Positionen des VBS Stand 2012 - Verband der Blinden

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POSITIONEN:
Herausgegeben vom
Verband für Blinden- und
Sehbehindertenpädagogik e.V.
(VBS)
2012
Inhalt
Vorwort ................................................................................................................................ 2
Brailleschrift ......................................................................................................................... 3
Berufsvorbereitung und berufliche Teilhabe ........................................................................ 8
Bewegung und Sport ......................................................................................................... 11
Frühförderung .................................................................................................................... 13
Integration blinder und sehbehinderter Schülerinnen und Schüler .................................... 20
Informationstechnische Bildung blinder und sehbehinderter Menschen ............................ 24
Low-Vision ......................................................................................................................... 26
Blinde und sehbehinderte Menschen mit zusätzlichen Beeinträchtigungen....................... 29
Musikerziehung blinder und sehbehinderter Menschen ..................................................... 32
Naturwissenschaftlicher Unterricht .................................................................................... 35
Förderung Lebenspraktischer Fähigkeiten (LPF) sowie der Orientierung und Mobilität
(O&M) ................................................................................................................................ 36
Psychologie ....................................................................................................................... 39
Blinden- und Sehbehindertenpädagogik in universitärer Forschung und Lehre................. 41
Position zur inklusiven Beschulung und Bildung blinder und sehbehinderter Menschen
in der Bundesrepublik Deutschland des Verbandes für Blinden- und
Sehbehindertenpädagogik e.V. (VBS) ............................................................................... 44
Bildung, Erziehung und Rehabilitation blinder und sehbehinderter Kinder und
Jugendlicher in einer inklusiven Schule in den Ländern der Bundesrepublik
Deutschland ....................................................................................................................... 47
Sicherstellung der Teilhabe von blinden und sehbehinderten Schülerinnen und
Schülern an Vergleichsarbeiten und zentralen Abschlussprüfungen ................................. 76
Impressum ......................................................................................................................... 79
Vorwort
des 1. Vorsitzenden des Verbandes für Blinden und Sehbehindertenpädagogik e. V.
zur Ausgabe der Positionen 2012
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
jeweils zum Kongress für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik legt der Verband für
Blinden und Sehbehindertenpädagogik e. V. (VBS) seine Positionen vor. So auch zum
35. Kongress, der im Jahr 2012 in Chemnitz stattfindet. Die Positionen dienen einerseits
der Standortbestimmung und bilden andererseits die Grundlage für die Arbeit der
nächsten Jahre.
Die vergangenen vier Jahre waren gekennzeichnet durch einen kaum für möglich
gehaltenen bildungspolitischen Aufbruch, der maßgeblich durch die Ratifizierung der
Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) durch den Deutschen
Bundestag am 26.3.2009 angestoßen wurde. Dieser Diskussions- und
Veränderungsprozess findet seinen Niederschlag auch in diesem Band, in dem
maßgeblich auf die UN-BRK Bezug genommen wird.
Wurde mit den VBS-Positionen 2008 ein Diskussionspapier zum Thema „Inklusion“
vorgelegt, so finden Sie in diesem Band klare Positionierungen zum Thema sowie
Anregungen und Forderungen zur praktischen Umsetzung von Inklusion für blinde und
sehbehinderte Menschen1 aus pädagogischer Sicht. Neben den Positionen, die von den
Arbeitsgemeinschaften des VBS erarbeitet und mit dem Vorstand abgestimmt wurden,
finden Sie die Position des VBS-Vorstandes zum Thema „Inklusion“ sowie eine ModellLeistungsbeschreibung mit dem Titel: „Bildung, Erziehung und Rehabilitation blinder und
sehbehinderter Kinder und Jugendlicher in einer inklusiven Schule in den Ländern der
Bundesrepublik Deutschland“. In diesem Papier, das mit dem Deutschen Blinden- und
Sehbehindertenverband e. V. (DBSV) abgestimmt ist, ist der besondere Förderbedarf
blinder und sehbehinderter Schülerinnen und Schüler unabhängig von ihrem Lernort
beschrieben.
Im Jahr 2012 werden die Positionen des VBS erstmals als Sonderdruck der VerbandsZeitschrift blind – sehbehindert veröffentlicht. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass
alle Mitglieder des VBS sowie alle am Thema interessierten Fachleute und Institutionen
davon Kenntnis erlangen. Selbstverständlich werden die Positionen des VBS auch über
die Homepage www.vbs.eu in verschiedenen Formaten barrierefrei zur Verfügung gestellt.
Lassen Sie uns gemeinsam dafür werben und eintreten, dass blinde und sehbehinderte
1
Die Bezeichnung „blinde und sehbehinderte Menschen“ wurde auf ausdrücklichen Wunsch des Deutschen
Blinden- und Sehbehindertenverbandes e. V. (DBSV) sowie des Deutschen Vereins der Blinden- und
Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V. (DVBS) gewählt. Die Konstruktion mit Präpositionalgefüge
(Kind mit Blindheit) und der Begriff „sehgeschädigt“ wurde nur in besonders begründeten Einzelfällen sowie
in Zitaten genutzt. Auf die (fachlich korrekte) Formulierung „Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf im
Förderschwerpunkt Sehen“ wurde aus Gründen der besseren Lesbarkeit verzichtet.
Menschen tatsächlich die pädagogischen Angebote bekommen, die sie benötigen, um im
Sinne der UN-BRK an Bildung, an Arbeit und am Leben in der Gesellschaft teilhaben zu
können. Die Positionen des VBS liefern hierfür Argumente und Hintergrundwissen.
Die Positionen des VBS gehen zurück auf Diskussionen und Entscheidungen der
Arbeitsgemeinschaften, die den VBS inhaltlich formen. Allen, die an dieser
Zusammenstellung der Positionen beteiligt waren, allen Arbeitsgemeinschaften und allen
Verfassern danke ich ganz herzlich im Namen des gesamten Vorstandes. Kritik zu den
einzelnen Positionen ist nicht nur möglich, sondern erwünscht. Nur kritische Offenheit
bringt uns in unserem Bemühen um eine Verbesserung der pädagogischen Angebote für
blinde und sehbehinderte Kinder, Jugendliche und Erwachsene weiter!
Stuttgart, den 25.06.2012
Dieter Feser
Vorsitzender des VBS
Brailleschrift
Vom NICE TO HAVE zum MUST
Die Brailleschrift hat sich seit ihrer Entwicklung durch Louis Braille 1825 bis heute als die
Schrift für blinde Menschen bewährt, da sie den taktilen Leseanforderungen am besten
entspricht.
In Artikel 24, Absatz 3, Buchstabe a, der UN-Behindertenrechtskonvention ist die
Forderung zum erleichterten Erwerb von Brailleschriftkenntnissen explizit verankert, und
zwar als Schlüssel zum Erwerb von sozialen Kompetenzen, „um [...] volle und
gleichberechtigte Teilhabe an der Bildung und als Mitglieder der Gemeinschaft zu
erleichtern“. Sie muss deshalb blinden Lernenden in Schule, Berufsausbildung und
sozialer Rehabilitation zum Erwerb der schriftlichen Kommunikationsfähigkeit vermittelt
werden.
Wie alle Schriftsysteme hat auch die Brailleschrift dienende Funktion und muss an die
Kommunikationsfähigkeit der Nutzer ebenso wie an neue informationstechnische
Möglichkeiten stets angepasst werden. Der VBS stellt sich uneingeschränkt dieser
Aufgabe und sieht in der Schaffung von erforderlichen Rahmenbedingungen wie z. B.
regelmäßigen Fortbildungsangeboten, Öffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsbildung
einen Schwerpunkt seines Handelns.
Es dauerte lange, um auf den Punkt zu kommen
Jahrhundertelang wurden immer wieder Schriften für Blinde entwickelt, unter anderem
Knoten- und Kerbschriften. Diese Versuche mündeten in der ersten systematischen
Blindenerziehung mit den Buchstaben der Sehenden, die den Tastlesenden
überdimensional in Filz oder sonst erhaben zur Verfügung gestellt wurden. Die in dieser
Umgebung im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts erfundene braillesche Punktschrift wies
unter anderem zwei unschätzbare Vorteile auf: hohe Ertastbarkeit bei einer Größe, die
eine lineare Lesebewegung erlaubt, sowie das selbstständige Schreiben mit einfachsten
Mitteln. Dennoch hatte sie es nicht leicht, sich durchzusetzen: Von Blindenpädagogen
wurde sie bis zum Ende des 19. Jahrhunderts als der Schrift der Sehenden zu entfernt
abgelehnt.
Es hat immer wieder Versuche gegeben, das braillesche Grundsystem zu optimieren.
Aber so manche Entwicklung erwies sich als Verschlimmbesserung. Dennoch wurde die
Brailleschrift immer wieder aktuellen Gegebenheiten angepasst, so auch für den Gebrauch
am Computer, der wesentliche Impulse für ihre Weiterentwicklung gegeben hat.
Bleiben wir beim Punkt?
Mit dem Aufkommen der ersten Tonträger wurde die Brailleschrift totgesagt. Und mit jeder
Verbesserung der Aufzeichnungs- und Wiedergabetechnologie aufs Neue. Wieso lebt sie
noch?
Unter Pädagogen wird die Bedeutung der schriftlichen Kommunikationsfähigkeit nicht in
Frage gestellt. Hier bilden blinde Menschen keine Ausnahme. Sprache in schriftlicher
Form kann und wird anders be- und verarbeitet als andere Medien und kann anders
genutzt werden.
Aber nicht nur Sprache im engeren Sinne. Ohne Schrift werden der Mathematik schnell
Grenzen gesetzt. Hier ist vielleicht am offensichtlichsten, dass die Schrift nicht nur der
Aufzeichnung erarbeiteter Ergebnisse dient, sondern selbst einen Teil des
Erarbeitungsprozesses bildet.
Der auditive Informationskanal kann nicht außer Acht gelassen werden - weder bei blinden
noch bei sehenden Lernenden. Tonaufzeichnungen und digitalisierte Sprache sind
wichtige Medien und in vielen Situationen die passende Ergänzung zu Gedrucktem und
Geschriebenem. Aber diese völlig ersetzen könnten sie auch aus pädagogischer Sicht nie.
Durch den Punkt kann man keinen Strich machen
Der Leseprozess unterscheidet sich beim taktilen Lesen unter
wahrnehmungspsychologischen und –physiologischen Aspekten deutlich von demjenigen
des visuellen Lesens. Dies hat zunächst auch nichts mit den Punktmustern selber zu tun.
Visuell liest eine sehende Person auch die Brailleschrift auf dieselbe Weise wie eine
andere Schrift: Der Überblick wird genutzt, um die Worte mit gezielten Sprüngen der
Augen zu erfassen, wobei ein kurzes Wort eines, ein längeres dagegen mehrerer Sprünge
bedarf.
Naturgemäß macht sich der tastende Finger andere Techniken zu Eigen. Anstatt zu
springen, streicht er über die Schrift, ertastet jedes Zeichen einzeln, auch wenn er nicht
allen gleichermaßen Aufmerksamkeit widmet. Beispielsweise erhöht eine oft beobachtete
Technik die Lesegeschwindigkeit, indem jeweils der Wortanfang genau zur Kenntnis
genommen, der Rest des Wortes bis zum nächsten Leerraum jedoch überflogen wird. Mit
mehreren Fingern lässt sich diese Technik noch verfeinern:
Ein der eigentlich lesenden Fingerbeere vorauseilender Finger erfasst schon den
Leerraum, so dass auch die Wortendung erkannt und das ganze Wort besser erraten bzw.
geschlussfolgert werden kann. Beim sehr vorteilhaften Einsatz von zwei Händen lässt sich
sogar zeitweilig das gleichzeitige Lesen von Text auf zwei Zeilen nachweisen!
Ein Verständnis für die unterschiedlichen Lesetechniken von Auge und Finger erklärt auch
die unterschiedlichen Schriftformen: Ertastbare Nachbildungen der Buchstaben der
Sehenden wären zu groß, um von einem auf nur einer Achse sich bewegenden Finger
erfasst zu werden. Und vertikale Bewegungen verlangsamen den Leseprozess.
Der springende Punkt für die Pädagogik
Die verschiedenen Schriftformen sowie die wahrnehmungspsychologischen und
-physiologischen Rahmenbedingungen führen auch zu anderen, oft übersehenen, für die
Pädagogik jedoch wichtigen Unterschieden. Es sind andere Buchstaben und Worte, die
beim Lesenlernen gerne verwechselt werden. In der Schrift der Sehenden sind ein Komma
und ein Apostroph meistens nur zusammen mit anderen Zeichen zu erkennen - allein auf
einem Blatt wären sie kaum zu unterscheiden. Auch in der Brailleschrift werden manche
Zeichen nur im Kontext mit anderen eindeutig identifiziert. (An diesem Aspekt sind die
früheren „schreibergonomischen“ Schriften in Deutschland und den USA gescheitert.)
Beispielsweise können in der Mathematik (Minus-) Strich und (Geteilt-durch-) Doppelpunkt
erst in unmittelbarer Nähe anderer Zeichen auseinander gehalten werden.
Die Pädagogik muss sicherstellen, dass die Schülerinnen und Schüler mit adäquaten
Schriftkenntnissen für Schule und Leben ausgerüstet werden. Sowohl auf Papier wie auch
am Computer, und nicht nur für Deutsch, sondern beispielsweise auch für Fremdsprachen,
Naturwissenschaften und Musik. Dies bedingt eine dem Medium angepasste Methodik
und Didaktik, was wiederum Kenntnisse von und ein gründliches Verständnis für das
Schriftmedium voraussetzt.
Die allgemeine Pädagogik verlangt eine hohe Qualität schriftlicher Materialien in Bezug
auf Aspekte wie Orthografie, klares Layout und Leserlichkeit zur Optimierung der
didaktischen Effektivität. Diese gelten in gleichem Maße auch für Brailleschrift lesende
Kinder und Jugendliche, wobei die Andersartigkeit von Layout und Leserlichkeit in der
Brailleschrift auch berücksichtigt werden muss.
Punkte inklusive
In der Blinden- und Sehbehindertenpädagogik wird die Brailleschrift wieder zu einem
Thema, das viel Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Besonders in der Schule wird sie oft unter
ganz anderen Umständen vermittelt als in der Vergangenheit:
– Die Unterrichtung blinder Kinder in lernzielgleichen, homogenen
Klassengemeinschaften ist zur Ausnahme geworden.
– Blinde Kinder und Jugendliche werden häufiger als früher an allgemeinen Schulen
unterrichtet. Dadurch kommen mehr Lehrkräfte – vor allem nicht
sonderpädagogisch ausgebildetes Personal – in Kontakt mit der Brailleschrift als
früher.
– Auch im Unterschied zu früher haben die einzelnen Lehrkräfte tendenziell mit
weniger blinden Kindern und Jugendlichen bzw. Auszubildenden zu tun - dafür im
Einzelfall mit vielfältigeren Aspekten der Brailleschrift.
– Der Know-how-Transfer unter pädagogisch Tätigen sowie die Versorgung mit
entsprechendem didaktischem Material ist dadurch viel schwieriger geworden.
Der breite Computereinsatz in der Schule birgt nebst den früher ungeahnten
pädagogischen Möglichkeiten auch Gefahren. Es ist die Uraufgabe der Didaktik, sich nicht
nur mit der Frage zu befassen, welche Informationen gegeben werden, sondern vielmehr,
wie diese Informationen aufgenommen werden. Die Wahrnehmung an der Braillezeile ist
anders als am Bildschirm oder auf Papier. Die Verschiedenheit geht zum einen auf die
andere Darstellung der Zeichen zurück; aber ebenso wichtig oder noch wichtiger sind die
Reihenfolge der Informationsaufnahme, die Überblickbarkeit und sogar der
Informationsgehalt selber. Hier ist viel Sensibilisierungs- und Fortbildungsarbeit notwendig.
Um im Rahmen der technologischen Entwicklung blinden Menschen grundsätzlich den
Zugang zu allen digitalisiert vorliegenden Texten zu eröffnen, wurden
Computerbrailleschriften mit nunmehr 8 Punkten entwickelt. Aufgrund der neuartigen
Anforderungen, welche die Arbeit am Computer mit sich bringen, weichen diese Systeme
in entscheidenden Aspekten des Aufbaus von der herkömmlichen Brailleschrift ab. Um
diesen Anforderungen gerecht zu werden, wurden auch neue, dem Medium angepasste
Lösungen für die Aufzeichnung von Mathematik usw. gefunden.
Bei der Frage, wann welches Punktschriftsystem erlernt werden soll, ist eine Reihe von
Kriterien zu berücksichtigen:
– Die Durchlässigkeit des Bildungssystems für blinde Schülerinnen und Schüler muss
sichergestellt sein.
– Die Schülerinnen und Schüler müssen unabhängig vom Lernort zum Abschluss
einer jeden Phase über Arbeitstechniken in Braille verfügen, auf denen in der
anschließenden Phase reibungslos aufgebaut werden kann.
– Schaffung einer Entscheidungskompetenz: Die Schülerinnen und Schüler sollen in
die Lage versetzt werden, möglichst eigenverantwortlich und qualifiziert
entscheiden zu können, welche Schriftsysteme ihren individuellen Bedürfnissen am
weitesten entgegenkommen bzw. in welchen Anwendungszusammenhängen sie
sich welcher Notation bedienen.
– Diese Ziele können nur erreicht werden, wenn die entsprechenden
Brailleschriftsysteme und die damit verbundenen Arbeitstechniken in angemessener
Weise im Unterricht vermittelt werden.
– Die individuelle Leistungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler muss angemessen
berücksichtigt werden.
– Bei den fälligen methodischen und didaktischen Entscheidungen müssen der
jeweilige Lernort und die gegebene Lernumgebung beachtet werden (die
anzuwendenden Methoden des Erlernens von Braille differieren stark mit den
jeweiligen Lerngruppen).
– Gegenüber den 8-Punkt-Systemen hat die Blindenkurzschrift den Vorteil der
schnelleren Les- und Schreibbarkeit (Vorteil der höheren Informationsdichte
unabhängig der Medien Papier oder Braillezeile).
Die folgenden Grundsätze gilt es zu beachten:
Die Blindenvollschrift soll nach Abschluss des Schreib-Lese-Erwerbs (2. bzw.
3. Schulbesuchsjahr), spätestens jedoch nach der Grundschule (4. bzw.
5. Schulbesuchsjahr) beherrscht werden.
Nach Abschluss der Orientierungsstufe (6. Klasse) sollen Schüler und Schülerinnen, die
weiterführende Schulen besuchen wollen, die Braillekurzschrift erlernt haben.
Am Ende der Haupt- bzw. Realschule sollen zusätzlich folgende Schriftsysteme und
Techniken (von Schülerinnen und Schülern, die eine weiterführende Schule besuchen
wollen) beherrscht werden:
– die englische Kurzschrift (Grade II),
– die landesüblichen Brailleschriftsysteme (Grad I) der zweiten Fremdsprache,
– der Umgang mit den Kommunikationstechnologien (Computerbraille,
Textverarbeitung u. ä.),
– 6-Punktmathematikschrift („Marburger Mathematikschrift“) und die
Computermathematikschrift auf der Basis von LaTeX in dem Umfang, in welchem
es für den Unterricht erforderlich ist,
– Braille-Notenschrift, soweit ein schriftliches Notensystem im Lehrplan vorgesehen
ist.
Im Rahmen der beruflichen und der sozialen Rehabilitation muss sich die Vermittlung der
Brailleschriftsysteme an den Erfordernissen im Einzelfall sowie am jeweiligen
Rehabilitationsziel orientieren.
Um die Phasen-Schnittstellen-Lernziele zu erreichen, sind verschiedene methodische
Wege möglich und angesichts der unterschiedlichen Rahmenbedingungen auch
notwendig. Die Entscheidung darüber, welcher methodische Weg in einem bestimmten
Lernumfeld bzw. an einem bestimmten Lernort gewählt wird, muss maßgeblich von der
sonderpädagogischen Fachkraft getroffen werden. Ihr kommt daher eine hohe
Verantwortung zu.
Um diese verantwortungsvolle Entscheidung treffen zu können und die entsprechenden
Punktschriftsysteme adäquat vermitteln zu können, muss die sonderpädagogische
Fachkraft die verschiedenen Punktschriftsysteme mit ihren anwendungsbezogenen
Charakteristika und Eignungszusammenhängen sowie die entsprechenden
Arbeitstechniken kennen. Bei dieser Aufgabe können erfahrene blinde
Punktschriftanwender als Betroffene, als Experten und Vorbilder eine wertvolle
Unterstützung für sehende Lehrkräfte sein.
Die Position des VBS auf den Punkt gebracht
Der VBS setzt sich ein für eine qualifizierte Unterrichtung der Brailleschrift sowie des
Unterrichts mittels der Brailleschrift. Das heißt im Einzelnen:
– Der VBS unterstützt die Schaffung und Erhaltung von Strukturen, die der Sammlung
und Bereitstellung von Wissen und Know-how über Brailleschriften dienen, sowie
deren Vermittlung und Einweisung in ihre Herstellung und den Gebrauch.
– Der VBS setzt sich dafür ein, dass der Brailleschrift angemessene Aufmerksamkeit
zukommt (Bewusstseinsbildung).
– Der VBS beteiligt sich aktiv an der Bekanntmachung und punktuell auch in der
Entwicklung von Materialien für das Lernen und das Lehren der verschiedenen
Brailleschriftsysteme.
– Der VBS sucht nach Möglichkeiten der stärkeren Sensibilisierung pädagogisch
Tätiger für die Bedeutung und die besonderen Eigenschaften der Brailleschrift.
– Der VBS beteiligt sich aktiv an der Arbeit im Brailleschriftkomitee der
deutschsprachigen Länder und setzt dort pädagogisch-didaktische Akzente.
– Der VBS bekennt sich zum Aufbau neuer Wege der Qualifizierung pädagogisch
Tätiger für deren Arbeit mit der Brailleschrift und engagiert sich dafür.
– Der VBS setzt sich schließlich dafür ein, dass die Vermittlung von Brailleschrift
einschließlich ihrer methodisch-didaktischen Aspekte verpflichtender Teil in der 1.
Ausbildungsphase des Studiums der Blindenpädagogik ist.
Für die AG Braille
Petra und Vivian Aldridge,
Basel
Heidi Theiss-Klee, Marburg
Berufsvorbereitung und berufliche Teilhabe
Berufliche Bildung und Rehabilitation blinder und sehbehinderter Menschen
Der VBS tritt mit Nachdruck dafür ein, dass blinde und sehbehinderte Menschen die
notwendige Unterstützung bekommen, um am Erwerbsleben teilnehmen zu können. Dies
gilt sowohl für die berufliche Erstausbildung und den Einstieg in das Erwerbsleben als
auch für die berufliche und soziale Rehabilitation von Menschen, bei denen Blindheit oder
Sehbehinderung während des Erwerbslebens eingetreten ist. Maßgeblich für diese
Forderung sind arbeitsethische und humanistische Grundpositionen, die wesentlich ihren
Niederschlag in den Sozialgesetzbüchern III und IX sowie in den Gleichstellungsgesetzen
des Bundes und der Länder gefunden haben. Die UN-Behindertenrechtskonvention
unterstreicht in ihrem Artikel 27 das Recht von Menschen mit Behinderungen auf
berufliche Teilhabe.
1. Die Situation
Die berufliche Rehabilitation und die Arbeitsmarktlage für blinde und sehbehinderte
Menschen stellen sich im Jahr 2012 wie folgt dar:
– Eine abgeschlossene Berufsausbildung gemäß Berufsbildungsgesetz bzw. ein
abgeschlossenes Studium ist eine wesentliche Voraussetzung für die Tätigkeit auf
dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Dabei kommen den extrafunktionalen
Qualifikationen, wie Selbstständigkeit, Mobilität, Beherrschung lebenspraktischer
Fertigkeiten, sozialkompetentes Verhalten, Umgang mit neuen Medien
(Methodenkompetenzen), neben den fundierten beruflichen Kenntnissen und
Fertigkeiten zunehmende Bedeutung zu.
– Die beruflichen Möglichkeiten blinder und sehbehinderter Menschen sind jedoch
behinderungsbedingt extrem eingeschränkt. Der Prozess der Berufswahl und
Berufsausbildung bzw. Rehabilitation stellt daher hohe Anforderungen an die
Anpassungs- und Leistungsbereitschaft der Betroffenen sowie an die
Fachkompetenz und Leistungsfähigkeit der Personen und Institutionen, die mit ihrer
Beratung und Qualifizierung betraut sind.
– In der Legislaturperiode von 1998 – 2002 hat die Bundesregierung durch eine
Novellierung des Schwerbehindertenrechtes und seine Überführung in das
Sozialgesetzbuch IX den klaren Willen des Gesetzgebers zum Ausdruck gebracht,
die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Leben in der Gesellschaft und
am Arbeitsleben zu fördern. Diese Entwicklung wurde durch die Verabschiedung
der Gleichstellungsgesetze des Bundes und der Länder unterstützt.
– An für die Umsetzung dieser Rechte notwendigen Strukturen mangelt es jedoch. So
hat z. B. die Bundesagentur für Arbeit ein Beratungskonzept eingeführt, das sich
stärker an betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten als an der notwendigen
Förderung im Einzelfall orientiert. Bei den Jobcentern nach SGB II fehlt es nach wie
vor an Kennzahlen und Zielvereinbarungen bzgl. der Integration schwerbehinderter
Personen, so dass dafür zum Teil nicht einmal die notwendigen Mitarbeiter
vorgehalten werden. Überdies wurde das Eingliederungsbudget der Jobcenter 2011
und 2012 von der Bundesregierung um mehr als 40 % zurückgefahren. Davon sind
blinde und sehbehinderte Menschen besonders betroffen, da ihre berufliche
Eingliederung überdurchschnittlich teuer ist.
2. Positionen und Ziele
– Die allgemeinbildenden Schulen müssen ihre Lerninhalte überprüfen und verstärkt
berufsorientierende Inhalte bei der Unterrichtsplanung und -gestaltung
berücksichtigen.
– Die elementaren beruflichen Tugenden sowie die grundlegenden Kulturtechniken
sollten in den allgemeinbildenden Schulen so weit wie möglich vermittelt werden.
– Die Erziehung zur Selbstständigkeit und zur eigenständigen praktischen
Lebensbewältigung muss betont werden. Mobilitätstraining, Unterweisung in
lebenspraktischen Fertigkeiten, Low-Vision-Schulungen, Einsatz spezifischer
Arbeitstechniken, Hilfsmittel und Medien sind als zentrale, blinden- und
sehbehindertenpädagogische Aufgabenfelder aufzuwerten.
– Alle am Prozess der schulischen und beruflichen Bildung sowie beruflichen
Eingliederung beteiligten Gruppen und Personen müssen im Sinne einer
Vernetzung eng zusammenarbeiten. Dies ist eine wichtige Voraussetzung, um den
blinden und sehbehinderten Menschen optimale Entwicklungsmöglichkeiten und
einen optimalen Einsatz der Ressourcen zu gewährleisten. Dies gilt insbesondere
an den Schnittstellen zwischen Schule, beruflicher Qualifizierung und beruflicher
Eingliederung.
– Die Existenz der beruflichen Bildungseinrichtungen für blinde und sehbehinderte
Menschen ist zu sichern. Sie bilden die Basis für die berufliche Qualifizierung und
Eingliederung dieses Personenkreises auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
– Die stationären Angebote zur beruflichen Bildung und Rehabilitation blinder und
sehbehinderter Menschen sind im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention mit
dem Ziel weiterzuentwickeln, ein differenziertes, wohnort- und betriebsnahes
Angebot zur beruflichen Bildung bereitzuhalten. Sie sind mit den vorhandenen
Beratungs- und Unterstützungsangeboten für sehbehinderte und blinde Menschen,
die eine wohnortnahe Ausbildung außerhalb spezifischer Bildungseinrichtungen
anstreben bzw. absolvieren, zu vernetzen und weiterzuentwickeln.
– Zahlreiche blinde und sehbehinderte Menschen mit zusätzlichen Behinderungen
sind zur Sicherung der Teilhabe am Leben und Arbeiten in unserer Gesellschaft auf
die Förderung und die Rahmenbedingungen einer Werkstatt für behinderte
Menschen (WfbM) angewiesen. Dem besonderen, durch Blindheit bzw.
