POSITIONEN: Herausgegeben vom Verband für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik e.V. (VBS) 2012 Inhalt Vorwort ................................................................................................................................ 2 Brailleschrift ......................................................................................................................... 3 Berufsvorbereitung und berufliche Teilhabe ........................................................................ 8 Bewegung und Sport ......................................................................................................... 11 Frühförderung .................................................................................................................... 13 Integration blinder und sehbehinderter Schülerinnen und Schüler .................................... 20 Informationstechnische Bildung blinder und sehbehinderter Menschen ............................ 24 Low-Vision ......................................................................................................................... 26 Blinde und sehbehinderte Menschen mit zusätzlichen Beeinträchtigungen....................... 29 Musikerziehung blinder und sehbehinderter Menschen ..................................................... 32 Naturwissenschaftlicher Unterricht .................................................................................... 35 Förderung Lebenspraktischer Fähigkeiten (LPF) sowie der Orientierung und Mobilität (O&M) ................................................................................................................................ 36 Psychologie ....................................................................................................................... 39 Blinden- und Sehbehindertenpädagogik in universitärer Forschung und Lehre................. 41 Position zur inklusiven Beschulung und Bildung blinder und sehbehinderter Menschen in der Bundesrepublik Deutschland des Verbandes für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik e.V. (VBS) ............................................................................... 44 Bildung, Erziehung und Rehabilitation blinder und sehbehinderter Kinder und Jugendlicher in einer inklusiven Schule in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland ....................................................................................................................... 47 Sicherstellung der Teilhabe von blinden und sehbehinderten Schülerinnen und Schülern an Vergleichsarbeiten und zentralen Abschlussprüfungen ................................. 76 Impressum ......................................................................................................................... 79 Vorwort des 1. Vorsitzenden des Verbandes für Blinden und Sehbehindertenpädagogik e. V. zur Ausgabe der Positionen 2012 Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, jeweils zum Kongress für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik legt der Verband für Blinden und Sehbehindertenpädagogik e. V. (VBS) seine Positionen vor. So auch zum 35. Kongress, der im Jahr 2012 in Chemnitz stattfindet. Die Positionen dienen einerseits der Standortbestimmung und bilden andererseits die Grundlage für die Arbeit der nächsten Jahre. Die vergangenen vier Jahre waren gekennzeichnet durch einen kaum für möglich gehaltenen bildungspolitischen Aufbruch, der maßgeblich durch die Ratifizierung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) durch den Deutschen Bundestag am 26.3.2009 angestoßen wurde. Dieser Diskussions- und Veränderungsprozess findet seinen Niederschlag auch in diesem Band, in dem maßgeblich auf die UN-BRK Bezug genommen wird. Wurde mit den VBS-Positionen 2008 ein Diskussionspapier zum Thema „Inklusion“ vorgelegt, so finden Sie in diesem Band klare Positionierungen zum Thema sowie Anregungen und Forderungen zur praktischen Umsetzung von Inklusion für blinde und sehbehinderte Menschen1 aus pädagogischer Sicht. Neben den Positionen, die von den Arbeitsgemeinschaften des VBS erarbeitet und mit dem Vorstand abgestimmt wurden, finden Sie die Position des VBS-Vorstandes zum Thema „Inklusion“ sowie eine ModellLeistungsbeschreibung mit dem Titel: „Bildung, Erziehung und Rehabilitation blinder und sehbehinderter Kinder und Jugendlicher in einer inklusiven Schule in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland“. In diesem Papier, das mit dem Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband e. V. (DBSV) abgestimmt ist, ist der besondere Förderbedarf blinder und sehbehinderter Schülerinnen und Schüler unabhängig von ihrem Lernort beschrieben. Im Jahr 2012 werden die Positionen des VBS erstmals als Sonderdruck der VerbandsZeitschrift blind – sehbehindert veröffentlicht. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass alle Mitglieder des VBS sowie alle am Thema interessierten Fachleute und Institutionen davon Kenntnis erlangen. Selbstverständlich werden die Positionen des VBS auch über die Homepage www.vbs.eu in verschiedenen Formaten barrierefrei zur Verfügung gestellt. Lassen Sie uns gemeinsam dafür werben und eintreten, dass blinde und sehbehinderte 1 Die Bezeichnung „blinde und sehbehinderte Menschen“ wurde auf ausdrücklichen Wunsch des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes e. V. (DBSV) sowie des Deutschen Vereins der Blinden- und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V. (DVBS) gewählt. Die Konstruktion mit Präpositionalgefüge (Kind mit Blindheit) und der Begriff „sehgeschädigt“ wurde nur in besonders begründeten Einzelfällen sowie in Zitaten genutzt. Auf die (fachlich korrekte) Formulierung „Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf im Förderschwerpunkt Sehen“ wurde aus Gründen der besseren Lesbarkeit verzichtet. Menschen tatsächlich die pädagogischen Angebote bekommen, die sie benötigen, um im Sinne der UN-BRK an Bildung, an Arbeit und am Leben in der Gesellschaft teilhaben zu können. Die Positionen des VBS liefern hierfür Argumente und Hintergrundwissen. Die Positionen des VBS gehen zurück auf Diskussionen und Entscheidungen der Arbeitsgemeinschaften, die den VBS inhaltlich formen. Allen, die an dieser Zusammenstellung der Positionen beteiligt waren, allen Arbeitsgemeinschaften und allen Verfassern danke ich ganz herzlich im Namen des gesamten Vorstandes. Kritik zu den einzelnen Positionen ist nicht nur möglich, sondern erwünscht. Nur kritische Offenheit bringt uns in unserem Bemühen um eine Verbesserung der pädagogischen Angebote für blinde und sehbehinderte Kinder, Jugendliche und Erwachsene weiter! Stuttgart, den 25.06.2012 Dieter Feser Vorsitzender des VBS Brailleschrift Vom NICE TO HAVE zum MUST Die Brailleschrift hat sich seit ihrer Entwicklung durch Louis Braille 1825 bis heute als die Schrift für blinde Menschen bewährt, da sie den taktilen Leseanforderungen am besten entspricht. In Artikel 24, Absatz 3, Buchstabe a, der UN-Behindertenrechtskonvention ist die Forderung zum erleichterten Erwerb von Brailleschriftkenntnissen explizit verankert, und zwar als Schlüssel zum Erwerb von sozialen Kompetenzen, „um [...] volle und gleichberechtigte Teilhabe an der Bildung und als Mitglieder der Gemeinschaft zu erleichtern“. Sie muss deshalb blinden Lernenden in Schule, Berufsausbildung und sozialer Rehabilitation zum Erwerb der schriftlichen Kommunikationsfähigkeit vermittelt werden. Wie alle Schriftsysteme hat auch die Brailleschrift dienende Funktion und muss an die Kommunikationsfähigkeit der Nutzer ebenso wie an neue informationstechnische Möglichkeiten stets angepasst werden. Der VBS stellt sich uneingeschränkt dieser Aufgabe und sieht in der Schaffung von erforderlichen Rahmenbedingungen wie z. B. regelmäßigen Fortbildungsangeboten, Öffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsbildung einen Schwerpunkt seines Handelns. Es dauerte lange, um auf den Punkt zu kommen Jahrhundertelang wurden immer wieder Schriften für Blinde entwickelt, unter anderem Knoten- und Kerbschriften. Diese Versuche mündeten in der ersten systematischen Blindenerziehung mit den Buchstaben der Sehenden, die den Tastlesenden überdimensional in Filz oder sonst erhaben zur Verfügung gestellt wurden. Die in dieser Umgebung im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts erfundene braillesche Punktschrift wies unter anderem zwei unschätzbare Vorteile auf: hohe Ertastbarkeit bei einer Größe, die eine lineare Lesebewegung erlaubt, sowie das selbstständige Schreiben mit einfachsten Mitteln. Dennoch hatte sie es nicht leicht, sich durchzusetzen: Von Blindenpädagogen wurde sie bis zum Ende des 19. Jahrhunderts als der Schrift der Sehenden zu entfernt abgelehnt. Es hat immer wieder Versuche gegeben, das braillesche Grundsystem zu optimieren. Aber so manche Entwicklung erwies sich als Verschlimmbesserung. Dennoch wurde die Brailleschrift immer wieder aktuellen Gegebenheiten angepasst, so auch für den Gebrauch am Computer, der wesentliche Impulse für ihre Weiterentwicklung gegeben hat. Bleiben wir beim Punkt? Mit dem Aufkommen der ersten Tonträger wurde die Brailleschrift totgesagt. Und mit jeder Verbesserung der Aufzeichnungs- und Wiedergabetechnologie aufs Neue. Wieso lebt sie noch? Unter Pädagogen wird die Bedeutung der schriftlichen Kommunikationsfähigkeit nicht in Frage gestellt. Hier bilden blinde Menschen keine Ausnahme. Sprache in schriftlicher Form kann und wird anders be- und verarbeitet als andere Medien und kann anders genutzt werden. Aber nicht nur Sprache im engeren Sinne. Ohne Schrift werden der Mathematik schnell Grenzen gesetzt. Hier ist vielleicht am offensichtlichsten, dass die Schrift nicht nur der Aufzeichnung erarbeiteter Ergebnisse dient, sondern selbst einen Teil des Erarbeitungsprozesses bildet. Der auditive Informationskanal kann nicht außer Acht gelassen werden - weder bei blinden noch bei sehenden Lernenden. Tonaufzeichnungen und digitalisierte Sprache sind wichtige Medien und in vielen Situationen die passende Ergänzung zu Gedrucktem und Geschriebenem. Aber diese völlig ersetzen könnten sie auch aus pädagogischer Sicht nie. Durch den Punkt kann man keinen Strich machen Der Leseprozess unterscheidet sich beim taktilen Lesen unter wahrnehmungspsychologischen und –physiologischen Aspekten deutlich von demjenigen des visuellen Lesens. Dies hat zunächst auch nichts mit den Punktmustern selber zu tun. Visuell liest eine sehende Person auch die Brailleschrift auf dieselbe Weise wie eine andere Schrift: Der Überblick wird genutzt, um die Worte mit gezielten Sprüngen der Augen zu erfassen, wobei ein kurzes Wort eines, ein längeres dagegen mehrerer Sprünge bedarf. Naturgemäß macht sich der tastende Finger andere Techniken zu Eigen. Anstatt zu springen, streicht er über die Schrift, ertastet jedes Zeichen einzeln, auch wenn er nicht allen gleichermaßen Aufmerksamkeit widmet. Beispielsweise erhöht eine oft beobachtete Technik die Lesegeschwindigkeit, indem jeweils der Wortanfang genau zur Kenntnis genommen, der Rest des Wortes bis zum nächsten Leerraum jedoch überflogen wird. Mit mehreren Fingern lässt sich diese Technik noch verfeinern: Ein der eigentlich lesenden Fingerbeere vorauseilender Finger erfasst schon den Leerraum, so dass auch die Wortendung erkannt und das ganze Wort besser erraten bzw. geschlussfolgert werden kann. Beim sehr vorteilhaften Einsatz von zwei Händen lässt sich sogar zeitweilig das gleichzeitige Lesen von Text auf zwei Zeilen nachweisen! Ein Verständnis für die unterschiedlichen Lesetechniken von Auge und Finger erklärt auch die unterschiedlichen Schriftformen: Ertastbare Nachbildungen der Buchstaben der Sehenden wären zu groß, um von einem auf nur einer Achse sich bewegenden Finger erfasst zu werden. Und vertikale Bewegungen verlangsamen den Leseprozess. Der springende Punkt für die Pädagogik Die verschiedenen Schriftformen sowie die wahrnehmungspsychologischen und -physiologischen Rahmenbedingungen führen auch zu anderen, oft übersehenen, für die Pädagogik jedoch wichtigen Unterschieden. Es sind andere Buchstaben und Worte, die beim Lesenlernen gerne verwechselt werden. In der Schrift der Sehenden sind ein Komma und ein Apostroph meistens nur zusammen mit anderen Zeichen zu erkennen - allein auf einem Blatt wären sie kaum zu unterscheiden. Auch in der Brailleschrift werden manche Zeichen nur im Kontext mit anderen eindeutig identifiziert. (An diesem Aspekt sind die früheren „schreibergonomischen“ Schriften in Deutschland und den USA gescheitert.) Beispielsweise können in der Mathematik (Minus-) Strich und (Geteilt-durch-) Doppelpunkt erst in unmittelbarer Nähe anderer Zeichen auseinander gehalten werden. Die Pädagogik muss sicherstellen, dass die Schülerinnen und Schüler mit adäquaten Schriftkenntnissen für Schule und Leben ausgerüstet werden. Sowohl auf Papier wie auch am Computer, und nicht nur für Deutsch, sondern beispielsweise auch für Fremdsprachen, Naturwissenschaften und Musik. Dies bedingt eine dem Medium angepasste Methodik und Didaktik, was wiederum Kenntnisse von und ein gründliches Verständnis für das Schriftmedium voraussetzt. Die allgemeine Pädagogik verlangt eine hohe Qualität schriftlicher Materialien in Bezug auf Aspekte wie Orthografie, klares Layout und Leserlichkeit zur Optimierung der didaktischen Effektivität. Diese gelten in gleichem Maße auch für Brailleschrift lesende Kinder und Jugendliche, wobei die Andersartigkeit von Layout und Leserlichkeit in der Brailleschrift auch berücksichtigt werden muss. Punkte inklusive In der Blinden- und Sehbehindertenpädagogik wird die Brailleschrift wieder zu einem Thema, das viel Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Besonders in der Schule wird sie oft unter ganz anderen Umständen vermittelt als in der Vergangenheit: – Die Unterrichtung blinder Kinder in lernzielgleichen, homogenen Klassengemeinschaften ist zur Ausnahme geworden. – Blinde Kinder und Jugendliche werden häufiger als früher an allgemeinen Schulen unterrichtet. Dadurch kommen mehr Lehrkräfte – vor allem nicht sonderpädagogisch ausgebildetes Personal – in Kontakt mit der Brailleschrift als früher. – Auch im Unterschied zu früher haben die einzelnen Lehrkräfte tendenziell mit weniger blinden Kindern und Jugendlichen bzw. Auszubildenden zu tun - dafür im Einzelfall mit vielfältigeren Aspekten der Brailleschrift. – Der Know-how-Transfer unter pädagogisch Tätigen sowie die Versorgung mit entsprechendem didaktischem Material ist dadurch viel schwieriger geworden. Der breite Computereinsatz in der Schule birgt nebst den früher ungeahnten pädagogischen Möglichkeiten auch Gefahren. Es ist die Uraufgabe der Didaktik, sich nicht nur mit der Frage zu befassen, welche Informationen gegeben werden, sondern vielmehr, wie diese Informationen aufgenommen werden. Die Wahrnehmung an der Braillezeile ist anders als am Bildschirm oder auf Papier. Die Verschiedenheit geht zum einen auf die andere Darstellung der Zeichen zurück; aber ebenso wichtig oder noch wichtiger sind die Reihenfolge der Informationsaufnahme, die Überblickbarkeit und sogar der Informationsgehalt selber. Hier ist viel Sensibilisierungs- und Fortbildungsarbeit notwendig. Um im Rahmen der technologischen Entwicklung blinden Menschen grundsätzlich den Zugang zu allen digitalisiert vorliegenden Texten zu eröffnen, wurden Computerbrailleschriften mit nunmehr 8 Punkten entwickelt. Aufgrund der neuartigen Anforderungen, welche die Arbeit am Computer mit sich bringen, weichen diese Systeme in entscheidenden Aspekten des Aufbaus von der herkömmlichen Brailleschrift ab. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, wurden auch neue, dem Medium angepasste Lösungen für die Aufzeichnung von Mathematik usw. gefunden. Bei der Frage, wann welches Punktschriftsystem erlernt werden soll, ist eine Reihe von Kriterien zu berücksichtigen: – Die Durchlässigkeit des Bildungssystems für blinde Schülerinnen und Schüler muss sichergestellt sein. – Die Schülerinnen und Schüler müssen unabhängig vom Lernort zum Abschluss einer jeden Phase über Arbeitstechniken in Braille verfügen, auf denen in der anschließenden Phase reibungslos aufgebaut werden kann. – Schaffung einer Entscheidungskompetenz: Die Schülerinnen und Schüler sollen in die Lage versetzt werden, möglichst eigenverantwortlich und qualifiziert entscheiden zu können, welche Schriftsysteme ihren individuellen Bedürfnissen am weitesten entgegenkommen bzw. in welchen Anwendungszusammenhängen sie sich welcher Notation bedienen. – Diese Ziele können nur erreicht werden, wenn die entsprechenden Brailleschriftsysteme und die damit verbundenen Arbeitstechniken in angemessener Weise im Unterricht vermittelt werden. – Die individuelle Leistungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler muss angemessen berücksichtigt werden. – Bei den fälligen methodischen und didaktischen Entscheidungen müssen der jeweilige Lernort und die gegebene Lernumgebung beachtet werden (die anzuwendenden Methoden des Erlernens von Braille differieren stark mit den jeweiligen Lerngruppen). – Gegenüber den 8-Punkt-Systemen hat die Blindenkurzschrift den Vorteil der schnelleren Les- und Schreibbarkeit (Vorteil der höheren Informationsdichte unabhängig der Medien Papier oder Braillezeile). Die folgenden Grundsätze gilt es zu beachten: Die Blindenvollschrift soll nach Abschluss des Schreib-Lese-Erwerbs (2. bzw. 3. Schulbesuchsjahr), spätestens jedoch nach der Grundschule (4. bzw. 5. Schulbesuchsjahr) beherrscht werden. Nach Abschluss der Orientierungsstufe (6. Klasse) sollen Schüler und Schülerinnen, die weiterführende Schulen besuchen wollen, die Braillekurzschrift erlernt haben. Am Ende der Haupt- bzw. Realschule sollen zusätzlich folgende Schriftsysteme und Techniken (von Schülerinnen und Schülern, die eine weiterführende Schule besuchen wollen) beherrscht werden: – die englische Kurzschrift (Grade II), – die landesüblichen Brailleschriftsysteme (Grad I) der zweiten Fremdsprache, – der Umgang mit den Kommunikationstechnologien (Computerbraille, Textverarbeitung u. ä.), – 6-Punktmathematikschrift („Marburger Mathematikschrift“) und die Computermathematikschrift auf der Basis von LaTeX in dem Umfang, in welchem es für den Unterricht erforderlich ist, – Braille-Notenschrift, soweit ein schriftliches Notensystem im Lehrplan vorgesehen ist. Im Rahmen der beruflichen und der sozialen Rehabilitation muss sich die Vermittlung der Brailleschriftsysteme an den Erfordernissen im Einzelfall sowie am jeweiligen Rehabilitationsziel orientieren. Um die Phasen-Schnittstellen-Lernziele zu erreichen, sind verschiedene methodische Wege möglich und angesichts der unterschiedlichen Rahmenbedingungen auch notwendig. Die Entscheidung darüber, welcher methodische Weg in einem bestimmten Lernumfeld bzw. an einem bestimmten Lernort gewählt wird, muss maßgeblich von der sonderpädagogischen Fachkraft getroffen werden. Ihr kommt daher eine hohe Verantwortung zu. Um diese verantwortungsvolle Entscheidung treffen zu können und die entsprechenden Punktschriftsysteme adäquat vermitteln zu können, muss die sonderpädagogische Fachkraft die verschiedenen Punktschriftsysteme mit ihren anwendungsbezogenen Charakteristika und Eignungszusammenhängen sowie die entsprechenden Arbeitstechniken kennen. Bei dieser Aufgabe können erfahrene blinde Punktschriftanwender als Betroffene, als Experten und Vorbilder eine wertvolle Unterstützung für sehende Lehrkräfte sein. Die Position des VBS auf den Punkt gebracht Der VBS setzt sich ein für eine qualifizierte Unterrichtung der Brailleschrift sowie des Unterrichts mittels der Brailleschrift. Das heißt im Einzelnen: – Der VBS unterstützt die Schaffung und Erhaltung von Strukturen, die der Sammlung und Bereitstellung von Wissen und Know-how über Brailleschriften dienen, sowie deren Vermittlung und Einweisung in ihre Herstellung und den Gebrauch. – Der VBS setzt sich dafür ein, dass der Brailleschrift angemessene Aufmerksamkeit zukommt (Bewusstseinsbildung). – Der VBS beteiligt sich aktiv an der Bekanntmachung und punktuell auch in der Entwicklung von Materialien für das Lernen und das Lehren der verschiedenen Brailleschriftsysteme. – Der VBS sucht nach Möglichkeiten der stärkeren Sensibilisierung pädagogisch Tätiger für die Bedeutung und die besonderen Eigenschaften der Brailleschrift. – Der VBS beteiligt sich aktiv an der Arbeit im Brailleschriftkomitee der deutschsprachigen Länder und setzt dort pädagogisch-didaktische Akzente. – Der VBS bekennt sich zum Aufbau neuer Wege der Qualifizierung pädagogisch Tätiger für deren Arbeit mit der Brailleschrift und engagiert sich dafür. – Der VBS setzt sich schließlich dafür ein, dass die Vermittlung von Brailleschrift einschließlich ihrer methodisch-didaktischen Aspekte verpflichtender Teil in der 1. Ausbildungsphase des Studiums der Blindenpädagogik ist. Für die AG Braille Petra und Vivian Aldridge, Basel Heidi Theiss-Klee, Marburg Berufsvorbereitung und berufliche Teilhabe Berufliche Bildung und Rehabilitation blinder und sehbehinderter Menschen Der VBS tritt mit Nachdruck dafür ein, dass blinde und sehbehinderte Menschen die notwendige Unterstützung bekommen, um am Erwerbsleben teilnehmen zu können. Dies gilt sowohl für die berufliche Erstausbildung und den Einstieg in das Erwerbsleben als auch für die berufliche und soziale Rehabilitation von Menschen, bei denen Blindheit oder Sehbehinderung während des Erwerbslebens eingetreten ist. Maßgeblich für diese Forderung sind arbeitsethische und humanistische Grundpositionen, die wesentlich ihren Niederschlag in den Sozialgesetzbüchern III und IX sowie in den Gleichstellungsgesetzen des Bundes und der Länder gefunden haben. Die UN-Behindertenrechtskonvention unterstreicht in ihrem Artikel 27 das Recht von Menschen mit Behinderungen auf berufliche Teilhabe. 