Pädagogische Hochschule Ludwigburg Sitz Reutlingen Veranstaltung: Auffällige Verhaltensweisen Dozent: Peter Glas Protokoll der Veranstaltung vom 23.10.2006 Im Rahmen des Scheinerwerbs im Fachbereich Geistigbehindertenpädagogik Modul: Psychologie Ort: Pädagogische Hochschule Reutlingen Veranstaltung: Herausfordernde Verhaltensweisen Dozent:Peter Glas 7. Fachsemester WS: 06/07 Thematische Inhalte der Veranstaltung vom 23. Oktober 2006: 1. Organisation a. Vorstellung des Dozenten b. Scheinerwerb 2. Einstieg ins Seminarthema 3. Diskussion verschiedener Begriffe rund ums Thema herausfordernder Verhaltensweisen 4. Gruppenarbeit und anschließende Vorstellung im Plenum 5. Hinweise auf den Bildungsplan 6. Reflexion 1 Ort: Pädagogische Hochschule Reutlingen Veranstaltung: Herausfordernde Verhaltensweisen Dozent:Peter Glas 7. Fachsemester WS: 06/07 1. Organisation a. Vorstellung des Dozenten Zu Beginn des Seminars stellte sich der Dozent kurz vor. Dabei berichtete er über verschiedene Arbeitsplätze in seiner Laufbahn sowie sein aktuelles Betätigungsfeld in der Sonderschule. b. Scheinerwerb In der Einstiegsphase erfolgte außerdem die Klärung organisatorischer Aspekte. Hier setzte Herr Glas vorrangig die Bedingungen für den Scheinerwerb fest. Scheine können im laufenden Seminar entweder durch ein kommentiertes Protokoll einer Seminarsitzung oder durch eine Internet- bzw. Literaturrecherche erworben werden. Das Protokoll erfolgt als Scheinerwerb für eine einzelne Person, während die Recherche auch in Gruppen durchgeführt werden kann. 2. Einstieg ins Seminarthema Der Einstieg erfolgte durch die Frage des Dozenten, warum dieses Thema vor 20 Jahren nicht unbedingt präsent gewesen sei. Da die Stundenten nicht gleich auf die Frage reagierten, waren weitere teilweise provokative Fragen von Seiten des Dozenten nötig, um eine Diskussion anzuregen. Diese Fragen lauteten z.B.: Waren es früher bravere Schüler? Gab es keine Schüler mit ADHS, Autismus usw..? Der ersten Frage fügte Herr Glas hinzu, dass es früher keine Möglichkeiten gab geistigbehinderte Schüler in psychiatrische Anstalten zu überweisen oder ihnen eine psychiatrische Behandlung zuteil kommen zu lassen , wie es beispielsweise heute der Fall ist. Die Diskussionsrunde beschäftigte sich noch recht zögerlich mit diesen Fragen, stellte jedoch fest, dass ein skurriles bzw. auffälliges Verhalten weitgehend auf die geistige Behinderung geschoben wurde. Zu diesem Aspekt traf noch ein 2 Ort: Pädagogische Hochschule Reutlingen Veranstaltung: Herausfordernde Verhaltensweisen Dozent:Peter Glas 7. Fachsemester WS: 06/07 weiterer hinzu, nämlich der, dass geistige Behinderungen früher auch schlecht erforscht und schlecht diagnostiziert wurden. Man hatte versucht durch Separieren und Ignorieren dem Verhalten der Schüler Herr zu werden. Dies hatte oft Umschulungsverfahren zufolge, welches sich wiederum in Identitätsproblemen dieser umgeschulten Schüler äußerte. Heute jedoch hat ein Schüler der Geistigbehinderten Schule das Recht, bei Bedarf psychisch behandelt zu werden und in einer adäquaten Einrichtung versorgt und betreut zu werden. Dies geschah früher relativ selten. Jedoch hatte die frühere Behandlungsweise auf die heutige Zeit die Auswirkung oder Prägung, so dass man heute auffallende Verhaltensweisen nicht mehr nur auf die Behinderung schiebt, sondern eine komplexe Ansammlung von möglichen Gründen in Betracht zieht. 