Sehbehinderung bedingten Förderbedarf ist durch besondere Werkstätten für
mehrfachbehinderte blinde und sehbehinderte Menschen mit Wohnheimen
Rechnung zu tragen.
– Die blinden- und sehbehindertenpädagogische Beratung und Unterstützung der
allgemeinen Werkstätten ist im Sinne einer möglichst wohnortnahen beruflichen
Teilhabe auszubauen.
– Es sind geeignete Voraussetzungen und Strukturen dafür zu schaffen, dass blinde
und sehbehinderte Menschen mit Haupt- oder Realschulabschluss auch zukünftig
die Chance haben, sich beruflich zu qualifizieren und auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt beruflich tätig zu werden. Staatliche und kommunale Einrichtungen
stehen hier in einer besonderen Verantwortung.
– Akademische Berufe bilden nach wie vor einen wesentlichen Bestandteil des
Spektrums möglicher Berufe für blinde und sehbehinderte Menschen. Eine
behinderungsgerechte Studienberatung sowie sächliche und personelle
Unterstützung beim Studium und bei der anschließenden Stellensuche sind
sicherzustellen.
– Auch zukünftig ist eine für Arbeitgeber und Arbeitnehmer kostenlose, blinden- bzw.
sehbehindertengerechte Arbeitsplatzausstattung und deren Anpassung an neue
technische und inhaltliche Gegebenheiten zu gewährleisten.
– Es ist anzustreben, ein bundesweit flächendeckendes Beratungs- und
Unterstützungsangebot für blinde und sehbehinderte Menschen mit folgenden
Hauptaufgaben aufzubauen:
– Beratung und Unterstützung bei Unfall oder Erkrankung mit ungünstiger Prognose
für das Sehvermögen und drohendem oder faktischen Arbeitsplatzverlust;
– Beratung und Unterstützung beim Übergang von der Ausbildung, einer
Rehabilitationsmaßnahme oder aus der Arbeitslosigkeit in ein Arbeitsverhältnis;
– Mitwirkung bei der Lösung behinderungsbedingter Probleme am Arbeitsplatz.
Integrationsfachdienste müssen direkt oder indirekt über das dafür notwendige
fachliche Knowhow verfügen.
– Beratung zur blinden- bzw. sehbehindertengerechte Arbeitsplatzausstattung und
Unterstützung bei der Beantragung erforderlicher Hilfsmittel beim jeweiligen
Kostenträger.
– Die Möglichkeiten blinder und sehbehinderter Menschen zur Teilnahme an
berufsbegleitender Fort- und Weiterbildung sowie die Arbeitsassistenz müssen
bedarfsgerecht ausgebaut und gesichert werden.
Für die AG Berufsvorbereitung und berufliche Teilhabe
Manfred Wingender,
Düsseldorf
Bewegung und Sport
Die Arbeitsgemeinschaft Bewegung & Sport des VBS versteht sich als Forum für all
diejenigen, die sich in ihrer beruflichen Tätigkeit für die Bewegungsförderung blinder und
sehbehinderter Menschen interessieren und einsetzen. Als Zielgruppe unserer AG sehen
wir dementsprechend Sportlehrerinnen und Sportlehrer sowie pädagogisch oder
therapeutisch orientierte Fachleute, wie z. B. Motopädagogen, Gymnastiklehrer und
Krankengymnasten oder die in den Einrichtungen für blinde und sehbehinderte Menschen
tätigen Erzieherinnen und Erzieher. Was uns miteinander verbindet, ist vor allem das
Bewusstsein über die Bedeutung des Faktors Bewegung für die kindliche bzw.
menschliche Entwicklung.
Im Verständnis der modernen Entwicklungspsychologie vollzieht sich die Entwicklung von
Kindern und Jugendlichen in der selbständigen, aktiven und handelnden
Auseinandersetzung mit der Umwelt. Wahrnehmung und Lernen sind in diesem Sinne
nicht als quasi passive Abbildungsprozesse von Sinneseindrücken zu verstehen, sondern
als Ausdruck eines komplexen Zusammenwirkens von Wahrnehmung und Bewegung.
Kindliche Handlungskompetenz kann sich in diesem Verständnis nur aktivitätsgebunden,
d. h. auf der Basis von Bewegungshandlungen entwickeln. Als zentraler Punkt für die
Erschließung bzw. Konstruktion der Welt kann dabei der eigene Körper gelten, der in
physischer wie psychisch-emotionaler Hinsicht die Grundlage der Orientierung in der Welt
darstellt.
Dieser Prozess kann bei blinden und sehbehinderten Kindern tendenziell gefährdet sein.
Zum einen kann aufgrund der fehlenden oder ungenügenden visuellen Stimuli schon in
frühen Entwicklungsphasen – dies gilt insbesondere für blinde Kinder – die Motivation zum
eigenständigen Bewegungshandeln beeinträchtigt sein. Zum anderen erschwert die
eingeschränkte visuelle Kontrolle grundlegende Prozesse der Raumerfahrung, die
wiederum die Voraussetzung für ein angstfreies und sicheres Bewegungshandeln
darstellen. In der Konsequenz verfügen blinde und sehbehinderte Kinder und Jugendliche
zum Teil über sehr viel weniger Bewegungserfahrungen und damit verbundene Chancen
zur Entwicklung einer individuellen und kulturellen Identität. Eine bewusste, auf die
Entwicklungsförderung der Kinder und Jugendlichen ausgerichtete, Bewegungserziehung
muss daher als zentraler Bestandteil der pädagogischen Arbeit mit blinden und
sehbehinderten Menschen begriffen werden. Diese Aussage gilt im Sinne lebenslangen
Lernens auch für Erwachsene. Durch die in Bewegung und Sport stattfindende
unmittelbare Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper können positive
Bewegungserfahrungen und die entsprechenden Erfolgserlebnisse zudem einen
wesentlichen Beitrag zur Stärkung des Selbstvertrauens und des Selbstwertgefühls von
Menschen mit einer Sehschädigung liefern.
Zudem öffnet ein motorischer Kompetenzerwerb (z. B. Bogenschießen oder Skifahren
können) blinden und sehbehinderten Kindern und Jugendlichen potentiell Türen zur
kulturellen Vielfalt des Sports, wie er sich beispielsweise in der Form von Sportvereinen,
kommerziellen Anbietern oder in informellen Sportangeboten darstellt. Wir verstehen
motorische Kompetenz deshalb als notwendige Grundvoraussetzung, um an solchen
Angeboten zu partizipieren. Dadurch wird Teilhabe an der Gesellschaft angebahnt und
Möglichkeiten zum gemeinsamen bzw. inklusiven Sporttreiben mit Sehenden werden
ermöglicht.
Das hier skizzierte Verständnis der Bedeutung des Faktors Bewegung für die
pädagogische bzw. therapeutische Arbeit mit sehgeschädigten Menschen kann im
Rahmen der Blinden- und Sehbehindertenpädagogik allerdings nicht als selbstverständlich
vorausgesetzt werden. Im Gegenteil: Die derzeit gültigen Empfehlungen der KMK zum
„Förderschwerpunkt Sehen“ vernachlässigen den Aspekt der Bewegung in enttäuschender
Weise. Als ein wesentliches Ziel unserer AG begreifen wir daher das Bemühen, den
Stellenwert des Themas Bewegung innerhalb und außerhalb unseres Verbandes noch
stärker zu verdeutlichen. Diese Zielsetzung erscheint angesichts der sich verändernden
gesellschaftlichen Bedingungen von Kindheit mit zunehmender Bewegungsarmut
einerseits und den zu beobachtenden restriktiven schulpolitischen Tendenzen
andererseits (z. B. Kürzung der Sportstunden) umso wichtiger. Wir setzen uns vor diesem
Hintergrund dafür ein, dass die personelle und sächliche Ausstattung von sonder- oder
allgemeinpädagogischen Einrichtungen, in denen blinde und sehbehinderte Menschen
unterrichtet und gefördert werden, unter dem Aspekt der Bewegungs-Förderung spürbar
verbessert wird, um die Entwicklungschancen und die Lebensqualität der Betroffenen zu
erhöhen. Insbesondere bei der Beschulung blinder und sehbehinderter Kinder im
Gemeinsamen Unterricht ist dafür Sorge zu tragen, dass sie auch am Sportunterricht
gleichberechtigt teilhaben können.
Weitere Schwerpunkte unserer Arbeit liegen in folgenden Bereichen:
– Planung und Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen
– Angebote zur Weiterqualifizierung der AG-Mitglieder
– Kooperation mit anderen Arbeitsgemeinschaften des VBS
– Mitarbeit bei der Verankerung des Themas Bewegung und Sport im Rahmen von
Lehrplänen, Rahmenrichtlinien u. ä.
– Zusammenarbeit mit den Ausbildungsinstitutionen zu Fragen des Sports und der
Bewegungserziehung
Für die AG Bewegung und Sport
Dr. Martin Giese, Marburg
Frühförderung
Aufgabe der Frühförderung ist es, Kindern mit Behinderungen die individuell erforderlichen
Hilfen bereitzustellen, die es ihnen ermöglichen, ihre eigene Persönlichkeit mit ihren
Fähigkeiten zu entwickeln und am Leben der Gesellschaft teilzunehmen. Dabei berät und
unterstützt die Frühförderung die Eltern bei der Förderung und Erziehung der Kinder und
bei der Bewältigung der Probleme, die aus der Behinderung erwachsen.
Personenkreis
Ein Anspruch auf blinden- und sehbehindertenspezifische Frühförderung sollte für alle
betroffenen Kinder von der Geburt bis zur Einschulung sichergestellt sein. Hierzu gehören
Kinder, die
– blind oder von Blindheit bedroht sind
– sehbehindert oder von Sehbehinderung bedroht sind
– mehrfachbehindert blind oder sehbehindert sind, sowie hörsehbehinderte und
taubblinde Kinder
– eine zentrale visuelle Wahrnehmungsstörung aufweisen.
Notwendigkeit einer speziellen Frühförderung für
blinde und sehbehinderte Kinder
Im Bereich der Frühförderung blinder und sehbehinderter Kinder haben sich meist
spezielle Frühförderstellen etabliert, die neben den existierenden allgemeinen
pädagogischen bzw. interdisziplinären Frühförderstellen ein eigenständiges spezialisiertes
und umfassendes Förder- und Beratungsangebot für die betroffenen Kinder und deren
Eltern bereithalten. Die Spezialisierung trägt der Tatsache Rechnung, dass Blindheit und
Sehbehinderungen den Zugang zur physischen und sozialen Umgebung verändern und
sich in sehr spezifischer Weise auf das Lernen und die kindliche Entwicklung auswirken.
Im Umgang mit dem betroffenen Kind und in der Förderung muss die besondere
Wahrnehmungssituation des Kindes fortwährend durch geeignete Adaptationen des
eigenen Verhaltens, durch die gezielte Gestaltung der Umgebungsbedingungen und die
Auswahl geeigneter Spiel- und Fördermedien berücksichtigt werden. Die Frühförderung
blinder und sehbehinderter Kinder und die Beratung ihrer Eltern erfordern daher ein hohes
Maß an spezifischer Fachkompetenz und setzen ausreichende Erfahrung mit dem
Personenkreis voraus. Angesichts der geringen Prävalenzrate von Blindheit und
Sehbehinderungen im Kindesalter und der extremen Heterogenität der betroffenen
Population (hinsichtlich der Arten und Grade der Sehschädigung, des Zeitpunktes des
Eintritts der Schädigung und des Vorliegens, der Art und der Grade zusätzlicher
Behinderungen), gewährleisten die überregional organisierten spezialisierten
Einrichtungen die nötige Fachkompetenz und die Erfahrung, die für die Frühförderung
blinder und sehbehinderter Kinder und die Weiterentwicklung des Fachgebietes nötig sind.
Einschränkung der Funktionen des Sehens
Der fundamentale Einfluss, den eine frühkindliche Erblindung oder gravierende
Sehbeeinträchtigung auf das Verhalten und die kindliche Entwicklung haben können, wird
verständlich, wenn man sich vergegenwärtigt, welche Funktionen das Sehen
üblicherweise für unsere Auseinandersetzung mit der physischen und sozialen Umwelt
einnimmt: So ist das Sehen der wichtigste und präziseste Sinn, um Gegenstände und
andere Menschen im Nah- oder im Fernraum zu lokalisieren und die eigene Position im
Raum zu bestimmen (Lokalisierungs- und Orientierungsfunktion). Dadurch, dass die
visuelle Wahrnehmung eine kontinuierliche Rückmeldung über den fortlaufenden Fluss der
Ereignisse liefert, erfüllt sie eine wichtige Vorwarnfunktion: Sie ermöglicht
„vorherzusehen“, was im nächsten Augenblick passieren wird und kündigt rechtzeitig
Hindernisse bei Bewegungen bzw. der Fortbewegung im Raum an (Ankündigungs- und
Schutzfunktion). Das Sehen ist üblicherweise der zentrale Sinn, um Personen, Dinge,
Eigenschaften und Ereignisse zu unterscheiden und zu identifizieren (Unterscheidungsund Identifizierungsfunktion). Das Sehen liefert aber nicht nur „nüchterne“ Informationen
darüber, ob da etwas ist, wo es sich befindet (Lokalisierung), wie es beschaffen ist und um
was es sich handelt (Identifizierung), sondern diese Informationen besitzen einen
wichtigen Aufforderungscharakter: Gerade im Kleinkindalter liefern visuelle Informationen
und „Ereignisse“ den wohl wichtigsten Anreiz und die Motivation, sich mit der „Welt“
außerhalb des eigenen Körpers zu beschäftigen ( Anreiz- und Motivationsfunktion).
Hinsichtlich der Bewegungssteuerung und –koordination trägt das Sehen zum einen im
Zusammenspiel mit den vestibulären und propriozeptiven Wahrnehmungskanälen
wesentlich zur Gleichgewichtsstabilisierung und zur Haltungskontrolle bei. Durch die
kontinuierliche (visuelle) Wahrnehmung des eigenen Körpers und seiner Bewegungen in
Relation zur Umgebung ermöglicht es zum anderen die präzise vorausschauende
Steuerung und Koordination der eigenen Bewegungen im Greifraum und im
Lokomotionsraum (Bewegungssteuerung). Die visuelle Wahrnehmung liefert zudem
wichtige Informationen für den Austausch mit anderen Menschen. In sozialen Situationen
ermöglicht es einerseits die Wahrnehmung (sichtbarer) nonverbaler Signale anderer
Personen (deren Blickrichtung, Gestik, Mimik) und unterstützt andererseits den Ausdruck
eigener Botschaften (z. B. über Blickkontakt, Blickrichtung, Zeigegesten usw.). Im
Kleinkindalter trägt das Sehen auf diese Weise wesentlich zur Entwicklung präverbaler
Dialoge zwischen Eltern und Kind bei, die einen befriedigenden Austausch ermöglichen,
lange bevor das Kind die Sprache als Kommunikationsmöglichkeit nutzen kann
(Kommunikationsfunktion). Nicht zuletzt kommt dem Sehen eine wichtige Funktion für das
Lernen selbst zu: Die Beobachtung des Verhaltens anderer Personen (z. B. Eltern,
Geschwister) und die anschließende Nachahmung des beobachteten Verhaltens stellt
eine der effektivsten Formen des eigenständigen, nicht-gelenkten Lernens im Kleinkindund Vorschulalter dar (Nachahmungsfunktion). Gleichzeitig ist das „Vormachen“
erwünschter Handlungsvollzüge eine übliche „didaktische“ Methode der gezielten
Anleitung.
Erhöhtes Entwicklungsrisiko für blinde und sehbehinderte
Kinder
Angesichts der zentralen Bedeutung des Sehens für das menschliche Verhalten im
Allgemeinen und die kindliche Entwicklung im Besonderen ist es wenig verwunderlich,
dass blinde und sehbehinderte Kinder eine andersartige und, im Vergleich zu nichtsehgeschädigten Kindern, häufig verzögerte Entwicklung zeigen. Die wesentlichen
„Entwicklungshürden“ und Schwierigkeiten blinder und sehbehinderter Kinder bestehen in
der Entwicklung der frühen sozialen Interaktion und in der sozial-emotionalen Entwicklung,
im Erwerb feinmotorischer und lebenspraktischer Fertigkeiten sowie im Erlernen der
Orientierung im Nahraum und im Lokomotionsraum. Zudem zeigen sich Verzögerungen
und qualitative Besonderheiten in der grobmotorischen Entwicklung, in der kognitiven
Entwicklung („Verstehen der Welt“; Begriffsbildung) und im Spielverhalten. Darüber hinaus
kommt es häufiger zu bestimmten Verhaltensbesonderheiten, wie z. B.
Bewegungsstereotypien und zu Besonderheiten in der Sprachentwicklung, wie z. B.
Pronomenverwechslungen oder echolalischer, stereotyper Sprechweise.
Auch wenn Abweichungen von der „Normalentwicklung“ sehender Kinder nicht a priori
eine (bedenkliche) Entwicklungsverzögerung darstellen, sondern Ausdruck eines
andersartigen, sehgeschädigtenspezifischen Entwicklungsweges sind (manche
Entwicklungen benötigen mehr Zeit), ist nicht zu bestreiten, dass blinde und sehbehinderte
Kinder insgesamt einem erheblichen Entwicklungsrisiko unterliegen.
Notwendigkeit einer spezifischen Herangehensweise
in der Förderung
Im Vergleich zur Förderung oder Therapie von Kindern ohne Sehbeeinträchtigung
erfordert die pädagogische Frühförderung von blinden und sehbehinderten Kindern eine
besondere methodische Herangehensweise und Methodik. Das handlungsleitende
methodische Prinzip der spezifischen Frühförderung besteht in dem Versuch, die
Einschränkung der verschiedenen Funktionen, die das Sehen normalerweise für das
menschliche Verhalten und die Entwicklung übernimmt (s. o.), durch geeignete
Maßnahmen zu kompensieren bzw. auszugleichen. Die Förderung blinder Kinder zielt
unter dieser Prämisse darauf ab, die beschriebenen Funktionen des Sehens durch die
Ermöglichung und die Förderung der Nutzung der verbliebenen Sinne, insbesondere des
Hörens und des Tastens, zu kompensieren. Beim sehbehinderten Kind geht es in der
Förderung darum, durch geeignete methodische Adaptationen die Nutzung des
verbliebenen Sehvermögens zu ermöglichen und zu fördern. Es soll erreicht werden, dass
das Sehen trotz der Beeinträchtigung bzw. Andersartigkeit seine Funktionen so weit wie
möglich übernehmen kann und das sehbehinderte Kind sein Sehen beispielsweise
einsetzt, um sich zu orientieren, Personen und Dinge zu unterscheiden und zu
identifizieren, seine Bewegungen zu steuern, gestisches und mimisches Verhalten in
sozialen Interaktionen wahrzunehmen und einzusetzen etc… In der Förderung
mehrfachbehinderter sehgeschädigter Kinder müssen diese blinden- oder
sehbehindertenspezifischen Herangehensweisen mit Methoden der Körper- und
Geistigbehindertenpädagogik sowie Prinzipien aus medizinisch-therapeutischen Verfahren
kombiniert werden. Dabei geht es jedoch nicht einfach um eine Addition von Methoden
(z. B. sehgeschädigtenspezifische Frühförderung + physiotherapeutische Übungen),
sondern in der Gestaltung von Fördersituationen sollten die verschiedenen Prinzipien so
weit wie möglich integriert werden. Voraussetzung hierfür ist hier eine enge
interdisziplinäre Kooperation der beteiligten Fachdisziplinen.
Die speziellen Herangehensweisen der Frühförderung blinder und sehbehinderter Kinder
betreffen unterschiedliche Aspekte der Förderung. Sie kommen zum Ausdruck
– in spezifischen diagnostischen Methoden und Schwerpunktsetzungen (z. B. Einsatz
spezifischer Entwicklungstests und Beobachtungsverfahren; Diagnostik des
funktionalen Sehens, des Tastverhaltens und der Orientierungs- und
Mobilitätsleistungen)
– in einer spezifischen Auswahl und Gestaltung der Fördermedien und der
Lernumgebung (z. B. Einsatz taktiler Adaptationen und akustischer Hilfen, LightBoxen, sehfreundliche Umgebungsgestaltung),
– im Einsatz besonderer optischer und nicht-optischer Hilfsmittel (z. B. Lupen,
Bildschirmlesegeräte, adaptierte Mobilitätshilfen)
– in besonderen didaktischen Methoden und Prinzipien (u. a. die Hand- bzw.
Körperführung oder das „Abfühlen“ von Bewegungen anderer Personen als
Möglichkeiten zur Vermittlung neuer Handlungsabläufe bei blinden Kindern;
schrittweiser Verhaltensaufbau („Verhaltensketten“), verbale Vorankündigungen,
präzises handlungsbegleitendes Verbalisieren …), sowie
– in spezifischen zusätzlichen Förderschwerpunkten (z. B. gezielte Förderung des
funktionalen Sehens, der taktilen Wahrnehmung, der Orientierung und Mobilität und
der lebenspraktischen Fähigkeiten.
Die hier knapp skizzierte „blinden- und sehbehindertenspezifische“ Herangehensweise
und Methodik kommt bei der Förderung sämtlicher Entwicklungsbereiche und in jeder
Interaktionssituation zum Tragen. Grundlage ist jeweils die genaue Analyse der Rolle des
Sehens für die Entwicklung in einem bestimmten Bereich, aus der sich zielgerichtete
Ansätze zur Kompensation des ausgefallenen, andersartigen oder eingeschränkten
Sehvermögens ableiten lassen.
Aufgaben der Frühförderung
Die sonderpädagogische Förderung versteht sich primär als familienbegleitende Beratung
und Förderung. Sie basiert stets auf einer umfassenden Entwicklungs- und
Förderdiagnostik, aus der dann, gemeinsam mit den Eltern, die Schwerpunkte der
Förderung abgeleitet werden. Ein wesentliches Ziel der Arbeit ist es, mit den Eltern und
dem Kind gemeinsam herauszufinden, welche Probleme die vorliegende
Sinnesbeeinträchtigung bei der Bewältigung des Alltags schafft und was sie generell für
die Entwicklung des Kindes bedeutet.
Anhand dieser Analyse werden dann die einzelnen Fördervorschläge der Frühförderung –
auch mit dem Blick auf andere, parallel erfolgende Förderungen oder Therapien – mit den
Eltern besprochen und umgesetzt.
Neben der partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit den Eltern ist die Vernetzung mit
anderen Fachleuten ein wesentliches Prinzip der Frühförderung.
Die spezifische Frühförderung blinder und sehbehinderter Kinder wird sowohl mobil im
Rahmen von Hausbesuchen und Besuchen in Kindergärten als auch stationär in den
Einrichtungen für Blinde und Sehbehinderte angeboten.
Die Aufgaben der sonderpädagogischen Förderung sind vielschichtig und umfassen
folgende Bereiche:
Individuelle Entwicklungsförderung
Die Förderung eines blinden oder sehbehinderten Kindes setzt an seinen individuellen
Stärken an. Die Grundlage für die individuelle Förderung bildet zum einen eine Sichtung
und für die pädagogische Arbeit notwendige „Übersetzung“ der medizinischen und speziell
der ophtalmologischen und orthoptischen Befunde. Für eine fundierte Förderplanung ist es
wichtig zu wissen, welche Auswirkungen z. B. eine Opticusatrophie, eine Starerkrankung,
eine Epilepsie usw. in der Regel haben und wie sie sich im Speziellen bei dem jeweiligen
Kind auswirken.
Für die konkrete Förderplanung sind eine aktuelle Beurteilung des Sehvermögens und
eine Bestimmung der Fertigkeiten des Kindes in den einzelnen Entwicklungsbereichen
notwendig. Entsprechend dem ermittelten Förderbedarf können sich die Förderangebote
auf folgende Bereiche beziehen:
– Sehen/Visuelle Wahrnehmung
– Taktile Wahrnehmung/Feinmotorik
– Akustische Wahrnehmung/Sensomotorik
– Körperwahrnehmung/Sensorische Integration
– Spiel
– Sozialverhalten/Kommunikation
– Sprache (aktiv und passiv)
– Lebenspraktische Fertigkeiten
– Orientierung und Mobilität
Methodik, Didaktik und Materialauswahl in den einzelnen Bereichen richten sich nach
Low-Vision- bzw. Prinzipien der Blindenpädagogik und orientieren sich je nach Bedarf an
Grundsätzen der Geistigbehindertenpädagogik bzw. den pädagogischen Prinzipien für
hörsehbehinderte und taubblinde Kinder.
Familienbezogene Tätigkeiten
(Tätigkeiten in und mit der Familie)
Die Zusammenarbeit mit den Eltern unter Einbezug des nahen familiären Umfeldes ist
eine Kernaufgabe der Frühförderung.
Entscheidend für eine gelingende Förderung des Kindes ist ein partnerschaftlicher
Austausch auf Augenhöhe, der den Eltern umfassende fachliche Beratung und emotionale
Unterstützung über alle Förderbelange und bei allen mit der Behinderung
zusammenhängenden Themen anbietet, sie aber zu jeder Zeit als die über die Förderung
ihres Kindes bestimmenden Akteure akzeptiert.
Im Einzelnen sind folgende Teilaufgaben zu leisten:
– Information über Art und mögliche Auswirkung der Sehschädigung und ggf. andere
Aspekte der Behinderung
– „Übersetzung“ ärztlicher und anderer therapeutischer Befunde
– Detaillierte Erklärung der geplanten Frühfördermaßnahmen bezogen auf den
Entwicklungsstandes des Kindes
– Gemeinsamer Transfer der geplanten Maßnahmen in den familiären Alltag
– Eltern-Kind-Interaktionsanalyse und ggf. Hilfestellung und Modifikation
– Unterstützende Beratung bei persönlichen Problemen von Eltern und Geschwistern
und Krisenintervention
– Netzwerkarbeit bzw. Herstellung von Kontakten zu anderen Familien und
Institutionen
– Gestaltung familienübergreifender Aktivitäten, wie z. B. Eltern-Kind-Nachmittage
oder Eltern-Kind-Wochenenden
– Information über geeignete vorschulische und spätere schulische Möglichkeiten
– Information über sozialrechtliche Belange und Möglichkeiten
Interdisziplinäre Tätigkeiten
Die Pflege der interdisziplinären Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Institutionen aus
medizinisch-therapeutischen, sozialen und behördlichen Bereichen ist nicht nur im Hinblick
auf eine frühzeitige Erfassung notwendig, sondern sie ist im Interesse des Kindes
unabdingbar, um Maßnahmen abzustimmen, Prioritäten zu setzen und ein Optimum an
Förderung zu erreichen:
– Zusammenarbeit mit Förderschulen, Förderschwerpunkt Sehen, Förderschulen
anderen Typs sowie allgemeinen Schulen
– Beratung der Mitarbeiterinnen des Kindergartens, den ein blindes oder
sehbehindertes Kind besucht, im Hinblick auf sehgeschädigtenspezifische Aspekte
(spezifische Förderung, notwendige Hilfsmittel, geeignetes Spielmaterial,
Adaptation von Medien, Umgebungsgestaltung u. a. m.)
– Zusammenarbeit mit Mitarbeiterinnen und Therapeuten anderer Institutionen
– Zusammenarbeit mit Ärzten und Augenkliniken, Gesundheits- und Schulämtern.
Folgerungen und Zielvorstellungen
Das wesentliche Anliegen der spezifischen Frühförderung für blinde und sehbehinderte
Kinder besteht darin, betroffenen Kindern die bestmögliche Förderung und ihren Eltern
eine fachlich qualifizierte Beratung zukommen zu lassen, damit die Kinder ihre Fähigkeiten
und ihre Persönlichkeit so gut wie möglich entfalten und Kind und Familie am Leben der
Gemeinschaft teilhaben können.
Die Rahmenbedingungen der speziellen Frühförderung und die Art und der Umfang der
Leistungen unterscheiden sich jedoch noch immer beträchtlich zwischen den einzelnen
Bundesländern. Die „Frühförderungsverordnung“ vom 24.06.2003 (FrühV) hat bundesweit
zu beträchtlichen Veränderungen in der Frühförderlandschaft geführt, die bislang jedoch
häufig weder für die betroffenen Frühförderstellen noch für die betreuten Kinder eine
Verbesserung der Situation darstellen. Bezüglich der überregional arbeitenden,
mehrheitlich pädagogisch besetzten speziellen Frühförderstellen für blinde und
sehbehinderte Kinder ist unklar, inwieweit sie durch die Verordnung erfasst werden, und
welche Position ihnen künftig in dem sich wandelnden System der Früherkennung und
Frühförderung behinderter Kinder zukommen wird. Auch hier zeichnen sich
unterschiedliche Entwicklungen in den verschiedenen Bundesländern ab.
