Festival Musica Sacra 2015 Wie wir es vom Festival „Musica Sacra“ gewohnt sind, dürfen wir uns auch heuer wieder auf eine abwechslungsreiche Konzertreihe freuen, die einen weiten Bogen vom Barock bis zur Moderne spannt: Große Persönlichkeiten des italienischdeutschen Barock, wie Monteverdi, Händel, Bach oder Pergolesi, stehen zeitgenössischen Komponisten gegenüber, die Europas Norden klanglich ausloten: Sven-David Sandström und Thomas Jennefelt aus Schweden, Arvo Pärt aus Estland oder Einojuhani Rautavaara aus Finnland. Und auch eine Uraufführung ist zu erleben: ein Werk des Wiener Komponisten Christian Minkowitsch. Von 12. September bis 4. Oktober werden an den Abenden im Dom zu St. Pölten und in den Stiftskirchen Herzogenburg und Lilienfeld Konzerte mit Orgel-, Chor- und Kammermusik zu hören sein, und als glanzvolle Festival-Eröffnung erklingt Händels Oratorium „Messiah“. Die morgendlichen Gottesdienste widmen sich Messkompositionen der beiden niederösterreichischen Barockkomponisten Franz Aumann und Georg Donberger sowie Franz Schuberts beliebter „Deutscher Messe“. Konzerte Samstag, 12. September, 19.30 Uhr Dom zu St. Pölten „Messiah“ Oratorium von Georg Friedrich Händel cappella nova Graz Domkantorei St. Pölten Solamente Naturali Bratislava (Milos Valent, Konzertmeister) Andrea Lauren Brown, Sopran Stefanie Iranyi, Alt Daniel Johannsen, Tenor Martin Berner, Bass Otto Kargl, Leitung Jesus’ Leben und Sterben, das Fundament des Christentums, ist das Thema von Händels Oratorium „Messiah“. Doch wer seine Augen weit öffnet und über die Religion hinausblickt, der erkennt, dass hier die Essenz der Spiritualität zu unserer Erleuchtung erklingt: Denn der Mensch selbst ist es, der den göttlichen Funken in sich trägt – er ist Gottes Atem, geboren in einem fleischlichen Körper, den er, wenn er stirbt, der Erde zurückgibt. Jesus Christus hat vorgelebt, was es bedeutet, den Tod zu überwinden und eins zu sein mit Gottes Atem. Das Bewusstsein des ewigen Lebens in Gott: Dieses Thema ist so bedeutsam für jeden Menschen, dass Händel sein Oratorium nicht aus der Perspektive des Neuen, sondern des Alten Testaments, mit Psalmtexten und Voraussagen des Propheten Jesaja, geschrieben hat. Damit hat er ein zeitloses Dokument von Gottes Botschaft geschaffen, gerichtet an uns alle zu jeder Zeit: ein heller Stern inmitten dunkler Zeiten, die von Krieg, Zerstörung und Gewalt berichten – und die Botschaft heißt Hoffnung und Vertrauen. Sonntag, 20. September, 19.30 Uhr Stiftskirche Herzogenburg „Augustinus in concert“ Werke von Vivaldi, Bach und Minkowitsch Zoltan Kellner, Trompete Zsolt Simon, Trompete Johannes Zimmerl, Orgel Vor 1.600 Jahren lebte der Heilige Augustinus von Hippo. Er war nicht nur Bischof, Klostergründer und Namensgeber des Bettelordens der Augustiner, sondern vor allem einer der bedeutendsten Theologen und Mystiker des Christentums, dessen philosophische Schriften, Predigten und Bekenntnisse in ihrer spirituellen Dimension über alle Zeiten und Religionen hinausweisen. Der österreichische Komponist Christian Minkowitsch würdigt diese große Persönlichkeit mit einer Komposition für Orgel und zwei Trompeten, die