Ehrenkodex Für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Sport, die mit Kindern und Jugendlichen oder jungen Erwachsenen arbeiten oder sie betreuen. Im Rahmen des 10-Punkte Aktionsprogramms „Gegen sexualisierte Gewalt im Sport“, das vom Präsidium des Landessportbundes NRW im Juni 2011 beschlossen worden ist, wurde auch die Neuerarbeitung eines themenübergreifendes Ehrenkodex beschlossen. Den Ehrenkodex finden Sie zum Download in der beigefügten PDF-Datei. Laut Präsidiumsbeschluss wird der Ehrenkodex verbindlich bei allen Lizenzausbildungen des Landessportbundes NRW von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern unterzeichnet. Ebenfalls soll die freiwillige Selbstverpflichtung (Ehrenkodex) auch von Betreuerinnen und auch Betreuern im Sport unterzeichnet werden. Der Ehrenkodex bildet ein Mittel in der Umsetzung von Interventions- und Präventionsmaßnahmen im Sport. Gewalt gegen Mädchen und Frauen, Mädchen als Opfer Mädchen und Frauen wachsen mit sexueller Gewalt auf. Diese Aussage trifft nicht nur auf einzelne zu, sondern durchzieht die Biographie von vielen Mädchen und Frauen und ist insofern ein strukturelles Problem ihrer Sozialisation. Gewalt hat nicht nur Auswirkungen auf die Frauen und Mädchen, die unmittelbar zum Opfer von sexuellem Missbrauch und Vergewaltigung werden, sondern auf alle Mädchen und Frauen, unabhängig von Alter, Aussehen oder sozialer Schicht. Alltägliche Verhaltensweisen und Äußerungen, die Frauen abwerten, z.B. obszöne Gesten oder verbale Anzüglichkeiten, Grenzverletzungen, massive Übergriffe, aber auch in der Werbung und den Medien transportierte Frauenbilder, zeigen, direkt oder indirekt, wie Frau Opfer von sexueller Gewalt wird. Auch durch die Erfahrung dass Mutter, Schwester, Tante und Freundin nur ungern oder gar nicht ohne Begleitung von Männern auf die Straße gehen, wirkt die Welt draußen gefährlich für Mädchen und Frauen. Um der drohenden Gefahr aus dem Weg zu gehen, schränken sie ihre Bewegungsfreiheit ein. Sexuelle Gewalt ist für Mädchen und Frauen so alltäglich, dass sie alle Lebensbereiche erfasst und oft kaum bewusst wird. Eingeschränkte Bewegungsfreiheit Schon die frühe Bewegungssozialisation von Mädchen wird durch die Angst der Erwachsenen vor sexuellen Übergriffen auf das Kind beeinflusst. Aus dieser Angst heraus werden Mädchen stärker beaufsichtigt und ihre Bewegungsfreiheit bleibt weitgehend auf den Wohnbereich und die unmittelbare Umgebung beschränkt. Ihnen wird also eine geringe räumliche Entfernung von ihren Bezugspersonen zugestanden. Untersuchungen zum Spiel- und Raumverhalten, die nach Geschlecht differenzieren, kommen zu dem Ergebnis, dass der Erkundungsraum von Mädchen anders und vor allen Dingen begrenzter ist als der von Jungen. Mädchen spielen bis zum Alter von etwa zwölf Jahren noch überwiegend auf Höfen oder Spielplätzen in unmittelbarer Wohnungsnähe. Verglichen mit den Beschäftigungen der Jungen ermöglichen die Spielaktivitäten der Mädchen deutlich begrenzte und eingeschränkte Bewegungs- und Körpererfahrungen. Der Umgang der Geschlechter miteinander ist nach wie vor durch ein Macht- und Definitionsgefälle bestimmt. "Die Frau ist für den Mann da" ist fest in den Köpfen Erwachsener und Jugendlicher verankert - auch in den Köpfen der Frauen und Mädchen. Der Körper der Frau wird benutzt, um Produkte zu verkaufen, um Männer zu erfreuen, um sexuelle und andere Dienstleistungen kostenlos oder auch gegen Entgelt bereit zu stellen. Die dazugehörigen Normen und Werte, wie ein anständiges Mädchen oder ein anständige Frau zu sein hat, sind