Der Körper als Instrument systemischer Wahrnehmung

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Eigenwilliger Bruder Esel
–der Körper als Instrument systemischer Wahrnehmung.
–
I Das Phänomen „Verkörperung“.
Die in Titel dieses Vortrags benutzte Metapher des „eigenwilligen Bruders Esel“ stammt von
Franz von Assisi, und zeigt seine ungeduldige und verächtliche Einstellung dem Körper
gegenüber. Diese Einstellung hat er mit so unbedingter Radikalität gelebt, daß er selbst
Glaubensbrüder damit erschreckte; und obwohl er sich „Bruder Vogel“ und „Bruder Fisch“
liebevoll zugewandt hat – wie in seiner berühmten Predigt - war es ihm offenbar nicht
gegeben, dem ihm doch am nächsten stehenden „Bruder Esel“ ebenfalls liebevoll zu
begegnen.
Der zeitgenössische Philosoph Ludwig Wittgenstein, ein in Denken und Lebensführung
ähnlich kompromissloser und kühner Geist, notierte zur Frage der Verkörperung Folgendes:
„Wenn einer sagt, „Ich habe einen Körper“, so müßte man ihn fragen: „Wer spricht hier mit
diesem Munde“ (L.Wittgenstein 1997, S. 67)
Die Unterschiedlichkeit dieser Äußerungen zeigt einerseits die Unterschiedlichkeit des
Zeitgeistes, andererseits aber auch die Komplexität des Themas. Denn sicherlich ist es
wahr, daß wir nicht der Körper sind. Aber stimmt das wirklich? - Was bin „ich“ eigentlich ohne
den Körper? - Kann „ich“ das überhaupt wissen, solange ich in „ihm“ bin?
Offene Reflexion des Gewahrseins.
Wenn ich im Folgenden über „Verkörperung“ spreche, möchte ich - vor allem in den zwei
Übungen, die ich ihnen anbieten werde - nicht nur zum Verständnis dieses Phänomens
beitragen, sondern vor allem eine Art „Meditation als leiblich offenes Experimentieren“
(Varela, S.104) anregen. Dies scheint mir die einzig angemessene Vorgehensweise in
Anbetracht unseres „Gegenstandes“, der, wie schon angedeutet, kein Gegenstand im
üblichen Sinn ist.
Dazu nun eine Übung, die ich
Das Paradox der Körperwahrnehmung
genannt habe.
II Der Körper in der Philosophie. (Strapaziös!)
Obwohl es heute etwas häufiger als früher geschieht, so ist es doch insgesamt erstaunlich,
wie selten in der abendländischen Philosophie – soweit ich sie überblicke - der Körper im
Fokus der philosophischen Reflexion steht. So als wäre er „Nebensache“. – Tatsächlich ist er
jedoch, wie Merleau Ponty es formuliert: „meinerseits – diesseits von allem Sehen“. (Merleau
Ponty, 1966; S.117). Er ist also in jeglicher Wahrnehmung von Welt inbegriffen.
Metaphern verschiedenster Qualität.
Die unterschiedliche Beziehung zum Körper, die Menschen in unterschiedlichen Kulturen zu
unterschiedlichen Zeiten gehabt haben, drückt sich durch Metaphern unterschiedlichster
Qualität aus. Der Körper wird beispielweise einerseits als Tempel Gottes, andererseits als
Quelle allen Übels gesehen. – In der christlichen Tradition, und auch in anderen spirituellen
Traditionen hängt ihm gar der Ruch der Sünde an, und der heilige Franz sah ihn offenbar zu
manchen Zeiten als Sitz des Teufels persönlich.
Die Renaissance sowohl als auch die Aufklärung und Klassik des 19. Jahrhunderts haben
dann zu seiner Rehabilitierung beigetragen; und schließlich hat die moderne analytisch
orientierte Psychotherapie die triebhaften Regungen des Körpers als Teil seelischer
Gesundheit legitimiert. In neueren therapeutischen Richtungen gilt er als ein Sitz „innerer
Weisheit“.
In schulmedizinischen Kreisen dagegen betrachtet man ihn teilweise als eine Art chemische
Fabrik, von der man einen dem input entsprechenden output erwartet; oder auch als
Maschine, die entsprechend gewartet und repariert werden kann und muß.
Was jedoch fast alle Mitglieder der „Gemeinschaft derer, die im Körper sind“(Leonard
Orr) – unabhängig von ihrer Einstellung – verbindet, ist die Angst, ihn zu verlieren. Er
scheint doch ein sehr wesentlicher Teil von uns zu sein!
Merleau Ponty: Das „Ineinander“ von Welt, Körper und Ich.
Aus diesem Grunde ist es – wie schon gesagt – erstaunlich, daß die Philosophie sich, in all
den Jahrhunderten, nicht viel häufiger mit dem Phänomen Körper beschäftigt hat. Da ist viel
von Geist und Natur, und dem scheinbaren oder tatsächlichen Gegensatz, oder der Einheit
zwischen ihnen die Rede. Viel seltener aber vom Körper, obwohl er doch die leibhaftige
„Schnittstelle“ zwischen beidem ist, und außerdem die unabdingbare Basis unserer Existenz.
Kant hat mit seiner Lehre von den Kategorien, durch die unsere Erkenntnismöglichkeiten
apriori begrenzt sind, zwar implizit auf diese Tatsachen hingewiesen, das Kind aber nicht
ganz beim Namen genannt. Nietzsche macht die Rolle des Körpers zwar immer wieder zum
Thema, aber erst der zeitgenössische Philosoph Otto Apel spricht von einem „Leib-apriori
der Erkenntnis“. Damit findet er jedoch wenig Widerhall. Sehr viel weniger jedenfalls, als
diejenigen, die zum Beispiel die Sprache als Basis unserer Wirklichkeit in den Blick nehmen,
wie etwa Wittgenstein oder Heidegger.
Der französische Philosoph Mereleau Ponty jedoch, der der phänomenologischen Richtung
angehört, widmet diesem „Leib-apriori“ volle Aufmerksamkeit. Er weist darauf hin, daß die
äußere Wahrnehmung und die Wahrnehmung des eigenen Leibes, wie zwei Seiten ein und
desselben Aktes, eng mit einander verbunden sind. Er sagt: „Ding und Welt sind mir
gegeben mit den Teilen meines Leibes“ (Merleau Ponty, 1966, S. 241). Und weiter „Das
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Subjekt, das ich bin, ist untrennbar von diesem Körper hier und von dieser Welt hier“.
(Merleau Ponty, 1945. S. 467). In der Ausdrucksweise des Phänomenologen Edmund
Husserl, den Merleau Ponty eingehend studiert hat, kann man von einem „Ineinander“ von
Welt, Körper und Ich sprechen.
