IP/09/1492 Brüssel, 8. Oktober 2009 Europäische Kommission stellt Vertragsverletzungsverfahren ein, nachdem Italien und Estland die EUVorschriften zur Fernsehwerbung einhalten Die Europäische Kommission hat heute beschlossen, die Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien und Estland einzustellen, da beide Länder mittlerweile die EU-Regeln zur Fernsehwerbung vollständig einhalten. Die von der Kommission gegen Italien vorgebrachten Bedenken bezogen sich darauf, dass die dreiminütigen Teleshopping-Spots nicht als Werbezeiten gerechnet wurden und für die Fernsehzuschauer irreführend waren, dass Eigenwerbung der Fernsehanstalten im italienischen Recht nicht als Werbung galt und dass Verletzungen der Werbevorschriften nur unzureichend sanktioniert wurden. Auch gegen Estland leitete die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren ein, da die Fernsehsender regelmäßig die gemeinschaftsweit höchstzulässige Dauer von 12 Minuten Werbung pro Stunde überschritten. Beide Länder verletzten die EU-Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“, haben jedoch zwischenzeitlich ihre nationale Rechtsvorschriften und -praxis angepasst, um den europäischen Vorschriften für audiovisuelle Medien zu entsprechen. „Ich begrüße die von Italien und Estland ergriffenen konkreten Schritte, mit denen diese Länder den europäischen Werbevorschriften nachkommen. Dank der erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden und der Europäischen Kommission sind die Fernsehzuschauer in Italien und Estland jetzt durch klare Regeln besser geschützt. Schließlich sollten sie auf den ersten Blick erkennen können, dass sie gerade einen Werbespot sehen“, meinte Viviane Reding, in der EU-Kommission für die Medien zuständig. Nach Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens durch die Kommission im Dezember 2007 (IP/07/1902), hat die italienische Medienund Telekommunikationsaufsicht AGCOM die nationalen Werbevorschriften geändert und eine Mindestdauer von 15 Minuten für „Teleshopping-Fenster“ vorgeschrieben. Damit wird die Praxis der italienischen Fernsehsender beendet, dreiminütige Teleshopping-Spots während der TV-Programme zu senden, ohne sie in die stündliche Werbesendezeit einzurechnen. Nach den EU-Vorschriften für die audiovisuellen Medien (Richtlinie “Fernsehen ohne Grenzen") gilt für die “Teleshopping-Fenster” eine Mindestdauer von 15 Minuten, damit sie für Fernsehzuschauer auch als solche erkennbar sind. Darüber hinaus modernisierte die AGCOM das italienische Recht dahingehend, dass die Teleshopping-Spots – gemäß dem EU-Recht - in die maximale Werbezeit pro Stunde eingerechnet werden. Ferner wurde festgelegt, dass die EU-Vorschriften über Werbeeinschübe und -unterbrechungen auch für die Eigenwerbung gelten (wenn Fernsehsender Ankündigungen für künftige Sendungen einblenden). Bislang haben italienische Fernsehsender beispielsweise Nachrichtensendungen mit solchen Ankündigungen unterbrochen, was nach den EU-Vorschriften unzulässig ist. Italien hat auch klargestellt, dass Eigenwerbung den allgemeinen Werbevorschriften unterliegt. Hierunter fallen Bestimmungen über den Schutz von Minderjährigen, unangemessene Inhalte (Hassreden) und die Werbung für schädliche Stoffe (Tabak), in denen auch festgelegt ist, dass Werbebotschaften für Produkte oder Dienstleistungen des Fernsehsenders (wie „Premium pay-per-view“) als Werbung gelten und unter das zwölfminütige Werbelimit fallen. Am 3. September 2009 hat das oberste italienische Verwaltungsgericht ("Consiglio di Stato") die Gültigkeit der von AGCOM eingeführten Änderungen bestätigt und mehrere Fragen zum Teleshopping und zur Eigenwerbung an den Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung verwiesen (Rechtssache Nr. 5197/09). Ferner hat Italien seine Sanktionen zur Ahndung von Verletzungen der Werbevorschriften entsprechend dem EU-Recht beschleunigt und verschärft. Nach dem Gesetz Nr.101/2008 erhalten uneinsichtige Fernsehsender kein Fristsetzungsschreiben (“diffida”) mehr, die "oblazione" – eine Möglichkeit für Fernsehanstalten, einen Bußgeldnachlass zu erhalten – wurde gestrichen und derartige Rechtsverstöße werden mit höheren finanziellen Sanktionen belegt (von €10 329 bis €258 228 im Vergleich zur bisherigen Spanne von € 5 165 bis €51 646). Gleichzeitig kam ein von einem unabhängigen Sachverständigen erstellter Bericht zu dem Ergebnis, dass große estnische Fernsehsender häufig das in der EU geltende Werbelimit von 12 Minuten pro Stunde überschreiten. Ein Schriftwechsel, der im März 2009 in ein förmliches Aufforderungsschreiben (IP/09/424) mündete, führte zu dem Schluss, dass die Vertragsverletzungen darauf zurückzuführen waren, dass die estnischen Behörden nicht klar zwischen Werbespots und Sponsorenhinweisen differenzierten. Estnische Fernsehsender kombinierten Sponsorenhinweise (die der Information der Zuschauer über Sponsoring-Vereinbarungen dienen) mit Werbespots, während die estnischen Behörden diese für das EU-Werbelimit nicht berücksichtigten. Da sich der Werbecharakter eines Werbespots jedoch nicht ändert, wenn er zusätzlich Informationen über Sponsoren der Sendung enthält, fällt er unter das Werbelimit. Um den EU-Werbevorschriften zu genügen, hat der estnische Kulturminister Leitlinien mit klareren Erläuterungen aufgestellt. Auch die Vorschriften für die Überwachung der Fernsehsender wurden geändert und verbessert. Hintergrund: Die Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ wurde 1989 erlassen (IP/91/898) und 1997 überarbeitet (IP/97/552). Am 13. Dezember 2005 schlug die Kommission eine weitere Überarbeitung der Richtlinie vor, um den Technologie- und Marktentwicklungen auf dem Gebiet der audiovisuellen Mediendienste Rechnung zu tragen (IP/05/1573, MEMO/06/208). Die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste wurde am 24. Mai 2007 angenommen (IP/07/706) und am 29. November 2007 vom Europäischen Parlament gebilligt (IP/07/1809). Die Richtlinie, die bis zum 19. Dezember 2009 in nationales Recht umgesetzt werden muss, bietet einen Mindestsatz an gemeinsamen EU-Vorschriften, die zu einem einheitlichen Markt für alle audiovisuellen Mediendienste beitragen. Der Wortlaut der modernisierten Richtlinie ist unter folgender Adresse abrufbar: http://ec.europa.eu/avpolicy/reg/avms/index_de.htm 2