Fehlerkontrolle 9.8.4 Ästhetik und Aktivität 2 9.8.5 Technik der Lektionen 9.9 Beobachtung des Kindes 10 Übungen des praktischen Lebens und Sinnesmaterialen, die versch. Materialien 10.1 Die verschiedenen Materialbereiche 10.2 Sinneserziehung und Sinnesmaterialien I: Allgemein 10.3 Sinnesmaterialien II: Im Detail 10.4 Übungen des Praktischen Lebens I: Allgemein 10.5 Übungen des praktischen Lebens II: Übungen und Materialien 10.6 Materialien Mathematik 10.7 Spracherwerb 10.7.1 Materialien zur Sprache, Lesen + Schreiben 10.8 Kosmische Erziehung im Detail 10.8.1 Die Materialien 11 Montessori-orientierte Didaktik für KIGA, Primar- und Sekundarstufe 11.1 Montessori-Pädagogik für die Kinderkrippe und den Kindergarten 11.2 Montessori-Schulen 11.2.1 Schule für die 6-12-jährigen 11.2.2 Sekundarstufe: Erdkinderplan 11.2.3 Sekundarstufe: Freie Arbeit 11.2.4 Pensenplan und Lernpass (s. Waldschmidt S.64) 11.2.5 Montessori-Gymnasien 11.3 Montessori-Pädagogik und Hochbegabung 11.4 Religiöse Erziehung bei Montessori 11.5 Montessori-Didaktik in heilpädagogischen und integrativen Einrichtungen 11.6 Soziales Lernen 11.7 Exkurs: Montessori-Einrichtungen (alles bei Hedderich) 11.7.1 Kinderhäuser 11.7.2 Grundschulen 11.7.3 Gesamtschulen 11.7.4 Sonderschulen 12 Montessori Pädagogik für die Integration 12.1 Hellbrügge 12.2 Das Schulmodell 12.3 Wie lässt sich das Hellbrügge-Modell mit Montessori verbinden 12.4 Kritik an Hellbrügges Modell 12.5 Kooperationen im Unterricht 12.6 Individualisierung 12.7 Integrative Erziehung und soziales Lernen 12.8 Therapie nach Montessori 13 Offene Punkte 13.1 Wirkungen der Pädagogik Montessori 13.1.1 Wirkungen im internationalen und interkulturellen Vergleich 13.1.2 Internationale Verbreitung v. Montessoris Pädagogik 13.1.3 Montessori-Pädagogen in Verbänden 13.1.4 Internationale Wirkungen der Montessori-Heilpädagogik 13.1.5 Ad: Rebeca WILD 13.1.6 Häufige Kritikpunkte an Montessori, z.B. durch KILPATRICK 3 13.1.7 FRÖBEL, STEINER 13.1.8 Montessoris Schulkritik 13.1.9 Montessoris Position zur universitären Bildung 13.1.10 Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Vergleich zu nicht behinderten Schülern Abbildung 1: MAria Montessori, Quelle: Wikipedia/Maria Montessori 4 1. Biographisches zu Montessori 1.1 Wer war Montessori 1.1.1 Kindheit Maria Montessori,1870 in Chiaravalle bei Ancona geboren, gestorben 1952 in Noordwijk aan Zee). Sie war das einzige Kind von Alessandro (Offizier der Freiheitsbewegung, später Staatsbeamter, dann Verwaltungschef in einer staatlich betriebenen Tabakindustrie.) und Renilde Montessori, einer ebenfalls sehr gebildeten Frau (vgl. Waldschmidt, 12) Der Vater ist stets bemüht die traditionelle, konventionelle Rollenverteilung innerhalb der Familie zu erhalten, was in der Familie immer wieder zu Konflikten führt. (vgl.Hedderich, 12) Von Seiten der Mutter Verwandtschaft mit dem nicht unumstrittenen Theologie- und Geologieprofessor Antonio Stoppani. Montessori’s Grundgedanke der „Kosmischen Erziehung“ (mehr dazu später) entstand u.a. laut Wikipedia aus Stoppani’s Theorie, die Theologie mit den Naturwissenschaften verband.(Artikel „Montessori“; vgl. Wikipedia, die Freie Enzyklopädie) Die Stoppani’s waren eine Gutsbesitzerfamilie in Bologna, sie standen der Ausbildung von Frauen sehr offen gegenüber. (vgl. Waldschmidt, 12) 1.1.2 Montessoris Schulzeit Schulisch gesehen soll Montessori nicht unbedingt die beste Schülerin gewesen sein, v.a. in der Grundschulzeit, so bei Waldschmidt (vgl. 12). Vielleicht lag dies aber auch daran, dass die Schule, die Montessori besuchte – sicher im Sinne ihres Vaters – noch an Erziehungsvorstellungen festhielt, die nach Autorität ausgerichtet war. Wie wir aber bereits festgestellt haben, entstammte M. Montessori’s Mutter einer Familie, die diesen traditionellen Erziehungsmustern eher entgegenstand. Von Renilde, ihrer Mutter, konnte Maria also diesbezüglich Unterstützung erwarten, aus diesen konventionell-strengen Rollenmustern auszubrechen. (bei Waldschmidt [12] und Hedderich [12f.]) Mit zehn Jahren erwuchs Maria ein unbändiger Ehrgeiz und Fleiß, der sich auch in ihren schulischen Leistungen niederschlug. (vgl. Waldschmidt, 13) Montessori trotzte in einer Art und Weise auch den Erziehungsabsichten ihres Vaters, als sie sich schon in sehr früher Schulzeit für Naturwissenschaften begeisterte, vor allem die Mathematik weckte größtes Interesse, (vgl. Waldschmidt, ebd.), was auch dazu führte, dass sie in weiterer Folge ihrer schulischen Laufbahn eine Technische Oberschule (Anm.: eine technisch-naturwissenschaf´tliche Schule, vgl. Waldschmidt, 14) besuchte. (Artikel „Montessori“; vgl. Wikipedia, die Freie Enzyklopädie) Der Lehrplan dieser Schule bot Montessori eine breite Fülle an Fächern wie z.B. Arithmetik, Algebra, Geometrie, Geschichte, Erdkunde, wie auch Physik oder Chemie. (vgl. Waldschmidt, 14) Während das Lehrangebot für Montessori das wahre Paradies gewesen sein muss, so sehr musste sie aber auch hier wieder feststellen, wie verschroben und trocken die Unterrichtsführung, bzw. sich die Vermittlung der Lehrinhalte gestaltete – in eigenen Worten, ein „bloßes, liebloses Eintrichtern des Lehrstoffes“. Jedenfalls schloss Montessori auch diesen Ausbildungsweg mit hervorragenden Noten ab, so bei Waldschmidt weiter (vgl. 14), etwas, was ihren Vater noch erfreut haben dürfte, ihr Wunsch Ingenieurin zu werden wird ihm jedoch nicht besonders 5 „geschmeckt“ haben. Ein weiterer Traum Montessoris war es aber auch – entgegen den Vorstellungen ihres Vaters – Ärztin zu werden. Auch hier konnte Maria ihren Kopf durchsetzen….(ebd.) 1.1.3 Das Studium: Teil 1 Ihre Intentionen, diesen Beruf einmal ausüben zu wollen hatten durchaus auch einen sozialen und gesellschaftlichen Charakter. Sie wollte die bisherigen sozialen Missstände aufbrechen, sich sozial einsetzen. (vgl. Waldschmidt, 14) Montessoris Wunsch Ärztin zu werden war mit einem Medizinstudium verbunden, welches aber bislang eine Männern vorbehaltene Domäne war. Ihr unbändiger Wille und Ehrgeiz ermöglichte es ihr jedoch sich auch hier durchzusetzen und so konnte sie sich 1890 an der Universität Rom einschreiben lassen – für Mathematik, Physik und Naturwissenschaften. Der erfolgreiche Abschluss dieses Studiums berechtigte sie schließlich zum Medizinstudium. (ebd.) Die Absolvierung dieses von Männern „dominierte“ Studium (Montessori war zu diesem Zeitpunkt auch die einzige StudentIn) brachte für die junge Montessori aber einige „abstruse“ Auflagen mit sich, wie z.B. dass sie nicht gemeinsam mit ihren männlichen Kommilitonen Leichen sezieren durfte oder durfte sie erst den Hörsaal betreten, nachdem ihre männlichen Studienkollegen den Saal betreten hatten. (vgl. Hedderich, 13) Ihr Studium beendet Montessori erfolgreich im Alter von 26. „Im Studium beschäftigte sie sich besonders mit Embryologie und Evolutionstheorie. Ihre Wissenschaftsauffassung entsprach dem Positivismus.“ (zit. n. Wikipedia) 1.1.3 Das Studium: Teil 2 Während ihres Studiums noch versuchte Montessori sich finanziell durch Privat- und Nachhilfestunden unabhängig zu halten, dadurch konnte sie auch wertvolle Erfahrungen im pädagogischen Bereich – schulische Probleme der Kinder betreffend zum Beispiel – machen. Ebenso engagierte sich Montessori in der Frauenbewegung. Im Zuge dessen wurde sie zur „Delegrierten“ des Frauenkongresses, der 1896 in Berlin abgehalten wurde und mit einigen Vorträgen Montessoris verbunden war. Kurz vor dem Kongress beendete sie ihr Studium der Medizin und erlangte mit einer Arbeit auf dem Gebiet der Neuropathologie1 den Doktortitel in Medizin und Chirurgie. (vgl. Waldschmidt 17) 1.1.4 Die Zeit nach dem Studium Nach ihrem Studium bewarb sich Montessori an einer „Psychiatrischen Klinik“ der Uni Rom für eine Assistenzstelle (vgl. Waldschmidt, 17), die sie dann auch antritt. Dort hatte sie für 2 Jahre eine Stelle in der Kinderabteilung inne. Montessori lag es am Herzen – schon aus eigenen Erfahrungen heraus – gegen die bisherigen missständigen Erziehungsmethoden anzugehen. Ihre Hauptaufgabe als Assistenzärztin lag jedoch auf der „Erforschung des Zusammenhangs der Schilddrüsenfunktion und deren Einfluss auf Geisteskrankheiten“. (zit. n. Waldschmidt, 17) Besonderes Hauptaugenmerk richtete Montessori dabei den geistig behinderten Kindern, die dort nur notdürftig versorgt wurden und an denen auch medikamentöse Versuche durchgeführt worden waren, so Waldschmidt weiter (ebd.). „Die Neuropathologie ist ein Gebiet der Pathologie, welches sich mit den Erkrankungen des Zentralnervensystems, der Hirnhäute (Meningen) und der peripheren Nerven beschäftigt.“ (zit. n. Wikipedia) 1 6 Die Kinder dort waren laut Hedderich (vgl. 13) in Gefängnissen untergebracht, die so genannten „Wärterinnen“ oder „Aufsichtspersonen“ sahen in den Kindern wohl geistig abnorme Wesen, die offenbar planlos mit ihrem Essen herumspielten. Montessori entdeckte in diesem auffälligen Verhalten jedoch das dringliche Bedürfnis der Kinder, sich in diesem kargen, verlassenen Raum eine „geistige Anregung“ zu verschaffen. (ebd.) 2. Zur Montessori-Methode 2.1 Montessori – Von der Medizinerin zur Pädagogin 2.1.1 Die Entstehung der Methode und Einflüsse Im Zuge ihrer Beschäftigung mit diesen Kindern, aber vor allem gegeben durch ihr Erlebnis, das sie in dieser „Irrenanstalt“ gemacht hatte (s.o.), sah sich Montessori zu einer neuen – pädagogischen - „Lebensaufgabe“ berufen. …Dabei stieß sie auf die in Vergessenheit geratenen Arbeiten von Jean Itard und Edouard Séguin, dessen Schriften zur "Physiologischen Methode" sie aus dem Französischen ins Italienische übersetzte. 2.1.2 Wer war Jean Itard Jean Marc Gaspard Itard lebte von 1775 – 1838 und war ein französischer Arzt und Taubstummenlehrer in Paris. Itard dürfte vor allem für seine jahrelangen Erziehungsversuche um „Victor“, das so genannte „Wilde Kind von Aveyron“ von elf oder zwölf Jahren bekannt sein, welches er 1799 im Wald von Caune aufgegriffen hatte. Der Junge lebte dort völlig „verwildert“ und ohne jegliche menschliche Zuwendung mit Tieren. (s. auch Waldschmidt, S 19) – fernab der Zivilisation, was zur Folge hatte, dass der Knabe völlig kommunikationslos war. Dass Itard sich des kleinen Jungen annahm, sorgte für einiges Aufsehen, zumal die Öffentlichkeit diesen für erziehungsunfähig hielt, aufgrund seiner „Verhaltensauffälligkeiten“ – auch in Bezug auf seine „Sprache“ (er wuchs ja im Wald mit Tieren auf) sahen sie ihn als „Idioten“. Itard jedoch war der Überzeugung, dass der Junge nicht „idiotisch“ sei, sondern dass seine Auffälligkeiten in Zusammenhang mit den mangelnd ausgebildeten Sinnen stünden. Deswegen lag sein Ziel in der „Entwicklung des Geistes durch die Erziehung der Sinne“. (zit. n. Waldschmidt, S 19) So einleuchtend Itard’s Überlegungen auch klingen mögen, so sehr scheiterte er jedoch mit seinen Erziehungsversuchen an dem kleinen Victor. 2.1.3 Wer war Edouard Seguin Édouard Séguin lebte von 1812 bis 1880, war französischer Arzt und Pädagoge. Er unterrichtete ab 1837 in der bekannten Pariser „Irrenanstalt“, dem Hospice de Bicêtre. Seine Überlegungen zur Erziehung der behinderten Kinder sah er „stufenartig“ durch a) Ausbildung und Koordination der Bewegung (vgl. ‚Erziehung der Aktivität’, dazu später) und weiters durch b) Ausbildung der sinnlichen Wahrnehmung und letztlich durch c) das geistige Training des Intellekts. (vgl. Waldschmidt, S 19). Für die praktische Umsetzung seiner Methodik entwickelt er spezielle Materialen, die so 7 genannten Sinnesmaterialen, welcher sich auch Montessori später annahm und weiterentwickelte. (s. auch Hedderich, S13) Sein Werk Traitement moral, hygiène et éducation des idiots beeinhaltet seine langjährigen Erfahrungen in der Arbeit mit den Kindern, es wird 1846 publiziert. (Artikel „Edouard Seguin“ in: Wikipedia, der Freien Enzyklopädie). Anknüpfungspunkte an Pereira 1.) Intellektualisierung der Sinne durch physiologische Schulung 2.) Als Mittel der Auffassung kann ein Sinn an die Stelle eines anderen Sinnes treten. 3.) Mit Hilfe der physiologischen Übung kann das Funktionieren eines anderen Sinnes verstärkt und der Erwerb eines anderen Sinnes vorbereitet werden. 4.) „Abstrakte Ideen sind Vergleiche und Verallgemeinerungen, die der Geist mit den Sinnen wahrgenommen hat.“ (vgl. Biewer-Folien) 5.) Wahrnehmung als „Nährboden“ für die Ausbildung des Geistes. 2.1.4 Wer war Helen Parkhurst Helen Parkhurst, geb. 1887 in Wisconsin und gestorben 1973 in Milford Connecticut, war eine amerikanische Reformpädagogin, Erzieherin, Autorin und auch Lektorin. Wurde bekannt durch den Dalton Plan2, dessen Begründerin Parkhurst war. In jungen Jahren machte sie sich in den USA für die Montessori-Methode stark (siehe dazu später) Im Zuge ihrer Pazifik-Ausstellung in San Francisco, wo Parkhurst Montessori-Kinder, die in einem gläsernen Pavillon arbeiteten, anleitete, traf sie auch auf Montessori (zu dieser Begegnung später noch) (vgl. Waldschmidt, 27; ) Ein entscheidendes Moment, das Parkhurs mit Sicherheit auch zur Entstehung des Daltonplans mit beeinflusst haben mussen, waren wohl auch ihre persönlichen Schulerfahrungen, ähnlich, wie wir es auch schon bei Montessori erfahren haben. Ihre Schulerfahrungen waren vor allem durch den (ungeliebten) Frontalunterricht bestimmt, welcher durch strenge Disziplinierung und ständigen Moralisierungen gekennzeichnet war. Der Zwang zum Stillsitzen war für Parkhurst ebenso unerträglich.(vgl. Online-Artikel v. Peter Thiel) „Die traditionelle Pädagogik, sagt sie später, betrachte den Lernprozess durch das falsche Ende des Fernrohres, nämlich nur aus der Perspektive des Lehrenden“. (zit. n. Peter Thiel) Montessori’s und Parkhurst’s Wege trennten sich später aufgrund inhaltlicher Differenzen. Dalton-Plan n. Helen Parkhurst: „Der Grundgedanke beruht auf dem sog. Kontrakt, durch welchen das Kind an die Schule gebunden wird. Er ermöglicht, in einem System der Freiheit zu arbeiten und überträgt dem Kinde die Verantwortung für sein Lernen. Der Lehrplan für jedes Fach und jede Unterrichtsstufe ist in mehrere Kontrakte unterteilt, das sind kleinere überschaubare Stoff-Portionen. Daraus ergeben sich die sog. Assignments, zu deutsch Anweisungen. Jedes Assignment ist unterteilt in vier Arbeitsabschnitte, die den wöchentlichen Lernstoff umfassen. 