DAS INTERVIEW: Kristina Viering, Leiterin des Kindergartens „Villa Ritz“ in Potsdam Die „Villa Ritz“ ist offenbar ein ganz besonderer Kindergarten in Potsdam. Was macht die Besonderheit und offensichtlich auch weitgehende Einmaligkeit dieses Kindergartens aus? Die „Villa Ritz“ ist als ein besonderer Kindergarten zu benennen, weil die Einrichtung einiges bietet, was in anderen Kindergärten nicht angeboten wird, oder auf Grund der äußeren Rahmenbedingungen nicht geboten werden kann. Folgende Punkte sind zu nennen: Im Mittelpunkt des Konzeptes steht die frühkindliche Bildung. Wir verstehen uns als frühkindliche Kinder-Bildungseinrichtung, in der Kinder mittels anschaulicher Pädagogik mit allen Sinnen wachsam und wissbegierig ihre Welt wahrnehmen und begreifen lernen. Wir orientieren uns hierbei an das Brandenburger Bildungsprogramm und dessen Bildungsschwerpunkten. Musikalische Früherziehung ist ein herausragender Bildungsschwerpunkt in der „Villa Ritz“ Wir sind ein zweisprachiger Kindergarten mit deutschen und englischsprachigen Pädagogen. Wir bieten das spielerische Herangehen an die chinesische Sprache. Unsere Betreuungszeiten sind flexibel und orientieren sich an den Bedürfnissen der Eltern. Die Ernährung ist hauptsächlich Vollwerternährung, die bei uns im Haus zubereitet wird. Wir bieten einen einmaligen Betreuungsschlüssel, d.h. Das Lernen und Leben in kleinen Bezugsgruppen ermöglicht die weitgehend individuelle Förderung der Kinder. Auch die Arbeitsbedingungen für Pädagogen sind dadurch Besondere. Welche Lern- und Entwicklungsziele will die „Villa Ritz“ mit seinem Angebot erreichen? In Alltagssituationen begleiten wir die Kinder so, dass sie ihre Position und ihren Wert in der Gemeinschaft erfahren und zu verantwortungsbewußten Menschen heranwachsen. Es ist uns ein Anliegen, kulturelle und gesellschaftliche Grundwerte gegenwartsbezogen zu pflegen. Nachfolgend aufgelistet sind die wichtigsten Lern-und Entwicklungsziele, die individuell und altersgerecht von unseren Pädagoginnen verfolgt werden: Volle Entfaltung der Sinne und der Wahrnehmung Sinn für Ästhetik entwickeln Musische Talente und Kreativität zum Ausdruck bringen Gute Haltung und Benehmen Aktive und sorgfältige Pflege der Sprache Lust und Freude beim Lernen Konzentration und Disziplin Gemeinsinn und Mitgefühl Gibt es bei Ihnen wie in anderen Kindergärten feste Gruppenstrukturen, und wenn ja, wie viele Gruppen werden von Ihnen angeboten und wie viele Kinder werden von welchem Fachpersonal betreut? Unser Konzept verfolgt den Ansatz der „offenen Gruppenstruktur“. Die Praxis hat allerdings gezeigt, dass die Kinder, wie die Eltern nach einer „Gruppenstruktur“ verlangen. Wir haben aus der Praxis heraus folgendes entwickelt: Wir haben derzeit fünf fest bestehende Gruppen, die nach Tieren benannt sind. Dies dient der Identifikation. Diese Gruppen definieren sich nicht nur über den Namen sondern hauptsächlich beschreibt dies die Zugehörigkeit zu der jeweiligen Bezugspädagogin. Die Gruppen sind relativ altershomogen. Während der festen Tagesabläufe haben die Kinder somit einen „sicheren Hafen“. Bei den täglichen Bildungsangeboten brechen diese Gruppenstrukturen zum Teil auf, da die Kinder nach ihrem Entwicklungsstand gefördert werden. Gleiches Alter ist nicht immer gleicher Entwicklungsstand. Während des Freispiels bieten wir den Kindern genug Raum um sich auch frei zu bewegen und auch altersübergreifend zu spielen. Das bietet den „Kleinen“ die Möglichkeit von den „Großen“ zu lernen und andersherum wird das „Rücksichtnehmen“ und auch soziale Verantwortung gefördert. Geschwisterähnliche Beziehungen können so gelebt werden. Welche besonderen Serviceleistungen bieten Sie Ihren Kunden, den