Der Verband für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik e. V. (VBS) fordert in dieser
Situation, die Bedingungen für die sonderpädagogische Frühförderung blinder und
sehbehinderter Kinder da entscheidend zu verbessern, wo die allgemein als gültig
anerkannten Rahmenbedingungen noch nicht erfüllt sind. Dies betrifft die folgenden
Bereiche:
– Frühzeitige Erfassung: Eine möglichst früh einsetzende Förderung ist
Voraussetzung für eine optimale Entwicklung des sehgeschädigten Kindes. Dies ist
nur durch eine frühzeitige Erfassung beispielsweise durch ein frühzeitiges
Sehscreening durch den Augenarzt (Kinderophthalmologen) möglich.
– Sicherstellung einer spezifischen Frühförderung für blinde und sehbehinderte
Kinder durch entsprechend qualifizierte Frühförderinnen und Frühförderer
bundesweit.
– Der Zugang zur speziellen Frühförderung muss bundesweit allen blinden und
sehbehinderten Kindern sowie Kindern mit schweren visuellen
Wahrnehmungsstörungen ermöglicht werden.
– Gewährleistung einer wöchentlichen Förderung und Schaffung der dafür
erforderlichen personellen, materiellen und finanziellen Voraussetzungen, die es
ermöglichen, dem jeweiligen blinden oder sehbehinderten Kind gerecht zu werden.
– Gewährleistung ausreichender zeitlicher Ressourcen für Teambesprechungen und
Supervision, um die Qualität der Arbeit zu verbessern.
– Sicherstellung der interdisziplinären Zusammenarbeit: Die Mehrheit der blinden und
sehbehinderten Kinder weist zusätzliche Behinderungen auf und benötigt neben der
pädagogischen Förderung meist zusätzlich medizinisch-therapeutische
Behandlungen. Um den therapeutischen Fachkräften einen blinden- bzw.
sehbehindertenspezifischen Zugang zum Kind zu ermöglichen und, umgekehrt, in
der pädagogischen Förderung therapeutische Prinzipien zu berücksichtigen, ist eine
enge interdisziplinäre Abstimmung der an der Förderung beteiligten Fachkräfte
nötig. Unabhängig davon, ob die spezifische Frühförderung im Sinne der
Frühförderverordnung als Komplexleistung angeboten wird oder aber als rein
heilpädagogische Maßnahme erfolgt, muss die Finanzierung dieser
interdisziplinären Arbeitsanteile für beide Seiten (pädagogische und therapeutische
Fachkräfte) in ausreichendem Maße sichergestellt werden.
– Verbesserung der Ausbildungsmöglichkeiten während des Studiums sowie die
Bereitstellung von Rahmenbedingungen, die es ermöglichen, an der Weiterbildung
des VBS zum Frühförderer und zur Frühförderin für blinde und sehbehinderte
Kinder teilzunehmen.
– Intensive Berücksichtigung der Frühförderung und Initiierung von
Forschungsaktivitäten an den Hochschulen.
Die Arbeitsgemeinschaft Frühförderung führt regelmäßig Fortbildungsveranstaltungen
durch, die eine aktuelle und praxisbezogene Fortbildung sowie einen Austausch zwischen
Frühförderinnen und Frühförderern auch über die deutschen Grenzen hinaus
gewährleisten.
Für die AG Frühförderung
Gabriele Sifrin, Düsseldorf
Integration blinder und sehbehinderter Schülerinnen
und Schüler
Die AG Integration im VBS sieht in der Debatte um die UN-Behindertenrechtskonvention
und die Inklusion eine Chance zur Weiterentwicklung von allgemeiner Pädagogik und
Sonderpädagogik.
Situationsbeschreibung
Ohne den Begriff der Inklusion zu verwenden, hat die UN-Behindertenrechtskonvention
die Diskussion um die Weiterentwicklung des Schulsystems zu einem inklusiven befördert.
In einem solchen müssen Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem
Förderbedarf in Bezug auf Sehbehinderung oder Blindheit an den Bildungseinrichtungen,
die sie besuchen, die notwendige sehbehinderten- bzw. blindenpädagogische
Unterstützung und Beratung erhalten. Dabei darf es keine Rolle spielen, welcher Art die
besuchte Schule ist, ob es sich um eine allgemeine Schule, eine spezielle Schule für
sehbehinderte und blinde Menschen oder um eine Förderschule mit anderen
Förderschwerpunkten oder um eine berufliche Schule oder um irgendeine andere Schule
handelt und in wessen Trägerschaft diese Schule ist.
Die Gesetze aller Bundesländer ermöglichen mittlerweile den gemeinsamen Schulbesuch
von blinden und sehbehinderten Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit
sehenden. Dieser steht aber zumeist noch unter dem Vorbehalt ausreichender
personeller, sächlicher und organisatorischer Voraussetzungen. Daher bestehen oft noch
deutliche Unterschiede zwischen den Bundesländern und sogar innerhalb einzelner
Bundesländer im Hinblick auf die Realisierung integrativer (oft vorschnell „inklusiv“
genannter) Maßnahmen sowie bzgl. ihrer Ausstattung mit den notwendigen Ressourcen,
z. B. der Anzahl der Deputatsstunden, die für die spezifische Unterstützung und Beratung
von Schülerinnen und Schülern im Förderschwerpunkt Sehen zugewiesen werden.
Für Unsicherheit sorgt zudem immer noch die nicht eindeutig und vollständig geklärte
Frage der Kostenübernahme für die notwendigen Hilfsmittel, medialen Ausstattungen und
ggf. Integrationshelfer insbesondere dort, wo Kos-tenträger aus dem nicht engeren
schulischen Bereich beteiligt bzw. zu beteiligen sind, z. B. Krankenkassen oder
Eingliederungshilfe.
Auch mehrfachbehinderte Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf im
Förderschwerpunkt Sehen müssen an den von ihnen besuchten Schulen sehbehindertenund blindenspezifisch unterstützt und beraten werden. Untersuchungen legen nahe, dass
30 % der Schülerinnen und Schüler an den Schulen mit den Förderschwerpunkten
Geistige Entwicklung sowie Körperlich-Motorische Entwicklung einen zusätzlichen
Förderbedarf im Förderschwerpunkt Sehen haben. Auch diese haben Anspruch auf die
Erfüllung ihres sonderpädagogischen Förderbedarfes im Förderschwerpunkt Sehen, der
zurzeit noch nicht in allen Bundesländern angemessen gewährleistet wird.
Noch zu selten besteht ein qualifiziertes, behinderungsspezifisches Unterstützungs- und
Beratungsangebot auch für blinde oder sehbehinderte Jugendliche, die eine betriebliche
Berufsausbildung absolvieren wollen. Derartige Angebote im Übergang zwischen Schule
und Beruf sind auch deswegen verstärkt zu schaffen, um individuelle berufliche
Perspektiven für blinde und sehbehinderte Menschen zu verbreitern und deren
Randstellung auf dem Arbeitsmarkt entgegenzuwirken.
Zielsetzung
Wenn die schulische Bildung und gesellschaftliche Teilhabe von blinden und
sehbehinderten Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen unabhängig von der
Schulform, an der sie unterrichtet werden, gelingen soll, müssen unter den derzeitigen
schulpolitischen Bedingungen vor allem folgende Maßnahmen entsprechend dem
individuellen Förderbedarf verwirklicht werden:
– Systemberatung an allen Schulen mit dem Ziel, Barrieren für das Lernen und die
Teilhabe von blinden und sehbehinderten Schülerinnen und Schülern zu
identifizieren und abzubauen;
– Beratung von blinden und sehbehinderten Kindern, Jugendlichen und jungen
Erwachsenen, ihrer Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrern an allen Schulen;
– Sehbehinderten- und blindenspezifische didaktische und methodische Aufbereitung
des Unterrichts an allen Schulen;
– Bereitstellung aller notwendigen Hilfsmittel und erforderlichen Medien sowie
Einübung in den Gebrauch konventioneller und elektronischer Hilfsmittel für blinde
und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler an allen Schulen;
– Vermittlung blinden- und sehbehindertenspezifischer Arbeitstechniken;
– Unterstützung der Akzeptanz der Sehschädigung bei allen Beteiligten;
– Förderung von Orientierung- und Mobilität;
– Förderung lebenspraktischer und sozialer Fähigkeiten;
– Berufsorientierung und darauf aufbauend Unterstützung und Beratung während der
Berufsausbildung.
Umsetzungen
Um die oben genannte Zielsetzung zu verwirklichen, sind folgende Qualitätsstandards
unerlässlich:
– Für sehbehinderte Schülerinnen und Schüler an allgemein- oder berufsbildenden
Schulen sind für die mobile sehbehindertenpädagogische Unterstützung und
Beratung jeweils mindestens zwei Lehrerwochenstunden zur Verfügung zu stellen,
die in einen Pool eingestellt und gemäß den individuellen Erfordernissen eingesetzt
werden!
– Für die mobile blindenpädagogische Unterstützung und Beratung von blinden
Schülerinnen und Schülern an allgemein- oder berufsbildenden Schulen sind
jeweils mindestens zehn Lehrerwochenstunden zur Verfügung zu stellen, die in
einen Pool eingestellt und gemäß den individuellen Erfordernissen eingesetzt
werden!
– Für sehbehinderte und blinde Schülerinnen und Schüler mit zusätzlichem
Förderbedarf in den Förderschwerpunkten Geistige Entwicklung und/oder
Körperlich-Motorische Entwicklung muss ebenfalls Unterstützung und Beratung
hinsichtlich ihres Förderbedarfes im Förderschwerpunkt Sehen in ausreichendem
Maße zur Verfügung gestellt werden!
– Für sehbehinderte und blinde Schülerinnen und Schüler müssen angemessene
sächliche Voraussetzungen durch die zuständigen Kostenträger geschaffen
werden! Hilfsmittelzentren mit entsprechenden Gerätepools sind nach Möglichkeit
an den bestehenden Förderzentren für sehbehinderte und blinde Kinder,
Jugendliche und junge Erwachsene einzurichten. In jedem Bundesland ist
wenigstens ein Medienzentrum einzurichten, um didaktische Materialien und
Hilfsmittel für blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler im gemeinsamen
Unterricht bereitzustellen. Die Träger der Mobilen Dienste werden aufgefordert,
diese Medienzentren sächlich und personell so auszustatten, dass sie die
Unterstützungs- und Beratungsarbeit im gemeinsamen Unterricht effektiv entlasten.
– Für sehbehinderte und blinde Schülerinnen und Schüler sind ergänzend zu der
wohnortnahen Unterstützung und Beratung Kursangebote im Förderschwerpunkt
Sehen einzurichten und personell angemessen auszustatten. Diese dienen u. a.
dem Aufbau und der Stärkung ihres Peer-Group-Bezuges, der Stabilisierung der
Persönlichkeit, der Förderung der sozialen Kompetenz und der Vermittlung von
Techniken.
– Für Eltern von sehbehinderten und blinden Schülerinnen und Schülern sind
Informationsveranstaltungen anzubieten, die auch den Austausch von Erfahrungen
ermöglichen.
– Für Regelschullehrkräfte müssen Fortbildungsveranstaltungen angeboten werden,
die u. a. die notwendigen didaktisch-methodischen Veränderungen des Unterrichts
thematisieren.
– Für die in der Unterstützung und Beratung tätigen Sonderschullehrkräfte muss die
fachliche Anbindung mit Weiterbildungsmöglichkeiten an Einrichtungen mit
sehbehinderten- und blindenpädagogischer Kompetenz sichergestellt werden.
– Für Lehrkräfte in der sonderpädagogischen Fachrichtung „Förderschwerpunkt
Sehen“ muss das Aufgabenfeld der Unterstützung und Beratung an allgemeinen
oder beruflichen Schulen sowie in anderen Förderschulen wesentlicher Bestandteil
der Lehrerausbildung sein.
– Den mobilen Diensten im Förderschwerpunkt Sehen muss es möglich sein, mit
anderen Fachdiensten, insbesondere Psychologinnen und Psychologen,
Sozialpädagoginnen und -pädagogen, Orthoptistinnen und Orthoptisten,
Rehabilitationslehrerinnen und -lehrern für Orientierung und Mobilität sowie für
Lebenspraktische Fertigkeiten, zu kooperieren. Die entsprechenden Qualifikationen
müssen entweder im Unterstützungs- und Beratungsteam der Mobilen Dienste
vorhanden sein oder in organisierter Kooperation mit externen Fachdiensten
abgerufen werden können.
– Zur angemessenen Wahrung und Weiterentwicklung der sehbehinderten- und
blindenpädagogischen Qualität der Unterstützungs- und Beratungsarbeit muss die
Teilnahme an entsprechenden Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen, z. B. der
Arbeitsgemeinschaften im VBS, in ausreichendem Maße ermöglicht werden.
Für die AG Integration sehgeschädigter Schülerinnen und Schüler
Ulrike Hesse, Frank
Laemers,
Ute Licht, Reinhold Mahler,
Klaus Wißmann
Informationstechnische Bildung blinder und
sehbehinderter Menschen
IT-Systeme haben wegen ihrer weitreichenden Möglichkeiten als Reha-Hilfsmittel eine
herausragende Bedeutung für den gesamten Bildungsprozess blinder und sehbehinderter
Menschen. Dies gilt über die Grenzen einzelner Unterrichtsfächer, Schulformen und
Lernorte hinweg. Maßnahmen zur Qualifizierung von Pädagoginnen und Pädagogen, die
in diesem Feld arbeiten, müssen daher das sonderpädagogische Potential der neuen
Technologien in besonderer Weise berücksichtigen.
Computer als Hilfsmittel
Ein mit Zusatzkomponenten, wie Sprachausgabe, Braillezeile oder Vergrößerungssoftware
ausgestatteter Computer, ist für blinde und sehbehinderte Menschen ein Hilfsmittel, das
mehrere Arbeitsmittel und Medien ersetzt, die Sehende normalerweise für ihre tägliche
Arbeit benötigen, die aber für diesen Personenkreis gar nicht oder nur sehr eingeschränkt
nutzbar sind. Ein blinden- bzw. sehbehindertenspezifisch ausgestatteter Computer ersetzt
z. B.
– den Schreibstift und das Schulheft durch Textverarbeitungssoftware,
– Literatur und Lexika auf Papier durch elektronische Dokumente/CD-ROMs,
– Zeitschriften und aktuelle gedruckte Informationsmedien durch den Zugang zum
Internet und
– den Taschenrechner durch ein entsprechendes Programm.
Der PC erfüllt für blinde und sehbehinderte Menschen also unabhängig vom Lernort die
Funktion eines Hilfsmittels, das wesentlich zum Ausgleich der Behinderung beiträgt und
damit für die Teilhabe an Bildung gemäß Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention,
insbesondere für ein erfolgreiches Durchlaufen einer Schul- und Berufsausbildung sowie
eines Studiums, dringend erforderlich ist.
Dies wird auch aus den „Empfehlungen zum Förderschwerpunkt Sehen - Beschluss der
Kultusministerkonferenz vom 20.03.1998“ deutlich:
„Der Einsatz moderner Elektronik, z. B. Scanner, PersonalComputer, Braille-Zeile oder
Sprachausgabe sowie computergestützte Schnelldrucker für Punktschrift, ermöglicht es
sehgeschädigten Menschen, einen schnellen, zuverlässigen und umfassenden Zugang zu
gedruckten Veröffentlichungen für Sehende zu erlangen. Die Einführung in den Umgang
mit diesen Systemen muss auf die individuelle Sehschädigung abgestimmt sein. Die
Hinführung zum Einsatz elektronischer Hilfsmittel ist für sehgeschädigte Schülerinnen und
Schüler von zukunftsweisender Bedeutung.
Sehbehinderte Schülerinnen und Schüler arbeiten in der Regel mit den bei Sehenden
üblichen Schriftsystemen. Dies erfordert in vielen Fällen eine Modifikation von
Schriftgröße, Kontrast und ggf. den Einsatz von speziellen Leuchten, optischen und
elektronischen Hilfsmitteln wie Brillen, Lupen, Fernrohrlupenbrillen, Bildschirmlesegeräten,
Computern mit speziellen Peripheriegeräten und eigener Software.“
Problemfelder und Anforderungen
Den positiven Möglichkeiten der neuen Technologien stehen allerdings einige Probleme
gegenüber:
– Die speziellen IT-Systeme für Blinde und Sehbehinderte sind sehr teuer. Ihre
Kosten übersteigen bei weitem die Kosten für einen normalen
Computerarbeitsplatz.
– Die speziellen Zusatzgeräte, die Sehgeschädigte benötigen, um damit einen
Ausschnitt des Computerbildschirms lesen zu können, ermöglichen zwar den
Zugang, bringen für sie aber im Vergleich zu sehenden Computernutzern nur eine
eingeschränkte Informationsaufnahme mit sich - bei gleichzeitig erhöhtem
Bedienungsaufwand. Dies muss bei der Vermittlung von IT-Fertigkeiten in
besonderer Weise berücksichtigt werden.
– Moderne Betriebssysteme und ihre Oberflächen wie z. B. Microsoft Windows sind
mit Screenreader zugänglich. Da sie aber auf einer sehr am Visuellen
ausgerichteten Form der Mensch-Maschine-Kommunikation basieren, müssen
alternative Bedienkonzepte speziell für diesen Anwenderkreis erarbeitet und
vermittelt werden.
– Die Unterrichtskonzepte und Materialien, die in der Informationstechnischen Bildung
an allgemeinen Schulen und in Bildungseinrichtungen für Sehende eingesetzt
werden, sind für den Unterricht mit Sehgeschädigten in der Regel nur bedingt
geeignet. Hier ist – ergänzend oder alternativ – eine Methodik und Didaktik sicher
zu stellen, die den Erfordernissen blinder und sehbehinderter Lernender Rechnung
trägt.
– Der großen Leistungsfähigkeit und Komplexität moderner Informationstechnologien
muss eine entsprechend große pädagogische Kompetenz entgegengestellt werden.
Nicht zuletzt wegen der zusätzlichen Hard- und Software, die im SehgeschädigtenBildungswesen benötigt wird, muss das entsprechende IT-Wissen der hier
Unterrichtenden um einiges umfangreicher sein, als dies in allgemeinen Schulen
notwendig ist. Bislang gibt es aber in diesem Bereich keine ausreichenden
Qualifizierungsangebote für Sehgeschädigtenpädagoginnen und -pädagogen,
weder in der Ausbildung zum Sonderpädagogen noch im Bereich der Lehrerfortund -weiterbildung.
Ziele, Aufgaben und Forderungen des VBS
Der VBS initiiert und unterstützt Aktivitäten, die der (Weiter-)Entwicklung einer
informationstechnischen Bildung für blinde und sehbehinderte Menschen dienen. Er setzt
sich u. a. ein
– für eine adäquate Versorgung von Schülerinnen und Schülern sowie
Auszubildenden und Studenten mit entsprechenden elektronischen Hilfsmitteln,
– für einen barrierefreien Zugang zu elektronischen Unterrichtsmedien,
– für IT-Schulungen auf der Basis des ECDL (European Computer Driving Licence),
die die besonderen Arbeitsbedingungen sehgeschädigter Computeranwender
angemessen berücksichtigen und
– für entsprechende Fort- und Weiterbildungsangebote für Blinden- und
Sehbehindertenpädagoginnen und -pädagogen.
Zu diesem Zweck richtet sich der VBS an alle Sehgeschädigtenpädagoginnen und pädagogen mit einem Angebot regelmäßig stattfindender Fortbildungsveranstaltungen,
deren Aufgabe es allerdings nicht sein kann, IT-Grundkenntnisse und -fertigkeiten zu
vermitteln. Um die Vermittlung solcher Basisqualifikationen, wie sie z. B. durch den
Lehrplan des ECDL abgedeckt werden, zu gewährleisten, richtet er sich
– an die entsprechenden staatlichen Institutionen mit der Forderung nach
angemessenen Lehreraus- und -weiterbildungsmaßnahmen. Er wendet sich ferner
– an die Schul- und Kostenträger mit der Forderung, die betroffenen behinderten
Menschen sowohl individuell als auch die entsprechenden Bildungseinrichtungen
für blinde und sehbehinderte Menschen institutionell angemessen mit Hard- und
Software auszustatten,
– an die Hilfsmittelhersteller mit der Forderung, bei der Entwicklung, der Produktion
und dem Vertrieb dieser Geräte auch blinden- und sehbehindertenpädagogische
Anforderungen zu berücksichtigen,
– an Unternehmen und Forschungseinrichtungen mit der Bitte um Unterstützung bei
der Durchführung notwendiger Neuentwicklungen und Adaptionen im Hard- und
Softwarebereich. Schließlich wendet er sich
– an die zuständigen staatlichen Stellen mit dem Angebot zur Zusammenarbeit bei
der curricularen Ausgestaltung von Lehrplänen in Bezug auf eine
informationstechnische Bildung für blinde und sehbehinderte Schülerinnen und
Schüler, Auszubildende und Studenten.
Bei der Verfolgung dieser Ziele strebt der VBS eine enge Zusammenarbeit mit den
Verbänden der Selbsthilfe blinder und sehbehinderter Menschen an.
Für die AG Informationstechnologie
Michael Schäffler,
Ilvesheim
Low-Vision
„Low Vision” heißt wörtlich übersetzt “Herabgesetztes Sehvermögen”. Im Kontext von
pädagogischer Beratung und Förderung bezeichnet “Low-Vision” die optimale Nutzung
des verbliebenen Sehvermögens in der Habilitation und Rehabilitation von Menschen mit
einer Sehschädigung.
Situationsbeschreibung und Personenkreis
Low-Vision betrifft Personen mit einer Sehschädigung in jeder Altersstufe. Jeder
Lebenskontext erfordert seine individuellen Zugangsweisen und bedingt auch seinen
eigenen pädagogischen Beratungs- und Förderbedarf, ob in der Frühförderung, in der
Schule, im Beruf, in der Rehabilitation oder im hohen Lebensalter.
So betont die Klassifikation der WHO in der International Classification of Functioning,
Disability and Health (ICF) besonders die Bedeutung der Umweltbedingungen und
Veränderbarkeit von Kontextbedingungen. Damit wird ein relationales Verständnis von
Behinderung postuliert, welches Konsequenzen für alle pädagogischen und rehabilitativen
Theorien und Handlungen zur Folge haben muss.
Eine der Hauptursachen für Sehschädigungen im Kindesalter sind cerebral bedingte
Sehfunktionsveränderungen (CVI) bzw. Beeinträchtigungen der visuellen Wahrnehmung.
Hier ist, bezogen auf die funktionale Diagnostik und die Förderung, ein hoher Bedarf an
Forschung und Fortbildung auch weiterhin notwendig.
Ein großer Teil der Menschen mit körperlichen und/oder geistigen Beeinträchtigungen hat
auch Seheinbußen und ist hinsichtlich der medizinischen Versorgung und pädagogischen
Beratung und Unterstützung unterversorgt.
Die veränderte Altersstruktur in Deutschland hat zur Folge, dass es stetig zunehmend
Menschen im Seniorenalter mit erhöhtem Vergrößerungsbedarf, Kontrastproblemen,
Sehfeldeinschränkungen und visuell bedingten Wahrnehmungsbeeinträchtigungen (z. B.
durch Schlaganfall) gibt. Sie bedürfen zunehmend einer Low-Vision-Beratung und Versorgung.
Zur Beratung und Versorgung von Menschen mit herabgesetztem Sehvermögen stehen
im deutschsprachigen Raum einzelne sog. „Sehbehinderten-Beratungsstellen“ oder „Ambulanzen“ zur Verfügung, die meistenteils - bis auf wenige Ausnahmen - an
Augenkliniken angeschlossen sind. Bis heute fehlt es in Deutschland aber leider an einem
flächendeckenden Netz von Low-Vision-Beratungszentren. Um dem entgegen zu wirken,
werden für die Berufsgruppen der Augenoptiker/innen und der Orthoptist/innen
Qualifizierungs- bzw. Weiterbildungsmaßnahmen für den Bereich Low-Vision angeboten.
Zielvorstellung und Konzeption
Low-Vision-Experten befassen sich mit der Einschätzung und Förderung des funktionalen
Sehvermögens sowie der Beratung und Unterstützung von Menschen mit einer
Sehschädigung. Dabei können optische, elektronische und ergonomische Hilfen und
Hilfsmittel, das Erlernen spezieller Sehstrategien sowie Veränderungen in der Gestaltung
der Umwelt ihre Anwendung finden.
Low-Vision-Experten arbeiten eng zusammen mit:
– Frühförder/innen
– Lehrer/innen
– Eltern von Kindern mit einer Sehbehinderung
– Orthoptist/innen
– Augenärzt/innen
– (Neuro-)Psycholog/innen
– Augenoptiker/innen
– Rehabilitationsfachkräften sowie
– allen an diesem Arbeitsfeld interessierten Menschen.
Per definitionem arbeiten in der Low-Vision-Versorgung Fachleute aus verschiedenen
Bereichen zusammen mit dem Ziel, nicht nur zwischen blind und sehend zu
unterscheiden, sondern auf die dazwischen liegenden Abstufungen des Sehvermögens
einzugehen, die Schwierigkeiten, die sich für den einzelnen ergeben können, zu erkennen
und mit der betroffenen Person gemeinsam mögliche Hilfen und Lösungen zu erarbeiten,
mit denen die Person ihr vorhandenes Sehvermögen optimal nutzen kann.
Eine Low-Vision-Beratung und -Förderung beinhaltet folgende Arbeitsschritte:
– Ermittlung des Rehabilitationsziels
– Erfassung der Sehschädigung sowie Informationen über deren Verlauf und Ursache
– Analyse des Funktionsverlustes bzw. der Art und Weise des funktionalen Sehens
– Anpassung vergrößernder Sehhilfen (optische, elektronische und ergonomische)
– Wiederherstellung der Lesefähigkeit
– Verbesserung im dinglich-räumlichen Umfeld (Licht, Farbe, Kontrast).
Eine optimale Förderung des Sehvermögens kann nur gelingen in Verbindung mit
Frühförderung, Sonderpädagogik, schulischer und beruflicher Integration, Orientierung
und Mobilität (O&M), Lebenspraktischen Fähigkeiten (LPF). Zum Aufgabenfeld gehören
auch:
– Rehabilitation im Alter
– Unterstützung im sozialen Umfeld und psychosoziale Beratungsangebote
– Kontakt bzw. Kooperation mit Krankenkassen, Ärzten, Augenoptikern,
medizinischen Fachdisziplinen, Pädagogen, Selbsthilfeverbänden.
Damit wird deutlich, dass Low-Vision eine ganzheitliche Grundhaltung erfordert, die die
betroffene Person mit einer Sehschädigung in all ihren Lebensbezügen berücksichtigt.
Umsetzung und Zukunftsperspektiven
Die Low-Vision-Versorgung und -Förderung verlangt eine kompetente sowie individuelle
und bedarfsgerechte Herangehensweise. Dabei ist es ein Anliegen, neben der Anpassung
von und Versorgung mit Hilfsmitteln auch psycho-soziale Beratung anzubieten und in die
pädagogische Förderung und Rehabilitation zu integrieren.
So wäre zu fordern, dass bei allen Säuglingen und Kleinkindern ein umfassendes
Sehscreening zur frühzeitigen Erkennung von okular und auch cerebral bedingten
Sehschädigungen durchgeführt würde. Des Weiteren sollte für Kinder mit einer
Sehschädigung - vom Säuglings- bis zum Jugendalter - eine regelmäßige Low-VisionBeratung etabliert werden. Auch für Erwachsene mit einer Sehschädigung müssen
Strukturen aufgebaut werden, die flächendeckend eine niedrigschwellige und qualifizierte
Low-Vision-Beratung und -Versorgung garantieren. Dies muss sowohl für Erwachsene im
erwerbstätigen Alter wie auch für die größer werdende Gruppe von Senior/innen mit spät
erworbener Sehschädigung erreicht werden.
