Alle Wege führen nach Rom

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Alle Wege führen nach Rom
Gernot ist gerade im Begriff, sein Haus zu verlassen, um in die Klinik zu fahren.
Auf dem Weg zu seinem Auto lehrt er noch seinen Briefkasten und steckt seine
Post schnell in seine Aktentasche, da er ohnehin schon wieder mal zu spät dran ist.
Seit sich Ingrid von ihm getrennt hat, fällt es ihm morgens noch schwerer, aus dem
Bett zu kommen. Früher war er immer gemeinsam mit Ingrid in die Klinik gefahren.
Doch diese Zeiten scheinen für immer vorbei zu sein. Gernot hat immer mehr den
Eindruck, dass Ingrid nichts mehr für ihn empfindet, da sie immer den Anschein
macht, als würde ihr die Trennung nichts ausmachen.
Ingrid hat es jedoch immer verstanden, ihre wahren Gefühle zu verbergen. In
Wahrheit vermisst sie Gernot mehr als je zuvor, doch sie ist der Meinung, dass er
längst über ihre Trennung hinweg ist, da er nie um ihre Liebe gekämpft hat.
Gernot hat an diesem Vormittag ein dicht gedrängtes Programm, sodass er erst
kurz vor Mittag dazu kommt, seine Post zu öffnen. Als er den Absender des ersten
Briefes liest, zeigt sich ein Lächeln auf seinen Lippen. Schnell öffnet er ihn und
zieht das gefaltete Papier heraus. Der Brief ist von seiner Tochter, die derzeit in
Rom lebt. Sie ist mit ihrem Mann vor einigen Jahren dorthin gezogen, da dieser
eine Stelle am ISTITUTO STORICO GERMANICO bekommen hat. Sie selbst arbeitet dort
als Ärztin in einer Privatklinik.
In ihrem Brief lädt sie Gernot und Ingrid zu sich nach Rom ein, da sie sich schon so
lange nicht mehr gesehen haben. Erst freut sich Gernot über die Einladung, doch
dann wird ihm bewusst, dass er Rebecca nie gesagt hat, dass sich Ingrid bereits
vor längerer Zeit von ihm getrennt hat. Er überlegt, wie er aus dieser Zwickmühle
entkommen kann. Da er Rebecca schon öfters absagen musste, beschließt er
dieses Mal, wirklich zu ihr zu fahren. Doch wie soll er ihr erklären, dass Ingrid
nicht mit ihm kommt? Vielleicht würde Ingrid ihn ja begleiten, wenn er sie darum
bittet. Doch diesen Gedanken verwirft Gernot gleich wieder. Ingrid würde wohl nie
wieder mit ihm verreisen.
Im Laufe des Tages ist Gernot jedoch so beschäftigt, dass er keine Zeit mehr hat,
um über Rebeccas Einladung nachzudenken. Als er nach Dienstschluss seine
Sachen zusammen packt, fällt ihm Rebeccas Brief wieder in die Hände.
Nachdenklich betrachtet er ihn, bevor er das Kuvert in die Innentasche seines
Sakkos steckt.
Auf dem Weg zum Auto kommt er am Schwesternzimmer vorbei. Er überlegt kurz,
ob er hineingehen soll, doch nach einem Blick auf die Uhr glaubt er, Ingrid ohnehin
nicht mehr antreffen zu können. Also macht er sich auf den Weg ins Foyer. Dort
trifft er schließlich doch noch auf Ingrid. Sie trägt zwar keine Dienstkleidung mehr,
gibt jedoch noch am Empfang Anweisungen für die Nachtschicht. Er bleibt einige
Meter entfernt stehen und sieht Ingrid mit einem verschmitzten Lächeln an.
Pflichtbewusst bis ins Letzte erfüllt Ingrid ihre Aufgabe. Sie blickt überrascht auf,
als sie sich umdreht und Gernot vor sich erblickt. Sie kommt mit einem Lächeln auf
ihn zu.
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„Hallo, Gernot!“
„Hallo, Ingrid, bist du auf dem Weg nach Hause?“
„Ja, du auch, wie ich sehe.“
Langsam gehen sie nebeneinander her und bleiben schließlich vor Gernots Auto
stehen.
„Hattest du einen anstrengenden Tag?“
„Wie immer, keine besonderen Vorkommnisse. Du siehst aber müde aus.“
„Das bin ich auch. Es war ein langer, harter Tag.“
„Dann solltest du dich jetzt etwas erholen. Ich wünsch’ dir einen schönen
Abend, Gernot!“
Ingrid ist schon halb auf dem Weg zu ihrem Fahrrad.
„Ingrid!“
„Ja?“
„Hast du jetzt etwas vor?“
„Nein, warum?“
„Hättest du Lust, mit mir noch irgendwo ein Glas Wein zu trinken?“
Kurz betrachtet sie Gernot nachdenklich.
„Ja sehr gern.“
„Wollen wir ein paar Schritte gehen?“
„Ja, warum nicht.“
Gernot stellt seine Aktentasche auf den Rücksitz seines Autos und ist nach
wenigen Augenblicken wieder bei Ingrid. Sie machen einen kleinen Spaziergang
und nehmen nach einer halben Stunde auf der Terrasse eines Restaurants Platz.
Auf dem Weg dorthin haben sie sich ausschließlich über die Klinik unterhalten,
während sie durch einen Park spaziert sind.
„Wollen wir nicht auch gleich etwas essen?“
„Eigentlich hab’ ich keinen Hunger.“
„Komm schon, oder willst heute noch selber kochen?“
„Stimmt, eigentlich hab’ ich keine Lust dazu.“
„Na also, warum nicht gleich so.“
Gernot setzt sein charmantestes Lächeln auf.
Während des Essens unterhalten sie sich über dieses und jenes, doch Gernot wirkt
auf Ingrid etwas abwesend und manchmal auch etwas nervös. Nach dem Essen
lehnt sich Ingrid in ihrem Sessel zurück und betrachtet Gernot nachdenklich, als er
gerade das Dessert beim Ober bestellt. Er wendet sich Ingrid wieder zu und
bemerkt ihren prüfenden Blick.
„Ingrid, was ist los?“
„Das müsste ich eigentlich dich fragen.“
„Mich?“
„Natürlich!“
„Wie kommst du darauf?“
„Ich habe dir den ganzen Abend gegenüber gesessen.“
„Und?“
„Ich sehe doch, dass irgendwas nicht stimmt.“
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„Ach was, es ist alles in Ordnung.“
„Bist du dir da sicher? Du hast oft abwesend gewirkt und manchmal auch
irgendwie nervös.“
„Ingrid, du siehst Gespenster.“
Ingrid greift nach Gernots Hand, mit der er das Weinglas vor sich zwischen den
Fingern dreht.
„Das glaub’ ich kaum!“
„Ingrid, du kennst mich zu gut.“
Gernot schließt seine um Ingrids Finger und streicht mit dem Daumen sanft über
ihren Handrücken. Er senkt seinen Blick, um ihr nicht in die Augen sehen zu
müssen.
„Was ist los?“
Doch anstatt zu antworten, greift Gernot in die Innentasche seines Sakkos und
zieht den Brief hervor. Er reicht ihn Ingrid, ohne etwas dazu zu sagen. Ingrid liest
den Brief aufmerksam durch und legt ihn dann zusammengefaltet vor sich auf den
Tisch.
„Schön, dass sich Rebecca mal meldet. Es ist lange her, dass ihr euch
gesehen habt. Aber ich verstehe nicht, wo dein Problem liegt.“
„Ich freue mich ja über ihren Brief und ihre Einladung nach Rom, aber ...“
„... aber?“
„Hast du nicht gelesen, dass Rebecca uns beide einlädt?“
„Stimmt, jetzt wo du’s sagst. Weiß sie denn nicht, dass wir ...“
Gernot schüttelt den Kopf und blickt Ingrid tief in die Augen.
„Warum hast du ihr nichts gesagt?“
„Das ist eine lange Geschichte.“
Ingrid wirkt etwas verärgert über Gernots Geständnis.
„Das macht nichts, ich hab’ Zeit.“
„Im letzten Jahr hätte uns Rebecca öfters eingeladen. Ich hab’ jedoch immer
wieder eine Ausrede gefunden.“
„Ich verstehe nicht, warum du ihr nie die Wahrheit gesagt hast.“
„Circa drei Monate nach unserer Trennung hat Rebecca angerufen. Während
unseres Gesprächs hatte sie den Eindruck, dass es mir nicht gut geht. Sie
wollte nach Leipzig kommen, doch ich hab’ ihr versichert, dass alles in
Ordnung ist. Auch zwischen uns. Ich wollte nicht, dass sie sich unnötig
Sorgen macht.“
„Gernot, das war vor eineinhalb Jahren!“
„Ingrid, das weiß ich ja.“
„Dann solltest du ihr die Wahrheit sagen.“
„Muss ich das denn?“
„Ich denke schon.“
„Aber eigentlich wäre es doch gar nicht so schlimm, wenn ich Rebecca in
dem Glauben lasse, dass wir beide nach wie vor sehr glücklich miteinander
sind, oder?“
„Wenn du meinst.“
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„Das Problem dabei ist aber, dass ich sie dann nicht besuchen kann.“
„Warum denn nicht?“
„Wie sieht dass denn aus, wenn ich ohne dich nach Rom fahre.“
„Ich habe eben keinen Urlaub bekommen.“
„Das kauft sie mir doch nicht ab.“
„Dann musst du dir was anderes einfallen lassen.“
„Ich wüsste da schon etwas.“
„Das da wäre?“
„Du könntest mich ja begleiten.“
„Gernot, das halte ich für keine gute Idee.“
„Warum denn nicht?“
„Das geht einfach nicht.“
„Ich sehe da eigentlich kein Problem.“
„Wie stellst du dir das vor, ich kann doch nicht einfach so...“
„Du hast doch noch genügend Resturlaub.“
„Das schon, aber ...“
„Ingrid, ich brauche dich in Rom.“
„Gernot, du brauchst mich nicht in Rom. Du brauchst mich überhaupt nicht.“
„Bist du dir da ganz sicher?
