Theorien aggressiven Verhaltens Teil 1 von Conny Thate Seminar: Hilfeverhalten und Aggression, WS 2006/07 Aggression - Feindseliges, sich in mehr oder weniger absichtsvollen verbalen oder tätlichen Angriffen gegen Personen oder Gegenstände äußerndes Verhalten. - Humanpsychologie: Aggressivität im Sinne einer Einstellung bzw. als generelle Persönlichkeitseigenschaft (relativ überdauernde Neigung einer Person, sich in feindselig-ablehnenden bzw. oppositionellen Einstellungen und/oder Handlungen zu ergehen) Aspekte zur Differenzierung von Aggressionsarten - nach Situationsgebundenheit: spontan vs. reaktiv - nach Auslösern/Mediatoren: z.B. frustrationsbedingte, ärgerliche - nach affektiven Beteiligung: affektiv vs. "kalt" - nach Äußerungsform: verbal, symbolisch, physisch offen vs. verdeckt direkt vs. indirekt - nach der Zielrichtung: instrumentell vs. nicht-instrumentell - nach der Funktion: Evolutionärer Erfolg, Sexuelle Erregung, Verteidigung, Herstellung von Normgeltung + Gerechtigkeit, Soziale Identität + Sicherung des Selbstwerts, Soziale Anpassung und Anerkennung, Erlangung knapper Güter, Schädigung Biologische Erklärungsansätze 1) Ethologische Sicht: Aggression als innere Energie - Lorenz (1974): - Organismus bildet ständig aggressive Energien (Tier und Mensch) Ausbildung aggressiven Verhaltens abhängig von: 1) Höhe angesammelter aggressiver Energie zu bestimmtem Zeitpunkt 2) Stärke externer Stimuli, der aggressive Antwort hervorrufen könnte je höher 1), desto niedriger 2) notwendig und anders herum; wenn 1) zu hoch + kein 2) -> spontane Aggression - keine angeborene Hemmung -> Aggression und Gewalt unkontrolliert - durchdringende + notwendige Eigenschaft -> Kontrolle durch Sport Kritik (Mummendey 1996): - operationalisierte Definition aggressiver Energie fehlt - aggressives Energiepotential in Individuum zu bestimmtem Zeitpunkt nicht abschätzbar - Menschen können unterschiedliche aggressive Verhaltensweisen in kurzer Zeitfolge aufzeigen - aggressive Handlung löst oft weitere aus, anstatt abzustellen 2) Sozio-Biologische Sicht: Aggression als Evolutionsprodukt - Evolutionstheorie Darwins (1859) als Ausgangspunkt: Verhaltensanpassung zur Überlebenssicherung der Art + einzelner Mitglieder - Daly & Wilson (1994); Buss & Shakelford (1997): - aggressives Verhalten adaptiv, wenn bei Fortpflanzung erfolgserhöhend Weitergabe „aggressiver Gene“ - unmittelbare (soziale Konditionen, kurzeitige Organismusprozesse) + ultimative Faktoren (formen Entwicklung im Evolutionsprozess) als Ursache - Erklärung sexueller Aggression (Thornhill & Thornhill 1991) - optional, wenn hohes Risiko für geringe Fortpflanzungsmöglichkeiten (mit beidseitigem Einverständnis) Vergewaltigungspotential als Teil evolutionären Erbes - Argumente: 1) gezwungene Paarung bei verschiedenen Spezies 2) Vergewaltigte = jung + auf Höhepkt Reproduktionsfähigkeit v.a. Männer mit niedrigem sozio-ökonomischen Status Aggression steigert Reproduktion und Selektion Gene 3) Verhaltensgenetik: Ist Aggression vererblich? - Annahme: genetisch verbundene Individuen haben gleiche Aggressionstendenzen Frage: was entspringt Natur bzw. Prägung? Trennung familiärer Einfluss und Natur: 1) Forschung mit Adoptivkindern – Verhalten Kinder verglichen mit biologischen + Adoptiveltern 2) Zwillingsforschung: eineiige + zweieiige Zwillinge (100 bzw. 50% gleiches Erbgut) -> Nachweis, dass identische Zwillinge ähnlicher bezüglich aggressiven Verhaltens als zweieiige Zwillinge würde Annahme beweisen