Das heißt: Wir sind aus Merleau Pontys Sicht, mit den Dingen, und dadurch mit der Welt, auf
ähnliche Weise verbunden – oder unterschieden – wie wir mit den Teilen unseres Körpers
verbunden oder von ihnen unterschieden sind. Die Art der Verknüpfung mit der Welt ist
gleich zwingend und existenziell, wie die der Verknüpfung der Teile unseres Körpers zu
„meinem Körper“.
Mit dieser Einsicht führt Merleau Ponty das von Kant begonnene Nachdenken über die
Begrenzung unseres Wahrnehmungs- und Erkenntnisvermögens weiter, von der allerdings
schon Kant wußte, daß diese Begrenzung die Wahrnehmung eines Welt-Zusammenhanges
überhaupt erst ermöglicht. Er fand dazu eine treffende Metapher: „Die leichte Taube, indem
sie in freiem Fluge die Luft teilt, deren Widerstand sie fühlt, könnte die Vorstellung fassen,
daß es ihr im luftleeren Raum noch viel besser gelingen werde“. (Zit. nach Merleau Ponty
1966, S. IX)
Kant ging also den ersten Schritt auf einem Weg der Erkenntnis, der, ins Extrem verfolgt, im
Solipsismus endet. In einer solipsistischen Welt würden die Menschen einsam und ohne
Hoffnung auf Verständigung, in einer Glocke selbst „erfundener“ Wirklichkeit leben. Dies
widerspricht jedoch der allgemeinen Erfahrung, in der die Möglichkeiten zur „Dekonstruktion“
oder „Neukonstruktion“ von Wirklichkeit immer wieder an Grenzen stößt. Deshalb wird einem
„radikaler Konstruktivismus“ auch der Vorwurf gemacht, diesem irrigen Konzept des
Solipsimus anzuhängen.
In der Philosophie gab es also verschiedenste Versuche, den Vorgang der Welt-Erfahrung,
oder des Findens oder Erfindens von Welt zu erfassen; und wir Therapeuten sind aus ganz
praktischen Gründen ebenfalls an dieser Frage interessiert.
Merleau Ponty´s Sicht.
Merleau Ponty leistet dazu einen entscheidenden Beitrag, der auch die
psychotherapeutische Fachdiskussion über Konstruktivismus und Phänomenologie
bereichern kann.
Bezüglich der
a. Welt-Erfahrung
ist er zwar einerseits der Meinung “daß eine wahre und exakte Welt in der Wahrnehmung
erst entspringt“ und geht darin mit den Konstruktivisten konform. Andererseits betont er
jedoch die Unterschiedenheit und den Abstand zwischen Welt und Ich: „konstituierte
(konstruierte!) mein Bewußtsein aktuell die von ihm wahrgenommene Welt (vollständig), so
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gäbe es zwischen ihm und der Welt keinerlei Abstand und keinerlei mögliche Abweichung.
Das Bewußtsein durchdränge die Welt bis in ihre geheimsten Verästelungen, ... und in eins
verlöre das Wahrgenommene seine Gegenwartsdichte ..... Doch sind wir uns im Gegenteil
der Unerschöpflichkeit des Gegenstandes (das heißt: der Nicht-Erfaßbarkeit und NichtBeherrschbarkeit von Welt) bewußt (ebd. S. 77).
Und weiter: „Wollte ich .... die Wahrnehmungserfahrung in aller Strenge zum Ausdruck
bringen, so müßte ich sagen, daß man in mir wahrnimmt, nicht, daß ich wahrnehme“. (Ebd.
S. 253). Hier vertritt Merleau Ponty deutlich die phänomenologische Position.
b. Leib-Erfahrung
Merleau Ponty setzt seine Sicht von der Descartschen Sicht ab: Diser sah den Körper als
Summe von Teilen ohne Inneres, die Seele als ganz sich selbst gegenwärtiges Sein ohne
Abstand. Leib und Seele sind bei ihm scharf getrennt. - Das Wort „existieren" im
Descarteschen Sinn bedeutet: Existenz entweder als ausgedehntes Ding (res extensa)
oder als Bewußtsein (res cogitans). Es also ist eindeutig.
Merleau Ponty dagegen sagt: die Erfahrung des eigenen Leibes enthüllt uns eine Weise des
Existierens, die zweideutig ist. Er ist sowohl ein Ding, als auch Bewußtsein. - Die Funktionen
des Leibes wie Sehen, Motorik und Geschlechtlichkeit sind „untereinander und mit der
Außenwelt nicht durch Kausalbezüge verknüpft“, sondern verschlingen sich „auf verworrene
und implizite Weise („ineinander“)...... in ein einziges Drama ..... Der Leib ist also kein
Gegenstand, .....mein Bewußtsein meines Leibes kein Denken. ( Ebd. S. 234)
Und schließlich: „Empfindung (Wahrnehmung) ist buchstäblich eine Kommunion. Ich erfahre
die Empfindung als Modalität einer allgemeinen Existenz, ........ die mich durchdringt, ohne
daß ich ihr Urheber wäre.“ (Ebd. S. 249). Wiederum, bei manchen Gemeinsamkeiten, eine
deutliche Abgrenzung gegen die konstruktivistische Sicht.
Spätestens hier wird klar, daß Merleau Pontys Sichtweise geeignet ist, Erfahrungen, die in
der Aufstellungsarbeit gemacht werden, philosophisch zu fundieren.
III Zugang zu einer verbindlich wirkenden Wahrheit.
Was Merleau Ponty hier unternimmt ist eine Rückgewinnung der Möglichkeit, Wahrheit
zu erkennen, die durch Kant, und später noch schärfer durch den uns immer wieder
beschäftigenden Konstruktivismus in Frage gestellt wurde. Indem Merleau Ponty nun nicht
nur auf die mentalen, sondern auf die psycho-physische Grundlagen unserer Existenz
zurückgeht, gewinnt er einen Zugang zu einer für alle menschlich verkörperten Wesen
verbindlichen Wahrheit oder Wirk-lichkeit. Eine Wahrheit dieser Art ist die BezeihungsWirklichkeit, wie sie sich im Familien-Stellen zeigt: keine „absolute“, sondern eine in den
Kontext von „Verkörperung“ eingebettete Wahrheit.
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Auch in der Geschichte der Philosophie gibt es also dieses „Ineinander“ von erfundener und
gefundener Wirklichkeit, das wir auch aus der Therapiegeschichte der letzten Jahrzehnte
kennen.
