Modelle komplexer Beziehungstrukturen Vorbemerkung Der folgende Aufsatz versucht nicht, allgemeine Patentrezepte für Beziehungskonstellationen aller Art zu entwickeln, denn das ist wahrscheinlich nicht möglich. Die Kultur der letzten Jahrhunderte war im wesentlichen geprägt vom Ideal einer lebenslangen monogamen Zweierbeziehung. Obwohl dieses Ideal im wesentlichen ökonomisch begründet war, erlebte es doch seine Idealisierung im Zeitalter der Romantik, als das Selbstbestimmungsrecht des Menschen über seine Liebesbeziehungen und seine Sexualität gegen alte Traditionen durchgesetzt werden mußten. Komplexe Beziehungsstrukturen haben gegenüber der permanenten Monogamie allein die Eigenschaft, eben komplexer und vielfältiger zu sein, sowohl in ihren Ausformungen und Typen, als auch in den sie prägenden Kommunikationsstrukturen. Es ist eben einfach komplizierter, mit mehreren Menschen intime Beziehungen zu unterhalten als einen Menschen zum generellen Glücks – Server oder zum generellen Sündenbock (für uneingelöste Glückssehnsüchte) zu machen. Die Forderung nach Überwindung tradierter Beziehungsformen wurde schon früh gestellt. Der Frühsozialist C. Fourier entwickelte zur Entstehungszeit der traditionellen Ehe schon Modelle für eine Zukunftskultur, die er als "Harmonie" bezeichnete – im Gegensatz zur damals aktuellen Kultur, die er "Zivilisation" nannte. Es wäre heute eine Illusion zu glauben, daß die tradierte Kultur, die die lebenslange monogame (exklusive) Zweierbeziehung, heute noch zu überwinden bzw zu stürzen wäre. Sie befindet sich vielmehr in rapidem Verfall. In Ballungszentren wie Frankfurt oder München besteht die Mehrheit der Bevölkerung längst aus Singles oder Alleinerziehenden. Aus der Praxis sinnentleerter und verödeter lebenslanger Monogamien ist – nicht zuletzt durch die Frauenbewegung gefördert – die "Lebensabschnittspartnerkultur" unserer Tage geworden. Das Strukturmerkmal dieser Kulturform ist die sogenannte sequentielle Monogamie, d.h. der Anspruch der Exklusivität wird aufrechterhalten, allerdings zum Preis der Trennung vorhandener Beziehungen. Das individuelle Leben der Menschen gestaltet sich in aufeinanderfolgende Beziehungsgeschichten, die jeweils einen Honeymoon und eine nach einer gewissen Zeit erfolgenden Trennungskrise besteht. Wir müssen daher einer tradierten Kultur ( exklusive lebenslange Monogamie ) eine Jetztkultur zur Seite stellen, die auf der sequentiellen Monogamie und der Trennung als wesentlichem Strukturmerkmal besteht. Die Jetztkultur ist allerdings keine neue Kultur, sondern lediglich Zerfallsprodukt der Alten. Die tradierte Kultur zerfällt schneller als eine neue Kultur entwickelt wird. Eine neue Kultur der Liebe und der Sexualität zu entwickeln ist daher eine zentrale Aufgabe unserer Zeit. Grundsätzliche Thesen zu komplexen Beziehungsstrukturen 1. Es kann kein Standardmodell geben, vielmehr muß der Vielfalt auch durch bewußte Wahlfreiheit Ausdruck gegeben werden. 2. Komplexe Beziehungsstrukturen schließen alle traditionellen Strukturen ein. Dies sind neben der Askese auch die Klein(Kern-)familie und die Großfamilie. 3. Die Typologisierung muß Hinweise zu Konfliktlösung und Management dieser Strukturen liefern und darf nicht einseitig nur gewisse Modelle präferieren. 