Widerrufs- und Rückgaberechte

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Widerrufs- und Rückgaberechte
bei Verbraucherverträgen
§§ 312 ff.; §§ 355 ff.
A). Die einzelnen Vorschriften (§§ 312ff.; §§ 355ff.)
I) Überblick
Das Widerrufs- und Rückgaberecht bei Verbraucherveträgen ist in zwei
Schritten
in
das
BGB
eingefügt
worden.1
Die
Reintegration
der
verbraucherschützenden Widerrufsrechte ist in einem ersten Schritt durch ihre
rechtstechnische „Bündelung“ in §§ 361a,b* a.F. bereits mit dem Gesetz zur
Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie (FARL) mit Wirkung zum 30.06.2000
erfolgt.2Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz hat die Regelungen erneut in
den §§ 355ff. umgestaltet.3Sie regeln in Anlehnung an die §§ 361a,b a.F. die
Ausübung und Rechtsfolgen des Widerrufs- und Rückgaberechts.4Die §§
355ff. regeln dabei wie auch schon die §§ 361a,b a.F. nicht die
Voraussetzungen des Widerrufs- und Rückgaberechts, so daß diese nur dann
anwendbar sind, wenn eine andere Rechtsnorm ausdrücklich ein solches
Widerrufs- und Rückgaberecht einräumt, wie beispielsweise in § 312 I und §
312d I.5Allerdings können diese Grundsätze durch die widerrufbegründenden
Normen Modifikationen erfahren, da diese Normen als Spezialregelungen
vorrangig sind.6
In
den
§§
312ff.
wurden,
im
Rahmen
der
Integration
der
Verbraucherschutzgesetze in das BGB, das Haustürwiderrufsgesetz (HTWG)
und das Fernabsatzgesetz (FernAbsG) in das BGB übernommen, sowie die
Besonderheiten des Vertragsabschlusses im elektronischen Geschäftsverkehr
als Besondere Vertriebsformen in einem neuen Untertitel geregelt. 7Die
Zusammenführung dieser drei Bereiche verdeutlicht das ihnen gemeinsame
Strukturelement, nämlich die Tatsache, daß Vertragsanbahnung und –abschluß
1
Palandt-Heinrichs, SMG, Einf. Vor § 355, Rn. 1.
alle Paragraphen ohne Gesetzesangabe sind solche des BGB
2
Lorenz in Schulte/Schulze-Nölke, Schuldrechtsreform, S.335
3
Palandt-Heinrichs, SMG, Einf. Vor § 355, Rn. 2.
4
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.340.
5
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 438.
6
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.340; Lorenz/Riehm, Neues SchuldR,
Rn. 438.
7
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.303; Palandt-Heinrichs, SMG, vor
§ 312, Rn. 1.
*
1
außerhalb
fester
Verkaufs-
und
Geschäftsräume
erfolgen.8Diese
Zusammenführung soll zum einen dem Rechtsanwender die Arbeit erleichtern,
der sich nun nicht mehr aus verschiedenen Sondergesetzen die einschlägigen
Vorschriften „zusammensuchen“ muß, sondern sie vereint im BGB vorfindet,
zum anderen wird die Entstehung „dogmatischer Reservate“ innerhalb des
Verbraucherschutzes mit unterschiedlichen Regelungen und Begrifflichkeiten
weiter zurückgedrängt.9Dabei werden in den §§ 312ff. nur die Grundaussagen
getroffen, während die Details der Informationspflichten des Unternehmers in
der Verordnung über Informationspflichten nach Bürgerlichem Recht (InfVO)
untergebracht sind.10In den §§ 312-312d ist für Haustürgeschäfte und
Fernabsatzverträge jeweils ein Widerrufsrecht nach § 355 vorgesehen, während
bei Verträgen im elektronischen Geschäftsverkehr § 312e kein gesondertes
Widerrufsrecht begründet, sondern nur eine Modifikation für den Fall vorsieht,
daß sich ein Widerrufsrecht aus anderen Vorschriften ergibt.11
II) Widerrufs- und Rückgaberecht bei Verbraucherverträgen §§
355-359
1) Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen §§ 355
a) Vorbemerkungen
Die Bestimmung des § 355 steht im wesentlichen mit der bisherigen Regelung
von § 361a a.F.. im Einklang.12Sachlich neu ist § 355 III, der für das Erlöschen
des Widerrufsrechts bei nicht ordnungsgemäßer Belehrung eine einheitliche
Widerrufsfrist von 6 Monaten vorsieht.13
b) Der Widerruf
aa) Das Widerrufsrecht
§ 355 I 1 regelt nunmehr einheitlich für alle verbraucherschutzrechtlichen
Regelungen das rechtliche Modell des Widerrufsrechts als Gestaltungsrecht i.S.
einer schwebenden Wirksamkeit14 und setzt damit dem Streit, ob es sich bis
zum Ende der Widerrufsfrist um eine schwebend wirksame oder schwebend
8
Huber/Faust, Schulrechtsmodernisierung, S.472.
Henssler/v. Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 357.
10
Däubler-Gmelin in NJW 2001, 2281, 2286.
11
Huber/Faust, Schulrechtsmodernisierung, S.473.
12
RegE BR-Drucks. 338/01. S. 461.
13
Palandt-Heinrichs, SMG, § 355, Rn. 1.
14
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.341.
9
2
unwirksame Willenserklärung handelt ein Ende. Das Widerrufsrecht ist danach
ein Gestaltungsrecht, daß es dem Verbraucher ermöglicht, einen zunächst
wirksamen
Vertrag
durch
Widerruf
der
Willenserklärung
in
ein
Abwicklungsverhältnis umzugestalten.15Nach § 357 I 1 finden auf das
Widerrufsrecht vorbehaltlich anderer Regelungen die Vorschriften über den
gesetzlichen Rücktritt Anwendung.16Das Widerrufsrecht gilt deshalb auch als
modifiziertes gesetzliches Rücktrittsrecht von einem zunächst wirksam
geschlossenen Vertrag.17Daher wird das Widerrufsrecht wie das Rücktrittsrecht
durch eine empfangsbedürftige Willenserklärung ausgeübt. 18Wird nämlich
einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach § 355 eingeräumt, so
ist er nicht mehr an seine auf Abschluß des Vertrages gerichtete
Willenserklärung gebunden, wenn er sie fristgerecht widerrufen hat. 19§ 355 I 1
trifft jedoch keine Aussage darüber, ob die Nichtigkeit ex tunc oder ex nunc
eintreten soll.20Sowohl die Formulierung „nicht mehr gebunden“ als auch die
Anbindung der Widerrufsfolgen an das Rücktrittsrecht sprechen jedoch für
eine bloße ex nunc-Wirkung.21Nach erlöschen des Widerrufssrechts werden die
Erklärungen des Verbrauchers endgültig wirksam.22
bb) Inhalt und Form der Widerrufserklärung
Nach § 355 I 2 bedarf die Widerrufserklärung keiner Begründung.23
Ausreichend und erforderlich ist lediglich, daß sie zum Ausdruck bringt, daß
der
Verbraucher
eine
identifizierbare
Willenserklärung
bzw.
einen
identifizierbaren geltenden Vertrag nicht gelten lassen will.24Die Erklärung des
Widerrufs hat entweder in Textform gem. § 126b oder durch Rücksendung der
Sache zu erfolgen.25Die Ersetzung des Begriffs des „dauerhaften Datenträgers“
des § 361a a.F. in den neuen der „Textform“ bringt dabei kaum sachliche
Änderungen mit sich.26 Der einzige Unterschied besteht darin, daß die
Wahrung der Textform nach § 126b neben der dauerhaften Wiedergabe in
Schriftzeichen voraussetzt, daß die Person des Erklärenden angegeben und der
Abschluß der Erklärung erkennbar gemacht wird.27
cc) Widerrufsfrist
15
Palandt-Heinrichs, SMG, § 355, Rn. 3.
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 440.
17
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.342.
18
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 440.
19
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.342.
20
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.342.
21
Lorenz in JuS 2000,833.835.
22
Palandt-Heinrichs, SMG, § 355, Rn. 5.
23
Palandt-Heinrichs, SMG, § 355, Rn. 6.
24
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 441.
25
Palandt-Heinrichs, SMG, § 355, Rn. 7 f..
26
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 441.
