Situationseinflüsse: Teil 3 Umgebungstemperatur Seminar: Aggression und Hilfeverhalten Seminarleiter: Dr. Andreas Zick Wintersemester 2006/07 Referentin: Ulrike Kretschmar „heat hypothesis“ unangenehm hohe Temperaturen steigern aggressive Motive und aggressives Verhalten Erklärung: unangenehm hohe Temperaturen negativer Gefühlszustand (Affekt) Aggression als Reaktion darauf affektive, feindselige Aggression (im Gegensatz zu instrumenteller Aggression wie z.B. Raub) am stärksten von Temperaturunterschieden beeinflusst (Tötungsdelikte, Körperverletzung, Randale, Vergewaltigung, …) diese Formen in den Studien untersucht Methodologische Ansätze 1) Vergleich von wärmeren und kälteren Regionen 2) Vergleich von wärmeren und kälteren Zeiträumen 3) Laborexperiment 1) Vergleich von Regionen Untersuchung des Einflusses der Umgebungstemperatur auf das Ausmaß aggressiven Verhaltens durch Vergleich von Archivmaterial (meteorologische Aufzeichnungen, Kriminalstatistiken…) Vergleich verschiedener Regionen eines Landes (Einfluss verschiedener politischer, wirtschaftlicher und sozialer Bedingungen gering halten) 1) Vor- und Nachteile große Mengen relativ verlässlicher Daten (nonreaktiv) nur Korrelation, keine Kausalität überprüfbar auch innerhalb eines Landes demographische und sozioökonomische Unterschiede (Bevölkerungsdichte, Ausländeranteil, Arbeitslosigkeit, Alterszusammensetzung…) 1) Ergebnisse Gewaltverbrechen in heißeren Regionen verbreiteter, als in kühleren auch nach Berücksichtigung der jeweiligen regionalen Unterschiede bleibt dieser Zusammenhang erhalten 1) alternative Erklärung „Southern culture of violence“ (Nisbett 1993) historisch gewachsene, normative Billigung aggressiven Verhaltens im Süden der USA größere Akzeptanz von Gewalt zum Selbstschutz und zur Wiederherstellung der Ehre, als Erwiderung auf eine Beleidigung/Provokation nach Beleidigung/Provokation verärgerter + zeigen eher aggressives Verhalten als Bewohner der nördlichen Staaten 2) Vergleich von Zeiträumen Untersuchung des Einflusses der Umgebungstemperatur auf das Ausmaß aggressiven Verhaltens durch Vergleich von Archivmaterial (meteorologische Aufzeichnungen, Kriminalstatistiken…) Vergleich von wärmeren und kühleren Jahren, Jahreszeiten (Sommer-Winter), Sommern, Tagen innerhalb einer Jahreszeit … 2) Vor- und Nachteile große Mengen relativ verlässlicher Daten (nonreaktiv) kein Einfluss von demographischen und sozioökonomischen Unterschieden, da jeweils nur eine Region untersucht nur Korrelation, keine Kausalität überprüfbar Einfluss von temperatur-unabhängigen „Traditionen“ Sommer-Winter: spezielle Feiertage, Massenveranstaltungen… Tageszeiten: Arbeitszeit – Freizeit, schlafen 2) Ergebnisse Verbrechensraten (Gewaltverbrechen) in den Sommermonaten am höchsten Anzahl der Notrufe (bei der Polizei) steigt an wärmeren Tagen Tötungsdelikte, Körperverletzung… in heißeren Jahren/Sommern häufiger, aber: kein Einfluss auf die Häufigkeit instrumenteller Verbrechen (Raub, Diebstahl) 2) alternative Erklärung „routine activity theory“ (Cohen & Felson 1979) temperaturbedingte Änderung der täglichen Aktivitäten (Aufenthalt im Freien, Alkoholkonsum…) Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, in aggressive Handlungen verwickelt zu werden 3) Laborexperiment Untersuchung des Einflusses der Umgebungstemperatur auf das Ausmaß aggressiven Verhaltens unter Laborbedingungen Versuchspersonen normaler oder erhöhter, unangenehmer Raumtemperatur ausgesetzt Ausmaß der Aggression z.B. durch Elektroschocks, die einer anderen Person verabreicht werden sollen, erfasst (andere Möglichkeit – siehe Bsp.) 3) Vor- und Nachteile andere Einflussfaktoren kontrolliert Kausalbeziehungen können überprüft werden Versuchspersonen wissen, dass ihr Verhalten beobachtet wird Versuchspersonen können leicht Verbindung zwischen künstlich hohen Temperaturen und gegebenen Aufgaben (Elektroschocks…) erkennen, da man intuitiv ahnt, dass hohe Temperaturen Aggression verstärken können Versuchspersonen können sich bewusst oder unbewusst anders verhalten, als sie es im täglichen Leben tun würden Beispiel (Vrij, van der Steen, Koppelaar 1994) Polizisten wurden mit einer virtual reality Situation eines Einbruchs konfrontiert, in der sie auch direkt auf den Einbrecher treffen sollten so reagieren, wie sie in Realität reagieren würden Raumtemperatur entweder 21°C oder 27°C Hinterher angeben: durch Einbrecher ausgelöster negativer Gefühlszustand wahrgenommene Aggressivität des Einbrechers wahrgenommene Bedrohung durch den Einbrecher eigene Tendenz zu schießen Ergebnis: alle Angaben bei 27°C höher Situation als bedrohlicher und unangenehmer empfunden Tendenz zu aggressiver Handlung höher 3) Ergebnisse Einige Studien – linearer Anstieg der Aggression mit steigender Temperatur Andere - umgekehrt U-förmiger Verlauf aggressive Reaktion steigt erst mit Temperatur, fällt aber ab bestimmter Höhe der Temperatur wieder ab dieser erneute Abfall tritt vor allem bei Personen auf, welche vorher provoziert worden 3) Erklärung - umgekehrt U-förmiger Verlauf „negative affect escape theory“ negativer Gefühlszustand überschreitet bestimmtes Level (durch Hitze und evtl. erfolgte Provokation) Fluchtmotiv tritt in den Vordergrund aggressives Verhalten nimmt wieder ab Siehe auch kognitiv-neoassoziationistischen Ansatz (Theorien der Aggression) Weitere Situationseinflüsse Temperatur nur eine von vielen Variablen, die negativen Gefühlszustand erzeugen nicht nur unangenehm hohe Temperaturen, auch Luftverschmutzung, Lärm, Enge, … können Aggression verstärken, wenn als unangenehm und unkontrollierbar empfunden auch Kälte ist ein möglicher Faktor, dies lässt sich jedoch nicht so einfach untersuchen, da es einfacher ist, sich gegen Kälte zu schützen, als gegen Hitze