„Ja. Gernot, sag mir einen vernünftigen Grund, warum ich dich begleiten
sollte.“
„Ich kann dir sogar drei Gründe sagen.“
„Ich höre ...“
„Erstens: Was soll Rebecca denn von unserer intakten Beziehung halten,
wenn ich eine Woche ohne dich verreise. Zweitens: Du musst zwischen mir
und Rebecca vermitteln. Du weißt doch, was wir beide für Dickköpfe sind.
Andauernd geraten wir aneinander.“
„Und drittens?“
„Drittens: Würde dir eine Woche Urlaub im Süden auch ganz gut tun.“
Ingrid findet Gernots Argumente gar nicht so schlecht, trotzdem ist sie immer noch
skeptisch.
„Was wird man in der Klinik dazu sagen, dass wir zur selben Zeit Urlaub
haben. Du kennst doch die Gerüchteküche.“
„Das kann doch auch Zufall sein, dass wir zur selben Zeit Urlaub haben.“
„Na, wenn du meinst ...“
„Heißt das, dass du mitkommst.“
„Ja, aber das bleibt unter uns!“
„Versprochen.“
In den nächsten Tagen reichen beide ihren Urlaubsantrag ein und regeln ihre
Vertretung, da es ja schon in wenigen Tagen losgehen soll. Gernot hat ihnen für
Sonntag einen Flug nach Rom gebucht.
Insgeheim freut sich Gernot, dass Ingrid ihn begleiten wird, denn er erhofft sich,
dass sie sich während dieser Woche vielleicht wieder etwas näher kommen.
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Gerade während ihres gemeinsamen Abendessens hat er sich Ingrid wieder viel
näher gefühlt. Allein ihre Anwesenheit hat ihm wieder mehr Ruhe gegeben.
Ingrid hingegen ist sich gar nicht mehr so sicher, ob es eine gute Idee ist, Gernot
zu begleiten. Viel zu groß ist ihrer Meinung nach die Gefahr, dass sie Gernots
Charme wieder erliegen könnte, denn ihre Gefühle zu ihm haben sich seit ihrer
Trennung nicht verändert.
Am Sonntag des folgenden Wochenendes holt Gernot Ingrid am Vormittag mit
einem Taxi von zu Hause ab. Ingrid ist schon fertig, als Gernot an der Tür klingelt.
Er nimmt ihr das Gepäck ab und bringt es zum Taxi. Gemeinsam fahren sie nun
zum Flughafen. Vier Stunden später landen sie nach einem Zwischenstopp in
München am internationalen Flughafen Fiumicino in Rom.
Nachdem sie ihr Gepäck geholt haben, treten sie in die Ankunftshalle hinaus. Sie
lassen ihren Blick über die wartenden Menschen schweifen, da Rebecca
versprochen hat, sie abzuholen. Nach wenigen Augenblicken sehen sie Rebecca
auch schon auf sich zukommen. Gernot schließt seine Tochter sofort in die Arme
und hält sie fest.
„Hallo, Papa!“
„Hallo, meine Kleine“
„Na so klein bin auch nicht mehr.“
„Für mich wirst du das immer bleiben.“
Ingrid betrachtet die beiden mit einem Lächeln. Sie freut sich für Gernot, dass er
seine Tochter endlich einmal wieder sieht. Auch Rebecca und Ingrid begrüßen sich
herzlich und schließen sich in die Arme.
„Schön, dass ihr endlich da seid. Ich freu’ mich so euch zu sehen.“
„Wir freuen uns doch auch.“
„Hattet ihr einen guten Flug.“
„Alles in bester Ordnung.
Um den nachkommenden Passagieren Platz zu machen, nehmen sie ihre Koffer und
folgen Rebecca zu ihrem Auto. Ingrid setzt sich sogleich nach hinten, um Gernot
die Möglichkeit zu geben, sich mit seiner Tochter zu unterhalten. Während der
Fahrt blickt Ingrid verträumt aus dem Fenster. Diese Stadt gefällt ihr auf Anhieb.
Überall diese Betriebsamkeit. Dazu kommt noch das mediterrane Klima; einfach
herrlich.
Doch immer wieder stellt sich Ingrid die Frage, ob es richtig war, mit Gernot
hierher zu fahren. Sie ist sich sicher, dass die nächsten Tage sehr schön werden
würden, doch den ganzen Tag mit Gernot zusammen zu sein, und vor allem
Rebecca vorzuspielen, dass sie immer noch zusammen sind, stimmt sie doch etwas
nachdenklich.
Nach einer längeren Autofahrt durch den dichten Verkehr des frühen Abends
erreichen sie Rebeccas Wohnung nahe dem Stadtzentrum. Sie und ihr Mann
bewohnen diese noch nicht sehr lange. Es ist eine geräumige Wohnung über die
zwei obersten Geschoße eines Hauses mit einer großen Dachterrasse.
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Gernot und Ingrid sind sehr angetan von Rebeccas Wohnung. Sogleich zeigt ihnen
Rebecca das Gästezimmer. Es ist sehr geräumig und verfügt über ein eigenes Bad
und einen Balkon, der nach Osten ausgerichtet ist.
„Hier könnt ihr euch morgens von den ersten Sonnenstrahlen wecken
lassen.“
„Ach Rebecca, du hättest uns besser ein Zimmer nach Süden gegeben, du
weißt doch, dass dein Vater morgens nicht aus dem Bett kommt.“
„Hey, was soll das denn heißen?“
Gernot tritt von hinten an Ingrid heran und stupst sie mit dem Finger sacht in die
Seite. Ingrid zuckt zusammen, da sie sehr kitzlig ist, was Gernot natürlich weiß.
„Rebecca, sag mal, wo ist denn dein Mann?“
„Markus ist noch im Institut, er kommt aber bald.“
„Schön, ich freu’ mich, ihn zu sehen.“
„Ich lass’ euch dann mal allein, damit ihr in Ruhe auspacken könnt.“
„Gut, wir sehen uns dann später.“
„Wir wollen so in einer Stunde zu Abend essen.“
„Geht in Ordnung.“
Rebecca verlässt das Zimmer und geht in die Küche. Während Gernot die Koffer
aufs Bett hievt, tritt Ingrid auf den Balkon hinaus. Von hier aus hat sie einen
fantastischen Blick über die Stadt, auf die gerade die letzten Sonnenstrahlen fallen.
Als sie sich umdreht und gegen das Geländer lehnt, bemerkt sie, dass Gernot sich
aufs Bett gesetzt hat und sie beobachtet.
„Was ist los, Gernot?“
„Nichts, warum?“
„Warum siehst du mich dann so an?“
„Ach nur so.“
„Nur so?“
„Schön ist es hier, nicht wahr?“
„Ja das ist es.“
Langsam kommt Ingrid einen Schritt auf Gernot zu und lehnt sich an den Rahmen
der Balkontür. Nachdenklich betrachtet sie das Bett. Gernot sieht sie an und weiß,
worüber sie jetzt nachdenkt.
„Du willst wahrscheinlich auf der linken Seite schlafen, oder?“
„War es denn jemals anders?“
„Nein.“
Gernot blickt vor sich auf den Boden.
„Du hältst das ganze noch immer nicht für eine gute Idee.“
„Stimmt, ich glaub’ einfach, dass Rebecca früher oder später mitbekommen
wird, dass sich zwischen uns so einiges verändert hat.“
„Wir sind ja nur ein paar Tage hier.“
Langsam steht Gernot auf und kommt zu Ingrid. Er stellt sich neben sie und
umfasst mit seiner Hand ihren Oberarm, die andere legt er auf Ingrids Schulter.
Durch diese Berührung ist Ingrid plötzlich sehr angespannt. Sie stößt sich vom
Türrahmen ab und geht zum Bett, ohne Gernot anzusehen.
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„Lass uns auspacken, ja!“
„Wie du meinst.“
Schweigend packen beide ihre Sachen aus und hängen sie in den Schrank. Ingrid
versucht standhaft, Gernots Blicken auszuweichen.
Bevor sie zum Abendessen gehen, duscht jeder von beiden noch und sie ziehen
sich frische Kleidung an.
Als sie nach unten kommen, warten Rebecca und Markus schon auf sie. Nachdem
sich Markus, Gernot und Ingrid begrüßt haben, setzen sie sich an den Tisch und
genießen das Abendessen, welches Rebecca für diesen besonderen Abend
gezaubert hat.
Während des Abendessens erzählt man sich, was sich seit ihrem letzten Treffen
alles getan hat. Nach dem Essen beschließen sie, ihre Unterhaltung auf der
Terrasse fortzusetzen. Zur Feier des Tages holt Rebecca noch eine besonders
gute Flasche Wein aus dem Regal, da sie weiß, wie sehr ihr Vater einen guten
Tropfen zu schätzen weiß.
Als sich Ingrid neben Gernot auf die dick gepolsterten Gartenmöbel setzt, legt sie
ihre Hand vorsichtig auf seinen Oberschenkel. Dieser reagiert sofort darauf, indem
er seine Hand auf die ihre legt. Um noch mehr den Eindruck zu erwecken, dass
zwischen ihnen alles in bester Ordnung ist, legt er seinen Arm um Ingrid und zieht
sie näher an sich.
In den nächsten Stunden beteiligt sich Ingrid kaum am Gespräch. Sie ist mit ihren
Gedanken sehr weit weg. Gernot unterhält sich angeregt mit Rebecca und Markus
über ihre Arbeit.