2 Der Lehrer unterrichtet nicht mehr im herkömmlichen Sinne. Der Klassenraum hat den Charakter eines Laboratoriums und ist jeweils ausschließlich für ein bestimmtes Unterrichtsfach eingerichtet. Dort hält sich die fachspezialisierte Lehrkraft bereit, den Kindern beim Lernen helfend unter die Arme zu greifen (..).“ (zit. n. Online-Text , weitere Informationen zum Dalton-Plan könnt ihr unter diesem Link nachlesen) 8 „Ich bin der Meinung, dass der Einfluss des Gespräches eines Lehrers mit einem einzelnen Kind über jedes gewöhnliche akademische Thema viel stärker ist, als was in einer Lektion gesagt wird. Die älteren von uns hörten häufig Predigten oder Vorträge, die uns anspornten, und wenn wir privilegiert wurden, um über Punkte mit dem Prediger oder dem Lektor danach zu sprechen, war der Effekt viel nachdrücklicher und dauerhafter.“ (zit. n. Wikipedia) – HELEN PARKHURST 2.1.5 Clara Grunwald Clara Grunwald, 1877 - 1943 im KZ Auschwitz-Birkenau. Sie war eine deutsche Lehrerin und Protagonistin der Montessori-Pädagogik. Grunwald absolvierte eine Höhere Mädchenschule und ein Lehrerinnenseminar. Später unterrichtete sie in verschiedenen Schulen. 1913 kam Clara Grunwald erstmals durch Montessori’s Werk „Die Entdeckung des Kindes“ mit der neuen Erziehung in Kontakt. Erst nach dem Ersten Weltkrieg war es Grundwald möglich sich für die Montessori-Pädagogik stark zu machen, z.B. gründete sie auch Montessori-Kinderhäuser, gründete 2 Montessori-Vereine (-> DMG: Deutsche Montessori Gesellschaft e.V.) und sie brachte einige Werke heraus. 1929 wurde auf Initiative der beiden Schwestern eine 1. Versuchs-Volksschulklasse nach der Montessori-Methode unterrichtet. Der Schulversuch fand bei Eltern, Lehrkräften und der behördlichen Schuladministration hohes Lob. Ende 1926 kam es zum Konflikt zwischen Grunwald und Montessori, der beide Frauen unwiderruflich trennte. Trotzdem setzte sich Clara Grunwald so lange als möglich für die neue Erziehung ein, die sich in Deutschland zu etablieren begann, bis die Machtübernahme der Nationalsozialisten dieser Entwicklung ein Ende setzte. (vgl. Online-Enzyklopädie) 2.1.6 Freinet und Petersen Celestine Freinet Celestine Freinet (1896 – 1966) gehörte zu jener Generation Reformpädagogen, der – wie Grunwald – erst nach dem Ersten Weltkrieg pädagogisch aktiv wurden. Freinet kritisierte das damals bestehende Schulsystem wie alle anderen Reformpädagogen auch. Zusammengefasst kann Freinet nach Dietrich (1993) (vgl. Hedderich, 20) als pädagogischer und politischer Schriftsteller gesehen werden, ebenso leistete er wesentlichen Beitrag zur Erneuerung der pädagogischen Praxis und er gründete eine internationale Lehrerbewegung. Grundprinzipien seiner Pädagogik lassen sich wie folgt kurz zusammenfassen: - Recht auf Entwicklung der Individualität des Kindes, sowie auf - einen Lernrhythmus - Selbstregulierung v. Konflikten im Klassenrat - Verschiedene Arbeitsformen wie Morgenkreis, Tages- Wochenpläne bzw. für gemeinsame Arbeit, eigenverantwortlicher Umgang mit den Materialien. (ebd., 21) 9 Peter Petersen Petersen (1884 – 1952) hatte einen Lehrstuhl an der Uni Jena und leitete eine der Uni angegliederte Versuchsschule. Sein Schulkonzept baut auf Grundlage eines philosophisch-christlichen Welt- und Menschenbildes auf. Der Jena-Plan, ein schulpädagogisches Konzept, das auf Petersen zurückgeht, streicht er die Wichtigkeit einer Schule als Lebensgemeinschaft heraus -> Lebensgemeinschaftsschule, d.h. er fordert mehr Freiraum zur Mitgestaltung des Schullebens ein. - Organisation in jahresübergreifenden ‚Stammgruppen’ - Wochenplanarbeit - Gruppenraum als ‚Schulwohnstube’ - ‚Charakteristik’ als Form der Leistungsbeurteilung (vgl. Hedderich, 22) 2.1.7 Jacob Rodriguez Pereira Jacob Rodrigues Pereira, geboren 1715 in Portugal, gestorben 1780 in Paris. Pereira war ein berühmter Pädagoge, er entwickelte unter anderem eine Lehrmethode für Taubstumme und er gilt als Pionier in Frankreich. Pereira gilt als der erste Lehrer gehörloser Schüler in Frankreich, so bot er an seiner Schule in Bordeaux zwei „Bildungswege“ an: den ärmeren und zahlreicheren Schülern gab Pereira einen 15-monatigen Kurs, welcher lebensnotwendige Fähigkeiten vermitteln sollte. Die wohlhabenderen und intelligenteren Schüler blieben vier bis fünf Jahre und bekamen eine bessere Bildung. Pereira stützt sich methodisch im Ansatz auf die Aufzeichnungen Juan Pablo Bonet’s, er entwickelte ebenso ein schnelleres phonetisches Fingeralphabet, welches die Laute der Sprache besser veranschaulichte. Pereiras Schüler sollen noch über beträchtliche Hörreste verfügt haben, einige von ihnen wurden unter Pereiras Methoden sogar recht erfolgreich und angesehen, wie zum Beispiel der schon von dem tauben Mönch Etienne de Fay (1669 - 1749) unterrichtete Azy d’Etavigny, dem Pereira noch das Sprechen beigebracht hatte und ihn 1749 am Hof von Paris als Beleg für die Wirksamkeit seiner Methoden erfolgreich vorführte. (Online-Artikel Wikpipedia) 2.1.8 Helene Helming Helene Helming gehört neben Paul zu jenen Vertretern der Montessori-Pädagogik, die vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg dafür gesorgt haben, dass die Methodik, die während der Kriegsjahre durch die Nationalsozialisten „verbannt“ wurde, wieder ins „Leben zurück geholt wurde“. (vgl. a. Hedderich, 17) Sie setzte sich vor allem im Raum Nordrhein-Westfalen dafür ein, dass die von Montessori konzipierte Methode wieder ins Schulsystem integriert wird. (vgl. a. Waldschmidt, 35) 2.1.9 Anna Maccheroni Anna Maccheroni war eine von Montessori’s langjährigen Freundinnen. Sie gehörte zu jenen Leuten, die mit Montessori’s Sohn Mario, nach deren Tod für die vor allem internationale 10 Verbreitung der Methode sorgte, genau wie auch Parkhurst (s.o.) (vgl. Hedderich und Waldschmidt) 2.1.10 Helena Blavatsky Helena Petrovna Blavatsky, gebürtige Helena von Hahn, nach ihrer ersten Verehelichung Jelena Petrowna Blawatzkaja, nach zweiter Verehelichung Helena Betanelly; 1831 bis 1891. Sie war eine russische Okkultistin und Schriftstellerin deutsch-russischer Herkunft, sie wurde vor allem als Mitgründerin der Theosophischen Gesellschaft bekannt. Blavatsky gründete Ende 1875 mit Henry Steel Olcott, William Quan Judge und anderen in New York die Theosophische Gesellschaft. Mit der Gründung der Theosophischen Gesellschaft startete Blavatsky einen Versuch, auch von seriösen Intellektuellen akzeptiert zu werden, was zwar auch erfolgreich war, aber auch immer wieder Kritiker auf den Plan rief, die die Echtheit ihrer Behauptungen anzweifelten. (vgl. Online-Artikel Wikipedia) 2.1.11 Hugo de Vries Hugo de Vries (1848 – 1935, holländischer Biologe) spielte vor allem eine wichtige Rolle bei den Überlegungen zu den Theorien der sensiblen Perioden. Auf diesen Annahmen stützte Montessori ihre Theorien (vgl. in „Kinder sind anders“, S.49) De Vries studierte zum Beispiel die Ontogenese besonders von wirbellosen Tieren und hielt im Zuge dessen sensible Entwicklungsperioden fest, in denen sich das entwickelnde Tier verstärkt empfänglich für bestimmte Umwelteinwirkungen zeige. Montessori überträgt dieses Gedankengut auf die menschliche Entwicklung. (vgl. Hedderich, 27) 2.2 Verbreitung der Methode 2.2.1 San Lorenzo und 1.Kinderhaus „Casa die bambini“ In diesem herunter gekommenen Viertel von Rom veranlasst Montessori Wohnungen für bedürftige Familien. Es entsteht auch ein Hort. Montessori wird mit den Konzeptionen dieser Kindereinrichtungen beauftragt. In diesen Kindereinrichtungen liegen die Wurzeln von Montessori’s pädagogischen Erziehungskonzepten. 1907 wird das erste Kinderhaus „Casa die bambini“ Rom eröffnet, in dem Kinder aus vor allem sozial schwachen Familien untergebracht waren. Die Bezeichnung „Haus der Kinder“ hatte Montessori dabei bewusst gesetzt, denn es verstand sich nicht als Betreuungseinrichtung. 2.2.2 Montessori’s pädagogisches „Urerlebnis“ Dies hatte Montessori genau in diesem Kinderhaus gemacht. Sie beobachtete dort ein kleines Mädchen, welches sich selbständig und sehr intensiv mit den dort vorhandenen Sinnesmaterialen beschäftigte. Montessori war fasziniert davon, dass das Mädchen sich bei seinen Tätigkeiten nicht aus der Ruhe bringen ließ und sich vollkommen auf die Bewältigung dieser „Sinnesaufgabe“ widmete. Als es damit fertig war, zeigte das Mädchen eine tiefe Zufriedenheit. (vgl. Hedderich, 14f.) „Hilf mir, es selbst zu tun“ 11 Diese konzentrierte Aufmerksamkeit (vgl. Wikipedia) ist bei Montessori auch als „Polarisation der Aufmerksamkeit“ (ebd.) bekannt und dies bildete auch den Kern v. Montessori’s Pädagogik. (später mehr zu „Polarisation der Aufmerksamkeit“) (vgl. Hedderich, 15) 2.2.3 „Il metodo“ und andere Werke Montessori’s, die weltweit Verbreitung fanden „Il metodo della pedagogica scientifica“ (dt. “Die selbsttätige Erziehung im frühen Kindesalter”, heutiger Titel: “Die Entdeckung des Kindes”) erschien 1909 und umfasste inhaltlich – theoretisch und praktisch – Montessori’s Erfahrungen und Erlebnisse, Beobachtungen, die sie während ihrer Zeit im Kinderhaus und in der Grundschule gemacht hatte. Die Punkte, die Montessori in diesem Werk anspricht, sollten als Grundlage für die Umsetzung in der Praxis dienlich sein. (vgl. Waldschmidt, 33) Neben „Il metodo..“ sind noch zwei weitere Werke Montessori’s zu nennen, die sich mit den Beobachtungen und Erlebnissen im Kinderhaus beschäftigen, wie zum Beispiel: „L’autoeducazione..“ (dt. „Montessori-Erziehung für Schulkinder“, später: „Schule des Kindes“), welches erstmals 1916 erschien. Das dritte Werk nannte sich „Mein Handbuch“ (1922). Weiters zu nennen sind Montessori’s religionspädagogische Schriften (bis 1920), welche sich auch als Anleitung für die Praxis verstehen. „I bambini viventi nella chiesa“. (vgl. Fuchs, 156) 2.2.4 Ad Verbreitung der Methode und weltweite Gründung v. Kinderhäusern Montessori’s Erziehungsmethoden fanden zwischen 1911 und 1913 zunehmend auch in Nordamerika Zuspruch, ebenso wurde in diesem Jahr ein weiteres Kinderhaus in Spanien gegründet. (vgl. Hedderich, 16) Die Entstehung nationaler Montessori-Gesellschaften treibt die Ausbreitung der Montessori-Methode weiter voran. Die 1929 durch einen Zusammenschluss entstandene Association Montessori International (kurz: AMI) (vgl. ebd.) befindet sich heute mit Hauptsitz in den Niederlanden (seit 1935). Zuvor hatte die AMI ihren Sitz lange Zeit in Berlin. Kinderhäusergründungen 1.) 1922: Montessori hält mehrere Vorträge in Wien – auf Einladung von Lili Roubiczek. (vgl. Fuchs, 156) Erstes Kinderhaus in Wien-Favoriten für sozialbenachteiligte Kinder. Es gab verschiedene Kindergruppen in Sozialwohungsprojekten der Gemeinde Wien (Ende 1930-er). An der Realisierung und Umsetzung der Einrichtungen in Wien war Lili Roubiczek wesentlich beteiligt und sie versuchte den Montessori-Ansatz mit der Psychoanalyse zusammenzuführen. 2.) Kinderhäusergründungen während ihres Aufenthalts in Indien (zw. 1939 und 1946) 12 3. Weitere Entwicklungen 3.1 Montessori in Katalonien, die Zeit zwischen 1916 und 1936 3.1.1 Katalonien Montessori zieht um 1916 nach Barcelona und lebt dort bis 1936. Zwischen 1919 uns 1922 erfolgen diverse Vortragsreisen in Europa. Ca. ab 1924 bis ca. Ende 1920er kommt es zur Einrichtung und dem Ausbau von Montessori Schulen und Klassen im bereits faschistischen Italien – unter Mussolini. Später werden die Einrichtungen wieder geschlossen. (vgl. Biewer-Folien) In ihrer Zeit in Katalonien entstehen unter anderem Werke zur Arithmetik und Geometrie: „Psico Aritmetica“ und „Psico Geomerica“. (vgl. Fuchs, 157) Der aufkommende Bürgerkrieg in Spanien zwingt Montessori zum Verlassen, sie zieht nach Holland, wo sie dauerhaft bleibt. 3.1.2 Machtantritt der Nationalsozialisten 1923 kommt es in Jena zur Gründung der ersten deutschen Montessori-Schule, die bis 1929 bestand. Sie wurde von der nationalsozialistisch bestimmten Landesregierung in Thüringen wieder verboten. Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten erlebte die Montessori-Pädagogik einen erheblichen Rückschlag. Da sich die Erziehungsziele Montessori’s mit denen der Nationalsozialisten nicht deckten, wurden zahlreiche deutsche MontessoriEinrichtungen geschlossen (vgl. Waldschmidt, 35). Außerdem wurden viele Werke Montessori’s vernichtet. Während des zweiten Weltkriegs selbst hielt sich Montessori in Indien auf…dazu im nächsten Punkt! 3.2 Montessori in Indien 1939 reist Montessori mit ihrem Sohn Mario nach Indien, wo sie bis 1946 bleibt. In Indien kommt Montessori unter anderem mit der Theosophischen Gesellschaft in Kontakt (über diese später im Punkt „Einflüsse“) (vgl. Fuchs, 157) Während ihres 6-jährigen Aufenthaltes in Indien geht Montessori zahlreichen Fortbildungs- und Lehrtätigkeiten nach. Sie hielt Kurse und Vorträge über ihre Methode ab, was natürlich auch zu einer Verbreitung ihrer Konzeption führte. 1946 kehrt Montessori nach Holland zurück, dennoch führen Montessori’s Wege bis 1949 immer wieder noch nach Indien. 3.3 Die Zeit nach dem 2.Weltkrieg Nach dem 2.Weltkrieg zeichneten sich vor allem Helene Helming (siehe zu Beginn des Skriptes) und Paul Scheid (diese beiden hatten ihre Ausbildung noch bei Montessori selbst!) sowie Irene Dietrich dafür verantwortlich, dass die MontessoriPädagogik in Deutschland „wiederbelebt“ und „wiederintegriert“ werden konnte. (vgl. 13 Waldschmidt, 35) Die Montessori-Methode konnte jedoch nur in den „alten“ Bundesländern Zuspruch finden, in der DDR widersprach sie den dortigen Erziehungszielen. 3.4 Ihre letzten Lebensjahre Montessori verbrachte ihre letzten Lebensjahre im holländischen Noordwijk aan Zee. Sie macht noch einige Reisen, hält Vorträge und organisiert Kongresse und Kurse. Montessori stirbt 1952 – in Noordwijk. 4. Begriffsdefinitionen und Zusammenhänge 4.1 Begriff der Didaktik 4.1.1 Didaktik aus dem Wörterbuch Pädagogik Nach dem Wörterbuch Pädagogik kommt der Begriff „Didaktik“ aus dem Griechischen für „didaskein“ und wird im Deutschen (aktiv) mit „lehren, unterrichten“ übersetzt, sowie (passiv) mit „lernen, belehrt werden“ übersetzt. Kann weiters mit „sich aneignen“ übersetzt werden. Hauptwort: „didaxis“ für „Lehre, Unterricht“ übersetzt. Unter „Didaktik“ sei nach dem Wörterbuch Pädagogik „im umfassenden Sinn der allgemeinen Didaktik die Wissenschaft des Lehrens und Lernens in allen pädagogischen Handlungsfeldern, wie z.B. Schule, Volkshochschule, Universität dgl., und im schulpädagogischen Sinn die Theorie des Unterrichts“ (zit. n. Schaub & Zenke, Wörterbuch Pädagogik, 152) zu verstehen. 