Gliederung - Universität zu Köln

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Carolin Uhrig
Seminar zum neuen Schuldrecht
unter Leitung von
Professor Dr. Barbara Grunewald
Universität zu Köln
Sommersemester 2002
SEMINARARBEIT
Thema Nr. 5
Schadensersatz
I
Gliederung
A) Überblick über die Systematik der Schadensersatzregeln (§§ 280 ff. BGB)
im neuen Schuldrecht
1
I) Zielsetzung
1
II) § 280 Abs.1 als einheitliche Haftungsgrundlage
1
1) Der Begriff der Pflichtverletzung
1
2) Konsequenz der neuen Systematik für den Prüfungsaufbau
3
B) Schadensersatzarten und ihre Voraussetzungen
I) Allgemeiner Schadensersatz (§ 280 I)
4
4
1) Voraussetzungen
5
a) Schuldverhältnis
5
b) Vom Schuldner zu vertretende Pflichtverletzung
5
2) Rechtsfolgen
II) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung (§§ 280 I,II; 286)
1) Voraussetzungen
6
6
6
a) Pflichtwidrige Leistungsverzögerung
6
b) Verzug
6
aa) Fälligkeit
7
bb) Mahnung
7
cc) Verschulden
8
2) Rechtsfolgen
III) Schadensersatz statt der Leistung (§§ 280 I,III; 281 - 283)
1) Überblick
2) Schadensersatz statt der Leistung bei Verzögerung und Schlechtleistung (§§ 280, 281)
a) Voraussetzungen des § 281
9
9
9
10
10
aa) Verzögerung der Leistung oder Schlechtleistung
10
bb) Erfolgloses Fristverstreichen
10
b) Rechtsfolgen
12
aa) Verhältnis zum Ersatz des Verzögerungschadens
12
bb) „kleiner“ Schadensersatz
13
cc) „großer“ Schadensersatz
13
II
dd) Berechnung nach der Surrogations- und Differenztheorie
14
ee) Auswirkung auf den Primärleistungsanspruch
16
3) Schadensersatz statt der Leistung wegen Verletzung einer Pflicht nach § 241 II
(§§ 280, 282)
17
a) Voraussetzungen
17
aa) Pflichtverletzung gem. § 241 II
17
bb) Unzumutbarkeit der Leistung
17
b) Rechtsfolgen
4) Schadensersatz statt der Leistung bei Ausschluß der Leistungspflicht (§§ 280, 283)
a) Voraussetzungen
18
18
18
aa) Befreiung von der Leistungspflicht nach § 275 I bis III
18
bb) Abgrenzung zu der Sonderregel des § 311a II
18
cc) Vertretenmüssen des Leistungshindernisses
19
b) Rechtsfolgen
19
c) Herausgabe des Ersatzes
19
C) Das Verhältnis von Schadensersatz und Rücktritt
19
1) Aufhebung der Alternativität von Schadensersatz und Rücktritt
19
2) Grenzen der Vereinbarkeit von Schadensersatz statt der Leistung und Rücktritt
20
D) Die Bedeutung der Unterscheidung von Mangel- und Mangelfolgeschaden
im neuen Schuldrecht
E) Fallbeispiel
21
24
1) Lösung nach altem Recht
24
2) Lösung nach neuem Recht
25
F) Fazit
26
1
A) Überblick über die Systematik der Schadensersatzregeln (§§ 280 ff. BGB 1) im neuen
Schuldrecht
I ) Zielsetzung
Das alte Recht legte in mehreren Vorschriften die Verpflichtung des Schuldners zum Schadensersatz
nieder, wenn dieser seinen Pflichten nicht nachkam (§§ 280 I; 286 I, II; 325 I 1; 326 I 2 a.F). Daneben
entwickelte die Rechtspraxis eine Schadensersatzhaftung aus den Rechtsinstituten der positiven
Vertragsverletzung und der culpa in contrahendo.
Zu den grundlegenden Anliegen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes gehörte die Schaffung
einer Schadensersatzregelung, die gegenüber dieser alten Systematik eine zentrale Schadensersatznorm bereitstellt.2
Ziel dieser Umstrukturierung war, das allgemeine Leistungsstörungsrecht in einem klaren und übersichtlicheren System zu gestalten.3
II ) § 280 Abs.1 als einheitliche Haftungsgrundlage
Im Rahmen dieser neuen Strukturierung stellt § 280 Abs.1 die zentrale Anspruchsgrundlage für die
Rechtsfolge der Schadensersatzhaftung dar.4
Die einzige Ausnahme von diesem Konzept ist in der eigenständigen Anspruchsgrundlage des
§ 311a II zu sehen, die den Fall der anfänglichen Unmöglichkeit regelt.
Hiermit greift § 280 einen zentralen Grundgedanken des UN- Kaufrechts und der modernen Vertragsrechtsprinzipien auf, die ebenfalls auf einem zentralen Haftungstatbestand aufbauen.5
§ 280 I Satz 1 enthält die Kernaussage für das Entstehen eines Schadensersatzanspruchs, indem er
die Verletzung einer Pflicht aus einem Schuldverhältnis voraussetzt und in seinem Satz 2 die Haftung
nur dann ausschließt, „wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.“
Es wird somit deutlich, daß jeder Anspruch auf Schadensersatz eine Pflichtverletzung seitens des
Schuldners voraussetzt und somit diesem Begriff der Pflichtverletzung eine zentrale Bedeutung zukommt.
1) Der Begriff der „Pflichtverletzung“
Die Verwendung dieses Begriffes als zentralen Anknüpfungspunkt für einen Anspruch auf Schadensersatz in § 280 I Satz 1 verdeutlicht, daß es zunächst völlig unbedeutend ist, auf welchen Gründen
die Pflichtverletzung beruht und welche Folgen sie hat.
1
- §§ ohne Gesetzesangabe sind solche des BGB in der Fassung vom 01.01.2002 -.
2
BT- Drucks. 14/ 6040, S.135; Zimmer, NJW 2002, 1 (6); Dauner-Lieb, § 2, Rn. 32.
3
BT–Drucks 14/ 6040, S. 93; Otto, Jura 2002, 1 (2).
4
BT- Drucks. 14/ 6040, S.135; Huber/ Faust, Kap. 13, Rn. 96; Dauner- Lieb, § 2 Rn. 34; Canaris, JZ 2001, Heft 10, 499 (511); a.A.: Wilmowsky, JuS
2002, Beilage zu Heft 1, 1 (3): sieht in den §§ 281, 282, 283 eigenständige Anspruchsgrundlagen.
5
BT- Drucks. 14/ 6040, S. 135.
2
Der Begriff der Pflichtverletzung deckt alle Leistungsstörungen ab: Verzögerung, Unmöglichkeit,
mangelhafte Leistung, sowie die Verletzung leistungsbezogener oder leistungsbegleitender Nebenpflichten.6
Fraglich ist, ob dieser Begriff als geeignet angesehen werden kann, um diese angestrebte Zusammenfassung der Leistungstörungen darzustellen:
Kritiker bemängeln, daß der Einheitstatbestand der Pflichtverletzung die Unterschiede zwischen den
verschiedenen Störungsanlässen nicht beseitige und aufgrund der weiterhin erforderlichen Differenzierung nicht zur erwünschten Vereinfachung führe.7
Insebesondere wird kritisiert, daß der Begriff der Pflichtverletzung eine Assoziation zu einem Verschuldenserfordernis weckt.8 Dies stehe im Widerspruch zu § 280 I S.2, in dem als zusätzliche Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch ein Vertretenmüssen des Schuldners gefordert wird
und somit zum Ausdruck komme, daß der Gesetzgeber eine strikte Trennung zwischen den Kategorien Pflichtverletzung und Vertretenmüssen anstrebe.
So stellt insbesondere Huber9 heraus, daß sich ein Schuldner in allen vier Fällen der oben angeführten zu vertretenden Leistungsstörungen (Verzug, nachträgliche Unmöglichkeit, unberechtigte Erfüllungsverweigerung, pFV) pflichtwidrig verhält. Leistungsstörungen, die der Schuldner nicht zu vertreten hat oder deren Rechtsfolgen unabhängig davon eintreten, lassen sich somit nur schwerlich als
„Pflichtverletzung“ bezeichnen.
Auch Canaris10 greift dieses Problem der Abgrenzung von Vertretenmüssen und Pflichtverletzung auf
und versucht im Vorfeld der Neugestaltung des Schuldrechts zusätzlich den Begriff der „Nichterfül
lung“ anzuregen:
Dieser Begriff vermeide die oben angesprochene Unklarheit zwischen der Abgrenzung von Satz 1
und Satz 2 des § 280 I und die daraus resultierenden potentiellen Folgeprobleme.11
Der alleinigen Verwendung dieses Begriffes steht jedoch entgegen, daß er sich nur auf Pflichten zur
Leistungserbringung beziehen kann. Denkt man an Leistungsstörungen wie Schlechtleistung oder die
Verletzung von Nebenpflichten, so fällt es schwer, diese als „Nichterfüllung“ zu qualifizieren, da insoweit häufig zumindest Teile der Leistung erbracht werden.
Das Ziel, auch derartige Leistungsstörungen in einem Begriff zusammenzufassen, ließe sich somit
mit dieser Formulierung nicht erreichen.12
6
BT-Drucks 14/ 6040, S. 92; Dauner- Lieb, § 2 Rn. 12
7
schon gegenüber dem KE: Ernst, NJW 1994, Heft 34, 2177 (2180).
8
Canaris, JZ 2001, Heft 10, 499 (523); Huber, ZIP 2000, Heft 51, 2273 (2276).
9
Huber, ZIP 2000, Heft 51, 2273 (2276).
10
Canaris, JZ 2001, Heft 10, 499, 512.
11
Canaris, JZ 2001, Heft 10, 499 (523): stellt hier insb. die gegensätzlich verteilte Beweislast der Sätze 1 und 2 des § 280 I heraus.
3
Folglich wird die Schwierigkeit deutlich, zum einen das Ziel zu errreichen, durch Vereinheitlichung
und Zusammenfassungen, das neue Leistungsstörungsrechtrecht übersichtlicher zu gestalten und
zum anderen Begriffe auszuwählen, die am ehesten den unterschiedlich gelagerten Fällen schadensbegründender Verhaltensweisen gerecht werden.
Die letztendliche Entscheidung für den Begriff der „Pflichtverletzung“ rechtfertigt sich vor allem dann,
wenn man mit dem Gesetzgeber davon ausgeht, daß mit dem Begriff der „Pflichtverletzung“ ein rein
objektives Abweichen vom Pflichtenkatalog des Schuldners gemeint ist.13
Ob dem Schuldner die Nichteinhaltung einer Pflicht persönlich vorzuwerfen ist, betrifft das Verschulden und besitzt für die Feststellung einer Pflichtverletzung keinerlei Bedeutung.
Hat der Schuldner somit durch Vertrag eine Leistungspflicht übernommen und kann er diese nicht
erfüllen, begeht er eine Pflichtverletzung. Soweit er diese Pflichtverletzung schuldhaft herbeigeführt
hat, wird er zum Schadensersatz verpflichtet sein.
Somit wird deutlich, daß die Struktur des § 280 I auf einer strikten Trennung von Pflichtverletzung
und Vertretenmüssen beruht, was durch § 280 I Satz 2 deutlich zum Ausdruck kommt.