Schau
In anderen Passagen beschreibt Merleau Ponty die Qualität von Wahrnehmung, die der
Wahrheitsfindung dient: „Auf dem Grunde einer Natur, die ich mit dem Sein gemein habe, bin
ich fähig, in bestimmten Augenblicken des Seins einen Sinn zu entdecken, ohne ihn ihnen (!)
selbst ..... erst verliehen zu haben“ (S. 254).
Ähnlich wie Bert Hellinger das blitzartige Erkennen von Beziehungswirklichkeit oder
Ordnung als zeitgebunden sieht, so betont Merleau Ponty hier die Zeitgebundenheit von
Sinn.
Und weiter: „In der Wahrnehmung denken wir nicht den Gegenstand, und denken uns nicht
als ihn denkend“ .... sondern in einer „Urschicht des Empfindens, in die man zurückfindet,
wenn man wahrhaft mit dem Akt der Wahrnehmung koinzidiert und von jeder kritischen
Einstellung sich löst, gehe ich in der Einheit des Subjektes und in der intersensorischen
Einheit des Dinges erlebend auf, ich denke sie nicht, wie reflexive Analyse und Wissenschaft
es tun“. (Ebd. S. 279).
Dies scheint mir eine exakte Beschreibung des von Bert Hellinger für die Aufstellungsarbeit
wesentlichen Zustandes der „Schau“ zu sein.
IV Kritik durch Varela. – Familien-Stellen als „praktische Philosophie“.
Der oben schon erwähnte Francisco Varela hält diese Sicht Merleau Pontys für ein großes
Verdienst, hat aber gleichzeitig eine Kritik, die in unserem Zusammenhang relevant ist. Er
weist darauf hin, daß auch Merleau Ponty – bedauerlicher Weise - nur einen Diskurs über
Erfahrung, ohne begleitende Praxis, anbietet. Damit bleibt er in der abendländischen
Tradition, in der immer das abstrakte Argument im Vordergrund steht. Denn nur dies ist
Wissenschaft; das heißt: nur in dieser abstrakten, „gepanzerten“ Form werden Erkenntnisse
ernst genommen. So hat auch Merleau Ponty seine eigene Praxis des
wahrnehmungsunmittelbaren Philosophierens nicht in größerem Umfang weitergegeben
(Varela, 1994; S.88) Varela beklagt, daß durch diesen in der akademischen Welt üblichen
Mangel bei vielen der Glaube an den Sinn von Philosophie verloren gegangen sei.
Dadurch hätte – so fährt er fort - „die analytische Theorie und Praxis mehr Einfluß auf unsere
spontane Vorstellung von Geist genommen, als jeder andere kulturelle Faktor“. Denn sie ist
diesem Bedürfnis nach erfahrbarer Praxis nachgekommen, und weite Kreise der
„nordamerikanischen und europäischen Mittelklasse sind heute der Überzeugung, daß sie
ein genetisch und symbolisch primitiv ausgestattetes Unbewußtes haben“. (Ebd. 89), wie es
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im analytischen Prozess erfahrbar wird. „..Den Geist „von innen“ kennen (heißt für sie), ....
mit Hilfe der einen oder anderen psychoanalytischen Methoden ins Unbewußte
einzudringen“. (Ebd. 89). Aus dieser Sicht sind die Triebe Sexualität und Aggression die
beherrschenden inneren Instanzen des Menschen – Man sollte den Einfluß dieser vulgäranalytisch verkürzenden Sichtweise vielleicht nicht überschätzen. Ich vermute jedoch, daß er
zu mindesten einer der Faktoren ist, die hinter der Zunahme von Brutalität und Gewalt in der
heutigen Zeit stehen.
Varela verweist dann auf „buddhistische Methoden der Erfahrungsprüfung“ (Ebd. 89), die
diesen im Westen herrschenden Mangel an philosophischer Praxis abhelfen können indem
sie eine andere Seite des Geistes der unmittelbaren Erfahrung zugänglich machen.
Außerdem wird – seiner Meinung nach - die buddhistische Lehre vom „Nicht-Selbst“ von
Erkenntnissen der modernen Kognitionsforschung bestätigt.
Für alle, die mit dem Familien-Stellen vertraut sind, mag schon klar geworden sein, daß
diese Methode ebenfalls Erfahrungen vermittelt, die - auf ihre Weise - diese „andere Seite
des Geistes“ und das „Nicht-Selbst“ in den Blick rücken. Die „Ordnungen der Liebe“
scheinen mir ein Äquivalent für „die andere Seite des Geistes“, und die „große Seele“ ein
Äquivalent für das „Nicht-Selbst“ zu sein, wie sich diese Phänomene im Rahmen des
Familien-Stellens zeigen, und (das ist besonders wichtig) - unmittelbar erfahren werden
können.
Im Prozess einer Aufstellung gewinnen wir Einsichten in eine uns allen gemeinsame Instanz,
die neben den Überlebens-Trieben des Einzelnen, einen „Beziehungs- oder Ordnungs-Sinn“
zur Geltung bringt, und die Würde aller im Blick hat. „Eine gute Lösung ist für alle gut“ (Bert
Hellinger)
Dadurch tritt die im psyschoanalytischen Raum im Vordergrund stehende Triebsphäre
zurück, und auch Konzepte wie „Individualität“ und „Selbstverwirklichung“ werden relativiert
angesichts der Kraft des unbestechlich sich durchsetzenden Familien- oder
Sippengewissens.
Dem in Bälde erscheinenden Buch von Marianne Franke über „systemisches Denken und
Handeln in der Schule“ ist zu entnehmen, wie die „Wirk-lichkeit“ dieses Sippengewissens
gerade in der Arbeit mit Halbwüchsigen, die von Therapie keinerlei Ahnung haben, deutlich
wird.
Und trotz einer allgemein zunehmenden Roheit und Gewalttätigkeit des Zusammenlebens ist
es immer wieder erstaunlich und bewegend, wie sich, auch in Gruppen mit Erwachsenen,
eine Atmosphäre gegenseitiger Achtung verbreitet, die von den meisten empfunden, dankbar
aufgenommen und mit getragen wird.
Die Beziehungsordnung als Teil einer „anderen Seite des Geistes“ ist offenbar auf einer
elementaren Ebene in uns angelegt.
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V Familienstellen und Körper
Wie schon angedeutet spielt bei der Entwicklung und Anwendung dieser Methode die
Körperwahrnehmung eine entscheidende Rolle. Die „andere Seite des Geistes“ spricht also
– wenn man zu hören versteht - durch den Körper zu uns.
Dazu eine Geschichte
Der „eigenwilliger Bruder Esel“ und „Bileams Eselin“.