4. Alle sexuellen Orientierungen, sofern sie nicht kriminell sind und die Autonomie anderer und den Schutz Schutzbefohlener impliziert, sind gleichrangig, das schließt bisexuelle, homosexuelle und fetischistische Orientierungen ein. 5. Jeder Mensch trifft alle Entscheidungen über seine Sexualität, seine sexuellen Orientierungen und die Wahl der Partner selbst. Insbesondere ist jeder Zwang ausgeschlossen, bestimmte oder überhaupt Beziehungen einzugehen. 6. Jede Beziehung wird zwischen genau zwei Menschen geschlossen. Letztlich setzen sich auch komplexe Beziehungen aus Zweierbeziehungen zusammen oder gehen aus ihnen hervor. Das Dreieck (die Triade) Das Dreieck ist die häufigste Form einer komplexen Beziehung und gleichzeitig auch die instabilste. Eine Person des einen Geschlechts hat zwei Beziehungen mit je einer Person des anderen Geschlechtes. In aller Regel gibt es dabei eine ältere und eine jüngere Beziehung. In gewissem Sinne ist das Dreieck sogar der Prototyp jeder komplexen Beziehung, denn alle Strukturprobleme einer komplexen Beziehung treten hier konzentriert und geballt auf. Strukturmerkmale einer Triade In einer Triade gibt es folgende Positionen: * Das Center, d.h. diejenige Person, die zwei Beziehungen unterhält, nämlich zu jedem der anderen Beteiligten * Der Older Wing (d.h. der ältere Flügel), das ist diejenige Beziehung, die vor dem Zustandekommen der Triade schon existierte * Der Younger Wing ( d.h. der jüngere Flügel), das ist diejenige Beziehung, die zu der älteren, schon vorhandenen hinzutrat Thesen zur Triade Eine Triade ist im wesentlichen die Kombination von 2 Zweierbeziehungen, die sich in einem Punkt überschneiden. Es sind männliche und weibliche Triaden zu unterscheiden. Dies ist abhängig von Geschlecht des Centers. Eine Triade scheitert in aller Regel, wenn eine der beteiligten Personen subjektiv zum Looser in der vorhandenen Kombination wird. Ob eine Person Looser oder Winner ist, kann nicht objektiv entschieden werden. Es ist eine in jeder Hinsicht subjektive Frage. Wird eine Person in der Triade zum Looser, so führt dies sehr oft dazu, daß über kurz oder lang alle Beteiligten zu Loosern werden. Formal besteht die Triade aus zwei Zweierbeziehungen, jedoch besteht zwangsläufig auch eine energetische Beziehung zwischen den Wings, d.h. den Mitliebhabern und Mitliebhaberinnen. Diese kann freundlich, feindselig oder gleichgültig sein. Es handelt sich um eine Beziehung, die man als shared-love-relation bezeichnen könnte, denn die Wings teilen sich einen Liebes- und Sexualpartner. Es ergibt sich von selbst, daß die Stabilität der Triade von der shared-loverelation abhängig ist. Je freundschaftlicher und solidarischer die Beziehung der Wings zueinander, um so stabiler die Triade. Feindseligkeit auf dieser Ebene führt mit großer Stringenz zum Zerfall der Triade in der einen oder anderen Form. Es geht nicht nur um das Transparenzmachen von Eifersucht etc. sondern vielmehr geht es darum, die Möglichkeiten zu erkunden, die Eifersucht überhaupt aufzuheben. Die Aufhebung eines Gefühles, das eindeutig Schutzfunktion hat, kann nur erfolgen durch ein stärkeres Gefühl, das die Schutzfunktion überflüssig macht. Und es gibt folgende Beziehungen: * die ältere Beziehung Center – Older Wing * die jüngere Beziehung Center – Younger Wing * die meist übersehene Beziehung zwischen den Rivalen Older Wing – Younger Wing Das Konfliktpotential dieser Beziehungsstruktur liegt im wesentlichen in der Rivalenbeziehung Older Wing - Younger Wing. Das haben meines Erachtens auch aus dem Zegg überlieferte Erfahrungen sehr gut gezeigt. Sie entscheidet letztlich über