3. Diskussion verschiedener Begriffe rund ums Thema herausfordernder Verhaltensweisen Anlass zu einer weiteren Diskussion lieferte die Folie von Herrn Glas, welche dazu aufforderte Begriffe, welche oft im Zusammenhang mit geistiger Behinderung genannt werden, aber auch im Alltag regen Gebrauch finden, ohne dabei näher hinterfragt zu werden. Er forderte das Plenum auf sich nun über einige dieser Begriffe Gedanken zu machen. Die Diskussion um die einzelnen Begriffe, sowie die Ableitung aus ihrem Wortursprüngen mündete schließlich in der Frage, wie man sich selbst wahrnimmt, wenn man an anderen eine Auffälligkeit bemerkt. Die Studenten einigten sich in der Diskussion darauf, dass der Begriff Störung eine negative Wertung beinhaltet. Demgegenüber stehe der Begriff der Auffälligkeit, welcher positiv oder negativ ausgelegt werden kann und somit noch keine Wertung beinhaltet. Zudem impliziert der Begriff einer Störung, dass es sich um etwas Krankheitsähnliches handelt, und deswegen behandelt werden muss, wohingegen eine Auffälligkeit nicht behandelt werden muss oder kann. Zudem wurde besprochen, dass jedem beim Beobachten etwas anderes auffällt. Der Blick auf Auffälligkeiten ist somit subjektiv. Was für den einen eine Auffälligkeit darstellt, ist für den anderen alltäglich bzw. normal. 3 Ort: Pädagogische Hochschule Reutlingen Veranstaltung: Herausfordernde Verhaltensweisen Dozent:Peter Glas Der Dozent äußerte in diesem Kontext 7. Fachsemester WS: 06/07 den Ratschlag, bei Verhaltensbeobachtungen immer noch einen weiteren Kollegen hinzuzuziehen und sich mit diesem zusätzlich zu beraten. Dies erweitert den eigenen Blick und hilft zudem sein Gegenüber, also den Schüler, in einer Beobachtungssituation besser wahrzunehmen. Interessant scheint in Hinblick auf die Bezeichnungen von Auffälligkeiten die Ausdrucksweise in der Fachliteratur zu sein. Denn die Ausdrucksweise eines Autors gibt Aufschluss darüber, wie der Autor denkt und einordnet. Wenn geistigbehinderte Menschen als psychisch krank oder einfach nur als krank bezeichnet werden, sagt dies selbstverständlich viel über die Wertung und Ansichten des Verfassers aus. Ebenso ist eine Verniedlichung in Bezug auf auffällige Verhaltensweise (z.B. durch Begriffe wie Originalität) kritisch zu sehen, denn es fehlt eine seriöse Betrachtungsweise. So kann zum Beispiel das Verhalten eines Schülers, der eine Lehrerin schlägt nicht als originell gelten, da die Normalität an der Schule gewaltfrei sein soll, und der Schüler durch sein gewalttätiges Auftreten diese Normalität durchbricht, und dies in einem ganz gegensätzlichen Sinne von Originalität. Diese Erkenntnis führte die Diskussion auf die Begriffe Norm und Normalität. Unter Norm verstanden die Studenten einen Durchschnitt, ein Ideal, welches einen Wert besitzt (beispielsweise für die Gesellschaft), sich aber wertfrei präsentieren sollte. Normalität wurde dagegen als etwas Anderes angesehen, eher als Alltag, in dem bestimmte Normen gelten. Also alles, das der Norm entspricht, ist normal und somit ein Stück Normalität. Durch ein Beispiel des Dozenten wurde nun auf den Begriff der geistigen Behinderung übergeleitet. Denn oft herrscht in der Gesellschaft die Meinung, die Kinder seien krank. Herr Glas pflegt in Gesprächen dann zu erwidern, dass die Kinder vielleicht gerade keinen Schnupfen haben usw. Deswegen kann man auf gar keinen Fall von Krankheit sprechen. Bevorzugt werden sollte demnach der Begriff der Behinderung. Jedoch wird dieser Begriff im Alltag oft benutzt, ohne näher hinterfragt zu werden. Man benutzt ihn vermutlich deshalb so oft, weil er viele Bedeutungen besitzt. Als Denkanregung stellt der Dozent den Ausspruch: „Behindert mich nicht wegen meiner Behinderung!