Das von Franz von Assisi benutzte Bild des Reittieres ist eine immer wieder vorkommende
Metapher, die die vielschichtige Beziehung zwischen Ich und Körper in vieler Hinsicht
treffend wiedergibt. - Wie die Vita des Heiligen berichtet, mußte er die Eigenwilligkeit seines
„Bruders Esel“ wieder und wieder erfahren; und es war ihm nicht gegeben, die hinter dieser
Eigenwilligkeit stehende Weisheit zu erkennen: „Bruder Esel“ brach unter der wütenden
Strenge seines Herrn in relativ jungen Jahren zusammen.
Anders ging es dem altestamentarischen Bileam, dem seine Eselin das Leben rettete, da sie
den Engel wahrnahm, der ihm den Weg versperrte, um ihn vor der Strafe des Herrn zu
warnen. Allerdings bedurfte es einer Intervention von höchster Stelle, bis er die hinter dem
Eigensinn seiner Eselin stehende Weisheit erkennen konnte. Denn er war der tödlichen
Gefahr gegenüber blind, bis die Eselin zu sprechen anfing und der Herr ihm die Augen
öffnete, so daß auch er den warnenden Engel wahrnahm, der zu ihn sprach: “Warum hast du
deine Eselin nun schon dreimal geschlagen? ..... Ich selbst habe mich dir entgegenstellt, weil
du auf einem verkehrten Wege bist. Aber deine Eselin hat mich gesehen, und ist dreimal vor
mir ausgewichen. Du verdankst ihr dein Leben, denn wenn du weiter geritten wärest, hätte
ich dich getötet“.
Diese biblische Geschichte, auf die Bert Hellinger in einem seiner Vorträge hinwies, kann als
Sinnbild systemischer Körperwahrnehmung genommen werden.
Der Körper als Instrument systemischer Wahrnehmung.
In Anbetracht der zentralen Rolle der Körperwahrnehmung in dieser Methode könnte man
das Familien-Stellen zu den „körperorientierten“ Therapien rechnen. Sie unterscheidet sich
jedoch in wesentlichen Punkten von den körperorientierten Methoden im üblichen Sinne,
seien sie nun „abreaktiv“ (wie z.B. die Bioenergetik) oder „konzentrativ“ (wie z.B. die
Feldenkraismethode). In ihnen gilt der Körper als Speicher früher Erinnerungen oder als
Repräsentant einer „inneren Weisheit“, die den Weg zur Gesundung zeigt. - Im Familien Stellen erweist sich der Körper als „Instrument systemischer Wahrnehmung“. Das heißt: der
Körper ist nicht nur „innere Weisheit“ bezüglich der eigen Person, sondern auch Instrument
der Wahrnehmung von Beziehungsordnungen, in die wir alle eingebunden sind.
Wer die Anfangsstadien des Familien-Stellens in dem unvergeßlichen Gruppenraum im
Dachgeschoß der Pension Seerose (bei der unvergesslichen Frau Kukla) erlebt hat, wird
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sich erinnern, wie genau sich Bert Hellinger damals an die Körperwahrnehmung der
Stellvertreter hielt, ehe er die dahinter stehende Ordnungsstrukturen erkannte, und den
heutigen, oft sehr viel schneller zur Lösung führenden Stil entwickelt hat, bei dem die
Interventionen des Leiters so viel wichtiger geworden sind. - Wenn Bert Hellinger in
allerneuester Zeit die Stellvertreter in manchen Fällen allein ihrem Körper als Quelle der
Intuition folgen läßt, ohne zu intervenieren, so kommt er damit auf die Anfänge zurück.
Parallelen zwischen systemischer und buddhistischer Sicht.
Wir haben weiter oben Parallelen zwischen buddhistischer und systemischer Sicht
festgestellt. Eine methodische Parallele kann man in der starken Einbeziehung der
Körperwahrnehmung in den meditativen Prozess sehen. Denn auch die buddhistische AtemMeditation geht – so könnte man sagen - den Weg zu spirituellen Erfahrung über den
Körper.
In diesem Sinne biete ich Ihnen nun eine Übung zu an, die ich in Aufstellungsgruppen
verwende.
VI Der Körper als Repräsentant einer natürlichen Ordnung.
Ich fasse nun zusammen:
Es wurde erwähnt, daß der Körper aus der christlich-kirchlichen Sicht, so wie sie das
Mittelalter bestimmte, ein Sitz der Sünde oder gar der Teufel selbst gewesen ist.
Die Philosophie hat das Phänomen „Verkörperung“ über Jahrhunderte kaum, in neuerer Zeit
jedoch zunehmend mehr beachtet.
Die Psychoanalyse legitimierte dann die im Körper verankerte Triebhaftigkeit als
lebenerhaltend, und als Element geistiger Gesundheit. Die humanistische Psychologie
anerkennt ihn als Speicher von Erinnerungen und als innere Weisheit. Die
konstruktivistisch-systemischen Methoden ist er der „Sensor“, die Quelle der Inuition, oder
ein „Partner mit unverhandelbaren Bedingungen“, wie Gunther Schmidt es formuliert hat;
und in der phänomenologisch-systemischen Psychotherapie ist er ein wichtiges „Instrument
systemischer Wahrnehmung“.
Parallel dazu haben wir in der Philosophie durch Merleau Ponty das „Ineinander“ von Welt,
Körper und Ich kennengelernt.
Der zeitgenössische Philosoph Gernot Böhme macht uns auf einen anderen Aspekt des
Phänomens der Verkörperung aufmerksam: er bezeichnet den Körper als „Natur, die wir
selbst sind“. (Böhme, Suhrkamp, S.77 ff) - Verwandte Gedanken klingen bei Merleau Ponty
an, zum Beispiel in Sätzen wie diesem: „Der eigene Leib ist in der Welt, wie das Herz im
Organismus“ (Merleau Ponty 1966, S. 239).