Stabilität oder Instabilität des Dreiecks. Damit liegt aber die Verantwortung für die Beziehungskultur keineswegs allein bei Older Wing und Younger Wing, sondern dem Center, dem scheinbar begünstigten, von zwei Menschen geliebten oder begehrten Menschen, kommt eine Schlüsselrolle dabei zu, die Verantwortung dafür, daß eine produktive Beziehung Older Wing - Younger Wing a) möglich b) für beide handhabbar wird. Scheiternde Dreiecke haben die meisten schon erlebt. Daß das Versagen des Centers in seiner Verantwortung und die destruktive Rivalität in der Beziehung zwischen den Wings ein Dreieck rasch zerstören kann und gar zu oft drei Verlierer übrig bleiben, ist eine Binsenweisheit. Interessant wäre jedoch die Fragestellung, unter welchen Bedingungen das Dreieck auch erfolgreich sein kann und sogar Stabilität gewinnen kann. Aus den negativen Erfahrungen lassen sich leicht die positiven Grundbedingungen ableiten: * Sowohl Older Wing als auch Younger Wing müssen eine grundsätzliche Bereitschaft zeigen, die konkurrierende Beziehung zu tolerieren, zu schützen, ja idealerweise sogar zu fördern. Dies funktioniert natürlich nur dann, wenn beide Seiten defensiv sich verhalten können und zu kreativen und produktiven Lösungsansätzen bereit sind. Wenn die Beziehung Older Wing Younger Wing gar die Ausmaße einer Solidarität, gar einer Freundschaft annimmt, dann sind die Aussichten gut. * B muß sich in der Fragestellung, wie die beiden konkurrierenden Beziehungen zu behandeln sind, sehr stark auf die Bedürfnisse und Erwartungen von Older Wing UND Younger Wing konzentrieren. Das Center kann eine solidarische Beziehung zwischen Older Wing und Younger Wing zwar nicht erzwingen, aber entscheidend begünstigen. Center wird die Stabilität beider Beziehungen Older Wing - Center und Center - Younger Wing nur dann begünstigen können, wenn es den Interessen und Wünschen sowohl von Older Wing als auch Younger Wing so weit wie möglich entgegenkommt. Bedingungen des Stabilität einer Triade Grundüberlegungen Die Triade zeichnet sich im Vergleich zur Dyade durch eine größere Dynamik aus. Triaden streben nach Erweiterung. Dies macht Chancen und Gefahren der Triade aus. Die Gefahr besteht im Zerfall der Triade, wenn insbesondere einer der Wings sich aus der Triade löst. Die Ursachen dafür sind naheliegend: der Wing kann sich benachteiligt fühlen oder sieht sich in eine Looser – Position manövriert. Die Chance der Triade besteht indes darin, Grundelement komplexerer Beziehungen zu werden. Wenn jeder Wing seinerseits eine Triade ausbildet, entsteht ein komplexeres Gebilde, die ich später untersuchen werde. Die allgemeine Bedingung der Stabilität einer Triade ist eine generalisierte Win – Win – Situation im Dreieck. Hinzu kommt, daß es neben den beiden konstituierenden Zweierbeziehungen innerhalb der Triade eine weitere wichtige Beziehung gibt, nämlich die Beziehung zwischen den beiden Wings, den gleichgeschlechtlichen Anteilen also. Diese kann freundschaftlich, ja brüderlich /schwesterlich sein, sie kann aber auch rivalisierend oder sogar feindselig sein. Dazwischen gibt es ein breites Spektrum mehr oder minder starker Gleichgültigkeit oder Ambivalenz. Dann gibt es eine Beziehung zwischen den Beziehungen, den Zweierbeziehungen nämlich. Es mag vielleicht überraschend sein, hier von einer Beziehung zwischen Beziehungen zu sprechen, aber es ergibt sich zwangsläufig daraus, daß jede Zweierbeziehung einen zwar polaren, aber doch holonischen Charakter hat. Es gibt in jeder Beziehung Kommunikation über andere Menschen, insbesondere, wenn diese Menschen durch Beziehungen mit der Beziehung verbunden ist. Also gibt es auch eine Beziehung zwischen den Beziehungen. Auch diese Beziehung zwischen den Beziehungen kann freundlich, gleichgültig oder rivalisierend sein. Die drei Bedingungen der Stabilität einer Triade 1. Die Zweierbeziehungen, also die Diaden, aus der die Triade besteht, sind jeweils solidarisch und liebevoll. 