16
3
Die Widerrufsfrist beträgt nach § 355 I 2 1.HS einheitlich zwei Wochen. 28 Der
Gesetzgeber hat damit eine über die Mindestfrist des Art. 6 I 1 FARL von
sieben Werktagen hinausgehende Regelung getroffen29 und damit von der allen
EG-Verbraucherschutzrichtlinien immanenten Option Gebrauch gemacht, den
Verbraucherschutz auszudehnen.30Zur Fristwahrung genügt nach § 355 I 2
2.HS
die
rechtzeitige
Absendung,
wodurch
der
Unternehmer
das
Verspätungsrisiko trägt.31Das Zugangsrisiko sowie die Beweislast für den
Zugang trägt hingegen der Verbraucher.32Fristbeginn ist nach § 355 II 1 der
Zeitpunkt, zu dem dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über
sein Widerrufsrecht, die ihm entsprechend den Erfordernissen des eingesetzten
Kommunikationsmittels seine Rechte deutlich macht, in Textform mitgeteilt
worden ist. Die Belehrung muß auch Namen und Anschrift
des
Widerrufsempfängers und einen Hinweis auf die Modalitäten des Widerrufs
und die Widerrufsfrist enthalten.33Bei anderen als notariell beurkundeten
Verträgen ist sie gesondert zu unterschreiben oder mit einer „qualifizierten
elektronischen Signatur“ gem. § 126a I zu versehen.34Ist der Vertrag schriftlich
abzuschließen, so müssen dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde und der
schriftliche Antrag des Verbrauchers bzw. eine Abschrift davon ausgehändigt
werden.35Ist der Fristbeginn streitig, so trifft die Beweislast gem. § 355 II 4 den
Unternehmer.36Das Widerrufsrecht erlischt nach § 355 III nun einheitlich
spätestens 6 Monate nach Vertragsschluß bzw. bei der Lieferung von Waren 6
Monate nach Eingang der Ware beim Empfänger.37Der Bundesrat hatte darum
gebeten, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die Regelung des
§ 355 III mit europäischem Recht vereinbar ist.38Bedenken bestünden, ob die
Regelung mit EG-Richtlinien vereinbar sei, die keine entsprechenden
Erlöschenstatbestände vorsehen.39Der Gesetzgeber hat sich diese Bedenken
aber nicht zu eigen gemacht:40Ziel des § 355 III ist eine Vereinheitlichung der
Regelungen zum Lauf der Widerrufsfrist bei ausgebliebener oder fehlerhafter
Belehrung.41Die Rechtsfolgen sollen im Interesse des Rechtsverkehrs
27
Palandt-Heinrichs, SMG, § 126b, Rn. 3-5.
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.343.
29
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.343.
30
Bülow/Artz in NJW 2000, 2049, 2052.
31
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 442.
32
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.344.
33
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 443.
34
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 443.
35
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 443.
36
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.346.
37
Palandt-Heinrichs, SMG, § 355, Rn. 19.
38
BR-Drucks. 338/01 – Zu Art.1 I Nr. 26 ( § 355 III BGB).
39
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.346.
40
Gegenäußerung der Bundesregierung – Zu Nr. 73 – Zu Art. 1 I Nr. 26 (§ 355 III).
41
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.347.
28
4
übersichtlicher gestaltet werden.42Die Begründung überzeugt allerdings nicht
und geht mit keinem Wort auf die doch gewichtigen europarechtlichen
Bedenken
des
ein.43Zumindest
Bundesrates
für
den
Bereich
der
Haustürgeschäfte (§ 312) ist diese Regelung nach der jüngsten Rechtsprechung
des EuGH als gemeinschaftsrechtswidrig zu bewerten, weil die entsprechende
EG-Richtlinie 85/577/EWG betreffend den Verbraucherschutz in Falle von
außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen eine solche
Ausschlußfrist nicht vorsieht.44
2) Rückgaberecht bei Verbraucherverträgen § 356
a) Vorbemerkungen
Diese Bestimmung entspricht im Kern der bisherigen Regelung von § 361b
a.F., wobei jedoch eine redaktionelle Straffung vorgenommen wurde, die aber
keine inhaltlichen Änderungen bewirkt.45
b) Das Rückgaberecht
Nach § 356 I 1 kann das Widerrufsrecht des Verbrauchers durch ein
verbraucherschützendes Rückgaberecht ersetzt werden, wenn dies von dem
jeweiligen
Widerrufstatbestand
ausdrücklich
zugelassen
wird.46Das
Rückgaberecht muß aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung in einem
Einzelfall anstelle des Widerrufsrechts nach § 355 zwischen dem Unternehmer
und dem Verbraucher Vertragsbestandteil geworden sein.47Voraussetzung
dafür ist allerdings des weiteren, daß der Verbraucher im Verkaufsprospekt
über das Rückgaberecht belehrt wurde, er den Verkaufsprospekt in
Abwesenheit des Unternehmers zur Kenntnis nehmen konnte, und ihm das
Rückgaberecht in Textform eingeräumt wird.48Nach seiner rechtlichen Natur
ist
der
Verkaufsprospekt
offerendum.49Verkaufsprospekte
grundsätzlich
können
eine
dabei
bloße
invitatio
Kataloge
ad
oder
Postwurfsendungen, aber auch Disketten oder Inserate sein, sofern sie alle
erforderlichen Angaben enthalten.50Eine gesonderte Unterschrift unter die
42
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.347.
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.347.
44
EuGH Rn. C-481/99 v. 13.12.2001, NJW 2002, 281.
45
RegE BR-Drucks. 338/01. S. 462.
46
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 453.
47
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.348.
48
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 453.
49
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.348.
50
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.348.
43
5
Belehrung ist im Gegensatz zu § 355 II 2 nicht erforderlich. 51Bei Sachen, die
durch Paket
versandt
werden können, kann der
Verbraucher
sein
Rückgaberecht nur durch Rücksendung ausüben, deren Kosten und Gefahr der
Unternehmer trägt, nicht aber lediglich durch die Äußerung eines
Rücknahmeverlangens.52Ein Rücknahmeverlangen ist nur bei Sachen zulässig,
die nicht als Paket versandt werden können und bei sonstigen Leistungen,
sofern für diese ein Rückgaberecht vereinbart werden kann. 53Für die
Rückgabefrist gilt das gleiche, wie für die Widerrufsfrist.54
3) Die Rechtsfolgen des Widerrufs und der Rückgabe
a) Vorbemerkungen
§ 355 I, II entsprechen im wesentlichen der bisherigen Regelung von § 361a II
1,2,3 i.V.m. § 361b II 2 a.F..55Die Regelung betreffend der Tragung der Kosten
und der Gefahr ist vom Bundesrat eingefügt worden,56weil in der
ursprünglichen Vorlage der Regierung § 361b II 2 a.F. nicht übernommen
worden war.57§ 357 vereinheitlicht die Rechtsfolgen des Widerrufs und der
Rückgabe bei Verbraucherverträgen und verweist dabei auf das gesetzliche
Rücktrittsrecht.58 Die Rechtsfolgen nach § 357 sind halbzwingendes Recht, so
daß sie durch Vertrag zugunsten des Verbrauchers, nicht jedoch zu dessen
Nachteil, geändert werden können.59
b) Rechtsfolgen
aa) Ansprüche des Verbrauchers
Gem. §§ 357 I, 346 I hat der Verbraucher nach wirksamem Widerruf einen
Anspruch auf Rückerstattung des Geleisteten, wobei es sich in der Regel um
eine Geldleistung handeln wird.60
bb) Ansprüche des Unternehmers
Der Verbraucher ist seinerseits nach §§ 357 I, 346 I zur Rückerstattung des
Erlangten verpflichtet, jedoch wird dieser Anspruch durch § 357 II, III
modifiziert.61Nach § 357 II hat der Verbraucher die Sache an den Unternehmer
51
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 453.
Palandt-Heinrichs, SMG, § 356, Rn. 8.
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.349.
54
Palandt-Heinrichs, SMG, § 356, Rn. 10.
55
RegE BR-Drucks. 338/01. S. 462 f..
56
RegE BR-Drucks. 338/01. S. 42 f..
57
Henssler/v. Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 442.
58
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.349.
59
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.349.
60
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 445.
61
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 445.
