Fragenkatalog Entwicklungspsychologie 1. Sprechen Sie über Gegenstand, Aufgaben, Ziele, Bedeutung und Teilgebiete der EPS! Gegenstand: - „Gegenstand der EPS bilden jene langfristigen, gerichteten und zugleich differentiellen intraund interindividuelle Prozesse im Verlaufe der Lebensspanne, die unter den Begriff Entwicklung subsumiert werden. Dies bezieht sich sowohl auf die beobachtbaren Veränderungen sowie die relative Konstanz interindividueller Unterschiede als auch auf die ihnen zugrunde liegenden Bedingungen.“ (K.U. Ettrich) - Zeitdimension: Lebensalter - Kessen 1960: V=f(A) Veränderung als Funktion des Lebensalters - Alter keine Variable, dient nur der beschreibenden Aufzeichnung der Veränderung, ist aber kein Grund der Beränderung (O/M S. 23) Aufgaben: - Beschreibung und Erklärung der intraindividuellen Veränderungen im Verhalten und Erleben während der gesamten Lebensspanne unter Berücksichtigung der interindividuellen Differenzen und Gemeinsamkeiten - Deskriptive Erfassung von Veränderungen - Systematische Beobachtung und experimentelle Untersuchung (nach erfolgter Theorienbildung) - Klassifizierung und Systematisierung - Erklärung von Entwicklungsprozessen - Einordnen der empirischen Befunde in übergreifende Theorien Ziele: - Orientierung über Lebenslauf (was ist wann charakteristisch?) (O/M S. 20) - Ermittlung von Entwicklungsbedingungen (S. 22) - Vorhersage von Stabilität und Veränderung von Merkmalen und Verhaltensweisen - Planung und Evaluation von Interventionsmaßnahmen Bedeutung: - Beitrag zur Lösung praktischer Probleme im Bildungs-, Wirtschafts-, Sozial- und Rechtssystem (S. 20) - Prognosen zur Ausprägung und Veränderung von Persönlichkeitsmerkmalen (S. 21) - Interventionsmaßnahmen Teilgebiete: - Allgemeine EPS - EPS der Lebensspanne a) Kinder- und Jugendpsychologie 1. Prä- und Perinatalpsychologie 2. Neonatalpsychologie (erste 10 Tage) 3. Psychologie des Säuglings- und Kleinstkindes (2-3 Jahre) 4. Psychologie des Vorschulkindes 5. Psychologie des Schulkindes 6. Psychologie des Jugendalters b) EPS des Erwachsenenalters 1. EPS des jüngeren EA (20 bis 30 Jahre) 2. EPS des mittleren EA (ca ab 40 Jahre) 3. EPS des späten EA (> 60 Jahre) 4. EPS des Greisenalters 2. Geben Sie einen Überblick über die Geschichte der EPS im Kindesalter! Altersgliederung in Industriestaaten: frühe Kindheit 0 – 6 Jahre 1 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie Kindheit 6 – 13 Jahre Jugendzeit 13 – 18 frühes Erwachsenenalter 18 – 30 mittleres EA 30 – 50 spätes EA 50 – 70 Greisenalter > 70 Jugendphasen im historischen Vergleich (Baier 1997) Pubertät 1910 Kindesalter 1950 Kind 1990 Kind 2030 Erwachsenenalter Jugend Erwachsen Ruhestand Jugend Nachjugend Erwachsenenalter spätes Erwachsenenalter Ruhestand Kind Jugend Nachjugend frühes Erwachsenenalter Erwachsenenalter spätes Erwachsenenalter Ruhestand Seniorenalter Mittelalter: - keine Ausarbeitung des Entwicklungsgedankens - kein Jugendalter: Kind Erwachsener - Besonderheiten des kindlichen Erlebens der Welt, des anderen, der Moral blieben unerkannt (S. 24f.) 17. Jahrhundert: - Johann Amos Comenius: Forderung nach altersgemäßer Schule - Unterweisungsstufen (Idealbild): 1. Mutterschule (1-6) 2. Muttersprachschule (7-12) 3. Lateinschule (13-18) 4. Akademie (19-24) - John Locke: Forderung nach empirischen Studien über Kinder und Jugendliche: „Kinder sind keine kleinen Erwachsenen“ Mitte 18. Jahrhundert: - Entwicklungsgedanke erreicht ersten Höhepunkt - Jean Jacques Rousseau: 1762 Erziehungsroman „Emile“ - Formulierte als erster