In Deutschland ist die Low-Vision-Versorgung noch eher geräteorientiert. Besser jedoch
wären Finanzierungsmodelle, die vielmehr auf die individuelle Beratung abzielen. Hierbei
sind neben der Frage der optischen Versorgung oder der habililtativen bzw. rehabilitativen
Bedarfe sowohl (Hilfsmitttel-)Trainings- und Schulungsmöglichkeiten bei Low-Vision als
auch psycho-soziale Fragestellungen mit einzubeziehen.
Des Weiteren muss in der Aus- und Weiterbildung für eine systematische
Wissensvermittlung und Qualitätssicherung gesorgt werden, so dass eine hohe
Fachlichkeit in der Low-Vision-Arbeit gewährleistet ist. Im Mindesten wäre eine
umfassende Aus- und Weiterbildung für jeden im Low-Vision-Bereich Tätigen zu fordern.
Noch besser wäre die Etablierung eines eigenständigen Berufsbildes zum Low-VisionSpezialisten / zur Low-Vision-Spezialistin (wie beispielsweise in der Schweiz oder in den
USA).
Über die Sicherstellung der Low-Vision-Beratung hinaus ist es notwendig, die
Öffentlichkeit über entsprechende Beratungsstellen und ihre Leistungen zu informieren.
Sich hier für ein verbessertes Angebot zu engagieren und für eine wachsende
Transparenz zu sorgen ist auch künftig die Aufgabe der Low-Vision-Arbeit.
Dazu gehört eine selbstverständliche Bereitschaft zu einer inter- und transdisziplinären
Zusammenarbeit. Um dies zu verwirklichen, ist nach wie vor der Ausbau eines Netzwerks
von verschiedenen miteinander kooperierenden Fachdisziplinen aus den Bereichen
Pädagogik, Medizin, Augenoptik, (Neuro-)Psychologie und Rehabilitation anzustreben.
Ebenfalls erforderlich ist ein stetes Bemühen um die Implementation neuer
Forschungsergebnisse in die aktuelle Diskussion mit dem Ziel der Weiterentwicklung
bestehender Konzepte; ebenso auch die Organisation und Durchführung von Vorträgen,
Fortbildungen und Tagungen.
Für die AG Low-Vision
Kirsten Wahren-Krüger,
Frank Laemers
Blinde und sehbehinderte Menschen mit zusätzlichen
Beeinträchtigungen
Für blinde und sehbehinderte Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit zusätzlichen
Beeinträchtigungen ist die Teilhabe am Leben und am Lernen sowie die Teilhabe am
Arbeitsprozess grundlegend erschwert. Somit ist ein spezifischer und eigenständiger
Förderbedarf gegeben.
Förderbedarf
Blinde und sehbehinderte Menschen mit zusätzlichen Beeinträchtigungen haben in allen
lebenspraktischen Belangen einen erheblichen Mehrbedarf an Förderung und
Unterstützung. Die Wahrnehmung und Kontrolle der Umwelt, die für einen
konstruktivistischen Umgang mit der Lebenswelt erforderlich sind, erfolgen taktil
und/(oder) im Zusammenwirken von Gehör-, Tast-, Geruchs- und Geschmackssinn, von
Gedächtnisleistung und Vorstellungsvermögen. Visuelle Eindrücke sind oft kein
zuverlässiges Abbild der Realität und führen bei sehbehinderten Menschen mit weiteren
Beeinträchtigungen zu einem deutlich erschwerten Lern- und Verarbeitungsprozess, zu
unvollständigen Informationen im Erwerb von Erfahrungen und Kompetenzen.
Der Förderbedarf ist demzufolge nicht nur allein auf den Bereich Sehen beschränkt,
sondern umfasst auch die Bereiche Hören, Sprache, geistige Entwicklung, emotionale
und/oder soziale Entwicklung, Lernen, motorische und körperliche Entwicklung.
Wenn die Förderung in diesen Bereichen den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen
entspricht, ist es möglich, eine echte Teilhabe am Lernprozess, insbesondere im Hinblick
auf die inklusive Beschulung, zu realisieren. Diese Unterstützung ist aber auch zur
Sicherstellung beruflicher Teilhabe erforderlich.
Nur durch eine angemessene Unterstützung ist eine soziale Einbindung, verbunden mit
weitestgehender Autonomie, zu erreichen. So wie das Kind oder der Jugendliche der
allgemeinen Schulpflicht nachkommen möchte, hat der Erwachsene den Wunsch nach
Ausbildung, Arbeit oder das Interesse einer ihm möglichen Betätigung nachgehen zu
wollen. Dadurch wird Förderung ein wichtiges Element für die Identitätsfindung der
Menschen mit mehrfachen Beeinträchtigungen.
Der individuelle und für diese Personengruppe spezifische Bedarf stellt die Grundlage für
den sonderpädagogischen Handlungsrahmen. Die Förderung ist geprägt durch das
interdisziplinäre Handeln der verschiedensten wesentlichen Berufsgruppen in der Arbeit
mit Menschen mit Behinderung. Das Anknüpfen an Fähigkeiten und Fertigkeiten in der
spezifischen Förderung ist eine unabdingbare Grundlage, um Entwicklung und den Erhalt
von Erlerntem möglich zu machen.
Orte und Ziele des Lernens und der Förderung
Prinzipiell soll der Lernort gewählt werden, der den besonderen Bedürfnissen und der
Persönlichkeitsentwicklung der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen am besten
entspricht. Dies kann das Förderzentrum mit dem Förderschwerpunkt Sehen sein, ebenso
aber die wohnortnahe Regelschule, in der der besondere Förderbedarf durch
entsprechende qualifizierte Hilfen gegeben ist.
Die Verfügbarkeit von Personal mit spezifischem Fachwissen, eine garantierte
interdisziplinäre Zusammenarbeit sowie die ausreichende Versorgung mit speziellen Hilfs-,
Lehr- und Lernmittel sind zu gewährleisten.
Blinde und sehbehinderte Menschen mit zusätzlichen Beeinträchtigungen bedürfen nach
Erfüllung der Schulpflicht eines Arbeitsplatzes in einer Werkstatt für behinderte Menschen,
einer Tagesförderstätte oder eines anderen adäquaten Arbeitsplatzes auf dem ersten
Arbeitsmarkt, der dem besonderen Unterstützungs- und Förderbedarf dieses
Personenkreises entsprechen kann.
Lebenslanges Lernen
Förderung und Lernen sind untrennbar miteinander verbunden und stellen in dieser
Verbindung eine notwendige Voraussetzung zur Teilhabe am Leben und an der Arbeit dar.
Dies gilt ein Leben lang, auch und gerade für blinde und sehbehinderte Menschen mit
zusätzlichen Beeinträchtigungen.
Das Leben lehrt, dass lebenslanges Lernen ein ständiges Muss zur Entwicklung und zum
Erhalt von Fähigkeiten und Fertigkeiten ist. Lebenslanges Lernen hat in den letzten
Jahrzehnten steigende Aufmerksamkeit erhalten und den Einzug in viele
bildungspolitische Forderungen und Konzepte gefunden. Die Europäische Kommission hat
daraufhin ein „Memorandum über lebenslanges Lernen“ vorgelegt. Danach kann Lernen
nicht nur in Alters- und Klassenstufen oder nach rechtlicher Verpflichtung gewürdigt
werden, sondern ist als Bestandteil des gesamten Lebens zu betrachten. Lebenslanges
Lernen und damit verbundene fachgerechte Förderung dieses Personenkreises ist
notwendig, um
– den Aufbau und den Erhalt einer Ich-Identität zu stützen;
– die Entwicklung eines Lebenszutrauens zu stärken;
– eine den Fähigkeiten entsprechende Schulbildung zu erreichen;
Dies ist wiederum Voraussetzung dafür,
– sich für eine berufliche Tätigkeit zu qualifizieren,
– und diese mit entsprechender Unterstützung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
auszuüben
– oder berufliche Teilhabe im Rahmen einer Werkstatt für behinderte Menschen zu
realisieren;
– eine Sicherung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten.
Der VBS setzt sich dafür ein, dass diese Positionen einer fachlich interessierten
Öffentlichkeit zugänglich gemacht sowie inhaltliche Diskussionen initiiert und Standpunkte
erarbeitet werden. Dadurch sollen notwendige Rahmenbedingungen entwickelt werden,
die es blinden und sehbehinderten Menschen mit zusätzlichen Beeinträchtigungen
ermöglichen, eine berufliche und soziale Teilhabe auch tatsächlich zu realisieren.
Für die VBS-AG Mehrfachbehinderung
Dr. Ina Madlener, München
Heike Schäfer, Chemnitz
Musikerziehung blinder und sehbehinderter Menschen
Musik durchdringt in unserer modernen Welt alle Lebensbereiche, ist stets präsent und
spricht alle Menschen an. Die Anziehungskraft und Faszination, die von Musik und Tanz
ausgehen, sind unabhängig von Lebensalter, Intelligenz, Kulturkreis, von
Wahrnehmungsdefiziten und Behinderungen. Sie vermittelt Lebensfreude, kann das
Selbstvertrauen stärken und Erfolgserlebnisse verschaffen. Musik kann als universale
Sprache betrachtet werden und gilt als eines der besten und vor allem weit gefächertsten
Kommunikationsmittel.
Die Musikerziehung blinder und sehbehinderter Kinder und Jugendlicher ist ein wichtiger
Bestandteil blinden- und sehbehindertenpädagogischen Handelns von der Frühförderung
über die schulische bis zur beruflichen Bildung. Die Musik als Teil der akustischen Welt ist
der kulturell-ästhetische Bereich, der blinden und sehbehinderten Menschen
uneingeschränkt zugänglich ist. Die musikalische Bildung und Erziehung trägt somit
maßgeblich dazu bei, blinden und sehbehinderten Menschen soziale Teilhabe zu
ermöglichen.
Der Musikunterricht bildet einen Schwerpunkt der ästhetischen Erziehung. Aktives
Musizieren fördert die körperliche, geistige und seelische Entwicklung und kann daher als
ganzheitliche Förderung betrachtet werden.
Blinde und sehbehinderte Kinder neigen oft zur Passivität, da ihnen visuelle Reize und
Herausforderungen zur Bewegungsmotivation fehlen oder diese nur eingeschränkt
wahrgenommen werden. Musik motiviert durch ihren hohen Aufforderungscharakter zur
Bewegung. Im gezielten Musik-, Rhythmus- und Tanzunterricht bietet sich die Chance
Eigenaktivität anzuregen, das oftmals kleine Bewegungs- und Ausdrucksrepertoire zu
erweitern und zu differenzieren sowie Körperwahrnehmung, Raumorientierung und
Bewegungskoordination zu fördern.
Die große Heterogenität der Schulklassen und die inklusive Beschulung fordern stetig
Differenzierungsmöglichkeiten, die gerade die Musik aufgrund ihrer Vielfältigkeit bieten
kann. So können sich Schüler und Schülerinnen mit unterschiedlichsten Begabungen,
Interessen und Entwicklungsniveaus beim Singen und Musizieren zu gleichen Aufgaben
engagieren, auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten und am erfolgreichen Gelingen
teilhaben.
Deshalb ist es wichtig, dass blinden und sehbehinderten Kindern und Jugendlichen durch
die Frühförderdung, während der gesamten Schulzeit im allgemeinen Musikunterricht
sowie im Freizeitbereich ein blinden- und sehbehindertenpädagogisch fundiertes, breit
gefächertes Spektrum der musischen Förderung angeboten wird.
Wichtige Inhalte und didaktische Überlegungen
– Auditive Wahrnehmungsförderung auch als fächerübergreifendes Prinzip
– Förderung der Körperwahrnehmung durch Bewegung und Tanz
– Singen und aktives Musizieren als zentrale Tätigkeit im Musikunterricht auch unter
dem Aspekt der sozialen Bedeutung
– Gezieltes Musikhören zur Förderung der Konzentration und der Entspannung,
sowie der Raumorientierung und der Bewegungskoordination
– Vermittlung musikalischer Grundlagen und Instrumentenkunde
– Vermittlung der Grundkenntnisse der Blinden-Notenschrift. Die Vertiefung kann in
der Folge im Einzel- bzw. Instrumentalunterricht stattfinden
– Musikalische Förderung von mehrfach behinderten Kindern und Jugendlichen und
entsprechende therapeutische Angebote
– Förderung von individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten in Bezug auf mögliche
Berufsgestaltung bzw. Freizeitaktivitäten zur sozialen Teilhabe am
gesellschaftlichen Leben, wie Chor, Band und Instrumentalgruppen.
– Arbeitsgemeinschaften, wie Trommelkurs, Chor und Bandspiel, und Hilfestellung,
den geeigneten Instrumentalunterricht zu finden
– Bereitstellung von Spielräumen und Spielmöglichkeiten
– Interdisziplinäre Arbeit mit Fachkollegen, Erziehern und Erzieherinnen der
Internatsbereiche und Wohnheime, Kollegen der Regelschulen und Musikschulen
und Vereine
– Vermittlung von Musikkultur und die Teilhabe an ihr, z. B. an Live-Konzerten,
Konzertproben, Opern etc.
– Organisation von Auftritten - öffentliches Musizieren und Auftritte von
Schülerensembles als Grundlage einer aktiven und fachbezogenen
Öffentlichkeitsarbeit.
Ein wichtiger Aspekt in der heutigen Zeit ist die Digitaltechnik im Musikunterricht. Die
modernen Medien bieten sich als unterstützendes Arbeitsmittel hervorragend an und
bekommen auch im Musikunterricht mit Jugendlichen eine steigende Bedeutung. Der
Musikunterricht kann hier einen Einblick in die moderne Welt der Komposition und
Produktion gewähren. Gerade die „digitale Perfektion“ erfordert es, sehr genau zu
vermitteln, wie Musik eigentlich funktioniert, und wirft nicht alte Werte über Bord zugunsten
einer „Medienmanie“, sondern bietet Chancen:
– In Schülern wird das Interesse geweckt, die Theorie der Musik zu erlernen und zu
verstehen, um sich mit Hilfe digitaler Möglichkeiten selbst zu verwirklichen.
– Ihre Kreativität wird durch die vielfältigen Umsetzungsmöglichkeiten gefördert.
– Die Umsetzung kann fächerübergreifend erfolgen, z. B. sind PC-Kenntnisse zur
Informationsbeschaffung und Bearbeitung eine notwendige Voraussetzung. Das
musikalische Interesse erfordert ein Training im Umgang mit dem PC und den
entsprechenden blinden- und sehbehindertenspezifischen Hilfsmitteln und
Programmen
– Über die Zusammenarbeit mit sehenden Schülerinnen und Schülern bzw. Musikern
in gemeinsamen Projekten können die soziale Teilhabe und der fachliche
Austausch gefördert werden.
Das Unterrichtsfach Musik bekommt auch deshalb eine besondere Bedeutung, da für
blinde und sehbehinderte Menschen neben den vielen anderen positiven Auswirkungen in
diesem Bereich gesellschaftliche Teilhabe und eine eventuelle berufliche Orientierung gut
barrierefrei zu gestalten sind. Gerade im musischen Bereich finden sich vielfältige
Chancen im Sinne einer inklusiven Umsetzung.
Darum sollten Musik, die musikalische Förderung und die didaktischen Überlegungen für
blinde und sehbehinderte Schüler und Schülerinnen unabhängig vom Unterrichtsort einen
entsprechend hohen Stellenwert haben und die nötige Wertschätzung erhalten.
Im Lehrplan für das Fach Musik sind nur ein bis zwei Unterrichtsstunden Musik pro Woche
vorgesehen. Wünschenswert wäre insbesondere für blinde und sehbehinderte Kinder die
Erhöhung der Stundenzahl. Doch musikalische Förderung kann – wie oben beschrieben –
auch in vielen anderen Unterrichtsbereichen und vor allem im Freizeitbereich geschehen.
Wir erleben sehr positiv, dass wir mit den Fortbildungsangeboten der AG Musik Mitarbeiter
aus allen Lebensbereichen blinder und sehbehinderter Menschen ansprechen und
motivieren können. Daran gilt es weiterzuarbeiten.
Musiktherapie
Die Musiktherapie findet ihre therapeutischen Kontakte stärker über das Sinnesorgan Ohr.
Das Ohr hat gegenüber dem Auge hervorragende Eigenschaften, es nimmt psychische
und physikalische Schwingungen genauer wahr und wir finden über den Gehörsinn
leichter Zugang zu unseren Gefühlen als über das Auge. Das Ohr wird als das „Tor zur
Seele“ bezeichnet.
In der Musik liegt die Fähigkeit zum Symbolisieren und Widerspiegeln. Die musikalischen
Elemente, wie Klangfarbe, Lautstärke, Tonhöhe, Rhythmus und Dynamik zeigen eine
engere Verbindung zu dem, was emotional ausgedrückt werden soll, als gesprochene
Worte. Musik mit ihrem symbolischen und nonverbalen Charakter ermöglicht gerade dort
Kommunikation, wo diese verbal und visuell nicht möglich ist. Auf musikalischer Ebene ist
es möglich Kontakt aufzunehmen, zu kommunizieren, Intensionen wahrzunehmen und
darauf zu reagieren.
Blinden und sehbehinderten Menschen bietet gerade diese Therapieform einen
akustischen Real-Raum, der einerseits Schutz und Abgrenzung von der fordernden
Außenwelt bietet, aber auch einen Raum für Entfaltung der Kreativität und für den
Ausdruck spontaner Gefühle und Phantasien bereitet. In diesem geschützten Spielraum
stehen weder Leistungserwartung noch Bewertung im Vordergrund.
Durch die Musiktherapie eröffnen sich neue Blickwinkel auf die Potentiale, die auf Grund
der Behinderung oft verborgen sind. In der Aktion mit Musik können die Kinder neue
Möglichkeiten entdecken und im lustvollen Spiel ihre kreativen und schöpferischen
Quellen aufspüren. Hier wird nicht die Behinderung zum Thema, sondern das Gesunde,
Kreative, das spielerische und musikalische Potential. Gerade da, wo behinderungs- und
krankheitsbedingte Begrenzungen freies, intentionales Handeln einschränken, kann Musik
den Kindern und Jugendlichen neue Erfahrungs- und Erlebniszugänge verschaffen und
dadurch neue Entwicklungsschritte anbahnen und bereits begonnene verstärken.
Für die AG Musik
Beate Hesse, Friedberg
Naturwissenschaftlicher Unterricht
Naturwissenschaftlicher Unterricht mit blinden und sehbehinderten Schülerinnen und
Schülern sucht die Balance zwischen den curricularen Vorgaben der Kultusministerien auf
der einen Seite und den Anforderungen einer blinden- und sehbehindertenpädagogischen
Methodik und Didaktik auf der anderen Seite. Im Vordergrund steht das Anknüpfen an
Umwelterfahrungen und das Hinführen zu wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Die Empfehlung der Kultusministerkonferenz von 2009 zur Stärkung der mathematischnaturwissenschaftlich-technischen Bildung deklariert diese als „grundlegenden Bestandteil
zeitgemäßer Allgemeinbildung“. Sie sei „eine wesentliche Voraussetzung für die aktive
Teilhabe eines jeden Einzelnen an gesellschaftlicher Kommunikation und
Meinungsbildung über technische Entwicklung und naturwissenschaftliche Forschung“
(KMK 2009, S. 1). Folglich ist die Bildung blinder und sehbehinderter Menschen in den
Naturwissenschaften ein wichtiger Baustein für ihre gesellschaftliche Teilhabe. Die von der
Kultusministerkonferenz entwickelten Bildungsstandards für die naturwissenschaftlichen
Fächer müssen gegebenenfalls durch blinden- und sehbehindertenspezifische Methoden
und Verfahrensweisen umgesetzt werden.
Die Empfehlung der Kultusministerkonferenz sagt außerdem über die mathematischnaturwissenschaftlich-technische Bildung: „Sie verhilft zum Verständnis der modernen
Welt und ihrer prägenden Kräfte und Wirkungen“. (KMK 2009, S. 1) Um dieses Ziel auch
für blinde und sehbehinderte Menschen zu erreichen, muss der Unterricht an deren
Vorerfahrungen anknüpfen, welche möglicherweise von denen normal sehender
Menschen abweichen. Umso wichtiger ist das Ermöglichen eines phänomenologischen
Zugangs aus der Alltagswelt der Lernenden, um immer wieder den Bezug zu ihrer Umwelt
begreiflich zu machen.
Das Experimentieren sollte (auch und gerade) im naturwissenschaftlichen Unterricht mit
blinden und sehbehinderten Menschen eine zentrale Rolle spielen, da hierbei die
Prinzipien des handelnden Lernens und der Einsatz vieler Sinne gefördert werden. Hierbei
stellen klar strukturierte, übersichtliche Versuchsaufbauten eine wesentliche Grundlage
dar. Das schülerorientierte Durchführen von Experimenten stärkt ihre Handlungs-,
Methoden- und Sachkompetenz und nimmt damit wichtige blinden- und
sehbehindertenpädagogische Lernziele in den Focus. Es ermöglicht außerdem die
Berücksichtigung individueller Lernprozesse, z. B. durch das Entwickeln eigener
Lösungswege.
Die Fertigkeit, spezielle Messgeräten zu nutzen, und das Erlernen spezieller
Arbeitstechniken, die für blinde und sehbehinderte Menschen entwickelt oder gut für sie
geeignet sind, stellen hierbei eine weitere elementare Grundlage dar. Gleichzeitig müssen
insbesondere beim Einsatz von Messgeräten die Vielseitigkeit ihrer Einsatzmöglichkeiten,
ihr Nutzen für den Alltag und die Anschaffungskosten gegeneinander abgewogen werden.
Insbesondere für blinde Menschen müssen Aspekte der Notation berücksichtigt werden.
Hierzu gehören Brailleschriftsysteme, wie Mathematik- oder Chemieschrift genauso wie
Möglichkeiten, grafische Darstellungen von Diagrammen oder Verlaufskurven
nachvollziehbar taktil umzusetzen. Dem schließt sich die Auseinandersetzung mit der
Erkenntnissicherung und ihrer Interpretation an, bei der die Verwendung von Zeichnungen
und Abbildungen in Umfang, Komplexität und Notwendigkeit dem Einsatz von Modellen
oder sprachlicher Darstellungsform gegenübergestellt werden muss.
Die derzeitige Praxis in der Bildung blinder und sehbehinderter Menschen zeigt, dass die
Lehrkräfte, welche sich mit diesem Thema beschäftigen, sehr unterschiedliche
Qualifikationen und Blickwinkel mitbringen. Häufig bedarf es kreativer Ideen Einzelner, um
die vielen Facetten der Fächer mit blinden- und sehbehindertenpädagogischen Hinweisen
abzudecken. Daher ist es Ziel der VBS-AG Naturwissenschaften, für alle Interessierten,
ein Forum des Austausches zu sein. Dies gilt sowohl für diejenigen, die nach Ideen
suchen, als auch für diejenigen, die diese einbringen können und möchten.
Literaturverzeichnis
Kultusministerkonferenz (2009): Empfehlung der Kultusministerkonferenz zur Stärkung der mathematischnaturwissenschaftlich-technischen Bildung(Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 07.05.2009);Online
im Internet: http://www.kmk.org/ fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2009/2009_05_07-EmpfMINT.pdf
Für die AG Naturwissenschaften
Jutta Duncker, Marburg
Imke Heinecke, Schleswig
Tanja Schapat, Marburg
Förderung Lebenspraktischer Fähigkeiten (LPF)
sowie der Orientierung und Mobilität (O&M)
Eine weitgehend selbstständige, unabhängige und angemessene Lebensgestaltung ist ein
grundlegendes menschliches Bedürfnis und ein Menschenrecht, das in der UN-Konvention
über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) verfasst ist.
So ist in Artikel 9 Abs. 1 ausdrücklich ausgeführt, das alle unterzeichnenden Staaten für
Menschen mit Behinderungen Vorkehrungen treffen müssen, „um Menschen mit
Behinderungen eine unabhängige Lebensführung und volle Teilhabe in allen
Lebensbereichen zu ermöglichen (...)“.
Für den Bereich der Mobilität wird die Konvention sogar noch genauer und verpflichtet in
Artikel 20 die Vertragsstaaten, die „persönliche Mobilität mit größtmöglicher
Unabhängigkeit sicherzustellen“. Weiterhin wird in Abs. C erwähnt, dass für Menschen mit
Behinderungen „Schulungen in Mobilitätsfertigkeiten anzubieten“ sind. Damit stellt die
UNO klar, dass es sich bei der selbstständigen Lebensführung und der unabhängigen
Mobilität nicht nur um individuelle Bedürfnisse der Betroffen handelt, sondern dass dies
geschützte Rechte sind.
Um zu einer selbständigen Lebensführung und zu einer unabhängigen Mobilität zu
gelangen, brauchen blinde und sehbehinderte Menschen Unterstützung durch Fachkräfte,
die ihnen spezifische Techniken und Fertigkeiten vermitteln. Diese Techniken befähigen
die Betroffenen, erfolgreich einen Haushalt zu führen oder die alltäglichen Wege zu gehen,
ohne eine direkte Assistenz in Anspruch nehmen zu müssen. So kann ihnen das Gefühl
der Selbstwirksamkeit und Unabhängigkeit (wieder-)gegeben und erfolgreiche Aktivität
und Teilhabe können ermöglicht werden.
Um nachhaltiges und erfolgreiches Lernen zu gewährleisten, sind ein früher Beginn der
Schulung und die Förderung durch Einzelunterricht unerlässlich. Eine individuelle Passung
des Angebots und die Integration der Techniken und Fertigkeiten in den Alltag der
jeweiligen Personen sind nur durch eine systemische und individuelle Betrachtung des
Einzelfalles möglich. Eine solche Individualisierung des Angebots erfordert neben
persönlicher Zuwendung eine umfassende Fachlichkeit der Rehabilitationslehrer/innen.
Qualifizierung von Fachkräften
Seit den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts werden in speziellen Ausbildungen
Rehabilitationslehrer/innen für Orientierung und Mobilität (O&M) sowie Lebenspraktische
Fähigkeiten (LPF) für blinde und sehbehinderte Menschen in Deutschland ausgebildet. Die
Ausbildung baut auf einer Berufsausbildung im pädagogischen oder sozialen Bereich und
praktischer pädagogischer Erfahrung mit blinden oder sehbehinderten Menschen auf und
ist anerkannt durch den Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband e. V. (DBSV).
Diese qualifiziert dazu, sehbehinderte oder blinde Schulungspartner jeden Alters und ggf.
mit zusätzlichen Beeinträchtigungen in LPF und/oder O&M zu schulen.
Handlungsfelder
Schulungen in Orientierung & Mobilität (O&M) sowie in Lebenspraktischen Fähigkeiten
(LPF) sind ein Bestandteil der Rehabilitation sowohl bei angeborenen als auch
erworbenen Augenerkrankungen mit der einhergehenden Sehbehinderung bzw. Blindheit.
Setzt man die Prämisse eines lebenslangen Lernens an, erfolgt dies beginnend mit der
Frühförderung über schulische und berufliche Bildung, begleitend auf dem Arbeitsmarkt
und in Wohnstätten bis hin zu älteren Menschen. Anbieter dieser Rehabilitationsleistung
sind Angestellte der Einrichtungen und Verbände, aber auch freiberuflich arbeitende
Rehabilitationslehrer/innen.
Schulungen in O&M sowie in LPF werden in einigen, aber noch nicht in allen
Bildungseinrichtungen für blinde und sehbehinderte Menschen angeboten. Für deren
Durchführung gibt es keine bundesweit einheitlichen Regelungen. Entsprechende
Regelungen für sehbehinderte und blinde Kinder und Jugendliche, die integrativ bzw.
inklusiv an allgemeinen Schulen unterrichtet werden, sind bisher nur in Ausnahmefällen
getroffen worden.
Forderungen und Ziele
– Unterricht in Orientierung & Mobilität sowie in Lebenspraktischen Fähigkeiten ist
grundsätzlich durch qualifiziertes Fachpersonal als Einzelunterricht zu erteilen.
– Unterricht in Orientierung & Mobilität sowie in Lebenspraktischen Fähigkeiten ist
bereits im Rahmen der Frühförderung blinder und sehbehinderter Kinder
sicherzustellen.
– Individuell an die Bedürfnisse angepasste Einzelschulungen sind unabhängig vom
Förderort, das heißt auch in inklusiven Settings, zu gewährleisten. Die Finanzierung
hierfür ist sicherzustellen. (siehe Artikel 20 der UN-BRK).