52
53
6
auf dessen Kosten und Gefahr zurückzusenden, sofern die Sache durch Paket
versandt werden kann.62Die Rückerstattungspflicht ist damit eine Schickschuld
mit besonderer Kostentragungspflicht zu Lasten des Unternehmers.63Ist die
Ware nicht paketversandfähig, liegt eine Holschuld vor.64§ 357 II 3 ist eine
Sonderregelung, nach welcher dem Verbraucher bei einer Bestellung bis zu
einem Betrag von 40 Euro die regelmäßigen Kosten der Rücksendung
vertraglich auferlegt werden können,65sofern es sich nicht um unbestellte Ware
handelt.66Nach §§ 357 I, 346 II hat der Verbraucher unter denselben
Voraussetzungen wie im Falle des Rücktritts Wertersatz zu leisten,
insbesondere dann, wenn der empfangene Gegenstand sich verschlechtert hat
oder untergegangen ist.67Für die Befreiung von der Wertersatzpflicht gilt
grundsätzlich ebenfalls Rücktrittsrecht, allerdings weicht § 357 III davon in
zwei wichtigen Punkten zuungunsten des Verbrauchers ab. 68Neu ist nämlich
die Regelung, daß der Verbraucher eine durch bestimmungsgemäße
Ingebrauchnahme
entstandene Wertminderung zu ersetzen hat, wenn er
spätestens bei Vertragsschluß in Textform auf diese Rechtsfolge und eine
Möglichkeit
hingewiesen
worden
ist,
diese
zu
vermeiden.69Verschlechterungen, die allein auf die Prüfung der Sache
zurückzuführen sind, begründen dagegen keine Wertersatzpflicht.70Da sich
eine Abgrenzung zwischen der Prüfung und der bestimmungsgemäßen
Ingebrauchnahme oft als schwierig gestaltet und leicht zu Lasten des
Verbrauchers gehen kann, ist das Merkmal der Prüfung gerade bei
Fernabsatzverträgen weit auszulegen.71Zusätzlich kommt dem Verbraucher
nach § 357 III 3 der Wegfall der Wertersatzpflicht nach §§ 357 I, 346 III Nr. 3
nicht zugute, wenn er über sein Widerrufsrecht ordnungsgemäß belehrt worden
ist oder hiervon anderweitig Kenntnis erlangt hat.72§ 357 IV schließt
weitergehende Ansprüche des Unternehmers gegen den Verbraucher (z.B. aus
pVV, § 280, o.ä.) aus, so daß allenfalls aufgrund einer teleologischen
Reduktion ein Anspruch aus § 826 in Betracht kommen kann.73
62
Palandt-Heinrichs, SMG, § 357, Rn. 5.
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.351.
64
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 446.
65
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.351.
66
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 446.
67
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 447.
68
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 447.
69
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.352.
70
Palandt-Heinrichs, SMG, § 357, Rn. 11.
71
Henssler/v. Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 448.
72
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 450.
73
Palandt-Heinrichs, SMG, § 357, Rn. 14.
63
7
Gegen die Neuregelung des § 357 III sprechen europarechtliche Bedenken, und
zwar sowohl hinsichtlich Art. 6 II als auch Art. 12 I FARL. 74Die einzigen
Kosten, die dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts
auferlegt werden dürfen, sind demnach die Kosten der unmittelbaren
Rücksendung.75Der
Gegeneinwand,
dem
sich
auch
der
Gesetzgeber
angeschlossen hat, 76bei § 357 III handele es sich nicht um Kosten, die „infolge
des Widerrufs“ entstehen, überzeugt nicht.77Der Gesetzgeber ist der
Auffassung, daß es bei § 357 III um die Frage der Rückabwicklung von
Vorteilen und Schäden gehe, die durch vorhergehende entstehen, welche von
der FARL nicht geregelt werden.78Dies ist auch nicht durch den 14.
Erwägungsgrund der FARL gedeckt, wonach es Sache der Mitgliedsstaaten sei,
weitere Bedingungen und Einzelheiten für den Fall der Ausübung des
Widerrufsrechts festzulegen.79Zu bedenken bleibt auch, daß es Sinn und Zweck
des Widerrufs- und Rückgaberechts ist, dem Verbraucher eine angemessene
Überlegungsfrist einzuräumen, welche jedoch dem Verbraucher dann nicht
zusteht, wenn und soweit er darauf nachdrücklich hingewiesen wird, in welcher
Weise er die nachteiligen Rechtsfolgen gem. § 357 III vermeidet.80Hier muß er
sich nämlich sofort entscheiden, da die Ingebrauchnahme der Sache, die über
die einfache Besichtigung hinausreicht, endgültig und unwiederbringlich die
Verpflichtung zum Wertersatz auslöst.81Dies stellt damit den faktischen
Verzicht auf das Widerrufsrecht dar, welcher jedoch gegen Art. 12 I FARL
verstößt.82Somit verstößt die § 357 III gegen Vorgaben der FARL und ist somit
nicht richtlinienkonform.83
4) Verbundene Verträge § 358
a) Vorbemerkungen
Die Bestimmung faßt die bisher geltenden Regeln der § 9 I, II VerbrKrG a.F.
und des § 4 FernAbsG a.F. sowie des bislang geltenden § 6 TzWrG a.F.
zusammen,84um so eine einheitliche Vorschrift im Hinblick auf alle
74
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.354.
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.354.
BT-Drucks. 14/6040, S. 199.
77
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.354.
78
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.354.
79
Henssler/v. Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 447.
80
Henssler/v. Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 447.
81
Henssler/v. Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 447.
82
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.354.
83
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.354.
84
RegE BR-Drucks. 338/01. S. 466.
75
76
8
verbundenen Verträge zu schaffen.85Eine materielle Änderung der Rechtslage
ist in diesen Punkten nicht beabsichtigt und nicht herbeigeführt worden.86
b) Der Widerrufsdurchgriff
§ 358 regelt die Rechtsfolgen, wenn ein Vertrag über die Lieferung von Waren
bzw. die Erbringung einer anderen Leistung mit einem Darlehensvertrag so
verbunden ist, daß das Darlehen ganz oder teilweise der Finanzierung des
anderen Vertrags dient, beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden und
einer der Verträge vom Verbraucher nach Maßgabe der §§ 355, 356 widerrufen
wird.87Im Zentrum der Problematik steht die für den Verbraucher riskante
Aufspaltung eines für ihn wirtschaftlich einheitlichen, finanzierten Vertrages
über die Anschaffung einer Ware oder die Erbringung einer anderen Leistung
in einen u.U. nicht widerrufbaren Vertrag und einen nach § 459 widerrufbaren
Verbraucherkreditvertrag.88Aus diesem Grund erstreckt § 358 I, II das nur für
einen Vertrag bestehende Widerrufsrecht auf den jeweils anderen Vertrag,
sofern es sich um einen verbundenen Vertrag handelt.89§§ 358 I, II regeln den
Widerrufsdurchgriff dabei nunmehr in „beide Richtungen“.90Folge des
Widerrufdurchgriffs ist die Unwirksamkeit auch des verbundenen Vertrags, für
dessen Abwicklung nach § 358 IV mit den dort geregelten Modifikationen der
Regelung des § 357 entsprechend gilt.91Die erforderliche Belehrung des
Verbrauchers durch den Unternehmer muß nach § 358 V auch auf die
Rechtsfolgen nach § 358 I und § 358 II S.1, 2.92
5) Einwendungen bei verbundenen Verträgen § 359
§ 359 normiert entsprechend den bisher geltenden § 9 II, IV VerbrKrG a.F. im
Anschluß an § 358 den Einwendungsdurchgriff bei verbundenen Verträgen,
wonach der Verbraucher die Rückzahlung des Darlehens nach § 359 S.1
grundsätzlich verweigern kann, soweit Einwendungen aus dem verbundenen
Vertrag ihm gegenüber dem Unternehmer, mit dem er den verbundenen
Vertrag geschlossen hat, zur Verweigerung seiner Leistung berechtigen
würden.93Ausgeschlossen
ist
das
Leistungsverweigerungsrecht
bei
85
Henssler/v. Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 452.
Henssler/v. Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 452.
87
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.355.
88
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 455.
89
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 455.
90
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 456.
91
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 457.
92
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.357.
93
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.357.
86
9
Bagatellverträgen bis 200 Euro sowie bei Einwendungen, die auf nach dem
Abschluß
des
Kreditvertrages
vorgenommenen
Vertragsänderungen
beruhen.94Kann der Verbraucher Nacherfüllung verlangen, so kann er gem. §
359 S.3 die Rückzahlung des Darlehens erst verweigern, wenn die
Nacherfüllung fehlgeschlagen ist.95
III) Besondere Vertriebsformen §§ 312-312e
1) Haustürgeschäfte §§ 312, 312a
a) Vorbemerkungen
Das HTWG ist in die §§ 312, 312a sachlich weitgehend unverändert
übernommen worden.96Die einzige wesentliche Änderung ist der Wegfall des
ehemaligen § 2 HTWG a.F., wonach das Widerrufsrecht bei fehlender
Belehrung
erst
einen
Monat
nach
vollständiger
Leistungserbringung
erlosch.97Diese Vorschrift wird nun durch die allgemeine Regelung des neuen
§ 355 III ersetzt, die eine einheitliche Frist für das Erlöschen des
Widerrufrechts von 6 Monaten nach Vertragsschluß vorsieht, und zwar
unabhängig von der Frage der Belehrung.98 Sinn und Zweck der Vorschriften
über Haustürgeschäfte ist der Schutz des Verbrauchers vor Gefahren aus dem
Direktvertrieb, indem sie ihm die Möglichkeit geben, sich von einem infolge
von Überrumpelung übereilt geschlossenen Vertrag wieder zu lösen.99Der
Gesetzgeber
wollte
dem
Verbraucher
hierbei
eine
nachträgliche
Überlegungsfrist einräumen, um einen möglicherweise übereilten Entschluß
wieder rückgängig zu machen.100Entscheidend ist dabei allerdings, daß beim
Vertragsschluß die Überraschungswirkung noch fortdauert, der Verbraucher
also in seiner Entschließungsfreiheit noch beeinträchtigt ist.101
b) Haustürgeschäft
§ 312 I 1 enthält zunächst eine Legaldefinition des Begriffs des
Haustürgeschäfts. Danach liegt ein Haustürgeschäft dann vor, wenn zwischen
94
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 458.