ebenso fest in den Köpfen verankert. Das fällt erst dann auf, wenn es sich mal nicht so benimmt, wie es von ihr erwartet wird. Sexuelle Übergriffe finden nach Untersuchungen viel häufiger im so genannten Nahbereich (Familie, Schule, Arbeitsplatz, Freizeit), also eher im persönlichen Schutzraum, statt als im Fremdbereich. Sie sind keine Entgleisungen oder Triebtaten, sondern sie sind geplant. Aber im privaten Bereich liegt auch die Dunkelziffer entsprechend höher, weil nicht darüber gesprochen wird oder keine Anzeige erstattet werden kann - aus Scham oder Ohnmacht. Unterschiedliche Gewalterfahrungen Erziehungsbedingt lernen die meisten Mädchen und Frauen auch heute noch andere wichtiger zu nehmen als sich selbst, eigene Bedürfnisse und Gefühle zu ignorieren, bei Auseinandersetzungen nachzugeben, Harmonie und Frieden wiederherzustellen, still, zurückhaltend zu sein, nicht zu toben und keine Wut zu zeigen. Das Ergebnis: Mädchen und Frauen verlassen sich oftmals nicht auf ihre Gefühle. Sie werden in ihrer Erziehung eher dazu angehalten, harmonisch im Umgang mit anderen zu sein und Konflikte zu vermeiden. Sie weichen einer offenen Konfrontation mit Macht und Gewalt so lange wie möglich aus. Dies führt dazu, dass sie unsicher sind und Schwierigkeiten haben, Entscheidungen für sich selbst zu treffen. Ebenfalls unterschätzen sie dabei ihre physichen und psychischen Stärken. Sie haben Angst, sich weh zu tun und noch mehr Angst, anderen weh zu tun. Bis zur Pubertät erfahren Mädchen z.B. in der Schule eher Gewalt in Form von Geärgert-, Festgehalten-, Gestoßen-, Geboxt-Werden. Angesichts dieser alltäglichen Übergriffe wollen wir das Selbstwertgefühl der Mädchen entscheidend stärken. Hoffentlich werden sie sich in solchen Situationen wehren und sagen: "Das lasse ich mir nicht gefallen "oder " Ich habe das Recht, NEIN zu sagen." Die Kampagne "Schweigen schützt die Falschen" Mit der Kampagne "Schweigen schützt die Falschen" verfolgt der Landessportbund NRW seit mehreren Jahren das Ziel, das Thema "Sexualisierte Gewalt im Sport" zu enttabuisieren. Prävention und Intervention im organisierten Sport sollen konkret gefördert werden. Zur Unterstützung gibt es eine CD sowie Broschüren in Wiederauflage. Diese können beim Landessportbund NRW bestellt werden. 1. Ehrenkodex Am Ende jeder Lizenzmaßnahme wird der Ehrenkodex von allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern unterzeichnet. Die freiwillige Selbstverpflichtung (Ehrenkodex) soll darüber hinaus von allen bereits in der Jugendarbeit tätigen Betreuerinnen und Betreuern (ÜL und Ehrenamt) unterschrieben werden. Der neu erarbeitete, "themenübergreifende" Ehrenkodex wird ab Januar 2012 zur Verfügung stehen. 2. Erweitertes Führungszeugnis Die generelle Einführung des erweiterten Führungszeugnisses für ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird nicht befürwortet (keine gesetzliche Grundlage). Im Rahmen der Entwicklung eines Präventionskonzepts einer Mitgliedsorganisation (siehe Punkt 1) wird die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses auch für ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter empfohlen, wenn deren Funktion ein hohes Gefährdungspotential beinhaltet. 