Nachdem ein längeres Schweigen eingetreten war, versucht Rebecca, dieses zu
überbrücken.
„Sagt mal, warum habt ihr beiden eigentlich nie geheiratet?“
„Bitte?“
Sowohl Gernot, als auch Ingrid sind plötzlich sehr hellhörig geworden. Gernot
spürt, wie sich Ingrids Hand angespannt hat, doch er hält sie jetzt noch fester.
„Wie kommst du denn plötzlich darauf.“
Auch Markus mischt sich jetzt in das Gespräch ein.
„Rebecca hat doch Recht, oder nicht. Ihr seid doch schon so lange
zusammen, da ist das doch eine berechtigte Frage.“
„Schon, aber ...“
Gernot fühlt sich durch diese Frage total überrumpelt und kann nur schwer eine
Antwort formulieren. In diesem Moment setzt Ingrid zu einer Antwort an.
„Ach wisst ihr, es hat sich einfach nie ergeben. Außerdem ist so ein
Trauschein doch gar nicht so wichtig, oder?“
Gernot ist sichtlich von Ingrids Antwort überrascht. Gerade diese Aussage hätte er
nicht von Ingrid erwartet. Mittlerweile hat auch er seine Sprache wieder gefunden.
„Wer weiß, was nicht ist, kann ja noch werden.“
Über Rebeccas Gesicht huscht bei dieser Aussage ein Lächeln. Ingrid sieht Gernot
jedoch etwas erschrocken an.
„Wie bitte?“
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„Wäre das denn so abwegig?“
Darauf weiß Ingrid keine Antwort mehr. Sie wäre auch gar nicht mehr dazu
gekommen, etwas zu sagen, denn Gernot gibt ihr plötzlich einen zärtlichen Kuss auf
den Mund und sieht sie mit zärtlichem Blick an. Jetzt ist sie vollkommen aus dem
Konzept.
Gernot bemüht sich, schnell das Thema zu wechseln, um nicht noch mehr in
Bedrängnis zu kommen.
Nach wenigen Minuten verabschiedet sich Ingrid, denn sie will zu Bett gehen.
Gernot bleibt noch etwas länger, um sich mit den beiden zu unterhalten. Als Gernot
ins Zimmer kommt, schläft Ingrid schon. Zuvor hat sie sich in den Schlaf geweint.
Die Geschehnisse des heutigen Abends haben sie vollkommen aus der Fassung
gebracht. Genau davor hatte sie Angst gehabt und aus diesem Grund wollte sie
ursprünglich auch nicht mitkommen. Jetzt, wo sie so viel Zeit mit Gernot
verbringen muss und ihm auch noch körperlich so nahe kommt, fahren ihre Gefühle
Achterbahn. Eigentlich war sie sich sicher gewesen, dass ihre Gefühle für Gernot
nicht mehr so stark sind. Nach diesem zärtlichen Kuss und den vielen kleinen
Gesten ist sie sich in dieser Hinsicht gar nicht mehr so sicher. So zärtlich hatte
Gernot sie nur selten geküsst.
Bis zu Rebeccas Frage hatte Gernot den Abend eigentlich sehr genossen.
Insbesondere die Tatsache, dass er Ingrid so nahe sein und sie im Arm halten
durfte. Dass es ihr aber bei weitem nicht so angenehm war, hat auch er deutlich
gespürt. Genau das macht ihm auch zu schaffen, schließlich hat Gernot darauf
gehofft, Ingrid wieder etwas näher zu kommen. Doch sie scheint daran nicht
interessiert zu sein. Im Gegenteil, Gernot hat das Gefühl, dass sie mehr denn je
versucht, sich von ihm fern zu halten.
Als Gernot am nächsten Morgen aufwacht, ist das Bett neben ihm leer. Ingrid ist
schon früh aufgestanden und nach unten gegangen. Nachdem sich Gernot fertig
gemacht hat, geht auch er nach unten. In der Küche trifft er auf Ingrid und
Rebecca, die bei einer Tasse Kaffee sitzen.
„Guten Morgen, ihr zwei!“
„Hallo, Papa.“
„Guten Morgen, Gernot.“
Während Gernot näher kommt, überlegt er, ob er Ingrid jetzt einen Guten-MorgenKuss geben soll. Da er nicht weiß, wie sie reagieren wird, beschließt er, es nicht
zu tun und setzt sich zu den beiden an den Tisch.
„Ingrid, ich glaub’, ich sehe nicht richtig. Du trinkst Kaffee!“
„Wie heißt es so schön, WENN MAN IN ROM IST, MUSS MAN ES DEN RÖMERN
GLEICHTUN.“
„Ja genau und das werde ich auch tun.“
Mit einem Lächeln schenkt Rebecca ihrem Vater eine Tasse ein.
„Ich glaube, was Ingrid zu wenig Kaffee trinkt, trinkst du zu viel.“
Ingrid bejaht diese Aussage sofort mit einem Kopfnicken.
„Versuch’ ihm das mal auszureden.“
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„Ich weiß, Vater ist ein Dickschädel.“
„Sag mal, wie redest du denn über deinen Vater“, empört sich Gernot.
Alle drei brechen in schallendes Gelächter aus.
Nach dem Frühstück brechen die Drei zu einem Stadtrundgang auf. Hierfür hat sich
Rebecca extra einen Tag frei genommen. Mit der U-Bahn fuhren sie in die Nähe
des Vatikans. Dort sahen sie sich den Petersdom und die Sixtinische Kapelle an.
Von hier setzten sie ihren Stadtrundgang zu Fuß fort. Nachdem sie die Engelsburg
passiert haben, überqueren sie den Tiber und spazieren durch die engen Gassen
bis sie die Piazza Navona erreichen. Dort setzen sie sich in ein Caféund machen
eine kurze Pause, denn es ist sehr heiß und sie sind doch etwas erschöpft.
Nachdem sie sich noch das Pantheon angesehen haben, beschließen sie, ihren Weg
dem Tiber entlang fortzusetzen, denn dort ist der Gehweg von Bäumen eingefasst
und die Temperatur ist somit erträglicher. Während sie dort entlang schlendern,
bemerkt Gernot, dass Rebecca ihn und Ingrid immer wieder beobachtet. Er
vermutet, dass es daran liegt, dass er und Ingrid doch immer mit einigem Abstand
voneinander gehen. Rebecca scheint über die Beziehung der beiden nachzudenken.
Um zu verhindern, dass ihre Schwindelei ans Licht kommt, tritt Gernot näher an
Ingrid heran und ergreift ihre Hand. Ingrid, die bis jetzt in Gedanken versunken
neben den beiden hergegangen ist, sieht Gernot etwas erschrocken an, doch sie
sagt nichts.
Hand in Hand setzen sie ihren Weg fort, bis sie zur Ponte Fabricio kommen. Sie
überqueren die Brücke und erreichen eine kleine Insel inmitten des Tibers. Auf
dieser Insel befinden sich ein Krankenhaus und eine Kirche. Sie beschließen, sich
dort einige Minuten auf eine Bank im Schatten eines Baumes zu setzen. Rebeccas
Handy klingelt und sie entfernt sich etwas von Gernot und Ingrid, um ungestört
telefonieren zu können. Auch Ingrid steht nach kurzer Zeit wieder von der Bank auf
und geht zu einer Mauer, von der aus sie über den Tiber blicken konnte. Dieser Ort
hat für sie etwas Besonderes. Sie ist ganz verzaubert, was auch Gernot bemerkt.
Leise tritt er hinter sie und legt seine Hände rechts und links von Ingrid auf die
Mauer.
Gernot steht so nahe bei Ingrid, dass er ihr Parfum riechen kann. Er schließt die
Augen und stellt sich vor, wie es wohl wäre, Ingrid jetzt in seine Arme schließen zu
können.
„Gernot, was sollte das vorhin?“
„Was meinst du?“
„Als du meine Hand genommen hast.“
„Rebecca hat uns die ganze Zeit beobachtet. Ich hatte das Gefühl, dass sie
etwas ahnt.“
„Wundert dich das?“
„Bitte ...“
„So wie wir miteinander umgehen. Aber es war nie anders.“
Als sich Ingrid zu Gernot umdreht bemerkt sie, dass Rebecca sie von weitem
beobachtet.
„Gernot, Rebecca beobachtet uns.“
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„Siehst du, ich hab’ mich doch nicht getäuscht.“
„Und jetzt?“
„Wir sollten uns vielleicht bemühen, zu vertuschen, dass ...“
„Gernot, sie kommt!“
Doch anstatt sich zu Rebecca umzudrehen, zieht Gernot Ingrid in seine Arme und
beginnt, sie zärtlich zu küssen. Um sich nicht zu verraten, legt auch Ingrid ihre
Arme um Gernot und streicht ihm zärtlich über den Rücken. Während dieses Kusses
vergessen beide, dass er eigentlich nur gespielt ist. Es liegt so viel Zärtlichkeit in
diesem Kuss, dass es ihnen schwer fällt, einen klaren Gedanken zu fass. Nachdem
sie sich voneinander gelöst haben, zieht Gernot Ingrid noch näher zu sich. Ingrid
lehnt ihren Kopf an Gernots Schulter. Sie spürt, dass Gernots Herz schneller
schlägt, als es eigentlich sollte. Doch auch ihr geht es nicht anders. Lange hatte sie
sich nicht mehr so wohl gefühlt, wie in diesem Moment.
Rebecca lässt den beiden noch einen Moment zu zweit, tritt dann aber doch zu
ihnen.