– Insbesondere an Übergängen (Einschulung, Schulwechsel, Beginn der
Berufsausbildung oder eines Studiums, Aufnahme einer Berufstätigkeit,
Veränderungen innerhalb der Lebenssituation) sind eine bedarfsgerechte
Unterrichtung in Orientierung und Mobilität sowie die Vermittlung spezifischer
lebenspraktischer Fähigkeiten einschließlich der erforderlichen Hilfsmittelkompetenz
sicherzustellen.
– Der Unterricht ist einzubetten in die Förder- und Bildungspläne. Die Arbeit der
Rehabilitationslehrer ist mit der pädagogischen Arbeit anderer Fachkräfte zu
vernetzen (vgl. Position zu Low Vision).
– Für erwachsene und ältere blinde und sehbehinderte Personen haben die
Bemühungen um eine einkommens- und vermögensunabhängige
Kostenübernahme der Schulung in LPF bisher zu keiner eindeutigen Regelung
geführt. In der Folge führt dies zu einem Verlust in der Lebensqualität bis hin zu
Pflegebedürftigkeit. Das SGB IX stellt lediglich das Angebot an Leistungen dar,
regelt jedoch nicht den Rechtsanspruch. Schulungen in O&M obliegen im Regelfall
dem Leistungsträger Gesetzliche Krankenversicherung. Diese stellt zu ihren Lasten
jedoch nur eine Grundversorgung sicher. Für diese Klientel muss eine
bedarfsorientierte Versorgung in beiden Bereichen ermöglicht, ggf. erstritten
werden.
– Pädagogisches Personal (Lehrer, Erzieher, Altenpfleger, Frühförderer und weiteres
Personal), das mit Bildung, Erziehung und Pflege blinder und sehbehinderter
Menschen betraut ist, bedarf spezieller Fortbildungen in Orientierung und Mobilität
sowie Lebenspraktischen Fähigkeiten zum angemessenen Umgang mit blinden und
sehbehinderten Menschen und zur Unterstützung ihrer möglichst selbständigen
Lebensführung.
– Die Standards und Qualitätskriterien des Bundesverbandes der
Rehabilitationslehrer/innen für Blinde und Sehbehinderte e. V. (Fortbildung,
Ausrüstungsstandard, Arbeitsbedingungen) sind umzusetzen.
– Der VBS fördert die Zusammenarbeit der verschiedenen Gruppen betroffener
Menschen und setzt sich für eine flächendeckende, bedarfsgerechte Unterrichtung
blinder und sehbehinderter Menschen in Orientierung & Mobilität sowie
Lebenspraktischen Fähigkeiten ein.
Für die AG Orientierung und Mobilität/Lebenspraktische Fähigkeiten
Ulrike Schade, Leipzig
Psychologie
Situationsbeschreibung / Ausgangssituation
Blinde und sehbehinderte Menschen können – wie alle Menschen – von psychischen
Problemen betroffen sein. Aufgrund einer Sehschädigung verläuft die Entwicklung blinder
und sehbehinderter Kinder und Jugendlicher unter erschwerten Bedingungen, wodurch es
zusätzlich zu Störungen im sozialen, emotionalen und Leistungsbereich kommen kann.
Die geforderten Anpassungs- und Kompensationsleistungen in einer Welt, die stark visuell
orientiert ist, machen Entwicklungskrisen, Blockaden und Fehlentwicklungen
wahrscheinlicher. Sind zusätzlich weitere Einschränkungen, wie z. B. eine Hörschädigung,
eine chronische Erkrankung oder eine geistige Behinderung vorhanden, bedeutet dies für
den Betroffenen und sein familiäres Umfeld weitere Belastungen in der persönlichen
Entwicklung, der schulischen und beruflichen Ausbildung, bei der Berufsfindung und
Entwicklung einer Lebensperspektive.
Menschen, die zu einem späteren Zeitpunkt erblinden, müssen dagegen mit einer
einschneidenden Veränderung ihrer Lebenssituation zurechtkommen, die traumatisierend
erlebt werden kann. Die Betroffenen und ihr familiäres Umfeld werden mit einer Situation
konfrontiert, mit deren Bewältigung sie und die Angehörigen oft überfordert sind.
Von zunehmender Bedeutung ist die große Gruppe der Menschen, die im Alter ihre
Sehfähigkeit verlieren und damit ebenso wie ihr Umfeld einer hohen Belastung ausgesetzt
sind. Wissenschaftliche Untersuchungen haben bei bis zu 30 % der sehbehinderten
Senioren eine klinisch relevante Depression gefunden, was auf die Notwendigkeit
hinweist, psychologische Fachkompetenz in die Versorgungsstrukturen dieser Klientel zu
integrieren.
Ziele und Aufgaben der Psychologie
Angesichts der dargestellten Störungs- und Belastungsfaktoren bedarf es einer fachlich
kompetenten psychologischen Versorgung blinder und sehbehinderter Menschen und
ihren Angehörigen. Ziel der psychologischen Unterstützung ist es stets, den blinden bzw.
sehbehinderten Menschen in seiner individuellen Lebenssituation besser zu verstehen und
auf therapeutischem oder beratendem Weg die Bedingungen für eine ihm gemäße
Entwicklung zu verbessern.
Mit der Behinderung zu leben, sich selbst anzunehmen und die eigenen Interessen zu
vertreten, ist das zentrale Anliegen der psychologischen Arbeit mit behinderten Menschen.
Ein Teil der psychologischen Hilfe besteht in einer umfassenden und differenzierten
Psychodiagnostik (Leistungs-, Persönlichkeitsdiagnostik). Mittels wissenschaftlich
überprüfter Diagnoseverfahren und systematischer Verhaltensbeobachtung werden
notwendige Informationen gewonnen, um fundiert über Interventionen zu entscheiden oder
in Fragen der Ausbildung und beruflichen Integration Hilfen zu geben.
Psychologische Interventionen umfassen je nach Problem- und Zielstellung
Krisenintervention, psychologische Beratung, Einzel- und Gruppentherapie, Trainings- und
Fördermaßnahmen sowie übende Verfahren. Darüber hinaus ist es Aufgabe der
Psycholog/innen, Eltern/Angehörigen beratend zur Seite zu stehen und das familiäre
Umfeld zu unterstützen.
Ein weiterer Schwerpunkt in der psychologischen Aufgabenstellung ist die Beratung und
Unterstützung von Mitarbeiter/innen in der pädagogischen Arbeit. Diese reicht von
psychologischer Fachinformation zum besseren Verständnis von Besonderheiten, die mit
Blindheit oder Sehbehinderung einhergehen können, über Fortbildungsangebote,
Beratung und Unterstützung bis zu Supervision und Coaching.
Hierzu ist eine administrative Position außerhalb der Personalhierarchie sinnvoll. Diese
begünstigt auch die Reflexion der Arbeit der Institution durch Psycholog/innen auf dem
Hintergrund ihrer fachlichen Perspektive und Beteiligung an der Erarbeitung und
Fortschreibung pädagogischer Konzepte.
Die interdisziplinäre Kooperation mit anderen Berufsgruppen und Institutionen ist ebenfalls
wichtiger Bestandteil der psychologischen Tätigkeit.
Voraussetzungen der psychologischen Arbeit
In den Institutionen, die sich auf die Arbeit mit blinden und sehbehinderten Menschen
spezialisiert haben, muss psychologische Kompetenz einen festen Stellenwert haben. Es
bedarf einer ausreichenden Zahl wissenschaftlich ausgebildeter Diplom-Psycholog/innen,
um die genannten Aufgaben zu bewältigen.
Auch für die Integration bzw. Inklusion blinder und sehbehinderter Menschen ist dringend
ein Versorgungsnetz aufzubauen, das qualifizierte psychologische Beratung und
therapeutische Hilfen für die Betroffenen und ihre Eltern garantiert.
In der Beratung und Weiterqualifikation von Personal (z. B. Lehrer/innen, Erzieher/innen,
Sozialpädagog/innen), das im Rahmen von Inklusion mit blinden und sehbehinderten
Menschen befasst ist, muss ebenfalls psychologische Kompetenz vertreten sein. Hierfür
sind entweder entsprechende Stellen zu schaffen oder eine Refinanzierung für erfahrene
Fachkräfte aus den vorhandenen Kompetenzzentren zu sichern.
Die AG Psychologie des VBS
Die VBS-AG Psychologie bietet Psychologinnen und Psychologen, die mit der Habilitation
und Rehabilitation blinder und sehbehinderter Menschen befasst sind, ein Forum zum
Austausch und zur Information. Die regelmäßig stattfindenden Tagungen stellen ein
qualifiziertes Fortbildungsangebot dar für die psychologische Arbeit mit blinden oder
sehbehinderten Menschen. Sie stehen auch nicht-psychologischen Fachkräften offen.
In einem ca. halbjährlichen Rhythmus verschickt der Vorstand der AG Psychologie einen
Rundbrief an interessierte Kolleg/innen. Darüber hinaus ist die AG Psychologie bemüht,
sich in Fragen der psychologischen Versorgung und Infrastruktur zu engagieren.
Der Vorstand der AG ist auch auf europäischer Ebene über das Psycholog/innenNetzwerk des ICEVI vernetzt.
Für die AG Psychologie
Mechthild Gahbler,
Nürnberg
Blinden- und Sehbehindertenpädagogik in universitärer
Forschung und Lehre
Blickt man auf der Suche nach den Anfängen des Berufsbildes des Blinden- bzw.
Sehbehindertenpädagogen zurück, trifft man auf die Namen Bernoulli und Niesen, die (in
Europa) als die ersten namentlich bekannten „Blindenlehrer“ gelten. Führte diese beiden
ihr Broterwerb als Privatlehrer in diese Position, so war es bei den Gründern der
deutschsprachigen institutionalisierten Blindenbildung der Bezug zu aufklärerischem und
philantropischem Gedankengut; Lehrer i. e. S. waren weder Klein, Zeune noch Knie. Aber
ein weiterer Gedanke einte sie: Ein engagierter und qualifizierter Blindenlehrernachwuchs
ist entscheidend für die Zukunft! Institutionen für diese Aufgabe waren in ihrem
Verständnis die Bildungseinrichtungen selbst, die Kongresse und natürlich die Zeitschrift
(heute: blind – sehbehindert, 132. Jahrgang). Bestärkt von den Einflüssen Pestalozzis und
Diesterwegs („Die Schule ist gerade so viel wert, als der Lehrer wert ist. Darum ist die
Erhöhung der Lehrerbildung das erste Stück jeder Schulreform.“ 1865), wurden bereits
Ende des 19. Jahrhunderts Fachprüfungen für Blindenlehrer eingeführt. Die nach dem
Zweiten Weltkrieg in beiden deutschen Staaten vollzogene Verankerung der Blinden- und
Sehbehindertenpädagogik an Hochschulen ist demnach in eben dieser Tradition zu
verstehen. Diese Verankerung führte bis heute zu dem bundesweiten Standard, dass eine
Aus- und Weiterbildung zum Berufsbild des Lehrers/der Lehrerin für blinde und
sehbehinderte Kinder und Jugendliche an eine universitäre Phase gebunden ist.
Universitäten und Hochschulen, an denen die Blinden- bzw. Sehbehindertenpädagogik in
Lehre und Forschung verankert ist, sind die Humboldt-Universität zu Berlin, die Universität
Hamburg, die Technische Universität Dortmund und die Pädagogische Hochschule in
Heidelberg. Im Zuge der als Bologna-Prozess bezeichneten Hochschulreform befinden
sich alle Studienstätten in einem tief greifenden und dramatischen Umbruchprozess. An
den Universitäten in Berlin und Hamburg ist der Wechsel zu einem Bachelor-MasterSystem (Bachelor of Arts, B.A. / Master of Education, M.Ed.) vollzogen. An der
Technischen Universität Dortmund und der Pädagogischen Hochschule Heidelberg sind
die Studiengänge im Sinne der Bachelor-Master-Idee modularisiert. Alle Studienstätten
bieten neben den grundständigen konsekutiven Studiengängen auch lehramtsbezogene
Aufbau- und Ergänzungsstudiengänge bzw. weiterbildende Masterstudiengänge im
Förderschwerpunkt Sehen an; darüber hinaus gibt es vielfältige Studienangebote, die die
Perspektive der Blinden- und Sehbehindertenpädagogik in weitere, nicht-schulische
Handlungsfelder einbinden. Gegenstandsbereiche, wie z. B. die Frühe Förderung, die
Rehabilitationswissenschaft, die Berufliche Bildung und die spezifischen
Herausforderungen der Rehabilitation im Alter lassen auch für die Zukunft interessante
Verknüpfungen erwarten. Eine weitere Herausforderung ist die qualitative und quantitative
Bestimmung einer möglichen Einbindung der Pädagogik bei Beeinträchtigungen des
Sehens in die Neugestaltung der allgemeinen und der sonderpädagogischen Lehrämter,
die sich gemeinsam den Herausforderungen einer inklusiven Schule stellen müssen und
die sich gemäß der Intention der Kultusministerkonferenz (KMK) in den nächsten Jahren
neu aufstellen müssen.
Durch immer rigider werdende Zulassungsbeschränkungen und den stetigen Abbau der
personellen und damit auch der kapazitären Ressourcen an den vier Studien- und
Forschungsstädten seit den 1990er Jahren sank die Zahl der Absolvent(inn)en in
erheblichem Maße. Auch als Folge dieser Entwicklung kann der „Generationswechsel“ an
den schulischen Einrichtungen nicht mehr lückenlos durch den blinden- und
sehbehindertenpädagogischen Lehrer(innen)nachwuchs erfolgen. Der entstandene akute
Bedarf an berufsbegleitender Weiterbildung hat die Universitäten Leipzig und Marburg
2009 bzw. 2010 dazu bewogen, weiterbildende Studiengänge in der Blinden- und
Sehbehindertenpädagogik anzubieten. Die Studiengänge wurden auf der Ebene der
blinden- und sehbehindertenpädagogischen Fachlichkeit in Kooperation mit der Universität
Hamburg gestaltet und angeboten.
Die KMK hat mit ihrem Beschluss „Ländergemeinsame inhaltliche Anforderungen für die
Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung (Beschluss der
Kultusministerkonferenz vom 16.10.2008 i. d. F. vom 16.09.2010) die Sonderpädagogik
als eigenständiges Fachprofil festgeschrieben: „Im Studium der Sonderpädagogik werden
allgemeine und spezifische, auf Förderschwerpunkte bezogene Kompetenzen zur
Förderung, d. h. zur Anregung, Begleitung und Unterstützung von Erziehungs- und
Bildungsprozessen unter erschwerten Bedingungen und in unterschiedlichen
institutionellen Kontexten, erworben“ (KMK 2008/2010, S. 51). Das fachspezifische
Kompetenzprofil und die umrissenen Studieninhalte sonderpädagogischer Studiengänge
werden in Bezug auf den Förderschwerpunkt Sehen wie folgt ergänzt:
– „Grundlagen der Ophthalmologie zu Funktionen und Strukturen des
physiologischen und funktionalen Sehens und zur Entwicklung der visuellen
Wahrnehmung sowie Grundlagen der Physiologischen Optik und der barrierefreien
Gestaltung der räumlichen Umwelt im Förderschwerpunkt Sehen
– Grundlagen der Anpassung und Einführung in die Nutzung von optischen,
elektronischen und nichtelektronischen Hilfsmittel im Förderschwerpunkt Sehen
– Planen und Gestalten didaktischer und methodischer Interventionen auf der
Grundlage des Wissens über das physiologische Sehen und der Diagnostik des
funktionalen Sehens der Schülerinnen und Schüler sowie auf Grundlage der
Analyse des visuellen Charakters der Lernräume
– Basiswissen und praktische Grundkenntnisse in den Gebieten: Orientierung und
Mobilität, Punktschriftsysteme, Alltagspraktischen Fähigkeiten, Gestaltung taktiler
Medien“ (KMK 2008/2010, S. 56).
Weiterhin gilt es, die durch die KMK beschriebenen Kompetenzen und Inhalte in den
Bereichen „pädagogische, psychologische, diagnostische und didaktische Dimensionen in
den einzelnen Förderschwerpunkten“ mit spezifischen Ausprägungen im
Förderschwerpunkt Sehen umzusetzen.
Auf der 337. Plenarsitzung der Kultusministerkonferenz am 08./09.03.2012 in Berlin
wurden Eckpunkte der geplanten Bund–Länder–Initiative Lehrerbildung umrissen; ein
Punkt dabei ist die „Fortentwicklung der Lehrerbildung in Bezug auf die Anforderungen der
Heterogenität und Inklusion“. Die Signale, die in dieser Debatte aus den Ländern und der
KMK gesendet werden, sind jedoch sehr unterschiedlich und stellenweise auf Prozesse
der Entprofessionalisierung ausgerichtet.
Einerseits gibt die UN-Behindertenrechtskonvention klar vor, dass bei der Gestaltung
inklusiver Bildung (und die betrifft nebenbei bemerkt nicht nur die schulische) qualifizierte
Lehrkräfte einzubinden sind: „Um zur Verwirklichung dieses Rechts beizutragen, treffen
die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen, um Lehrkräfte, einschließlich Lehrkräfte mit
Behinderungen, die in Gebärdensprache oder Brailleschrift qualifiziert sind, einzustellen
und Fachkräfte und Mitarbeiter auf allen Ebenen des Bildungswesens fortzubilden“
(UN 2006/2008, S. 1437). Dem folgend hat die KMK in ihrem Beschluss „Inklusive Bildung
von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in Schulen“ vom 20.10.2011 formuliert:
„Zur Verwirklichung eines Unterrichts, der diesem Anspruch auf sonderpädagogische
Bildungs-, Beratungs- und Unterstützungsangebote gerecht wird, bedarf es qualifiziert
ausgebildeter Lehrkräfte mit vertieften und wissenschaftlich abgesicherten Kenntnissen.
Diese orientieren sich an den nachfolgenden Entwicklungsbereichen, die Gegenstand der
sonderpädagogischen Fachrichtungen sind: (…) - Sehen, die visuelle Wahrnehmung und
Verarbeitung, Kompetenzen im Umgang mit einer Sehbehinderung oder Blindheit“
(KMK 2011, S. 20).
Andererseits mehren sich die Hinweise, dass einzelne Bundesländer mit dem Gedanken
spielen, das sonderpädagogische Lehramt auf den neuen Zuschnitt LSE
(Förderschwerpunkte Lernen, Sprache und emotional soziale Entwicklung) zu fokussieren
und die spezifischen Förderschwerpunkte (und damit auch den FS Sehen) niederschwellig
(als nach- und damit nicht-universitäre Weiterbildung oder mit ausschließlich auf
Lehrleistungen ausgerichtete Strukturen an Hochschulen) anzubieten.
Aus Sicht des AK Hochschulen kommt dieses Ansinnen jedoch einer strukturellen
Diskriminierung gleich: Während für alle Schülerinnen und Schüler an deutschen Schulen
akademisch gebildete Lehrerinnen und Lehrer für die Gestaltung der Bildungs- und
Erziehungsprozesse zuständig sind, soll die Teilhabe an Bildung für blinde und
sehbehinderte Schülerinnen und Schüler durch Lehrerinnen und Lehrer gestaltet werden,
die ihre Expertise ausschließlich durch die vor 50 Jahren überwunden geglaubte
„Meisterlehre“ erworben haben.
Es ist daher aus Sicht des AK Hochschulen an der Zeit, eine Grundversorgung an
universitär verankerten Studiengängen im Rahmen der Bund-Länder-Initiative
Lehrerbildung nachhaltig zu sichern.
Bei aller notwendigen Fokussierung auf den Aspekt der Lehrer(innen)bildung darf nicht
vergessen werden, dass der Erfolg einer über 40-jährigen Geschichte einer akademischen
Ausbildung für Lehrerinnen und Lehrer in blinden- und sehbehindertenpädagogischen
Berufsfeldern im Kern auf die erfolgreichen Forschungsleistungen innerhalb dieses Feldes
beruhten und beruhen. Eine Umkehr in der universitären Aus-, Fort- und Weiterbildung zur
„Meisterlehre“ hätte auch eine Auflösung forschungsfähiger Einheiten zur Folge. Damit
wären weder Fragestellungen aus dem schulischen noch die aus den nichtschulischen
Handlungsfeldern im Rahmen erziehungswissenschaftlicher und/oder
rehabilitationswissenschaftlicher Forschung aufgreifbar und bearbeitbar. Nach spätestens
einer Generation bestände dann die Gefahr, bei der Bearbeitung der Herausforderungen
(Inklusion, elementare Rehabilitation, Frühe Förderung etc.) über eine wesentlich
eingeschränkte Außensicht zu verfügen; gleichsam wären interdisziplinäre Verknüpfungen
in der Wissenschaftslandschaft schwerer aufrechtzuhalten.
Literatur
KMK - Kultusministerkonferenz (2008/2010) Ländergemeinsame inhaltliche Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung: (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom
16.10.2008 i. d. F. vom 16.09.2010).
KMK - Kultusministerkonferenz (2011) Inklusive Bildung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in
Schulen (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 20.10.2011).
UN - United Nations (2006/2008) Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
(dreisprachige Fassung im Bundesgesetzblatt Teil II Nr. 35 vom 31.12.2008).
Für den AK Hochschulen
Prof. Dr. Sven Degenhardt,
Hamburg
Position zur inklusiven Beschulung und Bildung blinder
und sehbehinderter Menschen in der Bundesrepublik
Deutschland des Verbandes für Blinden- und
Sehbehindertenpädagogik e.V. (VBS)
Der Verband für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik e. V. (VBS) ist Fachverband für
die Bildung und Erziehung blinder und sehbehinderter Menschen. Er setzt sich für die
Förderung, Erziehung und Bildung aller Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen ein, deren
Leben und Lernen durch eine Sehbehinderung oder Blindheit beeinflusst wird.
Der VBS begrüßt die Ratifizierung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit
Behinderungen durch den Deutschen Bundestag ausdrücklich. Seit dem 26.3.2009 sind
die Konvention und das zugehörige Fakultativprotokoll nun auch geltendes Recht in der
Bundesrepublik Deutschland.
Vor diesem Hintergrund sieht der VBS in der Debatte um Inklusion eine Chance der
Weiterentwicklung der Allgemeinen Pädagogik wie auch der Pädagogik im
Förderschwerpunkt Sehen.
Inklusive Bildungseinrichtungen im Allgemeinen und Schulen im Besonderen erheben den
Anspruch, grundsätzlich alle Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen willkommen zu
heißen, unabhängig von der Frage ihrer jeweiligen persönlichen Voraussetzungen,
Fähigkeiten und Fertigkeiten. In einem solchen umfassenden Verständnis zielt die Debatte
um Inklusion nicht in erster Linie auf eine Veränderung sonderpädagogischer Förderung,
sondern auf eine Weiterentwicklung der Allgemeinen Pädagogik hin zu einer „inklusiven
Pädagogik“. Wenn Heterogenität als Chance und Normalfall schulischen Lernens begriffen
wird, ergibt sich ein Paradigmenwechsel, durch den die Frage nach der Inklusionsfähigkeit
von Schulen und anderen Bildungseinrichtungen und damit der Abbau von Barrieren für
Lernen und Teilhabe aller Kinder, Jugendlicher und Erwachsener in den Mittelpunkt rückt.
So verstanden ist der Begriff der Inklusion als Orientierungsziel für notwendige
Veränderungsprozesse von schulischer, beruflicher und allgemeiner Bildung und
Erziehung zu begreifen.
Der VBS erwartet, dass eine auf Inklusion ausgerichtete Pädagogik dazu beiträgt, dass
Kinder, Jugendliche und Erwachsene zunehmend im Rahmen der allgemein bildenden
Schulen ihrem Förderbedarf entsprechend unterrichtet werden. Er ist sich darüber im
Klaren, dass die Entwicklung hin zu einer inklusiven Bildung nur langfristig zu denken ist
und in starkem Maße von der Bereitschaft der politisch Verantwortlichen abhängt,
notwendige Veränderungsprozesse zu initiieren, zu fördern und vor allem auch die
erforderlichen Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Inklusion darf nicht als Mittel zur
Kostenreduktion missverstanden werden, sondern muss unter der Perspektive der
Bewältigung umfassender Heterogenität über entsprechend umfassende sächliche,
personelle und organisatorischen Mittel verfügen, um den individuellen pädagogischen
Bedürfnissen blinder und sehbehinderter Kinder, Jugendlicher und Erwachsener
tatsächlich gerecht werden zu können.
Unabhängig von der weiteren Entwicklung der allgemeinen Pädagogik begrüßt der VBS
die Weiterentwicklung der spezifischen Bildungseinrichtungen für blinde und
sehbehinderte Menschen mit dem Ziel, selbst einen verstärkten Beitrag zur Veränderung
der Bildungslandschaft im Hinblick auf eine inklusive Bildung, Erziehung und Rehabilitation
zu leisten.
Der VBS verweist insbesondere auf Artikel 24, Satz 3, Abschnitt c), durch den klargestellt
wird:
„(3) Die Vertragsstaaten ermöglichen Menschen mit Behinderungen, Lebenspraktische
Fertigkeiten und soziale Kompetenzen zu erwerben, um ihre volle und gleichberechtigte
Teilhabe an der Bildung und als Mitglieder der Gesellschaft zu erleichtern. Zu diesem
Zweck ergreifen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen, unter anderem ...
c) stellen sie sicher, dass blinden, gehörlosen oder taubblinden Menschen, insbesondere
Kindern, Bildung und Sprache in den Kommunikationsformen und mit den
Kommunikationsmitteln, die für den Einzelnen am besten geeignet sind, sowie in einem
Unfeld vermittelt wird, das die bestmögliche schulische und soziale Entwicklung gestattet.“
In jedem Einzelfall ist eine Mensch-Umfeld-Analyse durchzuführen, um festzustellen,
inwieweit der vorgesehene Lernort den pädagogischen Bedürfnissen des Kindes,
Jugendlichen oder Erwachsenen gerecht werden kann und wie möglicherweise
vorhandene Barrieren für das Lernen und die Teilhabe blinder und sehbehinderter
Menschen vermindert werden können.
Die freie Wahl des Förderortes muss aus Sicht des VBS gewährleistet sein. Eine
lebenslange, behinderungsangemessene, fach- und sachgerechte Förderung blinder und
sehbehinderter Kinder, Jugendlicher und Erwachsener ist an allen Lebens- und
Förderorten sicherzustellen.
Der VBS sieht einen erhöhten Bedarf an qualifizierten Blinden- und
Sehbehindertenpädagogen und -pädagoginnen zur Sicherstellung inklusiver Bildung. Er
hält es daher für dringend erforderlich, die Kapazitäten der Ausbildungsstätten zu erhöhen,
damit die für die Beschulung und Bildung blinder und sehbehinderter Menschen
notwendigen Fachkräfte zukünftig zur Verfügung stehen.
Stuttgart, den 29. Mai 2009
Dieter Feser, Gudrun
Lemke-Werner, Jürgen
Rieskamp, Erwin
Denninghaus
Bildung, Erziehung und Rehabilitation blinder und
sehbehinderter Kinder und Jugendlicher in einer
inklusiven Schule in den Ländern der Bundesrepublik
Deutschland
Standards – Spezifisches Curriculum –
Modell-Leistungsbeschreibung
Verband für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik e. V. (VBS)
– Beschluss des Arbeitskreises der Leiterinnen und Leiter von Blinden- und
Sehbehindertenbildungseinrichtungen vom 23.05.2011
– Beschluss des Vorstandes des VBS vom 21.07.2011
Mitglieder der Arbeitsgruppe
für den Verband für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik e. V. (VBS)
Arbeitskreis der Leiterinnen und Leiter von Blinden- und Sehbehindertenbildungseinrichtungen
Ulrike Bauer-Murr, AK-Leitung, Nikolauspflege Stuttgart
Dieter Bretz, AK-Leitung, Johann-Peter-Schäfer-Schule, Friedberg
Prof. Dr. Sven Degenhardt, AK Hochschulen, Universität Hamburg
Dieter Feser, VBS-Vorsitzender, Nikolauspflege Stuttgart
Dr. Markus Lang, AK Hochschulen, PH Heidelberg
Evelin de Lorent, AK-Leitung, Bildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte, Hamburg
Theo Wenker, AK-Leitung, LWL-Berufskolleg Soest
Inhaltsverzeichnis
Ziele ................................................................................................................................... 48
Population blinder und sehbehinderter Kinder und Jugendlicher ....................................... 49
Standards .......................................................................................................................... 49
Spezifisches Curriculum .................................................................................................... 50
Übersicht ....................................................................................................................... 50
Beschreibung der Bereiche des spezifischen Curriculums ............................................ 51
Förderung des Sehens .............................................................................................. 51
Wahrnehmung und Lernen ........................................................................................ 51
Orientierung & Mobilität, Lebens- bzw. Alltagspraktische Fähigkeiten und
Fertigkeiten, Bewegung ............................................................................................. 52
Technische Hilfsmittel ............................................................................................... 53
Lebensplanung, Berufsorientierung, Freizeitgestaltung ............................................ 53
Soziale Kompetenz ................................................................................................... 53
Beschreibung der Ebenen der Umsetzung .................................................................... 54
Bezüge zur ICF .................................................................................................................. 62
Modell-Leistungsbeschreibung .......................................................................................... 67
Literatur und weiterführende Verweise .............................................................................. 73
Ziele
Ziel dieser Standortbestimmung und Standardbeschreibung ist es, den
Entscheidungsträgern in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland eine Grundlage für
die länderspezifische Umsetzung und qualitative Bewertung des spezifischen Angebots
zur Teilhabe blinder und sehbehinderter Schülerinnen und Schüler an schulischer Bildung
vorzulegen.