2. Die Beziehung zwischen den Mitliebhaber/inne/n, den Wings, ist solidarisch und mindestens freundschaftlich. 3. Die Beziehung zwischen den Beziehungen ist solidarisch und gegenseitig unterstützend, d.h. eine Beziehung unterstützt aktiv die andere. Stabile und instabile Triaden Die meisten auftretenden Triaden sind von ihrer Natur her instabil. Dies ergibt sich auch daraus, daß die Triade oft durch den Wunsch des späteren Centers zustandekommt, seine eigenen Möglichkeiten zu erweiteren und hierbei auf den bisherigen Beziehungspartner, dem Older Wing, keine Rücksicht zu nehmen. In Anbetracht der nach wie vor von den Prinzipien sowohl der exklusiven Monogamie als auch vom Winner – Looser – Prinzip geprägten Kultur führt dies oft dazu, daß die ältere Beziehung zerbricht und eine neue exklusive Zweierbeziehung des Centers an die Stelle der früheren Beziehung tritt. Die geforderten drei Bedingungen einer stabilen Triade setzen nämlich emotionale Prozesse voraus, die von der tradierten Kultur in keinster Weise gefördert oder unterstützt werden. Die tradierte Kultur sieht die exklusive Monogamie als Norm und alle anderen Erscheinungen bestenfalls als temporäre Übergangsstruktur: Der moralische Kontext der tradierten Kultur wird daher eine destruktive Lösung des Triaden – Problems in jedem Falle fördern. In vielen Fällen gehen dann aus einer Triade nicht Winner und Looser, sondern nur Looser hervor. Die konstruktive, d.h. nicht destruktive Handhabung einer Triade setzt daher eine Ethik voraus, die diesen Beziehungstyp unterstützt. Die tradierte Moral kann es nicht und will es nicht. Und die gelegentlich verbreitete "freie Liebe" – Propaganda, die lediglich die Abschaffung der tradierten Moral propagiert, läßt die Menschen im Stich bei Fragen der Handhabung komplexerer Strukturen, die zwangsläufig auftreten, sobald ein Mensch mehr als eine Beziehung eingeht. Es ist kein Zufall, daß Szenen, die "freie Liebe" propagieren und aus ihrer Sicht auch praktizieren, ohne ein Handling und eine Ethik für komplexere Strukturen entwickelt zu haben, in aller Regel wieder in den Mechanismus der sequentiellen Monogamie früher oder später zurückfallen. In aller Regel ist das destruktive Element in Triaden ein Gefühl, das man als Eifersucht bezeichnet. Die genannten drei Forderungen für die Stabilität einer Triade lassen sich vergleichsweise leicht erfüllen, wenn keine Eifersucht im Spiel ist. Das Fehlen von Eifersucht ist also eine notwendige (aber nicht hinreichende) Bedingung für die Stabilität einer Triade. Nun ist aber Eifersucht im wesentlichen ein Gefühl, eine Emotion, und nichts wäre falscher, als Eifersucht "hinwegzudiskutieren", etwa in der Form "wir sind doch nicht eifersüchtig, das ist man in unseren Kreisen einfach nicht!" Grundformen der Eifersucht Was ist Eifersucht? Der Volksmund sagt "Eifersucht ist eine Kraft, die mit Eifer schafft, was Leiden schafft". Andererseits sagt der Volksmund auch, daß