Mutfried Hartmann / Rainer Loska Eckpfeiler eines nachhaltigen Bruchrechenunterrichts Wo liegt das Problem? Im üblichen Bruchrechenunterricht werden in den Einführungsstunden Rechenregeln durchaus auf einer anschaulichen Ebene abgeleitet. In den Folgestunden und über mehrere Schuljahre hinweg wird das Anwenden der Regeln trainiert. Infolge dieses Vorgehens werden die anschaulichen Vorstellungen, auf deren Basis die Regeln abgeleitet wurden, beinahe vollständig durch ein kalkülhaftes Vorgehen der Schüler verdrängt. Allein der bloße Bruchbegriff kann später noch von den Schülern mit anschaulichen Vorstellungen verbunden werden. Hingegen 1 können von den Schülern sogar einfache Operationen mit Brüchen (wie etwa 3 ) - selbst, 7 wenn ihnen Materialien zur Verfügung stehen - nicht mehr mit Handlungen in Verbindung gebracht und umgekehrt solche Handlungen nicht als Rechnungen dargestellt werden. Dies führt dazu, dass Schüler oft sogar einfache Sachkontexte im Rahmen der Bruchrechnung nicht geeignet modellieren können. Damit wird aber ein wesentliches Bildungsziel der Hauptschule nicht erreicht! Manche Lehrer lassen sich von der Idee leiten, dass insbesondere lernschwächere Schüler überfordert wären, wenn sie zusätzlich zu den Regeln auch noch anschauliche Vorstellungen ausprägen müssten. Sie hoffen, dass die verstärkte Konzentration auf das Training der Regeln wenigstens zu einer größeren Sicherheit im Anwenden derselben führt. Erfahrungen und Untersuchungen gerade auch im Bereich lernschwacher Schüler zeigen aber, dass sich ein verstärktes Training von Regeln auf Kosten der Begriffsbildung als kontraproduktiv erweist und nicht die notwendige Nachhaltigkeit sichert. Kurzfristige Trainingserfolge täuschen oft über dieses Problem hinweg. In der trügerischen Hoffnung, ihre Schüler von verzichtbaren Vorstellungen entlasten zu können, wenn sie diese durch vermeintlich einfache Regeln ersetzen, muten diese Lehrer den Schülern letztlich eine nicht mehr handhabbare Fülle an (dadurch) abstrakten Regeln (und Formeln) zu. Was soll mindestens erreicht werden? Einfache Sonderfälle: Zunächst einmal sollte man sich an den Anforderungen des Alltags orientieren. Das Rechnen mit Brüchen ist dort nur in einem elementaren Bereich - 1/2, 3/4, 2/3, etc. - üblich. Hier sollten die Schüler große Sicherheit gewinnen und dabei erkennen, dass Brüche trotz unterschiedlichem Zähler und Nenner gleichwertig sein können. Große Zähler und Nenner treten jedoch auch auf, nämlich wenn es um Anteile, Verhältnisse etc. geht. Abschätzungen von Anteilen bzw. Verhältnissen: Die Schüler sollen also in der Lage sein, Brüche als Anteile bzw. Verhältnisse zu interpretieren und umgekehrt Anteile bzw. Verhältnisse als Brüche darstellen können. Des weiteren sollen sie auch Brüche mit größeren Zählern und Nennern grob abschätzen bzw. vergleichen können. Vernetzung mit Dezimalbrüchen und Prozenten: In diesem Zusammenhang ist es wichtig, die Beziehung von Brüchen, Prozenten und Dezimalbrüchen zu verstehen und deren wechselseitige Umwandlung routiniert zu beherrschen. Operationen mit natürlichen Zahlen: Multiplikationen oder gar Divisionen mit Brüchen führt man in der Alltagspraxis nicht durch. Hier arbeitet man fast ausschließlich mit Dezimalbrüchen oder Prozenten. Allein der Sonderfall Bruch mal natürliche Zahl oder natürliche Zahl dividiert durch Bruch tritt gelegentlich auf. Gerade diese Fälle aber werden von den Schülern, die kalkülorientiert arbeiten, am schlechtesten gekonnt! Vernetzung mit Formeln und Gleichungen: Ein wichtiges Ziel auch für die Hauptschule ist es, dass die Schüler in der Lage sind, Formeln umzustellen. Dazu müssen sie Produktgleichungen lösen können, insbesondere also die Multiplikation und Division von Brüchen mit ganzen Zahlen beherrschen. Interpretation von Brüchen/Bruchaspekte: Zur Anwendung der Bruchrechnung - insbesondere bei Sachaufgaben - müssen die Schüler in der Lage sein, Brüche vielfältig zu interpretieren. Dabei spielen folgende Aspekte eine zentrale Rolle: Quasikardinaler Aspekt, Anteilsaspekt, Verhältnisaspekt, Operatoraspekt, Größenaspekt, Bruch als Quotient. Unterrichtliches Vorgehen Übliches Vorgehen Nach der Einführung des Bruchbegriffs werden die einzelnen Rechenregeln, zumindest teilweise, auch anschaulich mit Hilfe von Bildern abgeleitet. Die Rechenregeln werden als Merksätze von den Schülern gelernt und dann wird das Rechnen mit Hilfe dieser Rechenregeln zunächst isoliert, später auch vermischt trainiert. Treten z.B. Brüche und natürliche Zahlen gleichzeitig auf, werden letztere in Scheinbrüche verwandelt. Dies führt oft zu umständlichen und fehleranfälligen Vorgehensweisen wie etwa: 6 :3 7 6 3 : 7 1 6 1 7 3 6 1 73 6 1 7 3 2 1 2 7 1 7 Zentrale Ideen eines konsequent auf Anschauung basierenden Konzepts Operationen mit Brüchen werden konsequent mittels Handlungen bzw. Bilder erarbeitet. Die daraus resultierenden anschaulichen Vorstellungen sind eigens zu trainieren (z.B. durch das Erstellen und Interpretieren von Bildern). Auf Rechenregeln wie z.B. „Gleichnamige Brüche werden addiert, indem man die Zähler addiert und den Nenner beibehält!“ wird verzichtet und sie werden insbesondere nicht als zu lernende Merksätze notiert! Statt dessen wird immer wieder über alle Jahrgangsstufen hinweg auf anschauliche Vorstellungen zurückgegriffen. Dabei können auch Rechenregeln entstehen, jetzt aber als individuelle Schülerkonzepte, die diese selbst aus der Verkürzung anschaulicher Vorgehensweisen entwickelt haben. Bei diesem Vorgehen wird z.B. der Umweg über Scheinbrüche überflüssig. Das Operieren mit Brüchen und natürlichen Zahlen gewinnt statt dessen erhebliche Bedeutung. Dadurch werden nicht nur umständliche und fehleranfällige Rechenoperationen vermieden, sondern auch das in realen Sachsituationen wichtige Operieren mit Brüchen und natürlichen Zahlen wird permanent trainiert. Dieses Vorgehen sollte aus zwei Gründen die Nachhaltigkeit des Lernens fördern. Erstens werden viele Operationen vereinfacht und zweitens wird durch den Rückgriff auf die Anschauung dem Vergessensprozess entgegen gewirkt. Operationen mit Brüchen werden mit Hilfe von Materialien in natürlicher Weise eingeführt ohne strikte Trennung der einzelnen Operationen Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division mit ganzen Zahlen. Dabei wird gleichzeitig eine Flexibilität bei der Interpretation und bei der Sprech- und Schreibweise angestrebt. (Z.B. 1/4 von ... oder der 4. Teil von ... oder geteilt durch 4)