Auch wenn die oben angeführte Kritik an dem Begriff der Pflichtverletzung nicht von der Hand zu
weisen ist, scheint vor allem im Hinblick auf das Ziel, weitgehende Differenzierungen im neuen Leistungsstörungsrecht zu vermeiden, der Begriff der „Pflichtverletzung“ grundsätzlich geeignet, die Leistungsstörungen im Schuldverhältnis allgemein zu umschreiben.
2) Konsequenz der neuen Systematik für den Prüfungsaufbau
Neben dieser Grundvoraussetzung einer zu vertretenen Pflichtverletzung für jeden Schadensersatzanspruch gem. § 280 I, legen die Absätze II und III des § 280 fest, unter welchen zusätzlichen Voraussetzungen der Gläubiger bestimmte Begehren wie Schadensersatz statt der Leistung (Abs. 3)
oder Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung (Abs. 2) verlangen kann.
Im Rahmen dieses zweiten Schrittes wir dann nach leistungsbezogenen und sonstigen Pflichten, sog.
Schutzpflichten14 differenziert:
Unter leistungsbezogenen Pflichten sind alle jene Pflichten zu verstehen, die die rechtzeitige, vollständige und ordnungsgemäße Erfüllung sowie die Absicherung der vertraglich begründeten oder
gesetzlich entstanden Ansprüche zum Inhalt haben.15
12
Canaris befürwortete deshalb eine „Mischung“ der Begriffe Pflichtverletzung und Nichterfüllung: Canaris, JZ, Heft 10, 499 (523). Weiterer begrifflicher
Vorschlag von Schapp, JZ 2001, Heft 11, 583 (584): „Störung des Schuldverhälnisses i.w.S.“.
13
BT-Drucks 14/6040, S. 134.
14
BT- Drucks. 14/ 6040, S. 125.
15
Mattheus, JuS 2002, Heft 3, 209 (211).
4
Mit den sonstigen, nicht-leistungsbezogenen, Schutzpflichten sind alle diejenigen Verpflichtungen
definiert, durch welche die Rechtsgüter und Interessen des Vertragspartners außerhalb der eigentlichen Leistungsbeziehung geschützt werden sollen.16
Ihre Verletzung wurde bisher häufig unter Berufung auf die positive Vertragsverletzung (p.V.V.) oder
die culpa in contrahendo (c.i.c.) sanktioniert.17
Nunmehr werden die zu diesen Rechtsinstituen entwickelten Fallgruppen aufgespalten und unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen auf der Sekundärebene zugeordnet.18
Für den Prüfungsaufbau empfiehlt sich somit, nach Bejahung der tatbestandlichen Voraussetzungen
des § 280 I, also einer Pflichtverletzung, eines hierdurch entstandenen Schadens sowie der Verantwortlichkeit des Schuldners, die einzelnen Schadenspositionen daraufhin zu untersuchen, ob sie
unter § 280 II oder III fallen. 19
Die verschiedenen Arten des Schadensersatzes im Rahmen dieser Absätze und ihre einzelnen Voraussetzungen werden im Folgenden näher beleuchtet:
B ) Arten des Schadensersatzes und ihre Voraussetzungen
I) Allgemeiner Schadensersatz (§ 280 I)
Wie unter A) II) 1) erörtert, setzt ein Schadensersatzanspruch gem. § 280 I die Verletzung einer
Pflicht aus einem Schuldverhältnis sowie Vertretenmüssen des Schuldners voraus.
Die Vorschrfit erfasst damit grundsätzlich alle zurechenbaren Schäden, die aufgrund jeglicher Art
schuldhafter Verletzung leistungs- oder nichtleistungsbezogerner Pflichten entstehen.
In seinen Tatbestandsmerkmalen folgt § 280 I somit den zur Haftung aus positiver Vertragsverletzung
(pVV) entwickelten Grundsätzen.20
Erfasst werden demnach Beeinträchtigung eines Rechts, Rechtsgutes oder rechtlich geschützten
Interesses, welches der Gläubiger unabhängig von dem Schuldverhältnis besitzt.
Im Hinblick auf die unter A) erörterte Systematik verbleiben für § 280 I alle Schadensersatzansprüche, die weder auf Schadensersatz wegen Verzögerung noch auf Schadensersatz statt der Leistung
gerichtet ist. Der Anwendungsbereich der Vorschrift hängt somit davon ab, wie weit man den Anwendungsbereich von § 286 und §§ 281 bis 282 zieht.21 (dazu im Einzelnen unter II und III).
16
BT- Drucks. 14/ 6040, S. 125.
17
Die Grenzziehung zwischen Leistungspflichten und Schutzpflichten ist nicht immer einfach, da auch Leistungspflichten auf den Schutz vor Beeinträch-
tigungen gerichtet sein können (Bsp.: Bedienungsanleitung einer Motorsäge) .
18
Mattheus, JuS 2002, Heft 3, 209 (211).
19
Dauner- Lieb, § 2, Rn. 33.
20
Mattheus, JuS 2002, Heft 3, 209 (210).
21
Huber/ Faust, Kap. 3, Rn. 217.
5
Die folgenden Tatbestandsmerkmale des § 280 I müssen aufgrund dieser Systematik auch bei allen
auf § 280 I aufbauenden Schadensersatzansprüchen gegeben sein:
1) Voraussetzungen des § 280 I
a) Schuldverhältnis
Mit Schuldverhältnis meint die Vorschrift in erster Linie Verträge, es sind aber auch andere Schuldverhältnisse angesprochen.22 § 241 I umschreibt den Begriff des Schuldverhältnisses dahingehend,
daß der Gläubiger kraft des Schuldverhältnisses von dem Schuldner eine Leistung verlangen kann.
§ 311 II ergänzt diese Aussage: Danach entsteht ein Schuldverhältnis, dessen Inhalt die in § 241 II
aufgeführten Rechtspflichten sind, auch mit Aufnahme der Vertragsverhandlungen, der Anbahnung
eines Vertrages oder durch ähnliche geschäftliche Kontakte. Damit wird deutlich, daß auch die Fälle
der culpa in contrahendo vom Begriff des Schuldverhältnisses des § 280 I erfasst sind. Darüber hinaus gehören auch einseitige Schuldverhältnisse, wie der Anspruch aus einem Vermächtnis sowie
gesetzliche Schuldverhältnisse zum Anwendungsbereich des § 280 I.23
b) Vom Schuldner zu vertretende Pflichtverletzung
Als Pflichtverletzung i.S.d. § 280 I gilt - wie oben erörtert - das objektive Verhalten, das nicht dem
Inhalt des Schuldverhältnisses entspricht.24
Der Begriff der Pflichtverletzung umfasst somit jegliche Art der Leistungsstörung sowie die Verletzungen von Schutz- und Obhutspflichten i.S. des § 241 II. 25
Die Pflichtverletzung müßte der Schuldner zu vertreten haben. Gem. § 276 I 1, hat der Schuldner
Vorsatz und Fahrlässigleit zu vertreten.
Uneingeschränkt gilt dies jedoch nur dann, wenn eine strengere odere mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme
einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos zu entnehmen ist (§ 276 I 1, 2 HS).
Kann der Schuldner sein Nichtvertretenmüssen nicht beweisen, so ist der Schadensersatzanspruch
gem. § 280 I begründet.
Diese Beweislastregelung ergibt sich aus der negativen Formulierung des § 280 I 2. Damit wird die
nach altem Recht für die Unmöglichkeit (§ 282 a.F.) und den Verzug (§ 285 a.F.) geltende Regelung
zu einem für alle Pflichtverletzungen geltenden Prinzip.26
22
BT- Drucks. 14/ 6040, S. 135.
23
BT- Drucks. 14/ 4060, S. 135.
24
Canaris, JZ 2001, 499 (512).
25
Siehe Ausführungen unter A) II) 1).
26
Lorenz/ Riehm,S. 95, Rn. 183; Palandt/ Heinrichs, § 282 Rn.7: der Gläubiger hat hiernach die obj. Pflichtwidrigkeit zu beweisen, der Schuldner das
Nichtvertretenmüssen; kritisch: Zimmer, NJW 2002, 1 (7); Canaris, JZ 2001, 499 (512): für die pVV wurde § 282 nicht immer entspr. angewendet. Die
Vereinheitlichung gem. § 280 I führt somit zur Verdunkelung der entwickelten Abgrenzungskriterien (Erfüllungs- u. Schutzpflichtverletzungen).
6
Eine Ausnahme ordnet allerdings § 619a für die Arbeitnehemerhaftung an. Hier trägt der Arbeitgeber
die Beweislast hinsichtlich des Vertretenmüssens.
2) Rechtsfolgen
Liegen diese Tatbestandsmerkmale vor, so erwirbt der Gläubiger gem. § 280 I einen Anspruch auf
Ersatz der durch die Pflichtverletzung des Schuldners entstanden Schäden.27
Art und Umfang des Schadens bestimmen sich nach §§ 249 ff.
Im Gegensatz zu §§ 281 ff. tritt der Schadensersatzanspruch nicht an die Stelle, sondern neben den
fortbestehenden Erfüllungsanspruch.28(Nähere Erläuterung der Abgrenzungen unter D)). Es geht
somit in den Fällen des einfachen Schadensersatzes um das „Erhaltungsintresse“29 und nicht um das
Ziel, die ursprünglich geschuldete Leistung durch den Schadensersatzanspruch zu ersetzen.
II) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung (§§ 280 I,II; 286)
Besteht die Pflichtverletzung in der Verzögerung einer fälligen Leistung und ensteht dem Gläubiger
dadurch ein Schaden, kann er gem. §§ 280 I, II, 286 Ersatz des Verzögerungsschadens verlangen.
1) Voraussetzungen
a) Pflichtwidrige Leistungsverzögerung
Ein Schuldner, der am vereinbarten Fälligkeitstermin (im Zweifel ist gem. § 271 I sofort zu leisten)
nicht leistet, verletzt grundsäzlich die Leistungspflicht, die er im Vertrag übernommen hat.
Nicht pflichtwidrig ist jedoch eine derartige Leistungsverzögerung, wenn eine Verpflichtung zur Leistung nicht mehr besteht. Dies sind die Fälle des § 275, in denen die Leistungspflicht entfällt, wenn
dem Schuldner die Leistung unmöglich wird oder er sie wirksam nach § 275 II oder III verweigert.30
Die Pflichtverletzung „Verzögerung der Leistung“ endet somit in dem Moment, indem die Leistung
unmöglich wird.
Desweiteren ist die Leistungsverzögerung nur dann pflichtwidrig, wenn dem Schuldner keine Einrede
zusteht. Derartige Einreden könnten sich z.B. aus § 320 I (bei synallagmatischer Gegenforderung)
oder aus § 273 I (bei konnexer Gegenforderung) ergeben.
b) Verzug
Weitere Voraussetzung für den Ersatz eines Verzögerungsschadens gem. §§ 280 I, II, 286 ist der
Verzug des Schuldners. Dies ergibt sich aus der Verweisung des § 280 II auf die Voraussetzungen
des § 286, der den Schuldnerverzug normiert.
27
Palandt- Ergänz./ Heinrichs, § 280 Rn. 32.
28
Palandt- Ergänz./ Heinrichs, § 280 Rn. 32.