1. Die Situation Die berufliche Rehabilitation und die Arbeitsmarktlage für blinde und sehbehinderte Menschen stellen sich im Jahr 2012 wie folgt dar: – Eine abgeschlossene Berufsausbildung gemäß Berufsbildungsgesetz bzw. ein abgeschlossenes Studium ist eine wesentliche Voraussetzung für die Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Dabei kommen den extrafunktionalen Qualifikationen, wie Selbstständigkeit, Mobilität, Beherrschung lebenspraktischer Fertigkeiten, sozialkompetentes Verhalten, Umgang mit neuen Medien (Methodenkompetenzen), neben den fundierten beruflichen Kenntnissen und Fertigkeiten zunehmende Bedeutung zu. – Die beruflichen Möglichkeiten blinder und sehbehinderter Menschen sind jedoch behinderungsbedingt extrem eingeschränkt. Der Prozess der Berufswahl und Berufsausbildung bzw. Rehabilitation stellt daher hohe Anforderungen an die Anpassungs- und Leistungsbereitschaft der Betroffenen sowie an die Fachkompetenz und Leistungsfähigkeit der Personen und Institutionen, die mit ihrer Beratung und Qualifizierung betraut sind. – In der Legislaturperiode von 1998 – 2002 hat die Bundesregierung durch eine Novellierung des Schwerbehindertenrechtes und seine Überführung in das Sozialgesetzbuch IX den klaren Willen des Gesetzgebers zum Ausdruck gebracht, die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Leben in der Gesellschaft und am Arbeitsleben zu fördern. Diese Entwicklung wurde durch die Verabschiedung der Gleichstellungsgesetze des Bundes und der Länder unterstützt. – An für die Umsetzung dieser Rechte notwendigen Strukturen mangelt es jedoch. So hat z. B. die Bundesagentur für Arbeit ein Beratungskonzept eingeführt, das sich stärker an betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten als an der notwendigen Förderung im Einzelfall orientiert. Bei den Jobcentern nach SGB II fehlt es nach wie vor an Kennzahlen und Zielvereinbarungen bzgl. der Integration schwerbehinderter Personen, so dass dafür zum Teil nicht einmal die notwendigen Mitarbeiter vorgehalten werden. Überdies wurde das Eingliederungsbudget der Jobcenter 2011 und 2012 von der Bundesregierung um mehr als 40 % zurückgefahren. Davon sind blinde und sehbehinderte Menschen besonders betroffen, da ihre berufliche Eingliederung überdurchschnittlich teuer ist. 2. Positionen und Ziele – Die allgemeinbildenden Schulen müssen ihre Lerninhalte überprüfen und verstärkt berufsorientierende Inhalte bei der Unterrichtsplanung und -gestaltung berücksichtigen. – Die elementaren beruflichen Tugenden sowie die grundlegenden Kulturtechniken sollten in den allgemeinbildenden Schulen so weit wie möglich vermittelt werden. – Die Erziehung zur Selbstständigkeit und zur eigenständigen praktischen Lebensbewältigung muss betont werden. Mobilitätstraining, Unterweisung in lebenspraktischen Fertigkeiten, Low-Vision-Schulungen, Einsatz spezifischer Arbeitstechniken, Hilfsmittel und Medien sind als zentrale, blinden- und sehbehindertenpädagogische Aufgabenfelder aufzuwerten. – Alle am Prozess der schulischen und beruflichen Bildung sowie beruflichen Eingliederung beteiligten Gruppen und Personen müssen im Sinne einer Vernetzung eng zusammenarbeiten. Dies ist eine wichtige Voraussetzung, um den blinden und sehbehinderten Menschen optimale Entwicklungsmöglichkeiten und einen optimalen Einsatz der Ressourcen zu gewährleisten. Dies gilt insbesondere an den Schnittstellen zwischen Schule, beruflicher Qualifizierung und beruflicher Eingliederung. – Die Existenz der beruflichen Bildungseinrichtungen für blinde und sehbehinderte Menschen ist zu sichern. Sie bilden die Basis für die berufliche Qualifizierung und Eingliederung dieses Personenkreises auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. – Die stationären Angebote zur beruflichen Bildung und Rehabilitation blinder und sehbehinderter Menschen sind im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention mit dem Ziel weiterzuentwickeln, ein differenziertes, wohnort- und betriebsnahes Angebot zur beruflichen Bildung bereitzuhalten. Sie sind mit den vorhandenen Beratungs- und Unterstützungsangeboten für sehbehinderte und blinde Menschen, die eine wohnortnahe Ausbildung außerhalb spezifischer Bildungseinrichtungen anstreben bzw. absolvieren, zu vernetzen und weiterzuentwickeln. – Zahlreiche blinde und sehbehinderte Menschen mit zusätzlichen Behinderungen sind zur Sicherung der Teilhabe am Leben und Arbeiten in unserer Gesellschaft auf die Förderung und die Rahmenbedingungen einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) angewiesen. Dem besonderen, durch Blindheit bzw. Sehbehinderung bedingten Förderbedarf ist durch besondere Werkstätten für mehrfachbehinderte blinde und sehbehinderte Menschen mit Wohnheimen Rechnung zu tragen. – Die blinden- und sehbehindertenpädagogische Beratung und Unterstützung der allgemeinen Werkstätten ist im Sinne einer möglichst wohnortnahen beruflichen Teilhabe auszubauen. – Es sind geeignete Voraussetzungen und Strukturen dafür zu schaffen, dass blinde und sehbehinderte Menschen mit Haupt- oder Realschulabschluss auch zukünftig die Chance haben, sich beruflich zu qualifizieren und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beruflich tätig zu werden. Staatliche und kommunale Einrichtungen stehen hier in einer besonderen Verantwortung. – Akademische Berufe bilden nach wie vor einen wesentlichen Bestandteil des Spektrums möglicher Berufe für blinde und sehbehinderte Menschen. Eine behinderungsgerechte Studienberatung sowie sächliche und personelle Unterstützung beim Studium und bei der anschließenden Stellensuche sind sicherzustellen. – Auch zukünftig ist eine für Arbeitgeber und Arbeitnehmer kostenlose, blinden- bzw. sehbehindertengerechte Arbeitsplatzausstattung und deren Anpassung an neue technische und inhaltliche Gegebenheiten zu gewährleisten. – Es ist anzustreben, ein bundesweit flächendeckendes Beratungs- und Unterstützungsangebot für blinde und sehbehinderte Menschen mit folgenden Hauptaufgaben aufzubauen: – Beratung und Unterstützung bei Unfall oder Erkrankung mit ungünstiger Prognose für das Sehvermögen und drohendem oder faktischen Arbeitsplatzverlust; – Beratung und Unterstützung beim Übergang von der Ausbildung, einer Rehabilitationsmaßnahme oder aus der Arbeitslosigkeit in ein Arbeitsverhältnis; – Mitwirkung bei der Lösung behinderungsbedingter Probleme am Arbeitsplatz. Integrationsfachdienste müssen direkt oder indirekt über das dafür notwendige fachliche Knowhow verfügen. – Beratung zur blinden- bzw. sehbehindertengerechte Arbeitsplatzausstattung und Unterstützung bei der Beantragung erforderlicher Hilfsmittel beim jeweiligen Kostenträger. – Die Möglichkeiten blinder und sehbehinderter Menschen zur Teilnahme an berufsbegleitender Fort- und Weiterbildung sowie die Arbeitsassistenz müssen bedarfsgerecht ausgebaut und gesichert werden. Für die AG Berufsvorbereitung und berufliche Teilhabe Manfred Wingender, Düsseldorf Bewegung und Sport Die Arbeitsgemeinschaft Bewegung & Sport des VBS versteht sich als Forum für all diejenigen, die sich in ihrer beruflichen Tätigkeit für die Bewegungsförderung blinder und sehbehinderter Menschen interessieren und einsetzen. Als Zielgruppe unserer AG sehen wir dementsprechend Sportlehrerinnen und Sportlehrer sowie pädagogisch oder therapeutisch orientierte Fachleute, wie z. B. Motopädagogen, Gymnastiklehrer und Krankengymnasten oder die in den Einrichtungen für blinde und sehbehinderte Menschen tätigen Erzieherinnen und Erzieher. Was uns miteinander verbindet, ist vor allem das Bewusstsein über die Bedeutung des Faktors Bewegung für die kindliche bzw. menschliche Entwicklung. Im Verständnis der modernen Entwicklungspsychologie vollzieht sich die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in der selbständigen, aktiven und handelnden Auseinandersetzung mit der Umwelt. Wahrnehmung und Lernen sind in diesem Sinne nicht als quasi passive Abbildungsprozesse von Sinneseindrücken zu verstehen, sondern als Ausdruck eines komplexen Zusammenwirkens von Wahrnehmung und Bewegung. Kindliche Handlungskompetenz kann sich in diesem Verständnis nur aktivitätsgebunden, d. h. auf der Basis von Bewegungshandlungen entwickeln. Als zentraler Punkt für die Erschließung bzw. Konstruktion der Welt kann dabei der eigene Körper gelten, der in physischer wie psychisch-emotionaler Hinsicht die Grundlage der Orientierung in der Welt darstellt. Dieser Prozess kann bei blinden und sehbehinderten Kindern tendenziell gefährdet sein. Zum einen kann aufgrund der fehlenden oder ungenügenden visuellen Stimuli schon in frühen Entwicklungsphasen – dies gilt insbesondere für blinde Kinder – die Motivation zum eigenständigen Bewegungshandeln beeinträchtigt sein. Zum anderen erschwert die eingeschränkte visuelle Kontrolle grundlegende Prozesse der Raumerfahrung, die wiederum die Voraussetzung für ein angstfreies und sicheres Bewegungshandeln darstellen. In der Konsequenz verfügen blinde und sehbehinderte Kinder und Jugendliche zum Teil über sehr viel weniger Bewegungserfahrungen und damit verbundene Chancen zur Entwicklung einer individuellen und kulturellen Identität. Eine bewusste, auf die Entwicklungsförderung der Kinder und Jugendlichen ausgerichtete, Bewegungserziehung muss daher als zentraler Bestandteil der pädagogischen Arbeit mit blinden und sehbehinderten Menschen begriffen werden. Diese Aussage gilt im Sinne lebenslangen Lernens auch für Erwachsene. Durch die in Bewegung und Sport stattfindende unmittelbare Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper können positive Bewegungserfahrungen und die entsprechenden Erfolgserlebnisse zudem einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung des Selbstvertrauens und des Selbstwertgefühls von Menschen mit einer Sehschädigung liefern. Zudem öffnet ein motorischer Kompetenzerwerb (z. B. Bogenschießen oder Skifahren können) blinden und sehbehinderten Kindern und Jugendlichen potentiell Türen zur kulturellen Vielfalt des Sports, wie er sich beispielsweise in der Form von Sportvereinen, kommerziellen Anbietern oder in informellen Sportangeboten darstellt. Wir verstehen motorische Kompetenz deshalb als notwendige Grundvoraussetzung, um an solchen Angeboten zu partizipieren. Dadurch wird Teilhabe an der Gesellschaft angebahnt und Möglichkeiten zum gemeinsamen bzw. inklusiven Sporttreiben mit Sehenden werden ermöglicht. Das hier skizzierte Verständnis der Bedeutung des Faktors Bewegung für die pädagogische bzw. therapeutische Arbeit mit sehgeschädigten Menschen kann im Rahmen der Blinden- und Sehbehindertenpädagogik allerdings nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Im Gegenteil: Die derzeit gültigen Empfehlungen der KMK zum „Förderschwerpunkt Sehen“ vernachlässigen den Aspekt der Bewegung in enttäuschender Weise. Als ein wesentliches Ziel unserer AG begreifen wir daher das Bemühen, den Stellenwert des Themas Bewegung innerhalb und außerhalb unseres Verbandes noch stärker zu verdeutlichen. Diese Zielsetzung erscheint angesichts der sich verändernden gesellschaftlichen Bedingungen von Kindheit mit zunehmender Bewegungsarmut einerseits und den zu beobachtenden restriktiven schulpolitischen Tendenzen andererseits (z. B. Kürzung der Sportstunden) umso wichtiger. Wir setzen uns vor diesem Hintergrund dafür ein, dass die personelle und sächliche Ausstattung von sonder- oder allgemeinpädagogischen Einrichtungen, in denen blinde und sehbehinderte Menschen unterrichtet und gefördert werden, unter dem Aspekt der Bewegungs-Förderung spürbar verbessert wird, um die Entwicklungschancen und die Lebensqualität der Betroffenen zu erhöhen. Insbesondere bei der Beschulung blinder und sehbehinderter Kinder im Gemeinsamen Unterricht ist dafür Sorge zu tragen, dass sie auch am Sportunterricht gleichberechtigt teilhaben können. Weitere Schwerpunkte unserer Arbeit liegen in folgenden Bereichen: – Planung und Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen – Angebote zur Weiterqualifizierung der AG-Mitglieder – Kooperation mit anderen Arbeitsgemeinschaften des VBS – Mitarbeit bei der Verankerung des Themas Bewegung und Sport im Rahmen von Lehrplänen, Rahmenrichtlinien u. ä. – Zusammenarbeit mit den Ausbildungsinstitutionen zu Fragen des Sports und der Bewegungserziehung Für die AG Bewegung und Sport Dr. Martin Giese, Marburg Frühförderung Aufgabe der Frühförderung ist es, Kindern mit Behinderungen die individuell erforderlichen Hilfen bereitzustellen, die es ihnen ermöglichen, ihre eigene Persönlichkeit mit ihren Fähigkeiten zu entwickeln und am Leben der Gesellschaft teilzunehmen. Dabei berät und unterstützt die Frühförderung die Eltern bei der Förderung und Erziehung der Kinder und bei der Bewältigung der Probleme, die aus der Behinderung erwachsen. Personenkreis Ein Anspruch auf blinden- und sehbehindertenspezifische Frühförderung sollte für alle betroffenen Kinder von der Geburt bis zur Einschulung sichergestellt sein. Hierzu gehören Kinder, die – blind oder von Blindheit bedroht sind – sehbehindert oder von Sehbehinderung bedroht sind – mehrfachbehindert blind oder sehbehindert sind, sowie hörsehbehinderte und taubblinde Kinder – eine zentrale visuelle Wahrnehmungsstörung aufweisen. Notwendigkeit einer speziellen Frühförderung für blinde und sehbehinderte Kinder Im Bereich der Frühförderung blinder und sehbehinderter Kinder haben sich meist spezielle Frühförderstellen etabliert, die neben den existierenden allgemeinen pädagogischen bzw. interdisziplinären Frühförderstellen ein eigenständiges spezialisiertes und umfassendes Förder- und Beratungsangebot für die betroffenen Kinder und deren Eltern bereithalten. Die Spezialisierung trägt der Tatsache Rechnung, dass Blindheit und Sehbehinderungen den Zugang zur physischen und sozialen Umgebung verändern und sich in sehr spezifischer Weise auf das Lernen und die kindliche Entwicklung auswirken. Im Umgang mit dem betroffenen Kind und in der Förderung muss die besondere Wahrnehmungssituation des Kindes fortwährend durch geeignete Adaptationen des eigenen Verhaltens, durch die gezielte Gestaltung der Umgebungsbedingungen und die Auswahl geeigneter Spiel- und Fördermedien berücksichtigt werden. Die Frühförderung blinder und sehbehinderter Kinder und die Beratung ihrer Eltern erfordern daher ein hohes Maß an spezifischer Fachkompetenz und setzen ausreichende Erfahrung mit dem Personenkreis voraus. Angesichts der geringen Prävalenzrate von Blindheit und Sehbehinderungen im Kindesalter und der extremen Heterogenität der betroffenen Population (hinsichtlich der Arten und Grade der Sehschädigung, des Zeitpunktes des Eintritts der Schädigung und des Vorliegens, der Art und der Grade zusätzlicher Behinderungen), gewährleisten die überregional organisierten spezialisierten Einrichtungen die nötige Fachkompetenz und die Erfahrung, die für die Frühförderung blinder und sehbehinderter Kinder und die Weiterentwicklung des Fachgebietes nötig sind. Einschränkung der Funktionen des Sehens Der fundamentale Einfluss, den eine frühkindliche Erblindung oder gravierende Sehbeeinträchtigung auf das Verhalten und die kindliche Entwicklung haben können, wird verständlich, wenn man sich vergegenwärtigt, welche Funktionen das Sehen üblicherweise für unsere Auseinandersetzung mit der physischen und sozialen Umwelt einnimmt: So ist das Sehen der wichtigste und präziseste Sinn, um Gegenstände und andere Menschen im Nah- oder im Fernraum zu lokalisieren und die eigene Position im Raum zu bestimmen (Lokalisierungs- und Orientierungsfunktion). Dadurch, dass die visuelle Wahrnehmung eine kontinuierliche Rückmeldung über den fortlaufenden Fluss der Ereignisse liefert, erfüllt sie eine wichtige Vorwarnfunktion: Sie ermöglicht „vorherzusehen“, was im nächsten Augenblick passieren wird und kündigt rechtzeitig Hindernisse bei Bewegungen bzw. der Fortbewegung im Raum an (Ankündigungs- und Schutzfunktion). Das Sehen ist üblicherweise der zentrale Sinn, um Personen, Dinge, Eigenschaften und Ereignisse zu unterscheiden und zu identifizieren (Unterscheidungsund Identifizierungsfunktion). Das Sehen liefert aber nicht nur „nüchterne“ Informationen darüber, ob da etwas ist, wo es sich befindet (Lokalisierung), wie es beschaffen ist und um was es sich handelt (Identifizierung), sondern diese Informationen besitzen einen wichtigen Aufforderungscharakter: Gerade im Kleinkindalter liefern visuelle Informationen und „Ereignisse“ den wohl wichtigsten Anreiz und die Motivation, sich mit der „Welt“ außerhalb des eigenen Körpers zu beschäftigen ( Anreiz- und Motivationsfunktion). Hinsichtlich der Bewegungssteuerung und –koordination trägt das Sehen zum einen im Zusammenspiel mit den vestibulären und propriozeptiven Wahrnehmungskanälen wesentlich zur Gleichgewichtsstabilisierung und zur Haltungskontrolle bei. Durch die kontinuierliche (visuelle) Wahrnehmung des eigenen Körpers und seiner Bewegungen in Relation zur Umgebung ermöglicht es zum anderen die präzise vorausschauende Steuerung und Koordination der eigenen Bewegungen im Greifraum und im Lokomotionsraum (Bewegungssteuerung). Die visuelle Wahrnehmung liefert zudem wichtige Informationen für den Austausch mit anderen Menschen. In sozialen Situationen ermöglicht es einerseits die Wahrnehmung (sichtbarer) nonverbaler Signale anderer Personen (deren Blickrichtung, Gestik, Mimik) und unterstützt andererseits den Ausdruck eigener Botschaften (z. B. über Blickkontakt, Blickrichtung, Zeigegesten usw.). Im Kleinkindalter trägt das Sehen auf diese Weise wesentlich zur Entwicklung präverbaler Dialoge zwischen Eltern und Kind bei, die einen befriedigenden Austausch ermöglichen, lange bevor das Kind die Sprache als Kommunikationsmöglichkeit nutzen kann (Kommunikationsfunktion). Nicht zuletzt kommt dem Sehen eine wichtige Funktion für das Lernen selbst zu: Die Beobachtung des Verhaltens anderer Personen (z. B. Eltern, Geschwister) und die anschließende Nachahmung des beobachteten Verhaltens stellt eine der effektivsten Formen des eigenständigen, nicht-gelenkten Lernens im Kleinkindund Vorschulalter dar (Nachahmungsfunktion). Gleichzeitig ist das „Vormachen“ erwünschter Handlungsvollzüge eine übliche „didaktische“ Methode der gezielten Anleitung. Erhöhtes Entwicklungsrisiko für blinde und sehbehinderte Kinder Angesichts der zentralen Bedeutung des Sehens für das menschliche Verhalten im Allgemeinen und die kindliche Entwicklung im Besonderen ist es wenig verwunderlich, dass blinde und sehbehinderte Kinder eine andersartige und, im Vergleich zu nichtsehgeschädigten Kindern, häufig verzögerte Entwicklung zeigen. Die wesentlichen „Entwicklungshürden“ und Schwierigkeiten blinder und sehbehinderter Kinder bestehen in der Entwicklung der frühen sozialen Interaktion und in der sozial-emotionalen Entwicklung, im Erwerb feinmotorischer und lebenspraktischer Fertigkeiten sowie im Erlernen der Orientierung im Nahraum und im Lokomotionsraum. Zudem zeigen sich Verzögerungen und qualitative Besonderheiten in der grobmotorischen Entwicklung, in der kognitiven Entwicklung („Verstehen der Welt“; Begriffsbildung) und im Spielverhalten. Darüber hinaus kommt es häufiger zu bestimmten Verhaltensbesonderheiten, wie z. B. Bewegungsstereotypien und zu Besonderheiten in der Sprachentwicklung, wie z. B. Pronomenverwechslungen oder echolalischer, stereotyper Sprechweise. Auch wenn Abweichungen von der „Normalentwicklung“ sehender Kinder nicht a priori eine (bedenkliche) Entwicklungsverzögerung darstellen, sondern Ausdruck eines andersartigen, sehgeschädigtenspezifischen Entwicklungsweges sind (manche Entwicklungen benötigen mehr Zeit), ist nicht zu bestreiten, dass blinde und sehbehinderte Kinder insgesamt einem erheblichen Entwicklungsrisiko unterliegen. Notwendigkeit einer spezifischen Herangehensweise in der Förderung Im Vergleich zur Förderung oder Therapie von Kindern ohne Sehbeeinträchtigung erfordert die pädagogische Frühförderung von blinden und sehbehinderten Kindern eine besondere methodische Herangehensweise und Methodik. Das handlungsleitende methodische Prinzip der spezifischen Frühförderung besteht in dem Versuch, die Einschränkung der verschiedenen Funktionen, die das Sehen normalerweise für das menschliche Verhalten und die Entwicklung übernimmt (s. o.), durch geeignete Maßnahmen zu kompensieren bzw. auszugleichen. Die Förderung blinder Kinder zielt unter dieser Prämisse darauf ab, die beschriebenen Funktionen des Sehens durch die Ermöglichung und die Förderung der Nutzung der verbliebenen Sinne, insbesondere des Hörens und des Tastens, zu kompensieren. Beim sehbehinderten Kind geht es in der Förderung darum, durch geeignete methodische Adaptationen die Nutzung des verbliebenen Sehvermögens zu ermöglichen und zu fördern. Es soll erreicht werden, dass das Sehen trotz der Beeinträchtigung bzw. Andersartigkeit seine Funktionen so weit wie möglich übernehmen kann und das sehbehinderte Kind sein Sehen beispielsweise einsetzt, um sich zu orientieren, Personen und Dinge zu unterscheiden und zu identifizieren, seine Bewegungen zu steuern, gestisches und mimisches Verhalten in sozialen Interaktionen wahrzunehmen und einzusetzen etc… In der Förderung mehrfachbehinderter sehgeschädigter Kinder müssen diese blinden- oder sehbehindertenspezifischen Herangehensweisen mit Methoden der Körper- und Geistigbehindertenpädagogik sowie Prinzipien aus medizinisch-therapeutischen Verfahren kombiniert werden. Dabei geht es jedoch nicht einfach um eine Addition von Methoden (z. B. sehgeschädigtenspezifische Frühförderung + physiotherapeutische Übungen), sondern in der Gestaltung von Fördersituationen sollten die verschiedenen Prinzipien so weit wie möglich integriert werden. Voraussetzung hierfür ist hier eine enge interdisziplinäre Kooperation der beteiligten Fachdisziplinen. Die speziellen Herangehensweisen der Frühförderung blinder und sehbehinderter Kinder betreffen unterschiedliche Aspekte der Förderung. Sie kommen zum Ausdruck – in spezifischen diagnostischen Methoden und Schwerpunktsetzungen (z. B. Einsatz spezifischer Entwicklungstests und Beobachtungsverfahren; Diagnostik des funktionalen Sehens, des Tastverhaltens und der Orientierungs- und Mobilitätsleistungen) – in einer spezifischen Auswahl und Gestaltung der Fördermedien und der Lernumgebung (z. B. Einsatz taktiler Adaptationen und akustischer Hilfen, LightBoxen, sehfreundliche Umgebungsgestaltung), – im Einsatz besonderer optischer und nicht-optischer Hilfsmittel (z. B. Lupen, Bildschirmlesegeräte, adaptierte Mobilitätshilfen) – in besonderen didaktischen Methoden und Prinzipien (u. a. die Hand- bzw. Körperführung oder das „Abfühlen“ von Bewegungen anderer Personen als Möglichkeiten zur Vermittlung neuer Handlungsabläufe bei blinden Kindern; schrittweiser Verhaltensaufbau („Verhaltensketten“), verbale Vorankündigungen, präzises handlungsbegleitendes Verbalisieren …), sowie – in spezifischen zusätzlichen Förderschwerpunkten (z. B. gezielte Förderung des funktionalen Sehens, der taktilen Wahrnehmung, der Orientierung und Mobilität und der lebenspraktischen Fähigkeiten. Die hier knapp skizzierte „blinden- und sehbehindertenspezifische“ Herangehensweise und Methodik kommt bei der Förderung sämtlicher Entwicklungsbereiche und in jeder Interaktionssituation zum Tragen. Grundlage ist jeweils die genaue Analyse der Rolle des Sehens für die Entwicklung in einem bestimmten Bereich, aus der sich zielgerichtete Ansätze zur Kompensation des ausgefallenen, andersartigen oder eingeschränkten Sehvermögens ableiten lassen. Aufgaben der Frühförderung Die sonderpädagogische Förderung versteht sich primär als familienbegleitende Beratung und Förderung. Sie basiert stets auf einer umfassenden Entwicklungs- und Förderdiagnostik, aus der dann, gemeinsam mit den Eltern, die Schwerpunkte der Förderung abgeleitet werden. Ein wesentliches Ziel der Arbeit ist es, mit den Eltern und dem Kind gemeinsam herauszufinden, welche Probleme die vorliegende Sinnesbeeinträchtigung bei der Bewältigung des Alltags schafft und was sie generell für die Entwicklung des Kindes bedeutet. Anhand dieser Analyse werden dann die einzelnen Fördervorschläge der Frühförderung – auch mit dem Blick auf andere, parallel erfolgende Förderungen oder Therapien – mit den Eltern besprochen und umgesetzt. Neben der partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit den Eltern ist die Vernetzung mit anderen Fachleuten ein wesentliches Prinzip der Frühförderung. Die spezifische Frühförderung blinder und sehbehinderter Kinder wird sowohl mobil im Rahmen von Hausbesuchen und Besuchen in Kindergärten als auch stationär in den Einrichtungen für Blinde und Sehbehinderte angeboten. Die Aufgaben der sonderpädagogischen Förderung sind vielschichtig und umfassen folgende Bereiche: Individuelle Entwicklungsförderung Die Förderung eines blinden oder sehbehinderten Kindes setzt an seinen individuellen Stärken an. Die Grundlage für die individuelle Förderung bildet zum einen eine Sichtung und für die pädagogische Arbeit notwendige „Übersetzung“ der medizinischen und speziell der ophtalmologischen und orthoptischen Befunde. Für eine fundierte Förderplanung ist es wichtig zu wissen, welche Auswirkungen z. B. eine Opticusatrophie, eine Starerkrankung, eine Epilepsie usw. in der Regel haben und wie sie sich im Speziellen bei dem jeweiligen Kind auswirken. Für die konkrete Förderplanung sind eine aktuelle Beurteilung des Sehvermögens und eine Bestimmung der Fertigkeiten des Kindes in den einzelnen Entwicklungsbereichen notwendig. Entsprechend dem ermittelten Förderbedarf können sich die Förderangebote auf folgende Bereiche beziehen: – Sehen/Visuelle Wahrnehmung – Taktile Wahrnehmung/Feinmotorik – Akustische Wahrnehmung/Sensomotorik – Körperwahrnehmung/Sensorische Integration – Spiel – Sozialverhalten/Kommunikation – Sprache (aktiv und passiv) – Lebenspraktische Fertigkeiten – Orientierung und Mobilität Methodik, Didaktik und Materialauswahl in den einzelnen Bereichen richten sich nach Low-Vision- bzw. Prinzipien der Blindenpädagogik und orientieren sich je nach Bedarf an Grundsätzen der Geistigbehindertenpädagogik bzw. den pädagogischen Prinzipien für hörsehbehinderte und taubblinde Kinder. Familienbezogene Tätigkeiten (Tätigkeiten in und mit der Familie) Die Zusammenarbeit mit den Eltern unter Einbezug des nahen familiären Umfeldes ist eine Kernaufgabe der Frühförderung. Entscheidend für eine gelingende Förderung des Kindes ist ein partnerschaftlicher Austausch auf Augenhöhe, der den Eltern umfassende fachliche Beratung und emotionale Unterstützung über alle Förderbelange und bei allen mit der Behinderung zusammenhängenden Themen anbietet, sie aber zu jeder Zeit als die über die Förderung ihres Kindes bestimmenden Akteure akzeptiert. Im Einzelnen sind folgende Teilaufgaben zu leisten: – Information über Art und mögliche Auswirkung der Sehschädigung und ggf. andere Aspekte der Behinderung – „Übersetzung“ ärztlicher und anderer therapeutischer Befunde – Detaillierte Erklärung der geplanten Frühfördermaßnahmen bezogen auf den Entwicklungsstandes des Kindes – Gemeinsamer Transfer der geplanten Maßnahmen in den familiären Alltag – Eltern-Kind-Interaktionsanalyse und ggf. Hilfestellung und Modifikation – Unterstützende Beratung bei persönlichen Problemen von Eltern und Geschwistern und Krisenintervention – Netzwerkarbeit bzw. Herstellung von Kontakten zu anderen Familien und Institutionen – Gestaltung familienübergreifender Aktivitäten, wie z. B. Eltern-Kind-Nachmittage oder Eltern-Kind-Wochenenden – Information über geeignete vorschulische und spätere schulische Möglichkeiten – Information über sozialrechtliche Belange und Möglichkeiten Interdisziplinäre Tätigkeiten Die Pflege der interdisziplinären Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Institutionen aus medizinisch-therapeutischen, sozialen und behördlichen Bereichen ist nicht nur im Hinblick auf eine frühzeitige Erfassung notwendig, sondern sie ist im Interesse des Kindes unabdingbar, um Maßnahmen abzustimmen, Prioritäten zu setzen und ein Optimum an Förderung zu erreichen: – Zusammenarbeit mit Förderschulen, Förderschwerpunkt Sehen, Förderschulen anderen Typs sowie allgemeinen Schulen – Beratung