„Ich störe euch nur ungern, aber ich hab’ eine schlechte Nachricht.“
„Ist etwas passiert?“
„Ja, ich muss dringend in die Klinik.“
„Schade.“
„Macht es euch etwas aus, wenn ihr den Stadtrundgang ohne mich
fortsetzt?“
„Es wäre schön gewesen, wenn du bei uns bleiben könntest, aber wenn die
Pflicht ruft ...“
„Wir werden uns schon nicht verirren, oder Gernot.“
„Stimmt. Geh ruhig Rebecca. Wir kommen schon klar.“
„Wir sehen uns dann heute Abend, ja“
Mit diesen Worten macht sich Rebecca auf den Weg. Ingrid und Gernot bleiben
zurück.
Ingrid betrachtet Gernot nachdenklich. Gernot bemerkt diesen Blick.
„Sag’s ruhig, Ingrid.“
„Tja, wie der Vater, so die Tochter!“
„Ich weiß, ich weiß!
Ingrid zieht Gernot mit sich fort.
„Lass uns damit aufhören, ich will mir die Stadt ansehen.“
„Gut, da bin ich dabei.“
Ab diesem Zeitpunkt ist die Stimmung zwischen Ingrid und Gernot wesentlich
gelöster. Sie setzen ihren Weg zum Zirkus Maximus fort. Von dort führt sie ihr
Rundgang zum Kolosseum, zum Forum Romanum, auf den Palatin, zum Capitol und
zum Palazzo Vittorio Emanuele II. Dort beschließen sie, aufgrund ihrer
schmerzenden Beine, ein Taxi zurück nach Hause zu nehmen.
An diesem Abend sind Rebecca und ihr Mann bei Freunden zum Essen eingeladen.
Sie bitten auch Gernot und Ingrid mitzukommen, doch diese lehnen höflich ab. Sie
sind von den Strapazen des Tages doch ziemlich mitgenommen und wollen früh zu
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Bett gehen.
Ingrid und Gernot sprechen kaum noch über die Geschehnisse des Tages. Ingrid
zieht schon bald ins Zimmer zurück, da sie vermeiden will, mit Gernot darüber zu
sprechen, was im Moment zwischen ihnen vorgeht.
Gernot hätte zwar mehrmals versucht, sie darauf anzusprechen, doch Ingrid hat
immer abgeblockt.
Auch am nächsten Tag ist Ingrid schon früh auf den Beinen. Sie frühstückt
gemeinsam mit Rebecca, während Gernot noch schläft. Sie will heute ein wenig
einkaufen gehen. Rebecca will wissen, ob sie nicht auf Gernot wartet, doch Ingrid
meint, dass dieser ohnehin keine Freude daran hätte, sie zu begleiten.
Einige Zeit später kommt auch Gernot in die Küche.
„Guten Morgen, Rebecca!“
„Guten Morgen, na gut geschlafen?“
„Ausgezeichnet, so ausgiebig kann ich zu Hause nur selten schlafen.“
„Möchtest du Kaffee?“
„Ja sehr gern.“
„Hast du heute frei?“
„Ja, ich muss erst zum Nachtdienst in die Klinik.“
Gemeinsam gehen sie hinaus auf die Terrasse und setzen sich.
„Sag mal, wo ist denn Ingrid?“
„Ingrid ist schon weg.“
Bei diesem Satz erstarrt Gernot. Ingrid ist weg. Wohin? Hat sie Rebecca etwa die
Wahrheit gesagt und ist abgereist.
„Wohin denn?“
„Sie wollte ein bisschen einkaufen und hat gemeint, dass du ohnehin keine
Freude daran hättest sie zu begleiten.“
„So ein Blödsinn, natürlich wäre ich mitgekommen.“
Rebecca nutzt die Gelegenheit, um einmal mit ihrem Vater unter vier Augen
sprechen zu können.
„Bist du dir da sicher?“
„Ja? Warum fragst du?“
„Na ja, ich hatte den Eindruck, dass zwischen euch nicht mehr alles so ist,
wie es einmal war.“
Gernot weiß genau, dass jetzt wahrscheinlich alles ans Licht kommen wird.
Trotzdem gibt er sich nichts ahnend.
„Wie kommst du darauf?“
„Ihr müsstet euch mal zusammen sehen. Ihr geht miteinander um, als würdet
ihr euch nur flüchtig kennen.“
„Rebecca, das bildest du dir ein.“
„Papa, ihr habt gestern den ganzen Tag kaum miteinander geredet.“
„Wir waren eben müde von der Reise und den vielen Eindrücken.“
„Ich bitte dich, als ich euch das letzte Mal gesehen hab’, wart ihr frisch
verliebt. Damals wart ihr kaum voneinander zu trennen. Jetzt sind Nähe und
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Zärtlichkeiten eine Seltenheit.“
„Du sagst es ja selbst, damals waren wir frisch verliebt.“
„Papa, das ist doch eine Ausrede. Bei Mama warst du doch genau so.“
„Lass deine Mutter aus dem Spiel.“
Mit diesen Wort steht Gernot auf und tritt an das Geländer, welches die Terrasse
begrenzt. Nachdenklich lässt er seinen Blick über die Dächer der anderen Häuser
schweifen.
„Aber es stimmt doch. Ich bin mir sicher, wenn du so weitermachst, dann
wirst du Ingrid verlieren.“
„Es ist alles nicht so einfach. Wir haben uns einfach auseinandergelebt. Im
Prinzip leben wir zwei Leben.“
„Papa´, es ist im Prinzip ganz einfach. Du musst Ingrid nur mehr von dir
geben. Zeig ihr, was sie dir bedeutet.“
„Und wie?“
„Es sind so viele Kleinigkeiten, die euch beiden gut tun würden. Ist dir nie
aufgefallen, wie selten ihr euch berührt, euch küsst oder euch einfach nur
nahe seid?“
Gernot dreht sich zu Rebecca und sieht sie fragend an.
„Als ihr euch gestern geküsst habt, habt ihr so glücklich ausgesehen. Doch
leider war das der einzige Moment, in dem ich euch so gesehen habe.“
„Das war auch ein schöner Augenblick.“
„Papa, versuch’, Ingrid nicht immer so zu verletzen. Sie hat einen Mann
verdient, der sei bedingungslos liebt.“
„Das weiß ich doch, aber es hat sich zwischen uns so vieles verändert.“
Rebecca steht auf und kommt zu ihrem Vater. Sie bleibt ganz nah vor ihm stehen.
„Du könntest die Zeit hier in Rom doch dazu nutzen, um Ingrid wieder näher
zu kommen.“
„Vielleicht hast du Recht.“
„Komm her!“
Sie schließt ihn in ihre Arme. Auch Gernot legt seine Arme um Rebecca und hält
sie fest.
„Ich hoffe, dass ihr beide wieder glücklich werdet.“
„Das hoffe ich auch.“
Ingrid kehrt erst am späten Nachmittag von ihrer Einkaufstour zurück. Während des
Tages hatte sie viel Zeit, um über sie und Gernot nachzudenken, denn Gernot hat
dadurch, dass er sie gestern so zärtlich geküsst hat, ihre Gefühle vollkommen
durcheinander gebracht.
Als sie die Wohnung betritt, ist Rebecca schon weg, während Gernot auf der
Terrasse eingeschlafen ist. Da Ingrid Gernot nirgends finden kann, sieht sie zuletzt
auf der Terrasse nach. Dort findet sie ihn auch in einem Liegestuhl mit einem Buch
auf der Brust. Sie tritt leise hinter ihn und gibt ihm einen Kuss auf die Stirn. Durch
diese Berührung wacht Gernot auf und blickt verwirrt um sich. Als er sich umdreht,
erblickt er Ingrid, die lachend hinter ihm steht. Schnell steht er auf und kommt auf
sie zu.
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„Na warte!“
„Oh oh, muss ich jetzt Angst haben?“
„Das ist eine gute Idee.“
Ingrid versucht noch zu flüchten, doch Gernot ist schon bei ihr und hält sie fest.
Gernot kitzelt sie bis Ingrid sich in seinen Armen windet.
„Gernot, wenn du mich weiter so quälst, dann ...“
„ ... dann was?“
„Dann verrate ich nicht, was ich dir mitgebracht habe.“
„Du hast mir was mitgebracht?“
„Ja, aber ...“
„Komm schon raus damit, oder ich ...“
„Nicht mehr kitzeln.“
„Einverstanden.“
Ingrid zieht etwas aus der Tasche, hält es sich jedoch hinter den Rücken. Gernot
umfängt sie mit seinen Armen und versucht herauszufinden, was es ist. In diesem
Moment sind sich ihre Lippen gefährlich nahe. Um dieser Situation zu entgehen,
hält Ingrid Gernot ein Kuvert vor die Nase. Er nimmt es und öffnet es mit
gespanntem Blick. Er zieht zwei Karten heraus.
„Teatro dell’Opera?“
„Ja.“
Ingrid sieht Gernot an und wartet auf seine Reaktion.
„La forza del destino.“
„Wollen wir hingehen, Gernot.“
„Natürlich, ich freu’ mich.“
„Schön. Und jetzt, mein lieber Gernot, hab’ ich Hunger. Und du?“
„Das ist ein guter Gedanke.“
„Dann lass uns gehen.“
Schnell machen sie sich fürs Essen fertig und ziehen dann los. Sie finden ein
kleines gemütliches Restaurant am Tiber. Gernot und Ingrid genießen das Essen in
vollen Zügen. Sie unterhalten sich so gut wie schon lange nicht mehr.
„Sag mal Gernot, was hast du heute eigentlich den ganzen Tag gemacht?“
„Ich hab’ lange geschlafen und mich dann mit Rebecca unterhalten. Als sie
dann zum Nachtdienst musste, hab’ ich mich auf Terrasse gesetzt und
gelesen.“
„Ihr hattet euch sicher viel zu erzählen.“
„Eigentlich schon, aber ...“
„Eigentlich?“
„Rebecca hat mich heute ziemlich in die Mangel genommen.“
„Warum denn das?“
„Wegen uns.“
„Das musst mir erklären.“
„Rebecca hat versucht, mir zu erklären, dass ich dich verlieren werde, wenn
ich dich weiter so behandle. Sie meint, dass sich zwischen uns viel verändert
hat. Früher waren wir frisch verliebt. Jetzt sieht man kaum noch
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Zärtlichkeiten zwischen uns.“
„Aber es stimmt doch, oder? Genau so ist es doch gewesen, bis zu unserer
Trennung.“
„Ich weiß.“
Etwas bedrückt sieht Gernot vor sich auf den Tisch.