29
Begriff bei Otto, Jura 2002, Heft1, 1 (8).
30
Wilmowsky, JuS 2002, Beilage zu Heft 1, 1 (6); Palandt- Ergänz./ Heinrichs, § 286 Rn. 5.
7
Diese Regelung macht deutlich, daß die bloße Verzögerung einer Leistung für den Schuldner noch
keine wesentliche Nachteile bringen soll.31
Eine Schadensersatzverpflichtung wird erst nach Eintritt des Schuldnerverzuges ausgelöst, der neben dem Vertretenmüssen des Schuldners eine Mahnung oder einen gleichgestellten Umstand (z.B.
kalendermäßige Bestimmung der Leistung) voraussetzt.
Der Schuldner soll somit Schäden, die sich aus einer Verspätung der geschuldeten Leistung ergeben, nur dann ersetzen müssen, wenn er zuvor besonders gewarnt wurde.
Wie schon in der alten Gesetzesfassung ist der Schuldnerverzug die vom Schuldner zu vertretende
Nichtleistung trotz Möglichkeit, Fälligkeit und Mahnung.32
aa) Fälligkeit
Die Leistung ist fällig, wenn der Gläubiger die Leistung fordern kann. 33 Wann das der Fall ist, ergibt
sich aus der Parteivereinbarung. Im Zweifel ist gem. § 271 I sofort zu leisten.
bb) Mahnung
Weitere Voraussetzung für den Eintritt des Verzuges ist im Regelfall eine Mahnung. Erfolgt eine
Mahnung, so tritt Verzug sofort ein.34
Eine Mahnung muß eine eindeutige und bestimmte Aufforderung zur Leistung enthalten.35
Abweichend von § 284 a.F.zählt nun § 286 II abschließend auf, unter welchen Voraussetzungen eine
Mahnung entbehrlich ist:
Außer bei kalendermäßiger Bestimmung der Leistungszeit (§ 284 II Nr. 1) ist die Mahnung auch dann
entbehrlich, wenn sich jene Zeit ab einem bestimmten Ereignis nach dem Kalender berechnen lässt
(§ 284 II Nr. 2).
Nach bisherigem Recht galt als derartiges Ereignis lediglich eine Kündigung, wenn diese für die Fälligkeit der Leistung erforderlich war (§ 284 II S.2 a.F). Das gegenwärtige Recht erweitert diese Regelung, indem es allgemein von einem Ereignis spricht und damit auch andere Umstände, wie etwa die
Lieferung oder die Rechnungserteilung als Ausgangspunkt einer kalendermäßigen Berechnung der
Leistungszeit genügen lässt.36
Zum Teil wird kritisiert, daß diese Erweiterung zu einer massivern Verschlechterung der Rechtsstellung von Verbrauchern führe.37 Jedoch ist zu berücksichtigen, daß eine deratige Erweiterung erfor-
31
Dauner- Lieb, § 2, Rn. 38.
32
Medicus, Schuldrecht I, § 34 Rn. 391.
33
Larenz, Schuldrecht Band I, AT, § 14 V; Medicus, Schuldrecht I, § 17 Rn. 151; Fikentscher, Schuldrecht, § 34 Rn. 230.
34
Soergel/ Wiedemann, § 284 Rn. 33 (a.F.) ; MüKo/ Thode, § 284 Rn. 33 (a.F.).
35
Fikentscher, Schuldrecht, § 45 Rn. 360; Schlechtriem, Schuldrecht AT, Kap.7, Rn. 314.
36
BT- Drucks 14/6040, S.145.
37
Krause, Jura 2002, Heft 4, 217 (218); Ernst/ Gsell, ZIP 2001, 1389 (1391).
8
derlich war, da nur so die geforderte Umsetzung der EU- Verzugsrichtlinie realisiert werden konnte.38
Die Beibehaltung des § 284 II 1 a.F. hätte für eine derartige Umsetzung nicht ausgereicht, da eine
jetzt ausreichende bloße Berechenbarkeit nach dem Kalender nach h.M. nicht genügte. 39
Darüberhinaus ist eine Mahnung entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert (§ 284 II Nr. 3) oder wenn ein Verzicht auf die Mahnung aufgrund besonderer Umstände gerechtfertigt ist (§ 284 II Nr.4). Derartige Fälle wurden nach bisherigem Recht über § 242 gelöst.40
Klassisches Beispiel ist die bewusste Selbstmahnung des Schuldners, um somit den Gläubiger von
der Erhebung einer Mahnung abzuhalten.41 Zum anderen geht es aber auch um Pflichten, deren
Erfüllung offensichtlich besonders eilig sind (z.B. bei der Reparatur eines Wasserrohrbruchs).42
Gem. § 284 III kommt der Schuldner einer Entgeltforderung spätesestens 30 Tage nach Eintritt der
Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertiger Zahlungsaufstellung in Verzug.
Die Formulierung „spätestestens“ deutet darauf hin, daß ein Verzug nach § 286 I oder II nicht ausgeschlossen werden, sondern dem Gläubiger einer Entgeltforderung eine zusätzliche Möglichkeit gegeben werden soll, den Verzug herbeizuführen.43
cc) Verschulden
Desweiteren setzt Verzug gem. § 286 IV Verschulden voraus.
Verschulden liegt vor, wenn sich der Schuldner gem. § 276 I S.1 Vorsatz oder Fahrlässiggkeit vorwerfen lassen muß.
Soweit es um Schadensersatzansprüche geht, ist das Nichtvertretenmüssen (wie unter I)b) erörtert)
bereits in § 280 I S.2 verankert.44 Die zusätzliche Erwähnung ist aber maßgeblich für die weiteren
Verzugsfolgen (z.b. Verzugszinsen oder Haftungsverschärfung).
Die Negativfassung des § 286 IV regelt die Behauptungs- und Beweislast: Durch die Negativformulierung (der Schuldner kommmt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstandes unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat) wird seine Verantwortlichkeit vermutet. 45 Es liegt somit an ihm,
darzulegen, warum ihm an dem Nichtleisten bei Verzugsbeginn kein Verschulden trifft.
38
Art.3 I lit.a Verzugsrichtlinie sieht eine Zahlungsverpflichtung vor, die nach Ablauf des vereinbarten Zahlungstermins oder der vereinbarten Zahlungs-
frist einsetzt.
39
Palandt/ Heinrichs, § 284 Rn. 22; BT- Drucks. 14/ 6040, S.146.
40
Krause, Jura 2002, Heft 4, 217 (219).
41
Soergel/ Wiedemann, § 284 Rn. 35 (a.F.)
42
BT- Drucks. 14/6040, S. 146 mit Verweis auf BGH NJW 1963, 1823 (1823).
43
BT-Drucks. 14/ 6040; Schwab, JuS 2002, Heft 1, 1 (4) ; bereits zu § 284 III a.F.: Heinrichs, in: Schulze/ Schulte-Nölke, S. 81, 89.
44
BT- Drucks. 14/ 6040; Krause, Jura 2002, Heft 4, 217 (222), a.A.: Otto, Jura 2002, 1 (6): § 286 IV verdrängt auch hinsichtl. des Verzögerungsscha-
dens die allg. Regelung des § 280 I 2.
45
Medicus, § 24 Rn. 403 ( noch zu § 285 a.F.).
9
2) Rechtsfolgen
Inhalt und Umfang des Anspruchs richten sich nach §§ 249 ff. Der Gläubiger ist so zu stellen, wie er
stünde, wenn er die Leistung bis Verzugseintritt erhalten hätte.46
Ersatzfähig sind daher, wie bisher im Ramen von § 286 a.F., Mehraufwendungen, die durch die Verzögerung angefallen sind (z.B. die Kosten für eine Ersatzbeschaffung für die Dauer des Verzuges).
Als Faustformel lässt sich festhalten: Verzögerungsschaden ist derjenige Schaden, der auch entstanden wäre, wenn der Schuldner bei Verzugsende ordnungsgemäß geleistet hätte.47
Wichtig ist, daß der Anspruch auf Ersatz des Verzögerungschadens dabei neben den bestehen bleibenden Anspruch auf Erfüllung des Vertrages tritt.48
Nicht durch den Vezug entstanden sind die Kosten der Mahnung, da die Mahnung erst den Verzug
begründet. Nach § 288 I, II hat der Schuldner außerdem Geldschulden mit mind. 5%, wenn kein Verbraucher an dem Geschäft beteiligt ist (§ 288 II), mit mind. 8% über dem Basiszins zu verzinsen. Die
Höhe des Basiszinssatzes ist in § 247 I,1 geregelt und beträgt hiernach 3, 62 %.
§ 288 I,II normiert somit den Zinssatz, den der Gläubiger in jedem Fall vom Schuldner verlangen
kann. Daneben stellt § 288 III klar, daß der Gläubiger aus einem anderen Rechtsgrund darüberhinausgehende höhere Zinsen verlangen kann.
Die Geltendmachung derartiger weiterer Schäden könnte sich z.B. dann ergeben, wenn der Gläubiger seinerseits höhere Kreditzinsen zahlen müßte. Unklar ist, ob der Schuldner diesen Verspätungsschaden mit anbieten muß, wenn er den Verzug beenden will. Er kann den Verzug beenden, wenn er
die Leistung nachträglich erbringt.49 Würde man von ihm darüber hinaus fordern, daneben auch die
Verzugszinsen anzubieten, so würde sich das Problem ergeben, daß der Schuldner meist gar nicht
weiß, wie hoch dieser Verspätungsschaden ist. Folglich sollte ein derartiges Anbieten neben der primär geschuldeten Leistung nicht gefordert werden.
III Schadensersatz statt der Leistung (§§ 280 I,III; 281 - 283)
1) Überblick
Im Gegensatz zu dem oben erörterten Verzögerungsschaden, der die Forderung nach Erfüllung unberührt lässt, kann ein Gläubiger eines Primäranspruches, der von einer Leistungsstörung betroffen
ist, auch daran interessiert sein, Schadensersatz statt (also an Stelle der Leistung) zu verlangen.
Der Anwendungsbereich des § 280 I, III, der für dieses Begehren auf die §§ 281 – 283 verweist, ist
also immer dann eröffnet, wenn der Gläubiger an der Erbringung der ursprünglich geschuldeten Leistung nicht mehr interessiert ist und somit der Schadensersatzanspruch die ursprünglich geschuldete
46
Palandt- Ergänz./ Heinrichs, § 286 Rn. 45; Wilmowsky, JuS 2002, Beilage zu Heft 1, 1 (7).
47
Faust, in: Huber/ Faust, Kap.3 Rn. 91.
48
Palandt- Ergänz./ Heinrichs, § 286 Rn. 43.
10
Leistung ersetzen soll. Insofern bezeichnet der Schadensersatz statt der Leistung, das was bisher
Schadensersatz wegen Nichterfüllung hieß.50
Der Übergang vom Anspruch auf die Primärleistung zu einem diese Leistung ersetzenden Schadensersatzanspruch kann einerseits einem dringenden Interesse des Gläubigers entsprechen, denn
dieser wird sich die ausgebliebende Primärleistung anderswo besorgen müssen. Andererseits kann
der Übergang zum Schadensersatz den Schuldner schwer belasten, wenn dieser z.B. schon erhebliche Anstrengungen aufgewendet hat, um den Primärleistungsanspruch zu erfüllen und diese jetzt
nutzlos werden.51
Der Gesetzgeber hat daher die Möglichkeit des Übergangs auf einen die Leistung zu ersetzenden
den Schadensersatzanspruch, an besondere, neben die allgemeinen Voraussetzungen des § 280 I,
tretenden Voraussetzungen geknüpft.