4.1.2 Didaktik aus dem Ullstein-Handlexikon Im Ullstein Handlexikon (1967) wird „Didaktik“ (griech.) mit „Unterrichtslehre“ übersetzt. (vgl. Ullstein-Handlexikon, 196) 4.1.3 Didaktik aus Wikipedia, der Online-Enzyklopädie Hier wird „Didaktik“ so definiert: Didaktik im engeren Sinn als „Theorie des Unterrichts“, im weiteren Sinne mit „Theorie und Praxis des Lehrens und Lernens“. Nach Comenius (1592 - 1670) versteht sich Didaktik als eine „Lehrkunst“, während die „Lernkunst“ der Mathetik zuzuordnen ist[1][2] (zit. n. Wikpedia) Didaktik ist nach Wikipedia als eine Unterdisziplin der Pädagogik zu verstehen. Sie bedient sich inhaltlich selektierter Inhalte und Ziele der Bildungstheorie, kann aber dennoch - unabhängig davon - auf mehrere Bildungstheorien angewandt werden. (vgl. Wikipedia, ebd.) Über längere Zeit bezog sich – so Wikipedia – der Begriff der Didaktik einzig auf den schulischen Unterricht und verstand sich als Bezugsdisziplin für das Handeln von Lehrer/innen vor allem der Primar- und Sekundarstufe. (ebd.) 14 Didaktik sieht sich laut Wikipedia heute nicht mehr nur als Handlungswissenschaft für Lehrer/innen, sondern schließt ebenso ganz allgemein sämtliche lernförderliche Arrangements mit ein. Im Laufe der Zeit fanden immer verschiedenere Lernkontexte Bedeutung – auch außerhalb von Schule – und so wurde die Didaktik immer mehr zu einer kontextübergreifenden Disziplin. (ebd.) „Didaktik als ‚Theorie und Praxis des Lehrens und Lernens’“ Die Verwendung des Begriffs – so bei Biewer – ist recht uneinheitlich, da man im Zusammenhang damit sowohl von einer „Wissenschaft vom Unterricht“ wie auch vom „Lehren und Lernen“ sprechen könne. Inhalte und Methode erhalten aber je nach Ansatz unterschiedliche Bedeutung. International – so Biewer weiter – sei der Begriff eher selten noch gebräuchlich, während er im deutschsprachigen Raum aber doch noch Verwendung finde. (ebd.) 4.2 Der Begriff der Entwicklungstheorie Verstehen sich bei ROTH (1971, zit. n. Biewer) als „Zusammenhängende Systeme wissenschaftlich begründeter Annahmen über den menschlichen Entwicklungsbegriff“. 4.2.1 Der Begriff Entwicklung 4.3 Zusammenhang von Didaktik und Entwicklungstheorie 4.3.1 - - Entwicklungs- und Lerntheorie nach Montessori: Allgemein Orientiert sich eng an biologischen und neurobiologischen Denkmustern Versteht sich weniger als Lerntheorie, denn als eine Embryologie des Geistes Ad: Embryologische Forschung: Beinhaltet Vorstellung eines „Immanenten Bauplanes“ (vgl. Fuchs, 52) (dieser von Natur aus dem Kind mitgegebene „Bauplan“ ist Grundlage für die weitere Entwicklung des Kindes – für die Entwicklung körperlicher, geistiger und psychischer Fähigkeiten.) (vgl. Hedderich, 27) Montessori’s Entwicklungsplan ist mehrphasig -> „Sensible Phasen“ (siehe später) Montessori sieht die menschliche Entwicklung als Werk der Natur, Werk des Menschen und Werk seiner selbst. (vgl. Hedderich, 27) 4.3.2 Zusammenhang Entwicklungstheorie und Didaktik Unterschiedliche Vorstellungen über Entwicklung werden auch zu unterschiedlichen Konsequenzen in Bezug auf das Lehren und Lernen haben: Vorstellung (im Sinne Montessori’s) einer Entwicklung im Sinne eines „Selbstentfaltungsprozesses: - Diese Vorstellung hat die Konsequenz, dem Kind die optimalen Rahmenbedingungen zu schaffen – für seine Entwicklung und gemäß seiner Entwicklung. Der Lehrer/Erzieher orientiert sich am Kind. Die richtigen pädagogischen Hilfestellungen zum richtigen Zeitpunkt der Entwicklung des Kindes – durch den Erwachsenen. Dies sei vor allem durch Beobachtung möglich 15 und zwar auch in Bezug darauf, was das Kind braucht, bzw. wo seine Interessen liegen. (vgl. a. Waldschmidt, 42) Vorstellungen einer Entwicklung im Sinne einer Defizitorientiertheit - Stärkere Lenkung durch den Erzieher. 4.3.3 Montessori’s Erziehungskonzept Montessori’s Erziehungsvorstellung baut – so bei Hedderich (vgl. 134f.) – auf folgenden 4 Ausrichtungen auf: 1.) Individualerziehung 2.) Soziale Erziehung: Maßnahme sozialer Erziehung: „Altersmischung“ (mindestens 3 Jahrgänge von Kindern). Die Altersmischung könne zahlreiche Möglichkeiten des sozialen Lernens, wie Helfen, Sichhelfenlassen, Zurückstehen und Sichdurchsetzen, eigene Interessen vertreten und Bedürfnisse anderer wahrnehmen, schaffen. 3.) Sittliche Erziehung: D.h. Disziplin an der Sache, Ruhe und Güte (-> Als Ausdruck des ‚normalisierten Kindes’) 4.) Religiöse Erziehung: Glaubenserziehung auf der Basis der christlich-abendländischen Tradition. (vgl. Hedderich, 135) 5. Die Einflüsse auf M. Montessoris Entwicklungstheorie 5.1 Zu den Wurzeln von Montessori’s Theorie: Einflüsse 5.1.1 - Einfluss des Positivismus „Positivismus“: Nach dem Ullstein-Handlexikon versteht sich der von Comte begründete Ansatz als eine (vgl. Ullstein-Handlexikon, 711)„philosophische Richtung, die unter Ablehnung jeglicher Theologie und Metaphysik nur das ‚positiv’ Gegebene, ja das ‚Tatsächliche’ gelten lässt.“ (zit. n. ebd.) Welchen Einfluss hatte nun der Positivismus in Bezug auf Montessori’s Entwicklungstheorie? - Geschichtlicher Hintergrund 19.Jhdt: Aufblühen der modernen Naturwissenschaften. - - - - Montessori’s pädagogisches Denken ist vor allem durch einen eher naturwissenschaftlichen Zugang geprägt und charakterisiert, was ja – wie bereits erfahren haben – durch ihr Studium der Medizin gegeben ist. Der oben beschriebene, von Comte (und Hume) begründete (Wissenschafts)Positivismus hat sich vor allem in Italien zu einer sehr dominanten Wissenschaftstheorie entwickelt. Er umfasst u.a. das so genannte „Dreistadiengesetz“ (vgl. Fuchs, 11), welches die „geschichtlichen und systematischen Entwicklungsstufen menschlicher Erkenntnis von der Theologie über die Metaphysik zur positiven Wissenschaft nachzeichnet.“ (zit. n. ebd.). Methoden positiver Wissenschaft: Werden zunehmend auch den sozialen und moralischen Bereich angewandt, und nicht wie bisher nur auf den Bereich der Natur. (vgl. Fuchs, 12) 16 - - Was hieß das für Montessori? Im Sinne dieser Gedanken der „Positiven Wissenschaft“ bedeutete das, dass sich Montessori eine „Neuordnung der Gesellschaft durch die positive Erforschung sozialer Gesetzmäßigkeiten und immanenter Mechanismen erhoffte.“ (zit. n. ebd.) Ebenso stimmte Montessori mit Comte’s Ansichten in dem Punkt überein, als das die „Beurteilung der spekulativen Philosophie und Theologie als überholte Erkenntnisstadien des menschlichen Geistes…“, (zit. n. Fuchs, 13) und sie merkt weiters an – in Bezug auf das menschliche Erkenntnisstreben, dass genau dieses sich nur auf exakte Beobachtung und dem experimentellen Umgang mit der Wirklichkeit als einzig legitimierte Grundlage menschlicher Erkenntnis zu richten habe. (vgl. Fuchs, 14) „Positive Wissenschaft“ distanziert sich von Philosophie und Theologie! 5.1.2 - - Einfluss des Katholizismus Vor allem in ihrer Zeit in Katalonien finden sich Montessori’s Religiöse Begründungen verwurzelt. Ihre Religionspädagogischen Schriften entstehen auch in Katalonien. Was den religiösen Aspekt bei Montessori anbelangt, so gehen hier die Deutungen vieler Autoren auseinander: (vgl. Biewer-Folien) Bei Schulz-Benesch: Montessori als „Katholische Pädagogin“ U.a. bei Böhm/Fuchs: Widersprüche zwischen naturwissenschaftlicher und religiöser Deutung. Böhm spreche, so bei Hedderich (33) von einem „sehr weit gefassten und überkonfessionellen Religionsbegriff“ bei Montessori (zit. n. ebd.). Montessori: „Es scheint, dass es (…) etwas gibt, was die gesamte Menschheit einbezieht, oder vielleicht noch mehr: das Universum selbst, die Schöpfung, die universale Harmonie. Dieses Etwas könnte als eine religiöse Identität verstanden werden. Aber wovon ich spreche, ist die Möglichkeit, diese einheitliche und universale Mission in der Wissenschaft zu erkennen.“ (Montessori zit. in: „Frieden und Erziehung“, hrsg.: von Oswald und SchulzBenesch, S. 107) Montessori sah in der Religiösen Erziehung – so bei Hedderich (vgl. 33)– eine wichtige und zentrale Dimension und diese könne sich je nach Glaubensüberzeugung, so Hedderich weiter (33) inhaltlich unterschiedlich gestalten. Die Religiöse Erziehung hat durch das Kind selbst zu erfolgen, so Hedderich (ebd.). Auch in der Religiösen Erziehung unterscheidet – so Hedderich (34) – unterschiedliche religiöse Entwicklungsstufen. (ebd.) 5.1.3 - Einfluss des Indienaufenthaltes Kulturelle Einflüsse während des Aufenthalts Auseinandersetzung mit den indischen Vertretern der Theosophie (ad: Theosophie, mehr dazu im nächsten Punkt) Kontakte zur indischen Unabhängigkeitsbewegung. (vgl. Biewer-Folien) 5.1.4 Montessori und die Theosophen Was ist die Theosophie - Nach dem Ullstein-Handlexikon versteht sich die Theosophie (gr. „Gottesweisheit“) als ein „religiös-mystisches Wissen um Gott und die Geheimnisse des Übersinnlichen.“ (ebd., 902) 17 - - Im engeren Sinn bezeichne Theosophie – so Wikipedia (Quelle hier) - eine durch Helena Blavatsky begründete Weltanschauung – in inhaltlicher Bezugnahme auf indische Religiosität und Spiritualität. Sie erhebt aber Anspruch, „einen gemeinsamen, wahren Kern in allen Religionen aufzeigen zu können und daher eine „allumfassende Bruderschaft der Menschheit“ im Sinne einer Unabhängigkeit von Rasse, Glaube, Geschlecht, Stand oder Hautfarbe, zu begründen. (vgl. a. Biewer-Folien) Zwischen Theosophie und der Montessori-Pädagogik stellte v.a. Annie Besant ein wichtiges Bindeglied dar. Mehr zu Annie Besant3 in der Fußnote. Montessori und die Theosophie Montessori tritt im Zuge ihres Indienaufenthaltes der von Helena Blavatsky gegründeten Theosophischen Gesellschaft in Aydar bei. 5.1.5 Biologie und Evolutionstheorie Montessori sieht sich als Naturwissenschafterin, (vgl. Biewer-Folien) Die Biologie war eine der wichtigsten Grundlagenwissenschaften für Maria Montessori. (vgl. Hedderich, 34) Biologisches Wissen – so bei Hedderich weiter – sei bei Montessori auch notwendig, um ein Kind zu verstehen. (ebd., 14f.) Hugo Marie de Vries (* 16. Februar 1848 in Haarlem; 21. Mai 1935 in Lunteren) war als Biologe einer der Wiederentdecker der von Gregor Mendel aufgestellten mendelschen Regeln. Mit seinen 1901 und 1903 erschienenen Schriften zur Mutationstheorie gab er der Evolutionsforschung neue Impulse. Sein offizielles botanisches Autorenkürzel lautet „de Vries“. Die Forschungsschwerpunkte de Vries lagen in experimenteller Pflanzenphysiologie und Evolutionsforschung. Er beschäftigte sich mit Pflanzenatmung, insekteninduzierter Gallbildung und über viele Jahre hinweg mit Osmose. Damit legte er die Basis für die Disziplingründung der Physikochemie. (alles zit. n. Wikipedia!!!) 5.1.6 Montessori und die Frauenbewegung Montessori – wie wir schon wissen – wuchs in einem sehr patriarchisch bestimmten Umfeld auf – denn im Italien des 19.Jahrhunderts war es so üblich, dass der Mann/Vater das Oberhaupt der Familie war. Dies und auch die Erfahrungen im Schulbereich wie im Studium ließen in Montessori immer mehr den Drang erwachsen, sich méhr auch für die Rechte der Frauen zu engagieren. So trat sie einer Frauenbewegung bei und wurde 1896 italienische Delegierte am Internationalen Frauenkongress, wo sie auch eine vielsagende Rede hielt. (vgl. Waldschmidt, 17) 3 Annie Besant: Annie Besant, britische Theosophin, Freidenkerin, Freimaurerin, Frauenrechtlerin, Journalistin, Schriftstellerin und Politikerin. (Quelle: Wikipedia) 18 6. Montessoris Entwicklungsmodell und Menschenbild 6.1 Der Mensch aus Sicht Montessoris 6.1.1 Der Kampf zwischen Kind und Erwachsenen „Der Konflikt zwischen Kindern und Erwachsenen hat die Folgen, die sich endlos über das ganze menschliche Leben hin ausbreiten, den Wellen vergleichbar, die von der Einwurfstelle eines Steins sich bis an die äußersten Ränder des Wasserspiegels fortpflanzen. Im einen wie im anderen Fall handelt es sich um Schwingungen, die konzentrisch nach allen Richtungen hin auslaufen.“ (zit. n. Montessori – „Kinder sind anders; Bearbeitung durch Helene Helming, 187) Montessori fordert eine Erziehung, die auf Freiheit angelegt ist, d.h. sie erklärt dies so (Montessori zit. n. Waldschmidt, 42) und sie plädiert für die Selbstentfaltungskräfte des Kindes: „Das Kind ist im Zeichen der Ohnmacht, in der es geboren wird, als soziales Individuum von Bindungen umgeben, die seine Aktivität einschränken. Eine auf Freiheit gegründete Erziehungsmethode muss darauf abgestellt sein, dem Kind zu helfen, eben diese Freiheit zu erobern, und muss die Loslösung des Kindes von den Bindungen bezwecken,…[um das Kind] zur Unabhängigkeit zu führen.