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Bert Hellinger hat in einem Interview, in dem er über „Ordnung“ befragt wurde, ebenfalls auf
diesen Aspekt hingewiesen: „Ordnung ist etwas Vorgegebenes. Ein Baum z. B. entfaltet sich
nach einer Ordnung. Er kann aus dieser Ordnung nicht herausfallen, sonst wäre er kein
Baum mehr. So entwickelt sich auch der Mensch nach einer Ordnung. Diese Ordnung ist uns
vorgegeben.“ (Praxis der System-Aufstellung, 2/98, S. 12)
Schluß
Aus der Sicht des Familien-Stellens erweist sich der Körper also auch als Repräsentant
einer natürlichen Ordnung, der Menschen Tiere und Pflanzen gleichermaßen unterworfen
sind. – Damit ist er gleichzeitig Wahrnehmungs-Instrument und Repräsentant des
Wahrgenommenen. Das heißt: in der Beziehung zum Köper wird die Grundstruktur
menschlicher Existenz erfahrbar: er ist der Beobachter, von dem das Beobachtete nicht
getrennt werden kann; und was ist der Körper, was ist der Beobachter, was ist dieses
Beobachtete ohne – mich? Durch das Familien-Stellen erleben wir hautnah, daß unser Körper keine in sich
abgegrenzte Einheit, sondern eng in einen überpersönlichen Lebensprozesses
eingebunden ist. Auf der anderen Seite bleibt jedoch die Erfahrung der Vereinzelung
innerhalb der Grenzen der eigenen Haut bestehen. Sie fordert uns zu einer persönlichen
Antwort auf unser Schicksal heraus. – In der Verkörperung erleben wir also das
überpersönliche Eingebunden-Sein gleichzeitig mit der Aufgabe, den persönlichen
Lebensweg zu finden, auf ihm weiterzugehen, und die Konsequenz unsere Handlungen zu
tragen – so lange eben, als wir der „Gemeinschaft derer, die im Körper sind“ angehören.
Dies scheint mir ein Thema zu sein, mit dem es sich – in einer „offenen Reflexion des
Gewahrseins“ – über längere Zeit zu beschäftigen lohnt.
Literatur
Gernot Böhme; Natürlich Natur. Über Natur im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit Edition
Suhrkamp NF680
Maurice Merleau Ponty, Phänomenologie der Wahrnehmung,; de Gruyter, Bln.1966.
Ds. Frz. Ausg: Phènomènologie de la Perception, Gallimare, Paris 1945
Francisco Varela, Ethisches Können; Campus, Frkft./NY 1994
Ludwig Wittgenstein: Über Gewissheit, Bibliothek Suhrkamp; 9.Aufl.1997,
Zusammenfassung
Unterschiedliche Beziehungen zum Körper zu verschiedenen Zeiten und Kulturen..
Das Phänomen der „Verkörperung“ in der Philosophie.
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Merleau Ponty Sicht eines „Ineinander“ von Ich, Körper und Welt als mögliche
philosophische Fundierung des Familien-Stellens.
Beziehungs-Wirklichkeit als - in den Kontext von „Verkörperung“ eingebettete - Wahrheit.
Varelas Kritik des Mangels einer „Praxis des wahrnehmungsunmittelbaren Philosophierens“
in der westlichen Tradition und sein Hinweis auf östliche Praxis.
Familien-Stellen als Erfahrungshintergrund philosophischer und spiritueller Einsicht: die
Beziehungsordnung als Teil der „anderen Seite des Geistes“.
Die „Körperorientierung“ des Familien-Stellens: Der Körper als „Instrument systemischer
Wahrnehmung“. Parallelen zwischen systemischer und buddhistischer Sicht.
Der Körper als „Repräsentant einer natürlichen Ordnung“. Verkörperung als
„Wechselwirkungswirklichkeit“ von Beobachter und Beobachtetem
Das Ineinander von überpersönlichem „Eingebunden-Sein“ und persönlicher
Lebensaufgabe.
Abstract
„Eigenwilliger Bruder Esel“ - der Körper als Instrument systemischer Wahrnehmung.
Die Metapher des „eigenwilligen Bruders“ stammt von Franz von Assisi, und zeigt seine ungeduldige, abschätzigverächtliche Einstellung dem Körper gegenüber; die er mit unbedingter, auch manche seiner Glaubensbrüder erschreckenden,
Radikalität gelebt hat.
Ein zeitgenössischer Philosoph namens Ludwig Wittgenstein dagegen notiert zur Frage der Verkörperung Folgendes:„Wenn
einer sagt, „Ich habe einen Körper“, so müßte man ihn fragen: Wer spricht hier mit diesem Munde“ - Die Unterschiedlichkeit
dieser Äußerungen zeigt einerseits den Wandel des Zeitgeistes, andererseits die KoMerleau Pontylexität des Themas. - In
früheren Jahrhunderten wurde das Phänomen der Verkörperung – entsprechend der körperfeindlichen Einstellung der Kirche
– auch von der Philosophie eher stiefmütterlich behandelt. – Bei einigen moderneren Philosophen wie z.B. Friedrich
Nietzsche jedoch gewinnt dieses Thema an Gewicht, und der zeitgenössische Philosoph Gernot Böhme spricht vom Körper
als „Natur, die wir selbst sind“, Otto Apel von einem „Leibapriori der Erkenntnis“, und Merleau-Ponty – auf den ich vor
allem eingehe – von einem „Ineinander" von Welt, Körper und Ich“. - In dem von Bert Hellinger entwickelte FamilienStellen erfahren wir hautnah und konkret, daß der Körper mit - über das Individuum hinausgehenden - archaischen
Ordnungsstrukturen verbunden ist.
Dies zeigt, daß wir - als verkörperte Wesen - keine abgeschlossenen Individuen, sondern Teile eines größeren
Zusammenhanges sind, den Bert Hellinger „die große Seele“ nennt.
Kladde
- Aber kann man eigentlich so sagen? Kann man diese beiden Phänomene auf diese Weise
trennen? - Sollte uns die Einsicht in das „Ineinander“ von Geist, Seele und Körper, dem wir
immer wieder auf die Spur kamen, nicht eine andere Ausdrucksweise nahelegen?
Man wird wohl - trotz des erkennbaren „Ineinander“ – im sprachlichen Ausdruck weiterhin auf
diese Trennung angewiesen bleiben. Gleichzeitig kann man sich jedoch bewußt sein, daß es
Bereiche gibt, die die Sprache nicht, oder nur bedingt erreicht. Sie kann Erfahrung nicht
ersetzen, aber in glücklichen Momenten kann sie Erfahrung vermitteln
Abschließen möchte ich nun mit einer Geschichte, die ich in Gruppen meist dann erzähle,
wenn aus irgend einem besonders tragischen Schicksal heraus Sinn und Wert des
menschlichen Lebens in Frage gestellt werden
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Buddha und Schildkröte
Buddha, der vielen als der große Welt-Verneiner gilt, wurde eines Tages von einem seiner
Schüler befragt: „Meister sage uns, wie groß ist der Wert des Lebens?“
Der Meister antwortete: „In der unendlichen Weite des Ozeans schwimmt ein Ochsenjoch
und – ab- und immer wieder auftauchend - auch eine Schildkröte. – So gering nun die
Wahrscheinlichkeit ist, daß´die Schildkröte, wenn sie auftaucht, ihren Kopf durch eben
dieses Joch streckt, so groß ist der Wert des Lebens.
Die Erweiterung phänomenologischer Einsichten durch die Erfahrungen des FamilienStellens.