„Rebecca hat mir auch vorgeworfen, dass ich bei ihrer Mutter die gleichen
Fehler gemacht habe.“
„Es tut weh, so etwas gesagt zu bekommen, nicht?“
„Ja sehr sogar. Sag mal, Ingrid, bin ich wirklich so furchtbar.“
„Ganz ehrlich?“
Ingrid greift nach Gernots Hand, streicht einmal kurz darüber und zieht ihre Hand
dann zurück.
„Ja.“
„Gernot ,du kannst so liebevoll und so unendlich zärtlich sein, aber die
meiste Zeit bist du einfach ein Eisberg, der nichts und niemanden an sich ran
lässt. Damit machst du es einem schwer, mit dir zusammen zu sein.“
„Glaubst du, dass wir eine Chance gehabt hätten, wenn ich mich anders
verhalten hätte?“
„Vielleicht.“
Gernot greift mit beiden Händen nach Ingrids Hand und hält sie zwischen seinen
fest. Mit den Fingern streicht er zärtlich über ihren Handrücken.
„Ist das der Grund, warum du mich verlassen hast?“
„Ja, was denn sonst.“
„Ich dachte immer, du liebst mich nicht mehr.“
„Das ist doch Blödsinn!“
„Heißt das ... Ingrid, empfindest du noch etwas für mich?“
„Gernot ... ich ...“
„Liebst du mich noch?“
„Ja, ich hab’ nie aufgehört, dich zu lieben.“
„Ingrid ...“
Doch weiter kommt Gernot nicht, denn Ingrid steht vom Tisch auf. Sie bekommt
plötzlich Angst vor ihrer eigenen Courage. Jetzt ist sie sich doch nicht mehr so
sicher, dass es eine gute Idee war, Gernot ihre Gefühle zu offenbaren.
„Gernot, ich geh’ jetzt lieber.“
„Aber warum?“
„Es ist besser so.“
Gernot versucht sie zurückzuhalten, doch Ingrid löst sich aus seinem Griff und
verlässt das Lokal.
Er bezahlt schnell die Rechnung und läuft dann hinter Ingrid her, doch er kann sie
nirgends mehr finden. Nachdenklich spaziert er durch die nächtlichen Straßen. Er
denkt darüber nach, wie er Ingrid wieder für sich gewinnen kann. Jetzt kennt er
den Grund für ihre Trennung und nimmt sich vor, nicht noch einmal die gleichen
Fehler zu machen.
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Als er nach Hause zurückkehrt, trifft er auf Markus.
„Guten Abend, Gernot“
„Hallo Markus.“
„Na wie gefällt euch Rom? Nach zwei Tagen habt ihr doch schon einiges
gesehen.“
„Eine wundervolle Stadt. Besonders an das Klima könnte ich mich
gewöhnen.“
„Da stimmt allerdings.“
„Sag mal, hast du Ingrid gesehen?“
„Ja sie war vorhin auf der Terrasse.“
„Danke dir.“
„Gute Nacht, Gernot“
„Gute Nacht.“
Gernot geht auf die Terrasse, um noch mit Ingrid zu sprechen. Er will das, worüber
sie vorhin gesprochen haben, nicht einfach so im Raum stehen lassen. Leise tritt
Gernot auf die Terrasse hinaus. Er bleibt direkt hinter Ingrid stehen. Gernot steht
so nah bei ihr, dass sie seinen Atem spüren kann, doch Gernot wagt es nicht, Ingrid
zu berühren.
„Warum bist du weggelaufen?“
„Es war ein Fehler, dir die Wahrheit zu sagen.“
„Nein, war es bestimmt nicht.“
Im selben Moment spürt Ingrid Gernots Hände um ihre Taille.
„Gernot, bitte nicht.“
„Warum nicht?“
Ingrid dreht sich in Gernots Armen zu ihm um und sieht ihm in die Augen. Zärtlich
streicht sie Gernot mit der Hand über die Brust.
„Gib mir bitte etwas Zeit.“
„Natürlich, nimm dir so viel Zeit wie du brauchst.“
Gernot streicht mit der Hand sanft über Ingrids Wange. Langsam beugt er sich vor
und gibt Ingrid einen zarten Kuss. Ohne noch etwas Weiteres zu sagen, verlässt
Ingrid die Terrasse und geht zu Bett. Als Gernot ins Bett kommt, stellt sich Ingrid
schlafend, obwohl sie sich am liebsten in Gernots Arme geschmiegt hätte.
Am nächsten Morgen ist Ingrid alles Andere als ausgeschlafen, da sie die halbe
Nacht wach gelegen hat. Sie hat über sich und Gernot nachgedacht. Trotz allem,
was gestern passiert ist, glaubt sie, dass es besser ist, wenn sie und Gernot nur
Freunde bleiben. Viel zu groß ist ihre Angst, dass sie die gleichen Fehler noch
einmal machen.
Ingrid ist gerade dabei, sich anzuziehen, als sie merkt, dass Gernot aufwacht. Er
schlägt die Augen auf und ein Lächeln huscht über sein Gesicht, als er Ingrid
erblickt. Gernot streckt sich einmal anständig bevor er sich im Bett aufrichtet.
„Guten Morgen, Ingrid.“
„Morgen, Gernot“
Gernot merkt sofort, dass mit Ingrid irgendwas nicht stimmt.
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„Stimmt was nicht?“
„Alles in Ordnung.“
„Ingrid, ich sehe doch, dass ...“
Im selben Moment läutet Gernots Handy. Er unterhält sich kurz mit dem Anrufer
und legt dann auf.
„Das war Rebecca, sie wurde in der Klinik aufgehalten und kommt erst gegen
Mittag nach Hause.“
„Kommt mir irgendwie bekannt vor, dir nicht.“
„Ich weiß, das kommt auch bei mir das ein oder andere Mal vor.“
„Das ein oder andere Mal, Gernot, ich bitte dich, mach dich nicht lächerlich.“
„Ingrid, was soll das jetzt? Willst du mir Vorwürfe machen?“
„Dir Vorwürfe zu machen, hat doch überhaupt keinen Sinn, ich kenne kaum
einen Menschen, der so selbstgerecht ist wie du.“
„Hast du nie darüber nachgedacht, was du eigentlich von mir verlangst? Ich
weiß nicht, was man tun muss, um deinen Ansprüchen zu genügen.“
„Wenn du das glaubst, dann ist es wohl besser, wenn ich jetzt gehe. Den
gestrigen Abend sollten wir dann wohl auch vergessen.“
Im selben Moment dreht sich Ingrid um und verlässt das Zimmer. Die Tränen
schießen ihr in die Augen. Im Grunde tut es ihr leid, was sie Gernot an den Kopf
geworfen hat, doch andererseits ist es nun endlich gesagt.
Hinter sich hört sie Gernot, der ihr nachkommt.
„Ingrid!“
Doch Ingrid verlässt schnell das Haus und läuft erstmal ziellos durch die Straßen.
Unbewusst steuert sie genau auf jenen Ort zu, an dem sie sich schon vor zwei
Tagen besonders wohl gefühlt hat.
Als Gernot die Haustür ins Schloss fallen hört, weiß er, dass er Ingrid nicht mehr
erwischen kann, denn er trägt nur Unterwäsche und so kann er ihr schließlich nicht
auf der Straße nachrennen. Niedergeschlagen geht er zurück ins Zimmer, lässt sich
rücklings aufs Bett fallen und schlägt sich die Hände vors Gesicht.
„Was hab’ ich bloß angestellt? Jetzt hab’ ich Ingrid wohl endgültig verloren.
Ich bin so ein Idiot.“
Einige Zeit später tritt Gernot in die Vormittagssonne hinaus und geht nachdenklich
die Straße hinunter. Es scheint wohl aussichtslos, nach Ingrid zu suchen. Wäre er
jetzt in Leipzig, wüsste er, wo er nach Ingrid suchen soll, aber hier in Rom. Aber
Moment Mal. Gernot hat eine Idee. Zielstrebig geht er durch die Straßen und
kommt nach einem längeren Fußmarsch an jenem Ort an, an dem er Ingrid
vermutet. Es ist die Tiberinsel, die es Ingrid schon vor zwei Tagen so angetan hat.
Tatsächlich findet er sie dort auch an eine Mauer gelehnt. Er bleibt vorerst in
einiger Entfernung stehen und beobachtet sie. Ingrid sieht gedankenverloren über
den Fluss und bemerkt nicht, dass Gernot wenig später näher kommt. In kurzer
Entfernung bleibt er hinter ihr stehen.
„Ich will den gestrigen Abend aber nicht vergessen.“
Erschrocken dreht sich Ingrid um und erblickt Gernot.
„Gernot ... wie kommst du hierher?“
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„Ich hab’ gehofft, dass du hier bist.“
„Aber woher ...“
„Woher ich das weiß?“
„Ja.“
„Als wir hier waren, hab’ ich gesehen, dass du dich hier besonders wohl
fühlst. Daher hab’ ich vermutet, dass du nachdem, was vorhin passiert ist,
auch hierher kommst.“
Ingrid blickt Gernot mit einem skeptischen Blick an.
„Auf der Insel gibt es ein Krankenhaus, da liegt es nahe, dass es dich hierher
zieht.“
„Das trifft dann aber auch für dich zu.“
„Ingrid! ...“
Doch Gernot versucht, sich zusammenzunehmen. Er atmet tief durch.