Eltern, für ihre Kinder an? Im Moment bieten wir folgende Serviceleistungen: Schwimmunterricht in einer nahegelegenen Schwimmschule Pekip Karate Reiten Ballett Fahrdienst Wochenendübernachtung Geburtstagsfeiern musikalischen Kindertanz Instrumentalunterricht Wir orientieren uns an dem Bedarf und den Wünschen der Eltern und Kinder und tun unser Möglichstes, dies zu verwirklichen. Aus diesem Grund können die Zusatzangebote wechseln und sich verändern. Die musisch-ästethische Bildung scheint für Sie in der Arbeit einen ganz besonderen Stellenwert zu haben. Welches Bildungskonzept verbirgt sich dahinter? Für die musikalische Früherziehung ist in der „Villa Ritz“ eine Dipl. Musikerin verantwortlich, die durch alle anderen Pädagoginnen unterstützt wird. EMP ( Elementare Musik Pädagogik) wird als methodenintegrierendes Konzept verstanden. Musikpädagogische Ansätze wären hier folgende zu nennen: nach Carl Orff Emile Jaques Dacroze Zoltan Kodaly u.v.m EMP bewirkt im Menschen vieles, z.B. durch die Anregung aller Sinne wird die synaptische Verknüpfung unterstützt. Musik wird spielerisch mit allen Sinnen erfasst und gelebt. Ganzheitlich werden alle Sinne miteinander in Beziehung gesetzt (hören, malen, sprechen, schmecken, fühlen, tanzen). Das Lernen geschieht über Erfahrungsprozesse, die das Kind selbst macht. EMP wird nicht unterrichtet, sondern ist dafür zuständig, Musik und das aktive Musizieren auf elementare Weise zu erfahren. Das Kind kann sich in einer angstfreien Atmosphäre positiv selbst wahrnehmen. Wie weit geht Ihre Bereitschaft aber auch Ihre Flexibilität, den individuellen Bedürfnissen der Eltern beispielsweise bei den Öffnungszeiten aber auch sonstigen Ansprüchen zu genügen? Wir verstehen uns nicht nur als Bildungseinrichtung, sondern auch als Dienstleister. Dies bedeutet für uns, dass wir bereit sind den Wünschen und Bedürfnissen der Eltern gerecht zu werden. In Bezug auf die Öffnungszeiten ist unser Betrieb derzeit fogendermaßen strukturiert. Wir haben eine Kernöffnungszeit von 7.00h-18.00h. Bei Betreuungsbedarf, der sich länger in den Abend erstreckt benötigen wir einen Planungsspielraum von ein paar Tagen, damit der Dienstplan dahingehend gestaltet werden kann. Wochenendbetreuung, sowie Übernachtungen brauchen eine Woche Planungsvorlauf. Fahrdienste können sehr spontan vermittelt werden. Wir haben ein Netzwerk von „Babysittern“ aufgebaut, auf das wir spontan zurückgreifen können. Prinzipiell ist unser Credo „der Kunde ist König“. Die „Villa Ritz“ Mitarbeiter sind bereit auf die Wünsche der Kundschaft einzugehen. Wie stark ist Ihr Dienstleistungsverständnis als Kindertageseinrichtung ausgeprägt? Wie in der vorigen Frage bereits erwähnt, verstehen wir uns in unserer Berufsauffassung auch als Dienstleiter. Dies bedeutet für die Mitarbeiter sich den Eltern und selbstverständlich den Kindern gegenüber freundlich und zuvorkommend zu verhalten und bei Anliegen und Problemen jeglicher Art behilflich zu sein. Für die Leitungsebene bedeutet dies, die Vorschläge und Wünsche der Eltern im Alltag zu integrieren, und die Serviceangebote wenn möglich zu verwirklichen. Die Qualität des Erzieherischen Handelns von Tageseinrichtungen hat bundesweit gesehen nicht immer den besten Ruf. Was sind bei Ihnen Kernbereiche von Qualität und durch welche Maßnahmen sichern Sie intern diese Qualität ab? Die „Villa Ritz“ orientiert sich in ihren Qualitätsleitsätzen an folgenden Programmen: Im pädagogischen Alltag folgen wir dem Brandenburger Bildungsprogramm. Bildungsschwerpunkte sind hier: Musisch-ästhetische Bildung Mehrsprachigkeit und Interkulturalität Körper-Körperpflege und Bewegung Bildnerisches Gestalten Kommunikation und soziale Interaktion Mathematische Grunderfahrungen