Diese sind in den §§ 281, 282 und 283 geregelt und werden im Folgenden genauer beleuchtet:
1) Schadensersatz statt der Leistung bei Verzögerung und Schlechtleistung (§ 281)
a) Vorausetzungen des § 281
aa) Verzögerung der Leistung oder Schlechtleistung
Der Haftungstatbestand des § 281 I erfaßt zwei Störungen des Schuldverhältnisses: die Leistungsverzögerung und die Schlechtleistung. Die Leistungsverzögerung wird in § 281 I Satz 1 mit den Worten „...nicht...erbracht“ beschrieben.52 Die Schlechtleistung kommt durch die Formulierung „...nicht
wie geschuldet erbringt“ zum Ausdruck.
Es wird somit deutlich, daß im Gegensatz zu § 280 I, der sowohl Leistungs- als auch Schutzpflichten
mitumfasst, hier nur im Falle einer Leistungspflichtverletzung ein Anspruch auf Schadensersatz entstehen kann.
Durch die Einbeziehung der Schlechtleistung wird das Ziel der Schuldrechtsmodernisierung umgesetzt, die bisher im besonderen Schuldrecht angesiedelten Gewährleistungsregelungen in das Allgemeine Schuldrecht zu integrieren.53
Die für jeden Schadensersatzanspruch erforderliche Pflichtverletzung im Sinne des § 280 I liegt also
entweder in der Leistungsverzögerung oder in der Schlechtleistung, wobei auch hier gilt, daß diese
gem. § 280 I 1 vom Schuldner zu vertreten sind.
bb) Erfolgloses Fristverstreichen
49
MüKo/ Thode, § 284 Rn. 88 (a.F.).
50
Palandt- Ergänz./ Heinrichs, § 281 Rn. 17; Gsell, 105 (106); Zimmer, NJW 2002, Heft 1, 1 (8).
51
BT- Drucks. 14/ 6040, S. 137.
52
BT- Drucks. 14/ 6040, S. 138.
53
Dauner- Lieb, § 2 Rn. 20 und Rn. 39.
11
Neben dem Vorliegen einer fälligen Leistung sieht § 281 grundsätzlich den erfolglosen Ablauf einer
dem Schuldner zur Nacherfüllung gesetzten angemessenen Frist vor.
Durch das Erfordernis einer Fristsetzung erhält der Schuldner eine zweite Chance seine Leistung
ordnungsgemäß zu erbringen, bevor Schadensersatz statt der Leistung verlangt werden kann.
Dadurch wird ein prägendes Strukturprinzip des neuen Schuldrechts - die Sicherrung des Vorrangs
des Erfüllungsanspruchs - gesetzlich verankert.54
Die Angemessenheit der Frist beurteilt sich vorrangig nach den Interessen des Gläubigers, wobei die
Frist allerdings so lang sein muß, daß der Schuldner die Leistung auch tatsächlich erbringen kann.55
Erweist sich die Frist als unangemessen kurz, so setzt sie eine angemessene Frist in Lauf. Insoweit
kann auf die Auslegung des bisherigen § 326 a.F. zurückgegriffen werden. 56
Bei einigen Pflichten wäre das Setzen einer Pflicht wenig sinnvoll. Dazu zählen z.B. Unterlassungspflichten.57 Statt Frist zu setzen, ist bei ihnen abzumahnen (§ 281 III): Der Gläubiger muß den
Schuldner auf die Pflichtverletzung hinweisen und zu pflichtgemäßem Verhalten anhalten.
In anderen Fällen würde das Erfordernis, dem Schuldner eine Nachfrist zu setzen bzw. den Schuldner abzumahnen den Übergang zum Schadensersatz übermäßig erschweren.
Das Gesetz umschreibt deshalb in § 281 II zwei Tatbestände, in denen es auf Fristsetzung bzw. Abmahnung verzichtet:
Zum einen soll dies bei der ernsthaften und endgültigen Verweigerung des Schuldners zur Leistungserbringung gelten (§ 281 II 1. Alt.). Zum anderen dann, wenn besondere Umstände die sofortige
Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen (§ 281 II 2. Alt.). Einen solchen Fall
stellen etwa so genannte „Just – in – time - Verträge“ dar, bei denen der eine Teil dem anderen Teil
zu einem bestimmten Zeitpunkt liefern muß, wenn dessen Produktion ordnungsgemäß betrieben
werden soll.58
Für den Fall der kaufrechtlichen Mängelgewährleistung ergänzt § 440 S.1, daß es der Fristsetzung
auch nicht bedarf, wenn der Verkäufer beide Arten der Nacherfüllung gem. § 439 III verweigert oder
wenn die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung „fehlgeschlagen oder ihm unzumutbar ist“.
Im Gegensatz zu der alten Regelung des § 326 I 1 muß der Gläubiger dem Schuldner nicht drohen,
daß er nach Verstreichen der Frist die Leistung des Schuldners nicht mehr annehme.59
54
Dauner- Lieb, § 2 Rn. 24 und Rn. 39.
55
BT- Drucks. 14/ 6040, S. 138.
56
BT- Drucks. 14/6040, S. 138; BGH NJW 85, 2640 (2640); statt vieler: Palandt/ Heinrichs, § 326 Rn. 17 (a.F.).
57
Wilmowsky, JuS 2002, Beilage zu Heft 1, 1 (10).
58
Bsp. in: BT- Drucks. 14/6040, S. 140.
59
Dieses Erfordernis wurde abgeschafft, da viele Gläubiger, die juristisch nicht beraten wurden, der Fristsetzung keine Ablehnungsandrohung beifügten
und so die Möglichkeit vom Leistungsverlangen auf SE- Anspruch überzugehen versäumten.:Wilmowsky, JuS 2002, 1 (10).
12
Die Neuregelung führt somit dazu, daß der Schuldner bereits bei einer Fristsetzung bzw. Abmahnung
damit rechnen muß, daß seine Nichtleistung die Verpflichtung zum Schadensersatz nach sich ziehen
kann.
§ 281 wird somit besondere Bedeutung in den Fällen der Lieferung einer mangelhaften Kaufsache
zukommen. Schadensersatz wegen Nichterfüllung wird der Käufer fortan nicht – wie bisher – allein in
den Fällen des Fehlens einer zugesichrten Eigenschaft (§ 463,1 a.F.) und des arglistigen Verschweigens eines Fehlers durch den Verkäufer (§ 463,.2 a.F.) verlangen können, sondern allgemein dann,
wenn eine von ihm zur Nacherfüllung bzw. zur Mängelbeseitigung gesetzte Frist erfolglos verstrichen
ist.60 Das erforderliche Vertretenmüssen wird gem. § 276 I,1 durch die Übernahme einer Garantie
erreicht, die häufig durch eine Zusicherung übernommen wird.
b) Rechtsfolgen
aa) Verhältnis zum Ersatz des Verzögerungschadens
Der Anspruch aus § 281 soll den durch die Nichterfüllung entstandenen Schaden ausgleichen. Er ist
auf das positive Interesse gerichtet, daß heißt, der Gläubiger ist so zu stellen, wie er stehen würde,
wenn der Schuldner den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte.61
Im Gegensatz zum Verzögerungschaden fallen unter § 281 auch die Mehrkosten eines Deckungsgeschäftes oder die Kosten einer Ersatzvornahme durch den Gläubiger.62
Zwar sind auch diese Schäden adäquat kausal durch die Verspätung entstanden, so daß man auch
wörtlich von einem „Verspätungsschäden“ sprechen könnte, jedoch ersetzen diese Leistungen die
ursprünglich geschuldetete. Die entsprechenden Aufwendungen können daher nur als Schadensersatz statt der Leistung, also nur unter der Voraussetzung einer erfolglosen Fristsetzung, geltend gemacht werden.63
Der teilweise vorgebrachten Kritik,64die einen Wertungswiderspruch darin sieht, daß im Verhältnis
zum bloßen Verzögerungsschaden, der Schadensersatz statt der Leistung die Voraussetzungen des
Verzuges fordert, ist entgegzuhalten, daß in der von § 281 geforderten Fristsetzung jeweils eine Aufforderung zur Leistung enthalten ist, in der man stets auch eine Mahnung i.S.d. § 286 sehen kann.65
Somit wird das paradoxe Ergebnis vermieden, daß der Gläubiger Schadensersatz statt der Leistung
verlangen kann, nicht aber den bloßen Verzögerungsschaden nach §§ 280 I, II, 286.
bb) „kleiner Schadensersatz“
60
Zimmer, NJW 2002, Heft 1, 1 (9).
61
Palandt- Ergänz/ Heinrichs, § 281 Rn. 17.
62
Staudinger/ Löwisch, § 286 a.F. Rn. 19; Huber/ Faust, Kap. 3 Rn.91
63
Dauner- Lieb, § 2 Rn. 40.
64
Gsell, 105 (110)
65
BT- Drucks. 14/ 6040, S. 138; Mattheus, JuS 2002, Heft 3, 209 (216); Canaris, JZ 2001, 499 (515).
13
§ 281 I 2 u.3 unterscheidet zwischen Schadensersatz statt der Leistung und Schadensersatz statt der
ganzen Leistung.
Damit wird die die von der Rechtsprechung zu § 463 a.F. entwickelte Unterscheidung zwischen „kleinem“ und „großem“ Schadensersatz erneut aufgegriffen:
Nach § 281 I 1 wird die geschuldetete Leistung nur insoweit durch eine Schadensersatzzahlung ersetzt, als ihre Qualität hinter dem geschuldeten Standard zurückbleibt bzw. der verspätete Teil der
Leistung nicht erbracht wird. Der Schadensersatz nach Satz 1 tritt also an die Stelle der Qualitätseinbuße bzw. des nicht erbrachten Teils.
Dies ist der „kleine“ Schadensersatz. Im Übrigen bleibt der Leistungsanspruch des Gläubigers bestehen und wird nicht durch den Schadensersatzanspruch ersetzt.66
cc) „großer Schadensersatz“
Der Gläubiger kann jedoch auch mehr begehren, nämlich Ersatz für die gesamte Leistung („großer
Schadensersatz“). § 281 unterscheidet hier zwei Fallgruppen: die Teilleistung in § 281 I S.2 und die
Schlechtleistung in § 281 I S.3.67
- Zu einer Teilleistung kann es bei einer teilbaren Leistung kommen, wenn der Schuldner nur einen
Teil der Leistung erfüllt und den übrigen Teil der (möglichen) Leistung nicht erbringt. In dieser Fallgruppe kann der Gläubiger nur dann Schadensersatz statt der ganzen Leistung verlangen, wenn „er
an der Teilleistung kein Interesse mehr hat“ (§ 281 I S.2).
Der Gläubiger muß hierfür darlegen, daß der „kleine Schadensersatz“ sein Erfüllungsinteresse nicht
vollständig abdeckt.68
Je gravierender der Ausfall der Teilleistung für ihn ist, desto eher wird sein Erfüllungsinteresse nur
durch Schadensersatz für die ganze Leistung gedeckt werden.69 Kann dagegen die ausgebliebene
Teilleistung ohne Schwierigkeiten besorgt werden oder ist diese nur geringfügig, so erfordert das
Gläubigerinteresse keinen „großen Schadensersatz“.