der Mitarbeiterinnen des Kindergartens, den ein blindes oder sehbehindertes Kind besucht, im Hinblick auf sehgeschädigtenspezifische Aspekte (spezifische Förderung, notwendige Hilfsmittel, geeignetes Spielmaterial, Adaptation von Medien, Umgebungsgestaltung u. a. m.) – Zusammenarbeit mit Mitarbeiterinnen und Therapeuten anderer Institutionen – Zusammenarbeit mit Ärzten und Augenkliniken, Gesundheits- und Schulämtern. Folgerungen und Zielvorstellungen Das wesentliche Anliegen der spezifischen Frühförderung für blinde und sehbehinderte Kinder besteht darin, betroffenen Kindern die bestmögliche Förderung und ihren Eltern eine fachlich qualifizierte Beratung zukommen zu lassen, damit die Kinder ihre Fähigkeiten und ihre Persönlichkeit so gut wie möglich entfalten und Kind und Familie am Leben der Gemeinschaft teilhaben können. Die Rahmenbedingungen der speziellen Frühförderung und die Art und der Umfang der Leistungen unterscheiden sich jedoch noch immer beträchtlich zwischen den einzelnen Bundesländern. Die „Frühförderungsverordnung“ vom 24.06.2003 (FrühV) hat bundesweit zu beträchtlichen Veränderungen in der Frühförderlandschaft geführt, die bislang jedoch häufig weder für die betroffenen Frühförderstellen noch für die betreuten Kinder eine Verbesserung der Situation darstellen. Bezüglich der überregional arbeitenden, mehrheitlich pädagogisch besetzten speziellen Frühförderstellen für blinde und sehbehinderte Kinder ist unklar, inwieweit sie durch die Verordnung erfasst werden, und welche Position ihnen künftig in dem sich wandelnden System der Früherkennung und Frühförderung behinderter Kinder zukommen wird. Auch hier zeichnen sich unterschiedliche Entwicklungen in den verschiedenen Bundesländern ab. Der Verband für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik e. V. (VBS) fordert in dieser Situation, die Bedingungen für die sonderpädagogische Frühförderung blinder und sehbehinderter Kinder da entscheidend zu verbessern, wo die allgemein als gültig anerkannten Rahmenbedingungen noch nicht erfüllt sind. Dies betrifft die folgenden Bereiche: – Frühzeitige Erfassung: Eine möglichst früh einsetzende Förderung ist Voraussetzung für eine optimale Entwicklung des sehgeschädigten Kindes. Dies ist nur durch eine frühzeitige Erfassung beispielsweise durch ein frühzeitiges Sehscreening durch den Augenarzt (Kinderophthalmologen) möglich. – Sicherstellung einer spezifischen Frühförderung für blinde und sehbehinderte Kinder durch entsprechend qualifizierte Frühförderinnen und Frühförderer bundesweit. – Der Zugang zur speziellen Frühförderung muss bundesweit allen blinden und sehbehinderten Kindern sowie Kindern mit schweren visuellen Wahrnehmungsstörungen ermöglicht werden. – Gewährleistung einer wöchentlichen Förderung und Schaffung der dafür erforderlichen personellen, materiellen und finanziellen Voraussetzungen, die es ermöglichen, dem jeweiligen blinden oder sehbehinderten Kind gerecht zu werden. – Gewährleistung ausreichender zeitlicher Ressourcen für Teambesprechungen und Supervision, um die Qualität der Arbeit zu verbessern. – Sicherstellung der interdisziplinären Zusammenarbeit: Die Mehrheit der blinden und sehbehinderten Kinder weist zusätzliche Behinderungen auf und benötigt neben der pädagogischen Förderung meist zusätzlich medizinisch-therapeutische Behandlungen. Um den therapeutischen Fachkräften einen blinden- bzw. sehbehindertenspezifischen Zugang zum Kind zu ermöglichen und, umgekehrt, in der pädagogischen Förderung therapeutische Prinzipien zu berücksichtigen, ist eine enge interdisziplinäre Abstimmung der an der Förderung beteiligten Fachkräfte nötig. Unabhängig davon, ob die spezifische Frühförderung im Sinne der Frühförderverordnung als Komplexleistung angeboten wird oder aber als rein heilpädagogische Maßnahme erfolgt, muss die Finanzierung dieser interdisziplinären Arbeitsanteile für beide Seiten (pädagogische und therapeutische Fachkräfte) in ausreichendem Maße sichergestellt werden. – Verbesserung der Ausbildungsmöglichkeiten während des Studiums sowie die Bereitstellung von Rahmenbedingungen, die es ermöglichen, an der Weiterbildung des VBS zum Frühförderer und zur Frühförderin für blinde und sehbehinderte Kinder teilzunehmen. – Intensive Berücksichtigung der Frühförderung und Initiierung von Forschungsaktivitäten an den Hochschulen. Die Arbeitsgemeinschaft Frühförderung führt regelmäßig Fortbildungsveranstaltungen durch, die eine aktuelle und praxisbezogene Fortbildung sowie einen Austausch zwischen Frühförderinnen und Frühförderern auch über die deutschen Grenzen hinaus gewährleisten. Für die AG Frühförderung Gabriele Sifrin, Düsseldorf Integration blinder und sehbehinderter Schülerinnen und Schüler Die AG Integration im VBS sieht in der Debatte um die UN-Behindertenrechtskonvention und die Inklusion eine Chance zur Weiterentwicklung von allgemeiner Pädagogik und Sonderpädagogik. Situationsbeschreibung Ohne den Begriff der Inklusion zu verwenden, hat die UN-Behindertenrechtskonvention die Diskussion um die Weiterentwicklung des Schulsystems zu einem inklusiven befördert. In einem solchen müssen Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Bezug auf Sehbehinderung oder Blindheit an den Bildungseinrichtungen, die sie besuchen, die notwendige sehbehinderten- bzw. blindenpädagogische Unterstützung und Beratung erhalten. Dabei darf es keine Rolle spielen, welcher Art die besuchte Schule ist, ob es sich um eine allgemeine Schule, eine spezielle Schule für sehbehinderte und blinde Menschen oder um eine Förderschule mit anderen Förderschwerpunkten oder um eine berufliche Schule oder um irgendeine andere Schule handelt und in wessen Trägerschaft diese Schule ist. Die Gesetze aller Bundesländer ermöglichen mittlerweile den gemeinsamen Schulbesuch von blinden und sehbehinderten Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit sehenden. Dieser steht aber zumeist noch unter dem Vorbehalt ausreichender personeller, sächlicher und organisatorischer Voraussetzungen. Daher bestehen oft noch deutliche Unterschiede zwischen den Bundesländern und sogar innerhalb einzelner Bundesländer im Hinblick auf die Realisierung integrativer (oft vorschnell „inklusiv“ genannter) Maßnahmen sowie bzgl. ihrer Ausstattung mit den notwendigen Ressourcen, z. B. der Anzahl der Deputatsstunden, die für die spezifische Unterstützung und Beratung von Schülerinnen und Schülern im Förderschwerpunkt Sehen zugewiesen werden. Für Unsicherheit sorgt zudem immer noch die nicht eindeutig und vollständig geklärte Frage der Kostenübernahme für die notwendigen Hilfsmittel, medialen Ausstattungen und ggf. Integrationshelfer insbesondere dort, wo Kos-tenträger aus dem nicht engeren schulischen Bereich beteiligt bzw. zu beteiligen sind, z. B. Krankenkassen oder Eingliederungshilfe. Auch mehrfachbehinderte Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf im Förderschwerpunkt Sehen müssen an den von ihnen besuchten Schulen sehbehindertenund blindenspezifisch unterstützt und beraten werden. Untersuchungen legen nahe, dass 30 % der Schülerinnen und Schüler an den Schulen mit den Förderschwerpunkten Geistige Entwicklung sowie Körperlich-Motorische Entwicklung einen zusätzlichen Förderbedarf im Förderschwerpunkt Sehen haben. Auch diese haben Anspruch auf die Erfüllung ihres sonderpädagogischen Förderbedarfes im Förderschwerpunkt Sehen, der zurzeit noch nicht in allen Bundesländern angemessen gewährleistet wird. Noch zu selten besteht ein qualifiziertes, behinderungsspezifisches Unterstützungs- und Beratungsangebot auch für blinde oder sehbehinderte Jugendliche, die eine betriebliche Berufsausbildung absolvieren wollen. Derartige Angebote im Übergang zwischen Schule und Beruf sind auch deswegen verstärkt zu schaffen, um individuelle berufliche Perspektiven für blinde und sehbehinderte Menschen zu verbreitern und deren Randstellung auf dem Arbeitsmarkt entgegenzuwirken. Zielsetzung Wenn die schulische Bildung und gesellschaftliche Teilhabe von blinden und sehbehinderten Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen unabhängig von der Schulform, an der sie unterrichtet werden, gelingen soll, müssen unter den derzeitigen schulpolitischen Bedingungen vor allem folgende Maßnahmen entsprechend dem individuellen Förderbedarf verwirklicht werden: – Systemberatung an allen Schulen mit dem Ziel, Barrieren für das Lernen und die Teilhabe von blinden und sehbehinderten Schülerinnen und Schülern zu identifizieren und abzubauen; – Beratung von blinden und sehbehinderten Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, ihrer Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrern an allen Schulen; – Sehbehinderten- und blindenspezifische didaktische und methodische Aufbereitung des Unterrichts an allen Schulen; – Bereitstellung aller notwendigen Hilfsmittel und erforderlichen Medien sowie Einübung in den Gebrauch konventioneller und elektronischer Hilfsmittel für blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler an allen Schulen; – Vermittlung blinden- und sehbehindertenspezifischer Arbeitstechniken; – Unterstützung der Akzeptanz der Sehschädigung bei allen Beteiligten; – Förderung von Orientierung- und Mobilität; – Förderung lebenspraktischer und sozialer Fähigkeiten; – Berufsorientierung und darauf aufbauend Unterstützung und Beratung während der Berufsausbildung. Umsetzungen Um die oben genannte Zielsetzung zu verwirklichen, sind folgende Qualitätsstandards unerlässlich: – Für sehbehinderte Schülerinnen und Schüler an allgemein- oder berufsbildenden Schulen sind für die mobile sehbehindertenpädagogische Unterstützung und Beratung jeweils mindestens zwei Lehrerwochenstunden zur Verfügung zu stellen, die in einen Pool eingestellt und gemäß den individuellen Erfordernissen eingesetzt werden! – Für die mobile blindenpädagogische Unterstützung und Beratung von blinden Schülerinnen und Schülern an allgemein- oder berufsbildenden Schulen sind jeweils mindestens zehn Lehrerwochenstunden zur Verfügung zu stellen, die in einen Pool eingestellt und gemäß den individuellen Erfordernissen eingesetzt werden! – Für sehbehinderte und blinde Schülerinnen und Schüler mit zusätzlichem Förderbedarf in den Förderschwerpunkten Geistige Entwicklung und/oder Körperlich-Motorische Entwicklung muss ebenfalls Unterstützung und Beratung hinsichtlich ihres Förderbedarfes im Förderschwerpunkt Sehen in ausreichendem Maße zur Verfügung gestellt werden! – Für sehbehinderte und blinde Schülerinnen und Schüler müssen angemessene sächliche Voraussetzungen durch die zuständigen Kostenträger geschaffen werden! Hilfsmittelzentren mit entsprechenden Gerätepools sind nach Möglichkeit an den bestehenden Förderzentren für sehbehinderte und blinde Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene einzurichten. In jedem Bundesland ist wenigstens ein Medienzentrum einzurichten, um didaktische Materialien und Hilfsmittel für blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler im gemeinsamen Unterricht bereitzustellen. Die Träger der Mobilen Dienste werden aufgefordert, diese Medienzentren sächlich und personell so auszustatten, dass sie die Unterstützungs- und Beratungsarbeit im gemeinsamen Unterricht effektiv entlasten. – Für sehbehinderte und blinde Schülerinnen und Schüler sind ergänzend zu der wohnortnahen Unterstützung und Beratung Kursangebote im Förderschwerpunkt Sehen einzurichten und personell angemessen auszustatten. Diese dienen u. a. dem Aufbau und der Stärkung ihres Peer-Group-Bezuges, der Stabilisierung der Persönlichkeit, der Förderung der sozialen Kompetenz und der Vermittlung von Techniken. – Für Eltern von sehbehinderten und blinden Schülerinnen und Schülern sind Informationsveranstaltungen anzubieten, die auch den Austausch von Erfahrungen ermöglichen. – Für Regelschullehrkräfte müssen Fortbildungsveranstaltungen angeboten werden, die u. a. die notwendigen didaktisch-methodischen Veränderungen des Unterrichts thematisieren. – Für die in der Unterstützung und Beratung tätigen Sonderschullehrkräfte muss die fachliche Anbindung mit Weiterbildungsmöglichkeiten an Einrichtungen mit sehbehinderten- und blindenpädagogischer Kompetenz sichergestellt werden. – Für Lehrkräfte in der sonderpädagogischen Fachrichtung „Förderschwerpunkt Sehen“ muss das Aufgabenfeld der Unterstützung und Beratung an allgemeinen oder beruflichen Schulen sowie in anderen Förderschulen wesentlicher Bestandteil der Lehrerausbildung sein. – Den mobilen Diensten im Förderschwerpunkt Sehen muss es möglich sein, mit anderen Fachdiensten, insbesondere Psychologinnen und Psychologen, Sozialpädagoginnen und -pädagogen, Orthoptistinnen und Orthoptisten, Rehabilitationslehrerinnen und -lehrern für Orientierung und Mobilität sowie für Lebenspraktische Fertigkeiten, zu kooperieren. Die entsprechenden Qualifikationen müssen entweder im Unterstützungs- und Beratungsteam der Mobilen Dienste vorhanden sein oder in organisierter Kooperation mit externen Fachdiensten abgerufen werden können. – Zur angemessenen Wahrung und Weiterentwicklung der sehbehinderten- und blindenpädagogischen Qualität der Unterstützungs- und Beratungsarbeit muss die Teilnahme an entsprechenden Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen, z. B. der Arbeitsgemeinschaften im VBS, in ausreichendem Maße ermöglicht werden. Für die AG Integration sehgeschädigter Schülerinnen und Schüler Ulrike Hesse, Frank Laemers, Ute Licht, Reinhold Mahler, Klaus Wißmann Informationstechnische Bildung blinder und sehbehinderter Menschen IT-Systeme haben wegen ihrer weitreichenden Möglichkeiten als Reha-Hilfsmittel eine herausragende Bedeutung für den gesamten Bildungsprozess blinder und sehbehinderter Menschen. Dies gilt über die Grenzen einzelner Unterrichtsfächer, Schulformen und Lernorte hinweg. Maßnahmen zur Qualifizierung von Pädagoginnen und Pädagogen, die in diesem Feld arbeiten, müssen daher das sonderpädagogische Potential der neuen Technologien in besonderer Weise berücksichtigen. Computer als Hilfsmittel Ein mit Zusatzkomponenten, wie Sprachausgabe, Braillezeile oder Vergrößerungssoftware ausgestatteter Computer, ist für blinde und sehbehinderte Menschen ein Hilfsmittel, das mehrere Arbeitsmittel und Medien ersetzt, die Sehende normalerweise für ihre tägliche Arbeit benötigen, die aber für diesen Personenkreis gar nicht oder nur sehr eingeschränkt nutzbar sind. Ein blinden- bzw. sehbehindertenspezifisch ausgestatteter Computer ersetzt z. B. – den Schreibstift und das Schulheft durch Textverarbeitungssoftware, – Literatur und Lexika auf Papier durch elektronische Dokumente/CD-ROMs, – Zeitschriften und aktuelle gedruckte Informationsmedien durch den Zugang zum Internet und – den Taschenrechner durch ein entsprechendes Programm. Der PC erfüllt für blinde und sehbehinderte Menschen also unabhängig vom Lernort die Funktion eines Hilfsmittels, das wesentlich zum Ausgleich der Behinderung beiträgt und damit für die Teilhabe an Bildung gemäß Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention, insbesondere für ein erfolgreiches Durchlaufen einer Schul- und Berufsausbildung sowie eines Studiums, dringend erforderlich ist. Dies wird auch aus den „Empfehlungen zum Förderschwerpunkt Sehen - Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 20.03.1998“ deutlich: „Der Einsatz moderner Elektronik, z. B. Scanner, PersonalComputer, Braille-Zeile oder Sprachausgabe sowie computergestützte Schnelldrucker für Punktschrift, ermöglicht es sehgeschädigten Menschen, einen schnellen, zuverlässigen und umfassenden Zugang zu gedruckten Veröffentlichungen für Sehende zu erlangen. Die Einführung in den Umgang mit diesen Systemen muss auf die individuelle Sehschädigung abgestimmt sein. Die Hinführung zum Einsatz elektronischer Hilfsmittel ist für sehgeschädigte Schülerinnen und Schüler von zukunftsweisender Bedeutung. Sehbehinderte Schülerinnen und Schüler arbeiten in der Regel mit den bei Sehenden üblichen Schriftsystemen. Dies erfordert in vielen Fällen eine Modifikation von Schriftgröße, Kontrast und ggf. den Einsatz von speziellen Leuchten, optischen und elektronischen Hilfsmitteln wie Brillen, Lupen, Fernrohrlupenbrillen, Bildschirmlesegeräten, Computern mit speziellen Peripheriegeräten und eigener Software.“ Problemfelder und Anforderungen Den positiven Möglichkeiten der neuen Technologien stehen allerdings einige Probleme gegenüber: – Die speziellen IT-Systeme für Blinde und Sehbehinderte sind sehr teuer. Ihre Kosten übersteigen bei weitem die Kosten für einen normalen Computerarbeitsplatz. – Die speziellen Zusatzgeräte, die Sehgeschädigte benötigen, um damit einen Ausschnitt des Computerbildschirms lesen zu können, ermöglichen zwar den Zugang, bringen für sie aber im Vergleich zu sehenden Computernutzern nur eine eingeschränkte Informationsaufnahme mit sich - bei gleichzeitig erhöhtem Bedienungsaufwand. Dies muss bei der Vermittlung von IT-Fertigkeiten in besonderer Weise berücksichtigt werden. – Moderne Betriebssysteme und ihre Oberflächen wie z. B. Microsoft Windows sind mit Screenreader zugänglich. Da sie aber auf einer sehr am Visuellen ausgerichteten Form der Mensch-Maschine-Kommunikation basieren, müssen alternative Bedienkonzepte speziell für diesen Anwenderkreis erarbeitet und vermittelt werden. – Die Unterrichtskonzepte und Materialien, die in der Informationstechnischen Bildung an allgemeinen Schulen und in Bildungseinrichtungen für Sehende eingesetzt werden, sind für den Unterricht mit Sehgeschädigten in der Regel nur bedingt geeignet. Hier ist – ergänzend oder alternativ – eine Methodik und Didaktik sicher zu stellen, die den Erfordernissen blinder und sehbehinderter Lernender Rechnung trägt. – Der großen Leistungsfähigkeit und Komplexität moderner Informationstechnologien muss eine entsprechend große pädagogische Kompetenz entgegengestellt werden. Nicht zuletzt wegen der zusätzlichen Hard- und Software, die im SehgeschädigtenBildungswesen benötigt wird, muss das entsprechende IT-Wissen der hier Unterrichtenden um einiges umfangreicher sein, als dies in allgemeinen Schulen notwendig ist. Bislang gibt es aber in diesem Bereich keine ausreichenden Qualifizierungsangebote für Sehgeschädigtenpädagoginnen und -pädagogen, weder in der Ausbildung zum Sonderpädagogen noch im Bereich der Lehrerfortund -weiterbildung. Ziele, Aufgaben und Forderungen des VBS Der VBS initiiert und unterstützt Aktivitäten, die der (Weiter-)Entwicklung einer informationstechnischen Bildung für blinde und sehbehinderte Menschen dienen. Er setzt sich u. a. ein – für eine adäquate Versorgung von Schülerinnen und Schülern sowie Auszubildenden und Studenten mit entsprechenden elektronischen Hilfsmitteln, – für einen barrierefreien Zugang zu elektronischen Unterrichtsmedien, – für IT-Schulungen auf der Basis des ECDL (European Computer Driving Licence), die die besonderen Arbeitsbedingungen sehgeschädigter Computeranwender angemessen berücksichtigen und – für entsprechende Fort- und Weiterbildungsangebote für Blinden- und Sehbehindertenpädagoginnen und -pädagogen. Zu diesem Zweck richtet sich der VBS an alle Sehgeschädigtenpädagoginnen und pädagogen mit einem Angebot regelmäßig stattfindender Fortbildungsveranstaltungen, deren Aufgabe es allerdings nicht sein kann, IT-Grundkenntnisse und -fertigkeiten zu vermitteln. Um die Vermittlung solcher Basisqualifikationen, wie sie z. B. durch den Lehrplan des ECDL abgedeckt werden, zu gewährleisten, richtet er sich – an die entsprechenden staatlichen Institutionen mit der Forderung nach angemessenen Lehreraus- und -weiterbildungsmaßnahmen. Er wendet sich ferner – an die Schul- und Kostenträger mit der Forderung, die betroffenen behinderten Menschen sowohl individuell als auch die entsprechenden Bildungseinrichtungen für blinde und sehbehinderte Menschen institutionell angemessen mit Hard- und Software auszustatten, – an die Hilfsmittelhersteller mit der Forderung, bei der Entwicklung, der Produktion und dem Vertrieb dieser Geräte auch blinden- und sehbehindertenpädagogische Anforderungen zu berücksichtigen, – an Unternehmen und Forschungseinrichtungen mit der Bitte um Unterstützung bei der Durchführung notwendiger Neuentwicklungen und Adaptionen im Hard- und Softwarebereich. Schließlich wendet er sich – an die zuständigen staatlichen Stellen mit dem Angebot zur Zusammenarbeit bei der curricularen Ausgestaltung von Lehrplänen in Bezug auf eine informationstechnische Bildung für blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler, Auszubildende und Studenten. Bei der Verfolgung dieser Ziele strebt der VBS eine enge Zusammenarbeit mit den Verbänden der Selbsthilfe blinder und sehbehinderter Menschen an. Für die AG Informationstechnologie Michael Schäffler, Ilvesheim Low-Vision „Low Vision” heißt wörtlich übersetzt “Herabgesetztes Sehvermögen”. Im Kontext von pädagogischer Beratung und Förderung bezeichnet “Low-Vision” die optimale Nutzung des verbliebenen Sehvermögens in der Habilitation und Rehabilitation von Menschen mit einer Sehschädigung. Situationsbeschreibung und Personenkreis Low-Vision betrifft Personen mit einer Sehschädigung in jeder Altersstufe. Jeder Lebenskontext erfordert seine individuellen Zugangsweisen und bedingt auch seinen eigenen pädagogischen Beratungs- und Förderbedarf, ob in der Frühförderung, in der Schule, im Beruf, in der Rehabilitation oder im hohen Lebensalter. So betont die Klassifikation der WHO in der International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) besonders die Bedeutung der Umweltbedingungen und Veränderbarkeit von Kontextbedingungen. Damit wird ein relationales Verständnis von Behinderung postuliert, welches Konsequenzen für alle pädagogischen und rehabilitativen Theorien und Handlungen zur Folge haben muss. Eine der Hauptursachen für Sehschädigungen im Kindesalter sind cerebral bedingte Sehfunktionsveränderungen (CVI) bzw. Beeinträchtigungen der visuellen Wahrnehmung. Hier ist, bezogen auf die funktionale Diagnostik und die Förderung, ein hoher Bedarf an Forschung und Fortbildung auch weiterhin notwendig. Ein großer Teil der Menschen mit körperlichen und/oder geistigen Beeinträchtigungen hat auch Seheinbußen und ist hinsichtlich der medizinischen Versorgung und pädagogischen Beratung und Unterstützung unterversorgt. Die veränderte Altersstruktur in Deutschland hat zur Folge, dass es stetig zunehmend Menschen im Seniorenalter mit erhöhtem Vergrößerungsbedarf, Kontrastproblemen, Sehfeldeinschränkungen und visuell bedingten Wahrnehmungsbeeinträchtigungen (z. B. durch Schlaganfall) gibt. Sie bedürfen zunehmend einer Low-Vision-Beratung und Versorgung. Zur Beratung und Versorgung von Menschen mit herabgesetztem Sehvermögen stehen im deutschsprachigen Raum einzelne sog. „Sehbehinderten-Beratungsstellen“ oder „Ambulanzen“ zur Verfügung, die meistenteils - bis auf wenige Ausnahmen - an Augenkliniken angeschlossen sind. Bis heute fehlt es in Deutschland aber leider an einem flächendeckenden Netz von Low-Vision-Beratungszentren. Um dem entgegen zu wirken, werden für die Berufsgruppen der Augenoptiker/innen und der Orthoptist/innen Qualifizierungs- bzw. Weiterbildungsmaßnahmen für den Bereich Low-Vision angeboten. Zielvorstellung und Konzeption Low-Vision-Experten befassen sich mit der Einschätzung und Förderung des funktionalen Sehvermögens sowie der Beratung und Unterstützung von Menschen mit einer Sehschädigung. Dabei können optische, elektronische und ergonomische Hilfen und Hilfsmittel, das Erlernen spezieller Sehstrategien sowie Veränderungen in der Gestaltung der Umwelt ihre Anwendung finden. Low-Vision-Experten arbeiten eng zusammen mit: – Frühförder/innen – Lehrer/innen – Eltern von Kindern mit einer Sehbehinderung – Orthoptist/innen – Augenärzt/innen – (Neuro-)Psycholog/innen – Augenoptiker/innen – Rehabilitationsfachkräften sowie – allen an diesem Arbeitsfeld interessierten Menschen. Per definitionem arbeiten in der Low-Vision-Versorgung Fachleute aus verschiedenen Bereichen zusammen mit dem Ziel, nicht nur zwischen blind und sehend zu unterscheiden, sondern auf die dazwischen liegenden Abstufungen des Sehvermögens einzugehen, die Schwierigkeiten, die sich für den einzelnen ergeben können, zu erkennen und mit der betroffenen Person gemeinsam mögliche Hilfen und Lösungen zu erarbeiten, mit denen die Person ihr vorhandenes Sehvermögen optimal nutzen kann. Eine Low-Vision-Beratung und -Förderung beinhaltet folgende Arbeitsschritte: – Ermittlung des Rehabilitationsziels – Erfassung der Sehschädigung sowie Informationen über deren Verlauf und Ursache – Analyse des Funktionsverlustes bzw. der Art und Weise des funktionalen Sehens – Anpassung vergrößernder Sehhilfen (optische, elektronische und ergonomische) – Wiederherstellung der Lesefähigkeit – Verbesserung im dinglich-räumlichen Umfeld (Licht, Farbe, Kontrast). Eine optimale Förderung des Sehvermögens kann nur gelingen in Verbindung mit Frühförderung, Sonderpädagogik, schulischer und beruflicher Integration, Orientierung und Mobilität (O&M), Lebenspraktischen Fähigkeiten (LPF). Zum Aufgabenfeld gehören auch: – Rehabilitation im Alter – Unterstützung im sozialen Umfeld und psychosoziale Beratungsangebote – Kontakt bzw. Kooperation mit Krankenkassen, Ärzten, Augenoptikern, medizinischen Fachdisziplinen, Pädagogen, Selbsthilfeverbänden. Damit wird deutlich, dass Low-Vision eine ganzheitliche Grundhaltung erfordert, die die betroffene Person mit einer Sehschädigung in all ihren Lebensbezügen berücksichtigt. Umsetzung und Zukunftsperspektiven Die Low-Vision-Versorgung und -Förderung verlangt eine kompetente sowie individuelle und bedarfsgerechte Herangehensweise. Dabei ist es ein Anliegen, neben der Anpassung von und Versorgung mit Hilfsmitteln auch psycho-soziale Beratung anzubieten und in die pädagogische Förderung und Rehabilitation zu integrieren. So wäre zu fordern, dass bei allen Säuglingen und Kleinkindern ein umfassendes Sehscreening zur frühzeitigen Erkennung von okular und auch cerebral bedingten Sehschädigungen durchgeführt würde. Des Weiteren sollte für Kinder mit einer Sehschädigung - vom Säuglings- bis zum Jugendalter - eine regelmäßige Low-VisionBeratung etabliert werden. Auch für Erwachsene mit einer Sehschädigung müssen Strukturen aufgebaut werden, die flächendeckend eine niedrigschwellige und qualifizierte Low-Vision-Beratung und -Versorgung garantieren. Dies muss sowohl für Erwachsene im erwerbstätigen Alter wie auch für die größer werdende Gruppe von Senior/innen mit spät erworbener Sehschädigung erreicht werden. In Deutschland ist die Low-Vision-Versorgung noch eher geräteorientiert. Besser jedoch wären Finanzierungsmodelle, die vielmehr auf die individuelle Beratung abzielen. Hierbei sind neben der Frage der optischen Versorgung oder der habililtativen bzw. rehabilitativen Bedarfe sowohl (Hilfsmitttel-)Trainings- und Schulungsmöglichkeiten bei Low-Vision als auch psycho-soziale Fragestellungen mit einzubeziehen. Des Weiteren muss in der Aus- und Weiterbildung für eine systematische Wissensvermittlung und Qualitätssicherung gesorgt werden, so dass eine hohe Fachlichkeit in der Low-Vision-Arbeit gewährleistet ist. Im Mindesten wäre eine umfassende Aus- und Weiterbildung für jeden im Low-Vision-Bereich Tätigen zu fordern. Noch besser wäre die Etablierung eines eigenständigen Berufsbildes zum Low-VisionSpezialisten / zur Low-Vision-Spezialistin (wie beispielsweise in der Schweiz oder in den USA). Über die Sicherstellung der Low-Vision-Beratung hinaus ist es notwendig, die Öffentlichkeit über entsprechende Beratungsstellen und ihre Leistungen zu informieren. Sich hier für ein verbessertes Angebot zu engagieren und für eine wachsende Transparenz zu sorgen ist auch künftig die Aufgabe der Low-Vision-Arbeit. Dazu gehört eine selbstverständliche Bereitschaft zu einer inter- und transdisziplinären Zusammenarbeit. Um dies zu verwirklichen, ist nach wie vor der Ausbau eines Netzwerks von verschiedenen miteinander kooperierenden Fachdisziplinen aus den Bereichen Pädagogik, Medizin, Augenoptik, (Neuro-)Psychologie und Rehabilitation anzustreben. Ebenfalls erforderlich ist ein stetes Bemühen um die Implementation neuer Forschungsergebnisse in die aktuelle Diskussion mit dem Ziel der Weiterentwicklung bestehender Konzepte; ebenso auch die Organisation und Durchführung von Vorträgen, Fortbildungen und Tagungen. Für die AG Low-Vision Kirsten Wahren-Krüger, Frank Laemers Blinde und sehbehinderte Menschen mit zusätzlichen Beeinträchtigungen Für blinde und sehbehinderte Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit zusätzlichen Beeinträchtigungen ist die Teilhabe am Leben und am Lernen sowie die Teilhabe am Arbeitsprozess grundlegend erschwert. Somit ist ein spezifischer und eigenständiger Förderbedarf gegeben. Förderbedarf Blinde und sehbehinderte Menschen mit zusätzlichen Beeinträchtigungen haben in allen lebenspraktischen Belangen einen erheblichen Mehrbedarf an Förderung und Unterstützung. Die Wahrnehmung und Kontrolle der Umwelt, die für einen konstruktivistischen Umgang mit der Lebenswelt erforderlich sind, erfolgen taktil und/(oder) im Zusammenwirken von Gehör-, Tast-, Geruchs- und Geschmackssinn, von Gedächtnisleistung und Vorstellungsvermögen. Visuelle Eindrücke sind oft kein zuverlässiges Abbild der Realität und führen bei sehbehinderten Menschen mit weiteren Beeinträchtigungen zu einem deutlich erschwerten Lern- und Verarbeitungsprozess, zu unvollständigen Informationen im Erwerb von Erfahrungen und Kompetenzen. Der Förderbedarf ist demzufolge nicht nur allein auf den Bereich Sehen beschränkt, sondern umfasst auch die Bereiche Hören, Sprache, geistige Entwicklung, emotionale und/oder soziale Entwicklung, Lernen, motorische und körperliche Entwicklung. Wenn die Förderung in diesen Bereichen den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen entspricht, ist es möglich, eine echte Teilhabe am Lernprozess, insbesondere im Hinblick auf die inklusive Beschulung, zu realisieren. Diese Unterstützung ist aber auch zur Sicherstellung beruflicher Teilhabe erforderlich. Nur durch eine angemessene Unterstützung ist eine soziale Einbindung, verbunden mit weitestgehender Autonomie, zu erreichen. So wie das Kind oder der Jugendliche der allgemeinen Schulpflicht nachkommen möchte, hat der Erwachsene den Wunsch nach Ausbildung, Arbeit oder das Interesse einer ihm möglichen Betätigung nachgehen zu wollen. Dadurch wird Förderung ein wichtiges Element für die Identitätsfindung der Menschen mit mehrfachen Beeinträchtigungen. Der individuelle und für diese Personengruppe spezifische Bedarf stellt die Grundlage für den sonderpädagogischen Handlungsrahmen. Die Förderung ist geprägt durch das interdisziplinäre Handeln der verschiedensten wesentlichen Berufsgruppen in der Arbeit mit Menschen mit Behinderung. Das Anknüpfen an Fähigkeiten und Fertigkeiten in der spezifischen Förderung ist eine unabdingbare Grundlage, um Entwicklung und den Erhalt von Erlerntem möglich zu machen. Orte und Ziele des Lernens und der Förderung Prinzipiell soll der Lernort gewählt werden, der den besonderen Bedürfnissen und der Persönlichkeitsentwicklung der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen am besten entspricht. Dies kann das Förderzentrum mit dem Förderschwerpunkt Sehen sein, ebenso aber die wohnortnahe Regelschule, in der der besondere Förderbedarf durch entsprechende qualifizierte Hilfen gegeben ist. Die Verfügbarkeit von Personal mit spezifischem Fachwissen, eine garantierte interdisziplinäre Zusammenarbeit sowie die ausreichende Versorgung mit speziellen Hilfs-, Lehr- und Lernmittel sind zu gewährleisten. Blinde und sehbehinderte Menschen mit zusätzlichen Beeinträchtigungen bedürfen nach Erfüllung der Schulpflicht eines Arbeitsplatzes in einer Werkstatt für behinderte Menschen, einer Tagesförderstätte oder eines anderen adäquaten Arbeitsplatzes auf dem ersten Arbeitsmarkt, der dem besonderen Unterstützungs- und Förderbedarf dieses Personenkreises entsprechen kann. Lebenslanges Lernen Förderung und Lernen sind untrennbar miteinander verbunden und stellen in dieser Verbindung eine notwendige Voraussetzung zur Teilhabe am Leben und an der Arbeit dar. Dies gilt ein Leben lang, auch und gerade für blinde und sehbehinderte Menschen mit zusätzlichen Beeinträchtigungen. Das Leben lehrt, dass lebenslanges Lernen ein ständiges Muss zur Entwicklung und zum Erhalt von Fähigkeiten und Fertigkeiten ist. Lebenslanges Lernen hat in den letzten Jahrzehnten steigende Aufmerksamkeit erhalten und den Einzug in viele bildungspolitische Forderungen und Konzepte gefunden. Die Europäische Kommission hat daraufhin ein „Memorandum über lebenslanges Lernen“ vorgelegt. Danach kann Lernen nicht nur in Alters- und Klassenstufen oder nach rechtlicher Verpflichtung gewürdigt werden, sondern ist als Bestandteil des gesamten Lebens zu betrachten. Lebenslanges Lernen und damit verbundene fachgerechte Förderung dieses Personenkreises ist notwendig, um – den Aufbau und den Erhalt einer Ich-Identität zu stützen; – die Entwicklung eines Lebenszutrauens zu stärken; – eine den Fähigkeiten entsprechende Schulbildung zu erreichen; Dies ist wiederum Voraussetzung dafür, – sich für eine berufliche Tätigkeit zu qualifizieren, – und diese mit entsprechender Unterstützung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben – oder berufliche Teilhabe im Rahmen einer Werkstatt für behinderte Menschen zu realisieren; – eine Sicherung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten. Der VBS setzt sich dafür ein, dass diese Positionen einer fachlich interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht sowie inhaltliche Diskussionen initiiert und Standpunkte erarbeitet werden. Dadurch sollen notwendige Rahmenbedingungen entwickelt werden, die es blinden und sehbehinderten Menschen mit zusätzlichen Beeinträchtigungen ermöglichen, eine berufliche und soziale Teilhabe auch tatsächlich zu realisieren. Für die VBS-AG Mehrfachbehinderung Dr. Ina Madlener, München Heike Schäfer, Chemnitz Musikerziehung blinder und sehbehinderter Menschen Musik durchdringt in unserer modernen Welt alle Lebensbereiche, ist stets präsent und spricht alle Menschen an. Die Anziehungskraft und Faszination, die von Musik und Tanz ausgehen, sind unabhängig von Lebensalter, Intelligenz, Kulturkreis, von Wahrnehmungsdefiziten und Behinderungen. Sie vermittelt Lebensfreude, kann das Selbstvertrauen stärken und Erfolgserlebnisse verschaffen. Musik kann als universale Sprache betrachtet werden und gilt als eines der besten und vor allem weit gefächertsten Kommunikationsmittel. Die Musikerziehung blinder und sehbehinderter Kinder und Jugendlicher ist ein wichtiger Bestandteil blinden- und sehbehindertenpädagogischen Handelns von der Frühförderung über die schulische bis zur beruflichen Bildung. Die Musik als Teil der akustischen Welt ist der kulturell-ästhetische Bereich, der blinden und sehbehinderten Menschen uneingeschränkt zugänglich ist. Die musikalische Bildung und Erziehung trägt somit maßgeblich dazu bei, blinden und sehbehinderten Menschen soziale Teilhabe zu ermöglichen. Der Musikunterricht bildet einen Schwerpunkt der ästhetischen Erziehung. Aktives Musizieren fördert die körperliche, geistige und seelische Entwicklung und kann daher als ganzheitliche Förderung betrachtet werden. Blinde und sehbehinderte Kinder neigen oft zur Passivität, da ihnen visuelle Reize und Herausforderungen zur Bewegungsmotivation fehlen oder diese nur eingeschränkt wahrgenommen werden. Musik motiviert durch ihren hohen Aufforderungscharakter zur Bewegung. Im gezielten Musik-, Rhythmus- und Tanzunterricht bietet sich die Chance Eigenaktivität anzuregen, das oftmals kleine Bewegungs- und Ausdrucksrepertoire zu erweitern und zu differenzieren sowie Körperwahrnehmung, Raumorientierung und Bewegungskoordination zu fördern. Die große Heterogenität der Schulklassen und die inklusive Beschulung fordern stetig Differenzierungsmöglichkeiten, die gerade die Musik aufgrund ihrer Vielfältigkeit bieten kann. So können sich Schüler und Schülerinnen mit unterschiedlichsten Begabungen, Interessen und Entwicklungsniveaus beim Singen und Musizieren zu gleichen Aufgaben engagieren, auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten und am erfolgreichen Gelingen teilhaben. Deshalb ist es wichtig, dass blinden und sehbehinderten Kindern und Jugendlichen durch die Frühförderdung, während der gesamten Schulzeit im allgemeinen Musikunterricht sowie im Freizeitbereich ein blinden- und sehbehindertenpädagogisch fundiertes, breit gefächertes Spektrum der musischen Förderung angeboten wird. Wichtige Inhalte und didaktische Überlegungen – Auditive Wahrnehmungsförderung auch als fächerübergreifendes Prinzip – Förderung der Körperwahrnehmung durch Bewegung und Tanz – Singen und aktives Musizieren als zentrale Tätigkeit im Musikunterricht auch unter dem Aspekt der sozialen Bedeutung – Gezieltes Musikhören zur Förderung der Konzentration und der Entspannung, sowie der Raumorientierung und der Bewegungskoordination – Vermittlung musikalischer Grundlagen und Instrumentenkunde – Vermittlung der Grundkenntnisse der Blinden-Notenschrift. Die Vertiefung kann in der Folge im Einzel- bzw. Instrumentalunterricht stattfinden – Musikalische Förderung von mehrfach behinderten Kindern und Jugendlichen und entsprechende therapeutische Angebote – Förderung von individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten in Bezug auf mögliche Berufsgestaltung bzw. Freizeitaktivitäten zur sozialen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, wie Chor, Band und Instrumentalgruppen. – Arbeitsgemeinschaften, wie Trommelkurs, Chor und Bandspiel, und Hilfestellung, den geeigneten Instrumentalunterricht zu finden – Bereitstellung von Spielräumen und Spielmöglichkeiten – Interdisziplinäre Arbeit mit Fachkollegen, Erziehern und Erzieherinnen der Internatsbereiche und Wohnheime, Kollegen der Regelschulen und Musikschulen und Vereine – Vermittlung von Musikkultur und die Teilhabe an ihr, z. B. an Live-Konzerten, Konzertproben, Opern etc. – Organisation von Auftritten - öffentliches Musizieren und Auftritte von Schülerensembles als Grundlage einer aktiven und fachbezogenen Öffentlichkeitsarbeit. Ein wichtiger Aspekt in der heutigen Zeit ist die Digitaltechnik im Musikunterricht. Die modernen Medien bieten sich als unterstützendes Arbeitsmittel hervorragend an und bekommen auch im Musikunterricht mit Jugendlichen eine steigende Bedeutung. Der Musikunterricht kann hier einen Einblick in die moderne Welt der Komposition und Produktion gewähren. Gerade die „digitale Perfektion“ erfordert es, sehr genau zu vermitteln, wie Musik eigentlich funktioniert, und wirft nicht alte Werte über Bord zugunsten einer „Medienmanie“, sondern bietet Chancen: – In Schülern wird das Interesse geweckt, die Theorie der Musik zu erlernen und zu verstehen, um sich mit Hilfe digitaler Möglichkeiten selbst zu verwirklichen. – Ihre Kreativität wird durch die vielfältigen Umsetzungsmöglichkeiten gefördert. – Die Umsetzung kann fächerübergreifend erfolgen, z. B. sind PC-Kenntnisse zur Informationsbeschaffung und Bearbeitung eine notwendige Voraussetzung. Das musikalische Interesse erfordert ein Training im Umgang mit dem PC und den entsprechenden blinden- und sehbehindertenspezifischen Hilfsmitteln und Programmen – Über die Zusammenarbeit mit sehenden Schülerinnen und Schülern bzw. Musikern in gemeinsamen Projekten können die soziale Teilhabe und der fachliche Austausch gefördert werden. Das Unterrichtsfach Musik bekommt auch deshalb eine besondere Bedeutung, da für blinde und sehbehinderte Menschen neben den vielen anderen positiven Auswirkungen in diesem Bereich gesellschaftliche Teilhabe und eine eventuelle berufliche Orientierung gut barrierefrei zu gestalten sind. Gerade im musischen Bereich finden sich vielfältige Chancen im Sinne einer inklusiven Umsetzung. Darum sollten Musik, die musikalische Förderung und die didaktischen Überlegungen für blinde und sehbehinderte Schüler und Schülerinnen unabhängig vom Unterrichtsort einen entsprechend hohen Stellenwert haben und die nötige Wertschätzung erhalten. Im Lehrplan für das Fach Musik sind nur ein bis zwei Unterrichtsstunden Musik pro Woche vorgesehen. Wünschenswert wäre insbesondere für blinde und sehbehinderte Kinder die Erhöhung der Stundenzahl. Doch musikalische Förderung kann – wie oben beschrieben – auch in vielen anderen Unterrichtsbereichen und vor allem im Freizeitbereich geschehen. Wir erleben sehr positiv, dass wir mit den Fortbildungsangeboten der AG Musik Mitarbeiter aus allen Lebensbereichen blinder und sehbehinderter Menschen ansprechen und motivieren können. Daran gilt es weiterzuarbeiten. Musiktherapie Die Musiktherapie findet ihre therapeutischen Kontakte stärker über das Sinnesorgan Ohr. Das Ohr hat gegenüber dem Auge hervorragende Eigenschaften, es nimmt psychische und physikalische Schwingungen genauer wahr und wir finden über den Gehörsinn leichter Zugang zu unseren Gefühlen als über das Auge. Das Ohr wird als das „Tor zur Seele“ bezeichnet. In der Musik liegt die Fähigkeit zum Symbolisieren und Widerspiegeln. Die musikalischen Elemente, wie Klangfarbe, Lautstärke, Tonhöhe, Rhythmus und Dynamik zeigen eine engere Verbindung zu dem, was emotional ausgedrückt werden soll, als gesprochene Worte. Musik mit ihrem symbolischen und nonverbalen Charakter ermöglicht gerade dort Kommunikation, wo diese verbal und visuell nicht möglich ist. Auf musikalischer Ebene ist es möglich Kontakt aufzunehmen, zu kommunizieren, Intensionen wahrzunehmen und darauf zu reagieren. Blinden und sehbehinderten Menschen bietet gerade diese Therapieform einen akustischen Real-Raum, der einerseits Schutz und Abgrenzung von der fordernden Außenwelt bietet, aber auch einen Raum für Entfaltung der Kreativität und für den Ausdruck spontaner Gefühle und Phantasien bereitet. In diesem geschützten Spielraum stehen weder Leistungserwartung noch Bewertung im Vordergrund. Durch die Musiktherapie eröffnen sich neue Blickwinkel auf die Potentiale, die auf Grund der Behinderung oft verborgen sind. In der Aktion mit Musik können die Kinder neue Möglichkeiten entdecken und im lustvollen Spiel ihre kreativen und schöpferischen Quellen aufspüren. Hier wird nicht die Behinderung zum Thema, sondern das Gesunde, Kreative, das spielerische und musikalische Potential. Gerade da, wo behinderungs- und krankheitsbedingte Begrenzungen freies, intentionales Handeln einschränken, kann Musik den Kindern und Jugendlichen neue Erfahrungs- und Erlebniszugänge verschaffen und dadurch neue Entwicklungsschritte anbahnen und bereits begonnene verstärken. Für die AG Musik Beate Hesse, Friedberg Naturwissenschaftlicher Unterricht Naturwissenschaftlicher Unterricht mit blinden und sehbehinderten Schülerinnen und Schülern sucht die Balance zwischen den curricularen Vorgaben der Kultusministerien auf der einen Seite und den Anforderungen einer blinden- und sehbehindertenpädagogischen Methodik und Didaktik auf der anderen Seite. Im Vordergrund steht das Anknüpfen an Umwelterfahrungen und das Hinführen zu wissenschaftlichen Erkenntnissen. Die Empfehlung der Kultusministerkonferenz von 2009 zur Stärkung der mathematischnaturwissenschaftlich-technischen Bildung deklariert diese als „grundlegenden Bestandteil zeitgemäßer Allgemeinbildung“. Sie sei „eine wesentliche Voraussetzung für die aktive Teilhabe eines jeden Einzelnen an gesellschaftlicher Kommunikation und Meinungsbildung über technische Entwicklung und naturwissenschaftliche Forschung“ (KMK 2009, S. 1). Folglich ist die Bildung blinder und sehbehinderter Menschen in den Naturwissenschaften ein wichtiger Baustein für ihre gesellschaftliche Teilhabe. Die von der Kultusministerkonferenz entwickelten Bildungsstandards für die naturwissenschaftlichen Fächer müssen gegebenenfalls durch blinden- und sehbehindertenspezifische Methoden und Verfahrensweisen umgesetzt werden. Die Empfehlung der Kultusministerkonferenz sagt außerdem über die mathematischnaturwissenschaftlich-technische Bildung: „Sie verhilft zum Verständnis der modernen Welt und ihrer prägenden Kräfte und Wirkungen“. (KMK 2009, S. 1) Um dieses Ziel auch für blinde und sehbehinderte Menschen zu erreichen, muss der Unterricht an deren Vorerfahrungen anknüpfen, welche möglicherweise von denen normal sehender Menschen abweichen. Umso wichtiger ist das Ermöglichen eines phänomenologischen Zugangs aus der Alltagswelt der Lernenden, um immer wieder den Bezug zu ihrer Umwelt begreiflich zu machen. Das Experimentieren sollte (auch und gerade) im naturwissenschaftlichen Unterricht mit blinden und sehbehinderten Menschen eine zentrale Rolle spielen, da hierbei die Prinzipien des handelnden Lernens und der Einsatz vieler Sinne gefördert werden. Hierbei stellen klar strukturierte, übersichtliche Versuchsaufbauten eine wesentliche Grundlage dar. Das schülerorientierte Durchführen von Experimenten stärkt ihre Handlungs-, Methoden- und Sachkompetenz und nimmt damit wichtige blinden- und sehbehindertenpädagogische Lernziele in den Focus. Es ermöglicht außerdem die Berücksichtigung individueller Lernprozesse, z. B. durch das Entwickeln eigener Lösungswege. Die Fertigkeit, spezielle Messgeräten zu nutzen, und das Erlernen spezieller Arbeitstechniken, die für blinde und sehbehinderte Menschen entwickelt oder gut für sie geeignet sind, stellen hierbei eine weitere elementare Grundlage dar. Gleichzeitig müssen insbesondere beim Einsatz von Messgeräten die Vielseitigkeit ihrer Einsatzmöglichkeiten, ihr Nutzen für den Alltag und die Anschaffungskosten gegeneinander abgewogen werden. Insbesondere für blinde Menschen müssen Aspekte der Notation berücksichtigt werden. Hierzu gehören Brailleschriftsysteme, wie Mathematik- oder Chemieschrift genauso wie Möglichkeiten, grafische Darstellungen von Diagrammen oder Verlaufskurven nachvollziehbar taktil umzusetzen. Dem schließt sich die Auseinandersetzung mit der Erkenntnissicherung und ihrer Interpretation an, bei der die Verwendung von Zeichnungen und Abbildungen in Umfang, Komplexität und Notwendigkeit dem Einsatz von Modellen oder sprachlicher Darstellungsform gegenübergestellt werden muss. Die derzeitige Praxis in der Bildung blinder und sehbehinderter Menschen zeigt, dass die Lehrkräfte, welche sich mit diesem Thema beschäftigen, sehr unterschiedliche Qualifikationen und Blickwinkel mitbringen. Häufig bedarf es kreativer Ideen Einzelner, um die vielen Facetten der Fächer mit blinden- und sehbehindertenpädagogischen Hinweisen abzudecken. Daher ist es Ziel der VBS-AG Naturwissenschaften, für alle Interessierten, ein Forum des Austausches zu sein. Dies gilt sowohl für diejenigen, die nach Ideen suchen, als auch für diejenigen, die diese einbringen können und möchten. Literaturverzeichnis Kultusministerkonferenz (2009): Empfehlung der Kultusministerkonferenz zur Stärkung der mathematischnaturwissenschaftlich-technischen Bildung(Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 07.05.2009);Online im Internet: http://www.kmk.org/ fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2009/2009_05_07-EmpfMINT.pdf Für die AG Naturwissenschaften Jutta Duncker, Marburg Imke Heinecke, Schleswig Tanja Schapat, Marburg Förderung Lebenspraktischer Fähigkeiten (LPF) sowie der Orientierung und Mobilität (O&M) Eine weitgehend selbstständige, unabhängige und angemessene Lebensgestaltung ist ein grundlegendes menschliches Bedürfnis und ein Menschenrecht, das in der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) verfasst ist. So ist in Artikel 9 Abs. 1 ausdrücklich ausgeführt, das alle unterzeichnenden Staaten für Menschen mit Behinderungen Vorkehrungen treffen müssen, „um Menschen mit Behinderungen eine unabhängige Lebensführung und volle Teilhabe in allen Lebensbereichen zu ermöglichen (...)