Naturwissenschaftliche und technische Experimente und Grunderfahrungen Um die pädagogische Qualität der Arbeit zu gewährleisten erstellen die Pädagogen Wochenpläne für ihre Arbeit. Die pädagogischen Arbeitsabläufe und Projekte werden dokumentiert. Die einzelnen Entwicklungsschritte der Kinder werden ebenso dokumentiert. Teamsitzungen finden wöchentlich statt. Mitarbeitergespräche in einem regelmäßigen Turnus. Bei den Rahmenbedingungen orientieren wir uns an den Items, die PädQuis (Pädagogische Qualitätssicherung nach W. Tietze u.a.) zur Verfügung stellt. Hierbei sind die kindgerechten Raumgestaltungen, geregelte Tagesabläufe, gesundes Essen, zugewandte, responsive Pädagogen etc. von Bedeutung. Evaluation ist ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit. Kindergärten in privat-gewerblicher Trägerschaft sind bundesweit gesehen immer noch eher die Ausnahme. Langsam scheint aber erkannt zu werden, dass eine Ausweitung der Angebotsvielfalt mehr Wettbewerb und damit auch eine Steigerung der Qualität im Interesse von Eltern und ihren Kindern mit sich bringt. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung? Ich halte diese Entwicklung für längst überfällig und damit für notwendig. Schauen wir über unsere Ländergrenzen hinweg: Da gibt es bereits seit vielen Jahren gute Vorbilder, wo frühkindliche Bildung und flexible Kinderbetreuung in die Familienpolitik übernommen wurde (Skandinavien, Frankreich, USA etc.). Wenn mehr Wettbewerb tatsächlich eine Qualitätssteigerung bedeutet, ist dies eine gute Entwicklung. Wenn Ansätze wie der unsrige sich etablieren würden, könnte auch die öffentliche Trägerschaft davon profitieren. Qualitativ hochwertige Frühförderung ist förderungswürdig und ebenso die Verbesserung der pädagogischen Ausbildung. Auch die gesellschaftliche Anerkennung für den Beruf an sich steht in diesem Zusammenhang zur Diskussion. Wir sehen uns nicht in der Position eine Elite herauszubilden, sondern wir möchten einen modernen, qualitativ guten, vertrauenswürdigen Kindergarten betreiben. Derzeit sind wir recht alleine mit unserem Konzept und unsere Arbeit hat auch seinen Preis, doch wir sehen uns nicht exklusiv von der Gesellschaft, sondern möchten in der Gesellschaft unsere Gedanken etablieren. Vielleicht können wir ein Vorbild sein. Wäre die Sozialpolitik eine andere, könnten Einrichtungen wie die „Villa Ritz“ auch gefördert werden und dann wäre unser Haus jedem gesellschaftlichen Milieu offen. Derzeit ist dies leider nicht der Fall. Nach nunmehr 1 Jahr des Betriebbestehens – wie sehen Ihre Erfahrungen aus? Was hat sich als besonders erfolgreich herausgestellt und was ist vielleicht entgegen Ihrer Erwartung nicht eingetreten? Ich habe meine berufliche Tätigkeit in der „Villa Ritz“ als Kleinkindpädagogin, als Bezugspädagogin begonnen und bin erst seit Januar 2008 in der Leitungsposition. Ich habe in diesem Jahr vor allem die Qualität der kleinen Bezugsgruppen schätzen gelernt. Ich kann die Kinder tatsächlich individuell fördern und ihren Bedürfnissen gerecht werden. Die pädagogische Arbeit mit ihren multidisziplinären Dimensionen bewirkt Erstaunliches. Ich bin fasziniert über die Entwicklung des Spracherwerbes. Die Kinder wachsen tatsächlich zweisprachig auf und Themen wie Überforderung sind nicht zu beobachten. Elternarbeit ist immer ein dynamischer Prozess, an dem wir alle zusammen wachsen. Die Haupterkenntnis ist für mich, dass wir immer dazulernen und Lernen tatsächlich optimalerweise ein lebenslanger Prozess ist. Diese Aussage gilt für die pädagogische Arbeit ebenso wie für Unternehmensgründungen. Sehr geehrte Frau Viering, ich danke für das Interview und wünsche der weiteren Entwicklung der „Villa Ritz“ alles Gute!