- Für die Fallgruppe der Schlechtleistung werden geringere Anforderungen gestellt: Nicht erst bei
Interessenfortfall, sondern bereits dann, wenn die Schlechtleistung „nicht unerheblich war“ (§ 281 I
S.3) darf der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung verlangen. Das Kriterium der „Unerheblichkeit“ wird man im Sinne der Bagatellgrenze des § 459 I 2 a.F. zu interpretieren haben. 70 So
kommt es darauf an, wie hoch die Verkehrsauffassung im Einzelfall die Beeinträchtigung des Wertes
66
Wilmowsky, JuS 2002, Beilage zu Heft 1, 1 (10).
67
Im ReGE wurde diese Unterscheidung noch nicht vorgesehen: Sowohl Teil- als auch Schlechtleistung sollten an das Interesses des Gläubigers
gebunden werden (§ 281 I S.3 ReGE).
68
BT Drucks. 14/ 4060, S. 140 noch zu § 281 I S.3 ReGE; Lorenz, JZ 2001, 742 (744); Wilmowsky, JuS 2002, Beilage zu Heft 1, 1 (10).
69
BT- Drucks. 14/ 6040 zum Begriff des Interessensfortfalls bei § 281 I S.3 ReGE.
70
Dauner- Lieb, § 2 Rn. 43.
14
oder der Tauglichkeit durch den Mangel einschätzt.71 (maßgeblich ist insoweit auch die Erkennbarkeit
und Behebbarkeit des Mangels).72
Jedoch ist zu berücksichtigen, daß trotz der begrifflichen Abgrenzung, die Kriterien „Interessenfortfall“
und „Erheblichkeit des Mangels“ in vielen Fällen wohl zu einer ähnlichen Bewertung der Schwelle
zum Schadensersatz statt der ganzen Leistung führen werden.
Verlangt der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung, so ist der Schuldner gem. § 281 V
berechtigt, das seinerseits Geleistete nach den §§ 346 bis 348 zurückzufordern.
dd) Berechnung nach der Surrogations- und der Differenztheorie
Bereits die alten Regelungen der §§ 325, 326 a.F. gaben Anlaß zu der Diskussion, wie genau der
damals noch genannte Schadenserasatz wegen Nichterfüllung berechnet werden sollte. 73
Lange Zeit war die sog. eingeschränkte Differenztheorie 74 herrschend, nach der der Gläubiger ein
Wahlrecht hatte: Er konnte den Schadensersatz entweder nach der „Surrogationsmethode“ berechnen, d.h. Ersatz im Wert der ausgebliebenen Schuldnerleistung verlangen.
Hierbei tritt der Schadensersatz als „Surrogat“ an die die Stelle der Primärleistungspflicht und der
Gläubiger seinerseits bleibt berechtigt und verpflichtet seine Gegenleistung weiter zu erbringen 75.
Alternativ konnte er seinen Schaden auch nach der „Differenzmethode“76 berechnen:
Hierbei braucht der Gläubiger seine Gegenleistung nicht mehr zu erbringen und kann die Differenz
zwischen ihrem Wert und seinem positiven Interesse ersetzt verlangen.
Von dem Wert, den den die vom Schuldner versprochene Leistung für den Gläubiger besitzt (einschließlich entgangener Gewinn, Belastung mit Ersatzpflichten gegenüber den eigenen Vertragspartnern), sind dabei die Kosten abzuziehen, welche der Gläubiger dadurch erspart, daß er die von ihm
versprochene Gegenleistung nicht mehr erbringen muß.77
Von diesem Wahlrecht ist der BGH in seiner neueren Rechtsprechung78 jedoch abgerückt und hat
den Gläubiger für den Verzug auf die Differenzmethode beschränkt: Da gem. § 326 I 2, 2 HS a.F., die
71
MüKo/ Westermann, § 459 a.F. Rn. 27.
72
Soergel/ Huber, § 459 a.F. Rn. 77.
73
zur Diskussion ausführlich: Larenz, § 22 II b.
74
MüKo/ Emmerich, § 325 Rn. 72; Medicus, § 42 Rn. 495; Emmerich, Recht der Leistungstörungen, § 11 III 4.).
75
Larenz, § 22 II b; Medicus, § 42 Rn. 495.
76
MüKo/ Emmerich, § 325 Rn. 71; Soergel/ Wiedemann, § 326 Rn. 73: die Differenztheorie gilt jedoch nicht, wenn der Gläubiger seine Leistung schon
erbracht hat, dann muß er sie nicht zurücknehmen.
77
Wilmowsky, JuS 2002, Beilage zu Heft1, 1 (10).
78
BGH NJW 1994, 3351 (3351); BGH NJW 1999, 3115 (3117).
15
Gegenleistungspflicht mit fruchtlosem Ablauf der Nachfrist erlösche, könne der Gläubiger das Austauschverhältnis nicht dadurch wieder herstellen, daß er dem Schuldner die Gegenleistung anbiete.79
Dem ist jedoch entgegen gehalten worden, daß die Prämisse, daß mit Fristablauf die beiderseitigen
Leistungspflichten automatisch endeten, keine Stütze in Wortlaut und Systematik des Gesetzes fänden:
So wird herausgestellt, daß § 326 I 2, 2 HS a.F. ausdrüchlich nur den „Anspruch auf Erfüllung“, also
den Anspruch des Gläubigers auf die verzögerte Schuldnerleistung, ausschließe. Darüber hinaus
bedeute ein gegenseitiger Vertrag nicht, daß mit Wegfall der einen Leistungspflicht automatisch auch
die andere wegfällt.80
Das Problem bleibt auch nach neuem Recht ungelöst: § 281 IV ordnet nur den Ausschluß des Erfüllungsanspruchs des Gläubigers an und macht keine Aussage zum Schicksal seiner Gegenleistungsverpflichtung. Die Neuregelung des § 326 I S. 1 dagegen, ordnet nunmehr für die Unmöglichkeit ausdrücklich den Wegfall der Gegenleistungsverpflichtung an.
Jedoch stellt sich auch hier die Frage, ob das Erlöschen der primären Leistungpflichten zwangsläufig
dazu führen muß, daß das Schuldverhältnis beendet wird.
Es ist schwer ersichtlich, warum nicht Pflichten anderer Art dennoch weiterbestehen oder eventuell
sogar neue begründet werden können.
So könnte z.B. daran zu denken sein, die Möglichkeit des Gläubigers seine Gegenleistung noch zu
erbringen, nicht als eigenständigen Primäranspruch anzusehen, sondern diesen als Inhalt seines
Ersatzanspruches zu bewerten.81
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß § 326 I 1 auch dahingehend ausgelegt werden kann, daß
dieser lediglich regelt, daß der Gläubiger seine Gegenleistung nicht mehr erbringen muß, jedoch
nicht ausschließt, daß er nach wie vor dazu berechtigt ist.82
Im Hinblick auf die hier thematisierte Leistungsverzögerung bzw. Schlechtleistung erscheint das Zulassen der Surrogationstheorie noch unter einem anderen Blickpunkt sachgerecht: Berücksichtigt
man die Annäherung der Leistungsverzögerung an die Schlechtleistung im Rahmen des neuen §
281, so wäre es wenig systemgerecht, dem Gläubiger bei einer Schlechtleistung ein Wahlrecht zwischen großem und kleinem Schadensersatz zuzusprechen, bzw. ihn in den Fällen des § 281 I 3 sogar auf den kleinen Schadensersatz zu beschränken (er also die Leistung erhält uns somit auch anteilig seine Gegenleistung erbringen muß) und demgegenüber dem Gläubiger bei der Leistungsver-
79
BGH NJW 1999, 3115 (3116); Soergel/ Wiedemann, § 326 Rn. 73; Huber, § 36 II 1): lässt die Surrogationstheorie nur bei Tausch- und tauschähnli-
chen Verträgen zu.
80
Kaiser, NJW 2001, Heft 34, 2425 (2428).
81
Kaiser, NJW 2001, Heft 34, 2425 (2431).
82
Anwaktkommentar/ Dauner- Lieb, § 283 Rn. 7; Huber/ Faust, Kapitel 3, Rn. 206.
16
zögerung eine Berechnungsmethode zu verweigern, die ihm ermöglicht, seine Gegenleistung noch
zu erbringen.83
Somit ist davon auszugehen, daß sowohl bei Unmöglichkeit, als auch bei Leistungsverzögerung die
Schadensberechnung nach der Surrogationsmethode möglich bleibt.84
ee) Auswirkungen auf den Primärleistungsanspruch
Gem. § 281 III verliert der Gläubiger mit Ablauf der Frist nicht automatisch den Anspruch auf die Primärleistung, wie es noch nach der alten Rechtslage gem. § 326 I 2, letzter Halbsatz der Fall war.
Dieser Anspruch endet erst mit dem von ihm geäußerten Verlangen nach Schadensersatz (§ 281 III).
Diese Neuregelung berücksichtigt, daß auch im Zeitpunkt des Fristablaufes der Gläubiger durchaus
noch am Erhalt der Leistung interessiert sein kann: Wird z.B. der Schuldner insolvent, so würde ihm
ein Schadensersatzanspruch wenig nützen. Zweckmäßiger wäre es, wenn er seinen Leistungsanspruch durchsetzen würde.85
Schwierigkeiten bereiten könnte jedoch das Abstellen auf den Zeitpunkt des „Verlangens“ des Gläubigers nach Schadensersatz. Eine entsprechende Äußerung muß den eindeutigen Willen erkennen
lassen sich auf das Schadensersatzbegehren beschränken zu wollen.86 Es wird also häufig notwendig sein, die Erklärung des Gläubigers auszulegen. Die Folge sind praktische Unsicherheiten, gerade
auch für den Gläubiger selbst.
So ist erwogen worden, darauf abzustellen, ob der Gläubiger Klage auf Schadensersatz erhoben
hat.87 Dieses Kriterium hätte jedoch die schwerwiegende Folge, daß der Schuldner wesentlich länger
im Unklaren darüber bleibt, was der Gläubiger letzlich von ihm erwartet. Als weiteren Vorschlag regte
die Schuldrechtskommission an, als maßgeblichen Zeitpunkt den Erhalt des Schadensersatzes heranzuziehen, wobei dem Schuldner hierbei die Möglichkeit einer Fristsetzung für die Ausübung des
Wahlrechtes durch den Gläubiger an die Hand gegeben werden sollte.88
Bedenklich scheint jedoch bei dieser Lösung, daß dies zu einem Gesetzestext geführt hätte, der eine
wechselseitige Fristsetzung formuliert (§ 281 setzt ja die Fristsetzung des Gläubigers selbst voraus).
Eine derartiger Gesetzestext hätte sicher nicht dazu beigetragen, daß neue Leistungstörungsrecht
einfacher und übersichtlicher zu gestalten. Somit ist trotz der oben angeführten Kritik an dem Kriterium des „Verlangens“ davon auszugehen, daß dies eine Lösung darstellt, die im Vergleich zu den-
83
Anwaltkommentar/ Dauner- Lieb, § 282 Rn. 29.