“. Für den Bereich der Mobilität wird die Konvention sogar noch genauer und verpflichtet in Artikel 20 die Vertragsstaaten, die „persönliche Mobilität mit größtmöglicher Unabhängigkeit sicherzustellen“. Weiterhin wird in Abs. C erwähnt, dass für Menschen mit Behinderungen „Schulungen in Mobilitätsfertigkeiten anzubieten“ sind. Damit stellt die UNO klar, dass es sich bei der selbstständigen Lebensführung und der unabhängigen Mobilität nicht nur um individuelle Bedürfnisse der Betroffen handelt, sondern dass dies geschützte Rechte sind. Um zu einer selbständigen Lebensführung und zu einer unabhängigen Mobilität zu gelangen, brauchen blinde und sehbehinderte Menschen Unterstützung durch Fachkräfte, die ihnen spezifische Techniken und Fertigkeiten vermitteln. Diese Techniken befähigen die Betroffenen, erfolgreich einen Haushalt zu führen oder die alltäglichen Wege zu gehen, ohne eine direkte Assistenz in Anspruch nehmen zu müssen. So kann ihnen das Gefühl der Selbstwirksamkeit und Unabhängigkeit (wieder-)gegeben und erfolgreiche Aktivität und Teilhabe können ermöglicht werden. Um nachhaltiges und erfolgreiches Lernen zu gewährleisten, sind ein früher Beginn der Schulung und die Förderung durch Einzelunterricht unerlässlich. Eine individuelle Passung des Angebots und die Integration der Techniken und Fertigkeiten in den Alltag der jeweiligen Personen sind nur durch eine systemische und individuelle Betrachtung des Einzelfalles möglich. Eine solche Individualisierung des Angebots erfordert neben persönlicher Zuwendung eine umfassende Fachlichkeit der Rehabilitationslehrer/innen. Qualifizierung von Fachkräften Seit den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts werden in speziellen Ausbildungen Rehabilitationslehrer/innen für Orientierung und Mobilität (O&M) sowie Lebenspraktische Fähigkeiten (LPF) für blinde und sehbehinderte Menschen in Deutschland ausgebildet. Die Ausbildung baut auf einer Berufsausbildung im pädagogischen oder sozialen Bereich und praktischer pädagogischer Erfahrung mit blinden oder sehbehinderten Menschen auf und ist anerkannt durch den Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband e. V. (DBSV). Diese qualifiziert dazu, sehbehinderte oder blinde Schulungspartner jeden Alters und ggf. mit zusätzlichen Beeinträchtigungen in LPF und/oder O&M zu schulen. Handlungsfelder Schulungen in Orientierung & Mobilität (O&M) sowie in Lebenspraktischen Fähigkeiten (LPF) sind ein Bestandteil der Rehabilitation sowohl bei angeborenen als auch erworbenen Augenerkrankungen mit der einhergehenden Sehbehinderung bzw. Blindheit. Setzt man die Prämisse eines lebenslangen Lernens an, erfolgt dies beginnend mit der Frühförderung über schulische und berufliche Bildung, begleitend auf dem Arbeitsmarkt und in Wohnstätten bis hin zu älteren Menschen. Anbieter dieser Rehabilitationsleistung sind Angestellte der Einrichtungen und Verbände, aber auch freiberuflich arbeitende Rehabilitationslehrer/innen. Schulungen in O&M sowie in LPF werden in einigen, aber noch nicht in allen Bildungseinrichtungen für blinde und sehbehinderte Menschen angeboten. Für deren Durchführung gibt es keine bundesweit einheitlichen Regelungen. Entsprechende Regelungen für sehbehinderte und blinde Kinder und Jugendliche, die integrativ bzw. inklusiv an allgemeinen Schulen unterrichtet werden, sind bisher nur in Ausnahmefällen getroffen worden. Forderungen und Ziele – Unterricht in Orientierung & Mobilität sowie in Lebenspraktischen Fähigkeiten ist grundsätzlich durch qualifiziertes Fachpersonal als Einzelunterricht zu erteilen. – Unterricht in Orientierung & Mobilität sowie in Lebenspraktischen Fähigkeiten ist bereits im Rahmen der Frühförderung blinder und sehbehinderter Kinder sicherzustellen. – Individuell an die Bedürfnisse angepasste Einzelschulungen sind unabhängig vom Förderort, das heißt auch in inklusiven Settings, zu gewährleisten. Die Finanzierung hierfür ist sicherzustellen. (siehe Artikel 20 der UN-BRK). – Insbesondere an Übergängen (Einschulung, Schulwechsel, Beginn der Berufsausbildung oder eines Studiums, Aufnahme einer Berufstätigkeit, Veränderungen innerhalb der Lebenssituation) sind eine bedarfsgerechte Unterrichtung in Orientierung und Mobilität sowie die Vermittlung spezifischer lebenspraktischer Fähigkeiten einschließlich der erforderlichen Hilfsmittelkompetenz sicherzustellen. – Der Unterricht ist einzubetten in die Förder- und Bildungspläne. Die Arbeit der Rehabilitationslehrer ist mit der pädagogischen Arbeit anderer Fachkräfte zu vernetzen (vgl. Position zu Low Vision). – Für erwachsene und ältere blinde und sehbehinderte Personen haben die Bemühungen um eine einkommens- und vermögensunabhängige Kostenübernahme der Schulung in LPF bisher zu keiner eindeutigen Regelung geführt. In der Folge führt dies zu einem Verlust in der Lebensqualität bis hin zu Pflegebedürftigkeit. Das SGB IX stellt lediglich das Angebot an Leistungen dar, regelt jedoch nicht den Rechtsanspruch. Schulungen in O&M obliegen im Regelfall dem Leistungsträger Gesetzliche Krankenversicherung. Diese stellt zu ihren Lasten jedoch nur eine Grundversorgung sicher. Für diese Klientel muss eine bedarfsorientierte Versorgung in beiden Bereichen ermöglicht, ggf. erstritten werden. – Pädagogisches Personal (Lehrer, Erzieher, Altenpfleger, Frühförderer und weiteres Personal), das mit Bildung, Erziehung und Pflege blinder und sehbehinderter Menschen betraut ist, bedarf spezieller Fortbildungen in Orientierung und Mobilität sowie Lebenspraktischen Fähigkeiten zum angemessenen Umgang mit blinden und sehbehinderten Menschen und zur Unterstützung ihrer möglichst selbständigen Lebensführung. – Die Standards und Qualitätskriterien des Bundesverbandes der Rehabilitationslehrer/innen für Blinde und Sehbehinderte e. V. (Fortbildung, Ausrüstungsstandard, Arbeitsbedingungen) sind umzusetzen. – Der VBS fördert die Zusammenarbeit der verschiedenen Gruppen betroffener Menschen und setzt sich für eine flächendeckende, bedarfsgerechte Unterrichtung blinder und sehbehinderter Menschen in Orientierung & Mobilität sowie Lebenspraktischen Fähigkeiten ein. Für die AG Orientierung und Mobilität/Lebenspraktische Fähigkeiten Ulrike Schade, Leipzig Psychologie Situationsbeschreibung / Ausgangssituation Blinde und sehbehinderte Menschen können – wie alle Menschen – von psychischen Problemen betroffen sein. Aufgrund einer Sehschädigung verläuft die Entwicklung blinder und sehbehinderter Kinder und Jugendlicher unter erschwerten Bedingungen, wodurch es zusätzlich zu Störungen im sozialen, emotionalen und Leistungsbereich kommen kann. Die geforderten Anpassungs- und Kompensationsleistungen in einer Welt, die stark visuell orientiert ist, machen Entwicklungskrisen, Blockaden und Fehlentwicklungen wahrscheinlicher. Sind zusätzlich weitere Einschränkungen, wie z. B. eine Hörschädigung, eine chronische Erkrankung oder eine geistige Behinderung vorhanden, bedeutet dies für den Betroffenen und sein familiäres Umfeld weitere Belastungen in der persönlichen Entwicklung, der schulischen und beruflichen Ausbildung, bei der Berufsfindung und Entwicklung einer Lebensperspektive. Menschen, die zu einem späteren Zeitpunkt erblinden, müssen dagegen mit einer einschneidenden Veränderung ihrer Lebenssituation zurechtkommen, die traumatisierend erlebt werden kann. Die Betroffenen und ihr familiäres Umfeld werden mit einer Situation konfrontiert, mit deren Bewältigung sie und die Angehörigen oft überfordert sind. Von zunehmender Bedeutung ist die große Gruppe der Menschen, die im Alter ihre Sehfähigkeit verlieren und damit ebenso wie ihr Umfeld einer hohen Belastung ausgesetzt sind. Wissenschaftliche Untersuchungen haben bei bis zu 30 % der sehbehinderten Senioren eine klinisch relevante Depression gefunden, was auf die Notwendigkeit hinweist, psychologische Fachkompetenz in die Versorgungsstrukturen dieser Klientel zu integrieren. Ziele und Aufgaben der Psychologie Angesichts der dargestellten Störungs- und Belastungsfaktoren bedarf es einer fachlich kompetenten psychologischen Versorgung blinder und sehbehinderter Menschen und ihren Angehörigen. Ziel der psychologischen Unterstützung ist es stets, den blinden bzw. sehbehinderten Menschen in seiner individuellen Lebenssituation besser zu verstehen und auf therapeutischem oder beratendem Weg die Bedingungen für eine ihm gemäße Entwicklung zu verbessern. Mit der Behinderung zu leben, sich selbst anzunehmen und die eigenen Interessen zu vertreten, ist das zentrale Anliegen der psychologischen Arbeit mit behinderten Menschen. Ein Teil der psychologischen Hilfe besteht in einer umfassenden und differenzierten Psychodiagnostik (Leistungs-, Persönlichkeitsdiagnostik). Mittels wissenschaftlich überprüfter Diagnoseverfahren und systematischer Verhaltensbeobachtung werden notwendige Informationen gewonnen, um fundiert über Interventionen zu entscheiden oder in Fragen der Ausbildung und beruflichen Integration Hilfen zu geben. Psychologische Interventionen umfassen je nach Problem- und Zielstellung Krisenintervention, psychologische Beratung, Einzel- und Gruppentherapie, Trainings- und Fördermaßnahmen sowie übende Verfahren. Darüber hinaus ist es Aufgabe der Psycholog/innen, Eltern/Angehörigen beratend zur Seite zu stehen und das familiäre Umfeld zu unterstützen. Ein weiterer Schwerpunkt in der psychologischen Aufgabenstellung ist die Beratung und Unterstützung von Mitarbeiter/innen in der pädagogischen Arbeit. Diese reicht von psychologischer Fachinformation zum besseren Verständnis von Besonderheiten, die mit Blindheit oder Sehbehinderung einhergehen können, über Fortbildungsangebote, Beratung und Unterstützung bis zu Supervision und Coaching. Hierzu ist eine administrative Position außerhalb der Personalhierarchie sinnvoll. Diese begünstigt auch die Reflexion der Arbeit der Institution durch Psycholog/innen auf dem Hintergrund ihrer fachlichen Perspektive und Beteiligung an der Erarbeitung und Fortschreibung pädagogischer Konzepte. Die interdisziplinäre Kooperation mit anderen Berufsgruppen und Institutionen ist ebenfalls wichtiger Bestandteil der psychologischen Tätigkeit. Voraussetzungen der psychologischen Arbeit In den Institutionen, die sich auf die Arbeit mit blinden und sehbehinderten Menschen spezialisiert haben, muss psychologische Kompetenz einen festen Stellenwert haben. Es bedarf einer ausreichenden Zahl wissenschaftlich ausgebildeter Diplom-Psycholog/innen, um die genannten Aufgaben zu bewältigen. Auch für die Integration bzw. Inklusion blinder und sehbehinderter Menschen ist dringend ein Versorgungsnetz aufzubauen, das qualifizierte psychologische Beratung und therapeutische Hilfen für die Betroffenen und ihre Eltern garantiert. In der Beratung und Weiterqualifikation von Personal (z. B. Lehrer/innen, Erzieher/innen, Sozialpädagog/innen), das im Rahmen von Inklusion mit blinden und sehbehinderten Menschen befasst ist, muss ebenfalls psychologische Kompetenz vertreten sein. Hierfür sind entweder entsprechende Stellen zu schaffen oder eine Refinanzierung für erfahrene Fachkräfte aus den vorhandenen Kompetenzzentren zu sichern. Die AG Psychologie des VBS Die VBS-AG Psychologie bietet Psychologinnen und Psychologen, die mit der Habilitation und Rehabilitation blinder und sehbehinderter Menschen befasst sind, ein Forum zum Austausch und zur Information. Die regelmäßig stattfindenden Tagungen stellen ein qualifiziertes Fortbildungsangebot dar für die psychologische Arbeit mit blinden oder sehbehinderten Menschen. Sie stehen auch nicht-psychologischen Fachkräften offen. In einem ca. halbjährlichen Rhythmus verschickt der Vorstand der AG Psychologie einen Rundbrief an interessierte Kolleg/innen. Darüber hinaus ist die AG Psychologie bemüht, sich in Fragen der psychologischen Versorgung und Infrastruktur zu engagieren. Der Vorstand der AG ist auch auf europäischer Ebene über das Psycholog/innenNetzwerk des ICEVI vernetzt. Für die AG Psychologie Mechthild Gahbler, Nürnberg Blinden- und Sehbehindertenpädagogik in universitärer Forschung und Lehre Blickt man auf der Suche nach den Anfängen des Berufsbildes des Blinden- bzw. Sehbehindertenpädagogen zurück, trifft man auf die Namen Bernoulli und Niesen, die (in Europa) als die ersten namentlich bekannten „Blindenlehrer“ gelten. Führte diese beiden ihr Broterwerb als Privatlehrer in diese Position, so war es bei den Gründern der deutschsprachigen institutionalisierten Blindenbildung der Bezug zu aufklärerischem und philantropischem Gedankengut; Lehrer i. e. S. waren weder Klein, Zeune noch Knie. Aber ein weiterer Gedanke einte sie: Ein engagierter und qualifizierter Blindenlehrernachwuchs ist entscheidend für die Zukunft! Institutionen für diese Aufgabe waren in ihrem Verständnis die Bildungseinrichtungen selbst, die Kongresse und natürlich die Zeitschrift (heute: blind – sehbehindert, 132. Jahrgang). Bestärkt von den Einflüssen Pestalozzis und Diesterwegs („Die Schule ist gerade so viel wert, als der Lehrer wert ist. Darum ist die Erhöhung der Lehrerbildung das erste Stück jeder Schulreform.“ 1865), wurden bereits Ende des 19. Jahrhunderts Fachprüfungen für Blindenlehrer eingeführt. Die nach dem Zweiten Weltkrieg in beiden deutschen Staaten vollzogene Verankerung der Blinden- und Sehbehindertenpädagogik an Hochschulen ist demnach in eben dieser Tradition zu verstehen. Diese Verankerung führte bis heute zu dem bundesweiten Standard, dass eine Aus- und Weiterbildung zum Berufsbild des Lehrers/der Lehrerin für blinde und sehbehinderte Kinder und Jugendliche an eine universitäre Phase gebunden ist. Universitäten und Hochschulen, an denen die Blinden- bzw. Sehbehindertenpädagogik in Lehre und Forschung verankert ist, sind die Humboldt-Universität zu Berlin, die Universität Hamburg, die Technische Universität Dortmund und die Pädagogische Hochschule in Heidelberg. Im Zuge der als Bologna-Prozess bezeichneten Hochschulreform befinden sich alle Studienstätten in einem tief greifenden und dramatischen Umbruchprozess. An den Universitäten in Berlin und Hamburg ist der Wechsel zu einem Bachelor-MasterSystem (Bachelor of Arts, B.A. / Master of Education, M.Ed.) vollzogen. An der Technischen Universität Dortmund und der Pädagogischen Hochschule Heidelberg sind die Studiengänge im Sinne der Bachelor-Master-Idee modularisiert. Alle Studienstätten bieten neben den grundständigen konsekutiven Studiengängen auch lehramtsbezogene Aufbau- und Ergänzungsstudiengänge bzw. weiterbildende Masterstudiengänge im Förderschwerpunkt Sehen an; darüber hinaus gibt es vielfältige Studienangebote, die die Perspektive der Blinden- und Sehbehindertenpädagogik in weitere, nicht-schulische Handlungsfelder einbinden. Gegenstandsbereiche, wie z. B. die Frühe Förderung, die Rehabilitationswissenschaft, die Berufliche Bildung und die spezifischen Herausforderungen der Rehabilitation im Alter lassen auch für die Zukunft interessante Verknüpfungen erwarten. Eine weitere Herausforderung ist die qualitative und quantitative Bestimmung einer möglichen Einbindung der Pädagogik bei Beeinträchtigungen des Sehens in die Neugestaltung der allgemeinen und der sonderpädagogischen Lehrämter, die sich gemeinsam den Herausforderungen einer inklusiven Schule stellen müssen und die sich gemäß der Intention der Kultusministerkonferenz (KMK) in den nächsten Jahren neu aufstellen müssen. Durch immer rigider werdende Zulassungsbeschränkungen und den stetigen Abbau der personellen und damit auch der kapazitären Ressourcen an den vier Studien- und Forschungsstädten seit den 1990er Jahren sank die Zahl der Absolvent(inn)en in erheblichem Maße. Auch als Folge dieser Entwicklung kann der „Generationswechsel“ an den schulischen Einrichtungen nicht mehr lückenlos durch den blinden- und sehbehindertenpädagogischen Lehrer(innen)nachwuchs erfolgen. Der entstandene akute Bedarf an berufsbegleitender Weiterbildung hat die Universitäten Leipzig und Marburg 2009 bzw. 2010 dazu bewogen, weiterbildende Studiengänge in der Blinden- und Sehbehindertenpädagogik anzubieten. Die Studiengänge wurden auf der Ebene der blinden- und sehbehindertenpädagogischen Fachlichkeit in Kooperation mit der Universität Hamburg gestaltet und angeboten. Die KMK hat mit ihrem Beschluss „Ländergemeinsame inhaltliche Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 16.10.2008 i. d. F. vom 16.09.2010) die Sonderpädagogik als eigenständiges Fachprofil festgeschrieben: „Im Studium der Sonderpädagogik werden allgemeine und spezifische, auf Förderschwerpunkte bezogene Kompetenzen zur Förderung, d. h. zur Anregung, Begleitung und Unterstützung von Erziehungs- und Bildungsprozessen unter erschwerten Bedingungen und in unterschiedlichen institutionellen Kontexten, erworben“ (KMK 2008/2010, S. 51). Das fachspezifische Kompetenzprofil und die umrissenen Studieninhalte sonderpädagogischer Studiengänge werden in Bezug auf den Förderschwerpunkt Sehen wie folgt ergänzt: – „Grundlagen der Ophthalmologie zu Funktionen und Strukturen des physiologischen und funktionalen Sehens und zur Entwicklung der visuellen Wahrnehmung sowie Grundlagen der Physiologischen Optik und der barrierefreien Gestaltung der räumlichen Umwelt im Förderschwerpunkt Sehen – Grundlagen der Anpassung und Einführung in die Nutzung von optischen, elektronischen und nichtelektronischen Hilfsmittel im Förderschwerpunkt Sehen – Planen und Gestalten didaktischer und methodischer Interventionen auf der Grundlage des Wissens über das physiologische Sehen und der Diagnostik des funktionalen Sehens der Schülerinnen und Schüler sowie auf Grundlage der Analyse des visuellen Charakters der Lernräume – Basiswissen und praktische Grundkenntnisse in den Gebieten: Orientierung und Mobilität, Punktschriftsysteme, Alltagspraktischen Fähigkeiten, Gestaltung taktiler Medien“ (KMK 2008/2010, S. 56). Weiterhin gilt es, die durch die KMK beschriebenen Kompetenzen und Inhalte in den Bereichen „pädagogische, psychologische, diagnostische und didaktische Dimensionen in den einzelnen Förderschwerpunkten“ mit spezifischen Ausprägungen im Förderschwerpunkt Sehen umzusetzen. Auf der 337. Plenarsitzung der Kultusministerkonferenz am 08./09.03.2012 in Berlin wurden Eckpunkte der geplanten Bund–Länder–Initiative Lehrerbildung umrissen; ein Punkt dabei ist die „Fortentwicklung der Lehrerbildung in Bezug auf die Anforderungen der Heterogenität und Inklusion“. Die Signale, die in dieser Debatte aus den Ländern und der KMK gesendet werden, sind jedoch sehr unterschiedlich und stellenweise auf Prozesse der Entprofessionalisierung ausgerichtet. Einerseits gibt die UN-Behindertenrechtskonvention klar vor, dass bei der Gestaltung inklusiver Bildung (und die betrifft nebenbei bemerkt nicht nur die schulische) qualifizierte Lehrkräfte einzubinden sind: „Um zur Verwirklichung dieses Rechts beizutragen, treffen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen, um Lehrkräfte, einschließlich Lehrkräfte mit Behinderungen, die in Gebärdensprache oder Brailleschrift qualifiziert sind, einzustellen und Fachkräfte und Mitarbeiter auf allen Ebenen des Bildungswesens fortzubilden“ (UN 2006/2008, S. 1437). Dem folgend hat die KMK in ihrem Beschluss „Inklusive Bildung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in Schulen“ vom 20.10.2011 formuliert: „Zur Verwirklichung eines Unterrichts, der diesem Anspruch auf sonderpädagogische Bildungs-, Beratungs- und Unterstützungsangebote gerecht wird, bedarf es qualifiziert ausgebildeter Lehrkräfte mit vertieften und wissenschaftlich abgesicherten Kenntnissen. Diese orientieren sich an den nachfolgenden Entwicklungsbereichen, die Gegenstand der sonderpädagogischen Fachrichtungen sind: (…) - Sehen, die visuelle Wahrnehmung und Verarbeitung, Kompetenzen im Umgang mit einer Sehbehinderung oder Blindheit“ (KMK 2011, S. 20). Andererseits mehren sich die Hinweise, dass einzelne Bundesländer mit dem Gedanken spielen, das sonderpädagogische Lehramt auf den neuen Zuschnitt LSE (Förderschwerpunkte Lernen, Sprache und emotional soziale Entwicklung) zu fokussieren und die spezifischen Förderschwerpunkte (und damit auch den FS Sehen) niederschwellig (als nach- und damit nicht-universitäre Weiterbildung oder mit ausschließlich auf Lehrleistungen ausgerichtete Strukturen an Hochschulen) anzubieten. Aus Sicht des AK Hochschulen kommt dieses Ansinnen jedoch einer strukturellen Diskriminierung gleich: Während für alle Schülerinnen und Schüler an deutschen Schulen akademisch gebildete Lehrerinnen und Lehrer für die Gestaltung der Bildungs- und Erziehungsprozesse zuständig sind, soll die Teilhabe an Bildung für blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler durch Lehrerinnen und Lehrer gestaltet werden, die ihre Expertise ausschließlich durch die vor 50 Jahren überwunden geglaubte „Meisterlehre“ erworben haben. Es ist daher aus Sicht des AK Hochschulen an der Zeit, eine Grundversorgung an universitär verankerten Studiengängen im Rahmen der Bund-Länder-Initiative Lehrerbildung nachhaltig zu sichern. Bei aller notwendigen Fokussierung auf den Aspekt der Lehrer(innen)bildung darf nicht vergessen werden, dass der Erfolg einer über 40-jährigen Geschichte einer akademischen Ausbildung für Lehrerinnen und Lehrer in blinden- und sehbehindertenpädagogischen Berufsfeldern im Kern auf die erfolgreichen Forschungsleistungen innerhalb dieses Feldes beruhten und beruhen. Eine Umkehr in der universitären Aus-, Fort- und Weiterbildung zur „Meisterlehre“ hätte auch eine Auflösung forschungsfähiger Einheiten zur Folge. Damit wären weder Fragestellungen aus dem schulischen noch die aus den nichtschulischen Handlungsfeldern im Rahmen erziehungswissenschaftlicher und/oder rehabilitationswissenschaftlicher Forschung aufgreifbar und bearbeitbar. Nach spätestens einer Generation bestände dann die Gefahr, bei der Bearbeitung der Herausforderungen (Inklusion, elementare Rehabilitation, Frühe Förderung etc.) über eine wesentlich eingeschränkte Außensicht zu verfügen; gleichsam wären interdisziplinäre Verknüpfungen in der Wissenschaftslandschaft schwerer aufrechtzuhalten. Literatur KMK - Kultusministerkonferenz (2008/2010) Ländergemeinsame inhaltliche Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung: (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 16.10.2008 i. d. F. vom 16.09.2010). KMK - Kultusministerkonferenz (2011) Inklusive Bildung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in Schulen (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 20.10.2011). UN - United Nations (2006/2008) Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (dreisprachige Fassung im Bundesgesetzblatt Teil II Nr. 35 vom 31.12.2008). Für den AK Hochschulen Prof. Dr. Sven Degenhardt, Hamburg Position zur inklusiven Beschulung und Bildung blinder und sehbehinderter Menschen in der Bundesrepublik Deutschland des Verbandes für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik e.V. (VBS) Der Verband für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik e. V. (VBS) ist Fachverband für die Bildung und Erziehung blinder und sehbehinderter Menschen. Er setzt sich für die Förderung, Erziehung und Bildung aller Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen ein, deren Leben und Lernen durch eine Sehbehinderung oder Blindheit beeinflusst wird. Der VBS begrüßt die Ratifizierung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen durch den Deutschen Bundestag ausdrücklich. Seit dem 26.3.2009 sind die Konvention und das zugehörige Fakultativprotokoll nun auch geltendes Recht in der Bundesrepublik Deutschland. Vor diesem Hintergrund sieht der VBS in der Debatte um Inklusion eine Chance der Weiterentwicklung der Allgemeinen Pädagogik wie auch der Pädagogik im Förderschwerpunkt Sehen. Inklusive Bildungseinrichtungen im Allgemeinen und Schulen im Besonderen erheben den Anspruch, grundsätzlich alle Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen willkommen zu heißen, unabhängig von der Frage ihrer jeweiligen persönlichen Voraussetzungen, Fähigkeiten und Fertigkeiten. In einem solchen umfassenden Verständnis zielt die Debatte um Inklusion nicht in erster Linie auf eine Veränderung sonderpädagogischer Förderung, sondern auf eine Weiterentwicklung der Allgemeinen Pädagogik hin zu einer „inklusiven Pädagogik“. Wenn Heterogenität als Chance und Normalfall schulischen Lernens begriffen wird, ergibt sich ein Paradigmenwechsel, durch den die Frage nach der Inklusionsfähigkeit von Schulen und anderen Bildungseinrichtungen und damit der Abbau von Barrieren für Lernen und Teilhabe aller Kinder, Jugendlicher und Erwachsener in den Mittelpunkt rückt. So verstanden ist der Begriff der Inklusion als Orientierungsziel für notwendige Veränderungsprozesse von schulischer, beruflicher und allgemeiner Bildung und Erziehung zu begreifen. Der VBS erwartet, dass eine auf Inklusion ausgerichtete Pädagogik dazu beiträgt, dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene zunehmend im Rahmen der allgemein bildenden Schulen ihrem Förderbedarf entsprechend unterrichtet werden. Er ist sich darüber im Klaren, dass die Entwicklung hin zu einer inklusiven Bildung nur langfristig zu denken ist und in starkem Maße von der Bereitschaft der politisch Verantwortlichen abhängt, notwendige Veränderungsprozesse zu initiieren, zu fördern und vor allem auch die erforderlichen Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Inklusion darf nicht als Mittel zur Kostenreduktion missverstanden werden, sondern muss unter der Perspektive der Bewältigung umfassender Heterogenität über entsprechend umfassende sächliche, personelle und organisatorischen Mittel verfügen, um den individuellen pädagogischen Bedürfnissen blinder und sehbehinderter Kinder, Jugendlicher und Erwachsener tatsächlich gerecht werden zu können. Unabhängig von der weiteren Entwicklung der allgemeinen Pädagogik begrüßt der VBS die Weiterentwicklung der spezifischen Bildungseinrichtungen für blinde und sehbehinderte Menschen mit dem Ziel, selbst einen verstärkten Beitrag zur Veränderung der Bildungslandschaft im Hinblick auf eine inklusive Bildung, Erziehung und Rehabilitation zu leisten. Der VBS verweist insbesondere auf Artikel 24, Satz 3, Abschnitt c), durch den klargestellt wird: „(3) Die Vertragsstaaten ermöglichen Menschen mit Behinderungen, Lebenspraktische Fertigkeiten und soziale Kompetenzen zu erwerben, um ihre volle und gleichberechtigte Teilhabe an der Bildung und als Mitglieder der Gesellschaft zu erleichtern. Zu diesem Zweck ergreifen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen, unter anderem ... c) stellen sie sicher, dass blinden, gehörlosen oder taubblinden Menschen, insbesondere Kindern, Bildung und Sprache in den Kommunikationsformen und mit den Kommunikationsmitteln, die für den Einzelnen am besten geeignet sind, sowie in einem Unfeld vermittelt wird, das die bestmögliche schulische und soziale Entwicklung gestattet.