Dabei wird davon ausgegangen, dass ein sonderpädagogischer Förderbedarf bei
Beeinträchtigung der visuellen Wahrnehmung curriculare Eckpunkte generiert, die im
jeweiligen Kerncurriculum (Regelcurriculum, Curriculum im Förderschwerpunkt Lernen,
geistige Entwicklung etc.) gar nicht oder nicht in dieser Quantität oder Qualität enthalten
sind.
Die Blinden- und Sehbehindertenpädagogik kann auf eine über 200jährige Geschichte
zurückblicken, in der das Beschreiben einer Spezifik pädagogischer Angebote immer
einen zentralen Platz einnahm. Waren diese über viele Jahrzehnte mit der Entscheidung
für einen spezifischen Schulort verbunden, öffnet sich die Standarddebatte der letzten
Jahre konsequent hin zu Fragen der Qualität der Teilhabe blinder und sehbehinderter
Kinder und Jugendlicher an Bildung unabhängig vom Beschulungsort.
Mit der global und national verankerten Leitidee einer inklusiven Schule gehen auch
Grenzen der Ableitung von Standards aus einer „best practice“ einher; international hat
sich daher bereits seit Jahren erfolgreich die Idee der Dualen Curricula ([expanded] core
curriculum etc.) durchgesetzt, um beschulungsortunabhängig die Bedarfe an spezifischer
Diagnostik und Interventionen zu beschreiben.
Ausgehend von der Umschreibung dieses spezifischen Curriculums sollen nachfolgend
einerseits Standards und anderseits die für die Umsetzung notwendigen
Rahmenbedingungen in Form einer Modell-Leistungsbeschreibung für die am Prozess
beteiligten Blinden- und Sehbehindertenlehrer/innen aufgeführt werden. Beide gelten
angesichts einer heterogenen Schüler/innen/schaft und einer grundgesetzkonformen
länderspezifischen Varianz in der Auslegung als Orientierungsgrundlage; gleichsam
können die Antworten auf den personenbezogenen Bedarf an Unterstützung nicht
signifikant vom Wohn- und Beschulungsort des blinden und sehbehinderten Kindes
abhängen.
Das hier vorgelegte spezifische Curriculum versteht sich demnach auch als Aufruf zur
Weiterbearbeitung und Konkretisierung; einerseits in Hinblick auf die Anpassung des
Ansatzes an länderspezifische Regularien und andererseits mit Blick auf die notwendige
Ausformulierung von konkreten und transparenten Prozess- und Ergebnisqualitäten.
Population blinder und sehbehinderter Kinder und Jugendlicher
Die Gruppe von blinden und sehbehinderten Menschen ist in Bezug auf die konkreten
Sehleistungen und die damit verbundenen Barrieren für die Teilhabe an unterschiedlichen
Aspekten des täglichen Lebens und der Prozesse des schulischen und außerschulischen
Lernens äußerst heterogen. Unterschiede generiert z. B. der Zeitpunkt des Eintretens
der Beeinträchtigung des Sehens (Blindheit und Sehbehinderung). Eine Definition von
Blindheit und Sehbehinderung ist zudem von den Verwertungszusammenhängen (Recht,
Bildung, Medizin etc.) abhängig. In medizinischen Kontexten wird zentral der Fernvisus
beschrieben; dieser wird als Quotient aus der Entfernung, in der ein normiertes
Sehzeichen erkannt wird, und der Entfernung, aus der dieses Zeichen erkannt werden
müsste, beschrieben. Bei einer Sehbehinderung liegt der Visus bei optimaler
Refraktionskorrektur zwischen 1/3 und 1/20. Bei einer hochgradigen Sehbehinderung
liegen die Werte zwischen 1/20 und 1/50; bei Blindheit muss auf dem besseren Auge 1/50
oder weniger messbar sein. Zusätzlich zum Visus werden bei der Abschätzung der
Beeinträchtigung des Sehens (Blindheit und Sehbehinderung) weitere Faktoren zur
Bewertung hinzugezogen: Gesichtsfeld, Farb- und Kontrastwahrnehmung, Adaptationsund Akkommodationsleistungen usw. Neben den anteriorischen
Sehbeeinträchtigungen (Funktionsbeeinträchtigung des Auges und des Sehnervs)
werden in den letzten Jahren zunehmend die cerebrale Sehbeeinträchtigungen (CVI)
beschrieben. Die hierbei eintretenden Beeinträchtigungen (Gesichtsblindheit,
Beeinträchtigung der Bewegungs-, Form- und Farberkennung, Crowding-Effekt etc.)
können ggf. bei geringer Beeinträchtigung der Trennsehschärfe (Visus) auftreten und
bedürfen einer spezifischen Diagnostik und Intervention.
Die oben beschriebenen Funktionsbeeinträchtigungen (im Sinne der Körperfunktionen und
-strukturen der ICF) generieren im Zusammenwirken mit Faktoren der Umweltgestaltung
und Reaktionen der Gesellschaft spezifische Barrieren in der Aktivität und Partizipation im
Rahmen schulischen Lernens.
Standards
Jedes Kind, jeder Jugendliche mit Blindheit oder Sehbehinderung hat neben seinem
schulischen Curriculum (Regelcurriculum) ein spezifisches Curriculum.
In diesem spezifischen Curriculum werden die Gegenstände abgebildet, deren Beachtung
in Diagnostik, Förderung und Unterrichtung über den Rahmen pädagogischer Bedarfe
hinaus eine eigenständige Qualität und Quantität aufgrund der Auswirkungen der Blindheit
oder Sehbehinderung erwarten lässt. Da Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung auf
unterschiedliche Barrieren zur Teilhabe an Bildung treffen können, ist ein
personenbezogenes Arbeiten mit dem spezifischen Curriculum von Nöten. Voraussetzung
für den Einsatz des spezifischen Curriculums ist die Entwicklung der allgemeinen Schule
hin zur inklusiven Bildung, in der das Lernen für alle so barrierearm wie möglich gestaltet
wird. Dies bedeutet eine Didaktik der Vielfalt und der Anerkennung von Heterogenität als
Chance für die Gestaltung schulischen Lernens.
Für die Umsetzung des spezifischen Curriculums müssen sowohl unterrichts-immanente
als auch zusätzliche organisatorische Formen in den Schulalltag des blinden oder
sehbehinderten Kindes/Jugendlichen einfließen; die Umsetzung wird von Lehrkräften mit
einer spezifischen Lehrbefähigung für den Förderschwerpunkt Sehen (Blinden- und
Sehbehindertenpädagogik) verantwortet.
Für die Realisierung des spezifischen Curriculums gelten Zeitraster, in denen ausgewählte
Gegenstände schwerpunktmäßig bearbeitet werden bzw. Schnittstellen, zu denen
spezifische Kompetenzen angeeignet seien sollten. Die Zeitraster und Schnittstellen
orientieren sich an dem individuellen Bedarf des Kindes/Jugendlichen an einer
barrierefreien Teilhabe am Regelcurriculum.
Das spezifische Curriculum sowie die Zeitraster sind evaluierbar festzuhalten und
regelmäßig zu hinterfragen.
In die Prozesse der Erstellung, zeitlichen Strukturierung, Verschriftlichung und Evaluation
des spezifischen Curriculums sind die Eltern unter Maßgabe der schulrechtlichen
Rahmensetzungen einzubinden.
Spezifisches Curriculum
Übersicht
Um das spezifische Curriculum bearbeitbar und vergleichbar zu gestalten, soll es im
Folgenden in sechs Bereiche unterteilt werden, wobei Schnittstellen und ggf.
gemeinsamen Gegenstände, die mehreren Bereichen zugeschrieben werden müssen,
nicht auszuschließen sind. In allen Bereichen (Zeilen) gelten jeweils fünf Ebenen der
Umsetzung. Daraus ergibt sich eine Matrix mit 30 Feldern, in denen Gegenstände und die
Umsetzung des spezifischen Curriculums beschrieben werden sollen.
Nachfolgend werden zuerst die Bereiche und Ebenen beschrieben und im Anschluss
werden die 30 Felder der Matrix mit konkreten Inhalten gefüllt. Dabei sollen exemplarische
Beispiele die Breite der möglichen Aktivitäten illustrieren; sie verstehen sich also nicht als
„abschließend“ und umfänglich.
Bereiche des
spezifischen
Curriculums
Förderung des
Sehens
Ebenen der Umsetzung
Diagnostik
Intervention
Methodik
1.1
1.2
1.3
Ausstattung & Handelnde &
Medien
Handlungsfelder
1.4
1.5
Wahrnehmung
und Lernen
2.1
2.2
2.3
2.4
2.5
O&M; LPF;
Bewegung
3.1
3.2
3.3
3.4
3.5
Technische
Hilfen
4.1
4.2
4.3
4.4
4.5
Lebensplanung;
Beruf & Freizeit
5.1
5.2
5.3
5.4
5.5
Soziale
Kompetenz
6.1
6.2
6.3
6.4
6.5
Beschreibung der Bereiche des spezifischen Curriculums
Förderung des Sehens
Die Sehförderung hat zum Ziel, blinde und sehbehinderte Kinder und Jugendliche zu
befähigen, ihre vorhandenen visuellen Wahrnehmungsfähigkeiten optimal auszunutzen.
Die Grundlagen einer individualisierten Förderung bilden die Diagnostik bestimmter
Sehleistungen und Sehfunktionen (z. B. Sehschärfe, Gesichtsfeld, Farbsehen,
Kontrastsehen, Figur-Grund-Wahrnehmung, Formwahrnehmung). Dabei werden
ausgehend von der Würdigung der Daten zum physiologischen Sehen (Messung der
Sehleistungen und -funktionen unter kontrollierten Bedingungen in ophthalmologischer
Verantwortung) die Daten zum Funktionalen Sehen (Messungen und Beobachtungen zum
Sehen in Alltagssituationen) erhoben. Wesentliche Inhaltsbereiche einer Förderung des
Sehens umfassen die Nutzung optischer und elektronischer Hilfsmittel (z. B. Lupen,
Monokulare, Lesegeräte), das Optimieren visueller Kontextfaktoren (z. B. Beleuchtung,
Kontrastierung) und das Vermitteln geeigneter Wahrnehmungsstrategien (z. B. visuelles
Abtasten, visuelles Verfolgen bewegter Objekte). Die Förderung findet in altersadäquaten,
sinnvollen und handlungsorientierten Lernkontexten statt. Für den Unterricht, an dem
blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler teilhaben können, müssen generell
die Prinzipien der Sehförderung, beispielsweise bei der Auswahl, Erstellung und
Präsentation von Unterrichtsmedien sowie bei der Klassenraum- und
Arbeitsplatzgestaltung berücksichtigt werden.
Wahrnehmung und Lernen
Für blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler kommt in Lernprozessen der
haptischen, der auditiven, der olfaktorischen, der vestibulären und der gustatorischen
sowie der propriozeptiven Wahrnehmung eine große Bedeutung zu. Die
Wahrnehmungsförderung hat zum Ziel, zur aktiven Umweltexploration anzuleiten. Die
differenzierte Aufnahme von Umweltinformationen und vor allem das Erfassen
sensorischer Merkmale sind ein wesentlicher Bestandteil der Begriffsbildung.
Wahrnehmungsförderung und Begriffsbildung gelten als grundlegende Prinzipien des
Unterrichts blinder und sehbehinderter Schülerinnen und Schüler. Der Unterricht muss
vielfältige, wiederholte und variantenreiche Wahrnehmungserfahrungen ermöglichen,
Wahrnehmungsqualitäten benennen und zu einer strukturierten kognitiven
Wahrnehmungsverarbeitung hinführen.
Hinsichtlich der haptischen und auditiven Wahrnehmungsförderung steht das Vermitteln
spezifischer Strategien im Vordergrund, um Schülerinnen und Schüler beispielsweise das
Lesen der Brailleschrift, die Informationsentnahme aus taktilen
Veranschaulichungsmedien, das Nutzen lautsprachlicher Informationssysteme oder die
Orientierung in offenen und geschlossenen Räumen zu ermöglichen. Die im Unterricht
eingesetzten Medien müssen den individuellen Wahrnehmungsmöglichkeiten der
Schülerinnen und Schüler entsprechen und diesbezügliche Kriterien erfüllen (z. B. taktile
Eindeutigkeit, Berücksichtigung der Tastphysiologie, Tastästhetik).
Orientierung & Mobilität, Lebens- bzw. Alltagspraktische Fähigkeiten und
Fertigkeiten, Bewegung
Die Lernbereiche „Lebens- bzw. Alltagspraktische Fähigkeiten und Fertigkeiten“ (LPF) und
„Orientierung und Mobilität“ (O&M) setzen motorische Fertigkeiten (Fein- und
Grobmotorik) und Wahrnehmungsfähigkeiten (z. B. Raumwahrnehmung) voraus.
Eingeschränkte bzw. nicht vorhandene Sehfähigkeit kann die motorische Entwicklung und
die Wahrnehmungsentwicklung stark beeinträchtigen. Die Unterrichtung blinder und
sehbehinderter Schülerinnen und Schülern hat somit über das Maß
allgemeinpädagogischer Inhalte und Methoden hinaus die Aufgabe, vielfältige grob- und
feinmotorische Erfahrungen gezielt zu initiieren, um beispielsweise ein differenziertes
Körperschema, komplexe koordinative Fähigkeiten und physiologische Haltungsmuster
unter der Bedingung einer Beeinträchtigung des Sehens aufzubauen. Auf dieser
Grundlage und gegebenenfalls in enger Abstimmung mit Rehabilitationsfachkräften (die
für die individuelle Unterrichtung in lebenspraktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten eine
zentrale Verantwortung tragen) können blinden- und sehbehindertenspezifische Strategien
alltagspraktischer Fähigkeiten, beispielsweise in den Bereichen Nahrungsaufnahme, Anund Auskleiden, Ordnungssysteme und Körperpflege, angeleitet und in sinnvollen
Kontexten eingeübt werden. Blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schülern sind für
den Erwerb alltagspraktischer Fähigkeiten auf eine systematische und spezifische
Anleitung in allen relevanten Handlungsfeldern angewiesen.
Der individuelle Unterricht in Orientierung und Mobilität wird von Rehabilitationsfachkräften
durchgeführt. Im Schulalltag werden die dort eingeführten Strategien (z. B.
Langstocktechnik) geübt und angewendet. Darüber hinaus werden in den schulischen
Unterricht beispielweise spezifische Übungen zur Körperwahrnehmung, zur
Raumwahrnehmung und zur Raumstrukturierung (z. B. Arbeitsplatz, Klassenzimmer,
Schulgebäude) integriert und eine blinden- und sehbehindertengerechte Raumgestaltung
berücksichtigt.
Diagnostik und Intervention müssen darauf eingehen, wenn Schülerinnen oder Schüler
aufgrund ihrer Sehbeeinträchtigung Besonderheiten ihrer Motorik aufweisen.
Technische Hilfsmittel
Technische Hilfsmittel ermöglichen blinden und sehbehinderten Schülerinnen und
Schülern einen umfassenden Zugang zu Information (z. B. Schriftmedien, Internet),
schaffen vielfältige Kommunikationsmöglichkeiten (z. B. Unterstützte Kommunikation, eMail-Kontakt) und erleichtern das Bewältigen von Alltagsverrichtungen (z. B.
Schriftverkehr, Bankgeschäfte, Mobilität). Spezifische technische Hilfsmittel sind fester
Bestandteil in Bildungs- und Ausbildungsprozessen und liefern einen wesentlichen Beitrag
zur Entwicklung einer zunehmend selbstständigen und selbstbestimmten
Lebensgestaltung. Im Rahmen der Schulbildung muss der individuelle Hilfsmittelbedarf in
Abhängigkeit von den sensorischen, kognitiven und motorischen Fähigkeiten, den zu
bewältigenden Aufgaben und den räumlichen Gegebenheiten ermittelt werden. Da sich
das menschliche Sehen – auch bei Beeinträchtigung – vor allem in den ersten zehn
Lebensjahren in seiner Funktionalität voll ausprägt und andererseits bereits im Schulalter
wieder beginnt in ausgewählten Parametern (z. B. Akkommodationsbreite) abzubauen, ist
eine derartige Hilfsmittelanpassung kein punktueller, sondern ein kontinuierlich zu
betreibender Prozess. Die entsprechenden Hilfsmittel (z. B. Braillezeile, Screenreader,
Sprachausgabe, Vergrößerungssoftware, Bildschirmlesegerät, optische
Vergrößerungshilfen, Medien der Unterstützten Kommunikation) bedürfen einer intensiven
Einführung hinsichtlich ihrer Verwendungsmöglichkeiten und notwendiger
Anwendungsstrategien. Ihre Verwendung muss langfristig unterrichtsimmanent eingeübt
werden und sich verändernden Rahmenbedingungen anpassen.
Lebensplanung, Berufsorientierung, Freizeitgestaltung
Ausgangspunkt einer Lebens- und Berufsplanung ist eine differenzierte und realistische
Einschätzung eigener Fähigkeiten und Möglichkeiten. Ein Unterricht, der auf die
spezifischen Bedarfe blinder und sehbehinderter Schülerinnen und Schüler eingeht,
fördert die Entwicklung ihrer motorischen, sensorischen und kognitiven Fähigkeiten, legt
Wert auf den Aufbau sozialer Kompetenzen (s. u.) und schafft vielfältige Gelegenheiten,
sich in unter-schiedlichen Anforderungssituationen zu erproben. In der Phase der
Berufsorientierung kann ein direktes Kennenlernen verschiedener Berufsfelder (und
entsprechender Ausbildungsmöglichkeiten) in Zusammenhang mit der Analyse eigener
Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie notwendiger sächlicher und personaler
Voraussetzungen (z. B. Bildungsabschlüsse, Hilfsmittelbedarf, Assistenzbedarf) die
Berufswahl unterstützen und konkrete Möglichkeiten eröffnen.
Die aktive Freizeitgestaltung ist eine wesentliche Komponente selbstbestimmten Lebens.
Im schulischen Kontext können und müssen blinden und sehbehinderten Schülerinnen
und Schülern geeignete Freizeitaktivitäten vorgestellt sowie Voraussetzungen und
Teilhabemöglichkeiten aufgezeigt werden. Vielfältige Chancen im Sinne einer inklusiven
Umsetzung bieten sich im musischen und sportlichen Bereich.
Soziale Kompetenz
Der Inhaltsbereich Soziale Kompetenz steht in engem Zusammenhang zu den Bereichen
Alltagspraktische Fähigkeiten und Orientierung und Mobilität. Ein weiterer wesentlicher
Aspekt Sozialer Kompetenz bezieht sich auf die kommunikativen Fähigkeiten. Blindheit
bzw. Sehbehinderung kann die soziale Interaktion erschweren, da nonverbale
Interaktionsanteile (z. B. Mimik, Gestik, Körpersprache) nicht oder nur erschwert
zugänglich sind. Blinden und sehbehinderten Schülerinnen und Schülern müssen somit
die Bedeutung und die Funktion nonverbaler Kommunikation ebenso systematisch
vermittelt werden wie die Wirkung der eigenen Körpersprache auf die Interaktionspartner.
Soziale Kompetenz beinhaltet darüber hinaus den Umgang mit der eigenen Blindheit bzw.
Sehbehinderung. Dies kann sich beispielweise in der individuellen Selbsteinschätzung
oder im Wissen um Bewältigungsstrategien äußern. Entscheidende Eckpunkte für den
Inhaltsbereich der Sozialen Kompetenz markieren die Maßnahmen, die zur Stärkung von
Autonomie und Selbstbestimmung (empowerment) und zum formellen und informellen
Austausch mit den Peers/Gleichbetroffenen (in organisierter Form zumeinst getragen von
der Selbsthilfevereinen und –verbänden) dienlich sind.
Beschreibung der Ebenen der Umsetzung
Diagnostik
Gegenstand des spezifischen diagnostischen Tuns
Intervention
spezifische Interventionen und Maßnahmen der individuellen Förderung auf Basis der
Diagnostik
Methodik
spezifische methodische Gestaltung des Lernangebots unter dem Paradigma der
Anschlussfähigkeit an allgemeindidaktische und fachdidaktische Entscheidungen im Sinne
einer Didaktik der Vielfalt
Ausstattung & Medien
spezifische Gestaltung des Lehr- und Lernumfeldes und Einsatz (modifizierter)
allgemeiner und spezifischer Medien
Handelnde & Handlungsfelder
Wer mit Wem Wo? Welche Professionellen setzen in Kooperation (interdisziplinäre
Settings) auf welchen Handlungsfeldern die Ebenen „Diagnostik“, „Intervention“,
„Methodik“ und „Ausstattung & Medien“ um?
1.1 Förderung des Sehens – Diagnostik
1.1.1 Würdigung der Gutachten des physiologischen Sehens (ophthalmologisches
Gutachten)
(Anfordern, Lesen, Nachschlagen, Bewerten, Nachfragen…)
1.1.2 Überprüfung des Funktionalen Sehens
(Verhaltensbeobachtung und -interpretation, Testverfahren zur Bestimmung des Visus,
des Gesichtsfeldes, des Kontrast- und Farbsehens in Alltagssituation…)
1.1.3 Überprüfung des visuellen Charakters des Lehr- und Lernumfeldes
(Beleuchtung, Farb- und Kontrastgestaltung, Orientierungspunkte…)
1.1.4 Überprüfung des visuellen Charakters des didaktischen Angebots
(z. B. „Offener Unterricht“: ständige Materialzugänglichkeit durch offene, flexible
Raumgestaltung vs. Strukturierungsbedarf des blinden Kindes…)
1.2 Förderung des Sehens – Intervention
1.2.1 Maßnahmen zu Sehförderung
(Ausbildung visueller Aufmerksamkeit, Unterstützung in der Entwicklung der Funktionen
des Sehens [Sehschärfe, Fixation, Akkommodation, Binokularsehen, Farbsehen] Übungen
zur Verwendung des Sehvermögens in unterschiedlichen Kontexten…)
1.2.2 Anbahnung von Strategien für die Erfassung komplexer visueller Angebote
(Nutzen von Markierung, systematisches visuelles Erkunden: Scanning [gezielte Hin- und
Herbewegungen zum Absuchen eines Gebietes], Tracking [Verfolgen eines bewegten
Objektes], Tracing [Nutzen gut sichtbarer Linien für das Auffinden gesuchter Objekte],
Spotting [Erfassen des Objektes ohne Hilfsmittel als Vorbereitung und Hilfe für das
Auffinden des Objektes mit dem Monokular] …)
1.3 Förderung des Sehens – Methodik
1.3.1 Anpassung und Optimierung visualisierender Verfahren an die Möglichkeiten des
Funktionalen Sehens in didaktische Szenarien
(Größe und Qualität des visuellen Angebots; Einsatz spezifischer Medien, z. B. eines
Kamera-Bildschirm-Systems bei Experimentalaufbauten oder bei Beobachtungen im
Sachunterricht …)
1.3.2 Unterstützung visualisierender Verfahren in bestehenden didaktischen Szenarien
(Veranschaulichung von Bewegungsabläufen am menschlichen Körper und an
Gliederpuppen)
1.3.3 Reduktion der visuellen Vielfalt
(Karten mit Flüssen und mit Straßen trennen …)
1.4 Förderung des Sehens – Ausstattung & Medien
1.4.1 Modifikation allgemeiner Unterrichtsmedien unter dem Fokus optimaler visueller
Eigenschaften
(Tafel, E-Board, Pinnwand, Video, Karten, Abbildungen, Experimentalaufbauten,
Sportgeräte, Spielmaterial, Medien für Unterstützte Kommunikation …)
1.4.2 Raum- und Arbeitsplatzgestaltung
(Klassen- und Fachunterrichtsraum, Schulgebäude und -gelände nach den Parametern:
Beleuchtungsstärke, Blendung, Farb- und Helligkeitskontrast, Lichtfarbe,
Farbwiedergabequalität …)
… in Abhängigkeit von der Ausprägung des Funktionalen Sehens
1.5 Förderung des Sehens – Handelnde & Handlungsfelder
Blinden- und Sehbehindertenlehrer/in in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit:
– Orthoptistin (Austausch, Informationsbeschaffung …)
– Ophthalmologe/in (Auswertung med. Befunde, Abklärung ...)
– pädagogischem/r Low-Vision-Spezialist/in (Funktionales Sehen)
– pädagogische Mitarbeiter/innen der Regelschule und des Inklusionsteam
(Dokumente, Beobachtung, Erfahrungen ...)
– Eltern, privates Umfeld (Dokumente, Beobachtung, Erfahrungen …)
– Schüler/in (Selbstauskunft …)
2.1 Wahrnehmung und Lernen – Diagnostik
2.1.1 Diagnostik der haptischen, auditiven, … Wahrnehmung
(Taststrategien zum Erkennen von Formen, Oberflächenstrukturen, Viskosität und
Elastizität …; Richtungshören …)
2.1.2 Erfassen der spezifischen Struktur der Begriffe
(sensorische, emotionale, sprachliche … Merkmale eines Begriffs; Umweltwissen …)
2.1.3 Modifikation der allgemeinen Testverfahren
(z. B. zur Sprachentwicklung, Kognition, Umweltwissen …)
2.1.4 begründete Entscheidung für Nutzung spezifischer Schriftsysteme
(Braille versus Schwarzschrift)
2.2 Wahrnehmung und Lernen – Intervention
2.2.1 Tasterziehung
(Abbau von Tasthemmung, Anbahnen und Optimieren von Taststrategien; Steigerung
taktiler Differenzierungsfähigkeiten …)
2.2.2 Hörerziehung
(Optimierung auditiver Differenzierungsleistungen, Ortung von Schallquellen …)
2.2.3 Gedächtnistraining
(Gedächtnistraining, Ablage- und Ordnungssysteme müssen „gelernt und behalten“
werden …)
2.2.4 Rhetorikschulung
(Präsentationstechniken, Modellierung von Sprache …)
2.2.5 Einführung in spezifische Schriftsysteme und in die entsprechenden
Arbeitstechniken
(Braille, Kurzschrift, Mathematik- und Notenschrift ...)
2.2.6 Erprobung, aufgabenbezogene Wahl und Umgang mit verschiedenen
Schriftsystemen, Schrifttypen, -größen, Lineaturen etc.
2.3 Wahrnehmung und Lernen – Methodik
2.3.1 Ergänzung visualisierender Verfahren um haptische/akustische/… Verfahren im
allgemein- und fachdidaktischen Setting
(Bilder aufbereiten und um Modelle, Reliefdarstellungen und Tonbeispiele ergänzen)
2.3.2 Verbalisierung visueller Angebote
(sprachliche Begleitung einer Handlung bzw. einer Situation)
2.3.3 Spezifik der Kommunikation zwischen allen Beteiligten (Lehrern und Schülern)
(Ersetzen bzw. Ergänzen des Blickkontakts durch direkte Ansprache, …)
2.3.4 Vermeidung von Parallelangeboten
(Sehen und Zuhören ≠ Tasten und Zuhören)
2.3.5 regelhafte Bewusstmachung der Bezüge Original-Modell-Abbildung und erhöhter
Bedarf an der Begegnung mit Realobjekten
(insbesondere an außerschulischen Lernorten)
2.3.6 Rhythmisierung & Sequentierung
(Ermüdung durch erhöhte Konzentration und Besonderheit des circadianen,
tagesrhythmischen Systems)
2.3.7 spezifische Zeitfenster
(z. B. für Lesen, Schreiben und Rechnen mit Braille oder mit Vergrößerung)
2.3.8 Kriterien und Ordnungsverfahren für innere und äußere Differenzierung
(Wer arbeitet mit wem an welchem Gegenstand in welchem Rahmen?)