84
Entsprechend: Kaiser, NJW 2001, Heft 34, 2425 (2426); a.A.: Huber, Leistungsstörungen II, § 36, II, 5); zu § 326 a.F.: Soergel/ Wiedemann, § 326
Rn. 73.
85
BT- Drucks. 14/ 6040, S. 140.
86
BT- Drucks. 14/ 6040, S. 140.
87
Canaris, ZRP 2001, Heft 8, 329 (334).
88
BT- Drucks. 14/ 6040, S. 140.
17
letztgenannten die geringeren Nachteile sowohl für die beteiligten Vertragspartner, als auch für die
Rechtsanwender nach sich zieht.
3) Schadensersatz statt der Leistung wegen Verletzung einer Pflicht nach § 241 II (§§ 280, 282)
Schadensersatz statt der Leistung kann auch geschuldet werden, wenn lediglich nicht leistungsbezogene Nebenpflichten, also insbesondere die in § 241 II genannten Pflichten, verletzt werden.89
a) Voraussetzungen
aa) Pflichtverletzung gem. § 241 II
§ 241 II normiert die Rechtspflicht im Rahmen eines Schuldverhältnisses auf die Rechte, Rechtsgüter
und Interessen des anderen Teils Rücksicht zu nehmen. Durch die Erwähnung der „Rechtsgüter“
neben den „Rechten“ wird deutlich, daß über den insoweit begrenzten Schutzbereich des § 823 I
hinaus, auch das bloße Vermögen geschützt werden soll. 90
Darüber hinaus kann eine Verletzung dieser Pflicht z.B. darin liegen, daß der Schuldner zwar das
Leistungsinteresse des Gläubigers vollständig erfüllt, er jedoch ein sonstiges Verhalten an den Tag
legt, das den planmäßigen Leistungsvollzug für den Gläubiger unzumutbar macht.
Zu denken ist z.B. an den Fall, daß der Schuldner während seiner ordnungsgemäßen Leistungserbrigung rassistische oder massiv beleidigende Äußerungen von sich gibt. 91
Ein weiteres klassisches Beispiel für eine derartige Fallkonstellation ist die, daß ein Maler, der zwar
die von ihm übernommenen Malerarbeiten ordentlich ausführt, jedoch immer wieder schuldhaft die
Eingangstür seines Auftraggebers beschädigt.92
Schadensersatz wegen der Sachschäden an der Haustür kann der Gläubiger unmittelbar aus § 280 I
verlangen. Darüber hinaus kann sich aber die Frage stellen, wann das Verhalten des Malers ein solches Ausmaß angenommen hat, daß dessen Weiterbeschäftigung dem Gläubiger nicht mehr zuzumuten ist. In einem solchen Fall wird der Gläubiger daran interessiert sein, einen anderen Maler zu
beauftragen und die hierfür entstanden Mehrkosten dem ersten Maler in Rechnung zu stellen.
Er wird somit Schadensersatz statt der Leistung verlangen wollen. Unter welchen weiteren Voraussetzungen dies möglich ist, regelt § 282:
bb) Unzumutbarkeit der Leistung
§ 282 setzt des weiteren voraus, daß das das Weiterführen der Leistung durch den gem. § 241 II
pflichtwidrig handelnden Schuldner für den Gläubiger unzumutbar ist.
89
BT- Drucks. 14/ 6040, S. 141.
90
Bsp.: Jemand wird durch falsche Beratung zu schädlichen Vermögensdispositionen veranlasst. (BT. Drucks. 14/ 6040, S. 125.)
91
Bsp. bei: Gsell, 105 (118).
92
Bsp. bei Dauner- Lieb, § 2 Rn. 46; bei: Wilmowsky, JuS 2002, Beilage zu Heft 1, 1 (15).
18
Wann dies der Fall ist, stellt eine Wertungsfrage dar. Dabei müssen die Interessen des Gläubigers
und des Schuldners Berücksichtigung finden.93 In diesem Zusammenhang kann auch zu berücksichtigen sein, ob der Gläubiger dem Schuldner zuvor eine Abmahnung hat zukommen lassen.
In dem obigen Maler- Beispiel würde somit ohne Abmahnung ein Schadensersatzanspruch statt der
Leistung dann nicht gerechtfertigt sein, wenn die Beschädigungen zunächst kein besonderes Gewicht haben.94
Es wird folglich deutlich, daß sich auch hier wiederum eine Wertungsfrage eröffnet. Ähnlich wie die
nach bisherigem Recht behandelten Fälle der positiven Forderungsverletzung ist somit maßgeblich,
ob die Nebenpflichtverletzung den Vertragszweck derart gefährdet, daß vom Gläubiger nach Treu
und Glauben gem. § 242 ein Festhalten am Vertrag nicht mehr erwartet werden kann.
b) Rechtsfolge
Sind diese Tatbestandsmerkmale erfüllt, so kann der Gläubiger Schadensersatz statt der Leistung
verlangen. 95 Zu Inhalt und Umfang des Anspruchs siehe die Ausführungen unter III) 2) b).
4) Schadensersatz statt der Leistung bei Ausschluß der Leistungspflicht (§§ 280, 283)
a) Voraussetzungen
aa) Befreiung von der Leistungspflicht gem. § 275 I bis III
Ein Schadensersatzanspruch gem. § 280 I, III, 283 setzt voraus, daß ein Leistungshindernis des §
275 eintritt und der Schuldner in Folge dessen von seiner Leistungspflicht frei wird.
Nach § 275 fällt unter diese Leistungshindernisse zum einen die Situation, daß die Leistung von niemandem mehr erbracht werden kann (§ 275 I) -im Kaufrecht ist insbesondere an den Fall eines nicht
behebbaren Mangels zu denken- und zum anderen die Leistungsverweigerung wegen grober Unverhältnismäßigkeit oder Unzumutbarkeit (§ 275 II u. III). Im Gegensatz zu § 275 I tritt in diesem Fall
eine Befreiung von der Leistungspflicht aber erst dann ein, wenn der Schuldner sein Leistungsverweigerungsrecht im Rahmen einer Einrede geltend macht.
Zu beachten ist, daß von dieser Regelung allein das nachträgliche Leistungshindernis erfasst wird. 96
Für das anfängliche Leistungshindernis steht eine spezielle Regelung in § 311 a II bereit:
bb) Abgrenzung zur Sonderregelung des § 311a II
Die Sonderstellung der Schadensersatzregel des § 311a II gegenüber den §§ 280 I ff. rechtfertigt
sich dadurch, daß hier schon aufgrund der Unmöglichkeit ab Vertragsschluß die Leistung selbst nicht
verlangt werden kann. Die erforderliche Pflichtverletzung besteht somit nicht darin, daß die Leistung
93
BT- Drucks. 14/ 6040, S. 142.
94
BT- Drucks. 14/ 6040, S. 142.
95
Palandt-Ergänz./ Heinrichs, § 282 Rn. 3; Senne, JA 2002, Heft 5, 424 (430).
96
Leistungshindernis, welches nach Begründung des Schuldverhältnisses entstanden ist: Wilmowsky, JuS 2002, Beilage zu Heft 1, 1 (13).
19
nicht erbracht wird, sondern darin, daß der Schuldner den Vertrag geschlossen hat, obwohl er die
Unmöglichkeit kannte oder kennen musste.
cc) Vertretenmüssen des Leistungshindernisses
Der Schuldner muß das Leistungshindernis nach §§ 276 ff. zu vertreten haben.97 Kritiker wenden ein,
daß eine zu vertretende Pflichtverletzung i.S.d. § 280 I dann nicht vorliegen kann, wenn der Schuldner gem. § 275 gerade keine Pflicht zur Leistung hat.98
Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß den Schuldner aufgrund des Vertrages zumindest auch die
Nebenleistungspflicht trifft, zu verhindern, daß nach Vertragsschluß Leistungshindernisse entstehen.99Er verhält sich somit pflichtwidrig, wenn er es unterlässt, Leistugshindernisse abzuwenden und
kann somit zumindest insoweit das Leistungshindernis zu vertreten haben.
b) Rechtsfolgen
Hinsichtlich der Rechtsfolgen verweist Satz 2 des § 283 auf die entsprechende Anwendung der Regelungen des § 281 I 2, 3, V .100 Lediglich nicht verwiesen wird auf das Erfordernis der Fristsetzung
des § 281. Dieses wäre auch im Fall der Unmöglichkeit der Leistungserbringung wenig sinnvoll.
c) Herausgabe des Ersatzes gem. § 285
Der Schuldner kann durch einen Umstand, der seine Befreiung bewirkt hat (§ 275 I – III), einen Ersatz oder Ersatzanspruch erlangt haben (z.B. einen Anspruch auf eine Versicherungsleistung ).
Gem. § 285 I kann der Gläubiger die Herausgabe dieses Ersatzes oder die Abtretung des Ersatzanspruches verlangen. Diese Vorschrift entspricht sinngemäß § 281 a.F., wobei dieser lediglich auf die
Unmöglichkeit der Leistung abstellte und nicht, wie § 285 I n.F. weitere Befreiungsgründe umfasst. 101
Darüber hinaus ergibt sich ein Unterschied aus der Ausgestaltung der Vorschrift des § 275 II als Leistungsverweigerungsrecht. Solange der Schuldner die Einrede des § 275 II nicht erhebt, kann der
Gläubiger sich auch nicht auf § 285 berufen.
Somit gibt die neue Gesetzeslage dem Schuldner die Möglichkeit ein Surrogat, daß ausnahmsweise
wertvoller ist als die Leistung zu behalten, indem er die Einrede des § 275 II nicht erhebt.
C) Das Verhältnis zwischen Schadensersatz und Rücktritt
1) Aufhebung der Alternativität von Schadensersatz und Rücktritt
Eine wesentliche Abweichung des neuen Schuldrechtes von den bisherigen §§ 325, 326 a.F. besteht
darin, daß es keinen einheitlichen Tatbestand mehr gibt, der gleichzeitig die Voraussetzungen für den
Übergang auf den Schadensersatz statt der Leistung benennt wie auch den Rücktritt vom Vertrag
97
Palandt- Ergänz./ Heinrichs, § 283 Rn. 4.
98
Anmerkung in: BT- Drucks. 14/ 6040, S. 142; Wilmowsky, JuS 2002, Beilage zu Heft 1, 1(14).
99
Wilmowsky, JuS 2002, Beilage zu Heft 1, 1 (14)
100
Siehe Ausführungen oben unter III) 2) b).
20
normiert. Nunmehr ist der Schadensersatz statt der Leistung und der Rücktritt vom Vertrag jeweils in
eigenständigen, wenn auch weitgehend parallelen, Tatbeständen geregelt (§§ 280 I, 281 bzw. §
323).102 Der wohl bedeutenste Unterschied in den Tatbestandsvoraussetzungen liegt darin, daß der
Rücktritt nach neuem Recht unabhängig vom Vertretenmüssen erfolgen kann.