Eifersucht ein Zeichen von Liebe ist und das Fehlen von Eifersucht auf das Fehlen von Intimität und Liebe hinweist. Es gab eine Zeit, da das Gefühl der Eifersucht als etwas etwas behandelt und besprochen wurde, das entbehrlich, abschaffbar, eliminierbar sei. Die Überwindung der Eifersucht sollte darin bestehen, sie schlichtweg zu ignorieren. Heute sind wir eher geneigt, Eifersucht für ein vollkommen normales Gefühl zu halten wie etwa Angst, Trauer, Wut, Zorn, Ausgelassenheit und Neid. Es gibt Menschen, die die Auffassung vertreten, daß allein die Existenz der Eifersucht jede komplexere Beziehungsform verunmögliche. Andere meinen, daß Eifersucht von allein verschwinde, wenn man nur seine Gewohnheiten und Haltungen ändere. Ich bin der Meinung, daß 1. Eifersucht eine Emotion ist, die zum Grundrepertoire des Menschen gehört, 2. Eifersucht die emotionale Reaktion auf drohenden oder befürchteten Beziehungsverlust darstellt, 3. Eifersucht mit den den verwandten Gefühlen Angst, Neid und Ärger Schnittflächen hat 4. Eifersucht ebenso wie Angst, Neid und Ärger behandelt werden muß und nicht ignoriert werden darf Allgemein gesprochen taucht Eifersucht dann auf, wenn Menschen gewohnte und gewollte Beziehungen, speziell Liebesbeziehungen, bedroht sehen, und dementsprechend in dem Maße eingeschränkt oder gar zum Verschwinden gebracht wird, in dem das Bedrohungsgefühl schwindet. Ich betone, daß es sich hierbei um gefühlsmäßige Dinge handelt und daher die subjektive Sicht der Beteiligten die entscheidende ist. Es macht wenig Sinn zu argumentieren, daß kein "objektiver Grund" für Eifersucht vorhanden sei, weil es sich ja eben um ein Gefühl und mithin "subjektive Gründe" handelt. Ich bin geneigt, das Gefühl Eifersucht in drei grundsätzlich voneinander zu unterscheidende Varianten zu unterscheiden. Diese drei Varianten unterscheiden sich sowohl hinsichtlich ihrer emotional – energetischen Quellen als auch im notwendigen Handling. 1. Besitzanspruch. Diese Ebene ist die oberste Schicht der Eifersucht. Diese Form von Eifersucht ist daran zu erkennen, daß sie auch dann noch besteht, wenn jegliche Liebe erloschen ist. Das traditionelle patriarchale Verständnis sieht in der Frau den legitimen Besitz eines Mannes. Schon die zehn Gebote Moses weisen sehr deutlich auf diesen Zusammenhang hin. In der Neuzeit bei wachsender Emanzipation der Frau kommt es nicht selten zu der Erscheinung, daß die Frau das Vorrecht des Mannes, den Partner als Besitz, sozusagen als Vorgarten der eigenen Person zu betrachten, für sich auch in Anspruch nimmt. Diese Ebene der Eifersucht ist im wesentlichen moralisch bedingt, basiert also auf überholten Vorstellungen der sogenannten Müll – Moral. 2. Angst vor Beziehungsverlust. Diese Ebene der Eifersucht ist nicht moralisch begründet, sondern ist elementar. Auch Tiere kennen Eifersucht. Eifersucht ist hier die zwangsläufige Reaktion auf drohenden Beziehungsverlust, und sie erfüllt damit eine Schutzfunktion. Die Angst vor Beziehungsverlust könnte man noch weiter aufteilen in Angst vor konkretem Beziehungsverlust (d.h. der Angst, einen bestimmten Menschen als Partner zu verlieren) und der Angst vor allgemeinem Beziehungsverlust (d.h. der Angst, ohne Partner zu sein). 