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.357.
96
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 119.
97
Henssler/v. Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 360.
98
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.304.
99
BT-Drucks. 10/2876, S. 10; Palandt-Putzo, Einf. HTWG, Rn.2; Palandt-Heinrichs, SMG, § 312,Rn. 3; DaunerLieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.340.
100
Henssler/v. Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 360; BT-Drucks.
10/2876, S. 10.
101
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.305.
95
10
einem Unternehmer und einem Verbraucher (Legaldefinitionen in den §§ 13,
14) ein Vertrag über eine entgeltliche Leistung geschlossen wird, und der
Verbraucher zu dessen Abschluß nach den äußeren Umständen der Nr. 1-3
bestimmt worden ist, wobei es unerheblich ist, wer das Vertragsangebot erklärt
hat.102
aa) Die persönlichen Voraussetzungen
§ 312 gilt als typische Verbraucherschutznorm nur im Verhältnis zwischen
Unternehmer und Verbraucher,103also nicht für Verträge nur zwischen
Unternehmern bzw. nur zwischen Verbrauchern.104Jedoch ist die Vorschrift
auch beim Handeln von Personenmehrheiten oder Stellvertretern anwendbar.
Handelt für den Verbraucher ein Stellvertreter so kommt es allerdings bei der
Frage, ob es sich um ein Haustürgeschäft handelt, lediglich auf die Person des
Vertreters an.105Dies gilt selbst dann, wenn die Vollmacht in einer
Haustürsituation erteilt wurde.106
bb) Die entgeltliche Leistung
Des weiteren muß der Vertrag eine entgeltliche Leistung zum Gegenstand
haben.107Es handelt sich dabei regelmäßig um gegenseitige Verträge wie
Kaufverträge,
Werk-
bzw.
Werklieferungsverträge,
Geschäftsbesorgungsverträge, Dienstverträge, Maklerverträge etc..108
Der Gesetzgeber hat hier den Begriff der „entgeltlichen Leistung“ nicht aus der
Vorschrift herausgenommen, obwohl die EU-Richtlinie diese Begrenzung nicht
vorsah, und es somit versäumt, den Streit über die Anwendbarkeit der Normen
über Haustürgeschäfte auf Bürgschaften endgültig beizulegen. 109Allerdings ist
die
Anwendbarkeit
durch
den
BGH
mittlerweile
weitgehend
anerkannt.110Jedoch hat der EuGH auf Vorlage des BGH entschieden, daß die
Richtlinie 85/577/EWG nur dann anwendbar ist, wenn sowohl der
Hauptschuldner als auch der Bürge Verbraucher sind, und die Hauptschuld in
einer Haustürsituation begründet worden ist.111
cc) Die situationsbedingten Voraussetzungen
102
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.304.
Henssler/v. Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 361.
Palandt-Heinrichs, SMG, § 312, Rn. 4.
105
Henssler/v. Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 362.
106
Palandt-Heinrichs, SMG, § 312, Rn. 4.
107
Henssler/v. Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 362.
108
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.305;
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 362f.
109
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 120.
110
Palandt-Heinrichs, SMG, § 312,Rn. 7.
111
EuGH NJW 98, 1295.
103
104
11
Wann eine Haustürsituation vorliegt, ist in § 312 I 1 Nr. 1-3 enumerativ
aufgelistet. Diese Aufzählung ist abschließend.112Diese Begrenzung ist vom
Gesetzgeber gewollt, um nur die typischen Fälle zu erfassen, die der
Verbraucherschutz fordert.113Nach § 312 I 1 Nr. 1 muß der Verbraucher durch
mündliche Verhandlung an seinem Arbeitsplatz oder im Bereich seiner
Privatwohnung zum Vertragsabschluß bestimmt worden sein. Dabei kommt es
entscheidend auf den Ort, nicht aber auf den Anlaß des Besuchs an.114Der
Begriff der mündlichen Verhandlung ist dabei weit zu verstehen, es reicht aus,
daß der Unternehmer den Verbraucher anspricht.115Notwendig ist aber, daß
sich Unternehmer und Verbraucher, bzw. deren Vertreter, persönlich
gegenüberstehen, da es sich bei Katalogversandhandel, Telefonmarketing etc.
nicht
um
Haustürgeschäfte
iSd
§
312
handeln.116Auch
liegt
kein
Haustürgeschäft vor, wenn Verbraucher und Unternehmer in einer bereits
bestehenden Geschäftsbeziehung stehen, da die Verhandlungen ursächlich für
den Vertragsabschluß sein müssen.117Die Begriffe des Arbeitsplatzes und der
Privatwohnung sind extensiv auszulegen.118Als Arbeitsplatz gilt daher jeder
Ort im Betriebsgebäude und –gelände,119und zur Privatwohnung gehören auch
der Garten und der Hausflur, sowie bei Mehrfamilienhäusern die Haustür.120In
beiden Fällen ist entscheidend, daß der Unternehmer zur Aufnahme des
Kontaktes in den Privatbereich des Verbrauchers eindringt, in welchem sich
dieser
vor
einem
Ansprechen
mit
gewerblicher
Zielrichtung
sicher
wähnt.121Nach § 312 I 1 Nr.2 muß der Verbraucher anläßlich einer vom
Unternehmer oder von einem Dritten zumindest auch im Interesse des
Unternehmers durchgeführten Freizeitveranstaltung zum Vertragsabschluß
bestimmt worden sein. Der Gesetzgeber wollte hier in erster Linie sog.
Kaffeefahrten erfassen, es kann sich allerdings auch um Einladungen zu
Filmvorführungen,
Tanzveranstaltungen,
mehrtägige
Reisen
o.ä.
handeln.122Entscheidend ist, daß Freizeitangebot und Verkaufsveranstaltung
organisatorisch so miteinander verbunden sind, daß der Verbraucher in eine
freizeitlich unbeschwerte Stimmung versetzt wird und den Verkaufszweck der
112
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 364.
Palandt-Heinrichs, SMG, § 312,Rn. 9.
Palandt-Putzo, § 1 HTWG, Rn. 10.
115
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 364.
116
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 364.
117
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.306.
118
Palandt-Heinrichs, SMG, § 312,Rn. 11f..
119
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.306.
120
Palandt-Heinrichs, SMG, § 312,Rn. 12.
121
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 365.
122
BT-Drucks. 10/8276, S. 11; Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 366.
113
114
12
Veranstaltung nicht notwendig erkennt.123Die Veranstaltung muß vom
Unternehmer selbst oder von einem Dritten zumindest auch in seinem Interesse
durchgeführt werden. Dies ist der Fall, wenn der Veranstalter die Werbe- und
Verkaufsbemühungen des Unternehmers kennt und duldet.124Schließlich ist der
Verbraucher dann anläßlich der Freizeitveranstaltung zum Vertragsabschluß
bestimmt worden, wenn ein zeitlicher, räumlicher oder sachlicher Bezug zur
Willenserklärung des Verbrauchers besteht.125 Nach § 312 I 1 Nr. 3 muß der
Verbraucher
im
Anschluß
an
ein
überraschendes
Ansprechen
in
Verkehrsmitteln oder im Bereich öffentlich zugänglicher Verkehrsflächen zum
Vertragsabschluß bestimmt worden sein. Unter Verkehrsmitteln sind alle
allgemein zugänglichen Arten von Transportmitteln im Personenverkehr zu
verstehen.126Öffentlich zugängliche Verkehrswege sind neben Straßen und
Plätzen auch öffentliche Parks und Gärten, Privatwege, Bahnhöfe, Flughäfen
u.ä..127„Im Anschluß an ein überraschendes Ansprechen“ ist rein zeitlich zu
verstehen, und das Überraschungsmoment bezieht sich ausschließlich auf die
subjektive
Erwartungshaltung
Verkehrsmittel
Warenangebote
aus,
in
des
denen
Verbrauchers.128Daher
typischerweise
erfolgen,129ebenso
auch
scheiden
Dienstleistungen
und
Verkaufsveranstaltungen
und
Märkte.130
c) Widerrufs- und Rückgaberecht
Nach § 312 I 1 steht dem Verbraucher ein gesetzliches Widerrufsrecht nach
Maßgabe der Voraussetzungen des § 355 zu.131Danach kann der Verbraucher
seine Vertragserklärung ohne Angabe von Gründen binnen zwei Wochen nach
einer
ordnungsgemäßen
Widerrufsbelehrung
widerrufen.