“ in den Raum. 4 Ort: Pädagogische Hochschule Reutlingen Veranstaltung: Herausfordernde Verhaltensweisen Dozent:Peter Glas 7. Fachsemester WS: 06/07 Zu den Begriffen verrückt und Mitte äußerte sich der Dozent mit Vorbehalt. Er wies ausdrücklich daraufhin, dass diese Begriffe mit Vorsicht zu genießen sind, denn sie beinhalten aus der Mitte gerückt, und dieser Ausspruch kann viele Ausprägungen haben. 4. Gruppenarbeit und anschließende Vorstellung im Plenum Die Studenten sollten sich in Gruppen von zwei bis drei Personen zusammenfinden und folgende Aufgabenstellung erörtern. Aufgabenstellung: Benennen Sie herausfordernde Verhaltensweisen von Schülern/ Lehrer Für Schüler. Für Lehrer. Gibt es diese auch an der Pädagogischen Hochschule? Haben Sie herausfordernde Verhaltensweisen auch in Ihrer Schulzeit erlebt? Haben Sie eine echte Herausforderung durch eine Verhaltensweise im privaten Bereich erlebt? Ergebnisse der Gruppenarbeit: Die Studenten trugen folgende Ergebnisse zusammen: Herausfordernde Verhaltensweisen von Lehrern für Schüler: Wenn das Verhalten des Lehrers unberechenbar (jedes Mal anders) und schlecht einzuschätzen ist Wenn der Lehrer die Distanz zum persönlichen Nahraum des Schülers nicht wahrt Wenn Lehrer sexuelle (verbale) Anspielungen von sich geben Wenn Lehrer Schüler schlagen Wenn Lehrer Schüler einsperren Wenn Lehrer Kreide/ Schlüsselbünde auf Schüler werfen, wenn sie nicht aufpassen Essensentzug als Bestrafung Wenn Lehrer Schüler mit LRS beleidigen und vor der Klasse bloßstellen 5 Ort: Pädagogische Hochschule Reutlingen Veranstaltung: Herausfordernde Verhaltensweisen Dozent:Peter Glas 7. Fachsemester WS: 06/07 Wenn Lehrer Schüler durch ihr Aussehen vor der Klasse erniedrigen Wenn Lehrer Körperkontakt zu Schülern derselben Klasse teilweise akzeptieren und ohne Erklärung teilweise ablehnen (Transparenz) Wenn Lehrer Lernmethoden gegen Schüler durchsetzen, ohne eine Begründung für die Sinnhaftigkeit der Lernmethode zu geben (Vokabeltest mit Abschreiben) Wenn Lehrer das Aufstützen des Kopfes auf die Hände der Schüler verhindern wollen, indem sie ihnen Steine an einer Schnur an die Handgelenke binden Wenn Lehrer ihre Tafelbilder nicht durchdenken und diese für Schüler nicht ins Heft zu übertragen sind (Alle Beispiele wurden von Studenten tatsächlich erlebt.) Unter herausfordernde Verhaltensweisen von Schülern für Lehrer ergab sich in der teilnehmende Gruppe folgende Ergebnisse: Die Gruppe unterschied im Wesentlichen zwischen Schülern, die durch ihre Verhaltensweisen absichtlich stören und so eine Herausforderung für den Lehrer darstellt und zwischen Schülern, die ihrerseits ungewollt durch herausfordernde Verhaltensweise auffallen. Zu ersterem gehören: Schüler, die den Lehrer verbal angreifen Schüler, die versuchen, den Lehrer an wunden Stellen zu treffen Schüler die körperliche Gewalt gegen den Lehrer anwenden Schüler, die den Lehrer mobben Zur zweiten Gruppe zählen nach Ansicht der Arbeitsgruppe folgende Aspekte: Anfälle Lautes Schreien Aggressionen gegen Mitschüler; Lehrer sowie Autoaggression Stereotypien Tics 6 Ort: Pädagogische Hochschule Reutlingen Veranstaltung: Herausfordernde Verhaltensweisen Dozent:Peter Glas 7. Fachsemester WS: 06/07 Zu herausfordernden Verhaltensweisen an der PH wurden von den Arbeitgruppen diese Punkte zusammengetragen: Motorische Tics der Dozenten (oft schwer, den Focus auf den Seminarinhalt