3. Rivalität. Auch bei Abwesenheit von Angst vor Beziehungsverlust gibt es noch eine Ebene der Eifersucht, die man Rivalität nennen könnte. Am deutlichsten wird diese Form der Eifersucht bei Verhältnis zwischen Geschwistern, aber sie wird mit Sicherheit auch zwischen Mitliebhabern auftreten. Eifersuchtsschema Eifersucht ist zweifellos ein sehr vielfältiges Phänomen, das sich aber mit ein wenig Methodik auf wenige Grundformen und -muster zurückführen läßt. Im folgenden werden die Varianten oder auch Schichten der Eifersucht dargestellt, ihre jeweiligen Ursachen ermittelt und über mögliche Lösungsansätze nachgedacht. Neurotische Eifersucht: Besitzanspruch Überwindung der Auffassung, daß Beziehungen Besitzstand darstellen. Vielmehr müssen sie als Prozesse, als aktive oder weniger aktive, funktionierende oder weniger funktionierende bilaterale (zweiseitige) Austauschprozesse betrachtet werden. Diese Ebene der Eifersucht kann in der Tat durch Änderungen des kulturellen Kontextes und der Sexualmoral zum Verschwinden gebracht werden. Angsterfüllte Eifersucht: Angst vor Beziehungsverlust. Hier lassen sich noch zwei Schichten unterscheiden: 1. Die Angst vor allgemeinem Beziehungsverlust, d.h. die Angst, keinen Partner mehr zu haben oder gewinnen zu können, wenn der vorhandene vorloren wird 2. Die Angst vor konkreten Beziehungsverlust, d.h. die Angst, einen ganz bestimmten Partner, eine ganz bestimmte Beziehung zu verlieren Die Angst vor Beziehungsverlust läßt sich strukturell eigentlich nur durch Beziehungsgarantie überwinden, und zwar 1. in der Schaffung eines kulturellen Umfeldes, das den Neuaufbau von Beziehungen erleichtert und fördert. 2. In der Arbeit an der konkreten Beziehung unter Unterstützung des Umfeldes, vorausgesetzt, der Partner zeigt eine Bereitschaft zur Fortsetzung der Beziehung und das Umfeld ist gewohnt, unterstützend in Beziehungen einzugreifen. Zornerfüllte Eifersucht(Rivalität) Konkurrenz einer Beziehung mit einer anderen zum gleichen Partner. Der/die Konkurrent/in erweist sich in einzelnen Punkten der Beziehungskultur als erfolgreicher oder konkret anziehender, attraktiver. Hier wäre es unsinnig, davon auszugehen, daß Konkurrenz oder Wettbewerb schlechthin aufgehoben werden könnte. Das ist unrealistisch. Jedoch wäre mit der Unterstützung des kulturellen Umfeldes an einer produktiven oder konstruktiven Konkurrenz zu arbeiten. Förderlicher bzw anspornender Wettbewerb ist ja aus anderen Lebensbereichen (z.B. dem Sport) ein durchaus kreativer Kulturfaktor. Es müßte in jedem Falle einer individuellen Verweigerungshaltung entgegengewirkt werden. Überwindung von Eifersucht Eifersucht läßt sich wie jedes negative Gefühl auch aufheben oder transformieren. Dies kann jedoch nicht auf "vernünftige" Weise geschehen, sondern nur auf gefühlsmäßiger Basis. 1. Das Paradigma des Besitzanspruches an Liebes- und Sexualpartnern (das zentrale Paradigma der sequentiellen Monogamie) muß durch ein neues Paradigma ersetzt werden, durch eine neue Ethik, die den Menschen Sicherheit, Halt und Orientierung in ihren Handlungen gibt. Dieses Paradigma nenne ich das Star – Community – Paradigma. Der Verzicht auf den ausschließlichen Besitzanspruch am Partner befreit letztlich auch den "besitzenden Partner". Dem steht die Möglichkeit auf lebenslange Initimität und Loyalität keinesfalls entgegen. Erst unter diesem neuen Paradigma haben gerade langandauernde Beziehungen die Chance, eine Tiefe zu erlangen, wie sie die sequentielle Monogamie nicht zu gewähren in der Lage ist. 2. Angst vor Beziehungsverlust kann nur durch stärkere Gefühle aufgehoben werden, die die Angst überflüssig machen. Eine Kultur, die sich verpflichtet