“ In jedem Einzelfall ist eine Mensch-Umfeld-Analyse durchzuführen, um festzustellen, inwieweit der vorgesehene Lernort den pädagogischen Bedürfnissen des Kindes, Jugendlichen oder Erwachsenen gerecht werden kann und wie möglicherweise vorhandene Barrieren für das Lernen und die Teilhabe blinder und sehbehinderter Menschen vermindert werden können. Die freie Wahl des Förderortes muss aus Sicht des VBS gewährleistet sein. Eine lebenslange, behinderungsangemessene, fach- und sachgerechte Förderung blinder und sehbehinderter Kinder, Jugendlicher und Erwachsener ist an allen Lebens- und Förderorten sicherzustellen. Der VBS sieht einen erhöhten Bedarf an qualifizierten Blinden- und Sehbehindertenpädagogen und -pädagoginnen zur Sicherstellung inklusiver Bildung. Er hält es daher für dringend erforderlich, die Kapazitäten der Ausbildungsstätten zu erhöhen, damit die für die Beschulung und Bildung blinder und sehbehinderter Menschen notwendigen Fachkräfte zukünftig zur Verfügung stehen. Stuttgart, den 29. Mai 2009 Dieter Feser, Gudrun Lemke-Werner, Jürgen Rieskamp, Erwin Denninghaus Bildung, Erziehung und Rehabilitation blinder und sehbehinderter Kinder und Jugendlicher in einer inklusiven Schule in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland Standards – Spezifisches Curriculum – Modell-Leistungsbeschreibung Verband für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik e. V. (VBS) – Beschluss des Arbeitskreises der Leiterinnen und Leiter von Blinden- und Sehbehindertenbildungseinrichtungen vom 23.05.2011 – Beschluss des Vorstandes des VBS vom 21.07.2011 Mitglieder der Arbeitsgruppe für den Verband für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik e. V. (VBS) Arbeitskreis der Leiterinnen und Leiter von Blinden- und Sehbehindertenbildungseinrichtungen Ulrike Bauer-Murr, AK-Leitung, Nikolauspflege Stuttgart Dieter Bretz, AK-Leitung, Johann-Peter-Schäfer-Schule, Friedberg Prof. Dr. Sven Degenhardt, AK Hochschulen, Universität Hamburg Dieter Feser, VBS-Vorsitzender, Nikolauspflege Stuttgart Dr. Markus Lang, AK Hochschulen, PH Heidelberg Evelin de Lorent, AK-Leitung, Bildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte, Hamburg Theo Wenker, AK-Leitung, LWL-Berufskolleg Soest Inhaltsverzeichnis Ziele ................................................................................................................................... 48 Population blinder und sehbehinderter Kinder und Jugendlicher ....................................... 49 Standards .......................................................................................................................... 49 Spezifisches Curriculum .................................................................................................... 50 Übersicht ....................................................................................................................... 50 Beschreibung der Bereiche des spezifischen Curriculums ............................................ 51 Förderung des Sehens .............................................................................................. 51 Wahrnehmung und Lernen ........................................................................................ 51 Orientierung & Mobilität, Lebens- bzw. Alltagspraktische Fähigkeiten und Fertigkeiten, Bewegung ............................................................................................. 52 Technische Hilfsmittel ............................................................................................... 53 Lebensplanung, Berufsorientierung, Freizeitgestaltung ............................................ 53 Soziale Kompetenz ................................................................................................... 53 Beschreibung der Ebenen der Umsetzung .................................................................... 54 Bezüge zur ICF .................................................................................................................. 62 Modell-Leistungsbeschreibung .......................................................................................... 67 Literatur und weiterführende Verweise .............................................................................. 73 Ziele Ziel dieser Standortbestimmung und Standardbeschreibung ist es, den Entscheidungsträgern in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland eine Grundlage für die länderspezifische Umsetzung und qualitative Bewertung des spezifischen Angebots zur Teilhabe blinder und sehbehinderter Schülerinnen und Schüler an schulischer Bildung vorzulegen. Dabei wird davon ausgegangen, dass ein sonderpädagogischer Förderbedarf bei Beeinträchtigung der visuellen Wahrnehmung curriculare Eckpunkte generiert, die im jeweiligen Kerncurriculum (Regelcurriculum, Curriculum im Förderschwerpunkt Lernen, geistige Entwicklung etc.) gar nicht oder nicht in dieser Quantität oder Qualität enthalten sind. Die Blinden- und Sehbehindertenpädagogik kann auf eine über 200jährige Geschichte zurückblicken, in der das Beschreiben einer Spezifik pädagogischer Angebote immer einen zentralen Platz einnahm. Waren diese über viele Jahrzehnte mit der Entscheidung für einen spezifischen Schulort verbunden, öffnet sich die Standarddebatte der letzten Jahre konsequent hin zu Fragen der Qualität der Teilhabe blinder und sehbehinderter Kinder und Jugendlicher an Bildung unabhängig vom Beschulungsort. Mit der global und national verankerten Leitidee einer inklusiven Schule gehen auch Grenzen der Ableitung von Standards aus einer „best practice“ einher; international hat sich daher bereits seit Jahren erfolgreich die Idee der Dualen Curricula ([expanded] core curriculum etc.) durchgesetzt, um beschulungsortunabhängig die Bedarfe an spezifischer Diagnostik und Interventionen zu beschreiben. Ausgehend von der Umschreibung dieses spezifischen Curriculums sollen nachfolgend einerseits Standards und anderseits die für die Umsetzung notwendigen Rahmenbedingungen in Form einer Modell-Leistungsbeschreibung für die am Prozess beteiligten Blinden- und Sehbehindertenlehrer/innen aufgeführt werden. Beide gelten angesichts einer heterogenen Schüler/innen/schaft und einer grundgesetzkonformen länderspezifischen Varianz in der Auslegung als Orientierungsgrundlage; gleichsam können die Antworten auf den personenbezogenen Bedarf an Unterstützung nicht signifikant vom Wohn- und Beschulungsort des blinden und sehbehinderten Kindes abhängen. Das hier vorgelegte spezifische Curriculum versteht sich demnach auch als Aufruf zur Weiterbearbeitung und Konkretisierung; einerseits in Hinblick auf die Anpassung des Ansatzes an länderspezifische Regularien und andererseits mit Blick auf die notwendige Ausformulierung von konkreten und transparenten Prozess- und Ergebnisqualitäten. Population blinder und sehbehinderter Kinder und Jugendlicher Die Gruppe von blinden und sehbehinderten Menschen ist in Bezug auf die konkreten Sehleistungen und die damit verbundenen Barrieren für die Teilhabe an unterschiedlichen Aspekten des täglichen Lebens und der Prozesse des schulischen und außerschulischen Lernens äußerst heterogen. Unterschiede generiert z. B. der Zeitpunkt des Eintretens der Beeinträchtigung des Sehens (Blindheit und Sehbehinderung). Eine Definition von Blindheit und Sehbehinderung ist zudem von den Verwertungszusammenhängen (Recht, Bildung, Medizin etc.) abhängig. In medizinischen Kontexten wird zentral der Fernvisus beschrieben; dieser wird als Quotient aus der Entfernung, in der ein normiertes Sehzeichen erkannt wird, und der Entfernung, aus der dieses Zeichen erkannt werden müsste, beschrieben. Bei einer Sehbehinderung liegt der Visus bei optimaler Refraktionskorrektur zwischen 1/3 und 1/20. Bei einer hochgradigen Sehbehinderung liegen die Werte zwischen 1/20 und 1/50; bei Blindheit muss auf dem besseren Auge 1/50 oder weniger messbar sein. Zusätzlich zum Visus werden bei der Abschätzung der Beeinträchtigung des Sehens (Blindheit und Sehbehinderung) weitere Faktoren zur Bewertung hinzugezogen: Gesichtsfeld, Farb- und Kontrastwahrnehmung, Adaptationsund Akkommodationsleistungen usw. Neben den anteriorischen Sehbeeinträchtigungen (Funktionsbeeinträchtigung des Auges und des Sehnervs) werden in den letzten Jahren zunehmend die cerebrale Sehbeeinträchtigungen (CVI) beschrieben. Die hierbei eintretenden Beeinträchtigungen (Gesichtsblindheit, Beeinträchtigung der Bewegungs-, Form- und Farberkennung, Crowding-Effekt etc.) können ggf. bei geringer Beeinträchtigung der Trennsehschärfe (Visus) auftreten und bedürfen einer spezifischen Diagnostik und Intervention. Die oben beschriebenen Funktionsbeeinträchtigungen (im Sinne der Körperfunktionen und -strukturen der ICF) generieren im Zusammenwirken mit Faktoren der Umweltgestaltung und Reaktionen der Gesellschaft spezifische Barrieren in der Aktivität und Partizipation im Rahmen schulischen Lernens. Standards Jedes Kind, jeder Jugendliche mit Blindheit oder Sehbehinderung hat neben seinem schulischen Curriculum (Regelcurriculum) ein spezifisches Curriculum. In diesem spezifischen Curriculum werden die Gegenstände abgebildet, deren Beachtung in Diagnostik, Förderung und Unterrichtung über den Rahmen pädagogischer Bedarfe hinaus eine eigenständige Qualität und Quantität aufgrund der Auswirkungen der Blindheit oder Sehbehinderung erwarten lässt. Da Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung auf unterschiedliche Barrieren zur Teilhabe an Bildung treffen können, ist ein personenbezogenes Arbeiten mit dem spezifischen Curriculum von Nöten. Voraussetzung für den Einsatz des spezifischen Curriculums ist die Entwicklung der allgemeinen Schule hin zur inklusiven Bildung, in der das Lernen für alle so barrierearm wie möglich gestaltet wird. Dies bedeutet eine Didaktik der Vielfalt und der Anerkennung von Heterogenität als Chance für die Gestaltung schulischen Lernens. Für die Umsetzung des spezifischen Curriculums müssen sowohl unterrichts-immanente als auch zusätzliche organisatorische Formen in den Schulalltag des blinden oder sehbehinderten Kindes/Jugendlichen einfließen; die Umsetzung wird von Lehrkräften mit einer spezifischen Lehrbefähigung für den Förderschwerpunkt Sehen (Blinden- und Sehbehindertenpädagogik) verantwortet. Für die Realisierung des spezifischen Curriculums gelten Zeitraster, in denen ausgewählte Gegenstände schwerpunktmäßig bearbeitet werden bzw. Schnittstellen, zu denen spezifische Kompetenzen angeeignet seien sollten. Die Zeitraster und Schnittstellen orientieren sich an dem individuellen Bedarf des Kindes/Jugendlichen an einer barrierefreien Teilhabe am Regelcurriculum. Das spezifische Curriculum sowie die Zeitraster sind evaluierbar festzuhalten und regelmäßig zu hinterfragen. In die Prozesse der Erstellung, zeitlichen Strukturierung, Verschriftlichung und Evaluation des spezifischen Curriculums sind die Eltern unter Maßgabe der schulrechtlichen Rahmensetzungen einzubinden. Spezifisches Curriculum Übersicht Um das spezifische Curriculum bearbeitbar und vergleichbar zu gestalten, soll es im Folgenden in sechs Bereiche unterteilt werden, wobei Schnittstellen und ggf. gemeinsamen Gegenstände, die mehreren Bereichen zugeschrieben werden müssen, nicht auszuschließen sind. In allen Bereichen (Zeilen) gelten jeweils fünf Ebenen der Umsetzung. Daraus ergibt sich eine Matrix mit 30 Feldern, in denen Gegenstände und die Umsetzung des spezifischen Curriculums beschrieben werden sollen. Nachfolgend werden zuerst die Bereiche und Ebenen beschrieben und im Anschluss werden die 30 Felder der Matrix mit konkreten Inhalten gefüllt. Dabei sollen exemplarische Beispiele die Breite der möglichen Aktivitäten illustrieren; sie verstehen sich also nicht als „abschließend“ und umfänglich. Bereiche des spezifischen Curriculums Förderung des Sehens Ebenen der Umsetzung Diagnostik Intervention Methodik 1.1 1.2 1.3 Ausstattung & Handelnde & Medien Handlungsfelder 1.4 1.5 Wahrnehmung und Lernen 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 O&M; LPF; Bewegung 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 Technische Hilfen 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 Lebensplanung; Beruf & Freizeit 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 Soziale Kompetenz 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 Beschreibung der Bereiche des spezifischen Curriculums Förderung des Sehens Die Sehförderung hat zum Ziel, blinde und sehbehinderte Kinder und Jugendliche zu befähigen, ihre vorhandenen visuellen Wahrnehmungsfähigkeiten optimal auszunutzen. Die Grundlagen einer individualisierten Förderung bilden die Diagnostik bestimmter Sehleistungen und Sehfunktionen (z. B. Sehschärfe, Gesichtsfeld, Farbsehen, Kontrastsehen, Figur-Grund-Wahrnehmung, Formwahrnehmung). Dabei werden ausgehend von der Würdigung der Daten zum physiologischen Sehen (Messung der Sehleistungen und -funktionen unter kontrollierten Bedingungen in ophthalmologischer Verantwortung) die Daten zum Funktionalen Sehen (Messungen und Beobachtungen zum Sehen in Alltagssituationen) erhoben. Wesentliche Inhaltsbereiche einer Förderung des Sehens umfassen die Nutzung optischer und elektronischer Hilfsmittel (z. B. Lupen, Monokulare, Lesegeräte), das Optimieren visueller Kontextfaktoren (z. B. Beleuchtung, Kontrastierung) und das Vermitteln geeigneter Wahrnehmungsstrategien (z. B. visuelles Abtasten, visuelles Verfolgen bewegter Objekte). Die Förderung findet in altersadäquaten, sinnvollen und handlungsorientierten Lernkontexten statt. Für den Unterricht, an dem blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler teilhaben können, müssen generell die Prinzipien der Sehförderung, beispielsweise bei der Auswahl, Erstellung und Präsentation von Unterrichtsmedien sowie bei der Klassenraum- und Arbeitsplatzgestaltung berücksichtigt werden. Wahrnehmung und Lernen Für blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler kommt in Lernprozessen der haptischen, der auditiven, der olfaktorischen, der vestibulären und der gustatorischen sowie der propriozeptiven Wahrnehmung eine große Bedeutung zu. Die Wahrnehmungsförderung hat zum Ziel, zur aktiven Umweltexploration anzuleiten. Die differenzierte Aufnahme von Umweltinformationen und vor allem das Erfassen sensorischer Merkmale sind ein wesentlicher Bestandteil der Begriffsbildung. Wahrnehmungsförderung und Begriffsbildung gelten als grundlegende Prinzipien des Unterrichts blinder und sehbehinderter Schülerinnen und Schüler. Der Unterricht muss vielfältige, wiederholte und variantenreiche Wahrnehmungserfahrungen ermöglichen, Wahrnehmungsqualitäten benennen und zu einer strukturierten kognitiven Wahrnehmungsverarbeitung hinführen. Hinsichtlich der haptischen und auditiven Wahrnehmungsförderung steht das Vermitteln spezifischer Strategien im Vordergrund, um Schülerinnen und Schüler beispielsweise das Lesen der Brailleschrift, die Informationsentnahme aus taktilen Veranschaulichungsmedien, das Nutzen lautsprachlicher Informationssysteme oder die Orientierung in offenen und geschlossenen Räumen zu ermöglichen. Die im Unterricht eingesetzten Medien müssen den individuellen Wahrnehmungsmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler entsprechen und diesbezügliche Kriterien erfüllen (z. B. taktile Eindeutigkeit, Berücksichtigung der Tastphysiologie, Tastästhetik). Orientierung & Mobilität, Lebens- bzw. Alltagspraktische Fähigkeiten und Fertigkeiten, Bewegung Die Lernbereiche „Lebens- bzw. Alltagspraktische Fähigkeiten und Fertigkeiten“ (LPF) und „Orientierung und Mobilität“ (O&M) setzen motorische Fertigkeiten (Fein- und Grobmotorik) und Wahrnehmungsfähigkeiten (z. B. Raumwahrnehmung) voraus. Eingeschränkte bzw. nicht vorhandene Sehfähigkeit kann die motorische Entwicklung und die Wahrnehmungsentwicklung stark beeinträchtigen. Die Unterrichtung blinder und sehbehinderter Schülerinnen und Schülern hat somit über das Maß allgemeinpädagogischer Inhalte und Methoden hinaus die Aufgabe, vielfältige grob- und feinmotorische Erfahrungen gezielt zu initiieren, um beispielsweise ein differenziertes Körperschema, komplexe koordinative Fähigkeiten und physiologische Haltungsmuster unter der Bedingung einer Beeinträchtigung des Sehens aufzubauen. Auf dieser Grundlage und gegebenenfalls in enger Abstimmung mit Rehabilitationsfachkräften (die für die individuelle Unterrichtung in lebenspraktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten eine zentrale Verantwortung tragen) können blinden- und sehbehindertenspezifische Strategien alltagspraktischer Fähigkeiten, beispielsweise in den Bereichen Nahrungsaufnahme, Anund Auskleiden, Ordnungssysteme und Körperpflege, angeleitet und in sinnvollen Kontexten eingeübt werden. Blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schülern sind für den Erwerb alltagspraktischer Fähigkeiten auf eine systematische und spezifische Anleitung in allen relevanten Handlungsfeldern angewiesen. Der individuelle Unterricht in Orientierung und Mobilität wird von Rehabilitationsfachkräften durchgeführt. Im Schulalltag werden die dort eingeführten Strategien (z. B. Langstocktechnik) geübt und angewendet. Darüber hinaus werden in den schulischen Unterricht beispielweise spezifische Übungen zur Körperwahrnehmung, zur Raumwahrnehmung und zur Raumstrukturierung (z. B. Arbeitsplatz, Klassenzimmer, Schulgebäude) integriert und eine blinden- und sehbehindertengerechte Raumgestaltung berücksichtigt. Diagnostik und Intervention müssen darauf eingehen, wenn Schülerinnen oder Schüler aufgrund ihrer Sehbeeinträchtigung Besonderheiten ihrer Motorik aufweisen. Technische Hilfsmittel Technische Hilfsmittel ermöglichen blinden und sehbehinderten Schülerinnen und Schülern einen umfassenden Zugang zu Information (z. B. Schriftmedien, Internet), schaffen vielfältige Kommunikationsmöglichkeiten (z. B. Unterstützte Kommunikation, eMail-Kontakt) und erleichtern das Bewältigen von Alltagsverrichtungen (z. B. Schriftverkehr, Bankgeschäfte, Mobilität). Spezifische technische Hilfsmittel sind fester Bestandteil in Bildungs- und Ausbildungsprozessen und liefern einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung einer zunehmend selbstständigen und selbstbestimmten Lebensgestaltung. Im Rahmen der Schulbildung muss der individuelle Hilfsmittelbedarf in Abhängigkeit von den sensorischen, kognitiven und motorischen Fähigkeiten, den zu bewältigenden Aufgaben und den räumlichen Gegebenheiten ermittelt werden. Da sich das menschliche Sehen – auch bei Beeinträchtigung – vor allem in den ersten zehn Lebensjahren in seiner Funktionalität voll ausprägt und andererseits bereits im Schulalter wieder beginnt in ausgewählten Parametern (z. B. Akkommodationsbreite) abzubauen, ist eine derartige Hilfsmittelanpassung kein punktueller, sondern ein kontinuierlich zu betreibender Prozess. Die entsprechenden Hilfsmittel (z. B. Braillezeile, Screenreader, Sprachausgabe, Vergrößerungssoftware, Bildschirmlesegerät, optische Vergrößerungshilfen, Medien der Unterstützten Kommunikation) bedürfen einer intensiven Einführung hinsichtlich ihrer Verwendungsmöglichkeiten und notwendiger Anwendungsstrategien. Ihre Verwendung muss langfristig unterrichtsimmanent eingeübt werden und sich verändernden Rahmenbedingungen anpassen. Lebensplanung, Berufsorientierung, Freizeitgestaltung Ausgangspunkt einer Lebens- und Berufsplanung ist eine differenzierte und realistische Einschätzung eigener Fähigkeiten und Möglichkeiten. Ein Unterricht, der auf die spezifischen Bedarfe blinder und sehbehinderter Schülerinnen und Schüler eingeht, fördert die Entwicklung ihrer motorischen, sensorischen und kognitiven Fähigkeiten, legt Wert auf den Aufbau sozialer Kompetenzen (s. u.) und schafft vielfältige Gelegenheiten, sich in unter-schiedlichen Anforderungssituationen zu erproben. In der Phase der Berufsorientierung kann ein direktes Kennenlernen verschiedener Berufsfelder (und entsprechender Ausbildungsmöglichkeiten) in Zusammenhang mit der Analyse eigener Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie notwendiger sächlicher und personaler Voraussetzungen (z. B. Bildungsabschlüsse, Hilfsmittelbedarf, Assistenzbedarf) die Berufswahl unterstützen und konkrete Möglichkeiten eröffnen. Die aktive Freizeitgestaltung ist eine wesentliche Komponente selbstbestimmten Lebens. Im schulischen Kontext können und müssen blinden und sehbehinderten Schülerinnen und Schülern geeignete Freizeitaktivitäten vorgestellt sowie Voraussetzungen und Teilhabemöglichkeiten aufgezeigt werden. Vielfältige Chancen im Sinne einer inklusiven Umsetzung bieten sich im musischen und sportlichen Bereich. Soziale Kompetenz Der Inhaltsbereich Soziale Kompetenz steht in engem Zusammenhang zu den Bereichen Alltagspraktische Fähigkeiten und Orientierung und Mobilität. Ein weiterer wesentlicher Aspekt Sozialer Kompetenz bezieht sich auf die kommunikativen Fähigkeiten. Blindheit bzw. Sehbehinderung kann die soziale Interaktion erschweren, da nonverbale Interaktionsanteile (z. B. Mimik, Gestik, Körpersprache) nicht oder nur erschwert zugänglich sind. Blinden und sehbehinderten Schülerinnen und Schülern müssen somit die Bedeutung und die Funktion nonverbaler Kommunikation ebenso systematisch vermittelt werden wie die Wirkung der eigenen Körpersprache auf die Interaktionspartner. Soziale Kompetenz beinhaltet darüber hinaus den Umgang mit der eigenen Blindheit bzw. Sehbehinderung. Dies kann sich beispielweise in der individuellen Selbsteinschätzung oder im Wissen um Bewältigungsstrategien äußern. Entscheidende Eckpunkte für den Inhaltsbereich der Sozialen Kompetenz markieren die Maßnahmen, die zur Stärkung von Autonomie und Selbstbestimmung (empowerment) und zum formellen und informellen Austausch mit den Peers/Gleichbetroffenen (in organisierter Form zumeinst getragen von der Selbsthilfevereinen und –verbänden) dienlich sind. Beschreibung der Ebenen der Umsetzung Diagnostik Gegenstand des spezifischen diagnostischen Tuns Intervention spezifische Interventionen und Maßnahmen der individuellen Förderung auf Basis der Diagnostik Methodik spezifische methodische Gestaltung des Lernangebots unter dem Paradigma der Anschlussfähigkeit an allgemeindidaktische und fachdidaktische Entscheidungen im Sinne einer Didaktik der Vielfalt Ausstattung & Medien spezifische Gestaltung des Lehr- und Lernumfeldes und Einsatz (modifizierter) allgemeiner und spezifischer Medien Handelnde & Handlungsfelder Wer mit Wem Wo? Welche Professionellen setzen in Kooperation (interdisziplinäre Settings) auf welchen Handlungsfeldern die Ebenen „Diagnostik“, „Intervention“, „Methodik“ und „Ausstattung & Medien“ um? 1.1 Förderung des Sehens – Diagnostik 1.1.1 Würdigung der Gutachten des physiologischen Sehens (ophthalmologisches Gutachten) (Anfordern, Lesen, Nachschlagen, Bewerten, Nachfragen…) 1.1.2 Überprüfung des Funktionalen Sehens (Verhaltensbeobachtung und -interpretation, Testverfahren zur Bestimmung des Visus, des Gesichtsfeldes, des Kontrast- und Farbsehens in Alltagssituation…) 1.1.3 Überprüfung des visuellen Charakters des Lehr- und Lernumfeldes (Beleuchtung, Farb- und Kontrastgestaltung, Orientierungspunkte…) 1.1.4 Überprüfung des visuellen Charakters des didaktischen Angebots (z. B. „Offener Unterricht“: ständige Materialzugänglichkeit durch offene, flexible Raumgestaltung vs. Strukturierungsbedarf des blinden Kindes…) 1.2 Förderung des Sehens – Intervention 1.2.1 Maßnahmen zu Sehförderung (Ausbildung visueller Aufmerksamkeit, Unterstützung in der Entwicklung der Funktionen des Sehens [Sehschärfe, Fixation, Akkommodation, Binokularsehen, Farbsehen] Übungen zur Verwendung des Sehvermögens in unterschiedlichen Kontexten…) 1.2.2 Anbahnung von Strategien für die Erfassung komplexer visueller Angebote (Nutzen von Markierung, systematisches visuelles Erkunden: Scanning [gezielte Hin- und Herbewegungen zum Absuchen eines Gebietes], Tracking [Verfolgen eines bewegten Objektes], Tracing [Nutzen gut sichtbarer Linien für das Auffinden gesuchter Objekte], Spotting [Erfassen des Objektes ohne Hilfsmittel als Vorbereitung und Hilfe für das Auffinden des Objektes mit dem Monokular] …) 1.3 Förderung des Sehens – Methodik 1.3.1 Anpassung und Optimierung visualisierender Verfahren an die Möglichkeiten des Funktionalen Sehens in didaktische Szenarien (Größe und Qualität des visuellen Angebots; Einsatz spezifischer Medien, z. B. eines Kamera-Bildschirm-Systems bei Experimentalaufbauten oder bei Beobachtungen im Sachunterricht …) 1.3.2 Unterstützung visualisierender Verfahren in bestehenden didaktischen Szenarien (Veranschaulichung von Bewegungsabläufen am menschlichen Körper und an Gliederpuppen) 1.3.3 Reduktion der visuellen Vielfalt (Karten mit Flüssen und mit Straßen trennen …) 1.4 Förderung des Sehens – Ausstattung & Medien 1.4.1 Modifikation allgemeiner Unterrichtsmedien unter dem Fokus optimaler visueller Eigenschaften (Tafel, E-Board, Pinnwand, Video, Karten, Abbildungen, Experimentalaufbauten, Sportgeräte, Spielmaterial, Medien für Unterstützte Kommunikation …) 1.4.2 Raum- und Arbeitsplatzgestaltung (Klassen- und Fachunterrichtsraum, Schulgebäude und -gelände nach den Parametern: Beleuchtungsstärke, Blendung, Farb- und Helligkeitskontrast, Lichtfarbe, Farbwiedergabequalität …) … in Abhängigkeit von der Ausprägung des Funktionalen Sehens 1.5 Förderung des Sehens – Handelnde & Handlungsfelder Blinden- und Sehbehindertenlehrer/in in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit: – Orthoptistin (Austausch, Informationsbeschaffung …) – Ophthalmologe/in (Auswertung med. Befunde, Abklärung ...) – pädagogischem/r Low-Vision-Spezialist/in (Funktionales Sehen) – pädagogische Mitarbeiter/innen der Regelschule und des Inklusionsteam (Dokumente, Beobachtung, Erfahrungen ...) – Eltern, privates Umfeld (Dokumente, Beobachtung, Erfahrungen …) – Schüler/in (Selbstauskunft …) 2.1 Wahrnehmung und Lernen – Diagnostik 2.1.1 Diagnostik der haptischen, auditiven, … Wahrnehmung (Taststrategien zum Erkennen von Formen, Oberflächenstrukturen, Viskosität und Elastizität …; Richtungshören …) 2.1.2 Erfassen der spezifischen Struktur der Begriffe (sensorische, emotionale, sprachliche … Merkmale eines Begriffs; Umweltwissen …) 2.1.3 Modifikation der allgemeinen Testverfahren (z. B. zur Sprachentwicklung, Kognition, Umweltwissen …) 2.1.4 begründete Entscheidung für Nutzung spezifischer Schriftsysteme (Braille versus Schwarzschrift) 2.2 Wahrnehmung und Lernen – Intervention 2.2.1 Tasterziehung (Abbau von Tasthemmung, Anbahnen und Optimieren von Taststrategien; Steigerung taktiler Differenzierungsfähigkeiten …) 2.2.2 Hörerziehung (Optimierung auditiver Differenzierungsleistungen, Ortung von Schallquellen …) 2.2.3 Gedächtnistraining (Gedächtnistraining, Ablage- und Ordnungssysteme müssen „gelernt und behalten“ werden …) 2.2.4 Rhetorikschulung (Präsentationstechniken, Modellierung von Sprache …) 2.2.5 Einführung in spezifische Schriftsysteme und in die entsprechenden Arbeitstechniken (Braille, Kurzschrift, Mathematik- und Notenschrift ...) 