3. Dabei sollten u.a. folgende Kriterien berücksichtigt werden: - Kontakthäufigkeit, - Betreuungssituation in Ferienfreizeiten mit Übernachtungen, - Vereinsfahrten zu Wettkämpfen mit Übernachtungen, 4. Gewalt gegen Jungen 5. Jungen, die sexuell missbraucht werden oder sexuelle Gewalt erfahren haben, wissen oft nicht, wie es weiter gehen soll 6. Jungen, die sexuell missbraucht werden oder sexuelle Gewalt erfahren haben, sind oft ganz durcheinander. Sie haben viele Fragen und wissen nicht, wie es weiter gehen soll. "Das glaubt mir ja doch keiner!" "Warum bin ich wieder hingegangen?" "Bin ich noch ein richtiger Junge?" "Ich bin bestimmt der einzige, dem so was passiert." "Bin ich schwul?" "Was passiert, wenn ich es erzähle?" 7. Wer kann helfen? Auch für Jungen ist es oft zu schwer, sich ganz allein zu wehren. Jungen haben ein Recht auf Hilfe. Auch wenn es am Anfang vielleicht spannend war oder es dir ein wenig gefallen hat - du hast keine Schuld! Du hast nichts falsch gemacht, sondern derjenige, der dich missbraucht hat! Überlege dir, wer auf deiner Seite steht und dir helfen kann: ein Freund, eine Freundin, eine Lehrerin, ein Lehrer, deine Eltern oder andere Verwandte, Sozialarbeiter im Jugendzentrum... Auch wenn es schwierig ist: Sprich mit einer Person, der du vertraust. Falls dir jemand nicht glaubt oder dir nicht helfen will, gib nicht auf! Versuch es bei jemand anderem. Du kannst dich auch an eine Beratungsstelle wenden. Dort arbeiten Leute, die wissen, dass auch Jungen sexuell missbraucht werden. Die glauben dir und überlegen mit dir, was du tun kannst. Sie werden nichts weitersagen und unternehmen, was nicht mit dir abgesprochen ist. Vielleicht möchtest du erst mal anrufen oder jemand soll für dich anrufen. Du kannst alleine hingehen oder jemand mitnehmen. In der Beratungsstelle kannst du dich auch informieren, wenn du jemanden kennst, der sexuell missbraucht wird. Du kannst dir Hilfe holen, wenn du mitkriegst, dass andere Jungen jemanden sexuell belästigen und du allein nichts dagegen machen kannst. (Mit freundlicher Genehmigung aus "Die Nachricht - Taschenheft für Jungen über sexuellen Missbrauch an Jungen" © Zartbitter Köln e.V., Sachsenring 2-4, 50677 Köln) Kontakt und weitere Informationen: www.zartbitter.de 8. Jungen werden als Opfer übersehen Es ist zu befürchten, dass den meisten männlichen Opfern sexueller Gewalt eine angemessene Unterstützung bei der Verarbeitung der Opfererfahrung zur Zeit verwehrt bleibt. Eine plausible Erklärung für diesen offensichtlichen Widerstand ist das immer noch weit verbreitete Geschlechtsrollenklischee vom wehrhaften Jungen bzw. Mann. Danach schließen Opfer-Sein und Männlich-Sein einander aus. So glauben Jungen und Männer z.B. dass männliche Opfer sexueller Gewalt eher selten sind. Die vorherrschenden Männlichkeits-Bilder beeinflussen zudem die Wahrnehmung und Verarbeitung sexueller Gewalterfahrungen durch die Betroffenen selbst. Immer wieder finden sich Hinweise, dass ein großer Teil der von sexueller Gewalt betroffenen Jungen sich sehr spät oder nie mitteilen und Hilfe für die Verarbeitung der Missbrauchserfahrung in Anspruch nehmen. 9. Darüber hinaus bestimmen die vorherrschenden Bilder von Männlichkeit, wie männliche Opfer von ihrer Umwelt wahrgenommen werden und ob bzw. wie ihnen Hilfe angeboten wird. Den Problemen von Jungen, sich als Opfer sexueller Gewalt wahrzunehmen, entspricht die Tendenz der Umwelt, Jungen als Opfer zu übersehen bzw. den betroffenen Jungen keine angemessene Hilfe an zu bieten. Die Gestaltung eines angemessenen Hilfeangebots muss daher sowohl im Kontakt mit den betroffenen Jungen als auch auf Seiten der Helferinnen und Helfer jungenspezifische Aspekte berücksichtigen. (Mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Herausgeber. Quelle: Ulfert Boehme (2002): Jungen als Opfer. In: Bange, Dirk/ Körner, Wilhelm (2002): Handwörterbuch Sexueller Missbrauch; Göttingen; Hogrefe (245-252)