Die
Widerrufsbelehrung muß gem. § 312 II einen ausdrücklichen Hinweis auf die
Rechtsfolgen des § 357 I und III enthalten.132Anstelle des Widerrufsrechts
kann dem Verbraucher gem. § 312 I 2 auch ein Rückgaberecht nach § 356
eingeräumt werden, wenn zwischen Verbraucher und Unternehmer im
Zusammenhang mit diesem oder einem späteren Geschäft auch eine ständige
Verbindung aufrechterhalten werden soll.
123
Palandt-Heinrichs, SMG, § 312,Rn. 13.
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 366.
125
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.307.
126
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 366.
127
Palandt-Heinrichs, SMG, § 312,Rn. 17.
128
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.307.
129
MüKo-Ulmer, § 1 HTWG, Rn. 27.
130
Palandt-Heinrichs, SMG, § 312,Rn. 17.
131
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.307.
132
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 370.
124
13
d) Ausschluß des Widerrufs- und Rückgaberechts
§ 312 III regelt die Fälle, in denen das Widerrufs- oder Rückgaberecht
ausgeschlossen ist. Dies ist zum einen bei Versicherungsverträgen iSd VVG
der Fall, zum
anderen bei
vorhergehender Bestellung, vollzogenen
Kleingeschäften bis 40 Euro bzw. bei notarieller Beurkundung. 133In diesen
Fällen besteht nämlich nach Ansicht des Gesetzgebers kein Schutzbedürfnis für
den
Verbraucher.134Die
Darlegungs-
und
Beweislast
trägt
hier
der
Unternehmer.135Der Ausschluß des Widerrufs- und Rückgaberechts gem. § 312
III besteht unbeschadet anderer Vorschriften, wodurch klargestellt wird, daß
sich ein Ausschluß des Widerrufs- oder Rückgaberechts auch aus anderen
Vorschriften, z.B. aus § 312a, ergeben kann.136
e) § 312a Verhältnis zu anderen Vorschriften
§ 312a regelt wie auch schon früher § 5 II, III HTWG a.F. die Subsidiarität des
§ 312 gegenüber den Regelungen über Teilzeitwohnrechteverträge (§§ 481487),
Verbraucherdarlehensverträge
(§§
491-504)
und
anderen
Verbraucherschutzgesetzen.137Damit trug der Gesetzgeber dem Umstand
Rechnung, daß eine scharfe Abgrenzung oft nicht möglich ist, sondern es
immer dann zu Überschneidungen kommt, wenn ein spezialgesetzlich
geregelter Vertragstyp in einer Haustürsituation geschlossen wird.138
2) Fernabsatzverträge §§ 312b-312d
a) Vorbemerkungen
Das am 30.06.2000 in Kraft getretene FernAbsG setzte die Richtlinie 97/7/EG
über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz und die
Richtlinie 98/27/EG über den Verbraucherschutz durch Unterlassungsklagen
um.139Dieses gerade erst vor eineinhalb Jahren in Kraft getretene Gesetz wurde
im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung sogleich wieder aufgehoben und
in die §§ 312b-312d sowie in die InfVO ohne wesentliche inhaltliche
Änderungen übernommen.140Die wesentlichste Änderung stellt der Wegfall des
133
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.307.
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.308.
134
Palandt-Putzo, § 1 HTWG, Rn. 20
135
Palandt-Heinrichs, SMG, § 312,Rn. 21.
136
BT-Drucks. 14/7052, S.191.
137
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 122.
138
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 372.
139
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 374.
140
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 124.
133
14
früheren § 1 IV FernAbsG a.F. dar, welcher vorsah, daß das FernAbsG nicht
anzuwenden sei, wenn andere Vorschriften für den Verbraucher günstigere
Regelungen enthalten (sog. Günstigkeitsprinzip).141Nach einiger Kritik über
diese Streichung stellte die Bundesregierung jedoch klar, daß das
Günstigkeitsprinzip unangetastet bleibe, da es bereits durch § 2 IV FernAbsG
a.F. abgesichert sei, welcher sich nun in § 312 c IV wiederfindet.142Eine
weitere Änderung stellt die Auslagerung der in § 2 II, III FernAbsG a.F.
enthaltenen
Informationspflichten
des
Unternehmer
in
die
InfVO.143
Fernabsatzverträge sind für den Verbraucher besonders gefahrenträchtig. 144Die
Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers ergibt sich dabei aus der Unsichtbarkeit
des Vertragspartners und des Produkts.145Gegen diese dem Verbraucher
drohenden
Gefahren
legen
die
§§
312b
ff.
dem
Unternehmer
Informationspflichten auf und begründen für den Verbraucher ein Widerrufsoder Rückgaberecht.146
b) Anwendungsbereich § 312b
§ 312b regelt den sachlichen Anwendungsbereich von Fernabsatzverträgen und
entspricht im Wesentlichen § 1 FernAbsG. Dabei werden in § 312b drei
Regelungen getroffen.147Er enthält zum einen eine Legaldefinition des Begriffs
des Fernabsatzvertrages (§312b I), zum anderen enthält er eine Konkretisierung
der
Fernkommunikationsmittel
(§
312b
II),
sowie
einen
Anwendungsausschlußkatalog (§ 312b III).148
aa) Der sachliche Anwendungsbereich
Danach sind Fernabsatzverträge alle Verträge über die Lieferung von Waren
oder über die Erbringung von Dienstleistungen, die zwischen einem
Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von
Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden, sofern der Vertragsschluß
nicht außerhalb eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder
Dienstleistungssystem erfolgt. Danach ist ein Fernabsatzvertrag kein eigener
Vertragstyp,
sondern
es
kommt
auf
die
besondere
Modalität
des
141
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 374.
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 375.
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 374.
144
Palandt-Heinrichs, SMG, § 312b,Rn. 3.
145
Palandt-Heinrichs, SMG, § 312b,Rn. 3.
146
Palandt-Heinrichs, SMG, § 312b,Rn. 3.
147
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.310.
148
Bülow/Artz in NJW 2000, 2049, 2053.
142
143
15
Vertragsschlusses an,149 nicht aber auf den Vertragsinhalt oder die Art der
Leistungserbringung.150
bb) Die Fernkommunikationsmittel
Fernabsatz
ist
eine
„Vertriebsform,
Fernkommunikationsmittel
gestützt
die
wird.151§
ausschließlich
312b
II
enthält
auf
eine
Legaldefinition des Begriffs der Fernkommunikationsmittel. Danach sind
Fernkommunikationsmittel solche Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung
oder zum Abschluß eines Vertrages zwischen einem Verbraucher und einem
Unternehmer ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien
eingesetzt werden können, insbesondere Briefe, Kataloge, Telefonanrufe,
Telekopien,
E-Mails
sowie
Rundfunk,
Tele-
und
Mediendienste.
Zusammengefaßt kann daher gesagt werden, daß Fernkommunikationsmittel
all diejenigen Kommunikationsmittel sind, die einen Vertragsabschluß unter
physisch Abwesenden ermöglichen.152Das Kriterium der gleichzeitigen
körperlichen Abwesenheit der Vertragspartner ist in Art. 2 IV FARL zu einer
notwendigen Bedingung für deren Anwendbarkeit erklärt.153Dies bedeutet, daß
sowohl
für
den
Vertragsantrag
als
auch
die
Vertragsannahme
Fernkommunikationsmittel eingesetzt worden sein müssen.154
cc) Der Vertragsgegenstand
Der Fernabsatzvertrag umfaßt die Lieferung von Waren bzw. die Erbringung
von Dienstleistungen.155Unter Waren sind alle beweglichen körperlichen
Sachen des Handelsverkehrs, auch elektrischer Strom, Gas, Wasser,
Fernwärme und Software zu verstehen.156Der Begriff der Dienstleistungen ist
aufgrund der europarechtlichen Prägung weit auszulegen, so daß Dienst-,
Werk- und Geschäftsbesorgungsverträge aller Art darunter fallen.157Des
weiteren liegt ein Fernabsatzvertrag jedoch nur dann vor, wenn er im Rahmen
eines entsprechenden für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- und
Dienstleistungssystems geschlossen worden ist.158Dies liegt dann vor, wenn der
Unternehmer innerhalb seines Betriebes einen eigenen Vertriebskanal für den
Fernabsatz eingerichtet hat.159Ein Unternehmer, der dagegen nur gelegentlich
149
Fuchs in ZIP 2000, 1273.