zu legen) Dozenten, die Kritik an der Gesellschaft immer so ausdrücken, dass man sich garantiert schuldig fühlt, weil man sich immer in der Anklage wieder findet Dozenten, die Hausarbeiten verlieren Dozenten, die Termine nicht einhalten können Zu herausforderndem Verhalten von Schülern während der eigenen Schulzeit äußerte sich nur eine Studentin. Sie gab an, dass ein offensichtlich unterforderter Mitschüler, komplett die Arbeit (zu Hause, als auch im Seminar) verweigerte und sich unter den Tisch legte, um zu schlafen. Er rechtfertigte sein Verhalten gegenüber dem Lehrer damit, dass er im Schlaf mehr lerne, als im Unterricht. Dieses Verhalten wurde auch von den Mitschülern als störend und ärgerlich empfunden. 5. Hinweise auf den Bildungsplan Abschließend verwies der Dozent auf den erneuerten Bildungsplan für Schulen für geistigbehinderte Kinder, da wir Studenten diesen später im Berufsleben umsetzen müssen. Der neue Bildungsplan ist im Internet unter: www.bildung-staerkt-menschen.de/unterstuetzung/schularten/SoS/Bildungsprojekt_G_Abschlussbericht_Dez_04.pdf einzusehen. 7 Ort: Pädagogische Hochschule Reutlingen Veranstaltung: Herausfordernde Verhaltensweisen Dozent:Peter Glas 7. Fachsemester WS: 06/07 6. Reflexion Zunächst einmal ist anzumerken, dass im Seminar in der ersten Sitzung eine relativ lockere Atmosphäre entstand. Dies ist vor allem auf die Berufserfahrung des Dozenten zurückzuführen, der zu vielen Themen Beispiele aus der Praxis anführen kann. Dies unterscheidet dieses Seminar auch im Wesentlichen von anderen Seminaren. Inhaltlich ist anzumerken, dass es sich um ein Themengebiet handelt, zu dem jeder auch durch eigene Erfahrungen beitragen kann. Zudem sind herausfordernde Verhaltensweisen später Alltag in der Schule und auch bereits jetzt sind einige Studenten, möglicherweise in der Schulpraxis, mit herausfordernden Verhaltensweisen konfrontiert. Ich vermute, dass sich die meisten Studenten von diesem Seminar erhoffen, Möglichkeiten des Umgangs mit herausfordernden Verhaltensweisen aufgezeigt zu bekommen. Positiv zu bemerken, ist wie bereits oben erwähnt, der hohe Erfahrungsschatz aus der Praxis, den der Dozent aufweist, sowie die Gestaltung des Seminars. In der Weise, dass auch die Studenten ihre eigenen Erfahrungen immer wieder einbringen können. Zudem sorgt der Wechsel von Kleingruppenarbeit und von Diskussionen im Plenum für eine lockere und abwechslungsreiche Arbeitsatmosphäre. Hierbei kann jeder Student selbst abwägen, ob er sich u.U. nur in der Kleingruppe einbringt, falls er eine Scheu haben sollte, seinen Beitrag im Plenum zu leisten. Die Diskussionen erfolgten anfangs noch etwas stockend, was sicherlich auf die Tatsache der ersten Sitzung zurückzuführen ist. Die Diskussionen entwickelten sich aber im Laufe der Sitzung und die anfängliche Scheu konnte auch in nachfolgenden Sitzungen überwunden werden. In der ersten Seminarsitzung kritisch anzumerken ist vielleicht die Durchführung der organisatorischen Belange bezüglich des Scheinerwerbs. Es war vielen Studenten nicht ersichtlich, dass pro Seminartermin nur ein Protokollant erwünscht ist (wie sich in der nachfolgenden Sitzung herausstellte). Zudem erfolgte die Vergabe der Termine nicht demokratisch in Anwesenheit aller 8 Ort: Pädagogische Hochschule Reutlingen Veranstaltung: Herausfordernde Verhaltensweisen Dozent:Peter Glas 7. Fachsemester WS: 06/07 Scheininteressenten. Weiterhin reichen die Termine vermutlich auch nicht aus, um die Nachfrage der Studenten zu decken. 9