Über Körperwahrnehmung wurde nun schon Manches gesagt. Wir haben mit Merleau Ponty
gesehen, daß sowohl unsere Welt-Erfahrung als auch unsere „Selbst-Erfahrung“ im Modus
des „Ineinander“ aufs engste mit der Erfahrung des eigenen Körpers verknüpft ist.
Auch die Fähigkeit zu einer Schau wesentlicher Bezüge hat Merleau Ponty in engen Bezug
zu einer verkörperten Existenz gesetzt.
Dazu kommt nun, daß sich im Familienstellen eine im Körper vorhandene Fähigkeit zeigt, die
Beziehungs-Wirklichkeit eines Familiensystems stellvertretend für Andere wahrzunehmen.
Durch diese aus der unmittelbaren Erfahrung stammenden Einsichten werden die Einsichten
Merleau Ponty´s über die Rolle des Körpers erweitert. Da er die Erkenntnisse der
Psychoanalyse in sein Philosophieren einbezog, könnte man spekulieren, wie sich die
Erkenntnisse des Familien-Stellen in seinem Werk niedergeschlagen hätte.
Kladde 2.
Angemessene Metaphern
Es sind wiederum Metaphern, wenn wir sagen, wir seien über den Körper mit einer „archaischen
Beziehungsordnung“ verbunden, und somit Teil eines „wissenden Feldes“.
Auch das Wort „Schau“ für eine Erfahrung, die die Aufstellung leitende Person macht, indem sie sich
– neben ihrer Erfahrung - auf eine stark mit dem Körpergefühl gekoppelte Intuition verläßt ist eine
Metapher, da diese Erfahrung keineswegs nur mit dem Gesichts-Sinn zu tun hat, sondern – je nach
Disposition – ebenso mit dem Körpergefühl.
Zitat: 108 vielmehr bin ich auch nur ein Ort, an dem sich mannigfaltige Kausalitäten kreuzen.
Mit seiner Kategorienlehre (Raum, Zeit und die anderen Kategorien) wendet sich Kant gegen die
Möglichkeit einer „Ideenschau“, wie sie – aus seiner Sicht - von Plato vertreten wird. Er erklärt das
„Ding an sich“ – wie er die platonische Idee nennt – für dem menschlichen Erkenntnisvermögen
unzugänglich.
280 Mein Leib ergreift Besitz von der Zeit und läßt für eine Gegenwart Vergangenheit und Zukunft da
sein; er ist kein Ding, denn er vollbringt die Zeit statt ihr zu unterliegen.
401 Die Welt, die ich habe, ist ein unvollendetes Individuum, und ich habe sie durch meinen Leib
hindurch, der das Vermögen dieser Welt ist
Existenz außerhalb des Körpers? Ex?
Eng mit der Möglichkeit verschiedenster Sichtweisen und Metaphern verbunden ist die Frage, ob es
eine Existenz außerhalb des Körpers gibt, beziehungsweise, ob eine derartige Existenz – wenn es sie
gibt – als „menschlich“ bezeichnet werden kann. Von „radikalen Konsruktivisten“ wird sogar – wie
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wir wissen – angezweifelt, daß es Existierendes gibt, das unabhängig vom Wahrgenommen-werden
durch einen menschlichen Körper existiert.
Diese Sicht iMerleau Pontylizit ist ein vom Körper unabhängiges Bewußtsein, das sich seine Welt
einschließlich des Körpers erschafft. Wobei man – wie Gerhard Roth zeigt – sich in der Paradoxie von
„realen Gehirn“verfängt, die der Sachen, die sie zu lösen verspricht, nur eine weitere ParadoxieSchleife hinzufügt. (Erklären oder ex?)
Andererseits ist die Sicht einer körperunabhängigen Existenz – die meist als die „höhere“ angesehen
wird – nicht nur der christlichen, sondern auch vielen (wenn nicht sogar allen) anderen Religionen
eigen, während die moderne Naturwissenschaft dieser Frage ausweicht, oder sie verneint, je nach
Welt-Sicht des Wissenschaftlers.
Man muß sie also durch eine Glaubensüberzeugung entscheiden oder für unentscheidbar erklären.
Ich persönlich neige zu letzterem.
Out-of body experiences? Ex?
Fraglich, was sie wirklich aussagen. Sie vermitteln die Überzeugung eines Weiterlebens.
Die Wirkung der Toten Ex?
Ob, die, die im Kö sind für die Kö-losen etwas tun können? Oder ob es reine Projektionen sind? Jung
dazu. - Offensichtlich gehören sie zum System, zur Beziehungswirklichkeit.
Wer bin ich? Bin ich die Etern, wie unter anderen die Buddhisten sagen.
Die Rolle der Toten im Familien-Stellen nach Bert Hellinger ist zwar zu einer wichtigen Frage
geworden aber nur indirekt Thema, spielt allerdings herein.
Thema ist: Der Körper als Instrument systemischer Wahrnehmung.
Thema ist also der lebendige Körper.
Konzept
I Körper, Ich, Du Wir, Ihr und Welt: Das Phänomen „Verkörperung“.
Einleitung:Varela: offene Reflexion.
Übung
1. Der Körper in der Philosophie.
2. Das Ineinander von Welt, Körper und Ich. Merleau Ponty: Der Körper als Basis
(Fundierung)
..................als Horizont
..................als Standpunkt
Wahrnehmung im Modus des „Man“.
II Der Körper als Instrument systemischer (arachischer) Wahrnehmung
a. Körperwahrnehmung
Ich-bin und Welt (Modus des Man)
Ich-bin und Ich-bin (innere Familie)
Ich-bin und Du-bist (Partner) Körper als Sensor
Ich-bin und Wir-sind (Familie) Körper und Wahrnehmung der Beziehungsordnung
Ich-bin und ihr-seid (die Andern): WN stellvertretend für sich und für Fremde (archaische WN)
2. Familienstellen und Körper
Die „Körperorientierung“ des Familien-Stellens
II a Übung
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3. Systemisches Verständnis.
Kö als Natur
Körper als Ort des Ich-bin
Kladde
Vermeiden einer Abstrakten Einstellung
Varela EK 95 „erstes Ergebnis ist die einschneidende Vergegenwärtigung der Kluft, die sich im Alltag
zwischen dem Menschen und seiner eigene Erfahrung auftut. In der abstrakten Einsstellung, die (selbst
phänomenologisch orientierte Philosophen wie)Heidegger und Merleau Ponty für ein Kennzeichen von
Wissenschaft und Philosophie hielten, erkennt der meditierende die Einstellung des täglichen lebens
wieder, wenn wir uns nicht gewahr sind....Die abstrakte Einstellung ist der Raumanzug, die Polsterung
der Gewohnheiten und vorgefaßten Meinungen, der Panzer, mittels dessen wir uns normalerweise von
unserer Erfahrung distanzieren“. Wir wollen versuchen diesen Panzer -- wenigstens zeitweise – abzulegen,
und ich bin sehr gespannt, ob uns dies gelingen wird.