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.308; Henssler/von Westphalen, Praxis der
Schuldrechtsreform, S. 375.
151
RegE, BT-Drucks. 14/2658, S. 31.
152
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.312.
153
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 378.
154
Palandt-Heinrichs, SMG, § 312b,Rn. 8.
155
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.312.
156
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 377.
157
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 377.
158
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.313.
159
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 380.
150
16
Bestellungen per Kommunikationsmittel annimmt und ausführt, wird vom
Gesetz nicht erfaßt,160denn er soll nicht von den für ihn härteren Rechtsfolgen
eines Fernabsatzvertrages getroffen werden.161Allerdings ist für die Annahme
eines eigenen Vertriebskanals ausreichend, daß der Unternehmer systematisch
mit einer telefonischen Bestellung und darauffolgender Zusendung der Ware
wirbt.162Im Gegensatz zur FARL muß jedoch bei § 312b I nicht positiv
festgestellt werden, ob der Vertrag im Rahmen eines für den Fernabsatz
organisierten Vertriebssystem geschlossen worden ist, sondern es spricht die
gesetzliche Vermutung für das Vorliegen eines Fernabsatzsystems, für dessen
Gegenbeweis der Unternehmer die Beweislast trägt.163
dd) Ausnahmen vom sachlichen Anwendungsbereich
Unter die Vorschriften über Fernabsatzverträge fallen nach § 312b III
allerdings nicht alle Kauf-, Dienst-, Werk- und Geschäftsbesorgungsverträge,
die zwischen Unternehmer und Verbraucher im Fernabsatz geschlossen
werden.164Dies entspricht den Vorgaben des Art. 3 FARL.165§ 312b III
schränkt den sachlichen Anwendungsbereich des Fernabsatzes durch acht
ein.166Fernunterrichtsverträge
Ausnahmetatbestände
wurden
von
der
Anwendung der Vorschriften über Fernabsatzverträge ausgeschlossen, da das
FernUSG
spezielle
verbraucherschützende
Form-,
Informations-
und
Widerrufsvorschriften enthält.167Der Gesetzgeber ging daher davon aus, daß
die FARL bereits ausreichend durch das FernUSG umgesetzt ist.168Ebenso
verhält
es
sich
spezialgesetzliche
bei
Verträgen
Regelung
Immobiliengeschäften,
die
in
in
über
§
§§
481
Teilzeitwohnrechte,
erfahren
873,925
die
haben,169und
spezielle
Form-
eine
bei
und
Schutzvorschriften enthalten,170sowie bei Verträgen über die Erbringung
touristischer Dienstleistungen, bei denen der Verbraucher zumindest teilweise
durch §§ 651 ff. geschützt ist.171Auch bei Finanzgeschäften finden die
Vorschriften über Fernabsatzverträge keine Anwendung, mit der bedeutenden
Ausnahme von Darlehensvermittlungsverträgen, sofern diese im Fernabsatz
160
Palandt-Heinrichs, SMG, § 312b,Rn. 11.
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 380.
162
BT-Drucks. 14/2658, S. 85.
163
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.313.
164
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.314.
165
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.314.
166
Palandt-Heinrichs, SMG, § 312b,Rn. 12.
167
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 381.
168
BT-Drucks. 14/2658, S. 31.
169
Palandt-Heinrichs, SMG, § 312b,Rn. 12.
170
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 382.
171
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 382.
161
17
werden.172Ferner
geschlossen
Haushaltsgegenstände
fallen
nicht
Verträge
unter
§
über
312b,
Lebensmittel
da
bei
und
diesen
Hauslieferungsverträgen üblicherweise keine Informationen nötig sind und ein
Widerrufsrecht nicht zweckmäßig wäre.173Schließlich finden auch auf
Automatenverträge und auf Benutzungsverträge an öffentlichen Fernsprechern
die Vorschriften über Fernabsatzverträge keine Anwendung, da in diesen
Fällen der sofortige Leistungsaustausch im Vordergrund steht, und insofern
weder umfassende Informationspflichten noch ein Widerrufsrecht praktikabel
wären.174
ee) Der persönliche Anwendungsbereich
Die Vorschriften über den Fernabsatz setzen in persönlicher Hinsicht einen
Vertragsabschluß zwischen einem Unternehmer (§ 14) und einem Verbraucher
(§ 13) voraus.175Folglich sind Verträge zwischen zwei Unternehmern oder zwei
Verbrauchern
vom
ausgeschlossen.176Ebenso
Anwendungsbereich
ausgeschlossen sind Verträge, welche der Verbraucher ausschließlich zu einem
Zweck abschließt, der der gewerblichen oder selbständigen Tätigkeit des
Verbrauchers zuzurechnen ist.177
c) Unterrichtung des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen § 312c
§ 312c entspricht inhaltlich dem bisherigen § 2 FernAbsG a.F..178Allerdings
hat
im
Gegensatz
zum
§
2
FernAbsG
Informationspflichten
des
Unternehmers
eine
in
Auslagerung
den
§
1
der
InfVO
stattgefunden.179Eine weitere Änderung im Vergleich zum ehemaligen § 2
FernAbsG a.F., daß der Unternehmer die Informationen nicht mehr auf einem
„dauerhaften Datenträger“ zur Verfügung stellen muß.180Die neue Regelung
des § 312c II stellt nun auf die sog. „Textform“ gem. § 126b ab.181
aa) Die vorvertraglichen Informationspflichten
Nach
§
312c
I
obliegen
dem
Unternehmer
vor
Abschluß
des
Fernabsatzvertrages vorvertragliche Informationspflichten.182§ 312c I 1 führt in
Umsetzung von Art. 4 FARL den Offenlegungsvorbehalt und das
Transparenzgebot zusammen, indem es dem Unternehmer die Pflicht auferlegt,
172
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.314.
BT-Drucks. 14/2658, S. 33.
174
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 383 f..
175
Riem in Jura 2000, 505, 509.
176
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 377.
177
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 377.
178
Palandt-Heinrichs, SMG, § 312c,Rn. 1.
179
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 386.
180
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 386.
181
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 386.
173
18
den Verbraucher rechtzeitig vor Vertragsabschluß klar und verständlich sowie
in einer dem Fernkommunikationsmittel entsprechenden Weise sowohl über
die Einzelheiten des Vertrages als auch über den geschäftlichen Zweck des
Kontakts zu informieren.183Zudem muß der Unternehmer dem Verbraucher bei
Telefongesprächen gem. § 312c I 2 zu Beginn des Gesprächs seine Identität
und den geschäftlichen Zweck des Anrufs offenlegen, damit der Verbraucher
von dieser Zielsetzung des Unternehmers nicht erst während des Gesprächs
überrascht wird.184 Über welche Einzelheiten des Vertrages der Unternehmer
den Verbraucher nach § 312 I 1 Nr.1 genau zu informieren hat bestimmt sich
nach § 1 I InfVO. Danach sollen dem Verbraucher die erforderlichen
Informationen über den wesentlichen Vertragsinhalt, seinen Vertragspartner,
das Widerrufsrecht sowie über das Zustandekommen des Vertrages zur
Verfügung gestellt werden, damit er seine Entscheidung über den
Vertragsschluß informiert treffen kann.185Bei den Umständen, über die der
Unternehmer den Verbraucher informieren muß, handelt es sich zum einen um
das kraft Gesetz bestehende Widerrufs- oder Rückgaberecht (§ 1 I Nr.9
InfVO), ferner um essentialia negotii des Vertrages (§ 1 I Nr. 1, 2 und 6
InfVO), überwiegend aber um allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 1 I Nr. 35, 7, 8, 10, 11 InfVO).186 Diese Informationen müssen dem Verbraucher
rechtzeitig vor Vertragsschluß zu Verfügung gestellt werden.187Nach Ansicht
des Gesetzgebers ist dieses Kriterium erfüllt, wenn der Verbraucher die
Informationen zur Kenntnis nehmen und eine informierte Entscheidung treffen
kann.188§ 312c I 1 statuiert neben dem Gebot der Rechtzeitigkeit auch das
Transparenzgebot.189Dies
bedeutet,
daß
die
Informationen
klar
und
verständlich und in einer dem eingesetzten Fernkommunikationsmittel
entsprechenden Weise übermittelt werden.190Was dabei genau unter klar und
verständlich zu verstehen ist, überläßt der Gesetzgeber bewußt der
Rechtsprechung.191
bb) Die nachvertraglichen Informationspflichten
182
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 387.