“4 (ebd.) 6.2 Stellung des Menschen im Kosmos/in der Schöpfung 6.2.1 Das Konzept der „Kosmischen Theorie“ Bezeichnung des „Kosmos“ n. Montessori (im theologischen Sinne): Schöpfungsordnung, darum auch der Übertitel dieses Kapitels „Stellung des Menschen in der Schöpfung“, nach ihrem gleichnamigen Werk von 1935. (vgl. Fuchs, 96) Montessori’s Theorie geht von einem unvollendeten, dafür aber einheitlichen kosmischen Schöpfungsplan aus. (vgl. Hedderich, 31)5 6.2.2 Die Stellung des Menschen im Kosmos/Kosmische Erziehung Im Sinne der „Kosmischen Theorie“ Montessori’s hat der Mensch als handelnde Person die Aufgabe, auf die Natur Einfluss zu nehmen – und zwar in Bezug auf die Gesamtheit der lebenden Organismen, sowie übergeordnet – das Universum. (vgl. Hedderich, 31) Das Universum entspricht dabei nach Montessori – so bei Hedderich weiter, einer „dynamischen Einheit mit vielfältigen Wechselbeziehungen“ (ebd.) Der Mensch wurde – so bei Waldschmidt – mit Geist, Psyche und Intelligenz ausgestattet. Ebenso wurde er im kosmischen Schöpfungsplan dazu angehalten, verschiedene Aufgaben zu erfüllen und er ist wie jedes andere Lebewesen auch, ein Teil der Schöpfung. Er soll nicht nur – wie oben bereits erwähnt – Einfluss auf die Natur, sondern er formt sich mit anderen seine menschliche Umwelt, Kultur (oder n. Montessori auch „Super-Natur“, welche alle zivilisatorischen und kulturellen Leistungen des Menschen umfasst, so Hedderich) und Zivilisation und er ist gleichzeitig auch Gestalter seiner Umwelt. (vgl. Waldschmidt, 38) 4 5 Aus Montessori’s „Entdeckung des Kindes“, Freiburg 1969; S.63f.; zit. n. Waldschmidt Aus Montessori’s „Kosmische Erziehung“. Kleine Schriften Maria Montessori’s, Bd. 1, Herder, Freiburg/Br. 19 „Die Kosmische Erziehung“ soll den jungen und Heranwachsenden in diese „Kosmische Weltsicht“ einführen und sie bildet ebenso die wichtige Grundlage für die übrige schulische Arbeit. So erstellte Montessori in diesem Sinne einen Lehrplan, der die naturwissenschaftlichen, humanwissenschaftlichen und die gesellschaftswissenschaftlichen Aspekte ansprechen sollte. Die Konzeption der Kosmischen Erziehung sieht einen mehrphasigen Plan vor. (vgl. Hedderich, 32) „Die kosmische Stellung“ des Menschen bestimmt sich bei Montessori – so bei Fuchs – in Angesicht des im Menschen sich auftuenden Spannungsfeldes zwischen der „Last der Verantwortung gegenüber der Schöpfung“ und der „willenlosen Realisierung des kosmischen Planes – in ihrer Idee zur menschlichen Moralität. (vgl. Fuchs, 112) Der innere „Moralische Sinn“ sei dem Menschen etwas Angeborenes, welcher diesem eine Unterscheidung zwischen dem Absolut Guten und dem Absolut Bösen ermöglicht – und zwar unabhängig davon, wie die gesellschaftlich bedingten und stetigen Wandel unterliegenden Moralvorstellungen dabei aussehen. (ebd., 115) Das Gewissen, das dabei dem Moralischen Gefühl gleichzusetzen ist, nehme die Gefahren wahr bzw. erkenne auch günstige Lebensumstände. (ebd.) 6.3 Friedenserziehung Ihre Überlegungen zur „Friedenserziehung“ finden im gleichen Zeitraum statt, wie jene zur „Kosmischen Erziehung“. (vgl. Biewer-Folien) Sie ist auch eingebettet in den Kontext zur „Friedenserziehung“, so bei Waldschmidt (S.75), denn Montessori unterstreiche immer wieder die Wichtigkeit der Erziehung für die Verwirklichung des Friedens. Montessori’s Friedenserziehung bzw. ihre Vorstellung von Frieden überhaupt war keine rein Politische, Völkerrechtliche oder Ökonomische Sache, sondern sie sah „Frieden“ als etwas „Allumfassendes, Anthropologisches und Kosmisches“ (zit. n. ebd.) Frieden stellte für Montessori auch nicht das „Aufhören von Krieg, die bloße Abwesenheit von diesem“ dar, sondern sie sah im Frieden eine wichtige Bezugsgröße, welche Harmonie, Liebe und Gerechtigkeit umfasse. Ziel der Friedenserziehung Ziel ist es einen neuen und besseren Menschen zu formen, der lernt Verantwortung nicht nur für sich selbst, sondern auch für seine Mitmenschen und die Gesellschaft aller Menschen, Kultur und Natur zu übernehmen. (vgl. Waldschmidt, 75) Der Kampf zwischen Kind und Erwachsenen Auch in ihm sieht Montessori die psychischen Wurzeln von Krieg verursacht. Montessori’s Überlegungen zur „Kosmischen Erziehung“ sowie zur „Friedenserziehung“ entstanden übrigens in den 1930-er Jahren!!! 6.4 Kind als geistiger Embryo Der Begriff „Embryo“ hat prinzipiell hier eine metaphorische Bedeutung, wobei Montessori die Bezeichnungen des geistigen, psychischen und sozialen Embryos der Bezeichnung des physischen Embryos gegenüberstellt. (vgl. Hedderich, 134) 20 „Das fleischgewordene6 Kind ist ein geistiger Embryo, der auf Kosten seiner Umwelt leben muss. So wie der physische Embryo die besondere Umwelt des Mutterschosses benötigt, braucht auch der geistige Embryo den Schutz einer lebendigen, von Liebe durchwärmten, an Nahrung reichen Umwelt, in der alles darauf eingerichtet ist, sein Wachstum zu fördern, und nichts hindernd im Wege steht.“(vgl. Montessori, „Kinder sind anders“, S44) Was leistet der „Geistige Embryo“ nun Montessori schreibt dem menschlichen Lebewesen zwei besondere Eigenschaften zu, nämlich ein „doppelt-embryonales Leben“, welches sich in eine a) Pränatale Phase und b) in eine Postnatale Phase gliedert. a) Die Pränatale Phase: Oder auch intrauterine (vorgeburtliche) Phase. In dieser Phase (die auch derjenigen bei Tieren ähnle) werden die Organe ausgebildet. b) Die Postnatale: In dieser Phase (welche nur beim Menschen gegeben sei, so in den Biewer-Folien) vollzieht sich – so Waldschmidt [S.38f.] – der Erwerb der der Spezies des Menschen entsprechenden Merkmale, wie zum Beispiel der Aufrechte Gang, die Sprache, kulturelle Fertigkeiten,.. Der absorbierende Geist: Teil 1 Bezeichnet bei Montessori die außergewöhnliche Form des Geistes beim Kind in den ersten Lebensjahren. (Vgl.Hedderich, 135) Vor allem im ersten Lebensjahr ist das Kind mit dieser Geistesform ausgestattet, welche es ihm ermöglicht seine Umwelt ganzheitlich aufzunehmen, um sie danach zu verarbeiten, „ohne das damit äußerlich beobachtbare Sachverhalte oder Aktivitäten einhergehen müssen.“ (Waldschmidt, 39) Aus „Kinder sind anders“ (bearbeitet nach Helming, 45): Es geht um den Geistigen Embryo und seine Leistungen, sowie den eben angesprochenen „Absorbierenden Geist“: „Es kommt zu einem Austausch zwischen dem Individuum, besser gesagt dem geistigen Embryo, und der Umwelt, und in diesem Austausch formt und vervollkommnet sich das Individuum. Diese erste aufbauende Tätigkeit entspricht der Funktion jenes Bläschens, das im leiblichen Embryo zuerst das Herz vertritt, die Entwicklung und Ernährung aller Körperteile des Embryos sicherstellt und dabei die erforderlichen Nährstoffe den Blutgefäßen der Mutter einnimmt. Auch die seelische Individualität entwickelt sich durch die Arbeit eines solchen Motors, der die Beziehung zur Umwelt aufrechterhält. Alle Anstrengungen des Kindes zielen darauf ab, seine Umwelt zu absorbieren, und aus diesen seinen Bemühungen erwächst die tiefgegründete Einheit seiner Persönlichkeit.“ (ebd.) 6.5 Biologische Triebkräfte In weiten Teilen baut Montessoris Entwicklungskonzept auf biologischen Modellen des beginnenden 20.Jahrhunderts auf -> De Vries und J.Piaget (-> Stufentheorie und Theorie der „Sensiblen Perioden“) Bei Montessori’s „Kinder sind anders“ wird der Begriff der „Fleischwerdung“ als solcher erklärt, als das „im Körper eines Neugeborenen ein Geist Fleisch geworden sei, um auf dieser Erde zu leben.“ (im Sinnechristlicher Vorstellungen) (vgl. „Kinder sind anders“, 38) 6 21 6.5.1 Engramme So genannte Engramme (= „Eingezeichnetes“), die die physiologische Spur bzw. Veränderung, die ein Sinneseindruck im ‚organischen Gedächtnis’, der Mneme bleibend hinterlassen, sind eine besondere Form der Speicherung unbewusster Inhalte, welche zu einem späteren Zeitpunkt wieder bewusst abrufbar sind. (vgl. Fuchs, 65; und Biewer-Folien). 6.5.2 Mneme Die eben angesprochene Mneme kann auch als „organisches“ oder „biologisches Gedächtnis“ bezeichnet werden und sie speichert dauerhaft. Sie bildet einen weiteren wichtigen Begriff im Zusammenhang mit der von Montessori beschriebenen frühkindlichen Entwicklung. Sie kann aber auch als unbewusstes Erbgedächtnis des Kindes beschrieben werden, welches ganzheitlich aufnehmen kann, aber sich (noch) nicht bewusst erinnern kann. (vgl. Hedderich, 28; u.a.) 6.5.3 Horme Die Horme bezeichnet hingegen die vitale Kraft, den Lebensanreiz, den vitalen Antrieb des Kindes, welche nach Selbstverwirklichung strebt. (vgl. ebd.) 6.5.4 Nebule Die Nebule(n) bezeichnet die „inneren Potentiale“ des Kindes, die es zu einem bestimmten Zeitpunkt veranlassen sich bestimmte Fähigkeiten anzueignen. (vgl.ebd.) Bei Biewer (Folien) wird die Nebule auch als „schöpferische Energie, die das Kind dazu anleitet die Umwelt zu absorbieren“, bezeichnet. (vgl. Biewer) 6.6 Zentrum und Peripherie - Diese Unterscheidung zwischen Aspekten des neurologischen und sensorischen Apparates hat bereits Edóuard Segúin abgehandelt. (vgl. Biewer-Folien) Montessori knüpft an Seguin an und übernimmt ihre Differenzierung von Zentrum und Peripherie (-> „Beziehung von Innen und Außen“) für ihr Erziehungskonzept. Waldschmidt (S.39f.) sieht in Montessori’s Idee eines „Inneren“ Immanenten Bauplans eine enge Verbindung zum Zentrum: Mit seinen äußeren Sinnen nimmt das Kind Licht, Farben, Geräusche, Gerüche aus der Umwelt auf => dies kann als Leistung der Peripherie (Bewegungsapparat, Sinnesorgan)verstanden werden. Diese durch die äußeren Sinne aufgenommen Eindrücke werden in einem, wie es Waldschmidt nennt, so genannten „inneren Aufnahmeorgan“ (vgl. Waldschmidt, 40) zu Gefühlen, Gedanken, Erinnerungen „umgewandelt“/“verarbeitet“ => diese „innere Aufnahmeorgan“ kann (nach Waldschmidt) auch als Zentrum (gemeint ist das Gehirn)bezeichnet werden. Montessori’s Erziehungsgedanken setzen – im Gegensatz zu traditionellen Überlegungen (direkte Erziehung) – an der Peripherie (indirekte Erziehung) an, d.h. 22 nach Montessori7, dass „die innere Aktivität das Meisterwerk der schöpferischen Natur ist, und wir können hier nicht direkt eingreifen. Aber weil der Verstand sich selbst mit Hilfe der fortlaufenden Aktivität durch einen zentralen Aspekt (der Geist)und einen peripheren (die Sinne und die Bewegung)aufbaut, können wir ihm von außen in seiner Arbeit helfen. Die Peripherie dieser totalen Aktivität ist für uns zugänglich.“ (ebd., zit. n. Waldschmidt, 40) Zusammengefasst Zusammengefasst – nach Fuchs (S.60) – heißt das also, dass sich das Kind unter Zuhilfenahme der selektiven Aufnahme und Verarbeitung der äußeren Reize seine „innere, geistige Welt“ formt. (vgl. Fuchs, ebd.) 6.7 Der absorbierende Geist Kinder sind nicht nur anders als Erwachsene, sie lernen auch anders. (vgl. Waldschmidt, 43) Das Kind ist von Geburt an mit der Fähigkeit der Anpassung ausgestattet und nimmt über Sinneseindrücke die Umwelt auf. Man könnte sagen: „Die Psyche saugt die Umwelteindrücke auf“ (ganzheitlich), so bei Waldschmidt (ebd.) auf. Es handelt sich hier um eine Lernart des Kindes im Laufe seines Aneignungsprozesses, etwa zwischen dem 0.en und 3.Lebensjahr. Mit zunehmenden Alter geht diese Leistung verloren. Die Kräfte, die dem Kind dabei zur Verfügung stehen, bezieht es vor allem aus dem Kräftepotential, welches ganzheitlich alle Eindrücke festhält. (vgl. Waldschmidt, 44) Dies können Bilder, Laute, Farben und Formen und weiteres sein. Montessori vergleicht die Leistung des absorbierenden Geistes mit der eines Fotoapparates, welcher den gesamten Umweltausschnitt aufnimmt und das wird auch gespeichert.(ebd.) Der absorbierende Geist ist unbewusst tätig! „Der absorbierende Geist als ein Schwamm, der die Flüssigkeit (-> Mitwelt, ganzheitlich) aufsaugt, ohne diese zu verändern.“ „Wenn das Kind sich bewegt, ha sich der absorbierende Geist die Umwelt schon zu eigen gemacht. Bewegungen stellen einen Weg zur Bewusstmachung dar. Die Intelligenzwirkung vollzieht sich im engen Zusammenhang mit der Entwicklung der Bewegung.“ (vgl. Biewer-Folien) 7. Die sensiblen Phasen/ sensitive Perioden 7.1 Die sensiblen Phasen nach Montessori Während seiner Entwicklung macht das Kind so genannte „sensible“/„sensitive Perioden“ oder auch nach Montessori: „Empfänglichkeitsperioden“ (vgl. Montessori’s „Kinder sind anders, S.47) durch. Diese Phasen seien, so Montessori, von vorübergehender Dauer und sollen dem Kind helfen „dem Wesen die Erwerbung einer bestimmten Fähigkeit zu ermöglichen“. (zit. n. Montessori: „Kinder sind anders“, Bearbeitung n. Helene Helming; S.47) 7 Aus: Maria, Montesori: „Psico Geometrica“, Barcelona 1934, Vorwort. 23 In diesen besonderen Phasen der „Empfänglichkeit“ ist das Kind eben verstärkt empfänglich für bestimmte (An)Reize, die es aus der Umwelt aufnimmt, zum Beispiel im Zusammenhang mit Bewegung, Sprache oder sozialen Aspekten. (vgl. auch das Zusammenspiel von Zentrum und Peripherie) Während einer sensiblen Phase eine Beschäftigung ist das Kind zu einer tiefen Konzentration (Polarisation der Aufmerksamkeit)imstande. Diese tiefe Konzentration lässt sich das Kind nicht von anderen Reizen ablenken, d.h. „der Erwachsene vermag auf die diese grundsätzlichen Entwicklungsstadien in keiner Weise her von außen her einzuwirken“(zit. n. Montessori: „Kinder sind anders“, S.49) Das durchläuft dabei einen Erkenntnisprozess, der das Kind sowohl in seinem Denken, als auch - laut Montessori - in seiner gesamten Persönlichkeitsentwicklung positiv beeinflusst. (bei Wikipedia) Montessori unterscheidet in ihrem Entwicklungsmodell in 3 Entwicklungsphasen (06; 6-12; 12-18;), wobei die erste und die dritte Phase jeweils noch in 2 Unterphasen gegliedert sind (-> 0-3 bzw. 3-6; 12-15 bzw. 15-18) 7.2.1 Die erste Phase (0-6) Diese Phase, die wichtigsten nach Montessori, ist (bei Hedderich, 145) als formativ, schöpferisch, konstruktiv und labil charakterisiert. Die Wichtigkeit dieser Phase liegt darin, dass sich hier die Basis der Persönlichkeit und der Intelligenz. Montessori spricht von dieser Phase der ersten sechs Lebensjahre auch als eine zweite embryonale Wachstumsphase (vgl. die Zwei embryonalen Phasen: „Postnatale Phase“), in der sich Geist und Psyche herausbilden. (vgl. Wikipedia) In der ersten Unterphase betrifft das vor allem die Leistung/Tätigkeit der unbewussten Intelligenz (= Absorbierender Geist, schöpferische Haltung, die das Kind dazu befähigen – mit Hilfe der Umwelteindrücke, die es macht – eine seelische Welt aufzubauen, vgl. Montessori: „Kinder sind anders, S.47) – herausbilden. Inhaltlich bedeutet das beispielsweise die Herausbildung/Entwicklung folgender Sensibilitäten: Bewegung, Ordnung(Sinn) (-> Handlungsaufforderung, Orientierungsfunktion, Äußere/Innere Ordnung), Sprache (s. auch im Punkt Entwicklung und Nachahmung); In der zweiten Unterphase liegt das Charakteristikum vor allem in der Analyse der „absorbierten“ Eindrücke aus der Umwelt, das Kind entwickelt sich sozusagen vom „unbewussten Schöpfer zum bewussten Arbeiter“ .Ebenso werden bisher erworbene Fähigkeiten und Kompetenzen weiterentwickelt und perfektioniert. Inhaltlich sind folgende Sensibilitäten angesprochen: Bewusstseinsentwicklung, Analyse bzw. Perfektionierung/“Vervollkommnung“ der bisher absorbierten Eindrücke; (vgl. Hedderich, 145) 7.2.2 Die zweite Phase (6-12) Die Zweite Phase zeichnet sich nach Montessori als Stabile gekennzeichnet. Moralische Sensibilitäten treten in Zusammenhang mit sozialen Sensibilitäten in den Vordergrund. Dieser dem Menschen von Geburt an gegebene Moralische Sinn (s. auch S.17 im Skript unter der Kosmischen Stellung des Menschen) ermöglicht dem Kind 24 eine Beurteilung eigener und fremder Handlungen in Bezug auf Absolut Gutes und Absolut Böses. Gerechtigkeitssinn, ebenso wie Moralisches und soziales Handeln werden ausdifferenziert. Inhaltlich heißt das jetzt im Konkreten, dass beispielsweise folgende Sensibilitäten ausgebildet oder vervollkommnet werden: Kindlicher Geist entwickelt sich zur Abstraktion, Sensibilität für Vorstellungen, Herausbildung des moralischen und sozialen Bewusstseins, Gewissensbildung, … 7.2.3 Die dritte Phase (12-18) Charakterisiert sich für Montessori wieder als eine labile Phase, in der vor allem soziale Sensibilitäten in Verbindung mit dem Bedürfnis einer Selbständigkeit in den sozialen Beziehungen, in den Vordergrund treten, Zustand der Erwartung und Bevorzugung schöpferischer Aktivitäten, Arbeiten; (vgl. Hedderich, 146) Inhaltlich entwickeln sich folgende Sensibilitäten: Durch die körperlich stattfinden Veränderungen entsteht beim Kinder (wieder mehr) das Bedürfnis nach Geborgenheit, Schutz, während das Kind anderseits mehr nach Selbständigkeit, Autonomie und in Verbindung damit die Chance oder Möglichkeit sucht sich in der Gesellschaft eine Rolle zu verschaffen oder eine feste Position. 