in diesem Konzert zum ersten Mal aufgeführt wird. Ein metaphysisches Hörerlebnis, jenseits von Raum und Zeit. Sonntag, 27. September, 19.30 Uhr Dom zu St. Pölten „Himmel. Erde. Meer“ Werke von Monteverdi, Purcell, Sandström und Jennefelt Balthasar-Neumann-Chor Balthasar-Neumann-Ensemble Olof Bomann, Leitung Himmel, Erde, Meer: die drei Räume des Lebens. Menschliche Hoffnungsorte, Angstund Sehnsuchtsräume, in denen die beiden Seiten unseres dualistischen irdischen Daseins sichtbar werden: die helle und die dunkle Seite. Das Meer, Quelle des Lebens und zugleich lebensfeindliche Naturgewalt; die Erde, geliebte Heimat des Menschen, aber ebenso Schauplatz von Krieg und Zerstörung. Und über allem schließlich der Himmel, spiritueller Ort der Hoffnung und Zuflucht des Menschen. Das Konzertprogramm versucht diesen Vorstellungen mit Barockmusik und Werken zeitgenössischer schwedischer Komponisten musikalisch nachzuspüren: ein klanglich und inhaltlich reizvoller Dialog zwischen Alt und Neu. Samstag, 3. Oktober, 19.30 Uhr Dom zu St. Pölten „Stabat Mater“ von Giovanni Battista Pergolesi Concerto Romano Monica Piccinini, Sopran Hilary Summers, Alt Alessandro Quarta, Leitung Eine Mutter, die miterleben muss, wie ihr geliebtes Kind stirbt: Schon dieser Schmerz ist grausam. Aber das, was Maria ertragen muss, geht noch weit darüber hinaus: Ihr Sohn stirbt am Kreuz, ein brutaler Mord, und sie muss es geschehen lassen. Wer würde da nicht verzweifeln am Glauben, an Gott? Auch Maria war nah am Verzweifeln. Aber sie erlebte Jesus’ Auferstehung, so wie er es prophezeit hatte. Um den Menschen Trost und Mut angesichts des irdischen Todes zu geben, entstand im Mittelalter das Gedicht „Stabat Mater“, und noch heute wird es am Fest der Sieben Schmerzen Mariä (15. September) gebetet. Viele Komponisten aus früheren Epochen bis in unsere Zeit haben sich diesem bewegenden Thema gewidmet und wunderbare Musik dazu geschrieben; doch gerade die Kompositionen, die in der Zeit des Hochbarock entstanden sind, wie jene von Pergolesi, Scarlatti und Vivaldi, artikulieren und verdichten die Emotionen von Schmerz und Trauer auf besonders tiefe und berührende Weise. Sonntag, 4. Oktober, 19.00 Uhr Stiftskirche Lilienfeld „Chor. Raum“ Werke von Bach, Pärt und Rautavaara Coro Siamo (Florian Maierl, Leitung) Chor des BRG/BORG St. Pölten (Erich Schwab, Leitung) Wenn Menschen miteinander singen, sich voller Freude der Musik widmen, dann springt der Funke auf die Zuhörer über. Sie lassen sich mitreißen vom Gesang, von den Stimmen und ihrem Klang im Raum; sie stehen nicht außerhalb, sondern sind Teil des Raums und seiner Klänge. Ganz besonders intensiv ist dieses Erleben, wenn junge Menschen ein solches Konzert gestalten: so wie der Coro Siamo gemeinsam mit dem Chor des BRG/BORG St. Pölten, die sich diesem gemeinsamen Projekt mit großer Begeisterung widmen. Mit Werken von Purcell, Bach und Bruckner bis hin zu den großen Komponisten aus Estland und Finnland Pärt und Rautavaara werden Klangräume geschaffen, die weit über den Kirchenraum, über die Zeiten und die endlose Weite nordischer Landschaften hinaus reichen – bis in unser Herz hinein. © Astrid Schramek