Entwicklungsgedanken Endogener Entwicklungsprezeß Vertrauen in natürliche Reifung des Menschen Erzieher muß genauen Zeitpunkt von Entwicklungsphasen kennen, sonst schädigt er Kind (Ziel: Einzelunterricht) - Entwicklungsstufen: 1. Ausbildung des Körpers (1-3) unfähig zu echten Sozialbe2. Ausbildung der Sinnestätigkeit (4-12) ziehungen, nicht reif für 3. Ausbildung von Verstand und Urteil (13 - 15) Beteiligung an Gesellschaft 4. Entwicklung des Gefühlslebens und der Sittlichkeit (ab 16) Der sittlich handelnde Mensch - regte erste empirische Arbeiten an - beeinflußte Pädagogen wie Pestalozzi, Fröbel und Maria Montessori Ende 18. Jahrhundert: - Entwicklungsgedanke fand rasch Verbreitung - vermehrte Forderung nach eine „Erfahrungsseelenkunde“ (also empir. Psychologie) - Deutschland: Johann Tetens: „Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwicklung“ - Erscheinung mehrerer Magazine, die zum Teil kinderpsychologische Fragestellungen behandeln; Vermischung von moralisierend-psychologischem Anliegen mit empirischer Beobachtung vorwissenschaftliches Überzeugungswissen 19. Jahrhundert: - EPS als Erfahrungswissenschaft erhielt entscheidende Anstöße 2 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie - besonders Einflüsse durch biolog. Entwicklungsgedanken Darwin: biographische Aufzeichnungen über eigenes Kind Hoffnung auf Informationen über die Natur des Menschen vor Erziehungseinflüssen starker Einfluß auf Entwicklung der Psychologie Galton: Entwicklung der naturwissenschaftlichen EPS Folge: mehrere Säuglings- und Kinderbiographien, geführt als anekdotische Tagebücher über Entwicklung der eigenen Kinder Beispiele: - Wilhelm Preyer: „Die Seele des Kindes“ (1882) (hob Entwicklungsdimensionen ab, z. B. Entwicklung der Motorik) - Ehepaar Ernst und Gertrud Scupin (1907, 1910) - Ehepaar Stern (Konzentration auf Sprachentwicklung) (1914) Anregungen auch für Jean Piaget - 1866 Ernst Haeckel: „Biogenetisches Grundgesetz“: Keimesentwicklung = Rekapitulation der Stammesgeschichte Phylogenese wird in embryonaler Ontogenese nachvollzogen (S. 27) - 1904 analog Hall (Begründer der amerikanischen EPS): „Psychogenetisches Grundgesetz“: Individualentwicklung = Wiederholung der Kulturgeschichte der Menschheit (Kind wiederholt im Spiel kulturelle Evolution) - Widerlegung durch Lamprecht 1905: Vergleich von gesammelten Kinderzeichnungen mit Höhlenmalereien waren viel ausgereifter [Aber ist dies eine Widerlegung Halls? Habe ich in diesem Kontext nicht zitiert gefunden. T. E.] 20. Jahrhundert: - - Etablierung der EPS an Universitäten (Hall: Clark Unversity; Binet: Paris; Stern: Hamburg; Ehepaar Bühler: Wien) - Einsatz von Beobachtung, Fragebögen, Tests, Experimenten Alfred Binet (1905) erster Altersstaffeltest sollte verhindern, daß Kinder unberechtigterweise in Hilfsschulen kommen William Stern: IQ = Lebensalter / Entwicklungsalter Arnold Gesell: Kleinkindertest; in Deutschland: Charlotte Bühler: Tests nach Gesell (1928), die noch heute aktuell sind - - Herausbildung von Forschungstraditionen Richtungen: a) Deskriptiv-normative EPS (S. 28) - erste Gruppe von Arbeiten: Phasenbeschreibungen - Zusammenstellen von altersspezifischen Leistungen, Neigungen, Problemen typenhaftes Porträt von Lebensabschnitten - betonen qualitative Besonderheit eines Lebensabschnitts - ca. Mitte des Jahrhunderts: Stadien- und Stufenbeschreibungen einzelner Funktionen - herausragend: Piagets Werk über geistige Entwicklung (Entwicklung der Begriffsbildung, des log. Denkens etc.) - besondere Verbreitung: Konzeption der Entwicklung als Abfolge