7.3 Entwicklung und Nachahmung 7.4 Der Ordnungssinn - - Empfänglichkeit schon im ersten Lebensjahr Im Alter von 1 ½ bis 2 Jahren: Kindern entwickeln hier schon – wenn auch noch nicht klar erkennbar – ein Bedürfnis nach Ordnung, in ihrer Umwelt. (Erste) Anzeichen einer solchen Empfänglichkeit des Kindes für Ordnung kann schon die Freude des Kindes sein, die es verspürt und zum Ausdruck bringt, wenn es beispielsweise ein und denselben Gegenstand immer wieder am selben Platz vorfindet. Und genau hier lässt sich auch die hohe Bedeutung dieser „Empfänglichkeit“ erkennen, wenn das Kind auf Störungen in einer für gewohnten Ordnung reagiert. Ordnung stellt für das Kind – so bei Montessori’s „Kinder sind anders“ (S.63) – einen „Anreiz, eine Aufforderung zum Handeln dar“.(ebd.) Ordnung bedeutet – so bei Montessori (ebd.) weiter – „Gegenstände im Raum zu kennen, sich an die Stelle zu erinnern, wo jedes Ding sich befindet. Das wieder bedeutet, sich in seiner Umwelt zurechtzufinden und sie in allen ihren Einzelheiten zu besitzen.“ (zit. n. ebd.) 7.4.1 Die innere Ordnung Vorab anzumerken: Es gibt nach Montessori natürlich auch eine Äußere Ordnung, welche die Beziehungen zwischen Bestandteilen aus der Umwelt anbelangt. (vgl. Montessori, S.66) 25 Zur Inneren Ordnung - Montessori bezieht sich dabei unter anderem auch auf Erkenntnisse aus der Experimentalpsychologie. - Innere Ordnung oder der Innere Orientierungssinn besteht bei Montessori „Im Innewerden und in der Lokalisierung der körperlichen Funktionen, die bei dem Entstehen der Körperbewegungen zusammenwirken.“ (zit. n. Montessori’s „Kinder sind anders“, S. 66) - Beispiel für die Leistung des Inneren Orientierungssinnes (nach den alten Theorien): Jemand bewegt seinen Arm mit dem Ziel etwas zu ergreifen. Um dies zu bewältigen, muss diese Bewegung von einem Muskel aufgenommen werden (ebd.). In weiterer Folge „wandert“ diese Bewegung in das Muskelgedächtnis. Ist es dort angelangt, kann die Bewegung jederzeit wieder abgerufen werden. (ebd.) Mit dieser Leistung erarbeitet sich der Mensch schließlich jene vollständige innere Orientierung, die es ihm möglich macht, nach seinem Belieben beispielsweise den rechten oder linken Arm zu bewegen, sich irgendwo hinzuwenden,..“ (vgl. ebd., 67) Die Aneignung bzw. Vervollkommnung dieser angesprochenen Leistungen passieren natürlich auf Basis von Erfahrungen. - Nach den neueren Theorien Montessori’s: Gehen davon aus, dass diese Sensibilitäten (für innere Orientierung) – in Bezug auf Haltungen und Stellungen des Körpers – bereits von der Natur vorbereitet wurden. Dies ist die Basis. Bewusste Erfahrungen entwickeln diese Sensibilitäten dann weiter. 7.5 Die Intelligenz - - - Liegt in der „inneren Empfänglichkeit“ (zit. n. Montessori „Kinder sind anders“, S.71) des Kindes. Spielt sich in der Sensiblen Periode bis zum 5.Lebensjahr ab. Zentral: Kind eignet sich Bilder aus der Umwelt an, also lernt dies. In diesem Sinne – nach Montessori – ist das Kind demnach als ein „aktiver Beobachter“ zu verstehen, dass mit Hilfe seiner Sinne die Eindrücke der Umwelt, seiner Umwelt, aufnimmt. (vgl. ebd.) Beobachtung – nach Montessori – aus einem inneren Antrieb. (ebd.) Ausgangspunkt des Kindes: Das „Nichts“ Montessori: „Bilder ordnen sich sogleich im Dienste der Vernunft, und im Dienst des vernünftigen Denkens nimmt das Kind von allem Anfang gierig, ja geradezu unersättlich Bilder in Sich auf.“ (zit. n. ebd.) Nach Montessori ist es ebenso wichtig: Das Kind sollte die Bilder, die es aufgenommen hat, in voller Klarheit „bewahren“ können, „denn nur so in solcher Klarheit vermag es Eindruck von Eindruck zu unterscheiden und seine Intelligenz auszuformen.“ (zit. n. ebd.) 7.6 Die Bedeutung der Hand - Hand zeichnet Menschen als führendes Wesen seiner Intelligenz aus – nach Montessori. Rückblickend: Erste „Hand“-Werkzeuge des Menschen (prähistorisch, vorgeschichtlich): geglättete und zersplitterte Steine. (vgl. Montessori „Kinder sind anders“, S. 88) 26 - - Die Hand versteht sich nach Montessori (ebd.) als ein Organ, welches der Intelligenz möglich macht, in bestimmte Beziehungen zu treten, und zwar zu seiner Umwelt. Montessori: „Der Mensch ergreife mit seiner Hand Besitz von dieser Umwelt.“ (zit. n. ebd.) Zusammenhang zwischen Sprache und Handbewegungen „Die Hand als Kundgebung des inneren Ichs.“ (zit. n. Montessori „Kinder sind anders“, S.89) „Die Bewegungen des Kindes geschehen unter der Leitung seines Ichs und sind dem Ausbau der für die Bewegung der nötigen Muskelkoordinierungen dienlich.“ (ebd., 90) Das „Ich versteht sich hierbei als ‚Koordinator und Organisator’.“ (ebd.) 7.7 Die Bewegung - - - Bezogen auf den Aufbau der Seele! Bewegung als charakteristische Eigenschaft des seelischen, animalischen Daseins. Hat Einfluss auf vegetatives Leben. Um das Wesentliche der kindlichen Bewegung zu erkennen, müssen wir uns im Klaren sein, die Bewegung als „Verkörperung der schöpferischen Kraft“ anzunehmen. (vgl. Montessori „Kinder sind anders“, S.103) Denn: „Erst der von der Seele beherrschte Bewegungsapparat stellt das Werkzeug dar, mit dessen Hilfe der Mensch auf eine äußere Umwelt einzuwirken, seine Persönlichkeit auszudrücken und seine Mission zu erfüllen vermag.“ (ebd.) Bewegung als Ausdruck des Ich’s und verantwortlich für den Aufbau des Bewusstseins.“ Schafft Beziehung zwischen Ich und äußerer Realität. Bewegung trägt bei zu, zusammengefasst: Aufbau der Intelligenz (Nahrung, Erhaltung) Schaffung abstrakter Vorstellungen (Bsp.: Raum und Zeit) Schafft Wirklichkeit. (Quelle: Montessori, Kinder sind anders, S.103) 7.8 Der immanente Bauplan „Universaler Bauplan“ – von der Natur gegeben: Umfasst Entwicklungsprozess – physisch, psychisch und sozial gesehen. (vgl. Fuchs, 55) „Schöpferischer Prozess“: in ihm entwickelt oder bildet sich ein unvollendeter, oder bisher-nicht-existierender Körper und tritt in die Welt der Lebewesen ein. (ebd., 56) „Lebewesen – welcher Gattung auch immer – trägt einen Bauplan jener psychischen Instinkte und Funktionen in sich, ‚welche das Wesen instand setzen sollen, zur Außenwelt in Beziehung zu treten.(…)“ (zit. n. ebd.) „Es gibt also in der kindlichen Seele ein Geheimnis, in das wir nicht eindringen können, wenn das Kind selbst es uns nicht dadurch offenbart, dass es allmählich sich selbst aufbaut. Wieder haben wir es hier mit einer ähnlichen Erscheinung zu tun wie bei der Zellteilung. Hier wie dort vollzieht sich die Entwicklung nach einem unsichtbaren Plan, der auf keine Weise zu erfassen ist und sich erst enthüllt, wenn die Bildung des Organismus in seinen Einzelheiten vor sich geht. So vermag uns nur das 27 Kind selber zu enthüllen, welches der natürliche Bauplan des Menschen ist.“(aus: Montessori „Kinder sind anders“, S.57)8 Das Kind folgt – nach Montessori (vgl. „Kinder sind anders“, S.57) einem „inneren Befehlshaber“/“Auftraggeber“ seiner Entwicklung und richtet sich (zunächst) unbewusst seinem „immanenten Bauplan“, welcher dafür sorgt, dass im Voraus bereits klare Strukturen und logische Aufbautätigkeiten erfolgen, die der kindlichen Entwicklung dienlich sind. (vgl. ebd.) Montessori’s „Bauplan“ charakterisiert sich durch: „Spontane Aktivität“ (des Kindes) (vgl. ebd., S.58) 7.9 Wo ist Montessori’s Entwicklungsmodell einzuordnen? - - Kindheit hat für Montessori – im Gegensatz zu anderen Reformpädagogen – eine ganz eigene Bedeutung. Kind ist „Lehrmeister seiner selbst“ (vgl. Waldschmidt, S.43)l, besitzt von Geburt an innere Aktivitäten. Kind bedarf eines „inneren Aufbau’s" , erst dann könne es sich der Außenwelt als autonomes, selbständiges Wesen offenbaren. Das Kind steuert aber – mit Hilfe seiner stetigen Neugier und seinem Interesse – jegliche Lernprozesse von selbst. 3 Faktoren bestimmen – nach Montessori (vgl. Waldschmidt, S.43) – die Entwicklung mit: Absorbierender Geist, Sensiblen Phasen und Polarisation der Aufmerksamkeit. (vgl. ebd.) Montessori’s biologistische Ansätze in ihren Modellen weisen auf Ähnlichkeiten den Modellen der neurobiologischen Sichtweise hin Biologistische Begründung für sensible Phasen ist heute nicht mehr tragbar. (vgl. auch Biewer-Folien) 8. Begriffe 8.1 Der Begriff der Deviation - - 8 Aus dem „Wörterbuch Pädagogik“: „devianz“: lat. devertere für abkehren, abwenden; meint nach dem Wörterbuch die „die Auffällige Abweichung eines Individuums von sozialen ‚Normen’, „moralischen Standards und üblichen Verhaltensweisen. Jeder Einzelfall ist in Abhängigkeit vom jeweiligen Lebenszusammenhang zu sehen.“ (zit. n. Schaub und Zenke, S.150) Nach Waldschmidt: Maria Montessoris anthropologische Grundthese besagt: Der Mensch ist von Geburt an gut. Alle von dieser Norm – dem göttlichen Willen – abweichenden Verhaltensweisen sind von der Umwelt verursacht. Sie nennt diese Abweichungen ‚Deviation’ (wörtlich: von dem Weg abweichend).“ (zit. n. Montessori, „Kinder sind anders“, S.37) Kinder sind anders, S.26f. (Hervorhebung durch die Autorin Fuchs) 28 8.2 Normalisation/Normalisierung Unter Normalisierung oder „Normalisation“ versteht Montessori ein „psychisch gesundes Kind“ (vgl. Hedderich S.135) Markant für ein normalisiertes Kind sind beispielsweise ein stabiles Arbeits- bzw. Sozialverhalten, Selbständigkeit, Ausdauer, Fähigkeit zur Konzentration und auch Disziplin. (vgl. ebd.) Grundlegend ist aber auch, ob während des Wachstums seitens der Erwachsenen die nötigen Rahmenbedingungen geschaffen wurden. Im Prozess der Normalisierung spielen vor allem die Polarisation der Aufmerksamkeit, die Vorbereitete Umgebung (hierzu wird es noch einen Punkt geben) und die Freie Wahl. (ebd.) 9. Zum didaktischen Entwurf Montessori’s 9.1 Bedeutung von Hilfe, Belohnung und Strafe bei Montessori 9.1.1 Bedeutung von Hilfe (seitens des Erwachsenen) Montessori kritisiert am Erwachsenen (zit. n. Waldschmidt, 53), dass er das Kind als ein völlig leeres Wesen sieht, welches er nach seinen Vorstellungen und Maßstäben „auffüllen“ muss, ja, er sehe es als eine Art Pflicht, das ihm erscheinende „träge und unfähige Wesen und führerlose“ Kind unter seiner Leitung heranzuziehen. (vgl. ebd.) Nach Montessori ist das Kind sozusagen Schöpfer seiner Selbst, nach (traditioneller) Auffassung (vieler) des Erwachsenen sieht dieser selbst sich jedoch als Schöpfer des Kindes berufen, zwingt dem Kind in dem Fall mehr oder weniger seine eigenen Vorstellungen, Einstellungen und Ansichten auf. Damit aber „löscht er in Wirklichkeit die Persönlichkeit des Kindes aus.“ (Montessori, zit. n. Waldschmidt, 53) Der Erwachsene sieht sich also quasi in einer Art Schöpfer, oder auch „Helferrolle/position“. Und nach Montessori, fällt es ihm auch daher sehr schwer, diese Rolle abzulegen, denn das Kind – so bei Waldschmidt weiter (S.54) verlangt gar nicht nach der Hilfe des Erwachsenen. Bei Bedarf wird es jedoch auf den Erwachsenen zugehen und ihn gegebenenfalls auch um dessen Hilfe bitten. Ziel ist also, dass das Kind auf Basis der Selbsterfahrung arbeitet und im Zuge dessen auch aus Fehlern selber Lösungswege erarbeitet und findet. (vgl. ebd.) Zusammengefasst: Wie in Wikipedia noch einmal sehr schön auf den Punkt gebracht ist verstehe sich das „Selbstverständnis des Erwachsenen in der Montessori-Pädagogik als das eines Helfers, welcher dem Kind den Weg zur Selbstständigkeit ebnet, gemäß Montessoris Leitwort ‚Hilf mir, es selbst zu tun’.“ (vgl. Wikipedia, OnlineEnzyklopädie) 9.1.2 Belohnung und Strafe Was das Belohnen bzw. Bestrafen anbelangt, so nennt Montessori in „Kinder sind anders“ (vgl. S.128) folgendes Beispiel: Sie hatte einst in einer Schule eine Beobachtung gemacht, in der ein Junge als Belohnung ein so genanntes „Goldkreuz“ umgehängt bekam. Ein anderer Schüler wurde zur Strafe alleine auf einen Stuhl gesetzt. Als der Schüler mit der Belohnung an dem „bestraften“ Jungen vorbeiging, 29 hängte er diesem einfach sein „Goldkreuz“ um. Montessori interpretierte dies so, als das dem Belohnten seine Belohnung als nutzlos, bedeutungslos erschien. Auch der Bestrafte Junge, der die „falsche Belohung“ nun umhängen hatte, konnte, so wie Montessori beobachtete, nichts weiter anfangen. Montessori behielt dieses Verhalten der Kinder in Bezug auf Belohnung und Bestrafung weiter im Auge und musste erkennen, dass sich die Reaktion der Kinder darauf wiederholte. Belohnung und Strafe erscheint – so Montessori aus ihren Beobachtungen – den Kindern als bedeutungslos, ja sogar hemmend oder hinderlich, und die Kinder würden sich eben auch nicht dafür interessieren. Sie findet es in erster Linie wichtig, ein Kind, das voll konzentriert ist in seiner Arbeit/seiner Tätigkeit, nicht durch Lob oder Strafe zu stören. (vgl. Montessori u.a.) 9.2 Grundlegung von Montessoris Didaktik 9.2.1 - - Der Begriff der Arbeit nach Montessori Arbeit – nach Montessori – entspricht jener Tätigkeit des Kindes, die dem Selbstaufbau dienlich ist. Sie sieht sie als eine zentrale Entwicklungsaufgabe. Sie vergleicht die Arbeit des Kindes mit der eines Erwachsenen. Die Arbeit des Kindes = schöpferische Arbeit. Ziel der Arbeit es Kindes = Erschaffung einer Persönlichkeit. Arbeit ist nicht bewusst geplant, wird oder muss aber vom Kind selbst ausgeführt werden! (vgl. Hedderich, 42) Montessori versteht die Arbeit als eine Erscheinung des Seelenlebens, als eine der „sichersten Erfahrungen, die jemals auf dem Gebiet der Psychologie und der Pädagogik gewonnen wurden.