Seminar zum Orientierungspraktikum LV Nr.: 54108 Dozent: Henning Schluß Referentinnen: Katja Campbell, Katja Liebler, Janine Wiese, Victoria Malchin 14.03.2003 Gewalt in der Schule 1. Definition Gewalt/Aggression Was ist Aggression? feindselige Haltung affektbedingtes Angriffsverhalten Aggression kann offen oder verdeckt sein Was ist Gewalt? auch Gewalt wird wie Aggression gewöhnlich als zielgerichtetes Schädigen und Beeinträchtigen verstanden aber: von Gewalt sprechen wir meist nur bei schwerer, insbesonderer körperlicher Aggression Unterscheidung von personaler und nicht personaler Gewalt Aggression im engeren Sinne: Aggression ist im Kern ein zielgerichtetes oder zumindestens „gerichtetes“ Schädigen, Beeinträchtigen und Schmerzzufügen (z. B. andere Menschen verletzen, bedrohen, beschimpfen, herabsetzen) 1.2 Aggressionstheorien Triebtheorie Grundannahme der Triebtheorie lautet: - im Organismus existiert eine angeborene Quelle, die fortwährend aggressive Impulse produziert - diese Impulse müssen sich im Verhalten ausdrücken können, ansonsten führen sie zu seelischen Störungen - in moderner Psychologie kaum noch Anhänger der Triebtheorie Frustrationstheorie besagt: - aggressives Verhalten beruht auf aggressiven Impulsen, die durch sogenannte Frustrationen entstehen - unter Frustration früher nur Störung zielgerichteter Aktivität verstanden - spätere Begriffserweiterung auf alle aversiven unangenehmen Ereignisse - im Gegensatz zur Triebtheorie entsteht Aggressionsbedürfnis nicht von selbst sondern reaktiv 1 - allerdings: einmal entstanden muss das Bedürfnis dann in irgendeiner Form zum Ausdruck kommen heute weiß man aber auch, dass ein frustrierendes Ereignis außer Aggression auch in einer anderen Form zum Ausdruck kommen kann Unterscheidung von individueller und kollektiver Aggression 1.3 Formen von Aggression 1. Unmutsäußerung, expressive Aggression - eher ungestümes Verhalten impulsiver Ärgerausdruck kein zielgerichtetes Schmerzzufügen z. B.: Wenn einem Kind etwas nicht sofort gelingt und es anfängt zu schimpfen ohne jemand Konkreten zu beschimpfen. 2. Vergeltung - zielgerichtete Antwort auf Provokation, Kränkung man will Schmerz zufügen um etwas heimzuzahlen z. B.: Kind wird getreten und „rächt“ sich später an seinem Gegner 3. Abwehr- Aggression - dient dem eigenen Schutz bzw. der Schadensabwendung Schmerzzufügen ist nur Mittel zum Zweck z. B.: Das Zurückstoßen eines angreifenden Kindes. 4. Erlangungs- Aggression - dient Nutzeffekten wie Durchsetzung, Bereicherung, Beachtung, Anerkennung Schmerzzufügung ebenfalls nur Mittel zum Zweck z. B.: kindliche Wutausbrüche zur Durchsetzung von Wünschen 5. spontane Aggressionslust - auf emotionale Befriedigung gerichtet ist keine Reaktion auf Provokation z. B.: Menschen, die Schlägereien suchen und Menschen mit sadistischen Neigungen. 6. Autoaggression - gegen sich selbst gerichtete Aggression z. B.: Wut auf sich selbst bei „verhauenen“ Arbeiten. 2 2. Ursachen Familie - Erziehung (Mangel an verbindlichen Werten und fehlende Grenzen) „Wohlstandsverwahrlosung“ Vernachlässigung Armut Eine Familie gilt als arm, wenn ihr weniger als 50% des durchschnittlichen Einkommens des Heimatlandes zur Verfügung steht (Definition nach der OECD). Schüler - fehlende soziale Kontakte (Familie, Freunde) geringes Selbstwertgefühl Schulversagen Schule - Anonymität große Klassen, Kurssystem keine Vertrauensperson soziale Auslese (dreigliedriges Schulsystem und Grundschulempfehlung) schlechte Lehrerausbildung bezüglich Pädagogik Gesellschaft/Medien - keine Zukunftsperspektiven (Arbeitslosigkeit) wenig außerschulische Betreuungsangebote (Mangel an kostenlosen Freizeitangeboten) Konsumgesellschaft Gewalt im Fernsehen 3. Berliner Schulen - 1991/92 wurden alle Schulen von der Berliner Schulverwaltung aufgefordert, Gewaltvorkommnisse zu melden Schuljahr Gewaltvorfälle 1997/98 1998/99 1999/2000 2000/01 2001/02 211 180 252 270 254 Interne Gewaltvorfälle 122 114 166 163 153 Quelle: Landesschulamt Vorfälle in der Schule mit schulinternen Tätern und Vorfälle auf dem Gelände oder Schulweg durch Schulfremde 3 - in der Sekundarstufe I ereignen sich 60% der Vorfälle, in der Primarstufe 29% und in der Sekundarstufe II 11% (Stand: 13.08.2002) Aufschlüsselung nach Gewaltarten, welche gemeldet werden sollen Deliktstruktur im Schuljahr 2001/02 rechtsextreme Delikte 14,2% Raub 1,2% Körperverletzung 34,6% Erpressung 1,2% Bedrohung 28,0% Sachbeschädigung 0,8% gefährliche Körperverletzung 18,1% sonstige 2,0% 4. Mediation - Vermittlung zwischen Streitenden Parteien durch Dritte Ortrud Hagedorn ist Begründerin des Konfliktlotsen-Konzepts Seit 1995 an Berliner Schulen Konfliktlotsen- Begriff orientiert an Schülerlotsen die die Mitschüler durch den Konflikt hindurch lotsen in Richtung Lösung 4.1 Regeln der Deeskalation - aufmerksam wahrnehmen abbrechen, Norm setzen Trennen der Kontrahenten, Abkühlungsphase ermöglichen Einfluss behalten Grenzsetzung gemeinsam durchsetzen in die Verantwortung nehmen 4.2 Vorgehen der Konfliktlotsen - Streitenden anbieten, die Hilfe der KL anzunehmen, sie in den Mediatsionsraum begleiten Einleitung, Anerkennung, das Angebot angenommen zu haben, Gesprächsregeln erläutern und Einverständnis einholen 4 - Sichtweisen der jeweiligen Situation, jede Partei darf ihren Standpunkt erklären Konflikterhellung, verborgene Interessen und Gefühle ansprechen, Kernsätze finden Problemlösung, Sammeln von Lösungsmöglichkeiten, Win-Win-Konzept Übereinkunft, Handschlag Umsetzungsphase Goldene Regeln für Konfliktlotsen - Vertrauen, Respekt der Streitenden erwerben den Streitenden Vertrauen, Respekt und Akzeptanz entgegen bringen allparteilich sein Interessen, Gefühle und Bedürfnisse ernst nehmen, kein Urteil, keine Bewertung Verantwortlich für das Verfahren, nicht für die Lösung Den Streitenden helfen, ihre Gefühle und Bedürfnisse auszudrücken Ausgleich von Machtungleichgewichten schaffen Vertrauliches Behandeln des Streits Literaturverzeichnis Besemer, Ch., 1993: Hagedorn, O., 1994: Struck, P., 1995: Mediation-Vermittlung in Konflikten Konfliktlotsen, 1994 Zuschlagen, Zerstören, Selbstzerstören www.lsa-berlin.de/gewalt/gewaltst.htm 5