sieht, vorhandene inhaltliche Beziehungen zu unterstützen, kann auch die Angst vor dem Verlust eines Beziehungspartners überwinden. Die Trennung als Notwendigkeit, wie sie die sequentielle Monogamie auszeichnet, entfällt. Das heißt natürlich nicht, daß es nicht trotzdem zu Trennungen oder Auflösungen von Beziehungen kommt. Jedoch ist die Trennung keine Notwendigkeit mehr, die der Mensch vollziehen muß, um sich neue Beziehungsmöglichkeiten zu erschließen. Eine auf Unterstützung von Beziehungen basierende Kultur ist natürlich auch in der Lage, die Angst vor allgemeinen Beziehungsverlust, also die Angst vor der Vereinsamung, zu überwinden. 3. Rivalität ist letztlich Interessensgegensatz auf der Gefühlsebene. Interessensgegensätze werden auch in vernetzten Beziehungsstrukturen immer wieder auftreten. Rivalität ist letztlich die Frage: "Wer ist besser?" oder "Wer bekommt was oder wieviel?". Letzten Endes läßt sich die Rivalität nur durch Solidarität und Interessensgemeinschaft aufheben, nach der Devise: "Jeder hilft jedem bei der Erfüllung seiner Herzenswünsche!" Sogar die Rivalität selbst kann produktiv sein, wenn sie die Fähigkeiten der Rivalen wechselseitig steigert, statt mit der Vernichtung eines Rivalen zu enden. Komplexere Strukturen Thesen zu komplexen Strukturen 1. Alle komplexeren Strukturen mit Verflechtungen und Verkettungen gleich welcher Art lassen sich stets in Triaden zerlegt betrachten. Alle komplexeren Strukturen bestehen aus Triaden als Grundelement, so wie auch die Triade aus der Diade als Grundelement besteht. 2. Wenn alle komplexeren Strukturen letztlich aus Triaden bestehen, dann ist die logische Schlußfolgerung zulässig, daß die komplexe Struktur dann stabil ist, wenn alle beteiligten Triaden stabil sind. Je höher der prozentuale Anteil stabiler Triaden, desto stabiler das gesamte System und vice versa. 3. Komplexe Systeme gewinnen an Stabilität mit einer gewissen Abgeschlossenheit. Ein mehr oder minder abgeschlossenes Gebilde (also ein System vernetzter Liebesbeziehungen) bezeichne ich als Clan. Charakteristika komplexerer Strukturen Jede beliebige komplexere Struktur läßt sich letztlich in eine Kombination von Triaden auflösen. Die Triade ist also das Grundelement jeder komplexeren Beziehungsstruktur. These: eine komplexere Struktur ist dann stabil, wenn alle beteiligten Triaden in einem stabilen Zustand sich befinden. Da aber die Triade, wie schon festgestellt, eine zur Reduktion oder Expansion neigende Struktur ist, kann ein dauerhaft stabiler Zustand einer Triade nur durch Beziehung zu anderen Triaden hergestellt werden. Die scheinbar instabil wirkende Triade gewinnt also Stabilität, indem sie sich an anderen Triaden abstützt. Die Quadrille Die Quadrille ist eine naheliegende Form einer komplexeren Struktur. Sie könnte sich allein schon daraus ergeben, daß zwei Paare sich eineinander öffnen – ein Verfahren, das ohnehin für viele Paare ratsam ist. Ein anderer Entstehungsgrund für eine Quadrille ist, daß die Wings einer Triade ein weiteres Center hinzugewinnen. Doch auch die Quadrille ist bereits hochkomplex. Sie besteht aus insgesamt 4 Zweierbeziehungen und 4 Triaden. Jede Person ist in zwei Zweierbeziehungen und in drei Triaden eingebunden. Bei den Triaden ist es so, daß die betreffende Person in den einzelnen Dreiecken jeweils eine andere Position innehält ( Center – older Wing – Younger Wing ). Die nähere Betrachtung der Quadrille ergibt, daß sie dann sehr