2.2.6 Erprobung, aufgabenbezogene Wahl und Umgang mit verschiedenen Schriftsystemen, Schrifttypen, -größen, Lineaturen etc. 2.3 Wahrnehmung und Lernen – Methodik 2.3.1 Ergänzung visualisierender Verfahren um haptische/akustische/… Verfahren im allgemein- und fachdidaktischen Setting (Bilder aufbereiten und um Modelle, Reliefdarstellungen und Tonbeispiele ergänzen) 2.3.2 Verbalisierung visueller Angebote (sprachliche Begleitung einer Handlung bzw. einer Situation) 2.3.3 Spezifik der Kommunikation zwischen allen Beteiligten (Lehrern und Schülern) (Ersetzen bzw. Ergänzen des Blickkontakts durch direkte Ansprache, …) 2.3.4 Vermeidung von Parallelangeboten (Sehen und Zuhören ≠ Tasten und Zuhören) 2.3.5 regelhafte Bewusstmachung der Bezüge Original-Modell-Abbildung und erhöhter Bedarf an der Begegnung mit Realobjekten (insbesondere an außerschulischen Lernorten) 2.3.6 Rhythmisierung & Sequentierung (Ermüdung durch erhöhte Konzentration und Besonderheit des circadianen, tagesrhythmischen Systems) 2.3.7 spezifische Zeitfenster (z. B. für Lesen, Schreiben und Rechnen mit Braille oder mit Vergrößerung) 2.3.8 Kriterien und Ordnungsverfahren für innere und äußere Differenzierung (Wer arbeitet mit wem an welchem Gegenstand in welchem Rahmen?) 2.3.9 Techniken des geführten Tastens 2.3.10 Schwerpunktsetzung von curricularen Inhalten als Reaktion auf Zeitfensterproblem (exemplarisches Lernen) 2.4 Wahrnehmung und Lernen – Ausstattung & Medien 2.4.1 Modifikation allgemeiner Lehr- und Lernmedien unter dem Fokus optimaler haptischer, akustischer … Eigenschaften (Tafel, e-Board, Pinnwand, Video, Karten, Abbildungen, Experimentalaufbauten, Sportgeräte, Spielmaterial, Medien für Unterstützte Kommunikation …) 2.4.2 Barrierefreies Infosystem (Aushänge, Wandtafeln …) 2.5 Wahrnehmung und Lernen – Handelnde & Handlungsfelder Blinden- und Sehbehindertenlehrer/in in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit: – pädagogische Mitarbeiter/innen der Regelschule und des Inklusionsteam (Modifikation didaktischer Entscheidungen ...) – Mitarbeiter/innen des Medienzentrums (Modifikation von Medien, Lineaturen …) – Schulträger (Finanzierung) – Schulaufsicht (Nachteilsausgleich) – Schüler/innen, Eltern, privates Umfeld (Kurse, Lehrgänge) 3.1 O&M; LPF; Bewegung – Diagnostik 3.1.1 Diagnostik der Bewegung, der Grob- und Feinmotorik und der Raumvorstellung (Raum-Lage-Beziehungen) 3.1.2 Diagnostik der Mobilität (im bekannten und unbekannten Raum) 3.1.3 Diagnostik der Handlungsmöglichkeiten bei der Bewältigung lebens- bzw. alltagpraktischer Aufgaben 3.2 O&M; LPF; Bewegung – Intervention 3.2.1 Orientierungs- und Mobilitätstraining (Quantität, Qualität und Rhythmisierung in Abhängigkeit von den individuellen Erfordernissen) 3.2.2 Bewegungsförderung (Bewegungsstimuli, Bewegungserfahrungen, Schulung im grob- und feinmotorischen Bereich…) 3.2.3 Training zu Lebens- bzw. Alltagspraktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten (Quantität, Qualität und Rhythmisierung in Abhängigkeit von den individuellen Erfordernissen) 3.2.4 Erarbeitung individuellere Ordnungskriterien 3.3 O&M; LPF; Bewegung – Methodik 3.3.1 Unterrichtsimmanente Aspekte von O&M, LPF (Pausengestaltung, Wiegen und Messen, Orientierung im Schulgebäude, Unterrichtsraum, Umziehen bei Sportunterricht, Ankündigung von Raumwechsel bei Rollstuhlnutzung …) 3.3.2 Ermöglichung und Abfragen der individuellen Ordnungskriterien … innerhalb der allgemein- und fachdidaktischen Settings 3.4 O&M; LPF; Bewegung – Ausstattung & Medien 3.4.1 Raumgestaltung (Klassen- und Fach-)Unterrichtsraum (Ordnungsprinzipien, No-parking-Zonen ...) 3.4.2 Barrierefreiheit (Leitsysteme, Beschriftung mit Braille …) ... des Schulgebäudes und des -geländes 3.5 O&M; LPF; Bewegung – Handelnde & Handlungsfelder Rehabilitationsfachkräfte für blinde und sehbehinderte Menschen (O&M; LPF) & Blindenund Sehbehindertenlehrer/in in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit – pädagogische Mitarbeiter/innen der Regelschule und des Inklusionsteam (Umsetzung in allgemein- und fachdidaktischen Settings ...) – Mitarbeiter/innen des Medienzentrums, Fachverbände (Leitsysteme …) – Schulträger & Schulaufsicht (Finanzierung, Genehmigung von baulichen Veränderungen) – Hausmeister, Handwerker (bauliche Umsetzung Barrierefreiheit …) – Ergo- und Physiotherapeut/inn/en (Diagnostik und Förderung im Bereich Bewegung) – Fachärzte Orthopädie; Rehabilitationsmedizin (medizinische Diagnostik) – Orthopädietechniker/innen – Schüler/innen, Eltern, privates Umfeld (Kurse, Lehrgänge z. B. in O&M, LPF …) 4.1 Technische Hilfsmittel – Diagnostik Anpassung, Auswahl, Beratung von individuellen Hilfsmitteln im Kontext der Lebens-, Lehr- und Lernräume (in enger Kooperation mit Augenärzten und Optikern …) 4.2 Technische Hilfsmittel – Intervention 4.2.1 Hinwirken auf Akzeptanz der Hilfsmittel 4.2.2 Einführung in den Gebrauch: Anleitung, Erprobung, Strategien der Nutzung 4.2.3 Troubleshooting [sicherer Umgang mit Problemen/ Problemlösungskompetenz] beim Hilfsmitteleinsatz 4.2.4 Erarbeitung und Vermittlung von Strategien zur aufgabenbezogenen Wahl der angemessenen Option 4.3 Technische Hilfsmittel – Methodik 4.3.1 Gelegenheiten für den Einsatz der individuellen Hilfsmittel innerhalb des fachdidaktischen Angebots schaffen (freie Sicht auf Tafel für Tafelkamera, spezifische Arrangements bei Experimentalaufbauten, Zeitfenster für Einsatz des Bildschirmlesegerätes, Monokulars) 4.3.2 Umgang mit Problemen bei der Nutzung der Hilfsmittel (Vermeidung von Störung des Unterrichts) 4.4 Technische Hilfsmittel – Ausstattung & Medien Lupe, Überaddition, Fernrohrsystem, Bildschirmlesegerät, vergrößerte Schwarzschrift, Lineaturen, modifizierter PC (incl. Braillezeile, Großschriftsoftware, Kamera, Drucker…) Intra- und Internet, Braille (Produktion, Rezeption Reliefs, Neigungstisch…) 4.5 Technische Hilfsmittel – Handelnde & Handlungsfelder Blinden- und Sehbehindertenlehrer/in in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit: – Ophthalmologe/in (Verschreibung ...) – Optiker/innen (Anpassung, Erprobung, Marktsichtung …) – Beratungsstellen der Selbsthilfe – Hilfsmittelberater/innen der Hersteller (Erprobung, Anpassung, Erstschulung …) – pädagogische(r) Low-Vision-Spezialist/in und/oder Kolleg/inn/en des Medienzentrums (Auswahl und Erprobung in Lernumfeld, Schulung …) – pädagogische Mitarbeiter/innen der Regelschule und des Inklusionsteam (Ermöglichen des Einsatzes / Schnittstellen in didaktischen Entscheidungen ...) – Schulträger, Schulaufsicht, Krankenkassen, Sozialhilfeträger … (Finanzierung) – Eltern, privates Umfeld (Kurse, Lehrgänge z. B. in Bezug auf Hilfsmittel) 5.1 Lebensplanung, Beruf & Freizeit – Diagnostik 5.1.1 Diagnostik der individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten in Bezug auf mögliche Berufsfelder 5.1.2 Diagnostik der individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten in Bezug auf mögliche Freizeitaktivitäten (Sport, Musik…) 5.2 Lebensplanung, Beruf & Freizeit – Intervention 5.2.1 Beratung: Eröffnung und Heranführen an spezifische Angebote (Blindensport, Notenschrift, Berufsfelder …) 5.2.2 Kursangebote, Arbeitsgemeinschaften … spezifischer Angebote (Empowerment und Stärkung durch Peers/Gleichbetroffene) 5.2.3 Kontakte Blindenselbsthilfe und Vereine (Empowerment und Stärkung durch Peers/Gleichbetroffene) 5.2.4 Vermittlung von Strategien zum Erschließen der regionalen Angebote 5.2.5 Vermittlung (sozial-)rechtlichen Wissens 5.3 Lebensplanung, Beruf & Freizeit – Methodik 5.3.1 Anpassen der allgemeinen Berufsorientierung auf spezifische Bedürfnisse und Berufsfelder 5.3.2 Einbinden spezifischer Freizeitangebote in schulisches Angebot innerhalb des Sportund Musik-Unterrichts; in Projektwochen, Freizeiten, Klassenfahrten, Ganztagsangebote … (Goal/Torball, Showdown/Tischball für Blinde, Blindenfußball, …) 5.4 Lebensplanung, Beruf & Freizeit – Ausstattung & Medien spezifische Sportgeräte (Klingelball, Tischballplatte …) 5.5 Lebensplanung, Beruf & Freizeit – Handelnde & Handlungsfelder Blinden- und Sehbehindertenlehrer/in in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit – Integrationsfachdienst, Arbeitsagentur, Beratungsstellen (Beratung ...) – Fachkolleg/inn/en an weiterführenden Einrichtungen/Systemen (Arbeitserprobung, Berufsfeldorientierung …) – Selbsthilfe, Vereine (Freizeitangebote, Rechtsberatung …) – Vertrieb spezifischer Sport- und Spielgeräte, Musiknoten – pädagogische Mitarbeiter/innen der Regelschule und des Inklusionsteam (Einbindung in allgemeine Berufsvorbereitung, Sport- und Musikangebote, Profilgebung der Schule ...) – Schüler/innen, Eltern, privates Umfeld (Kurse, Lehrgänge) 6.1 Soziale Kompetenz – Diagnostik Analyse der Prozesse der Interaktionen, der formellen und informellen Beziehungen hinsichtlich potentieller Barrieren (potentielle Barrieren in zwischenmenschlicher Interaktion, Blindismen, … insbesondere in Kooperation mit Psycholog/inn/en) 6.2 Soziale Kompetenz – Intervention 6.2.1 Umgang mit diesen Barrieren in der Interaktionen, der formellen und informellen Beziehungen (z. B. Blickkontakt, Begrüßungsrituale …) durch Offenlegen, Bewusstmachen und Training 6.2.2 Förderung der Fremd- und Selbstwahrnehmung 6.2.3 Bewältigungsstrategien 6.2.4 Empowerment / Selbsthilfe / Zugang zu Peers/Gleichbetroffenen 6.3 Soziale Kompetenz – Methodik 6.3.1 Anpassung der formellen und informellen Schulregeln und -rituale an die spezifischen Bedürfnisse (Melderegeln, Regeln bei Gesprächsführung …) 6.3.2 wertschätzendes und individuell ausgehandeltes Feedback auf Blindismen (kurze Berührung des Oberarms bei „Schaukeln“ oder „Augenbohren“ …) 6.3.3 transparenter Umgang mit (notwendiger) Körperlichkeit (Berührung bei Führen mit sehendem Begleiter, geführtem Tasten, …) 6.4 Soziale Kompetenz – Ausstattung & Medien Medienprodukte zum Themenbereich Behinderung, Blindheit, Sehbehinderung (Spielfilme, Dokumentarfilme, Medienpakete, Bücher, Zeitungs- und Zeitschriftenartikel …) 6.5 Soziale Kompetenz – Handelnde & Handlungsfelder Blinden- und Sehbehindertenlehrer/in in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit: – Fachkolleg/inn/en des psychologischen Dienstes – Selbsthilfe, Vereine (Peers/Gleichbetroffene, Empowerment …) – pädagogische Mitarbeiter/innen der Regelschule und des Inklusionsteam (Einbindung in allgemeine Angebote; z. B. Theater, Projektwoche, Medienerziehung ...) – Schüler/innen, Eltern, privates Umfeld (Kurse, Lehrgänge) Bezüge zur ICF Mit der Erarbeitung, Verabschiedung und Veröffentlichung der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF; WHO 2001/2005) stellt die WHO ein international verwendbares, wissenschaftlich basiertes Instrument zur Beschreibung von Rahmenbedingungen des Lebens von Menschen mit Behinderung zur Verfügung. Wenngleich schulisches Lernen ein spezifisches Feld mit einem hohen Anteil von Entwicklungsprozessen darstellt, die von einem Instrument, wie die ICF es ist, nur sekundär abbildbar scheinen, kann und sollte die ICF auch in diesem Rahmen Anwendung finden. In diesem Sinne sind Anwendungen der ICF zur Strukturierung einer pädagogisch-psychologisch orientierten Diagnostik ebenso denkbar wie die Beschreibung spezifischer Förderfaktoren und Barrieren im Kontext schulischen Lernens. Das vorliegende spezifische Curriculum beschreibt aus der Perspektive eines an das Kerncurriculum schulischen Lernens anschlussfähigen Konzepts eben diese (notwendigen) Förderfaktoren und (potentiellen) Barrieren für die Teilhabe an schulischem Lernen. Es ist demnach zu erwarten, dass das spezifische Curriculum mit Hilfe der in der ICF aufgeführten Komponenten, Klassifikationen und Domains kodierbar und strukturierbar ist. Folgend soll exemplarisch darauf verwiesen werden, dass eine Modellierung des Spezifischen Curriculums unter Hinzuziehung der ICF möglich ist: 1.1 Förderung des Sehens – Diagnostik b210-b229 Seh- und verwandte Funktionen z. B. b210: Funktionen des Sehens (Sehsinn): Sinnesfunktionen bezüglich der Wahrnehmung von Licht sowie von Form, Größe, Gestalt und Farbe des visuellen Reizes b21021: Farbsehvermögen (Farbsinn): Sehfunktionen, die das Unterscheiden und Vergleichen von Farben betreffen b215: Funktionen der externen Augenmuskeln: Funktionen, die die Muskeln betreffen, welche benutzt werden, um die Blickrichtung zu ändern, um ein sich durch das Gesichtsfeld bewegendes Objekt mit den Augen zu verfolgen, um ruckartige Augenbewegungen zur Verfolgung bewegter Ziele (Sakkaden) durchzuführen und um das Auge zu fixieren Inkl.: unwillkürliche ruckartige Augenbewegungen (Nystagmus); Koordination beider Augen e2401 Lichtqualität Die Art des zur Verfügung stehenden Lichtes und die entsprechenden, in der sichtbaren Umgebung entstehenden Farbkontraste, die nützliche Informationen (z. B. visuelle Informationen über das Vorhandensein von Treppen oder einer Tür) oder verwirrende Informationen (z. B. zu viele visuelle Bilder) über die Welt liefern können. e585 Dienste, Systeme und Handlungsgrundsätze des Bildungs- und Ausbildungswesens Dienste, Systeme und Handlungsgrundsätze für die Aneignung, Erhaltung und Vergrößerung von Wissen, Fachkenntnissen und beruflichen oder künstlerischen Fertigkeiten. 1.4.1 Modifikation allgemeiner Unterrichtsmedien unter dem Fokus optimaler visueller Eigenschaften e1300 Allgemeine Produkte und Technologien für Bildung/Ausbildung Von Menschen für den Erwerb von Wissen, Fachwissen oder Fertigkeiten auf jedem Niveau benutzte Ausrüstungsgegenstände, Produkte, Verfahren, Methoden und Technologien wie Bücher, Handbücher, pädagogisches Spielzeug, Computerhardware oder -software, weder angepasst noch speziell entworfen. 2.1 Wahrnehmung und Lernen – Diagnostik d110-d129 Bewusste sinnliche Wahrnehmungen, z. B. d110: Zuschauen: Absichtsvoll den Sehsinn zu benutzen, um visuelle Reize wahrzunehmen, wie einer Sportveranstaltung oder dem Spiel von Kindern zuschauen d115: Zuhören: Absichtsvoll den Hörsinn zu benutzen, um akustische Reize wahrzunehmen, wie Radio, Musik oder einen Vortrag hören d130-d159 Elementares Lernen, z. B. d130: Nachmachen, Nachahmen: Imitieren oder Nachahmen als elementare Bestandteile des Lernens, wie eine Geste, einen Laut oder einen Buchstaben des Alphabets nachmachen d135: Üben: Wiederholen einer Folge von Dingen oder Zeichen als elementarer Bestandteil des Lernens, wie in Zehnerfolgen zählen oder das Vortragen eines Gedichtes einüben d140: Lesen lernen: Die Fähigkeit zu entwickeln, Geschriebenes (einschließlich Braille) flüssig und richtig zu lesen, wie Zeichen und Buchstaben erkennen, Wörter in richtiger Betonung äußern sowie Wörter und Wendungen verstehen d145: Schreiben lernen: Die Fähigkeit zu entwickeln, Symbole zu produzieren, die der Darstellung von Lauten, Wörtern oder Wendungen dienen, um Bedeutungen zu vermitteln (einschließlich schreiben in Braille), wie richtig buchstabieren und die Grammatik korrekt verwenden d150: Rechnen lernen: Die Fähigkeit zu entwickeln, mit Zahlen umzugehen sowie einfache und komplexe mathematische Operationen auszuführen, wie mathematischen Zeichen für Addition und Subtraktion benutzen sowie die richtige mathematische Operation auf ein Problem anwenden (Nachmachen, Nachahmen, Lesenlernen, Schreibenlernen, …) 1.4.2 Raum- und Arbeitsplatzgestaltung 3.4.1 Raumgestaltung 3.4.2 Barrierefreiheit e1502 Entwurf, Konstruktion sowie Bauprodukte und Technologien zur Wegfindung, für Wegeführungen und zur Bezeichnung von Stellen in öffentlichen Gebäuden Produkte und Technologien für den Innen- und Außenbereich von öffentlichen Gebäuden, die Menschen helfen, ihren Weg innerhalb und unmittelbar außerhalb von Bauten zu finden, und Orte, die sie aufsuchen möchten, lokalisieren, wie Anzeigen in Schrift oder Braille, Größe der Korridore, Bodenoberflächen, zugängliche (Informations-) Kioske und andere Arten von Hinweisen. e240 Licht Elektromagnetische Strahlung, durch die Dinge sichtbar gemacht werden, entweder durch Sonnenlicht oder künstliches Licht (z. B. Kerzen, Öl- oder Petroleumlampen, Feuer und Elektrizität) und die nützliche oder verwirrende Informationen über die Welt liefern kann Inkl.: Lichtintensität, Lichtqualität, Farbkontraste. e515 Dienste, Systeme und Handlungsgrundsätze des Architektur- und Bauwesens Dienste, Systeme und Handlungsgrundsätze für Entwurf und Bau von öffentlichen und privaten Bauten. 3.1 O&M; LPF; Bewegung – Diagnostik d410-d429 Die Körperposition ändern und aufrechterhalten, z. B. d410: Eine elementare Körperposition wechseln: In eine und aus einer Körperposition zu gelangen und sich von einem Ort zu einem anderen zu bewegen, wie von einem Stuhl aufstehen, um sich in ein Bett zu legen, in eine und aus einer knienden oder hockenden Position gelangen. d450-d469 Gehen und sich fortbewegen, z. B. d450: Kurze Entfernungen gehen: Weniger als einen Kilometer zu gehen, wie in Räumen umher- oder auf Korridoren entlanggehen, innerhalb eines Gebäudes oder für kurze Entfernungen außerhalb d4501: Lange Entfernungen gehen: Mehr als einen Kilometer zu gehen, wie durch ein Dorf oder eine Stadt, von einem Dorf zu einem anderen oder über Land gehen d4503: Hindernisse umgehen: In der Weise zu gehen, dass sich bewegenden oder festen Gegenständen, Menschen, Tieren und Fahrzeugen ausgewichen wird, wie auf einem Markt oder in einem Laden gehen, im Straßenverkehr gehen oder diesen umgehen oder in belebten Gegenden gehen. 3.2.3 Training zu Lebens- bzw. Alltagspraktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten (Quantität, Qualität und Rhythmisierung in Abhängigkeit von den individuellen Erfordernissen) d510-d560 Sich waschen, pflegen, kleiden …, Essen, Trinken, z. B. d510: Sich waschen: Den ganzen Körper oder Körperteile mit Wasser und geeigneten Reinigungs- und Abtrocknungsmaterialien oder -methoden zu waschen und abzutrocknen, wie baden, duschen, Hände, Füße, Gesicht und Haare waschen und mit einem Handtuch abtrocknen Inkl.: Körperteile und den ganzen Körper waschen; sich abtrocknen d540: Sich kleiden: Die koordinierten Handlungen und Aufgaben durchzuführen, welche das An- und Ausziehen von Kleidung und Schuhwerk in Abfolge und entsprechend den sozialen und klimatischen Bedingungen betreffen, wie Hemden, Röcke, Blusen, Hosen, Unterwäsche, Saris, Kimonos, Strumpfhosen, Hüte, Handschuhe, Mäntel, Schuhe, Stiefel, Sandalen oder Slipper anziehen, ordnen und ausziehen Inkl.: Kleidung und Schuhwerk an- und ausziehen sowie geeignete Kleidung auswählen d550: Essen: Die koordinierten Handlungen und Aufgaben durchzuführen, die das Essen servierter Speisen betreffen, sie zum Mund zu führen und auf kulturell akzeptierte Weise zu verzehren, Nahrungsmittel in Stücke zu schneiden oder zu brechen, Flaschen und Dosen zu öffnen, Essbesteck zu benutzen, Mahlzeiten einzunehmen, zu schlemmen oder zu speisen. d6200 Einkaufen Waren und Dienstleistungen für das tägliche Leben gegen Geld zu erwerben (einschließlich einen für die Einkäufe Beauftragten anzuweisen und zu beaufsichtigen), wie Lebensmittel, Getränke, Reinigungsmaterial, Haushaltsartikel oder Kleidung in einem Geschäft oder auf dem Markt auswählen; Qualität und Preis der benötigten Artikel vergleichen, den Preis für die ausgewählten Waren und Dienstleistungen aushandeln und bezahlen sowie die Waren transportieren. d6300 Einfache Mahlzeiten vorbereiten Mahlzeiten, die wenig Zutaten erfordern und mit einfachen Mitteln zubereitet und serviert werden können, zu kochen und zu servieren, wie einen Snack oder eine kleine Mahlzeit zubereiten, die Zutaten durch Schneiden oder Rühren bearbeiten und Lebensmittel wie Reis oder Kartoffeln kochen oder erhitzen. 4.2.3 Troubleshooting [sicherer Umgang mit Problemen /Problemlösungskompetenz] beim Hilfsmitteleinsatz d6504 Hilfsmittel instand halten Hilfsmittel instand zu setzen und zu halten, wie Prothesen, Orthesen, Spezialwerkzeuge und Hilfen für die Haushaltsführung und die persönliche Pflege, Hilfen für die persönliche Mobilität wie Gehstützen, Gehwagen, Rollstühle und Roller instand setzen und instand halten; Hilfen zur Kommunikation und Erholung instand halten. d175 Probleme lösen Lösungen für eine Frage oder Situation zu finden, indem das Problem identifiziert und analysiert wird, Lösungsmöglichkeiten entwickelt und die möglichen Auswirkungen der Lösungen abgeschätzt werden und die gewählte Lösung umgesetzt wird, wie die Auseinandersetzung zweier Personen schlichten. d177 Entscheidungen treffen Eine Wahl zwischen Optionen zu treffen, diese umzusetzen und ihre Auswirkungen abzuschätzen, wie einen besonderen Gegenstand auswählen und kaufen, oder sich entscheiden, eine Aufgabe unter vielen, die erledigt werden müssen, übernehmen und diese ausführen. 5.3.2 Einbinden spezifischer Freizeitangebote in schulisches Angebot innerhalb des Sport, und Musik-Unterrichts; in Projektwochen, Freizeiten, Klassenfahrten, Ganztagsangebote … (goal/Torball, showdown/Tischball für Blinde, Blindenfußball …) 5.4 Lebensplanung, Beruf & Freizeit – Ausstattung & Medien e1401 Hilfsprodukte und unterstützende Technologien für Kultur, Freizeit und Sport Angepasste oder speziell entworfene Ausrüstungsgegenstände, Produkte, und Technologien, die zur Durchführung und Verbesserung von Kultur-, Freizeit- und Sportaktivitäten benutzt werden, wie modifizierte Mobilitätsgeräte für den Sport, Anpassungen für musikalische und andere künstlerische Darbietungen. 6.2.1 Umgang mit diesen Barrieren in der Interaktionen, der formellen und informellen Beziehungen (z. B. Blickkontakt, Begrüßungsrituale …) durch Offenlegen, Bewusstmachen und Training d335 Non-verbale Mitteilungen produzieren Gesten, Symbole und Zeichnungen zur Vermittlung von Bedeutungen einzusetzen, wie seinen Kopf schütteln, um Uneinigkeit anzuzeigen, oder ein Bild oder Diagramm zeichnen, um eine Tatsache oder eine komplexe Vorstellung zu vermitteln. d710 Elementare interpersonelle Aktivitäten Mit anderen in einer kontextuell und sozial angemessenen Weise zu interagieren, wie die erforderliche Rücksichtnahme und Wertschätzung zeigen oder auf Gefühle anderer reagieren Inkl.: Respekt, Wärme, Wertschätzung und Toleranz in Beziehungen zeigen; auf Kritik und soziale Zeichen in Beziehungen reagieren und angemessenen körperlichen Kontakt einzusetzen. 