“ (Montessori, Kinder sind anders, S.189) Arbeit sei beim Kind– so Montessori (ebd.) – von einem so genannten Naturtrieb bestimmt. „Der Mensch bildet sich durch Arbeit.“ (zit. n. Montessori, 189) Montessori unterscheidet Zwei Arbeitsarten: Die Arbeit des Erwachsenen: = Die Arbeit des Erwachsenen liegt im „Mitwirken am Aufbau eines Lebensbereiches, der über der Sphäre des Natürlichen liegt.“ (Montessori, 194) = Bei der Arbeit des Erwachsenen handelt es sich um eine Äußere Arbeit. (ebd.) Die Arbeit des Kindes: = Die Arbeit des Kindes liegt in der Aufgabe, den Menschen zu bilden. = Arbeit des Kindes ist unbewusst, wie bereits erwähnt, sie versteht sich als eine Schöpfungsarbeit. = In seiner Arbeit bedient sich das Kind auch der Äußeren Umgebung. 30 = Arbeit des Kindes besteht in Handlungen des Kindes, die sich auf reale Objekte der Außenwelt beziehen. = Das Kind arbeitet nicht zwecks eines äußeren Zieles. (vgl. Montessori, 200) 9.3 Die Freie Arbeit - auch – so Fuchs (vgl. 61) Freie Wahl der Arbeit oder Freies Arbeiten genannt. Kennzeichnend für die Freie Arbeit sind folgende Punkte: Die vorbereitete Umgebung Angebot des Entwicklungsmaterials, welches dem voranschreitenden Alter der Kinder angepasst werden muss. Freiheit des Kindes in der Wahl der Arbeitsschwerpunkte. Anmerkung: „Wahlfreiheit“: Damit diese gewährleistet werden kann, muss das Kind die Materialen kennen, erst danach kann es „frei wählen“. Entspanntes und ruhiges Lernklima und eine vertrauensvolle LehrerSchüler-Beziehung stellen auch ein wichtiges Merkmal in der Freien Arbeit dar. Fehlerkontrollen können die Kinder selbst vornehmen, da diese in den meisten Materialen enthalten ist. (vgl. Waldschmidt, 62f.) Freie Arbeit kennzeichnet sich auch durch Rhythmen oder durch eine Äußere Strukturierung: Als wichtiges Instrument dienen hier Arbeitspläne (Tagespläne, Wochenpläne). Der so genannte „Morgenkreis“ ist ein wichtiger Bestandteil eines jeden Tages in einer Montessori-Einrichtung: Hier erfolgt eine persönliche Begrüßung durch den Erwachsenen, hier werden auch Tages- und Wochenplan besprochen. Der Tagesplan: Linkerhand werden Datum und Aufgaben vermerkt, rechterhand die Fertigstellung. Im Zuge des Tagesplanes erfolgt weiters eine Unterscheidung zwischen Pflicht- und Wahlaufgaben. Der Wochenplan ermöglicht die Planung größerer Zeiteinheiten. Linkerhand werden hier Pflicht- und Wahlaufgaben notiert, in der zweiten Spaltung werden Erledigungen festgehalten und rechterhand werden die Benennungen der Aufgaben notiert. Die Kopfzeile des Arbeitplanes enthält eine Zeitleiste, an der festgehalten werden kann, welche Tage Zeit für die Ausführung der Aufgaben bieten. (vgl. Hedderich, 154) Freiarbeitsphase zwischen 2 und 3 Stunden. Kinder können hier ohne Zeitdruck den von ihnen gewählten Aufgaben nachkommen. Begrenzung des Freiarbeits-Materials, um Überforderung zu vermeiden. Freie Arbeit => individualisiertes Arbeiten Ordner statt Hefte! 9.4 Polarisation der Aufmerksamkeit - - Darunter ist – so bei Hedderich (vgl. 136) – die „Bündelung aller leib-seelischen Kräfte zu sehen“, welche das Kind zu einer „Selbstvergessenheit“ des Kindes in seiner Arbeit hingeleitet. Das heißt, das Kind befindet sich bei seiner Tätigkeit in tiefer Konzentration. Kennzeichnend in dieser Phase der Konzentration ist auch die Wiederholung. Wichtig ist es nach Montessori, dass Kind in dieser Phase – auch der Polarisation der Áufmerksamkeit – nicht zu stören, wie zum Beispiel durch Lob oder Strafen. 31 - - - Waldschmidt (vgl. 51) schreibt, dass sich das Kind in einer so genannten Vorbereitungsphase „innerlich“ auf die „große Arbeit“ vorbereitet. In dieser Vorbereitungsphase stellt das Kind unter anderem alle für „seine Tätigkeit“ nötigen Materialen zusammen. Dann beginnt die eigentliche Phase – die der Polarisation der Aufmerksamkeit, in der das Kind in seine Arbeit geradezu versinkt und sich durch nicht und niemanden stören lässt. Wie lange eine solche Phase dauert, ist – so Waldschmidt weiter (ebd.) – alterabhängig. Anmerkung: Hedderich nennt in Bezug zur Polarisierten Aufmerksamkeit 3 Phasen: 1.) Die vorbereitende Stufe, 2.) Die Große Arbeit und 3.) Phase des Abschlusses und des Ausruhens. (vgl. Hedderich, 43) Die Polarisation der Aufmerksamkeit kann sich dann – so Waldschmidt (n. Montessori) nicht erfolgreich einstellen, wenn: die Freiheit der Wahl des Lerngegenstandes, in einer in Übereinstimmung mit den sensiblen Phasen angepassten und vorbereiteten Umgebung und nicht- dirigistischen Rolle des Erwachsenen (also direktiven Rolle) nicht gegeben ist! (vgl. Waldschmidt, 51) 9.5 Engramme Wie wir bereits in einem der vorangegangenen Punkte erfahren haben, sind Engramme zum Beispiel Eindrücke, die das Kind aus seiner Umwelt aufnimmt und welche es dann im Unterbewusstsein speichert. Im engeren Sinne verstehen sie sich als physiologische Spuren oder auch Veränderungen, die durch einen aufgenommenen Sinneseindruck entstanden sind. Nach Montessori (vgl. Fuchs, 66) wird den Engrammen eine größere Bedeutung in der kindlichen Intelligenzentwicklung beigemessen als dem bewussten Lernen. Das Sammeln so genannter Engramme ermöglicht eine Vernetzung und Organisation von Psychischen Strukturen. Wiederholung von Übungen, beispielsweise während einer Phase der Polarisierten Aufmerksamkeit, können solche Engramme verstärken und vernetzen. Das Modell der Engramme ist als ein neurobiologisches Modell anzusehen und stellt ein wichtiges Moment von Montessori’s Lerntheorie dar. 9.6 Die vorbereitete und die räumliche Umgebung 9.6.1 - Die vorbereitete und räumliche Umgebung bietet Gestaltungsspielraum für den Umgang mit anderen Menschen bietet Gestaltungsspielraum für den Umgang mit Gegenständen Grenzen zeichnen sich hier durch die Bedürfnisse der Anderen und den liebevollen und würdevollen Umgang mit den Materialen heraus. Die vorbereitete Umgebung soll dem Kind die Möglichkeit geben sich (frei) zu entfalten und in Ruhe arbeiten zu können. Wichtiges Instrument der vorbereiteten Umgebung stellen die „MontessoriMaterialen“ (siehe später) dar. (vgl. Hedderich, 137) 32 - - - - Die Ausstattung der „Vorbereiteten Umgebung“ orientiert sich am Kind und seinen Fähigkeiten und am jeweiligen Kulturkreis. (vgl. Waldschmidt, 58) Es muss seitens des Erziehers weiters darauf geachtet werden, dass die Ausgestaltung der Lernumgebung im Sinne einer Anpassung an das Entwicklungsniveau des Kindes erfolgt! Materialen müssen in Reichweite des Kindes untergebracht sein! Ausstattung der Lernumgebung in Grundschulklasse gleicht der einer im Kinderhaus. In Sekundarstufe I und II gleicht diese eher einer Bibliothek oder einen Werk- oder Laborraum. Weiters müssen die Didaktischen Materialen in einer für die Kinder überschaubaren Ordnung in Funktionsbereiche gegliedert sein. Dies ist sehr wichtig für Orientierung und Übersichtlichkeit. Die Kinder haben die Materialen nach Gebrauch wieder an die jeweiligen Plätze zurückzugeben. (vgl. Waldschmidt, 59) Jedes Material ist auch nur einmal vorhanden, was zum Ziel haben soll, dass die Kinder soziales Verhalten lernen. Beispielsweise werden auch zerbrechliche Gegenstände aus Porzellan vorhanden sein, die die Kinder darauf vorbereiten soll, Geschicklichkeit und Wertschätzung zu entwickeln. (vgl. Wikipedia) 9.7 Aufgabe und Rolle der Pädagogen - Lehrer als unterstützende Hilfe für das Kind Lehrer hilft Kind beim „Selbstaufbau“ 5 Aufgabenbereiche lassen sich unterscheiden: Selbstvorbereitung Vorbereitung der Umgebung Gewährung von Entwicklungsfreiheit Überwachung der Lektionen Warten und Beobachten (vgl. Hedderich, 135) Weitere Aufgaben/“Disziplinen“ für den Erzieher Geduld Beobachten Schweigen Nicht-Stören der Kindlichen Konzentration Sachlichkeit (vgl. Hedderich, 41) Was heißt das nun genau? Das Kind ist das aktive Wesen, nicht der Lehrer/die Lehrerin Lehrer/Lehrerin soll Gebrauch des Materials erklären. 33 Lehrer/Lehrerin kann als „Mittler“ zwischen Materialen und Kinder verstanden werden. Lehrer/Lehrerin soll das Kind in seiner Aktivität, in seinem Tun erleichtern und soll ihm die zugedachte Arbeit versuchen klarzumachen. Lehrer soll lenken! Lehrer/Lehrerin soll beobachten, ruhig, geduldig, demütig sein, sich auf wenige Worte beschränken, eigene Impulse zurückhalten. Weiters hat der Lehrer die geeigneten Gegenstände, Materialen auszuwählen und diesen dem Kind so nahezubringen/anzubieten, da er beim Kind Interesse und Verständnis weckt. (vgl. Hedderich, 143f.) 9.8 Das didaktische Material Wie bereits angesprochen, stellen die Didaktischen Materialen einen wichtigen Bestandteil der Montessori-Pädagogik dar. Es soll das Kind in Form „materialisierter Abstraktion“ zum Benennen, zum Unterscheiden und Ordnen anleiten und anregen, Bei den Didaktischen Materialen lassen sich wie folgt – nach Hedderich (vgl. 43f.) 5 Gruppen unterscheiden: Sinnesmaterial (im Kinderhaus) Übungen des Praktischen Lebens (Kinderhaus) Materialen für Sprache (Grundschule) Materialen für Mathematik (Grundschule) Materialen für Kosmische Erziehung (Grundschule) Charakteristika der Materialen Begrenzung Ästhetik Aktivitätsmoment Fehlerkontrolle (vgl. Hedderich, 44) 9.8.1 - - Isolation der Schwierigkeit Materialen unterscheiden sich oft nur durch ein Merkmal – so bei Biewer (vgl. Folien), das heißt insbesondere für die Sinnesmaterialen, dass diese isoliert einen Sinn ansprechen. (vgl. Hedderich, 45) Das Kind soll seine Aufmerksamkeit eben nur auf diesen einen, bestimmten Aspekt richten. (vgl. Biewer-Folien) 9.8.2 Kombinierbarkeit Bedeutet, dass die einzelnen Materialen so konzipiert sein müssen, dass Bezüge zu anderen Materialen hergestellt werden können und das wiederum ermöglicht ein „Sichtbarmachen“ weiterer „abstrakter Zusammenhänge“. (vgl. Biewer-Folien) 34 9.8.3 Wiederholung und individuelle Fehlerkontrolle Wiederholung der Übungen Beispielsweise in der Phase der Polarisierten Aufmerksamkeit Materialien bieten dem Kind die Möglichkeit zur Wiederholung der Übungen, welches seinem inneren Streben nach einer vollkommenen Entwicklung entspricht, so Barbara Perras, Leiterin eines evangelischen Kindergartens in Loderhof. Denn „In der Vollendung der Wiederholung erfahre das Kind – so Perras weiter - ein Gefühl der inneren Stärke und Unabhängigkeit, und es geht aus dieser ausdauernden, konzentrierten Arbeit zufrieden und glücklich hervor, so dass es sich mit Freude neuen Lernangeboten zuwenden kann.“ (zit. n. Barbara Perras, Online-Artikel zu Psychomotorik und Montessori-Pädagogik)der Leiterin einer evangel. Kindergartens in Loderhof) Zudem kann das Kind durch die beliebig häufige Wiederholung die den Materialien zugrunde liegenden Gesetzmäßigkeiten erlernen. Fehlerkontrolle In den meisten Materialen ist eine Fehlerkontrolle vorhanden, welche dem Kind einen eigenständigen und selbständigen Umgang mit den Materialien ermöglicht. Das Kind kann somit seine eigenen Fehler selbst erkennen und – unabhängig vom Erwachsenen – selber nach (anderen) Lösungswegen suchen und somit aus seinen Fehlern lernen. (vgl. auch Online-Artikel v. Perras, Angaben s.o.) Steibel (1995, 41; nach Hedderich, S.44; modifiziert) nennt 4 Fehlerkontrollen: Visuelle Fehlerkontrolle, Beispiel „Glocken“, Mechanische Fehlerkontrolle, Beispiel „Einsatzzylinder“, Durch bereits erworbene Kentnisse/Fehlekontrolle, Beispiel „Geräuschdosen“ oder Durch auftretende Disharmonie/Fehlerkontrolle, wie z.B. „Braune Treppe“. (vgl. Hedderich, ebd.) Durch Fehlerkontrollen sollen die Kinder auch erlernen, dass sie keine Angst vor Fehlern haben müssen, sondern sie sollen erkennen, dass diese wichtig sind, um daraus zu lernen. (vgl. Online-Artikel zu den MontessoriMaterialien) 9.8.4 Ästhetik und Aktivität Ästhetik Die Materialien müssen erstens sauber sein und „ästhetisch“ gesehen für die Kinder einen Aufforderungscharakter haben, ihr Interesse wecken. Aktivität Weiters muss das Kind mit den didaktischen Materialien handeln, aktiv arbeiten können, beliebig oft wiederholen können. Die Materialien sollen beim Kind Interesse erwecken und dies auch für längere Zeit aufrechterhalten. (vgl. Hedderich, 44) Begrenzung 35 Meint, dass damit die Überschaubarkeit (der Materialien) für das Kind gewährleistet bleibt (vgl. auch den Punkt: „Vorbereitete Umgebung“) -> Äußere Ordnung -- Innere Ordnung. (vgl. Hedderich, ebd.) 9.8.5 Technik der Lektionen Prinzip der Lektionen: „Vom Konkreten zum Abstrakten“, und „Vom Allgemeinen zum Besonderen.“ Mit den Lektionen soll die Aufmerksamkeit des Kindes auch (dauerhaft) auf die Materialien gelenkt werden. Merkmale der Lektionen: Einfachheit, Wahrheit und Objektivität. Damit das Kind dann selbständig mit den Materialien arbeiten kann, muss zuerst mit Hilfe einer 3-stufigen Lektion darin eingeführt werden. 1.) Stufe 1: „Assoziation der Sinneswahrnehmung mit dem Namen des Materials“: Das Kind erhält ein Didaktisches Material mit der (verbalen) Information: „Dies ist.., und das ist…“ 2.) Stufe 2: Das Kind soll nun in weiterer Folge den vorher benannten Gegenstand und der Aufforderung dazu, erkennen lernen. 