2.3.9 Techniken des geführten Tastens
2.3.10 Schwerpunktsetzung von curricularen Inhalten als Reaktion auf Zeitfensterproblem
(exemplarisches Lernen)
2.4 Wahrnehmung und Lernen – Ausstattung & Medien
2.4.1 Modifikation allgemeiner Lehr- und Lernmedien unter dem Fokus optimaler
haptischer, akustischer … Eigenschaften
(Tafel, e-Board, Pinnwand, Video, Karten, Abbildungen, Experimentalaufbauten,
Sportgeräte, Spielmaterial, Medien für Unterstützte Kommunikation …)
2.4.2 Barrierefreies Infosystem
(Aushänge, Wandtafeln …)
2.5 Wahrnehmung und Lernen – Handelnde & Handlungsfelder
Blinden- und Sehbehindertenlehrer/in in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit:
– pädagogische Mitarbeiter/innen der Regelschule und des Inklusionsteam
(Modifikation didaktischer Entscheidungen ...)
– Mitarbeiter/innen des Medienzentrums (Modifikation von Medien, Lineaturen …)
– Schulträger (Finanzierung)
– Schulaufsicht (Nachteilsausgleich)
– Schüler/innen, Eltern, privates Umfeld (Kurse, Lehrgänge)
3.1 O&M; LPF; Bewegung – Diagnostik
3.1.1 Diagnostik der Bewegung, der Grob- und Feinmotorik und der Raumvorstellung
(Raum-Lage-Beziehungen)
3.1.2 Diagnostik der Mobilität
(im bekannten und unbekannten Raum)
3.1.3 Diagnostik der Handlungsmöglichkeiten bei der Bewältigung lebens- bzw.
alltagpraktischer Aufgaben
3.2 O&M; LPF; Bewegung – Intervention
3.2.1 Orientierungs- und Mobilitätstraining
(Quantität, Qualität und Rhythmisierung in Abhängigkeit von den individuellen
Erfordernissen)
3.2.2 Bewegungsförderung
(Bewegungsstimuli, Bewegungserfahrungen, Schulung im grob- und feinmotorischen
Bereich…)
3.2.3 Training zu Lebens- bzw. Alltagspraktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten
(Quantität, Qualität und Rhythmisierung in Abhängigkeit von den individuellen
Erfordernissen)
3.2.4 Erarbeitung individuellere Ordnungskriterien
3.3 O&M; LPF; Bewegung – Methodik
3.3.1 Unterrichtsimmanente Aspekte von O&M, LPF
(Pausengestaltung, Wiegen und Messen, Orientierung im Schulgebäude, Unterrichtsraum,
Umziehen bei Sportunterricht, Ankündigung von Raumwechsel bei Rollstuhlnutzung …)
3.3.2 Ermöglichung und Abfragen der individuellen Ordnungskriterien
… innerhalb der allgemein- und fachdidaktischen Settings
3.4 O&M; LPF; Bewegung – Ausstattung & Medien
3.4.1 Raumgestaltung (Klassen- und Fach-)Unterrichtsraum
(Ordnungsprinzipien, No-parking-Zonen ...)
3.4.2 Barrierefreiheit
(Leitsysteme, Beschriftung mit Braille …)
... des Schulgebäudes und des -geländes
3.5 O&M; LPF; Bewegung – Handelnde & Handlungsfelder
Rehabilitationsfachkräfte für blinde und sehbehinderte Menschen (O&M; LPF) & Blindenund Sehbehindertenlehrer/in in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit
– pädagogische Mitarbeiter/innen der Regelschule und des Inklusionsteam
(Umsetzung in allgemein- und fachdidaktischen Settings ...)
– Mitarbeiter/innen des Medienzentrums, Fachverbände (Leitsysteme …)
– Schulträger & Schulaufsicht (Finanzierung, Genehmigung von baulichen
Veränderungen)
– Hausmeister, Handwerker (bauliche Umsetzung Barrierefreiheit …)
– Ergo- und Physiotherapeut/inn/en (Diagnostik und Förderung im Bereich
Bewegung)
– Fachärzte Orthopädie; Rehabilitationsmedizin (medizinische Diagnostik)
– Orthopädietechniker/innen
– Schüler/innen, Eltern, privates Umfeld (Kurse, Lehrgänge z. B. in O&M, LPF …)
4.1 Technische Hilfsmittel – Diagnostik
Anpassung, Auswahl, Beratung von individuellen Hilfsmitteln im Kontext der Lebens-,
Lehr- und Lernräume
(in enger Kooperation mit Augenärzten und Optikern …)
4.2 Technische Hilfsmittel – Intervention
4.2.1 Hinwirken auf Akzeptanz der Hilfsmittel
4.2.2 Einführung in den Gebrauch: Anleitung, Erprobung, Strategien der Nutzung
4.2.3 Troubleshooting [sicherer Umgang mit Problemen/ Problemlösungskompetenz] beim
Hilfsmitteleinsatz
4.2.4 Erarbeitung und Vermittlung von Strategien zur aufgabenbezogenen Wahl der
angemessenen Option
4.3 Technische Hilfsmittel – Methodik
4.3.1 Gelegenheiten für den Einsatz der individuellen Hilfsmittel innerhalb des
fachdidaktischen Angebots schaffen
(freie Sicht auf Tafel für Tafelkamera, spezifische Arrangements bei
Experimentalaufbauten, Zeitfenster für Einsatz des Bildschirmlesegerätes, Monokulars)
4.3.2 Umgang mit Problemen bei der Nutzung der Hilfsmittel
(Vermeidung von Störung des Unterrichts)
4.4 Technische Hilfsmittel – Ausstattung & Medien
Lupe, Überaddition, Fernrohrsystem, Bildschirmlesegerät, vergrößerte Schwarzschrift,
Lineaturen, modifizierter PC (incl. Braillezeile, Großschriftsoftware, Kamera, Drucker…)
Intra- und Internet, Braille (Produktion, Rezeption Reliefs, Neigungstisch…)
4.5 Technische Hilfsmittel – Handelnde & Handlungsfelder
Blinden- und Sehbehindertenlehrer/in in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit:
– Ophthalmologe/in (Verschreibung ...)
– Optiker/innen (Anpassung, Erprobung, Marktsichtung …)
– Beratungsstellen der Selbsthilfe
– Hilfsmittelberater/innen der Hersteller (Erprobung, Anpassung, Erstschulung …)
– pädagogische(r) Low-Vision-Spezialist/in und/oder Kolleg/inn/en des
Medienzentrums
(Auswahl und Erprobung in Lernumfeld, Schulung …)
– pädagogische Mitarbeiter/innen der Regelschule und des Inklusionsteam
(Ermöglichen des Einsatzes / Schnittstellen in didaktischen Entscheidungen ...)
– Schulträger, Schulaufsicht, Krankenkassen, Sozialhilfeträger …
(Finanzierung)
– Eltern, privates Umfeld
(Kurse, Lehrgänge z. B. in Bezug auf Hilfsmittel)
5.1 Lebensplanung, Beruf & Freizeit – Diagnostik
5.1.1 Diagnostik der individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten in Bezug auf mögliche
Berufsfelder
5.1.2 Diagnostik der individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten in Bezug auf mögliche
Freizeitaktivitäten
(Sport, Musik…)
5.2 Lebensplanung, Beruf & Freizeit – Intervention
5.2.1 Beratung: Eröffnung und Heranführen an spezifische Angebote
(Blindensport, Notenschrift, Berufsfelder …)
5.2.2 Kursangebote, Arbeitsgemeinschaften … spezifischer Angebote
(Empowerment und Stärkung durch Peers/Gleichbetroffene)
5.2.3 Kontakte Blindenselbsthilfe und Vereine
(Empowerment und Stärkung durch Peers/Gleichbetroffene)
5.2.4 Vermittlung von Strategien zum Erschließen der regionalen Angebote
5.2.5 Vermittlung (sozial-)rechtlichen Wissens
5.3 Lebensplanung, Beruf & Freizeit – Methodik
5.3.1 Anpassen der allgemeinen Berufsorientierung auf spezifische Bedürfnisse und
Berufsfelder
5.3.2 Einbinden spezifischer Freizeitangebote in schulisches Angebot innerhalb des Sportund Musik-Unterrichts; in Projektwochen, Freizeiten, Klassenfahrten, Ganztagsangebote
…
(Goal/Torball, Showdown/Tischball für Blinde, Blindenfußball, …)
5.4 Lebensplanung, Beruf & Freizeit – Ausstattung & Medien
spezifische Sportgeräte (Klingelball, Tischballplatte …)
5.5 Lebensplanung, Beruf & Freizeit – Handelnde & Handlungsfelder
Blinden- und Sehbehindertenlehrer/in in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit
– Integrationsfachdienst, Arbeitsagentur, Beratungsstellen (Beratung ...)
– Fachkolleg/inn/en an weiterführenden Einrichtungen/Systemen (Arbeitserprobung,
Berufsfeldorientierung …)
– Selbsthilfe, Vereine (Freizeitangebote, Rechtsberatung …)
– Vertrieb spezifischer Sport- und Spielgeräte, Musiknoten
– pädagogische Mitarbeiter/innen der Regelschule und des Inklusionsteam
(Einbindung in allgemeine Berufsvorbereitung, Sport- und Musikangebote,
Profilgebung der Schule ...)
– Schüler/innen, Eltern, privates Umfeld (Kurse, Lehrgänge)
6.1 Soziale Kompetenz – Diagnostik
Analyse der Prozesse der Interaktionen, der formellen und informellen Beziehungen
hinsichtlich potentieller Barrieren
(potentielle Barrieren in zwischenmenschlicher Interaktion, Blindismen, … insbesondere in
Kooperation mit Psycholog/inn/en)
6.2 Soziale Kompetenz – Intervention
6.2.1 Umgang mit diesen Barrieren in der Interaktionen, der formellen und informellen
Beziehungen (z. B. Blickkontakt, Begrüßungsrituale …) durch Offenlegen,
Bewusstmachen und Training
6.2.2 Förderung der Fremd- und Selbstwahrnehmung
6.2.3 Bewältigungsstrategien
6.2.4 Empowerment / Selbsthilfe / Zugang zu Peers/Gleichbetroffenen
6.3 Soziale Kompetenz – Methodik
6.3.1 Anpassung der formellen und informellen Schulregeln und -rituale an die
spezifischen Bedürfnisse
(Melderegeln, Regeln bei Gesprächsführung …)
6.3.2 wertschätzendes und individuell ausgehandeltes Feedback auf Blindismen
(kurze Berührung des Oberarms bei „Schaukeln“ oder „Augenbohren“ …)
6.3.3 transparenter Umgang mit (notwendiger) Körperlichkeit
(Berührung bei Führen mit sehendem Begleiter, geführtem Tasten, …)
6.4 Soziale Kompetenz – Ausstattung & Medien
Medienprodukte zum Themenbereich Behinderung, Blindheit, Sehbehinderung
(Spielfilme, Dokumentarfilme, Medienpakete, Bücher, Zeitungs- und Zeitschriftenartikel …)
6.5 Soziale Kompetenz – Handelnde & Handlungsfelder
Blinden- und Sehbehindertenlehrer/in in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit:
– Fachkolleg/inn/en des psychologischen Dienstes
– Selbsthilfe, Vereine
(Peers/Gleichbetroffene, Empowerment …)
– pädagogische Mitarbeiter/innen der Regelschule und des Inklusionsteam
(Einbindung in allgemeine Angebote; z. B. Theater, Projektwoche, Medienerziehung
...)
– Schüler/innen, Eltern, privates Umfeld
(Kurse, Lehrgänge)
Bezüge zur ICF
Mit der Erarbeitung, Verabschiedung und Veröffentlichung der Internationalen
Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF; WHO 2001/2005)
stellt die WHO ein international verwendbares, wissenschaftlich basiertes Instrument zur
Beschreibung von Rahmenbedingungen des Lebens von Menschen mit Behinderung zur
Verfügung. Wenngleich schulisches Lernen ein spezifisches Feld mit einem hohen Anteil
von Entwicklungsprozessen darstellt, die von einem Instrument, wie die ICF es ist, nur
sekundär abbildbar scheinen, kann und sollte die ICF auch in diesem Rahmen
Anwendung finden. In diesem Sinne sind Anwendungen der ICF zur Strukturierung einer
pädagogisch-psychologisch orientierten Diagnostik ebenso denkbar wie die Beschreibung
spezifischer Förderfaktoren und Barrieren im Kontext schulischen Lernens.
Das vorliegende spezifische Curriculum beschreibt aus der Perspektive eines an das
Kerncurriculum schulischen Lernens anschlussfähigen Konzepts eben diese
(notwendigen) Förderfaktoren und (potentiellen) Barrieren für die Teilhabe an schulischem
Lernen. Es ist demnach zu erwarten, dass das spezifische Curriculum mit Hilfe der in der
ICF aufgeführten Komponenten, Klassifikationen und Domains kodierbar und
strukturierbar ist.
Folgend soll exemplarisch darauf verwiesen werden, dass eine Modellierung des
Spezifischen Curriculums unter Hinzuziehung der ICF möglich ist:
1.1 Förderung des Sehens – Diagnostik
b210-b229 Seh- und verwandte Funktionen z. B.
b210: Funktionen des Sehens (Sehsinn): Sinnesfunktionen bezüglich der Wahrnehmung
von Licht sowie von Form, Größe, Gestalt und Farbe des visuellen Reizes
b21021: Farbsehvermögen (Farbsinn): Sehfunktionen, die das Unterscheiden und
Vergleichen von Farben betreffen
b215: Funktionen der externen Augenmuskeln: Funktionen, die die Muskeln betreffen,
welche benutzt werden, um die Blickrichtung zu ändern, um ein sich durch das Gesichtsfeld
bewegendes Objekt mit den Augen zu verfolgen, um ruckartige Augenbewegungen zur
Verfolgung bewegter Ziele (Sakkaden) durchzuführen und um das Auge zu fixieren
Inkl.: unwillkürliche ruckartige Augenbewegungen (Nystagmus); Koordination beider Augen
e2401
Lichtqualität
Die Art des zur Verfügung stehenden Lichtes und die entsprechenden, in der sichtbaren
Umgebung entstehenden Farbkontraste, die nützliche Informationen (z. B. visuelle
Informationen über das Vorhandensein von Treppen oder einer Tür) oder verwirrende
Informationen (z. B. zu viele visuelle Bilder) über die Welt liefern können.
e585
Dienste, Systeme und Handlungsgrundsätze des Bildungs- und
Ausbildungswesens
Dienste, Systeme und Handlungsgrundsätze für die Aneignung, Erhaltung und
Vergrößerung von Wissen, Fachkenntnissen und beruflichen oder künstlerischen
Fertigkeiten.
1.4.1 Modifikation allgemeiner Unterrichtsmedien unter dem Fokus optimaler visueller
Eigenschaften
e1300
Allgemeine Produkte und Technologien für Bildung/Ausbildung
Von Menschen für den Erwerb von Wissen, Fachwissen oder Fertigkeiten auf jedem Niveau
benutzte Ausrüstungsgegenstände, Produkte, Verfahren, Methoden und Technologien wie
Bücher, Handbücher, pädagogisches Spielzeug, Computerhardware oder -software, weder
angepasst noch speziell entworfen.
2.1 Wahrnehmung und Lernen – Diagnostik
d110-d129 Bewusste sinnliche Wahrnehmungen, z. B.
d110: Zuschauen: Absichtsvoll den Sehsinn zu benutzen, um visuelle Reize
wahrzunehmen, wie einer Sportveranstaltung oder dem Spiel von Kindern zuschauen
d115: Zuhören: Absichtsvoll den Hörsinn zu benutzen, um akustische Reize
wahrzunehmen, wie Radio, Musik oder einen Vortrag hören
d130-d159 Elementares Lernen, z. B.
d130: Nachmachen, Nachahmen: Imitieren oder Nachahmen als elementare Bestandteile
des Lernens, wie eine Geste, einen Laut oder einen Buchstaben des Alphabets
nachmachen
d135: Üben: Wiederholen einer Folge von Dingen oder Zeichen als elementarer Bestandteil
des Lernens, wie in Zehnerfolgen zählen oder das Vortragen eines Gedichtes einüben
d140: Lesen lernen: Die Fähigkeit zu entwickeln, Geschriebenes (einschließlich Braille)
flüssig und richtig zu lesen, wie Zeichen und Buchstaben erkennen, Wörter in richtiger
Betonung äußern sowie Wörter und Wendungen verstehen
d145: Schreiben lernen: Die Fähigkeit zu entwickeln, Symbole zu produzieren, die der
Darstellung von Lauten, Wörtern oder Wendungen dienen, um Bedeutungen zu vermitteln
(einschließlich schreiben in Braille), wie richtig buchstabieren und die Grammatik korrekt
verwenden
d150: Rechnen lernen: Die Fähigkeit zu entwickeln, mit Zahlen umzugehen sowie einfache
und komplexe mathematische Operationen auszuführen, wie mathematischen Zeichen für
Addition und Subtraktion benutzen sowie die richtige mathematische Operation auf ein
Problem anwenden (Nachmachen, Nachahmen, Lesenlernen, Schreibenlernen, …)
1.4.2 Raum- und Arbeitsplatzgestaltung
3.4.1 Raumgestaltung
3.4.2 Barrierefreiheit
e1502
Entwurf, Konstruktion sowie Bauprodukte und Technologien zur
Wegfindung, für Wegeführungen und zur Bezeichnung von Stellen in
öffentlichen Gebäuden
Produkte und Technologien für den Innen- und Außenbereich von öffentlichen Gebäuden,
die Menschen helfen, ihren Weg innerhalb und unmittelbar außerhalb von Bauten zu finden,
und Orte, die sie aufsuchen möchten, lokalisieren, wie Anzeigen in Schrift oder Braille,
Größe der Korridore, Bodenoberflächen, zugängliche (Informations-) Kioske und andere
Arten von Hinweisen.
e240
Licht
Elektromagnetische Strahlung, durch die Dinge sichtbar gemacht werden, entweder durch
Sonnenlicht oder künstliches Licht (z. B. Kerzen, Öl- oder Petroleumlampen, Feuer und
Elektrizität) und die nützliche oder verwirrende Informationen über die Welt liefern kann
Inkl.: Lichtintensität, Lichtqualität, Farbkontraste.
e515
Dienste, Systeme und Handlungsgrundsätze des Architektur- und
Bauwesens
Dienste, Systeme und Handlungsgrundsätze für Entwurf und Bau von öffentlichen und
privaten Bauten.
3.1 O&M; LPF; Bewegung – Diagnostik
d410-d429 Die Körperposition ändern und aufrechterhalten, z. B.
d410: Eine elementare Körperposition wechseln: In eine und aus einer Körperposition zu
gelangen und sich von einem Ort zu einem anderen zu bewegen, wie von einem Stuhl
aufstehen, um sich in ein Bett zu legen, in eine und aus einer knienden oder hockenden
Position gelangen.
d450-d469 Gehen und sich fortbewegen, z. B.
d450: Kurze Entfernungen gehen: Weniger als einen Kilometer zu gehen, wie in Räumen
umher- oder auf Korridoren entlanggehen, innerhalb eines Gebäudes oder für kurze
Entfernungen außerhalb
d4501: Lange Entfernungen gehen: Mehr als einen Kilometer zu gehen, wie durch ein Dorf
oder eine Stadt, von einem Dorf zu einem anderen oder über Land gehen
d4503: Hindernisse umgehen: In der Weise zu gehen, dass sich bewegenden oder festen
Gegenständen, Menschen, Tieren und Fahrzeugen ausgewichen wird, wie auf einem Markt
oder in einem Laden gehen, im Straßenverkehr gehen oder diesen umgehen oder in
belebten Gegenden gehen.
3.2.3 Training zu Lebens- bzw. Alltagspraktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten
(Quantität, Qualität und Rhythmisierung in Abhängigkeit von den individuellen
Erfordernissen)
d510-d560 Sich waschen, pflegen, kleiden …, Essen, Trinken, z. B.
d510: Sich waschen: Den ganzen Körper oder Körperteile mit Wasser und geeigneten
Reinigungs- und Abtrocknungsmaterialien oder -methoden zu waschen und abzutrocknen,
wie baden, duschen, Hände, Füße, Gesicht und Haare waschen und mit einem Handtuch
abtrocknen
Inkl.: Körperteile und den ganzen Körper waschen; sich abtrocknen
d540: Sich kleiden: Die koordinierten Handlungen und Aufgaben durchzuführen, welche das
An- und Ausziehen von Kleidung und Schuhwerk in Abfolge und entsprechend den sozialen
und klimatischen Bedingungen betreffen, wie Hemden, Röcke, Blusen, Hosen,
Unterwäsche, Saris, Kimonos, Strumpfhosen, Hüte, Handschuhe, Mäntel, Schuhe, Stiefel,
Sandalen oder Slipper anziehen, ordnen und ausziehen
Inkl.: Kleidung und Schuhwerk an- und ausziehen sowie geeignete Kleidung auswählen
d550: Essen: Die koordinierten Handlungen und Aufgaben durchzuführen, die das Essen
servierter Speisen betreffen, sie zum Mund zu führen und auf kulturell akzeptierte Weise zu
verzehren, Nahrungsmittel in Stücke zu schneiden oder zu brechen, Flaschen und Dosen zu
öffnen, Essbesteck zu benutzen, Mahlzeiten einzunehmen, zu schlemmen oder zu speisen.
d6200
Einkaufen
Waren und Dienstleistungen für das tägliche Leben gegen Geld zu erwerben (einschließlich
einen für die Einkäufe Beauftragten anzuweisen und zu beaufsichtigen), wie Lebensmittel,
Getränke, Reinigungsmaterial, Haushaltsartikel oder Kleidung in einem Geschäft oder auf
dem Markt auswählen; Qualität und Preis der benötigten Artikel vergleichen, den Preis für
die ausgewählten Waren und Dienstleistungen aushandeln und bezahlen sowie die Waren
transportieren.
d6300
Einfache Mahlzeiten vorbereiten
Mahlzeiten, die wenig Zutaten erfordern und mit einfachen Mitteln zubereitet und serviert
werden können, zu kochen und zu servieren, wie einen Snack oder eine kleine Mahlzeit
zubereiten, die Zutaten durch Schneiden oder Rühren bearbeiten und Lebensmittel wie Reis
oder Kartoffeln kochen oder erhitzen.
4.2.3 Troubleshooting [sicherer Umgang mit Problemen /Problemlösungskompetenz] beim
Hilfsmitteleinsatz
d6504
Hilfsmittel instand halten
Hilfsmittel instand zu setzen und zu halten, wie Prothesen, Orthesen, Spezialwerkzeuge und
Hilfen für die Haushaltsführung und die persönliche Pflege, Hilfen für die persönliche
Mobilität wie Gehstützen, Gehwagen, Rollstühle und Roller instand setzen und instand
halten; Hilfen zur Kommunikation und Erholung instand halten.
d175
Probleme lösen
Lösungen für eine Frage oder Situation zu finden, indem das Problem identifiziert und
analysiert wird, Lösungsmöglichkeiten entwickelt und die möglichen Auswirkungen der
Lösungen abgeschätzt werden und die gewählte Lösung umgesetzt wird, wie die
Auseinandersetzung zweier Personen schlichten.
d177
Entscheidungen treffen
Eine Wahl zwischen Optionen zu treffen, diese umzusetzen und ihre Auswirkungen
abzuschätzen, wie einen besonderen Gegenstand auswählen und kaufen, oder sich
entscheiden, eine Aufgabe unter vielen, die erledigt werden müssen, übernehmen und diese
ausführen.
5.3.2 Einbinden spezifischer Freizeitangebote in schulisches Angebot innerhalb des Sport, und Musik-Unterrichts; in Projektwochen, Freizeiten, Klassenfahrten, Ganztagsangebote
… (goal/Torball, showdown/Tischball für Blinde, Blindenfußball …)
5.4 Lebensplanung, Beruf & Freizeit – Ausstattung & Medien
e1401
Hilfsprodukte und unterstützende Technologien für Kultur, Freizeit und Sport
Angepasste oder speziell entworfene Ausrüstungsgegenstände, Produkte, und
Technologien, die zur Durchführung und Verbesserung von Kultur-, Freizeit- und
Sportaktivitäten benutzt werden, wie modifizierte Mobilitätsgeräte für den Sport,
Anpassungen für musikalische und andere künstlerische Darbietungen.
6.2.1 Umgang mit diesen Barrieren in der Interaktionen, der formellen und informellen
Beziehungen (z. B. Blickkontakt, Begrüßungsrituale …) durch Offenlegen,
Bewusstmachen und Training
d335
Non-verbale Mitteilungen produzieren
Gesten, Symbole und Zeichnungen zur Vermittlung von Bedeutungen einzusetzen, wie
seinen Kopf schütteln, um Uneinigkeit anzuzeigen, oder ein Bild oder Diagramm zeichnen,
um eine Tatsache oder eine komplexe Vorstellung zu vermitteln.
d710
Elementare interpersonelle Aktivitäten
Mit anderen in einer kontextuell und sozial angemessenen Weise zu interagieren, wie die
erforderliche Rücksichtnahme und Wertschätzung zeigen oder auf Gefühle anderer
reagieren
Inkl.: Respekt, Wärme, Wertschätzung und Toleranz in Beziehungen zeigen; auf Kritik und
soziale Zeichen in Beziehungen reagieren und angemessenen körperlichen Kontakt
einzusetzen.
6.2.4 Empowerment / Selbsthilfe / Zugang zu Peers / Gleichbetroffenen
d9100
Informelle Vereinigungen
Sich in sozialen oder gesellschaftlichen Vereinigungen, die von Menschen gleicher
Interessen organisiert sind, zu beteiligen, wie lokale soziale Clubs oder ethnische Gruppen.
e325
Bekannte, Seinesgleichen (Peers), Kollegen, Nachbarn und andere
Gemeindemitglieder
Personen, die sich als Bekannte, Seinesgleichen, Kollegen, Nachbarn und als
Gemeindemitglieder kennen, etwa von der Arbeit, Schule oder Freizeit, über
Kommunikationssysteme wie Telefon, Fernschreiber, Internet, E-Mail oder über andere
Möglichkeiten, und die demographische Eigenschaften wie Alter, Geschlecht, religiöses
Bekenntnis, ethnische Zugehörigkeit oder gemeinsame Interesse teilen.
e425
Individuelle Einstellungen von Bekannten, Seinesgleichen (Peers), Kollegen,
Nachbarn und anderen Gemeindemitgliedern
Allgemeine oder spezifische Meinungen und Überzeugungen von Bekannten,
Seinesgleichen (Peers), Kollegen, Nachbarn und anderen Gemeindemitgliedern, die eine
bestimmte Person oder andere Dinge (z. B. soziale, politische und ökonomische Themen)
betreffen, und die individuelles Verhalten und Handlungen beeinflussen.
Modell-Leistungsbeschreibung
Für jede blinde und sehbehinderte Schülerin und jeden blinden und sehbehinderten
Schüler ist ein spezifisches Curriculum zu erstellen und umzusetzen. Die Vielfalt der im
Prozess der Gestaltung der Teilhabe an schulischer Bildung wirkenden Komponenten
(unterschiedliche Beeinträchtigungen der Körperfunktionen und –strukturen, ggf.
vorhandene Strukturen von Förderfaktoren und spezifisch konstituierte Barrieren in der
Gestaltung schulischen Lernens) lassen es erwarten, dass die folgend zu beschreibenden
Leistungen, die eine Lehrkraft mit der Lehrbefähigung im Förderschwerpunkt Sehen für die
Umsetzung des spezifischen Curriculums zu erbringen hat, einer individuellen Anpassung
an das Kind, den Jugendlichen sowie die jeweiligen Umweltbedingungen bedürfen.