von Stadien, die durch Organisationsprinzip gekennzeichnet sind - Erstellung von Meßskalen für verschiedene Funktionsbereiche (Motorik, Intelligenz etc.) - Beispiele: Intelligenzskala von Binet und Simon, Kleinkindertest von Charlotte Bühler und Hildegard Hetzer, Entwicklungsskalen von Gesell b) Suche nach Kontinuität und Diskontinuität in Längsschnittstudien - Ziel: Aufweis der Stabilität oder Instabilität interindividueller Differenzen und Möglichkeit der individuellen Vorhersage - Bsp.: Lewis Terman: Studie über hochbegabte Kinder c) Experimentelle Kinderpsychologie - experimentelle Variation veränderungsinduzierender Variablen und Beobachtung von Veränderungen der abhängigen Variablen (gleiche experimentelle Anordnung der Aufgaben kann bei Stpr.n verschiedenen Alters unterschiedliche Effekte haben; Aufdecken von Entwicklungsunterschieden) - Simulation von Einflußfaktoren als Entwicklungsbedingungen, z. B. zur Erprobung von Verfahren als Entwicklungsintervention d) Sozialisationsforschung - meist Feldforschung (Beobachtung, Interviews, Fragebögen) 3 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie - e) Einflüsse aus Soziologie: Untersuchung von sozialisierenden Einflüssen verschiedener sozialer und institutioneller Einheiten (Bsp.: Schule, Nachbarschaft) auf unterschiedliche Entwicklungsdimensionen (Bsp.: geistige und soziale Einstellungen) - Herausbildung einer ökologischen EPS (Untersuchungen zur Auswirkung sozioökologischer Umwelten und Transaktionen mit sich entwickelndem Menschen) Entwicklungsauswirkungen von Intervention und Lebensereignissen - Fragen nach Art der Auswirkung, Generalisierbarkeit, Merkmalen, die modifizierende Wirkung haben 3. Durch welche Merkmale ist das Entwicklungsgeschehen gekennzeichnet? Entwicklung = - differentieller, gerichteter und kumulativer Prozeß über längeren Zeitraum hinweg - bezieht sich auf Veränderungen im individuellen Lebenslauf und auf relative Konstanzen interindividueller Unterschiede - Beteiligung von vielen inneren und äußeren Faktoren am Entwicklungsverlauf - enge Wechselwirkung mit jeweiligen gesellschaftlichen (soziokulturellen und historisch epochalen) Gegebenheiten (Nickel 1988) - schließt Gerichtetheit der Entwicklungprozesse und Entstehen relativ überdauernder Persönlichkeitscharakteristik ein - offen für Interpretation des Entwicklungsgeschehens als Entfaltung von Anlagen im Sinne endogen-vorprogrammierter Funktionsreifungen und für Interpretation im Sinne Milieutheoretischer Positionen - Selbstbewegung = Möglichkeit der aktiven Einwirkung des Menschen auf Veränderungen der Umwelt und auf Gestaltung der Lebensbedingungen - Wechselwirkung mit realen Lebensbedingungen (biologische [Umwelt], soziale [Neustrukturierungen]), psychische [Wirkung des eigenen Entwicklungsstandes auf Person]) - Inhalt und Form der Tätigkeit bestimmt aktuelles Niveau der Veränderungspotenz der individuellen Handlungskompetenz 4. Formulieren Sie Kriterien der Entwicklung! a) Sequentialität - Veränderungen passieren in geordneter Abfolge Stufen / Phasen; nicht vertauschbar - neue Stufe hat höheres Niveau - sequentielle Veränderungsreihe = allgemeingültig b) Prozessualität - Entwicklung = differentieller, gerichteter Prozeß über längeren Zeitraum hinweg - miteinander zusammenhängende Veränderungen laufen als Prozeß ab c) Kontinuität - Entwicklung geschieht kontinuierlich d) Unidirektionalität - Veränderungen auf Endzustand gerichtet = Erlangen der vollen Funktionsweise psychophysischer Merkmale - Annahme: Entwicklung endet mit Erreichen der Reife