„Ingrid, lass uns nicht so weitermachen wie vorhin.“
„Warum denn nicht, es ist dir doch schon immer leicht gefallen, mir weh zu
tun.“
„Ich will dir aber nicht weh tun.“
„Diese Erkenntnis kommt aber spät.“
Wieder steigen Tränen in Ingrids Augen. Gernot tritt näher zu Ingrid und will sie
berühren, doch diese weicht nach hinten aus. Allerdings kommt sie nicht weit, da
die Mauer sie stoppt. Gernot nutzt dies, um näher zu ihr zu kommen.
„Lass uns vernünftig miteinander reden.“
„Was gibt’s denn noch zu reden?“
„Das hab’ ich doch vorhin gesagt: Ich will den gestrigen Abend nicht
vergessen.“
„Das solltest du aber, es ist besser für uns beide.“
„Hast du nicht gestern gesagt, dass du mich noch immer liebst?“
„Ja und ich hätte es nicht tun sollen.“
„Doch es war richtig.“
Gernot tritt noch näher an Ingrid heran und schiebt mit der Hand ihr Kinn nach
oben, sodass er ihr in die Augen sehen kann.
„Gib uns beiden noch eine Chance!“
Die plötzliche Nähe zu Gernot lässt sie all jene Gedanken, die sie sich gemacht hat,
vergessen. Ohne zu antworten, lehnt sie sich nach vorn an Gernots Schulter.
Gernot umfasst mit der einen Hand Ingrids Taille, die andere legt er in ihren
Nacken und streicht zärtlich über Ingrids Haut. Lange stehen die beiden so da, bis
Gernot bemerkt, dass sie in der prallen Sonne stehen.
„Lass uns ein paar Schritte gehen und uns irgendwo ein schattiges Plätzchen
suchen.“
„Ja, gute Idee, mir ist viel zu heiß.“
Sie gehen einige Schritte wortlos nebeneinander her.
„Gernot, wegen vorhin ...“
„Lass uns das vergessen, Ingrid.“
„Nein, ich muss dir was sagen.“
Ingrid bleibt stehen und sieht Gernot an. Gernot dreht sich zu ihr und sieht sie
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besorgt an, da sie sehr blass im Gesicht ist.
„Ich glaube, dass ich vorhin nur einen Vorwand zum Streiten gesucht habe.“
„Einen Vorwand, aber warum?“
„Ich habe einfach Angst davor, dass wir uns wieder näher kommen.“
„Wäre das denn so schlimm?“
„Ich will nicht noch einmal die gleichen Fehler machen ...“
Ingrid stockte mitten im Satz, da sich plötzlich alles um sie herum dreht. Sie greift
nach Gernots Arm.
„Ingrid, ist alles in Ordnung?“
„Mir ist ... mir nur so schwindlig und schlecht.“
„Komm, wir setzen uns“
Gernot legt seinen Arm um Ingrid und bringt sie zu jener Bank, auf der sie schon
vor zwei Tagen gesessen haben. Nachdem Ingrid Gernot versichert hat, dass er sie
kurz allein lassen kann, geht dieser eiligen Schrittes davon, um eine Flasche
Wasser zu besorgen. Nach wenigen Minuten kehrt er zurück und reicht Ingrid das
Wasser.
Ingrid nimmt einen Schluck und will die Flasche wieder zudrehen.
„Nein, nein, trinken Ingrid.“
„Ist das eine Anweisung, Herr Professor?“
Gernot streicht ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Ja.“
„Gehen Sie immer so mit Ihren Patientinnen um?“
„Nein, nur mit einer, die mir besonders am Herzen liegt.“
Mit einem zärtlichen Blick sieht Gernot Ingrid an, doch diese kann ihm nicht in die
Augen sehen. Sie trinkt einen weiteren Schluck, um sich von ihm abzuwenden.
Immer noch spürt sie seine Hand auf ihrer Schulter, die er vorhin dort liegen ließ.
Seine Finger streicheln sanft über ihren Hals. Diese Berührung beschert Ingrid eine
Gänsehaut.
Nachdem sie lange Zeit auf der Bank im Schatten des Baumes gesessen haben,
beschließen sie, zurück nach Hause zu fahren. Ingrid ist nach wie vor sehr blass im
Gesicht. Gernot bietet ihr seinen Arm, welchen Ingrid dankbar annimmt.
Sie nehmen ein Taxi zurück zu Rebeccas Wohnung. Dort angekommen, bringt
Gernot Ingrid sofort ins Bett. Kaum hat sie sich hingelegt, ist sie auch schon
eingeschlafen.
Gernot setzt sich auf die Terrasse und wartet dort, bis Rebecca aus der Klinik
zurückkommt. Er nutzt die Zeit, um über sich und Ingrid nachzudenken. Immer
wieder kommt ihm der Gedanke, dass er Ingrid wirklich sehr verletzt haben muss.
Hätte sie sonst einen Vorwand gesucht, um mit ihm zu streiten, um ihm nicht mehr
zu nahe zu kommen?
Als Rebecca nach Hause kommt, erzählt Gernot ihr, was am Morgen vorgefallen
war. Sie bemerkt, dass Gernot wirklich besorgt ist.
„Soll ich mal nach Ingrid sehen?“
„Nein, nein, sie schläft jetzt.“
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„Aber später?“
„Liebste Tochter, vielleicht ist es dir entgangen, aber dein alter Vater ist
auch Arzt.“
„Verehrter Vater, das weiß ich. Aber die Patientin ist die Frau, die du liebst
und du bist nicht objektiv.“
Da hatte Rebecca allerdings Recht; er liebt Ingrid.
„Na gut, wenn du meinst.“
Rebecca verschwand für einige Minuten, um nach Ingrid zu sehen. Als sie
zurückkehrt, findet sie auch Gernot schlafend vor. Die Geschehnisse haben auch
ihn ziemlich mitgenommen. Sie spannt einen Sonnenschirm auf, um ihren Vater vor
der Sonne zu schützen, denn ein Patient mit Sonnenstich genügt ihr.
Als er am späten Nachmittag aufwacht, sieht er mehrmals kurz nach Ingrid, doch
diese schläft tief und fest. Er beschließt, sie schlafen zu lassen. Während des
Abendessens wirkt Gernot abwesend. Nach dem Abendessen verabschiedet sich
Markus, da er noch zu arbeiten hat.
Gernot sitzt mit leerem Blick im Wohnzimmer, als Rebecca neben ihn tritt. Er blickt
zu ihr auf und ringt sich ein Lächeln ab. Er reicht Rebecca seine Hand und zieht sie
auf seinen Schoß.
„Das ist lange her, Papa.“
„Stimmt.“
„Du hast das früher immer gemacht, wenn ich dir etwas erzählen sollte.“
Gernot sieht Rebecca nachdenklich an.“
„Du und Markus, nehmt ihr euch genug Zeit füreinander.“
„Ja ich denke schon, warum fragst du?“
„Nur so, es ist wichtig, Zeit füreinander zu haben.“
„Sprichst du aus Erfahrung.“
„Leider ja, ich hab’ Ingrid in den letzten Jahren mehr und mehr in die zweite
Reihe geschoben.“
„Dann solltest du das ändern, sonst ...“
Rebecca bereut sofort diesen Satz nur angefangen zu haben.“
„Sonst werde ich Ingrid verlieren, das wolltest du doch sagen, oder?
Rebecca nickt.
„Ingrid liebt dich, das sieht man.“
„Du meinst wohl, sonst hätte sie es gar nicht so lange mit mir ausgehalten.“
„Das hast du jetzt gesagt.“
„Du hast es aber gedacht.“
Ein kurzes Schweigen entsteht. Gernot zieht Rebecca näher zu sich und lehnt
seinen Kopf an Rebeccas Schulter.
„Ich hab’ Angst, Ingrid zu verlieren.“
„Das wirst du nicht, glaub mir!“
„Ich hab’ jetzt das gleiche Gefühl wie damals, als Ingrid operiert werden
musste.“
„Operiert? Davon hast du nie etwas gesagt.“
„Rückenmarkstenose im Bereich der Halswirbelsäule.“
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„Und?“
„Es ist alle gut gegangen, aber trotzdem ... die Angst, sie zu verlieren.“
„Dann musst du alles tun, um das zu verhindern!“
Rebecca gibt ihrem Vater einen Kuss auf die Stirn.
„Du solltest jetzt ins Bett gehen.“
„Du hast Recht.“
Beide stehen auf.
„Gute Nacht.“
„Gute Nacht, Papa. Schlaf gut.“
Immer noch sehr nachdenklich betritt Gernot das Zimmer. Ingrid scheint immer
noch fest zu schlafen. Er tritt näher zu ihr und zieht ihr die Decke über die
Schultern. Vorsichtig setzt er sich auf die Bettkante und betrachtet Ingrid. Seine
Hand liegt noch immer auf ihrer Schulter. Als er Ingrid so vor sich liegen sieht,
kann er nicht anders, als sich alles von der Seele zu reden, was sich seit ihrer
Trennung aufgestaut hat. Was Gernot nicht weiß, ist, dass Ingrid alles mitbekommt,
da sie aufgewacht ist, als Gernot das Zimmer betreten hat. Doch sie lässt sich
nichts anmerken.
„Wenn du bloß wüstest, wie sehr ich dich vermisse. Morgens nicht mehr
neben dir aufzuwachen und dich nicht mehr in den Arm nehmen zu dürfen,
hat sehr weh getan. Besonders, dich jeden Tag in der Klinik zu sehen und
dich nicht berühren zu dürfen, war schrecklich. Umso schöner ist es jetzt. So
nahe, wie hier, waren wir uns schon lange nicht mehr.“
Er beugt sich vor und gibt Ingrid einen zärtlichen Kuss.