Im Folgenden wird nun die Frage erörtert, in welchem Verhältnis diese beiden Rechtsbehelfe stehen:
Nach altem Recht musste sich der Gläubiger entscheiden: Entweder er verlangte Schadensersatz
wegen Nichterfüllung oder er trat vom Vertrag zurück (§§ 325 I 1, 326 I 2 a.F.).103
Durch dieses Verhhältnis der Alternativität zwischen den beiden Rechtsbehelfen bestand die Gefahr
für den Gläubiger, der sich vorschnell für Rücktritt entschied, sich die oftmals den für ihn günstigeren
Rechtsbehelf des Schadensersatzes zu versperren. Um nicht juristisch vorgebildetete Gläubiger nicht
unzumutbar zu benachteiligen, mussten ihre Erklärungen häufig großzügig als Schadensersatzverlangen gedeutet werden.104
Durch die Neuregelung in § 325 dagegen, wird die Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen
durch den Rücktritt nicht mehr ausgeschlossen.
Ein Käufer, der bereits zurückgetreten ist, kann also auch noch Schadensersatz wählen. Auch besteht die Möglichkeit, neben dem Rücktritt Schadensersatz zu verlangen.105
2) Grenzen der Vereinbarkeit von Schadensersatz statt der Leistung und Rücktritt
Diese neu geschaffene Möglichkeit, Rücktritt und Schadensersatz statt der Leistung zu kombinieren,
darf jedoch nicht dazu führen, daß daß sich der Gläubiger solche Posten, die sich wirtschaftlich entsprechen, sowohl als Schadensersatz als auch im Rahmen der rücktrittsrechtlichen Rückabwicklung
und also doppelt erhält.106
Zur Verdeutlichung dieser Problematik folgendes Beispiel:107
Bauer T hat seinen Traktor (Wert: 900 Euro) gegen die Kuh des K (Wert: 1000 Euro) eingetauscht
und wartet nun nach Übereignung und Übergabe des Traktors vergeblich auf die Leistung der Kuh.
Nach erfolgloser Nachfristsetzung tritt T gem. § 323 I vom Vertrag zurück und verlangt gleichzeitig
Schadensersatz statt der Leistung gem. §§ 280 I, III, 281.
101
BT- Drucks. 14/ 6040, S. 144.
102
Gsell, (105) 124.
103
Eine Kombination war nach altem Recht der Sache nach dann möglich, wenn sich der Gläubiger für einen SE-Anspruch entschied und diesen nach
der Diff.methode berechnete. Die Wahl des Rücktritts dagegen versperrte die Kombination der beiden Rechtsbehelfe.
104
BT- Drucks. 14/ 6040 S. 188.
105
BT- Drucks. 14/ 6040, S. 188; Zimmer, NJW 2002, 1 (8); Canaris, JZ 2001, 499 (514); einschränkend: Huber, in Ernst/ Zimmermann, 34 (181): Eine
Kombination sei hiernach nur möglich, wenn der Rücktritt aufgrund eines Umstandes erfolgt, den der Schuldner zu vertreten habe. Dann kann neben
dem Rücktritt ein Anspruch auf Ersatz des Vertrauennsschadens entstehen.
106
Canaris, JZ 2001, Heft 10, 499 (514).
107
Bsp. angelehnt an: Bsp. bei Meier, Jura 2002, 187 (195) und Lorenz, Differenz/ Surrogationstheorie, 1 (3).
21
Fraglich ist nun, wie sich dieser Schadensersatzanspruch berechnet:
Zu denken ist zum einen an die Surrogationsmethode, nach der die Gegenleistungspflicht des Gläubigers unberührt bleibt und lediglich die ihm geschuldete Leistung durch einen Geldanspruch ersetzt
wird. Danach würde der Traktor bei K verbleiben und T statt der Kuh Geldersatz (1000 Euro) erhalten. Bedenklich ist jedoch, daß - mit diesem Ergebnis kollidierend - nach den Regelungen des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren sind (§ 346 I). Es wäre jedoch nicht sachgerecht, wenn T nach Rücktrittsrecht den Traktor zurückfordern könnte und zugleich nach der Surrogationstheorie er das volle Äquivalent für die Gegenleistung verlangen dürfte.
Somit ist davon auszugehen, daß nach dem Rücktritt Schadensersatz statt der Leistung nur nach der
Differenzmethode berechnet werden kann: T erhält also seinen Traktor zurück und bekommt lediglich
die Differenz zwischen dessen Wert und dem Wert der Kuh (also 100 Euro), sowie eventuelle Folgeschäden in Geld ersetzt. Will er hingegen den gesamten Wert der Kuh ausgeglichen haben, so darf
er nicht zurücktreten.
Zusammenfassend lassen sich also drei Möglichkeiten aufzeigen, die dem T nach neuem Recht (unabhängig davon, ob er den Traktor schon an K übereignet hat) zustehen, wenn er nach erfolgloser
Nachfristsetzung kein Interesse mehr an der Kuh des K hat:
1) T kann entweder nur zurücktreten. Dann erlischt K´s Anspruch auf den Traktor, den T ggf. nach §
346 I zurückverlangen kann.
2) T kann auch nur Schadensersatz verlangen, also ohne Rücktritt. K´s Gegenanspruch könnte dann
bestehen bleiben, so daß er den Traktor verlangen, bzw. behalten kann. T´s Schadensersatzanpruch
richtet sich dann auf 1000 Euro (Surrogationsmethode).
3) Darüberhinaus kann T auch Rücktritt und Schadensersatz kombinieren: Wie oben dargelegt, kann
er dann nach dem Rücktritt zwar seinen Traktor behalten, bzw. zurückverlangen, daneben Schadensersatz jedoch nur nach der Differenzmethode, also i.H.v. 100 Euro verlangen.
D) Die Bedeutung der Unterscheidung zwischen Mangel- und Mangelfolgeschaden im neuen
Schuldrecht
Ein wesentliches Ziel der Schuldrechtsmodernisierung war, die Unsicherheiten zu beseitigen, die sich
bei der Abgrenzung von „Mangelschäden“ und „Mangelfolgeschäden“ ergeben haben.108
Im Gegensatz zum Mangelschaden, als dem Schaden an der Kaufsache selbst,
109
stellt der sog.
Mangelfolgeschaden den Schaden dar, der dem Käufer durch den mangelhaften Vertragsgegenstand
an anderen Rechtsgütern entsteht. 110
108
BT- Drucks. 14/ 6040, S. 133.
109
BT- Drucks. 14/6040, S. 225; BGHZ 77, 215 (218): geschützt werde soll das „Äquivalenzinteresse“, also das Intersse des Käufers, für den Kaufpreis
eine vollwertige Gegenleistung zu erhalten; Larenz, I / § 9 I a) 2) Bsp.: mangelbedingter Minderwert der Kaufsache.
22
Eine Unterscheidung war maßgeblich für die Frage, ob ein konkreter Schaden nach den Regeln der
positiven Vertragsverletzung ersetzt werden konnte oder ob die Rechtsbehelfe der Sachmängelgewährleistung (§§ 459 ff. a.F.) einschlägig waren.111
Die Rechte des Käufers einer mangelhaften Sache richten sich nunmehr nach § 437, der in seiner
Nr.3 auf die §§ 440, 280, 281, 283, 311a und somit auf die allg. Schadensersatzregeln verweist.
Liefert der Verkäufer eine mangelhafte Sache, so verletzt er seine Pflicht gem. § 433 I 2, die darin
besteht, dem Käufer eine mangelfreie Sache zu verschaffen.
Hat er diese zu vertreten, so ist der Grundtatbestand des § 280 I erfüllt und er kann unter den Voraussetzungen des § 281 Schadensersatz wegen nicht wie geschuldet erbrachter Leistung verlangen.112 Eine Abgrenzung zwischen Mangel- und Mangelfolgeschaden scheint insoweit nicht mehr
nötig.
Dies scheint auch dadurch erreicht, daß mit § 438 eine Sonderverjährungsregel für kaufrechtliche
Mängelansprüche geschaffen wurde, die sowohl Schadensersatzansprüche wegen Mangel- als auch
wegen Mangelfolgeschäden erfasst und somit zu einem Verjährungsgleichlauf beider Schadenspositionen führt.113
Jedoch stellt sich die Frage, ob die Abgrenzung zwischen Mangel- und Mangelfolgeschaden nicht bei
der Zuordnung der einzelnen Schadenspositionen unter die einschlägige Schadensersatzvorschrift
und insbesondere bei der Abgrenzung von § 280 I zu § 281 erneut Bedeutung gewinnt:
Geht man mit dem Gesetzgeber davon aus, daß der Schadensersatz statt der Leistung den eigentlichen Mangelschaden erfasst und demgegenüber § 281 I die Schäden ersetzt, die die mangelhafte
Kaufsache an an anderen Rechtsgütern des Käufers eintreten lässt 114, so liegt es nahe, die Abgrenzung zwischen Schadensersatz statt der Leistung und einfachem Schadensersatz künftig in der gleichen Weise vorzunehmen, wie bisher die Grenzziehung zwischen Schadensersatz aus positiver Vertragsverletzung und Schadensersatz nach § 463 a.F.
Insoweit würde also auch die Abgrenzung zwischen Mangel- und Mangelfolgeschaden wieder relevant. Bedenklich scheint jedoch, daß die Zuordnung bestimmter Schadenspositionen als Mangel-
110
Larenz, II/ 1 § 41 II c); Medicus, § 74 Rn. 72; BGHZ 77, 215 (218): der Schaden bertrifft das „Integritätsinteresse“ als das Interese des Käufers, nicht
durch die Kaufsache zusätzliche Einbußen am Vermögen zu erleiden.
111
BGHZ 77, 215 (217).
112
BT- Drucks. 14/6040, S. 94.
113
Palandt-Ergänz./ Heinrichs, § 280 Rn. 18; Mansel/ Budzikiewicz, § 5 Rn. 15; Anwaltkommentar/ Büdenbender, § 438 Rn. 10; kritisch: Wagner, JZ
2002, S. 475 (478); Canaris, ZRP 2001, 329 (335), der vorschlägt, die Mangelfolgeschäden dem allgemeinen Verjährungsrecht zu unterwerfen.
114
BT- Drucks. 14/ 6040, S. 225.
23
bzw. Mangelfolgeschaden, insbesondere in Fällen der bloßen Vermögensschäden, im Einzelnen
umstritten war.115
So werden in der Literatur weitere, neue Möglichkeiten einer Abgrenzung zwischen einfachem Schadensersatz und Schadensersatz statt der Leistung vorgeschlagen:
Nach einer Ansicht wird darauf abgestellt, ob bei dem betreffenden Schadensposten eine Nachfristsetzung (und somit die Zuordnung zu § 281) sinnvoll ist oder nicht.116
Handelt es sich hiernach um Schäden, die sich auch durch eine erfolgreiche Nacherfüllung nicht
mehr beheben lassen, so ist eine Qualifizierung als Schadensersatz statt der Leistung, der eine angemessene Nachfrist voraussetzt, ausgeschlossen.
Problematisch wird diese Abgrenzung jedoch bei der Bewertung eines entgangenen Veräußerungswinnes: Hier müßte man weiter differenzieren: Besteht die Chance, daß ein entsprechender Gewinn
nach erfolgreicher Nacherfüllung noch realisiert werden kann, dann müßte man gem. § 281 eine
Fristsetzung verlangen können.117 Ist dagegen sicher, daß infolge der mangelhaften Leistung der
Gewinn bereits endgültig entgangen ist (etwa wenn der Käufer an seinen Abkäufer liefern muß, bevor
eine event. Nachfrist abgelaufen wäre), so liegt hiernach ein einfacher Schadensersatz vor.