98 Wandel der Reflexionsweise, weg von der abstrakten, unkörperlichen Refkexion, hin zu einer verleiblichten
(gewahrenden) offenen Reflexion. Unter “verleiblicht“ verstehe ich eine Reflexionsweise, bei der Körper und
Geist zusammengeführt werden und die dem unmittelbaren Bewältigunsverhalten näher steht als dem
propositionalen Wissen.
Damit soll ausgedrückt werden, daß es dabei weniger um Reflexion über Erfahrung, als vielmehr um Reflexion
als eine konkrete Form der Erfahrung geht – und diese reflexive Form von Erfahrung kann durch Gewahrsein
und Wachheit erreicht werden. Wenn Reflexion auf diese Weise vollzogen wird, kann sie die gewohnten
Meinungen und vorgefaßten Denkmuster durchbrechen, und wird zu einem endlosen Prozess, der uns
Möglichkeiten jenseits der aktuellen Repräsentationen unseres Lebensraumes eröffnet. ...offene reflexion des
Gewahrseins
Phönomenologisch = erfahrbar?
Tote gehören dazu, sie werden erfahren.
Was ist Erfahrung? „Nur“ sinnlich?
Abwertung der Sinne berchtigt? Entwicklung eines Sinnes..Verschärfung der
Sinne.
Körper Gefängnis oder kostbares Instrument, TeMerleau Pontyel,Geschöpf.
Sprache „verdunkelung des Geistes“ (Wittgenstein) oder
Gernot Böhme: Anthopologie in pragmatischer Hinsicht.Darmstädter Vorlesungen Fkft.M. 1985
123 Wenn wir nun das „seelische“ suchen im Gegensatz zum Leiblichen, so stellen wir fest, daß es leiblich
erfahren wird.
Ds.: Natürlich Natur. Über Natur im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit Edition SuhrkaMerleau Ponty
NF680
77 Leibphilosophie spielt im gegenwärtigen philosophischen Rahmen kaum eine Rolle, obwohl –seit Nietzsche –
mehrere Leibphilo geschaffen (MERLEAU PONTY,Plessner,Schmitz, sartre..Nur Sinnzitat!.....menschlicher
Leib ist auffällig geworden ...............als Natur.
83 das mir der betroffenheit
84 ansatz zu einer besonderen weise der naturerkenntnis.........Selbsstsein im natursein.....mir fällt das atmen
schwer....griech Medium.
89 körpeer eigensinn........reitbares tier
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91 daß die weise, in der wir unsere natur selbst sind, in hohem maße durch entfremdung und
selbstvergessenheit, durch selbstausbeutung und unsicherheit gekennzeichnet sind....
92 änderungen unseres naturverhältnisses hätten gerade hier anzusetzen......wissen vom eigenen leibe, in der
weise, wiewir ihn selbst sind, erst zu entfalten......anerkennen, daß im eigensinn des leibes die veräußerlichte
eigene natur tätig ist...partnerschaft
B. nennt verschieden Leibphilosophen!
Natürlich Natur. Über Natur im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit Edition SuhrkaMerleau Ponty
NF680
77 Leibphilosophie spielt im gegenwärtigen philosophischen Rahmen kaum eine Rolle, obwohl –seit Nietzsche –
mehrere Leibphilo geschaffen (MERLEAU PONTY,Plessner,Schmitz, sartre..Nur Sinnzitat!.....menschlicher
Leib ist auffällig geworden ...............als Natur.
Er beschäftigt sich auch eingehend mit psychoanalytischen Erkenntnissen, und sieht im
„Körperschema“ einen Gesamtentwurf des Leibes.....die räumlich-zeitliche, intersensorische oder
sensomotorische Einheit des Leibes.... die sich nicht auf die tatsächlich zufällig im Laufe unserer
Erfahrung assoziierten Inhalte beschränkt, sondern dieser in gewissem Sinne vorgängig ist und
ihre Assoziationen erst ermöglicht“.(Ebd. S. 124)
125 Gesamtbewußtsein meiner Stellung in der intersensorischen Welt......“Gestalt“
Man könnte die über die Körperwahrnehmung zugänglichen Bezüge so zusammenfaßen::
Ich-bin und Welt (Modus des Man)
Ich-bin und Ich-bin (innere Familie)
Ich-bin und Du-bist (Partner) Körper als Sensor
Ich-bin und Wir-sind (Familie) Körper und Wahrnehmung der eigenen Beziehungsordnung (Sensor;
Bileam)
Ich-bin und die Andern(ihr-seid): WN stellvertretend für sich und für Fremde (archaische WN)
Übung: Das Paradox der Selbstwahrnehmung. (später?)
Meditation: Verknüpfung zwischen Ding, Welt, Körper und Ich
Verknüpfung zwischen blutsverwandten Personen, ähnlich wie zwischen Teilen eines Körpers
(Organismus Familie)
Wie genau anders oder ähnlich?
Bestimmte Gesetzmäßigkeiten des Verbundenseins.
Stellvertretende Wahrnehmung
MERLEAU PONTY, der das Phänomen stellvertretender Wahrnehmung nicht kennen konnte, da es
das Familien-Stellen nach BH zu seiner Zeit noch nicht gab, findet gleichwohl Formulierungen, die
dieses Vermögen ahnen lassen.
234/5 ..Jenes einzigartige Wissen, das wir vom Leibe durch das bloße Faktum haben, daß wir
selbst Leib sind.
(Jenes einzigartige Wissen, das wir von der Familie durch das bloße Faktum haben , dadurch,
daß wir selbst „Familie sind“).
Verbundenheit mit Familienmitgliedern konkret erfahrbar, wie die Aufstellungen immer wieder
zeigen, wie unmittelbar und existenziell das gefühlt wird. Völliges Ausgeliefertsein des Kindes. (Ich
wollte dir das abnehmen)
253 wollte ich in Folge dessen die Wahrnehmungserfahrung in aller Strenge zum Ausdruck
bringen, so müßte ich sagen, daß man in mir wahrnimmt, nicht, daß ich wahrnehme.
Überleitung: Schnittstelle (Ineinander): Der Körper als „Konstrukt“ oder als „Partner mit
unverhandelbaren Bedingungen“ (G. Schmidt).