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.317.
184
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 128.
185
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 129.
186
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 129.
187
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.318.
188
BT-Drucks. 14/2658.
189
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.319.
190
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 392.
191
BT-Drucks. 14/2658, S. 38.
183
19
Die Pflicht des Unternehmers zu nachträglichen Informationen normiert § 312c
II i.V.m. § 1 II, III InfVO.192Nach § 312c II i.V.m. § 1 II InfVO muß der
Unternehmer dem Verbraucher die vorvertraglichen Informationen nach § 1 I
Nr. 1-9 InfVO in Textform nach § 126b mitteilen, damit der Verbraucher auf
diese dauerhaft zugreifen kann.193Des weiteren muß der Unternehmer dem
Verbraucher nach § 312c II i.V.m. § 1 III InfVO weitere Informationen über
die Bedingungen, Einzelheiten und Rechtsfolgen des Widerrufs- oder
Rückgaberechts
oder
Garantiebedingungen
dessen
oder
Ausschluß,
über
die
über
Gewährleistungs-
und
Kündigungsbedingungen
bei
längerfristigen Dauerschuldverhältnissen in Textform mitteilen.194
cc) Die Ausnahmen der nachvertraglichen Informationspflichten
Nach § 312c III gelten die nachvertraglichen Informationspflichten gem. §
312c II nicht bei Verträgen, deren geschuldete Dienstleistung unmittelbar unter
Einsatz der Fernkommunikationsmittel erbracht wird, sofern diese Leistungen
in einem Mal erfolgen und über den Betreiber der Fernkommunikationsmittel
abgerechnet werden. Der Unternehmer muß dem Verbraucher daher die
vorvertraglichen Informationen nicht in Textform mitteilen.195Allerdings muß
der Verbraucher dennoch die Möglichkeit haben, sich über die Anschrift der
Niederlassung des Unternehmers informieren zu können, bei der er
Beanstandungen vorbringen kann.196
dd) Weitergehende Verwendungseinschränkungen
Nach § 312c IV bleiben gesetzliche Einschränkungen bei der Verwendung von
Fernkommunikationsmitteln
und
weitergehende
Informationspflichten
aufgrund anderer Vorschriften unberührt.197Es handelt sich dabei um das früher
in § 2 I 3, IV FernAbsG a.F. verankerte Günstigkeitsprinzip.198Weitergehende
Informationspflichten können sich vor allem aus § 312e ergeben, da sich die
Vorschriften über den Fernabsatz und die über den Vertragsabschluß im
elektronischen Geschäftsverkehr keinesfalls ausschließen.199
ee) Rechtsfolgen bei Verstößen gegen die Informationspflichten
Ein Verstoß gegen Informationspflichten hat nicht die Nichtigkeit des
Rechtsgeschäfts zu Folge, sondern führt nur zu einer Verlängerung der
192
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.321.
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 130.
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 130.
195
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 400.
196
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.324.
197
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 400.
198
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 400.
199
RegE, BR-Drucks. 338/01, S. 393
193
194
20
Widerrufsfrist nach § 356 III auf bis zu sechs Monate.200Daneben können auch
Unterlassungsansprüche aus § 1 UWG oder § 2 I, II Nr.1 UklaG die
Rechtsfolge von Verstößen gegen Informationspflichten sein.201
d) Widerrufs- und Rückgaberecht bei Fernabsatzverträgen § 312d
Dem Verbraucher steht in Umsetzung von Art. 6 FARL gem. § 312d ein
Widerrufsrecht
nach
Maßgabe
der
§§
355
ff.
zu. 202Anstelle
des
Widerrufsrechts kann dem Verbraucher bei Fernabsatzverträgen über die
Lieferung von Waren auch ein Rückgaberecht eingeräumt werden.203Der
Beginn der Widerrufsfrist richtet sich grundsätzlich nach § 355 II, der hier aber
durch § 312d II modifiziert wird.204Entsprechend der FARL, die bestimmt, daß
der Lauf der Frist nicht vor Erteilung der notwendigen Informationen an den
Verbraucher beginnen darf, regelt § 312d II, daß die Widerrufsfrist nicht vor
Erfüllung der Informationspflichten nach § 312c II, bei der Lieferung von
Waren nicht vor dem Tag ihres Eingangs bei Empfänger, bei der
wiederkehrenden Lieferung gleichartiger Waren nicht vor dem Tag des
Eingangs der ersten Teillieferung und bei Dienstleistungen nicht vor dem Tag
des Vertragsschlusses beginnt.205Zudem erfährt auch das Erlöschen des
Widerrufsrechts nach § 355 III durch § 312d III eine Modifikation. Das
Widerrufsrecht bei Dienstleistungen, die im Fernabsatz vereinbart werden, soll
nämlich ggf. auch schon sofort erlöschen, z.B., wenn die Dienstleistung mit
ausdrücklicher Zustimmung des Verbrauchers sofort erbracht oder von ihm
selbst veranlaßt wird.206§ 312d IV normiert Ausnahmen vom Widerrufsrecht
für die Fälle, in denen die Ausübung des Widerrufsrechts aufgrund der
Eigenschaften der Ware bzw. Dienstleistung zu schwer erträglichen Folgen
führen würde.207
3) Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr § 312e
a) Vorbemerkungen
§ 312e ist eine Neuschöpfung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes.208Die
Norm setzt die Vorgaben des Art. 10 und 11 der Richtlinie 2000/31/EG
200
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.325.
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 131.
202
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.325.
203
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.325.
204
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 404.
205
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.328.
206
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.329.
207
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.330.
208
Palandt-Heinrichs, SMG, § 312e, Rn. 1.
201
21
(ECRL) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 08.06.2000 über
bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft,
insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt um. 209Die
Richtlinie
schafft
die
wesentlichen
wirtschafts-
und
zivilrechtlichen
Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr, der sich des
Internets
und
anderer
Informations-
und
Kommunikationsdienste
bedient.210Ziel des § 312e ist es zum einen den Anbietern von Waren und
Dienstleistungen zu ermöglichen, ihre Geschäfte im Internet insgesamt
rechtssicher auf- und ausbauen zu können, und zum anderen den Kunden die
auf elektronischem Weg beim Unternehmer bestellen, umfassenden Schutz zu
gewährleisten.211
b) Anwendungsbereich
Der Begriff des „Vertrages im elektronischen Geschäftsverkehr“ ist in § 312e I
gesetzlich definiert. Dieser liegt vor, wenn sich ein Unternehmer zum Zweck
des Abschlusses eines Vertrages über die Lieferung von Waren oder die
Erbringung von Dienstleistungen eines Tele- oder Mediendienstes bedient. §
312e greift auf die Bergriffsdefinitionen des Tele- und Mediendienstes im TDG
sowie im MDStV zurück.212Eine Abgrenzung zwischen beiden Begriffen ist oft
schwierig, für § 312e aber nicht erforderlich.213Wichtig ist aber, daß der Teleoder Mediendienst zu Abschluß des Vertrages eingesetzt worden ist.214
Nach dieser Definition ist ein Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr
regelmäßig
auch ein Fernabsatzvertrag i.S.v. § 312b,215weil Tele- oder
Mediendienste stets Fernkommunikationsmittel i.S.v. § 312b sind.216Es kann
allerdings ausnahmsweise etwas anderes gelten, da § 312e auch dann greift,
wenn der Unternehmer sich nicht nur eines Tele- oder Mediendienstes bedient,
sondern auch auf persönlichen Kontakt setzt.217Zudem setzt § 312e auch nicht
voraus, daß sich der Unternehmer eines für den Fernabsatz organisierten
Betriebssystems bedient, und auch der persönliche Anwendungsbereich des §
312e ist dahingehen weiter als der des §312b, daß der Kunde nicht Verbraucher
i.S.v. § 13 sein muß.218Andererseits ist der sachliche Anwendungsbereich des §
209
Abl.EG Nr. L 78, S.1; NJW 2000 Beil. Zu Heft 36; EuZW 2000, 527.
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 417.
211
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 418.
212
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.333.
213
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 139.
214
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 139.
215
BT-Drucks. 14/6040, S. 170.
216
Lorenz in JuS 2000,833.838.
217
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 138.
218
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 138.