Dennoch sollen folgend für unter-schiedliche Ebenen der zu erbringenden Leistungen
Zeitkorridore umrissen werden, auf deren Grundlage z. B. eine Poolzuweisung für
Förderzentren (Förderschwerpunkt Sehen) grundgelegt werden kann. Die umrissenen
Zeitblöcke können z. B. biografische Schwerpunktsetzungen (neues Schulgebäude, neue
Unterrichtsfächer incl. neuer Fachunterrichtsräume, neue Hilfsmittelbedarfe, Schübe im
Prozess der Erblindung, Übergänge (Primarstufe - Sekundarstufe etc.) nicht abbilden,
ebenso wenig Phasen, in denen die spezifische sonderpädagogische Begleitung und
Unterstützung in Folge einer erfolgreichen Diagnostik und Intervention und seiner Rolle als
subsidiäres Angebot sich ein wenig mehr aus dem Prozess des Bildungsprozesses
zurückziehen kann und muss. Die umrissenen Zeitkorridore geben demnach ein Mittel der
zu veranschlagenden Arbeitsstunden wieder. Da die Zeitarbeitsmodelle für Lehrerinnen
und Lehrer in den deutschen Bundesländern sehr unterschiedlich sind und aus fachlicher
Sicht eine Entsprechung der zu erbringenden Leistungen mit der Einheit
„Unterrichtsstunden“ nicht ohne das Hinzuziehen von Hilfsrechnungen möglich ist, sind die
Zeitangaben folgend in Zeitstunden pro Kalenderjahr angegeben.
Die Leistungen, die zur Entsprechung der spezifischen Curriculums zu erbringen sind, sind
folgend in sechs Ebenen umschrieben. Die Leistungen, die direkt auf die Arbeit mit der
Schülerin, dem Schuler bezogen sind, die auf die Schulstruktur zielen und die in das
Netzwerk und das System hinein wirken, sind in der Tabelle mit den Verweisen auf das
o. g. spezifische Curriculum versehen und somit inhaltlich gefüllt. Eine international und
national als Standard etablierte Form der Entsprechung des spezifischen Curriculums bei
blinden und sehbehinderten Kindern und Jugendlichen ist die der Kursarbeit. Die
Kursangebote zielen auf die Kinder und Jugendlichen selbst, deren Familien und die
pädagogischen Professionellen, die die Gestaltung der schulischen Bildung an einer
inklusiven Schule im Kern tragen. Eine fünfte Ebene kann nicht mit Zeitkorridoren belegt
werden (in der Tabelle daher mit einem x als Platzhalter), da die Fahrzeiten abhängig von
den geografischen Gegebenheiten der Beratungs- und Unterstützungsstruktur sind (z. B.
Stadtstaat – Flächenland). Dieser Fahrzeiten müssen jedoch als „zu erbringende
Leistungen“ in die Gesamtberechnung der Zeiten einbezogen werden (Die Fahrten sind
rechtlich nicht mit dem Weg zur Arbeitsstätte gleichzusetzen und damit Bestandteil der
Arbeitszeit der Lehrerinnen und Lehrer; eine Nichtausweisung führt zu einer rechtlich nicht
vertretbaren Benachteiligung von Schülerinnen und Schülern deren Lernort in einer
größeren Entfernung vom Förderzentrum (FS Sehen) liegt). Die Fahrzeiten können
entweder nach Fahrtenbuch konkret belegt oder nach einer regelmäßig zu überprüfenden
Überschlagsrechnung (durchschnittliche Fahrzeiten in der Region = Summe ausgewählter
Beispielfahrwege / Anzahl der Kinder) pauschaliert werden. Die sechste Ebene umschreibt
die Notwendigkeit, dass für die Teilhabe am schulischen Lernen der Zugriff auf ein
Medienzentrum Voraussetzung ist. Die dort zu erbringenden Leistungen (Umsetzung von
Lehrbüchern, Prüfungen, Abbildungen, Modelle etc.) werden von technischen
Mitarbeiter/innen unter fachlicher pädagogischer Anleitung und Beratung sichergestellt.
Die Grundherangehensweise der folgenden Modellrechnung ist das Ausweisen einer
Grundleistung. Ausgehend von dieser Grundleistungen werden Abschläge definiert,
wenn z. B. Kinder und Jugendliche zur spezifischen Diagnostik des Sehens vorgestellt
werden, deren weitere pädagogische Begleitung jedoch ohne blinden- und
sehbehindertenpädagogische Expertise möglich ist oder deren schulisches Umfeld bereits
über ein über die systemischen inklusiven Settings hinausgehendes, erhöhtes Maß an
sonderpädagogischer Expertise (z. B. durch andere überregionale Förderzentren oder
einen spezifischen stationären Beschulungsort in den Förderschwerpunkten geistige
und/oder körperliche und motorische Entwicklung) verfügt. Aufschläge zur
Grundleistung sind nötig, wenn z. B. Kinder und Jugendliche mit einer hochgradigen
Sehbehinderung „zwischen zwei Schriftwelten“ pendeln (müssen) oder durch die
Notwendigkeit der Nutzung der Blindenpunktschrift (Braille) und dominant nichtvisueller
Informationswege spezifische Mehrbedarfe aufweisen. Die Konstruktion der Grundleistung
und der möglichen Ab- und der notwendigen Aufschläge sind in der Tabelle angeführt und
werden anschließend noch einmal kurz illustriert.
Entsprechung des Bedarfs /
des spezifischen
Curriculums durch:
1
speziell:
Vorstellung und
Überprüfung
Grundleistung
speziell:
hochgradige Sehbehinderung / zwei
Schriftsysteme
speziell:
BrailleNutzer/in
speziell:
FS Sehen
bei mehrfachen
Beeinträchtigungen
15
25
15
30
8
38
8
8
schüler/innen/bezogene
Leistungen
1.1 Erstkontakt und Überprüfung des SPF FS Sehen
15
Würdigung der Gutachten des
physiologischen Sehens, Überprüfung des Funktionalen Sehens
(in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit …); Nachbereitung der
Untersuchungen und Koordination der weiteren Förderplanung;
Diagnostik der Bewegung, Grobund Feinmotorik, Mobilität, der
Handlungsmöglichkeiten bei der
Bewältigung alterspraktischer
Aufgaben…
1.2 Hilfsmittelausstattung und
spezifische Förderangebote
Anpassung, Auswahl, Beratung
von individuellen Hilfsmitteln;
Erprobung optischer und optoelektronischer Hilfsmittel; Überprüfung des visuellen Charakters
des Lehr- und Lernumfeldes; Anpassung und Optimierung visualisierender Verfahren an die Möglichkeiten des Funktionalen
Sehens …; Einsatz spezifischer
Medien; Einführung in den
Gebrauch …; Unterstützung bei
der Beantragung von
Hilfsmitteln…; Feststellung und
Einleitung von Maßnahmen in
den Bereichen O&M sowie LPF;
Raum- und Arbeitsplatzgestaltung; Diagnostik der
haptischen auditiven Wahrnehmung …
1.3 Beratung und Unterstützung
im Unterricht
Hinwirken auf Akzeptanz der
Hilfsmittel; Erprobung aufgabenbezogene Wahl und Umgang mit
verschiedenen Schriftsystemen,
Schrifttypen, Lineaturen etc.; Vermittlung von sozialer Kompetenz;
Diagnostik der individuellen
Fähigkeiten und Fertigkeiten;
Analyse der Prozesse der Interaktionen, der formellen und informellen Beziehungen; Umgang mit
diesen Barrieren in der Interaktion; Förderung der Fremd- und
Selbstwahrnehmung; Vermittlung
von Bewältigungsstrategien; Umgang und Training in außerschulischen Lebensfeldern; Anpassung der formellen und informellen Schulregeln und Rituale
an die spezifischen Bedürfnisse
…; transparenter Umgang mit
Körperlichkeit; Verbalisierung
visueller Angebote; Maßnahmen
zur Sehförderung, Tast- und Hörerziehung, Gedächtnistraining;
Rhetorikschulungen; Einführung
in spezifische Schriftsysteme und
Arbeitstechniken; Bewegungsförderung; Erarbeitung individueller Ordnungskriterien; Vermittlung von Kenntnissen in der
Arbeit am PC; Koordination und
Dokumentation zur Bereitstellung
der Arbeitsmaterialien; Modifikation allgemeiner Unterrichtsmedien unter dem Fokus optimaler visueller Eigenschaften;
Überprüfung des visuellen
Charakters des didaktischen
Angebots; Unterstützung visualisierender Verfahren in bestehenden didaktischen Szenarien; Reduktion der visuellen Vielfalt; Ent-
76
152
456
(76)
scheidung zur Nutzung spezifischer Schriftsysteme; Rhythmisierung und Sequentierung; Techniken des geführten Tastens; Einbindung in den Einsatz individueller Hilfsmittel innerhalb des
fachdidaktischen Angebots; Umgang mit Problemen bei der Nutzung der Hilfsmittel …
2
Schulbezogene Leistungen
4
12
12
12
12
38
38
38
20
9
9
9
9
Teilnahme an Konferenzen,
Teamgesprächen, Elternberatung
(in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit …); Mitarbeit an Förderplänen und sonderpädagogischen
Gutachten; Schwerpunktsetzung
von curricularen Inhalten (in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit
…); Durchführung von Informationsveranstaltungen für Teams,
Kollegien, Schulklassen und
Eltern; Aufbereitung von Vergleichs- und Abschlussarbeiten
(in Kooperation mit dem Medienzentrum); Festlegung des Nachteilsausgleiches; Einbinden spezifischer Freizeitangebote in schulisches Angebot; Beratung zu
Raumgestaltung und Barrierefreiheit
3
Leistungen im System und
Netzwerk
Vor- und Nachbereitung von
Unterrichtsbesuchen, Fördermaßnahmen und Gesprächen; Modifikation der allgemeinen Testverfahren; Kooperation im Netzwerk der zuständigen Behörden,
Ärzte, Beratungsstellen (in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit
…); Kontakte Selbsthilfe und Vereine; Vermittlung von Strategien
zum Erschließen der regionalen
Angebote; Vermittlung sozialrechtlichen Wissens; Mitarbeit an
Konzepten, Fachkonferenzen,
Fort- und Weiterbildung
4
Kursangebote
Planung, Durchführung und Auswertung von Kursangeboten,
Arbeitsgemeinschaften, spezifischer Angebote für Schülerinnen
und Schüler, Eltern und Lehrer
(Beteiligte)
5
Fahrten / Mobilität der Lehrkraft
X
X
X
(15)
(30)
(120)
158
274
538
X
Organisation und Verwaltung,
Fahrtenbuch, Aktenführung und
Fahrzeiten
6
Medienzentrum
Gesamt (in Zeitstunden /
Jahr)
19
79
Variante Vorstellung und Überprüfung
Das hier beschriebene Setting beschreibt die Leistungserbringung für Kinder und
Jugendliche, die aus allgemeinen oder allgemeinbildenden Förderschulen
(Förderschwerpunkte geistige Entwicklung, motorische und körperliche Entwicklung,
Hören) zur Überprüfung des Sehens und den sich daraus abzuleitenden
Fördermaßnahmen gemeldet und vorgestellt werden und bei denen es im Ergebnis nicht
zu einer langfristigen Beratung und Unterstützung im Förderschwerpunkt Sehen kommt.
Neben der Diagnostik und Dokumentation (1.1) sind schulbezogene Leistungen (2)
insbesondere für die Rückmeldung und einmalige Beratung in den jeweiligen Kollegien
und den Eltern zu kalkulieren. Ggf. ist das Hinzuziehen weiterer Spezialist/inn/en
notwendig und mit in das Setting einzubinden.
Variante hochgradige Sehbehinderung / zwei Schriftsysteme
Das Leistungssetting bei Kindern und Jugendlichen mit einer hochgradigen
Sehbehinderung ist durch die notwendig werdende Nutzung vergrößernder optischer und
elektronischer Hilfsmittel bei gleichzeitiger Notwendigkeit des Rückgriffs auf taktile
Informationen (auch im Bezug auf den Einstieg in die Blindenpunktschrift) gekennzeichnet.
Diese Platzierung im Grenzbereich zwischen Sehbehinderung und Blindheit führt zu einem
erhöhten Bedarf resp. einer erhöhten Frequenz in der Diagnostik des Funktionalen
Sehens (1.1). Es gilt, Hilfsmittel aus zwei unterschiedlich gewichteten
Wahrnehmungsbereichen (visuell, haptisch) einzubinden und bedarfsgerecht zu
platzieren; Wechsel und Parallelitäten zwischen den nutzbaren optischen und haptischen
Wegen sind intensiv abzuwägen (1.2). Die Beratung und Unterstützung greift bereits
taktile Medien und Verfahren z. B. der Verbalisierung auf (1.3). Die Akzeptanz der eigenen
Situation, oftmals einer fortschreitenden Erblindung, verbunden mit einem offenkundigen
Einstieg in die „Welt der Blinden“ durch die Anbahnung der Punktschrift erfordern intensive
spezifische Interventionen für diese Gruppe.
Variante Braille-Nutzer/in
Insbesondere im Bereich der Beratung und Unterstützung im Unterricht (1.3) entstehen
zusätzliche spezifische Arbeitsfelder. Lehrgänge in den unterschiedlichen
Blindenpunktschriftsystemen (Vollschrift, Kurzschrift, Mathematikschriften etc.),
Einbindung taktiler Angebote in das didaktische Angebot usw.
Variante FS Sehen bei mehrfachen Beeinträchtigungen
Im Setting der Leistungen bei Kindern und Jugendlichen mit mehrfachen
Beeinträchtigungen und einem SPF im Bereich des Sehens entstehen zusätzliche Bedarfe
insbesondere im Bereich der Diagnostik (1.1), die in intensiver Verknüpfung mit externen
Spezialist/inn/en und unter Einsatz spezifischer Instrumente zu gestalten ist. Wenngleich
spezifische und zusätzliche Bedarfe aus den Beeinträchtigungen des Sehens generiert
werden (Transferleistungen aus den Bereichen O&M und LPF, höherer Beratungsbedarf
des Elternhauses durch weit verzweigte Unterstützungssysteme), intensivere
Bemühungen zur Mitarbeit etc.), ist bei der Umsetzung im schulischen Umfeld davon
auszugehen, dass in den bestehenden Förderschulsettings auf eine umfängliche
behindertenpädagogische Expertise zurückgegriffen werden kann. Die Leistungen in den
Bereichen Hilfsmittelausstattung und spezifische Förderangebote (1.2) und Leistungen im
System und Netzwerk (3) werden entsprechend reduziert. Wenn ausreichend Expertise
(zurückführbar auf entsprechend in Aus- und Fortbildung umfänglich grundgelegte
Aspekte der Förderung bei Beeinträchtigungen der Wahrnehmung) im
sonderpädagogischen Feld vorhanden ist, kann in dem direkt intervenierenden Bereich
Beratung und Unterstützung im Unterricht (2) auf zusätzliche (externe) Leistungen im
Normalfall verzichtet werden. Wenn diese Expertise nicht vorhanden ist, müssen die
Bedarfe im Regelumfang zur Verfügung gestellt werden.
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(http://www.tsbvi.edu/Education/EducatingStudentswithVIGuidelinesStandards6.pdf)
Übersetzung: Dennis Cory, Hamburg
Sicherstellung der Teilhabe von blinden und
sehbehinderten Schülerinnen und Schülern an
Vergleichsarbeiten und zentralen Abschlussprüfungen
1. Problemaufriss
Vor dem Hintergrund der immer verstärkter zum Einsatz kommenden landes- und
bundesweiten Vergleichsarbeiten und zentralen Abschlussprüfungen ist die barrierefreie
Teilhabe blinder und sehbehinderter Schülerinnen und Schüler sicherzustellen.
Entsprechende organisatorische, personelle und sächliche Voraussetzungen müssen in
diesem Zusammenhang verbindlich gewährleistet werden.
2. Rechtliche Grundlagen
Nach Artikel 3, Absatz 3 Satz 2 des Grundgesetzes darf niemand wegen seiner
Behinderung benachteiligt werden. Der Anspruch blinder und sehbehinderter Schülerinnen
und Schüler auf barrierefreie Teilhabe ergibt sich aus der UNBehindertenrechtskonvention sowie aus dem Sozialgesetzbuch, dem
Bundesbehindertengleichstellungsgesetz, den KMK-Empfehlungen für den
Förderschwerpunkt Sehen, den jeweiligen Schulgesetzen der Länder und ihren
Ausführungsverordnungen sowie der allgemeinen Fürsorgepflicht der Schule.
3. Rahmenbedingungen hinsichtlich des Ablaufs von
Vergleichsarbeiten und zentralen Abschlussprüfungen
3.1 Meldung der Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf Sehen, die an
zentralen Abschlussprüfungen teilnehmen
Bei der Erstellung der Aufgaben müssen individuelle blinden- und
sehbehindertenspezifische Erfordernisse berücksichtigt werden. Dies bedeutet, dass bei
zentralen Abschlussprüfungen frühzeitig die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler mit
Förderbedarf Sehen mit ihren jeweiligen Prüfungsfächern bekannt sein müssen, um bei
der weiteren Planung mit berücksichtigt werden zu können. Dazu ist es erforderlich, dass
vor Beginn der Aufgabenkonzipierung eine entsprechende Meldung an die koordinierende
Stelle erfolgt. Bei bundes- und landesweiten Vergleichsarbeiten oder
Lernstandserhebungen muss eine solche Meldung nicht speziell erfolgen, da in jedem Fall
die Belange blinder und sehbehinderter Schülerinnen und Schüler berücksichtigt werden
müssen.
3.2 Beteiligung von Fachberaterinnen und Fachberatern
Bei der Konzipierung der Aufgabenstellung für die Vergleichs- und Abschlussarbeiten ist
es erforderlich, dass eine Blinden- und Sehbehindertenpädagogin oder ein -pädagoge an
der Kommissionsarbeit als Fachberaterin oder Fachberater beteiligt wird, um
sicherzustellen, dass die Aufgaben von blinden und sehbehinderten Schülerinnen und
Schülern bearbeitet werden können.
3.3 Zeitlicher Vorlauf für die blinden- und sehbehindertenspezifische
Adaptation durch die Medienzentralen
Die Aufgabenerstellung muss frühzeitig abgeschlossen sein, damit den Medienzentralen
für die angemessene individuelle Adaptation ausreichend Zeit zur Verfügung steht. Die
Erfahrung vieler Medienzentralen hat gezeigt, dass insbesondere für Unterrichtsfächer,
wie Mathematik, Naturwissenschaften und Geographie, ein zeitlicher Vorlauf von ca. zwei
Monaten erforderlich ist.
4. Organisatorische, personelle und sächliche Konsequenzen
4.1 Organisatorische Rahmenbedingungen
4.1.1 Medienzentrale
Es muss sichergestellt sein, dass die blinden- und sehbehindertenspezifischen
Adaptationen für alle Schülerinnen und Schüler im Gemeinsamen Unterricht und an den
Förderschulen in einer fachspezifischen Medienzentrale durchgeführt werden. Bei
länderübergreifenden Vergleichsarbeiten kann ein Medienzentrum federführend eingesetzt
werden, das ggf. arbeitsteilig mit anderen Medienzentralen zusammenarbeitet.
4.1.2 Alternativaufgaben
Stellt die Fachberaterin oder der Fachberater fest, dass eine gestellte Aufgabe nicht
blinden- und sehbehindertenpädagogisch übertragbar ist, muss eine alternative
gleichwertige Aufgabenstellung erstellt werden.
4.2 Personelle Rahmenbedingungen
In den Aufgaben erstellenden Gremien muss eine Blinden- und Sehbehindertenpädagogin
oder -pädagoge als Fachberaterin oder Fachberater beteiligt werden. Der Medienzentrale
muss eine ausreichende Personalkapazität zur Verfügung gestellt werden.
4.3 Sächliche Rahmenbedingungen
Die Medienerstellung für blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler erfordert
eine angemessene sächliche Ausstattung, die den Medienzentralen zur Verfügung stehen
muss, um eine adäquate Aufgabenadaptation zu gewährleisten.
5. Sicherstellung des Nachteilsausgleichs für blinde und
sehbehinderte Schülerinnen und Schüler
Ohne die fachliche Anforderung geringer zu bemessen, ist bei mündlichen, schriftlichen,
praktischen und sonstigen Leistungsanforderungen auf die Behinderung der Schülerin
oder des Schülers angemessen Rücksicht zu nehmen. Behinderte Schülerinnen und
Schüler haben einen Anspruch auf Nachteilsausgleich. Dieser Anspruch ist nicht
antragsgebunden. Die Schule ist von Amts wegen verpflichtet, einer nachgewiesenen
Behinderung angemessen Rechnung zu tragen. Unter verbindlicher Beteiligung einer
Blinden- oder Sehbehindertenpädagogin oder eines Blinden- oder
Sehbehindertenpädagogen legt die Schulleiterin oder der Schulleiter auf Grundlage des
Förderplans und in Absprache mit den unterrichtenden Lehrerinnen und Lehrern den
individuellen Nachteilsausgleich fest bzw. beantragt diesen bei der jeweils zuständigen
Schulaufsicht.
5.1 Formen des Nachteilsausgleichs
Je nach Art und Grad des individuellen sonderpädagogischen Förderbedarfs im
Förderschwerpunkt Sehen und in Abhängigkeit von den Prüfungsaufgaben sind sehr
unterschiedliche Formen von Nachteilsausgleichen denkbar, die jeweils individuell
angepasst werden müssen. Hierzu zählen beispielsweise
– verlängerte Arbeitszeiten bzw. verkürzte Aufgabenstellung,
– Bereitstellen bzw. Zulassen spezieller Arbeitsmittel (vergrößernde Sehhilfen,
Computer, Tonträger, größere bzw. spezifisch gestaltete Arbeitsblätter, ComputerMathematikschrift, größere Linien, spezielle Stifte u. ä.),
– eine mündliche statt einer schriftlichen Arbeitsform (z. B. ein auf Band
gesprochener Aufsatz)
– unterrichtsorganisatorische Veränderungen (z. B. individuell gestaltete
Pausenregelungen, individuelle Arbeitsplatzorganisation),
– größere Exaktheitstoleranz (z. B. in Geometrie, beim Schriftbild, in zeichnerischen
Aufgabenstellungen),
– individuelle Sportübungen etc.
Der individuelle Nachteilsausgleich dient der Kompensation der durch die Behinderung
entstehenden Nachteile und stellt keine Bevorzugung der behinderten Schülerinnen und
Schüler gegenüber deren Mitschülerinnen und Mitschüler dar.
Franz-Josef Beck,
Hannover
Peter Brass, Berlin
Andreas Liebald, Soest
Klaus Wißmann, Schleswig
Impressum
blind – sehbehindert
Zeitschrift für das Blinden- und Sehbehindertenbildungswesen im deutschsprachigen Raum (Deutschland,
Österreich, Schweiz und weiteren Ländern).
Bibliographische Abkürzung: bs ISSN 0176-7836
Die Zeitschrift „blind – sehbehindert“ ist die Nachfolgerin der „Zeitschrift für das Blinden- und
Sehbehindertenbildungswesen – Der Blindenfreund“, hervorgegangen aus der Zeitschrift „Der
Blindenfreund“, gegründet im Jahre 1881 vom königlichen Schulrat Wilhem Mecker, Düren.
Herausgeber/Geschäftsstelle VBS
Verband für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik e.V. (VBS).
Dieter Feser,
Fritz-Elsas-Str. 38, 70174 Stuttgart.
E-Mail: [email protected]
Verlag
Edition Bentheim der
Johann Wilhelm Klein-Akademie GmbH,
Ohmstr. 7, 97076 Würzburg.
Die Anzeigenverwaltung erfolgt über den Verlag (Stefan Hetzel)
E-Mail: [email protected]
Redaktion
Bernd Hamann (Koordinierende Schriftleitung)
Kronäckerstr. 13, 90518 Altdorf
E-Mail: [email protected]
Prof. Dr. Michael Austermann,
Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Rehabilitations-wissenschaften,
Georgenstr. 36, 10117 Berlin
Erwin Denninghaus,
LWL-Berufsbildungswerk Soest,
Hattroper Weg 57, 59494 Soest
Dr. Markus Lang,
Pädagogische Hochschule Heidelberg, Fakultät 1 / Blindenpädagogik,
Zeppelinstr. 1, 69121 Heidelberg
Erich Meyer,
Rennbahnstr. 9, 22111 Hamburg
Prof. Dr. Paul Nater,
Zechenstraße 16e, 59425 Unna
Dietrich Schabow,
Gassenweg 3, 56170 Bendorf-Sayn
Erscheinungsweise
Die Zeitschrift erscheint viermal jährlich:
Februar (Redaktionsschluss 15. Dezember);
Mai (Redaktionsschluss 15. März);
August (Redaktionsschluss 15. Juni);
November (Redaktionsschluss 15. September)
Die Zeitschrift erscheint auch in digitaler Version.
Diese kann über die Geschäftsstelle des VBS bezogen werden.
Inhaltsverzeichnis
Das Gesamt-Inhaltsverzeichnis des abgelaufenen Jahrgangs liegt jeweils dem 1. Heft des Folge-Jahrgangs
bei. Des Weiteren sind die letzten sowie auch ältere Ausgaben auf unserer Website www.vbs-gs.de zu
finden.
Bezugsbedingungen
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Der Bezugspreis ist im jährlichen Mitgliedsbeitrag (derzeit 60 Euro; ermäßigt 45 Euro, Studenten 30 Euro)
enthalten.
Mitgliedsantrag über unsere Website www.vbs-gs.de oder Geschäftsstelle.
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Gebrauch bestimmt und darf nicht verändert oder an Dritte weitergegeben werden.
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innerhalb Deutschlands über die Geschäftsstelle.
Mitgliedsdaten / Abodaten
Adressen- und Kontoänderungen (bei Lastschriftauftrag), Anfragen zum Zeitschriftenbezug und zur
Mitgliedschaft bitte an
Schatzmeister Jürgen Rieskamp,
Bergstr. 3, 82436 Eglfing,
Tel. 0 88 47/6 99 15 39
E-Mail: [email protected]
Autorenhinweise
Umfang und Format der Manuskripte
Beiträge sollten einen Umfang von 6 bis 8 Seiten (incl. Literaturverzeichnis und Abbildungen) nicht
überschreiten. Manuskripte müssen als Word-Dokument, Skizzen und Bilder z. B. im jpg-Format (Auflösung
300 dpi) per E-Mail-Anhang bei der Schriftleitung eingereicht werden.
Gliederung der Manuskripte
Fachbeiträge sollten folgendermaßen aufgebaut sein:
– Vorname und Nachname der Autorin/des Autors bzw. der Autorinnen/der Autoren
– Aktuelles Foto der Autorin/des Autors (jpg-Format, Auflösung 300 dpi)
– Titel des Beitrags (bitte einen prägnanten, nicht zu langen Titel wählen) und gegebenenfalls Untertitel
– Kurzfassung/Abstract (Umfang ca. 100 Wörter): Zusammenfassung der wesentlichen Aussagen und
Herausstellung zentraler Schlussfolgerungen (Erwünscht ist eine englische Übersetzung der
Kurzfassung. Wird diese nicht eingereicht, veranlasst die Redaktion nach Möglichkeit die
Übersetzung.)
– Haupttext gegliedert nach der Dezimalklassifikation (1, 1.1, 1.1.1, ..., 2, 2.1, 2.1.1
– Literaturverzeichnis
– Autorin/Autor bzw. Autorinnen/Autoren:
Vorname, Name, Berufsbezeichnung,
Kontaktadresse, Mailadresse
Weitere Hinweise
Den Inhalt der Beiträge verantworten die jeweiligen Autorinnen/Autoren. Es ist anzugeben, ob der
eingereichte Beitrag bereits in anderen Publikationsorganen erschien oder dort zur Veröffentlichung
vorgesehen ist. Auf die Rücksendung unverlangt eingesandter Beiträge besteht kein Anspruch. Erst nach
ausdrücklicher Bestätigung gelten Beiträge als angenommen. Alle Rechte, auch das der Übersetzung, sind
vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion.
Bankverbindung
Verband für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik e.V. (VBS)
Vereinigte Sparkassen (BLZ 703 510 30),
Konto-Nummer 321 376 63
IBAN: DE56 7035 1030 0032 1376 63,
SWIFT-BIC: BYLADEM1WHM
Herstellung/Druck
bonitasprint gmbh,
Max-von-Laue-Straße 31, 97080 Würzburg,
www.bonitasprint.de
Druckauflage dieser Ausgabe: 2.400 Exemplare
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