6.2.4 Empowerment / Selbsthilfe / Zugang zu Peers / Gleichbetroffenen d9100 Informelle Vereinigungen Sich in sozialen oder gesellschaftlichen Vereinigungen, die von Menschen gleicher Interessen organisiert sind, zu beteiligen, wie lokale soziale Clubs oder ethnische Gruppen. e325 Bekannte, Seinesgleichen (Peers), Kollegen, Nachbarn und andere Gemeindemitglieder Personen, die sich als Bekannte, Seinesgleichen, Kollegen, Nachbarn und als Gemeindemitglieder kennen, etwa von der Arbeit, Schule oder Freizeit, über Kommunikationssysteme wie Telefon, Fernschreiber, Internet, E-Mail oder über andere Möglichkeiten, und die demographische Eigenschaften wie Alter, Geschlecht, religiöses Bekenntnis, ethnische Zugehörigkeit oder gemeinsame Interesse teilen. e425 Individuelle Einstellungen von Bekannten, Seinesgleichen (Peers), Kollegen, Nachbarn und anderen Gemeindemitgliedern Allgemeine oder spezifische Meinungen und Überzeugungen von Bekannten, Seinesgleichen (Peers), Kollegen, Nachbarn und anderen Gemeindemitgliedern, die eine bestimmte Person oder andere Dinge (z. B. soziale, politische und ökonomische Themen) betreffen, und die individuelles Verhalten und Handlungen beeinflussen. Modell-Leistungsbeschreibung Für jede blinde und sehbehinderte Schülerin und jeden blinden und sehbehinderten Schüler ist ein spezifisches Curriculum zu erstellen und umzusetzen. Die Vielfalt der im Prozess der Gestaltung der Teilhabe an schulischer Bildung wirkenden Komponenten (unterschiedliche Beeinträchtigungen der Körperfunktionen und –strukturen, ggf. vorhandene Strukturen von Förderfaktoren und spezifisch konstituierte Barrieren in der Gestaltung schulischen Lernens) lassen es erwarten, dass die folgend zu beschreibenden Leistungen, die eine Lehrkraft mit der Lehrbefähigung im Förderschwerpunkt Sehen für die Umsetzung des spezifischen Curriculums zu erbringen hat, einer individuellen Anpassung an das Kind, den Jugendlichen sowie die jeweiligen Umweltbedingungen bedürfen. Dennoch sollen folgend für unter-schiedliche Ebenen der zu erbringenden Leistungen Zeitkorridore umrissen werden, auf deren Grundlage z. B. eine Poolzuweisung für Förderzentren (Förderschwerpunkt Sehen) grundgelegt werden kann. Die umrissenen Zeitblöcke können z. B. biografische Schwerpunktsetzungen (neues Schulgebäude, neue Unterrichtsfächer incl. neuer Fachunterrichtsräume, neue Hilfsmittelbedarfe, Schübe im Prozess der Erblindung, Übergänge (Primarstufe - Sekundarstufe etc.) nicht abbilden, ebenso wenig Phasen, in denen die spezifische sonderpädagogische Begleitung und Unterstützung in Folge einer erfolgreichen Diagnostik und Intervention und seiner Rolle als subsidiäres Angebot sich ein wenig mehr aus dem Prozess des Bildungsprozesses zurückziehen kann und muss. Die umrissenen Zeitkorridore geben demnach ein Mittel der zu veranschlagenden Arbeitsstunden wieder. Da die Zeitarbeitsmodelle für Lehrerinnen und Lehrer in den deutschen Bundesländern sehr unterschiedlich sind und aus fachlicher Sicht eine Entsprechung der zu erbringenden Leistungen mit der Einheit „Unterrichtsstunden“ nicht ohne das Hinzuziehen von Hilfsrechnungen möglich ist, sind die Zeitangaben folgend in Zeitstunden pro Kalenderjahr angegeben. Die Leistungen, die zur Entsprechung der spezifischen Curriculums zu erbringen sind, sind folgend in sechs Ebenen umschrieben. Die Leistungen, die direkt auf die Arbeit mit der Schülerin, dem Schuler bezogen sind, die auf die Schulstruktur zielen und die in das Netzwerk und das System hinein wirken, sind in der Tabelle mit den Verweisen auf das o. g. spezifische Curriculum versehen und somit inhaltlich gefüllt. Eine international und national als Standard etablierte Form der Entsprechung des spezifischen Curriculums bei blinden und sehbehinderten Kindern und Jugendlichen ist die der Kursarbeit. Die Kursangebote zielen auf die Kinder und Jugendlichen selbst, deren Familien und die pädagogischen Professionellen, die die Gestaltung der schulischen Bildung an einer inklusiven Schule im Kern tragen. Eine fünfte Ebene kann nicht mit Zeitkorridoren belegt werden (in der Tabelle daher mit einem x als Platzhalter), da die Fahrzeiten abhängig von den geografischen Gegebenheiten der Beratungs- und Unterstützungsstruktur sind (z. B. Stadtstaat – Flächenland). Dieser Fahrzeiten müssen jedoch als „zu erbringende Leistungen“ in die Gesamtberechnung der Zeiten einbezogen werden (Die Fahrten sind rechtlich nicht mit dem Weg zur Arbeitsstätte gleichzusetzen und damit Bestandteil der Arbeitszeit der Lehrerinnen und Lehrer; eine Nichtausweisung führt zu einer rechtlich nicht vertretbaren Benachteiligung von Schülerinnen und Schülern deren Lernort in einer größeren Entfernung vom Förderzentrum (FS Sehen) liegt). Die Fahrzeiten können entweder nach Fahrtenbuch konkret belegt oder nach einer regelmäßig zu überprüfenden Überschlagsrechnung (durchschnittliche Fahrzeiten in der Region = Summe ausgewählter Beispielfahrwege / Anzahl der Kinder) pauschaliert werden. Die sechste Ebene umschreibt die Notwendigkeit, dass für die Teilhabe am schulischen Lernen der Zugriff auf ein Medienzentrum Voraussetzung ist. Die dort zu erbringenden Leistungen (Umsetzung von Lehrbüchern, Prüfungen, Abbildungen, Modelle etc.) werden von technischen Mitarbeiter/innen unter fachlicher pädagogischer Anleitung und Beratung sichergestellt. Die Grundherangehensweise der folgenden Modellrechnung ist das Ausweisen einer Grundleistung. Ausgehend von dieser Grundleistungen werden Abschläge definiert, wenn z. B. Kinder und Jugendliche zur spezifischen Diagnostik des Sehens vorgestellt werden, deren weitere pädagogische Begleitung jedoch ohne blinden- und sehbehindertenpädagogische Expertise möglich ist oder deren schulisches Umfeld bereits über ein über die systemischen inklusiven Settings hinausgehendes, erhöhtes Maß an sonderpädagogischer Expertise (z. B. durch andere überregionale Förderzentren oder einen spezifischen stationären Beschulungsort in den Förderschwerpunkten geistige und/oder körperliche und motorische Entwicklung) verfügt. Aufschläge zur Grundleistung sind nötig, wenn z. B. Kinder und Jugendliche mit einer hochgradigen Sehbehinderung „zwischen zwei Schriftwelten“ pendeln (müssen) oder durch die Notwendigkeit der Nutzung der Blindenpunktschrift (Braille) und dominant nichtvisueller Informationswege spezifische Mehrbedarfe aufweisen. Die Konstruktion der Grundleistung und der möglichen Ab- und der notwendigen Aufschläge sind in der Tabelle angeführt und werden anschließend noch einmal kurz illustriert. Entsprechung des Bedarfs / des spezifischen Curriculums durch: 1 speziell: Vorstellung und Überprüfung Grundleistung speziell: hochgradige Sehbehinderung / zwei Schriftsysteme speziell: BrailleNutzer/in speziell: FS Sehen bei mehrfachen Beeinträchtigungen 15 25 15 30 8 38 8 8 schüler/innen/bezogene Leistungen 1.1 Erstkontakt und Überprüfung des SPF FS Sehen 15 Würdigung der Gutachten des physiologischen Sehens, Überprüfung des Funktionalen Sehens (in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit …); Nachbereitung der Untersuchungen und Koordination der weiteren Förderplanung; Diagnostik der Bewegung, Grobund Feinmotorik, Mobilität, der Handlungsmöglichkeiten bei der Bewältigung alterspraktischer Aufgaben… 1.2 Hilfsmittelausstattung und spezifische Förderangebote Anpassung, Auswahl, Beratung von individuellen Hilfsmitteln; Erprobung optischer und optoelektronischer Hilfsmittel; Überprüfung des visuellen Charakters des Lehr- und Lernumfeldes; Anpassung und Optimierung visualisierender Verfahren an die Möglichkeiten des Funktionalen Sehens …; Einsatz spezifischer Medien; Einführung in den Gebrauch …; Unterstützung bei der Beantragung von Hilfsmitteln…; Feststellung und Einleitung von Maßnahmen in den Bereichen O&M sowie LPF; Raum- und Arbeitsplatzgestaltung; Diagnostik der haptischen auditiven Wahrnehmung … 1.3 Beratung und Unterstützung im Unterricht Hinwirken auf Akzeptanz der Hilfsmittel; Erprobung aufgabenbezogene Wahl und Umgang mit verschiedenen Schriftsystemen, Schrifttypen, Lineaturen etc.; Vermittlung von sozialer Kompetenz; Diagnostik der individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten; Analyse der Prozesse der Interaktionen, der formellen und informellen Beziehungen; Umgang mit diesen Barrieren in der Interaktion; Förderung der Fremd- und Selbstwahrnehmung; Vermittlung von Bewältigungsstrategien; Umgang und Training in außerschulischen Lebensfeldern; Anpassung der formellen und informellen Schulregeln und Rituale an die spezifischen Bedürfnisse …; transparenter Umgang mit Körperlichkeit; Verbalisierung visueller Angebote; Maßnahmen zur Sehförderung, Tast- und Hörerziehung, Gedächtnistraining; Rhetorikschulungen; Einführung in spezifische Schriftsysteme und Arbeitstechniken; Bewegungsförderung; Erarbeitung individueller Ordnungskriterien; Vermittlung von Kenntnissen in der Arbeit am PC; Koordination und Dokumentation zur Bereitstellung der Arbeitsmaterialien; Modifikation allgemeiner Unterrichtsmedien unter dem Fokus optimaler visueller Eigenschaften; Überprüfung des visuellen Charakters des didaktischen Angebots; Unterstützung visualisierender Verfahren in bestehenden didaktischen Szenarien; Reduktion der visuellen Vielfalt; Ent- 76 152 456 (76) scheidung zur Nutzung spezifischer Schriftsysteme; Rhythmisierung und Sequentierung; Techniken des geführten Tastens; Einbindung in den Einsatz individueller Hilfsmittel innerhalb des fachdidaktischen Angebots; Umgang mit Problemen bei der Nutzung der Hilfsmittel … 2 Schulbezogene Leistungen 4 12 12 12 12 38 38 38 20 9 9 9 9 Teilnahme an Konferenzen, Teamgesprächen, Elternberatung (in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit …); Mitarbeit an Förderplänen und sonderpädagogischen Gutachten; Schwerpunktsetzung von curricularen Inhalten (in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit …); Durchführung von Informationsveranstaltungen für Teams, Kollegien, Schulklassen und Eltern; Aufbereitung von Vergleichs- und Abschlussarbeiten (in Kooperation mit dem Medienzentrum); Festlegung des Nachteilsausgleiches; Einbinden spezifischer Freizeitangebote in schulisches Angebot; Beratung zu Raumgestaltung und Barrierefreiheit 3 Leistungen im System und Netzwerk Vor- und Nachbereitung von Unterrichtsbesuchen, Fördermaßnahmen und Gesprächen; Modifikation der allgemeinen Testverfahren; Kooperation im Netzwerk der zuständigen Behörden, Ärzte, Beratungsstellen (in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit …); Kontakte Selbsthilfe und Vereine; Vermittlung von Strategien zum Erschließen der regionalen Angebote; Vermittlung sozialrechtlichen Wissens; Mitarbeit an Konzepten, Fachkonferenzen, Fort- und Weiterbildung 4 Kursangebote Planung, Durchführung und Auswertung von Kursangeboten, Arbeitsgemeinschaften, spezifischer Angebote für Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrer (Beteiligte) 5 Fahrten / Mobilität der Lehrkraft X X X (15) (30) (120) 158 274 538 X Organisation und Verwaltung, Fahrtenbuch, Aktenführung und Fahrzeiten 6 Medienzentrum Gesamt (in Zeitstunden / Jahr) 19 79 Variante Vorstellung und Überprüfung Das hier beschriebene Setting beschreibt die Leistungserbringung für Kinder und Jugendliche, die aus allgemeinen oder allgemeinbildenden Förderschulen (Förderschwerpunkte geistige Entwicklung, motorische und körperliche Entwicklung, Hören) zur Überprüfung des Sehens und den sich daraus abzuleitenden Fördermaßnahmen gemeldet und vorgestellt werden und bei denen es im Ergebnis nicht zu einer langfristigen Beratung und Unterstützung im Förderschwerpunkt Sehen kommt. Neben der Diagnostik und Dokumentation (1.1) sind schulbezogene Leistungen (2) insbesondere für die Rückmeldung und einmalige Beratung in den jeweiligen Kollegien und den Eltern zu kalkulieren. Ggf. ist das Hinzuziehen weiterer Spezialist/inn/en notwendig und mit in das Setting einzubinden. Variante hochgradige Sehbehinderung / zwei Schriftsysteme Das Leistungssetting bei Kindern und Jugendlichen mit einer hochgradigen Sehbehinderung ist durch die notwendig werdende Nutzung vergrößernder optischer und elektronischer Hilfsmittel bei gleichzeitiger Notwendigkeit des Rückgriffs auf taktile Informationen (auch im Bezug auf den Einstieg in die Blindenpunktschrift) gekennzeichnet. Diese Platzierung im Grenzbereich zwischen Sehbehinderung und Blindheit führt zu einem erhöhten Bedarf resp. einer erhöhten Frequenz in der Diagnostik des Funktionalen Sehens (1.1). Es gilt, Hilfsmittel aus zwei unterschiedlich gewichteten Wahrnehmungsbereichen (visuell, haptisch) einzubinden und bedarfsgerecht zu platzieren; Wechsel und Parallelitäten zwischen den nutzbaren optischen und haptischen Wegen sind intensiv abzuwägen (1.2). Die Beratung und Unterstützung greift bereits taktile Medien und Verfahren z. B. der Verbalisierung auf (1.3). Die Akzeptanz der eigenen Situation, oftmals einer fortschreitenden Erblindung, verbunden mit einem offenkundigen Einstieg in die „Welt der Blinden“ durch die Anbahnung der Punktschrift erfordern intensive spezifische Interventionen für diese Gruppe. Variante Braille-Nutzer/in Insbesondere im Bereich der Beratung und Unterstützung im Unterricht (1.3) entstehen zusätzliche spezifische Arbeitsfelder. Lehrgänge in den unterschiedlichen Blindenpunktschriftsystemen (Vollschrift, Kurzschrift, Mathematikschriften etc.), Einbindung taktiler Angebote in das didaktische Angebot usw. Variante FS Sehen bei mehrfachen Beeinträchtigungen Im Setting der Leistungen bei Kindern und Jugendlichen mit mehrfachen Beeinträchtigungen und einem SPF im Bereich des Sehens entstehen zusätzliche Bedarfe insbesondere im Bereich der Diagnostik (1.1), die in intensiver Verknüpfung mit externen Spezialist/inn/en und unter Einsatz spezifischer Instrumente zu gestalten ist. Wenngleich spezifische und zusätzliche Bedarfe aus den Beeinträchtigungen des Sehens generiert werden (Transferleistungen aus den Bereichen O&M und LPF, höherer Beratungsbedarf des Elternhauses durch weit verzweigte Unterstützungssysteme), intensivere Bemühungen zur Mitarbeit etc.), ist bei der Umsetzung im schulischen Umfeld davon auszugehen, dass in den bestehenden Förderschulsettings auf eine umfängliche behindertenpädagogische Expertise zurückgegriffen werden kann. Die Leistungen in den Bereichen Hilfsmittelausstattung und spezifische Förderangebote (1.2) und Leistungen im System und Netzwerk (3) werden entsprechend reduziert. Wenn ausreichend Expertise (zurückführbar auf entsprechend in Aus- und Fortbildung umfänglich grundgelegte Aspekte der Förderung bei Beeinträchtigungen der Wahrnehmung) im sonderpädagogischen Feld vorhanden ist, kann in dem direkt intervenierenden Bereich Beratung und Unterstützung im Unterricht (2) auf zusätzliche (externe) Leistungen im Normalfall verzichtet werden. Wenn diese Expertise nicht vorhanden ist, müssen die Bedarfe im Regelumfang zur Verfügung gestellt werden. Literatur und weiterführende Verweise Beyer, Friederike (2009) Individualisierung als Leitbild: Eine empirische Untersuchung zur spezifischen Qualität der Blinden- und Sehbehindertenpädagogik. Berlin: Pro BUSINESS Verlag. BMVBS - Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.) 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Texas Education of Blind and Visually Impaired Students Advisory Committee 2008 (http://www.tsbvi.edu/Education/EducatingStudentswithVIGuidelinesStandards6.pdf) Übersetzung: Dennis Cory, Hamburg Sicherstellung der Teilhabe von blinden und sehbehinderten Schülerinnen und Schülern an Vergleichsarbeiten und zentralen Abschlussprüfungen 1. Problemaufriss Vor dem Hintergrund der immer verstärkter zum Einsatz kommenden landes- und bundesweiten Vergleichsarbeiten und zentralen Abschlussprüfungen ist die barrierefreie Teilhabe blinder und sehbehinderter Schülerinnen und Schüler sicherzustellen. Entsprechende organisatorische, personelle und sächliche Voraussetzungen müssen in diesem Zusammenhang verbindlich gewährleistet werden. 2. Rechtliche Grundlagen Nach Artikel 3, Absatz 3 Satz 2 des Grundgesetzes darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Der Anspruch blinder und sehbehinderter Schülerinnen und Schüler auf barrierefreie Teilhabe ergibt sich aus der UNBehindertenrechtskonvention sowie aus dem Sozialgesetzbuch, dem Bundesbehindertengleichstellungsgesetz, den KMK-Empfehlungen für den Förderschwerpunkt Sehen, den jeweiligen Schulgesetzen der Länder und ihren Ausführungsverordnungen sowie der allgemeinen Fürsorgepflicht der Schule. 3. Rahmenbedingungen hinsichtlich des Ablaufs von Vergleichsarbeiten und zentralen Abschlussprüfungen 3.1 Meldung der Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf Sehen, die an zentralen Abschlussprüfungen teilnehmen Bei der Erstellung der Aufgaben müssen individuelle blinden- und sehbehindertenspezifische Erfordernisse berücksichtigt werden. Dies bedeutet, dass bei zentralen Abschlussprüfungen frühzeitig die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf Sehen mit ihren jeweiligen Prüfungsfächern bekannt sein müssen, um bei der weiteren Planung mit berücksichtigt werden zu können. Dazu ist es erforderlich, dass vor Beginn der Aufgabenkonzipierung eine entsprechende Meldung an die koordinierende Stelle erfolgt. Bei bundes- und landesweiten Vergleichsarbeiten oder Lernstandserhebungen muss eine solche Meldung nicht speziell erfolgen, da in jedem Fall die Belange blinder und sehbehinderter Schülerinnen und Schüler berücksichtigt werden müssen. 3.2 Beteiligung von Fachberaterinnen und Fachberatern Bei der Konzipierung der Aufgabenstellung für die Vergleichs- und Abschlussarbeiten ist es erforderlich, dass eine Blinden- und Sehbehindertenpädagogin oder ein -pädagoge an der Kommissionsarbeit als Fachberaterin oder Fachberater beteiligt wird, um sicherzustellen, dass die Aufgaben von blinden und sehbehinderten Schülerinnen und Schülern bearbeitet werden können. 3.3 Zeitlicher Vorlauf für die blinden- und sehbehindertenspezifische Adaptation durch die Medienzentralen Die Aufgabenerstellung muss frühzeitig abgeschlossen sein, damit den Medienzentralen für die angemessene individuelle Adaptation ausreichend Zeit zur Verfügung steht. Die Erfahrung vieler Medienzentralen hat gezeigt, dass insbesondere für Unterrichtsfächer, wie Mathematik, Naturwissenschaften und Geographie, ein zeitlicher Vorlauf von ca. zwei Monaten erforderlich ist. 4. Organisatorische, personelle und sächliche Konsequenzen 4.1 Organisatorische Rahmenbedingungen 4.1.1 Medienzentrale Es muss sichergestellt sein, dass die blinden- und sehbehindertenspezifischen Adaptationen für alle Schülerinnen und Schüler im Gemeinsamen Unterricht und an den Förderschulen in einer fachspezifischen Medienzentrale durchgeführt werden. Bei länderübergreifenden Vergleichsarbeiten kann ein Medienzentrum federführend eingesetzt werden, das ggf. arbeitsteilig mit anderen Medienzentralen zusammenarbeitet. 4.1.2 Alternativaufgaben Stellt die Fachberaterin oder der Fachberater fest, dass eine gestellte Aufgabe nicht blinden- und sehbehindertenpädagogisch übertragbar ist, muss eine alternative gleichwertige Aufgabenstellung erstellt werden. 4.2 Personelle Rahmenbedingungen In den Aufgaben erstellenden Gremien muss eine Blinden- und Sehbehindertenpädagogin oder -pädagoge als Fachberaterin oder Fachberater beteiligt werden. Der Medienzentrale muss eine ausreichende Personalkapazität zur Verfügung gestellt werden. 4.3 Sächliche Rahmenbedingungen Die Medienerstellung für blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler erfordert eine angemessene sächliche Ausstattung, die den Medienzentralen zur Verfügung stehen muss, um eine adäquate Aufgabenadaptation zu gewährleisten. 5. Sicherstellung des Nachteilsausgleichs für blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler Ohne die fachliche Anforderung geringer zu bemessen, ist bei mündlichen, schriftlichen, praktischen und sonstigen Leistungsanforderungen auf die Behinderung der Schülerin oder des Schülers angemessen Rücksicht zu nehmen. Behinderte Schülerinnen und Schüler haben einen Anspruch auf Nachteilsausgleich. Dieser Anspruch ist nicht antragsgebunden. Die Schule ist von Amts wegen verpflichtet, einer nachgewiesenen Behinderung angemessen Rechnung zu tragen. Unter verbindlicher Beteiligung einer Blinden- oder Sehbehindertenpädagogin oder eines Blinden- oder Sehbehindertenpädagogen legt die Schulleiterin oder der Schulleiter auf Grundlage des Förderplans und in Absprache mit den unterrichtenden Lehrerinnen und Lehrern den individuellen Nachteilsausgleich fest bzw. beantragt diesen bei der jeweils zuständigen Schulaufsicht. 5.1 Formen des Nachteilsausgleichs Je nach Art und Grad des individuellen sonderpädagogischen Förderbedarfs im Förderschwerpunkt Sehen und in Abhängigkeit von den Prüfungsaufgaben sind sehr unterschiedliche Formen von Nachteilsausgleichen denkbar, die jeweils individuell angepasst werden müssen. Hierzu zählen beispielsweise – verlängerte Arbeitszeiten bzw. verkürzte Aufgabenstellung, – Bereitstellen bzw. Zulassen spezieller Arbeitsmittel (vergrößernde Sehhilfen, Computer, Tonträger, größere bzw. spezifisch gestaltete Arbeitsblätter, ComputerMathematikschrift, größere Linien, spezielle Stifte u. ä.), – eine mündliche statt einer schriftlichen Arbeitsform (z. B. ein auf Band gesprochener Aufsatz) – unterrichtsorganisatorische Veränderungen (z. B. individuell gestaltete Pausenregelungen, individuelle Arbeitsplatzorganisation), – größere Exaktheitstoleranz (z. B. in Geometrie, beim Schriftbild, in zeichnerischen Aufgabenstellungen), – individuelle Sportübungen etc. Der individuelle Nachteilsausgleich dient der Kompensation der durch die Behinderung entstehenden Nachteile und stellt keine Bevorzugung der behinderten Schülerinnen und Schüler gegenüber deren Mitschülerinnen und Mitschüler dar. Franz-Josef Beck, Hannover Peter Brass, Berlin Andreas Liebald, Soest Klaus Wißmann, Schleswig Impressum blind – sehbehindert Zeitschrift für das Blinden- und Sehbehindertenbildungswesen im deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz und weiteren Ländern). Bibliographische Abkürzung: bs ISSN 0176-7836 Die Zeitschrift „blind – sehbehindert“ ist die Nachfolgerin der „Zeitschrift für das Blinden- und Sehbehindertenbildungswesen – Der Blindenfreund“, hervorgegangen aus der Zeitschrift „Der Blindenfreund“, gegründet im Jahre 1881 vom königlichen Schulrat Wilhem Mecker, Düren. Herausgeber/Geschäftsstelle VBS Verband für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik e.V. (VBS). Dieter Feser, Fritz-Elsas-Str. 38, 70174 Stuttgart. E-Mail: [email protected] Verlag Edition Bentheim der Johann Wilhelm Klein-Akademie GmbH, Ohmstr. 7, 97076 Würzburg. Die Anzeigenverwaltung erfolgt über den Verlag (Stefan Hetzel) E-Mail: [email protected] Redaktion Bernd Hamann (Koordinierende Schriftleitung) Kronäckerstr. 13, 90518 Altdorf E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Michael Austermann, Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Rehabilitations-wissenschaften, Georgenstr. 36, 10117 Berlin Erwin Denninghaus, LWL-Berufsbildungswerk Soest, Hattroper Weg 57, 59494 Soest Dr. Markus Lang, Pädagogische Hochschule Heidelberg, Fakultät 1 / Blindenpädagogik, Zeppelinstr. 1, 69121 Heidelberg Erich Meyer, Rennbahnstr. 9, 22111 Hamburg Prof. Dr. Paul Nater, Zechenstraße 16e, 59425 Unna Dietrich Schabow, Gassenweg 3, 56170 Bendorf-Sayn Erscheinungsweise Die Zeitschrift erscheint viermal jährlich: Februar (Redaktionsschluss 15. Dezember); Mai (Redaktionsschluss 15. März); August (Redaktionsschluss 15. Juni); November (Redaktionsschluss 15. September) Die Zeitschrift erscheint auch in digitaler Version. Diese kann über die Geschäftsstelle des VBS bezogen werden. Inhaltsverzeichnis Das Gesamt-Inhaltsverzeichnis des abgelaufenen Jahrgangs liegt jeweils dem 1. Heft des Folge-Jahrgangs bei. Des Weiteren sind die letzten sowie auch ältere Ausgaben auf unserer Website www.vbs-gs.de zu finden. Bezugsbedingungen Bezugsbedingungen für VBS-Mitglieder: Der Bezugspreis ist im jährlichen Mitgliedsbeitrag (derzeit 60 Euro; ermäßigt 45 Euro, Studenten 30 Euro) enthalten. Mitgliedsantrag über unsere Website www.vbs-gs.de oder Geschäftsstelle. Bezug der digitalen Ausgabe unter gleichen Bedingungen. Diese ist ausschließlich für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf nicht verändert oder an Dritte weitergegeben werden. Bezugsmöglichkeiten für Nichtmitglieder im Abonnement jeweils 4 Hefte: 30 Euro, Einzelheft 7,50 Euro innerhalb Deutschlands über die Geschäftsstelle. Mitgliedsdaten / Abodaten Adressen- und Kontoänderungen (bei Lastschriftauftrag), Anfragen zum Zeitschriftenbezug und zur Mitgliedschaft bitte an Schatzmeister Jürgen Rieskamp, Bergstr. 3, 82436 Eglfing, Tel. 0 88 47/6 99 15 39 E-Mail: [email protected] Autorenhinweise Umfang und Format der Manuskripte Beiträge sollten einen Umfang von 6 bis 8 Seiten (incl. Literaturverzeichnis und Abbildungen) nicht überschreiten. Manuskripte müssen als Word-Dokument, Skizzen und Bilder z. B. im jpg-Format (Auflösung 300 dpi) per E-Mail-Anhang bei der Schriftleitung eingereicht werden. Gliederung der Manuskripte Fachbeiträge sollten folgendermaßen aufgebaut sein: – Vorname und Nachname der Autorin/des Autors bzw. der Autorinnen/der Autoren – Aktuelles Foto der Autorin/des Autors (jpg-Format, Auflösung 300 dpi) – Titel des Beitrags (bitte einen prägnanten, nicht zu langen Titel wählen) und gegebenenfalls Untertitel – Kurzfassung/Abstract (Umfang ca. 100 Wörter): Zusammenfassung der wesentlichen Aussagen und Herausstellung zentraler Schlussfolgerungen (Erwünscht ist eine englische Übersetzung der Kurzfassung. Wird diese nicht eingereicht, veranlasst die Redaktion nach Möglichkeit die Übersetzung.) – Haupttext gegliedert nach der Dezimalklassifikation (1, 1.1, 1.1.1, ..., 2, 2.1, 2.1.1 – Literaturverzeichnis – Autorin/Autor bzw. Autorinnen/Autoren: Vorname, Name, Berufsbezeichnung, Kontaktadresse, Mailadresse Weitere Hinweise Den Inhalt der Beiträge verantworten die jeweiligen Autorinnen/Autoren. 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