210
22
312e wesentlich enger, als der des § 312b, da der Begriff des Fernabsatzes
jeden Vertragsschluß unter physisch abwesenden erfaßt, während unter § 312e
nur
Verträge
fallen,
die
unter
Einsatz
von
elektronischen
Kommunikationsmitteln zustande kommen.219Daher kann ein Vertrag entweder
nur unter § 312e oder nur unter §§ 312b-d oder unter beide Regelungen
fallen.220
b) Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr
§ 312e normiert in seinen Nr. 1-4 in Umsetzung der ECRL einen
Pflichtenkatalog, den der Unternehmer beim Vertragsschluß im elektronischen
Geschäftsverkehr zu beachten hat, welcher in der zeitlichen Reihenfolge
geordnet ist.221Nach § 312e I 1 Nr.1 muß der Unternehmer dem Kunden bereits
vor Bestellung angemessene, wirksame und zugängliche technische Mittel zur
Verfügung stellen, mit deren Hilfe er Eingabefehler erkennen und berichtigen
kann.222Diese Verpflichtung besteht bereits zum Zeitpunkt der bloßen
Eröffnung einer Bestellungsmöglichkeit durch den Unternehmer.223Nach §
312e I 1 Nr.2 muß der Unternehmer dem Kunden rechtzeitig vor Abgabe
dessen Bestellung klar und verständlich die in der InfVO bestimmten, den
Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr betreffenden Informationen
erteilen.224Nach § 3 InfVO muß der Unternehmer den Kunden über die
einzelnen technischen Schritte informieren, die zum Vertragsschluß führen,
darüber, ob der Vertragstext nach Vertragsschluß gespeichert wird und ob er
dem Kunden zugänglich ist, über die angebotenen Sprachen sowie über die
einschlägigen Verhaltenskodizes.225Nach § 312e I 1 Nr.3 hat der Unternehmer
dem Kunden den Zugang von dessen Bestellung unverzüglich auf
elektronischem Wege zu bestätigen.226Schließlich muß der Unternehmer dem
Kunden nach § 312e I 1 Nr. 4 die Möglichkeit verschaffen, auch schon vor
Vertragsschluß die Vertragsbestimmungen einschließlich der AGB abzurufen
und in wiedergabefähiger Form zu speichern.227Bestellung und Zugang gelten
gem. § 312e I 2 als zugegangen, wenn die Parteien, für die sie bestimmt sind,
sie unter gewöhnlichen Umständen abrufen können, und zwar unabhängig
219
Palandt-Heinrichs, SMG, § 312e, Rn. 3.
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 138.
221
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.336.
222
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 424 f..
223
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.336.
224
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.336.
225
Lorenz/Riehm, Neues SchuldR, Rn. 142.
226
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 425.
227
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.337.
220
23
vom tatsächlichen Abruf oder der tatsächlichen Kenntnisnahme.228 Diese
Unternehmerpflichten finden nach § 312 II keine Anwendung, wenn der
Vertrag ausschließlich durch individuelle Kommunikation geschlossen wird,
oder, wenn zwischen den Vertragsparteien, die nicht Verbraucher sind, etwas
anderes vereinbart wird.
c) Weitergehende Informationspflichten und Widerrufsrecht
§ 312e III 1, der weitergehende Informationspflichten aufgrund anderer
Vorschriften unberührt läßt, hat nur deklaratorische Bedeutung, da sich
weitergehende Informationspflichten vor allem aus den Vorschriften über
Fernabsatzverträge, insbesondere § 312c, ergeben, weil ein im E-Commerce
geschlossener Vertrag i.d.R. auch ein Fernabsatzvertrag ist. 229§ 312e begründet
kein gesondertes Widerrufsrecht.230Für den Fall, daß dem Kunden aber ein
Widerrufsrecht nach § 355 zusteht, bestimmt § 312e III 2, daß die
Widerrufsfrist abweichend von § 355 II 1 nicht vor Erfüllung der in § 312e I 1
geregelten Pflichten beginnt. Im elektronischen Geschäftsverkehr kann davon
ausgegangen werden, daß bei Verbraucherverträgen, also im Falle eines
Vertrages zwischen Unternehmer und Verbraucher, dem Verbraucher in aller
Regel ein Widerrufsrecht zusteht.231
4) Abweichende Vereinbarungen § 312f
§
312f
regelt
den
Grundsatz
der
Unabdingbarkeit
sowie
ein
Umgehungsverbot.232Nach dem Grundsatz der Unabdingbarkeit darf von den
Vorschriften der §§ 312-312e nicht zum Nachteil des Verbrauchers oder des
Kunden abgewichen werden, so daß weder ein Verzicht auf die Rechte noch
ein vertraglicher Ausschluß zulässig ist.233Daher ist auch ein Umgehungsverbot
notwendig, da der zwingende Charakter der Vorschriften nur erreicht werden
kann, wenn sie auch auf Verträge, Gestaltungen und Vertragspraktiken
anwendbar sind, die die gesetzlichen Regelungen umgehen sollen.234
B). Stellungnahme
228
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 429.
Huber/Faust, Schulrechtsmodernisierung, S.481.
230
Huber/Faust, Schulrechtsmodernisierung, S.473.
231
Henssler/von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, S. 434.
232
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.340.
233
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.340.
234
Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Neues SchuldR, S.340.
229
24
Anlaß zur Modernisierung des Schuldrechts war die Pflicht zur Umsetzung von
drei EG-Richtlinien in nationales Recht. Dieser Pflicht hätte der Gesetzgeber
jedoch
anstelle
der
Reformierung
des
Schuldrechts
auch
durch
Gesetzesänderungen oder durch den Erlaß von Nebengesetzen nachkommen
können. Allerdings war das Schuldrecht über 100 Jahre nach Inkrafttreten
ohnehin schon aufgrund der zahlreichen zivilrechtlichen Nebengesetze sehr
stark zersplittert. Der Erlaß weiterer Nebengesetze hätte diese Zersplitterung
nur noch verstärkt. Daher war die Entscheidung für die sog. „große Lösung“
durchaus sinnvoll, um so eine Vereinfachung, Modernisierung und
Vereinheitlichung des Schuldrechts zu bewirken. Durch das Vermeiden von
Sondergesetzen und die Reintegration der bestehenden Nebengesetze hat das
BGB ein Stärkung erfahren.235Auch die Vereinheitlichung des vorher sehr
unterschiedlichen geregelten Erlöschen der Widerrufsfristen nach spätestens 6
Monaten führt zu einer wesentlichen Vereinfachung für den Rechtsanwender.
Allerdings ist diese einheitliche Frist bei Dauerschuldverhältnissen u.U.
problematisch. Sie könnte nämlich bei einem auf mehrere Jahre angelegten
Vertragsverhältnis für den Unternehmer einen Anreiz schaffen, den
Verbraucher nicht zu belehren und Belastungen für den Verbraucher möglichst
aus der ersten Zeit fernzuhalten, und in die Zeit nach Ablauf der Widerrufsfrist
zu
verlegen,
um
so
die
Wahrscheinlichkeit
eines
Widerrufs
zu
verringern.236Asymmetrische Vertragsgestaltungen mit Lastenkumulation nach
den ersten 6 Monaten könnten die Folge sein.237Eine verlängerte Widerrufsfrist
von mehreren Jahren dagegen würde direkt in die Amortisationsberechnung
des Unternehmers hineinschneiden und so einen hinreichenden Anreiz setzen,
ordnungsgemäß
zu
belehren.238Ein
weiterer
Kritikpunkt
ist
die
Unvollständigkeit der Integration der Sondergesetze, da die Integration
keineswegs das gesamte sondergesetzliche Verbraucherschutzrecht erfaßt. 239
Es bleibt jedoch festzuhalten, daß die Schuldrechtsreform einen weiteren
großen Schritt in die richtige Richtung darstellt. Es ist für den Rechtsanwender
wesentlich übersichtlicher geworden, das die Querbezüge der Nebengesetze
zum BGB verdeutlicht und ihnen dadurch die Bedeutung zukommen läßt, die
ihnen gerecht wird.240Eine Zivilrechtskodifikation kann ihrem Anspruch
nämlich nur genügen, wenn sie die für jeden täglich relevanten Vorschriften
235
Schmidt-Räntsch in Schulte/Schulze-Nölke, Schuldrechtsreform, S. 171.
Mankowski in JZ 2001, 745, 748.
237
Mankowski in JZ 2001, 745, 748.
238
Mankowski in Schulte/Schulze-Nölke, Schuldrechtsreform, S. 365.
239
Dörner in Schulte/Schulze-Nölke, Schuldrechtsreform, S. 179f..
240
Schmidt-Räntsch in Schulte/Schulze-Nölke, Schuldrechtsreform, S. 171f..
236
25
auch ausweist, und genau das geschieht nach der Reintegration der
Verbraucherschutzgesetze in das BGB.241
241
Schmidt-Räntsch in Schulte/Schulze-Nölke, Schuldrechtsreform, S. 171.
26
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