Nach anderer Ansicht wird entscheidend auf das spezifische Leistungsinteresse des Käufers abgestellt:118
Dieses liegt grundsätzlich darin, daß der Käufer diejenigen Vermögensvorteile erhält, die er aufgrund
des Leistungsverprechens erwarten darf. Dagegen ist es nicht primär darauf gerichtet, den Käufer vor
dem Erleiden von Nachteilen an sonstigen Rechtsgütern zu bewahren. Derartige Schadenspositionen
werden somit hiernach nicht anstelle der Leistung, also gem. § 281 ersetzt, sondern lediglich gem. §
280 I neben der Leistung.
Diese Ansicht berücksichtigt die Formulierung des Gesetzgebers, der mit dem Wortlaut „statt der
Leistung“ alle Schadenspositionen umfassen will, die die ansich geschuldete Leistung ersetzen.119
Im Umkehrschluß bleiben für § 280 I diejenigen Schäden übrig, deren Ersatz auch verlangt werden
kann, wenn am Anspruch auf die Leistung festgehalten wird. 120
Dies sind vor allem die schon nach früherem Recht über die p.V.V. ersetzbaren Mangelfolgeschäden.
Somit wird deutlich, daß auch hiernach erneut die Abgrenzung zwischen Mangel- und Mangelfolgeschäden relevant wird.
115
Bsp.: entgangener Gewinn: Mangelschaden: Palandt/ Heinrichs, § 276 Rn. 110; Soergel/ Huber, Anh. § 463 a.F. Rn. 28; a.A.: als Mangelfolgescha-
den bewertend: Erman/ Grunewald, Vor § 459 a.F. Rn. 34.
116Anwaltkommentar/
Dauner- Lieb, § 280 Rn. 51.
117
Anwaltkommentar/ Dauner- Lieb, § 280 Rn. 52.
118
Huber, in Huber/ Faust, Kap.13 Rn. 105.
119
BT- Drucks. 14/ 6040, S. 137.
120
Dauner- Lieb/ Dötsch, DB 2001, 2535 (2537).
24
Erweitert man die letztgenannte Ansicht dahingehend, daß man über den bisherigen Begriff des
Mangelfolgeschadens hinaus alle Folge und Begleitschäden (insbesondere auch Vermögenssachäden, die nach der bisher h.M. nicht als über die p.V.V. ersatzfähige Mangelfolgeschäden qualifiziert
wurden)121 unter § 280 I subsumiert, so eröffnet sich eine weitgehend klare Abgrenzung zwischen §
280 und § 281, die sich schwerpunktmäßig am Wortlaut statt der Leistung orientiert:122
Handelt es sich demnach um einen Schaden, der nicht der Kaufsache selbst anhaftet und der unabhängig von der Sachmängelgewährleitung neben dem eigentlichen Leistunginteresse entstanden ist,
so greift § 280 I.
Allerdings erfordert dies eine Auseinandersetzung mit dem Begriff dieser „Folgeschäden“ und führt
somit erneut zu einer ähnlichen Grenzziehung, welche schon im Rahmen der § 463 a.F. und p.V.V
bzw. der Unterscheidung von Mangel- und Mangelfolgeschaden erforderlich war.
Zur näheren Erläuterung folgendes Fallbeispiel:
E) Fallbeispiel 123
„Der defekte Backofen“
A bestellt bei dem Backofenhersteller B einen Backofen für sein neues Restaurant. Bei der Übergabe
bemerkt B fahrlässig nicht, daß das Abzugsrohr defekt ist. Es kommt zu einem Komplettausfall, den B
nach 10 Stunden Nachbesserungsarbeit beheben kann.
A konnte jedoch in dieser Zeit seine Kunden nicht bedienen und erleidet einen Bertriebsausfallschaden i.H.v. 1000 Euro. Kann A diesen Betrag von B ersetzt verlangen ?
1) Lösung nach altem Recht
Ein Schadensersatzanspruch gem. § 480 Satz 2 a.F. kam nicht in Betracht, da B weder arglistig gehandelt noch eine Eigenschaft zugesichert hat.
Fraglich war, ob A ein Anspruch aus p.V.V. geltend machen konnte.
Das hing davon ab, ob ein Mangel- oder ein Mangelfolgeschaden geltend gemacht wurde. Auf Mangelschäden war die p.V.V. wegen der abschließenden Regelung der §§ 459 ff a.F. nicht anwendbar.124 Ob ein Betriebsausfallschaden als Mangel- oder Mangelfolgeschaden einzuordnen war, war
stets umstritten: Überwiegend wurde er als bloßer Mangelschaden bewertet, der nicht über die p.V.V.
121
Bsp.: Betriebsausfallschaden, siehe: Palandt/ Heinrichs, § 276 Rn. 110; Soergel/ Huber, Anh. § 463 a.F. Rn. 28; a.A.: Erman/ Grunewald, Vor § 459
a.F. Rn. 34; dazu gleich unter E) das Fallbeispiel.
122
Vorschlag bei Dauner- Lieb/ Dötsch, DB 2001 in Fn. 43; Palandt-Ergänz./ Heinrichs, § 280 Rn. 18; a.A.: Recker, NJW 2002, 1247 (1248) will auch
„Mangelfolgeschäden“ § 281 zuordnen.
123
Fall angelehnt an: Dauner- Lieb, Anwaltskript: Fälle und Lösungen, Fall 73 u. 75 und Bsp. in Dauner- Lieb/ Dötsch, DB 2001 2523 (2537).
124
BGHZ 77, 215 (217).
25
ersetzt werden konnte.125 Hiernach hatte A also keinen Anspruch aus p.V.V. Ein Schadensersatzanspruch aus 286 I a.F. scheiterte daran, daß die Voraussetzungen des Verzuges nicht vorlagen.
Folglich konnte A nach überwiegender Ansicht von B keinen Schadensersatz i.H.v. 1000 Euro verlangen.
2) Lösung nach neuem Recht
Ein Anspruch des A auf Schadensersatz könnte sich aus §§ 280 I, 437 Nr. 3, 434 I 2 Nr. 2 ergeben.
Voraussetzung ist, daß gem. § 280 I 1 eine Pflichtverletzung vorliegt. Im Rahmen des Kaufvertrages
ist B gem. § 433 I 2 zur Leistung einer mangelfreien Sache verpflichtet. Die Lieferung eines mangelhaften Ofens (§ 434 I 2 Nr.2) stellt somit eine Pflichtverletzung dar.
B hat auch fahrlässig gehandelt und kann daher fehlendes Verschulden gem. § 280 I 2 nicht einwenden. Folglich sind die Voraussetzungen des § 280 I erfüllt, ein Schadensersatzanspruch des A gegenüber B ist somit begründet.
Fraglich ist jedoch, ob der hier geltend gemachte Schaden unmittelbar über § 280 I ersetzt werden
kann oder ob sein Ersatz über § 280 II und III an zusätzliche Voraussetzungen (Mahnung bzw. Fristsetzung) gebunden ist.
Man könnte daran denken, daß es sich bei dem hier vorliegenden Schaden um einen „Verzögerungsschaden“ handelt, so daß für einen Schadensersatzanspruch gem. § 280 II i.V.m. 286 erst noch
die Voraussetzungen des Verzuges vorliegen müssten.
Begründet wird diese Ansicht mit dem Hinweis darauf, daß die Lieferung einer mangelhaften Sache
zu den Pflichten des Käufers gem. § 433 I 2 gehört und insofern in der Lieferung einer mangelhhaften
Sache auch immer die Verzögerung der geschuldeten mangelfreien Leistung liegt.126
Demgegenüber geht die Gesetzesbegründung davon aus, daß die hier relevante Pflichtverletzung in
der Lieferung einer mangelhaften Sache liege und nicht in der Verspätung mit einer ordnungsgemäßen Leistung. 127
Berücksichtigt man diese Wertung des Gesetzgebers, so stellt sich nur noch die Frage, ob man weiter mit der Gesetzesbegründung davon ausgeht, daß dieser Schaden direkt über § 280 I zu ersetzen
ist128 oder ob er im Rahmen des § 281 als Schadensersatz statt der Leistung Berücksichtigung finden
sollte.129
Legt man die unter C) erörterte Abgrenzung der beiden Vorschriften zu Grunde, so ergibt sich im
vorliegenden Fall eine eindeutige Zuordnung:
125
Soergel/ Huber, Anh. § 463 Rn. 28; Palandt/ Heinrichs, § 276 Rn. 110; a.A.: Erman/ Grunewald, Vor § 459 Rn. 34.
126
Dauner- Lieb, § 2 Rn. 44; Faust, in Huber/ Faust, Kap. 3 Rn. 223; a.A.: Huber, in Huber/ Faust, Kap. 13 Rn. 107 ff, der den Betriebsausfallschaden
unter § 281 einordnet.
127
BT- Drucks. 14/ 6040 S. 225.
128
BT- Drucks. 14/ 6040, S. 225.
129
Huber, in Huber/ Faust, Kap. 13 Rn. 107 ff.
26
Der Betriebsausfallschaden ist ein Schaden, der in Folge der mangelhaften Lieferung des B im Vermögen des A entstanden ist. Sein Ersatz kann auch verlangt werden, wenn am Anspruch auf die
Leistung (einen mangelfreien Ofen zu erhalten) festgehalten wird.
Es handelt sich daher nicht um einen Schadensersatz, der die ursprünglich geschuldete Leistung
ersetzen soll, sondern um einen Anspruch der neben den fortbestehenden Anspruch auf Leistung
tritt. Die Anwendung des § 281, der Schadensersatz statt der Leistung gewährt, scheidet insofern aus
und es rechtfertigt sich die Einordnung dieser Schadensposition unter § 280 I.
A kann somit von B ohne Fristsetzung Ersatz des vollen Betriebsausfallschadens i.H.v. 1000 Euro
gem. §§ 280 I, 437 Nr. 3, 434 I 2 Nr. 2, verlangen.130
F) Fazit
Abschließend ist festzuhalten, daß durch die Umstrukturierung der Schadensersatzregeln m.E. das
Ziel erreicht wurde, das allgemeine Leistungsstörungsrecht klarer und übersichtlicher zu gestalten.
Auch wenn es, wie dargelegt, vereinzelt zu Unklarheiten und Abgrenzungsschwierigkeiten kommt,
kann die neue Systematik im Gegensatz zu der alten Gesetzeslage, die in mehreren über das Gesetz
verteilten Vorschriften die Verpflichtung des Schuldners zum Schadensersatz niederlegte, als weitaus
„anwenderfreundlicher“ angesehen werden.
Berücksichtigt man, daß es undenkbar scheint, einen Gesetzeswortlaut zu verfassen, der jede denkbare Fallkonstellation erfasst, so ist das neue System, welches auf einer weitgehend klaren und
übersichtlichen Struktur aufbaut, durchaus zu begrüßen.
130
Zu einem entspr. Ergebnis würde man wohl auch kommen, wenn man den Betriebsausfallschaden, wie Huber (Huber/ Faust, Kap.13, Rn. 108) unter
§ 281 einordnet: Die Fristsetzung wäre gem. § 281 II entbehrlich, weil sie sinnlos wäre: Der eingetretene Schaden konnte auch durch eine erfolgreiche
Nachbesserung des Ofens nicht beseitigt werden.
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