„Ich liebe dich.“
Nachdem er aufgestanden und im Bad verschwunden ist, kann Ingrid sich nicht
mehr zurückhalten. Unaufhaltsam laufen Tränen über ihr Gesicht. Zum Glück löscht
Gernot gleich das Licht, nachdem er sich ins Bett gelegt hat, denn Ingrid will nicht,
dass Gernot sieht, was im Moment in ihr vorgeht.
Gernot liegt so nahe bei ihr, dass sie sich eigentlich nur zu ihm drehen müsste, um
ihm ganz nahe zu sein. Doch dazu fehlt ihr im Moment der Mut.
Als Ingrid am nächsten Morgen aufwacht, ist das Bett neben ihr leer. Diese
Tatsache findet sie beunruhigend, da Gernot nie freiwillig sein Bett vorzeitig
verlässt. Im nächsten Moment geht die Tür auf und Gernot steht mit einem
reichhaltig gefüllten Tablett vor ihr.
Ingrid richtet sich überrascht im Bett auf.
„Gernot!“
„Guten Morgen.“
„Das ist aber eine Überraschung“
„Ich hoffe, du hast Hunger“
„Und wie, es kommt mir vor, als hätte ich ewig nichts gegessen.“
Gernot kommt näher und stellt das Tablett neben Ingrid ab. Er setzt sich auf die
Bettkante und überlegt, was er jetzt tun soll. Schließlich fasst er sich ein Herz und
gibt Ingrid einen zärtlichen Kuss auf die Wange. Er bleibt über Ingrid gebeugt
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sitzen, da er sich neben Ingrids Beinen mit der Hand abstützt. Ingrid winkelt ihre
Beine unter der Bettdecke an und beugt sich weiter zu Gernot. Sie hebt ihre Hand
und streicht zärtlich über seine Wange. Sie sehen sich tief in die Augen, doch
Ingrid beginnt zu lachen. Gernot sieht sie verblüfft an.
„Was ist denn so lustig?“
„Gernot du stupfst.“
Verlegen streicht sich Gernot über die Wange.
„Ich weiß, ich muss mich rasieren.“
„Nein nicht, ich mag das.“
Noch einmal streicht sie ihm über die Wange. Im selben Moment klopft es an der
Tür. Rebecca tritt ein und kann sich ein zufriedenes Lächeln nicht verkneifen.
„Na ihr zwei, wie sieht es aus?“
„Alles bestens.“
„Das freut mich.“
Mit diesen Worten zieht sich Rebecca wieder aus dem Zimmer zurück. Ingrid sieht
erst fragend zur Tür und dann zu Gernot. Doch dieser zuckt nur mit den Schultern.
„So, während du frühstückst, geh ich ins Bad.“
„Soll das heißen, ich muss das alles allein essen?“
„Natürlich! Sonst fällst du mir noch vom Fleisch.“
Darauf kann Ingrid nichts mehr erwidern, denn Gernot hat ihr beim Aufstehen einen
sanften Kuss auf die Lippen gehaucht und ist schnurstracks im Bad verschwunden.
Während Ingrid frühstückt, kann sie noch immer nicht glauben, was passiert ist. So
zuvorkommend und aufmerksam hat sie Gernot nur selten erlebt. Als sie fertig ist,
zieht sie sich an und wartet, bis Gernot aus dem Bad kommt. Er sieht sie
überrascht an, als er herauskommt.
„Schon angezogen?“
„Natürlich.“
„Du siehst schon viel besser aus, als gestern“
„Danke, sehr charmant.“
„Du weißt, wie ich das meine.“
„Natürlich.“
Sie geht an Gernot vorbei ins Bad. Er will wissen, was Ingrid von einem
Spaziergang hält, denn es würde ihr gut tun etwas an der frischen Luft zu sein;
allerdings nicht zu viel Sonne. Ingrid stimmt zu und wenige Minuten später machen
sie sich auf den Weg.
Den Vormittag nutzen sie dazu, um durch den Park der Villa Borghese zu
spazieren. Anfangs gehen sie nur nebeneinander her, ohne den anderen zu
berühren. Nach einiger Zeit will Gernot diese Distanz wischen ihnen verringern und
geht etwas näher neben Ingrid her. Ingrid registriert das mit einem Lächeln. Immer
wieder berühren sich ihre Arme, während sie nebeneinander hergehen. Als sie kurz
vor Mittag die enge Treppe zur Piazza del Popolo hinunter steigen, kommt ihnen
eine große Reisegruppe mit ihrer Führerin entgegen. Ingrid und Gernot werden an
den Rand der Treppe gedrängt. Schützend legt Gernot seine Arme um Ingrid. Beide
genießen diese unerwartet entstandene Nähe. Doch leider ist die Gruppe viel zu
schnell wieder vorbei, sodass sie ihren Weg fortsetzen.
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Unten an der Piazza del Popolo setzen sie sich in eines der vielen Restaurants und
essen gemütlich zu Mittag. Im Unterschied zu gestern können sie sich heute wieder
normal unterhalten. Es scheint, als wären all die Probleme, die bisher zwischen
ihnen gestanden sind, verschwunden. In ihren Gesprächen kommen sie zwar immer
wieder zurück zu ihrer Beziehung, doch sie geben sich beide große Mühe, den
anderen zu verstehen und nicht zu verletzen.
Nach einem ausgiebigen Mittagessen setzen sie ihren Weg auf der Via Babuino
fort. Nach einiger Zeit kommen sie auf Piazza di Spagna. Ingrid ist ganz verzaubert
von deren Anblick. Dieses Mal ist es Ingrid, die Gernots Nähe sucht. Sie greift nach
seiner Hand und zeigt auf die Spanische-Treppe.
„Sieh mal.“
Sie zeigt auf einen Mann, der auf der Treppe Opernarien zum Besten gibt. Doch
Gernot, der sichtlich überrascht ist, dass Ingrid seine Nähe sucht, hat nur mehr
Augen für Ingrid. Sie setzen sich einige Minuten auf die Treppe, wo sich schon eine
große Menschenmenge eingefunden hat, um der Darbietung des Sängers zu
lauschen. Während der gesamten Zeit hat Gernot Ingrids Hand nicht mehr
losgelassen.
Lange Zeit sitzen sie dort, ohne etwas zu sagen. In den letzten Tagen haben sie
ohnehin manchmal zu viel gesagt.
Als sie ihren Weg fortsetzten, beginnt es bereits zu dämmern. In den engen Gassen
legt Gernot seinen Arm um Ingrid, um sie ganz nahe bei sich zu wissen. Unterwegs
kehren sie noch einmal in eine Bar ein, wo sie den Abend ausklingen lassen wollen.
Immer wieder sucht Gernot Ingrids Nähe, indem er nach ihrer Hand greift oder ihr
über den Arm streicht.
„Bist du müde?“
„Nein, überhaupt nicht.“
„Sicher? Ich will nicht, dass du dich überanstrengst.“
„Es geht mir gut, schließlich bist du bei mir.“
„Schön, so etwas zu hören.“
„Ich hätte dir das gern öfter gesagt.“
„Das wird sich ändern, wenn du mir die Chance dazu gibst.“
Doch Ingrid gibt keine Antwort. Gernot ist beunruhigt und blickt nachdenklich vor
sich auf den Tisch. Er versteht Ingrid nicht. Den ganzen Tag über gab es immer
wieder kleine Zärtlichkeiten zwischen ihnen. Sie haben sich wohl gefühlt. Doch
immer wieder gibt es Momente, in denen Ingrid reserviert wirkt. Sie hat nie
ausgesprochen, wie es zwischen ihnen weitergehen soll.
Als sie das Lokal spät abends verlassen, sind die großen Touristenmassen aus den
Straßen verschwunden. Die Nähe, die den ganzen Tag über zwischen ihnen
entstanden ist, scheint jetzt verschwunden zu sein. Mit einiger Distanz gehen sie
nebeneinander her. Nach wenigen Minuten öffnet sich vor ihnen ein kleiner Platz
und sie hören Wasser rauschen. Sie stehen nun vor dem Trevi-Brunnen. Es sind
nur noch vereinzelt Leute zu sehen. Sie kommen näher und steigen die Stufen zum
Brunnen hinunter.
Ingrid tritt näher an Gernot heran, schiebt ihre Hand in die seine und lehnt sich an
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seine Schulter. Sie schließt die Augen und würde am liebsten die Zeit anhalten. Wie
sehr hatte sie sich früher oft Momente wie diesen gewünscht; und jetzt ist es
tatsächlich so. Sie ist in dieser wunderschönen Stadt, an einem traumhaften Abend
und der Mann, den sie über alles liebt ist bei ihr.
Gernot hält Ingrids Hand fest in der seinen. Mit der anderen holt er zwei Münzen
aus der Hosentasche und hält Ingrid die offene Handfläche hin.
„Wie heißt es so schön: Rückwärts über die linke Schulter.“
„Damit wir wieder nach Rom zurückkommen.“
Beide werfen die Münzen in den Brunnen und setzen sich dann auf die Stufen.
Ingrid lehnt sich an Gernot, der vorsichtig seinen Arm um ihre Schultern gelegt hat.
Lange sitzen sie schweigend nebeneinander und betrachten das theaterhaft
inszenierte Wasserschauspiel.
Ingrid greift nach Gernots Hand und streicht zärtlich darüber, doch Gernot entzieht
ihr seine Hand. Er dreht Ingrids Gesicht zu sich und sieht ihr tief in die Augen.