stabil ist, wenn alle Triaden stabil sind. Umgekehrt bietet aber die Quadrille selbst alle Vorraussetzungen für stabile Triaden, da die Interessen aller in einer optimalen Weise erfüllt sind. Die Kette Das Quadrillen wie alle Beziehungen Neigungsbeziehungen sind, treten komplexere Strukturen meist in Form von Ketten auf. Da Ketten nicht abgeschlossen sind, bilden die Enden jeweils so etwas, was in der Chemie Radikale genannt wird. Es können Polymerisationseffekte auftreten. Ketten haben eine Neigung, am schwächsten Glied zu brechen. Anders ausgedrückt: es wird diejenige Person dazu tendieren, die Kette zu verlassen, die sich am ehesten als Looser in der Konstellation betrachtet. Ketten erwecken oft Ängste, und das nicht unberechtigt. Denn ein Ende einer Kette kann u.U. nicht mehr wissen, wo die Kette endet. Die Kette wirft zudem das Problem des Schutzes vor Geschlechtskrankheiten auf, welches sich im Rahmen von Ketten meist auch praktisch nicht lösen läßt. Der Stern Ein Stern ist eine Struktur, in der ein Center nicht nur zwei, sondern mehr Zweierbeziehungen, und nicht nur aus einer, sondern drei Triaden besteht. Das Center besteht aus einer sexuell besonders aktiven Person und ihrer mehr als 2 Partner. Der Stern treibt die Grundprobleme der Triade auf die Spitze. So ist eine Person, die 3 Beziehungen unterhält, in insgesamt 3 Triaden eingebunden und in diesen Triaden jeweils Center. Mit jeder weiteren Beziehung treten jeweils mehrere Triaden hinzu, und zwar n Triaden, wobei n für die Anzahl der schon vorhandenen Beziehungen steht. Es gilt auch hier die Regel, daß jede beliebige Sternkonstellation dann stabil ist, wenn alle beteiligten Triaden stabil sind. Die Quintille Eine Quintille besteht aus 3 Personen eines Geschlechts und 2 Personen des anderen Geschlechts. Trotz des geschlechtermäßigen Ungleichgewichts hat eine Quintille eine größere Chance zur Stabilität als eine einzelne isolierte Triade, denn jede beteiligte Person ist in mindestens 2 Paarbeziehungen und mindestens 3 Triaden eingebunden. Die Sternkonstellationen beim minoritären Geschlecht sind terminiert in der Struktur und auch stabiler als eine isolierte Triade. Weitere Formen Spekulativ lassen sich weitere Formen finden, die zumindest unter der Vorraussetzung, daß alle beteiligten Triaden stabil sind, selbst ein bemerkenswertes Maß an Stabilität finden könnten. Hier sind alle Strukturen zu nennen, die sich aus der Kombination von Paaren ergeben könnten ( nach der Quadrille die Sextille und die Oktille), aber auch erweitere Formen der Quintille ( bei ungleichem Zahlenverhältnis zwischen den Geschlechtern), eine Septille z.B. Schlußwort Dieser Aufsatz versteht sich als eine Einladung an alle, an der Entwicklung und Implementierung neuer Modelle sich zu beteiligen.Zwei praktische Vorschläge möchte ich machen: 1. Die Erarbeitung von Fragen und Antworten. Im Internet sind sogenannte FAQs (Frequent asked Questions) zu einer verbreiteten Schriftform geworden. Jeder kann sich mindestens durch das Aufwerfen von Fragen beteiligen. 2. Die Einrichtung eines Arbeitskreises, der versucht, auf der Grundlage von Common Senses Eckpfeiler einer Ethik der Zukunft zu entwickeln. Idealerweise sollte diese neue Ethik nicht in erster Linie aus Verboten ("Du sollst nicht...."), sondern aus Geboten oder Ratschlägen bestehen. Eine den biblischen 10 Geboten vergleichbare Form wäre aber in ihrer Kompaktheit interessant. Pedro Kreye, 7.1.2000