Aus der sogenannten „konstruktivistischen Sicht“ heraus den Körper zum bloßen „Konstrukt“ und
damit für willkürlich veränderbar oder zumindesten stark beinflussbar zu erklären, erweist sich
einerseits als fruchtbar, andererseits aber auch immer wieder als sehr problematisch. Es gibt
Erfahrungen von Menschen, die zum Beispiel mit Visualisierungsübungen Erstaunliches und
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Unerwartetes erreichten. Es gibt aber auch mindestens ebensoviele Fälle, in denen das „KörperSchicksal“ in Form einer unheilbaren Krankheit oder gar einer angeborenen Behinderung unerbittlich
seinen Gang geht, und in denen die Metapher „Konstrukt“ am Erleben des Betroffenen weit vorbei
geht, wenn nicht sogar als zynisch erscheint.
Gunther Schmidt hat die Metapher des „Körpers als Partner mit unverhandelbaren Bedingungen“
geprägt, die in diesen Fällen sehr viel treffender und hilfreicher ist. In ihr zeigt sich der Körper als der
Teil des Körper-Seele-Geist-Organismus, der eine allen anderen Karten des Lebensspieles
überlegenen TruMerleau Pontyf in Händen hält, der „Tod“ heißt. Wenn er sie ausspielt, müssen die
beiden anderen Teile die Karten niederlegen und aufdecken. Das Spiel ist zu Ende. - Das Leben
allerdings geht weiter.
In dieser Metapher ist das „Ineinander“ in genialer Weise gefaßt.
Lebens-Fluß (hier ex?)
Körper – wie Charakter – Teil des „Familien-Flußes“ (Lebensstrom der sich durch die Familien und
Generationen ergießt). „Transperonalität“. „Schauspieler Prana“ Nisarg.
Im Körper sind wir unsere Eltern.
Einerseits sind wir den von ihm gesetzten Bedingungen und Grenzen ausgeliefert. Andererseits scheint
es immer wieder, als wäre die Art, wie wir zu ihm stehn, entscheidend.
Gunthers Metapher bewirkt Ähnliches!
Was geschieht beim FA?
Zusammenfassung.
Körper als Weisheit.
Als „Partner mit unverhandelbaren Bedingungen“ (Gunther Schmidt) gehört der Körper zu den
vorgegeben Wirklichkeiten (Bert Hellinger), oder “harten Realitäten“ (Helm Stierlin) unseres
Daseins, auf dessen Stimme es sich zu hören lohnt.
Bestätigt KörperWN als BeziehungsWN.
Was lernen wir über den Körper durch FA?
Über das Übliche hinaus.
Sind wir der Körper?
Sind wir die Eltern?
Über den Körper sind wir die Eltern und die Umwelt (=Nahrung; Vorbedingung)
Unsere Wirlichkeit ist „körperförmig“ (Apel- Leibapriori)
Desidentifikation mit Körper: nicht unser Eigentum sondern teil des Lebensstromes. Ilusion des
Individuums.
Identifikation (Horchen auf Körperwahrnehmung) und Desidentifkation gleichzeitig: der Körper
kommt von den Eltern, ist die Eltern.
FA stellt „Ich“ in Frage
Körper als eingebunden
Pointers 85 Je früher sich die Identifikation mit dem Körper als einer getrennten Wesenheit löst, desto
früher wird die Gnade des Gurus im Bewußtsein des Schülers erblühen
Kö als Bedingung persönlicher Existenz
88 Kö als Sitz und Quelle der Ich-bin-heit.
Erst wenn man daran geht die Ich-bin-heit als getrennte Wesenheit in Frage zu stellen
Körper als Sünde, als Chaos (Christlich)
Körper aös persönlicher Lustgewinn (Sex), Gesundheit, innere Weisheit analytische und
humanistische, systemisch-konstruktivistische Sicht..
Körper als natütliche Ordnung (Treib-Ordnung, Beziehungsordnung) systemisch-phänomenologische
Sicht.
Körper als Realität (Mit Ich-bin-heit engstens verknüpft)
Körper als Illusion (dies zu sagen ist genauso sinnvoll oder sinnlos als zu sagen, das Leben sei
Illusion. Die Illusion ist das einzelne (individuelle) Leben und der einzelne (individuelle) Körper.
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Körper als Illusion? Die Illusion ist, daß das morphogenetische Feld, das ein Organoismus um sich
bildet (aus dem ein Organismus entsteht), die Welt, die er wahrnimmt, in der er lebt, die „Wahrheit“
ist. Wirklichkeit insofern es Teil des Ganzen, das wir nicht erkennen können (leibapriori!) ist.w
Tragende Metaphern
Körper als Ineinander
Als Partner mit unerh. Bed.
Als Sensor
Als Repräsentant „natürlicher“ Ordnung
Körper als „Konstrukt“ im Sinne Nisarg Dattas: Konstruktivismus ohne Entscheidungsfreiheit. Völlige
Aufgabe des Ich.
Bei näherer Betrachtung schmilzt das, was man selbst „konstruiert“ für was man sich selbst
entscheidet, auf ein Minimum zusammen, bis es letztlich verschwindet. Wir stehen vor dem
gigantischen Paradox einer von uns „konstruierten“ Welt, in der wir jeder Freiheit des Willens
entbehren. Er- und gefundene Wirklichkeit verschmelzen.
Nisarg, part 1, 82
Bei der Suche entdeckst du, daß du weder der Körper, noch
The seeking itself is God. In seeking itself you discover, that you are neither body nor mind, but the love for the
self in you for the self in all. The two are one..
Schluß?
Vortrag (45 min. wenn möglich. Ich würde gerne Wahrnehmungsübungen einstreuen)
„Eigenwilliger Bruder Esel“ - Der Körper als Instrument systemischer
Wahrnehmung.
Das Thema des Vortrags ist die Rolle des Körpers in der sprituellen
Tradition und der zeitgenössischen Psychotherapie und Philosophie.
Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der systemischen
Psychotherapie Bert Hellingers, und einer möglichen Fundierung
durch Gedanken des französischen Phänomenologen Merleau Ponty.
Workshop .
„Der Körper als Quelle der Intuition“ – Konzentrative
Körpermethoden als Hilfe in der Aufstellungsarbeit.
Ich werde demonstrieren, wie ich – durch das NLP-Element des
Bodenankers - das „Familien-Stellen“ in die Einzeltherapie und beratung einbeziehe. – Hier – wie auch in der Aufstellungs-Gruppe hat die Körperwahrnehmung eine entscheidende Rolle im
therapeutischen Prozeß.
Gleichzeitig werde ich Anregungen geben, wie man systemische
Körperwahrnehmung schulen, und solche Übungen zur
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Körperorientierung und als meditativen Einstimmung in
Aufstellungsgruppen verwenden kann.
Eva Madelung
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