Langsam nähert er sich ihren Lippen und beginnt, sie zärtlich zu küssen. Sein Herz
beginnt, deutlich schneller zu schlagen; so groß ist die Angst, von Ingrid
zurückgewiesen zu werden. Doch diese denkt nicht einmal daran, den Mann, den
sie so sehr liebt, zurückzuweisen. Sie erwidert seinen Kuss und schmiegt sich in
seine Arme. Gernots Küsse wandern über ihren Hals. Überall kann sie seine
zärtlichen Berührungen spüren. Ganz nah an ihrem Ohr flüstert Gernot: „Ich liebe
dich.“
„Ich dich auch.“
Wieder beginnen sie, sich leidenschaftlich zu küssen. Noch lange Zeit bleiben sie
eng umschlungen sitzen, bis Gernot Ingrid enthusiastisch mit sich zieht. Ingrid will
wissen, wohin sie gehen, doch Gernot verrät es nicht. Sie soll sich überraschen
lassen. Seit sie den Brunnen verlassen haben, hat Gernot Ingrid nicht mehr
losgelassen.
Nach einem längeren Fußmarsch erreichen sie die Kirch Santa Maria in Cosmedin.
„Gernot, was tun wir hier?“
„Warte noch einen Moment.“
Kurze Zeit später stehen sie vor einer antiken Tritonenmaske.
„Was ist das?“
„Davon hab ich gelesen: LA BOCCA DELLA VERITÀ”
„Mund der Wahrheit?“
„Er beißt zu, wenn ein Lügner seine Hand hinein steckt.“
Im nächsten Augenblick schiebt Gernot seine Hand in die Mundöffnung. „Ich liebe
dich, Ingrid.“ Gernot zieht seine Hand wieder hervor und zeigt Ingrid, dass noch
alle Finger da sind.
„Alles noch dran“
„Verrückter Kerl!“
Ingrid tritt näher auf Gernot zu und legt ihre Arme um seinen Hals. Sie gibt ihm
einen zärtlichen Kuss. Auch Gernot legt seine Arme um Ingrid und zieht sie an sich.
Nach einem langen, leidenschaftlichen Kuss sehen sie sich tief in die Augen.
„Ingrid.“
„Ja?“
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Gernot ist sichtlich nervös.
„Sag mal ... könntest du dir vorstellen ...?“
„Du sprichst in Rätseln.“
„Ingrid, willst du meine Frau werden?“
Ingrid sieht Gernot überrascht an, fängt sich aber gleich wieder.
„Ja, Gernot, das will ich.“
Überglücklich küsst Gernot Ingrid. Doch nach einem Moment löst er sich von ihr.
„Gernot, ist etwas?“
Er sieht sie mit strengem Blick an.
„Ich will einen Beweis.“
Ingrid kann sich ein Lächeln nicht verkneifen. Sie schiebt ihre Hand ebenfalls in die
Mundöffnung und wiederholt: „Ja, ich will“. Als sie ihre Hand wieder hervorzieht
und Gernot ihre Finger zeigt, versinken sie in einen unendlich leidenschaftlichen
Kuss.
Da sie den ganzen Tag über durch die ganze Stadt gelaufen sind, beschließen sie,
mit einem Taxi zurück nach Hause zu fahren. Dort angekommen, schleichen sie
sich leise in ihr Zimmer, da sie niemanden aufwecken wollen. Kaum haben sie die
Zimmertür hinter sich verschlossen, zieht Gernot Ingrid in seine Arme und küsst
sie. Doch Ingrid löst sich von ihm und verschwindet im Bad.
Indessen legt sich Gernot aufs Bett und schließt die Augen. Wenige Minuten später
kommt Ingrid aus dem Bad. Sie findet Gernot mit geschlossenen Augen und einem
zufriedenen Blick auf dem Bett liegend vor. Sie stemmt die Hände in die Hüften.
„Was hab’ ich mir denn da für einen Kerl angelacht.“
Sie tritt auf ihn zu will ihm einen Kuss geben, als Gernot sie plötzlich mit den
Armen umfängt und aufs Bett zieht.
„Einen Kerl, der dich über alles liebt.“
Gernot beugt sich über Ingrid und beginnt, sie zärtlich zu küssen. Nun geben sie
sich den Zärtlichkeiten und Liebkosungen des anderen hin. So lange hatten sie
darauf warten müssen die Nähe und Zärtlichkeit des anderen zu spüren. Eng
aneinander gekuschelt, schlafen sie schließlich ein.
Am nächsten Morgen weckt Ingrid Gernot mit einem zärtlichen Kuss und bringt ihn
tatsächlich dazu, früher als gewohnt mit ihr aufzustehen. Sie wollen den
Sonnenaufgang von ihrem Balkon aus beobachten. Gernot hat seine Arme gerade
von hinten um Ingrid gelegt, als die ersten Sonnenstrahlen über den Dächern
auftauchen. Zärtlich küsst Gernot Ingrids Nacken und will sie mit sich zurück ins
Bett ziehen. Doch Ingrid überredet ihn, gleich mit ihr aufzustehen. Nachdem sie
sich angezogen haben, greift Ingrid nach Gernots Hand und zieht ihn hinter sich
her. Gemeinsam treten sie auf die Terrasse hinaus. Doch plötzlich bleibt Gernot
stehen und zieht Ingrid ganz nahe zu sich und küsst sie zärtlich.
Einen Augenblick später tritt Rebecca durch die Tür und lächelt zufrieden, als sie
die beiden erblickt. Sie beschließt, sie nicht zu stören und verschwindet ebenso
geräuschlos, wie sie gekommen ist.
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Gernot und Ingrid genießen die nächsten beiden Tage in vollen Zügen. Der
Opernbesuch ist dann noch die Krönung ihres Romaufenthalts. An ihrem letzten
Abend in Rom sitzen sie mit Markus und Rebecca auf der Terrasse und genießen
den schönen Abend. Rebecca schenkt jedem ein Glas Rotwein ein. Sie stoßen
miteinander an.
„Auf einen schönen Abend!“
„Auf unsere Gastgeber“
„Es waren wunderschöne Tage bei euch.“
„Freut uns, dass es euch gefallen hat.“
Gernot legt seinen Arm um Ingrids Schulter und meint: „Ich fahr nur ungern wieder
nach Hause.“
„Lügner! Gib es zu, du freust dich schon wieder auf die Klinik.“
„Nein, wirklich nicht.“
„Ich kenne da einen Ort, wo wir das problemlos herausfinden können.“
Gernot ballt seine Hand zu einer Faust und versteckt sie hinter dem Rücken.
„Besser nicht!“
Alle vier brechen in schallendes Gelächter aus. Gernot beugt sich zu Ingrid und gibt
ihr einen zärtlichen Kuss.
„Wenn das so ist, Papa, dann müsst ihr einfach bald wiederkommen.“
„Das werden wir, bestimmt“, antwortet Ingrid, „ich werde ihn schon dazu
bringen.“
„Aber vorher müsst ihr nach Leipzig kommen!“
„Ist das eine Einladung?“
„Ja, eine Hochzeitseinladung.“
Rebecca sieht die beiden verwirrt an.
„Wer heiratet denn?“
„Na wer wohl.“
„Heißt das, ihr beide ...?“
Wie aus einem Munde kommt es von Ingrid und Gernot: „JA“
„Schön, wir freuen uns für euch!“
„Also, versprochen, ihr kommt?“
„Natürlich, das lassen wir uns nicht entgehen.“
„Aber ihr müsst uns auch etwas versprechen“, meldet sich Markus zu Wort.
Aufmunternd sieht Markus seine Frau Rebecca an.
„Was denn?“ will Ingrid wissen.
„Ihr müsst in ca. 8 Monaten wieder nach Rom kommen.“
Ingrid lächelt Rebecca erfreut an.
„Heißt das du ...?“
„Ja.“
Gernot blickt etwas verwirrt zwischen Ingrid und Rebecca hin und her.
„Warum gerade in 8 Monaten?“
„Ach Gernot, wer ist denn nun der Arzt? Manchmal bist wirklich ein bisschen
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schwer von Begriff.“
„Nu ja, du kannst auch erst zur Taufe kommen, aber es würde mich sehr
freuen, wenn ihr schon zur Geburt da wärt. Es ist ja schließlich euer
Enkelkind.“
„Du bist schwanger?“ fragt Gernot ungläubig.
„Ja, Papa“
Erfreut springt Gernot und schließt seine Tochter in die Arme. Nachdem sie sich
wieder gesetzt haben, stoßen sie noch einmal auf die bevorstehenden Ereignisse:
Hochzeit und Geburt an. Es wird ein wahrlich ausgelassener Abend. Am nächsten
Tag verabschiedet man sich am Flughafen und verspricht sich den gegenseitigen
Besuch.
Während des Fluges ist Ingrid ungewohnt ruhig. Sie blickt nachdenklich aus dem
Fenster. Gernot beobachtet sie eine Weile und ergreift dann ihre Hand.
„Alles in Ordnung?“
„Ja.“
„Sicher?“
„Schon komisch, wie viel sich in der letzten Woche verändert hat.“
„So viel ist das doch nicht, oder? Wir sind wieder zusammen.“
„Nur? Gernot, wir sind wieder zusammen, wir wollen heiraten und dazu
kommt noch ...“
„Was noch?“
„Gernot, du machst mich zur Oma!“
„Das ist doch schön, du bist die wunderbarste Oma, die ich kenne und ich
liebe dich.“
„Ich dich auch, Opa.“
Zärtlich küssen sich die beiden hoch über den Wolken und schwören sich ihre
ewige Liebe.
Nach ihrer Rückkehr nach Leipzig bleibt es keinem mehr verborgen, dass die
beiden wieder ein Paar sind, denn sie machen nicht einmal den Versuch, etwas zu
verbergen. Viel zu sehr liegt ihnen beiden daran, jedem zu zeigen, was sie
füreinander empfinden.
In der Klinik werden sie nach ihrer Rückkehr herzlich empfangen und jeder ihrer
Mitarbeiter wünscht ihnen Glück für ihr weiteres Zusammensein.
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