3.) Stufe 3: „Erinnerung an den Gegenstand“ (vgl. Hedderich, 45) 9.9 Beobachten Stellt einen wichtigen Schwerpunkt in der Montessori-Pädagogik und auch der Ausbildung zum Montessori-Lehrer dar. Beobachtung geschieht vor allem in der „Freiarbeit“. Auf Grund seiner Beobachtungen soll der Erzieher dann Interpretationen entwickeln. Die Beobachtung ist wichtig und grundlegend für die Individuelle Passung zwecks pädagogischen Handelns seitens des Lehrers. (vgl. Waldschmidt, 64) Außerdem ist die Beobachtung des Kindes für den Erzieher so wichtig, da die Angebote sich gemäß dem Entwicklungsstand des Kindes „anpassen“ müssen, angepasst werden müssen. (vgl. auch Biewer-Folien) 10. Die verschiedenen Übungen und Materialien zur Sinneserziehung und des Praktischen Lebens 10.1 Die verschiedenen Materialbereiche Zur Wiederholung Sinnesmaterialien Übungen des Praktischen Lebens Mathematik Sprache Kosmische Erziehung 36 10.2 Sinneserziehung und Sinnesmaterialien I: Allgemein Bei den Sinnesübungen im Rahmen der Sinneserziehung geht es, so bei Waldschmidt (vgl. 96) darum, dass die Wahrnehmung der Kinder ausdifferenziert und kultiviert werde (Sehsinn, Gehörsinn, Geruchssinn, Empfindungssinn). (ebd.) Die Sinnesübungen beziehen sich auf Kinder zwischen 3 und 6 Jahren, wobei die Kinder hier erlernen sollen, mit den Reizen aus der Umwelt, den ganzen Sinneseindrücken und Wahrnehmungen umzugehen, d.h. sie zu vergleichen, zu benennen, einzuordnen. (ebd.) Die Materialien hierfür sind so konzipiert, dass sie jeweils einen Sinn „isoliert“ – also im Sinne der „Isolation der Schwierigkeit“ – ansprechen. Ziel ist es mit Hilfe der Materialien, die im weiteren Punkt genauer vorgestellt werden, „kognitive Prozesse des Erkennens, Verstehens und Einordnens“ dieser Sinneseindrücke, zu schulen. (vgl. Hedderich, 136) Konzeptionell haben Montessori dabei vor allem Itard und Seguin wesentlich beeinflusst. Sie verwiesen – wie bereits zu Beginn des Skripts ausgeführt – auf die Notwendigkeit von Übungen der Sinnesorgane zum Zwecke der Entwicklung der Intelligenz. 10.3 Sinnesmaterialien II: Im Detail Die Sinnesmaterialien im Überblick: Kinderhaus Materialien zur Unterscheidung von Dimensionen Rosa Turm Braune Treppe Rote Stangen Einsatzzylinder Farbige Zylinder Zur Unterscheidung von Farben: Kinderhaus Farbtäfelchen Zur Unterscheidung v. Formen: Kinderhaus Geometrische Kommode Biologische Kommode Konstruktive Dreiecke Geometrische Körper Unterscheidung v. Oberflächen- und Materialstrukturen: Kinderhaus Tástbretter, rau und glatt Tasttäfelchen, grob und fein Kasten mit Stoffen Unterscheidung v. Gewichten Gewichtsbrettchen 37 Unterscheidung Geräusche und Töne Geräuschdosen Glocken Unterscheidung v. Gerüchen Geruchsdosen Unterscheidung v. Geschmacksqualitäten Geschmackgläser Wärmequalitäten Wärmekrüge Mathematikmaterial: Kinderhaus Zahlbereich 1 – 10: Numerische Stangen, Zahlbegriffe 1 – 10 Sandpapierziffern Numerische Stangen Ziffernbrettchen Spindeln Ziffern und Chips Dezimalsystem: Goldenes Perlenmaterial Kartensatz Goldenes Perlenmaterial und Kartensätze zum Einführen der Zahlsymbole, Zehnerzahlen Lineares Zählen Farbige Perlentreppchen, Seguin-Tafel Kurze Perlenketten Hunderterkette Tausenderkette Kubus Sprachmaterial: Kinderhaus Metallene Einsatzfiguren Sandpapierbuchstaben Bewegliches Alphabet Erstes Lesen (vgl. Hedderich, 147f.) 38 Die Sinnesmaterialen im Detail: Ausgewählte Materialien Anmerkung: In Verbindung mit den „Sinnesmaterialien“ taucht immer wieder der Begriff der „Materialisierten Abstraktion“ auf. Einfach gesagt, der Begriff bezieht sich auf die verschiedenen Abstufungen, Schattierungen, Kontraste und Beschaffenheiten der einzelnen Gegenstände. Für den Sehsinn: Bsp.: „Der Rosa Turm“ (ab 3 Jahren) - 10 rosa lackierte Würfel, deren Kantenlängen sich immer um 1cm verringern. - Wahrnehmung d. Größenunterschiede durch Gesichts- und Tastsinn - Auge-Hand-Koordination beim Schauen und Greifen, Bewegungskoordination - Feinmotorik - Ordnungsstrukturen - Fehlerkontrolle visuell und taktil - Benennung d. Unterschiede groß und klein. Bsp.: „Braune Treppe“ (ab 3 Jahren) - 10 Prismen (in 2 Dimensionen, sowie Unterschied in Höhe und Breite, Länge gleich bleibend) - Ordnungsstrukturen und Serien - Visuelle Unterscheidung: Größen - Auge-Hand-Koordination beim Schauen und Greifen - Fehlerkontrolle visuell und taktil - Benennung Unterschiede dick und dünn. Bsp.: „Rote Stangen“ (ab 3 Jahren) - 10 rote Vierkantstäbe, in einer Dimension, Unterschied auch in der Länge, Stangen zw. 10cm und 1m - Ordnungsstrukturen und Serien - Unterscheidung v. Längen - Grob- und Feinmotorik - Relation: Länge/Gewicht - Auge-Hand-Koordination beim Greifen und Schauen - Fehlerkontrolle visuell und taktil - Benennung Unterschiede lang und kurz Bsp.: „Einsatzzylinder“ (ab 3 Jahren) - 4 Naturholzblöcke mit je 10 Zylindern (+ Knöpfe und Aussparungen), unterschiedliche Dimensionen - Die Zylinder verändern sich von „Block A“ bis „Block D“ um jeweils 1 Dimension, in Höhe, Breite, Höhe und Durchmesser sowie Höhe und Durchmesser. (in der Reihenfolge von „A“ bis „D“) - Feinmotorik - Unterscheiden, Erkennen: Dimensionen mit gleich bleibender Form - Vorbereitung auf Schreiben, z.B. Schrifthaltung - Fehlerkontrolle visuell und taktil - Wortlektionen (wieder von „A“ bis „D“) (vgl. ab 54f.) 39 Bsp.: „Farbige Zylinder“ (ab 4 Jahren) - Erkennen, Aufbauen und Unterscheidung v. Serien ist das Ziel, sowie - Ordnungsstrukturen - Festigung der Kenntnisse mit Einsatzzylindern - Fehlerkontrolle visuell und taktil Bsp.: „Farbtäfelchen“ (ab 3 Jahren) - Kasten 1: Holzkasten mit 3 Farbpaaren mit Grundfarben Rot, Blau und Gelb. Es gibt bei den Täfelchen noch eine „Seite zum Anfassen“ - Kennen lernen der Grundfarben - Farbsinnentwicklung - Zuordnen der Farben, Benennung - Fehlerkontrolle visuell Bsp.: „Farbtäfelchen“ 2 (ab 3 Jahren) - Thema Mischfarben: 11 Farbpaare - Vertiefung der Grundfarben und Einführung in die Mischfarben und der Nichtfarben Schwarz und Weiß - Farbverständnis - Fehlerkontrolle visuell Bsp.: „Farbtäfelchen“ 3 (ab 3 Jahren) - Kasten 3 besteht aus Holzkasten mit 9 Fächern zu je 7 Täfelchen (Abstufungen hell bis dunkel), 3 Farbreihen - Zentriert: Schattierungen, Farbnuancen - Farbreihen - Farbharmonie erlernen - Fehlerkontrolle visuell Gehörsinn Bsp.: „Glocken“ (ab 3 Jahren) - Zu den Glocken: 2 grüne Bretter m. weißen und schwarzen Feldern, dahinter 8 Glocken m. weißem Fuß und 5 Glocken m. schwarzem Fuß -> Tonfolge C – C. - Dazu 13 Glocken mit braunem Fuß, - Zu alledem noch Klöppel und Dämpfer - Wahrnehmung/Unterscheidung d. Tonhöhen - Bilden v. Tonpaaren und Tonreihen - Unterscheidung Begriffe hoch und tief - Feinmotorik - Fehlerkontrolle auditiv Bsp.: „Geräuschdosen“ (ab 3 Jahren) - 2 Kästen m. 6 Holzdosen + m. verschiedenen Materialien: Steine, Nüsse, Reis, Sand, etc. Die Dosen in den 2 Kisten haben einmal rote und einmal blaue Deckel. Beim Schütteln der Dosen: untersch. Geräusche, auch v. Lautstärke und Tonhöhe. - Wahrnehmung/Differenzierung v. Geräuschunterschieden - Auditives Gedächtnis - Paare, Reihen und Ordnungsstrukturen - Motorik 40 - Hand-Augen-Koordination bei Greifen und Schauen Fehlerkontrolle auditiv (vgl. Hedderich, 70f.) Geruchssinn Bsp.: „Geruchsdosen“ (ab 3 Jahren) - 2 Kästen, hellbraun und dunkelbraune Plastikdosen mit Deckeln. Darin stark riechende Substanzen. - Wahrnehmung der Versch. Düfte -> Öffnungen - In den Dosen: Kaffee, Kakao, Gewürznelken, Zimt,… - Unterscheidung d. Gerüche - Feinmotorik und Hand-Auge-Koordination - Kennen lernen der verschiedenen Substanzen - Fehlerkontrolle durch wiederholtes Vergleichen sowie durch Markierungen unter den Dosen. Empfindungssinn Bsp.: „Wärmeplatten“ (ab 3 Jahren) Bsp.: „Kasten mit Stoffen“ (ab ca. 3 Jahren) zur Verfeinerung d. Tastgefühls. Bsp.: „Tastbretter“ (ab ca. 3 Jahren) Bsp.: „Tasttäfelchen“ (ab 3 Jahren) Bsp.: „Gewichtsbrettchen“ (ab. Ca. 3 Jahren) - Holzkasten mit 3 Serien v. Holzbrettchen. Brettchen sind v. unterschiedlicher Holzart, daher auch unterschiedl. Gewicht und Färbung. - Gewichtssinn - Feinmotorik - Fehlerkontrolle visuell und „barisch“ (d.h. mit Hilfe einer Waage -> Kontrolle) - Brettchen werden mit ausgestreckten Armen auf die Fingerspitzen gelegt 10.4 Übungen des (Praktischen) Täglichen Lebens I: Allgemein Die Übungen des täglichen Lebens umfassen – so Hedderich (vgl. S.105) – Übungen des Praktischen Lebens (Handlungsabläufe im Alltag) und die Übungen des sozialen Lebens (zwischenmenschliche Umgangsformen) (ebd.) Kinderhaus 3 Gruppen Umfasst Übungen betreffend eigener Pflege: z.B. an- und ausziehen, Zähne putzen, Haare bürsten, Hände waschen. Umfasst Übungen betreffend den Umgang mit anderen Personen: z.B. begrüßen, empfangen, bewirten,.. Umfasst Übungen betreffend die Pflege der Umgebung: Tisch decken, spülen,… Analyse und Kontrolle der Bewegung. 41 Ziel: Förderung zur Strukturierung der Persönlichkeit Ziel: Soziale Kompetenz Ziel: Unabhängigkeit des Kindes Ziel: Verantwortungsbewusstes Handeln Ziel: Entwicklung der Vernunft Ziel: Koordination der Bewegungen -> seelisches Gleichgewicht und für Fähigkeit zur Konzentration. „Analyse der Bewegungen“: als Übung hierfür kann zum Beispiel das „Binden einer Schleife“ herangezogen werden. (vgl. Waldschmidt, 97) Sensible Phase für Übungen des Praktischen Lebens liegt etwa zwischen 3 und 4 Jahren. Ad: Bewegung: Nimmt für Montessori einen sehr hohen Stellenwert ein. Montessori sieht die Bewegung (des Kindes) als: „Verkörperung der seelischen Kraft“ Ausdruck des Ichs Faktor für den Bewusstseinsaufbau Faktor beim Aufbau der Intelligenz „Wirklichkeit kann nur durch Bewegung aufgenommen werden“, so Montessori (vgl. „Kinder sind anders“, S.103) Bindeglied zwischen Geist und Außenwelt (ebd.) Wichtig ist, dass die Hilfsmittel für die Übungen des Praktischen Lebens immer bereit stehen! 10.5 Übungen des Praktischen Lebens II: Übungen/Materialien Steckübungen: Ziel: - Koordination v. Auge und Hand - Größen und Formen erkennen - Feinmotorikschulung Das Material: DIN-A4 Schachtel und verschiedene, kleine Gegenstände wie Steine oder Münzen. An einer Längsseite der Schachtel muss ein länglicher und ein runder Schlitz eingeschnitten werden. Das Kind hat dann die Gegenstände in die passende Öffnung hineinzustecken. Fehlerkontrolle erfolgt mechanisch. Öffnen/Schließen v. Schlössern Ziel: - Koordination v. Auge und Hand - Feinmotorik Das Material: Umfasst Vorhängeschlösser verschiedenster Art, einen Holzrahmen + 3 Klappverschlüssen. Das Kind hat nach Erstellung durch den Erzieher die Schlösser der Reihe nach zu öffnen. Wertgelegt wird bei dieser Übung vor allem darauf, wie das 42 Kind beim Öffnen der Schlösser vorgeht. Fehlerkontrolle erfolgt auch hier mechanisch. Durch einen Trichter Gießen Ziel: - Koordination von Auge und Hand - Beobachtungsschulung Das Material: Bestehend aus einem Tablett mit Krug, kleinen Flaschen, einem kleinen Trichter, gesiebter Sand zum Auffüllen der Flaschen. Übung erfolgt aber auch mit Wasser. Die Kinder haben die Flaschen zu füllen, wobei das Augenmerk darauf liegen soll zu beobachten, ob und wann das Kind erkennt, wenn eine Flasche voll ist und es die Bewegungsausführung stoppen muss. Übung mit Wasser Ziel: - Körperbewusstsein fördern - Wahrnehmungsqualitäten differenzieren Material und Übungsausführung - Krug mit Wasser, Schüssel, Seifen mit unterschiedlichen Düften, ein Handtuch und eine Handcreme. Die Kinder sollen das Wasser in die Schüssel gießen, durch Riechen an den unterschiedlichen Seifen lernen Gerüche zu unterscheiden. Weiters sollen sie sich die Hände einseifen bis Schaum entsteht, danach Schaum wieder abwaschen, Hände abtrocknen und eincremen und das gleiche dann mit den Füßen auch vornehmen. Schöpfen Ziel: - Koordination Augen und der Hand - Feinmotorik Material und Übung - Große und kleine Schüssel, 1 Sieb, Kleine schwimmende Gegenstände wie z.B. Tennisbälle, Styroporstückchen; dazu ein Krug mit Wasser und ein Tablett. Die Kinder müssen zuerst das Wasser in die Schüssel gießen und danach die kleinen schwimmenden Gegenstände darin mit dem Sieb herausfischen. Quelle: Hedderich, S.93f. Weitere Übungen können sein: Messing putzen, bügeln, Servietten-falten, Tierpflege, Fenster putzen, Schuhe putzen, mit dem Besen kehren, etc. 43 Anziehrahmen - eines der weit verbreitensten Montessori-Materialien für die Übungen des Praktischen Lebens Ziel ist es hier, dass die Kinder das Anziehen v. Kleidungsstücken erlernen bzw. das Verwenden der verschiedensten Verschlüsse wie Reissverschlüsse, Druckknöpfe, Ösen, Klettverschlüsse,… Gehen auf der Linie und Stille-Übung - Die Übung „Gehen auf der Linie“ zielt darauf ab, dass die Kinder eine Kontrolle ihrer Bewegungen bekommen. Bei dieser Übung können die Kinder auch Gegenstände tragen, wie z.B. ein Wasserglas Bei der „Stille-Übung“ geht es um das selbe Ziel, jedoch erweitert sich dies um das Element sensorischer Übungen und meditativer Elemente. (vgl. BiewerFolien) - 10.6 Mathematikmaterial Allgemeines: Wozu Mathematikmaterial? - zur Bildung des mathematischen Geistes - Anmerkung zum „Mathematischen Geist“ n. Montessori: beschreibt die dem Menschen – im Vergleich zum Tier – einzigartig gegebene Funktion des menschlichen Gehirns. Bei Montessori meint der Begriff Entwicklungsvorgänge des Menschen und deren Förderung. Und sie bezeichnet den „Mathematischen Geist“ als „umfassend-ordnend“ (vgl. Hedderich, 135) Dieser Begriff Montessori’s geht auf den frz. Philosophen Pascal zurück. - Die Sinnesmaterialien sind auch hier wieder der „Schlüssel zur Entwicklung“, in dem Fall des „Mathematischen Geistes“ eben. - „Die Kinder, die mit dem mathematischen Material zu arbeiten beginnen sind durch die Übungen des praktischen Lebens und durch die mathematische Struktur des Sinnesmaterials vorbereitet. Sie kennen geometrische Formen und deren Namen von der geometrischen Kommode. Sie haben verinnerlicht, Abstraktes vom Konkreten abzuleiten; sie vergleichen, ordnen, sortieren, messen und zählen.“ (zit. n. MIA-Online, Artikel zu den Montessori-Materialien) Ausgewählte Mathematik-Materialien Goldenes Perlenmaterial: (ab 4 Jahren) - bestehend aus losen goldenen Perlen – stehend für die „Einer“ Stäbchen zu je 10 goldenen Perlen -> „Zehner“ Quadraten mit je 100 goldenen Perlen -> „Hunderter“ Kuben mit je 1000 goldenen Perlen -> „Tausender“ Dazu mehrere Tabletts Ziel - Einführung in das Dezimalsystem Kennenlernen: Einer, Zehner, Tausender, Hunderter 44 - Bestimmen von Mengen Abbildung 2: Goldenes Perlenmaterial (oben) (Quelle: MIA) - - - Einführung in das Material: (durch die Lehrerin) Voraussetzung hierfür, dass das Kind mit den Mengen im Bereich von 0 – 10 vertraut ist. Lehrerin nimmt Tablett mit 10 Einern, 10 Zehnerstäbchen, 10 Hunderterquadraten und 10 Tausenderkuben. Von jedem dieser Materialien nimmt sie ein Stück und legt es dem Kind vor, danach geht sie nach der „3-Stufen-Lektion“ (zur Benennung,…) vor: 1.) Einführung der Namen der Kategorien, 2.) Aufforderung des Kindes, dem Lehrer z.B. eine bestimmte Einheit zu geben und danach zu benennen. Bei der Einführung in die „dezimale Beziehung“ zwischen den Stellenwerten, nimmt die Lehrerin wiederum eine „Einerperle und ein Zehnerstäbchen“ und fordert danach das Kind auf, auf Grundlage der „Einerperle“ die Perlen auf dem „Zehnerstäbchen“ zu zählen. Hat das Kind erkannt, dass ein „Zehnerstäbchen“ 10 „Einer“ hat, so macht sie gleiche Übung dann mit „Quadrat“ und „Zehnerstäbchen“, „Hunderter“ und „Zehnern“, etc.. Anwendung im alltäglichen Leben kann diese Übung mit Mengen vor allem in Bezug auf Gegenstände der Umgebung, finden. (vgl. Hedderich, 88f.) Sandpapierziffern (ab ca. 3 Jahren) Ziel: - Ziffern kennen lernen - Ziffernschreiben: Vorbereitung Einführung in das Material durch den Pädagogen: - Einführung der Ziffern 1,2 und 3 - Dem Kind wird beispielsweise die Ziffer 1 vor Augen gelegt. Die Lehrerin fährt mit Zeige- oder Mittelfinger die Form der Zahl nach und verfährt wieder im Sinne der „Drei-Stufen-Lektion“, indem sie dabei sagt: „Das ist die Zahl 1“. Danach muss das Kind selbst die Form der Ziffern nachfühlen und dabei die Ziffer benennen. - Fehlerkontrolle erfolgt taktil durch die verschiedenen Oberflächenstrukturen. - Was kann das Kind noch mit dem Material machen: Beispielsweise die Ziffern mit geschlossenen Augen nachfahren oder die Kinder sich gegenseitig die Ziffern auf Rücken und Hand schreiben lassen und sie müssen diese dann erkennen und benennen. (vgl. Hedderich, 88f.) 45 - Rote Stangen sollen zur Unterscheidung von Längen beitragen Stangen sind ident mit den Numerischen Stangen, die dem Erwerb der Zahlbegriffe 1 – 10 dienen. - Spindelkästen bestehend aus 2 Kästen, 45 Spindeln, 8 Gummiringen Ziel besteht im Erwerb der Erfahrung der Mengen von 0 – 9 - Ziffern und Chips Bestehend aus einem Kasten mit ausgesägten Ziffern von 0 – 10, und 55 Chips Ziel: Unterscheidung gerader von ungeraden Zahlen - Seguin-Tafel I (11 – 19) und Tafel II (11 – 99) Tafel I: bestehend aus 9 goldenen „Zehnerperlenstäben“, einer bunten „Perlentreppe“ mit Mengen von 1 – 9. Ziel: Zahlenmengen von 11 – 19 Tafel II: bestehend aus goldenen „Zehnerstäbchen“ und „Einzelperlen“ - Streifenbretter bestehend aus Aufgabenzetteln und Kontrolltafeln Streifenbrett/Addition: dient dem Erkennen, Üben und Einprägen aller Additionsaufgaben mit den einstelligen Summanden. Streifenbrett/Substraktion: Analog zum anderen Streifenbrett dient es -> siehe Streifenbrett I. Perlenketten für den Zehnerübergang Schlangenspiel: Zehnerstäbe ersetzen bunte Perlenschlange. Beim Übergang zwischen den Zehnern müssen bunte Perlenstäbe zerlegt werden. Ziel: Einprägen der möglichen Teilmengen Negatives Schlangenspiel: Substraktion: funktioniert analog zu oben beschriebenen Beispiel. - Bankspiel zur Multiplikation (ab ca. 8 Jahren) ist für 3er bis 5er Gruppen gedacht. Voraussetzung: Kleines Einmaleins Ziel: Vertiefung des Dezimalsystems und Multiplikation mit bis zu 7-stelligen Zahlen. - Perlenregal für Potenzen und Wurzeln bestehend aus kurzen „Quadratketten“ und langen „Perlen- oder Kubikketten“ + dazugehörige Pfeile, weiters farbige Quadrate und Kuben. Ziel: Vergleich der verschiedenen Potenzen, Darstellung Kardinal- und Ordinalzahl sowie Kennen lernen geometrischer und arithmetischer Gleichwertigkeiten. - - Materialien für das Rechnen mit Gebrochenen Zahlen für das Grundschulalter mit den Materialien können Brüche dargestellt werden, sowie das Arbeiten mit Addieren/Subtrahieren v. Brüchen, Kürzen, Erweitern, Multiplizieren m. Ganzen Zahlen, Dividieren durch Brüche erlernt werden. 46 - Fehlerkontrolle durch richtige Lösungen auf der Rückseite. - Binomischer Kubus (ab ca. 3 ½ Jahren) Einführung in Algebra, Probe für Formel von (a + b)³ Roter Kubus als Basis für das „Erbauen“ des Würfels - Trinomischer Kubus Formel dafür: (a + b + c)³ Verwendung ähnlich dem Binomischen Kubus (s.o.) Quelle: Biewer-Folien 10.7 Spracherwerb Der Spracherwerb ist für Montessori untrennbar mit dem Erwerb des Lesens verbunden. Einführend – bevor ich ausgewählte Materialien dazu vorstelle – möchte ich kurz auf den Verlauf/die Bedeutung des Spracherwerbs beim Kind eingehen. Als Quelle hierfür: Montessori, M.: „Kinder sind anders“ (136f.) Waldschmidt, I.: „Maria Montessori“ (48) Allgemeines - Spracherwerb = eine der frühesten sensiblen Phasen (vgl. Waldschmidt, 48) Die Mneme (Anm.: das „organische/vitale“ Gedächtnis) sorgt dafür, dass das Kind unbewusst bereits zwischen 1 bis 2 ½ Jahren Sprache absorbiert, herausfiltert -> „Explosion der Sprache“ (vgl. Biewer-Folien) - Kind verwendet Lippen zur Lautformung (durch Beobachtung der Erwachsenen) - Mit ca. 6 Monaten: Artikulation erster Laute und Silben - Kind filtert aus „Äußeren Eindrücken“, Geräuschen, Tönen, Worten die Laute der Menschen heraus und diese ahmt es nach und darauf baut es seine Sprache auf. - Spracherwerbsphase = längste Sensible Phase -> bis Ende 4.Lebensjahr + beinhaltet „Explosion des Lesens und Schreibens“ (ebd.) - Das Sprachmaterial ist für Montessori von großer Bedeutung, da die einzelnen Materialien die Sprachentwicklung schrittweise in einem Alter erweitern, wo der Drang und das Bedürfnis der Kinder, diese zu erwerben und zu erweitern am größten ist, so in einem Online-Artikel des Internationalen MontessoriAusbildungszentrums. (vgl. Online-Artikel des MIA) - - Zum Schreiberwerb meint Montessori: „Schreiben sei ein geheimnisvoller Schlüssel, der, einmal entdeckt, doppelten Reichtum gewährt: Es erlaubt der Hand, eine fast unbewusste vitale Arbeit zu meistern, die der gesprochenen Sprache, und eine neue Sprache zu schaffen, die jene in allen Einzelheiten spiegle. Hand und Geist würden so in gleichem Maße bereichert. Die Hand gäbe einen kräftigen Anstoß, und jene Tropfen würden zum Wasserfall. Das ganze Sprachvermögen nehme dann eine geradezu überstürzte Entwicklung,…es sei wie ein Wasserfall von Worten. Steht erst einmal ein Alphabet fest, so ergibt sich so die geschriebene Sprache logisch daraus als eine natürliche Folge. Daher muss die Hand lernen, die Schriftzeichen nachzuziehen.“ (zit. n. Montessori, 137) Montessori orientiert sich beim Lese- Schreib und Spracherwerb an Seguin, kritisiert ihn hier aber zugleich auch. Seguin meint, dass beispielsweise das zeichnende Kind auch schreiben könne (-> Orientierung an Großbuchstaben). 47 Hier setzt Montessori’s Kritik an seiner Methode an, denn für sie ist Seguins Vorstellung und Orientierung rein an Druck-Großbuchstaben zu einseitig, sie plädiert auch hier, an der Beobachtung des Kindes und dessen Verhaltensweisen festzuhalten. (vgl. Biewer-Folien) 10.7.1 Materialien zur Sprache, Lesen + Schreiben Bsp.: Sandpapierbuchstaben (ab 3 Jahren) - bestehend aus rot oder blau-lackierten Holzbrettern. Darauf sind die aus Sandpapier ausgeschnittenen Buchstaben befestigt. Die Vokale werden auf die roten Brettchen, die Konsonanten auf die blauen Brettchen geklebt. - Ziel: Schreibvorbereitung durch Feinmotorikübung (Muskelkontrolle und Bewegungskoordination), visuelle und taktile Wahrnehmung und Schulung des visuellen und taktilen Gedächtnisses. - Einführung: Lehrer wählt 3 Buchstaben aus, die unterschiedlich in Klang und Aussehen sind. Wie bei den Ziffern fährt sie mit dem Mittel- oder Zeigefinger die Form des Buchstabens nach und benennt ihn dabei phonetisch – sie macht dies mehrmals. Danach wiederholt das Kind diese Übung. In weiterer Folge überlegen sich Lehrer und Kind ein Wort, das mit dem zuvor geübten Laut beginnt. Der weitere Verlauf verläuft im Sinne der „Drei-Stufen-Lektion“ - Fehlerkontrolle erfolgt taktil. Das Kind kann beim Umfahren der Ziffern und Buchstaben, durch die unterschiedliche Beschaffenheit der Oberfläche erfühlen, wenn es den Buchstaben falsch umfährt. Abbildung 3: Sandpapierbuchstaben (Quelle: MIA-Online) Bsp.: Zeichenrahmen zur Schreibvorbereitung Abbildung 4: Zeichenrahmen (Quelle: MIA-Online) - Die Metallenen Einsätze des Zeichenrahmens sind für den Erwerb von Routinen im Umgang mit den Stiften dienlich. 48 Bsp.: Bauernhof - bestehend aus Figuren, die den Kindern die Funktionen der einzelnen Wortarten bewusst machen sollen. - Einführung: zuerst Substantiv und Artikel. Kennen lernen v. Wortartensymbolen. Bsp.: Sprachkästen und Auftragskästen - bestehend farbigen Kästchen, jede Farbe steht für eine Wortart, z.B. „rot“ für Verben. - In den Auftragskästen befinden sich Aufträge für die Kinder, die das Kind mit der Wortart in Berührung bringen sollen, den Wortschatz erweitern und die Kinder zum Handeln auffordern sollen. 10.8 - - - - Kosmische Erziehung im Detail Montessori’s Konzept der Kosmischen Erziehung baute sie in den Jahren in Indien weiter aus. Es handelt sich bei diesem Konzept – so bei Waldschmidt (zit. n.; 94) zu lesen – um ein „didaktisch-methodisches Programm für die Erschließung und den Wirkraum, wobei sie besonders auf die Erkenntnis der vielfältigen, letztlich alles umfassenden Zusammenhänge zielt.“ Grundlage für das Konzept = Kosmische Theorie. Diese sieht in der Schöpfung einen einheitlichen Plan, nachdem das Leben voranschreitet und von dem Lebewesen und Erde abhängen. Ziel sei es, Einfluss auf die Umwelt einzuüben und Harmonie in ihr zu erlangen. Kosmische Erziehung: 3 Schwerpunkte: 1.) Gegenstandsorientiertheit: umfasst das kindliche Alter zwischen 0 bis 6 Jahren. (+ Untergliederung in 0 bis 3 bzw. 3 bis 6 Jahre). Prägung durch absorbierenden Geist als unbewusste Geistesform, aber auch die gegenständliche Welt mit all seinen Sinneseindrücken ist von großer Bedeutung in dieser Stufe, ihre Differenzierung und ihr Einordnen in die geistige Ordnungsschemata (Anm.: Raum und Zeit) sind wesentliche Aufgaben in dieser Phase. Motorische Entwicklung des Kindes kann an Abarbeitung v. Gegenständen heranreifen und verfeinert werden. Zwischen 3 und 6 Jahren geht das Kind den Weg „unbewussten Schöpfer zum bewussten Arbeiter“ (vgl. Waldschmidt, 78). Ganzheitsorientiertheit: Altersstufe von 6 bis 12. Orientierung am Ganzen ist das Ziel dieser Stufe. Es sollen hier – so im Sinne Montessori’s – möglichst viele Inhalte dem Kind angeboten werden, damit es hier seine Neugier und Lernbegier erproben kann und seine Aktivitäten ausrichten kann. (ebd., 78) Hier sollen – so nach Montessori – „alle Faktoren der Kultur“ dem Kind vorgestellt werden. Die soziale und moralische (Anm.: „Gut“ und „Böse“) Sensibilisierung sollen ebenfalls angesprochen werden. Sittlicher Weltauftrag: Dritte Stufe zwischen 12 bis 18 Jahren. Erweiterung durch sittliche und soziale Dimension. Jugendliche in dieser Altersspanne setzt sich beispielsweise mit physikalischen Gesetzmäßigkeiten, dem Menschen und dessen Aufgaben im Kosmos (Kosmische Aufgabe des Menschen) auseinander. (vgl. Waldschmidt, 79) Methodische Prinzipien der Kosmischen Erziehung: ganzheitliches Lernen und Lehren außerschulisches Lernen Vielfalt in den Lehr- und Lernformen 49 Rolle des Lehrers, der Lehrerin, die unterscheidet sich nämlich in der Kosmischen Erziehung etwas von der Rolle des Lehrers in der „Freien Arbeit“, wo der Lehrer in erster Linie Unterstützer, Beobachter ist. 10.8.1 Materialien zur Kosmischen Erziehung - - - Materialien sollen dem Kind eine Vorstellung über das Zusammenspiel zwischen Mensch und Natur bringen. Weiteres Ziel ist der Erwerb v. Grundwissen in den Bereichen Geografie, Chemie, Physik, Biologie, Politik, Soziologie,… Bsp.: Thema „Wasser“: Kinder sollen eine Vorstellung über die verschiedensten Wechselwirkungen zwischen der Evolution der Erde und der gegenwärtigen Situation der Natur und der Menschheit bekommen. (vgl. Hedderich, 93) Es gibt Experimentierkästen, Zwei Globen, wobei auf dem 1.Globus das Wasser blau und durch Sandpapier das Land dargestellt wird. Der 2.Globus markiert in unterschiedlichen Farben die Erdteile. Die Praktische Arbeit kennzeichnet sich dadurch, dass die Kinder ihre Materialien auch selbst erstellen und weiterentwickeln. (ebd.) „Cosmic-Tales“: oder zu deutsch: „Kosmische Erzählungen“. Sind von Montessori gestaltete „Schlüsselgeschichten“ für Kinder des Grundschulalters. Sie geben Überblicke über geschichtliche, Ökologische oder sozialanthropologische Zusammenhänge. (bsp.: Entwicklung des Lebens auf der Erde, Geschichte der Kommunikation unter den Menschen,…) (vgl. Biewer-Folien) Prüfungsfragen: Biewer – Montessori 1. 1. welches werk verfasste montessori 1909 und was ist der inhalt - welches folgewerk wurde [nicht von ihr] dazu herausgebracht? 2. wann war montessori in indien und welche methoden haben sich dadurch entwickelt? 3. was empirismus für einen stellenwert in montessori's augen? 4. was war ausschlagebendes zwischen 1920 und 1930 in österreich? 5. absorbierender geist [also wie unterscheidet sich auffassung der KD und EW] 6. was hat sie vom holländischen biologen de vries übernommen 7. wie sieht montessori belohnung? 8. lektion der 3 zeiten am bsp der roten stangen 9. welche praktischen übungen liessen sich auf behinderte kinder ausweiten? 10.vergleich der fehlerkontrolle der einsatzzylinder und der farbzylinder + begründung wieso sie gut/schlecht ist bzw wie sie sich voneinander unterscheiden 11. glocken 12. welche sinnesmaterialen vereinen schreibvorbereitung und sprache 13. kosmische erziehung 14. erdkinderplan 15. welche kritik könnte an den übungen des praktischen lebens ausgeübt werden? Wann war Montessori in Indien, wie hat sich der Aufenthalt auf ihre Pädagogik ausgewirkt? 2. Welche Ansätze hat Montessori von Seguin übernommen? 3. Wie hat sie der Katholizismus geprägt? Welche Positionen von Autoren gibt es? 4. Welche Problemlagen bei der Aufarbeitung der Primärliteratur gibt es? 5. Wie heißt die besondere Form des kindlichen Geistes?Welche Merkmale hat er? 6. Was versteht Montessori unter Normalisation? 7. Beschreiben Sie die Isolation der Schwierigkeit anhand der braunen Treppe. 8. Beschreiben Sie das Phänomen der Fehlerkontrolle anhand eines Sinnesmaterials. 9. Welche Bedeutung haben die Farben rot, grün, blau in der Mathematik? Nennen Sie dazu die passenden Materialien. 10. Beschreiben und begründen Sie, welche Aktivitäten mit den Glocken durchführbar sind. 11. Was haben Sozialpädiatrie und Montessori-Pädagogik nach Hellbrügge gemeinsam? Welcher Kritik lassen sie sich unterziehen? 12. Wird Reformpädagogik als Epoche gesehen? Welche Sichtweisen mit Bezug auf die Quelle gibt es? 50 51