e) Irreversibilität - keine beliebige Abfolge einzelner Veränderungsschritte unumkehrbar - Grundgedanke: einmal Entstandenes verschwindet nicht wieder - nur für einige Bereiche zutreffend f) Universalität - Annahme: Veränderungsprozesse und deren Abfolge sind bei allen Individuen und in allen Kulturen gleich - lediglich Unterschiede in Entwicklungsgeschwindigkeit g) Strukturalismus - Veränderungen sind von quantitativer, struktureller Art 4 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie - - Organisation von Merkmalen unterliegt kulturellem Wandel Versuch, Grundstruktur zu finden Strukturfragen sehr modellabhängig Kriterien auf Entwicklung im Erwachsenenalter nicht einfach übertragbar, da diese nicht eine lineare Fortschreibung bisheriger Entwicklungsvorgänge mit universellem Charakter ist Veränderungsstrukturen ergeben sich aus jeweiligen Lebensereignissen Entwicklung verläuft multidirektional Niveaustufen (Zielpunkte) zur Zielerreichung nicht definierbar Erwachsener: bio-psycho-soziale Einheit mit Fähigkeit zur Selbststeuerung, d. h. Fähigkeit: - zu geplantem, zielgerichtetem Handeln - zur willkürlichen und bewußten Entscheidung für spezifische Handlungs- und Lebensziele - zur Wahl der Mittel zur Zielerreichung Kriterien, die auf Entwicklung im Erwachsenenalter weniger gut anwendbar sind: - Unidirektionalität - Universalität - Strukturalismus - Irreversibilität - Sequentialität 5. Beschreiben Sie die Forschungsmethodiken der EPS! a) Querschnittsuntersuchungen (ca. 40 %) - Untersuchungen von Daten zu einem Zeitpunkt bei verschiedenen Altersgruppen (verschiedene Kohorten) - Vorteil: relativ geringer Aufwand - Nachteil: keine Aussagen über Entwicklung, da jede Kohorte andere Startbedingungen - verzerrte Ergebnisse durch mögliches Auftreten von Populationsänderungen (z. B. nach Krieg) - Meßinstrument kann auf unterschiedliche Stichproben unterschiedlich wirken (z. B. PC) - Versuch des Rückschlusses auf Ursachen der Entwicklung b) Längsschnittuntersuchungen (ca. 13 %) - eine Stpr. wird mehrmals zu unterschiedlichen Zeitpunkten untersucht - Vorteil: Aussagen über Entwicklung / Veränderung möglich - gut, aber sehr aufwendig, da - oft langjährig - erheblicher finanzieller, zeitlicher und personeller Aufwand - Nachteil: Ausfall von Vpn durch Desinteresse, Wohnortwechsel, Tod kann zu Verzerrung der Ergebnisse führen - methodische Schwierigkeiten: - dasselbe Prüfverfahren bei späterer Untersuchung oft nicht anwendbar Anpassung der Untersuchungsmethode an das fortschreitende Lebensalter - oft verschiedene Vl - Anpassung und Gewöhnung an Untersuchungssituation c) Einpunktuntersuchung (ca. 45 %) - v. a. Studien zur Korrelationsanalyse - besonders Untersuchung von Beziehungsmustern - Ziel: Erkennen von Zusammenhängen bestimmter Merkmale (durch Erhebung zum gleichen Zeitpunkt nur beschränkt möglich Zusatzhypothese nötig) - Zwischenschritt bei Längsschnittuntersuchung 5 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie d) Einzelfallanalysen (ca. 2 %) - meist Analyse des Verhaltens einzelner Untersuchungseinheiten (homogener Analyseaspekt; bei Einzelpersonen, aber auch bei Gruppen möglich) - Vorbedingung: ausreichende Anzahl wiederholter Messungen (da oft aufwendige Auswertungsverfahren wie ZRA) und klar definierte Einflußfaktoren (z. B. kritische Lebensereignisse) - Möglichkeit zur Erfassung von Entwicklungstrends (eindeutige Änderung in eine Richtung) und Schwankungen eines Entwicklungstrends - Nachteil: teilweise geringe Möglichkeit der Verallgemeinerung von Entwicklungsverläufen - nachträgliche Suche nach ähnlich gelagerten Fällen, um irgendwann wissenschaftliche Aussagen über bestimmtes Raster machen zu können e) Analysemodelle - Sequenzmodelle von Schaie, s. Frage 6 6. Erläutern Sie die forschungsmethodischen Sequenzstrategien nach Schaie! - 1965 Vorschlag der Kombination von Quer- und Längsschnittmethoden zur Minimierung der Fehlerquellen beider Ansätze - Berücksichtigung von 3 Faktoren: Alter, Kohorte und Testzeit V = f(A, K, T) - A: umfaßt entwicklungsbedingte Einflüsse (neurophysiologische Prozesse), die sich zwischen Geburt und Meßzeitpunkt eingestellt haben - K: bezieht sich auf alle Umwelteinflüsse, die auf Mitglieder der Kohorte in gleicher Weise wirken - T: umfaßt kulturelle, soziale, historische Einflüsse (Lebensbedingungen) Q-Studien Kohorte 1910 1920 1930 Testzeit - Alter 40 30 20 1950 60 50 40 1970 L-Studien Zeitwandel-Methode: Untersuchung des Einflusses sich über die historische Zeit wandelnder Entwicklungsbedingungen auf Verhalten bestimmter Kohorten Einordnung von Quer-, Längs- und Zeitwandelstudien: Qd: Querschnittsdifferenz Ad: Altersdifferenz Kd: Kohortendifferenz Ld: Längsschnittdifferenz Td: Testzeitdifferent Zwd: Zeitwandeldifferenz (Vergleich von Gleichaltrigen) Qd = Ad + Kd - 50 40 30 1960 Ld = Ad + Td Zwd = Td + Kd Variablen Alter, Kohorte, Testzeit wechselseitig abhängig nur eine Variable kontrollierbar Schaie schlägt sequentielle Strategie der Datenerhebung vor Sequenzmodell (wiederholter Einsatz der traditionellen Verfahren) a) Kohorten-Sequenz-Analyse 6 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie K1 A1 K2 A2 A1 K3 A3 A2 A1 T1 T2 T3 - Verallgemeinerung des Erhebungsplanes der Längsschnittstudie Untersuchung von mindestens 2 Kohorten an mindestens 2 aufeinanderfolgenden Altersstufen voneinander unabhängige Bestimmung der Alters- und Kohorteneffekte Frage: Hatten Lebensumstände einer Kohorte Einfluß? Bedingung: Td = 0 bedeteutet: Nein. b) Testzeit-Sequenz-Analyse - K1 A1 K2 A2 A1 K3 A3 A2 A1 T1 T2 T3 - Verallgemeinerung des Erhebungsplanes der Querschnittstudie Untersuchung von mindestens 2 Altersstufen an mindestens 2 aufeinanderfolgenden Zeiten Bedingung: Kd = 0 keine genetischen Änderungen oder kohortenspezifischen Umweltveränderungen c) Quer-Sequenz-Analyse - K1 A1 K2 A2 A1 K3 A3 A2 A1 T1 T2 T3 - Verallgemeinerung des Erhebungsplanes der Zeitwandelstudie Untersuchung von mindestens 2 Kohorten an mindestens 2 aufeinanderfolgenden Zeiten Bedingung: Ad = 0 Ausschluß von entwicklungsbedingten Veränderungen Bemerkungen / Kritik: - hoher Aufwand, da mindestens 3 Testzeiten und 3 unterschiedliche Altersgruppen - Zweifel, ob Alter und Kohorte unabhängig voneinander gesehen werden können - Kohorten- und Altersvariable keine experimentell manipulierten Variablen, sondern gefundene - bei größeren Unterschieden zwischen Personen einer Kohorte als zwischen den Kohorten: Modell nicht anwendbar vgl. O/M S. 1153 (dort aber zwei Graphiken vertauscht!) 7. a) - Erläutern Sie Forschungsmethoden der EPS! Beobachtungsmethoden Erfassung des Verhaltens in seinem unmittelbaren Verlauf Einsatz in der natürlichen Umgebung Unterteilung in Selbst– und Fremdbeobachtung offene vs. verdeckte Beobachtung (bei Anwesenheit des Beobachters: starkes emotionales Engagement) 7 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie b) Befragung / Selbstauskunft - direkter Zugang zum subjektiven Erleben der Entwicklung - mündlich: höhere Flexibilität; Registrierung von nicht-verbalen Reaktionen, aber: Interviewer-Einfluß - schriftlich: kein Interviewer-Einfluß hohe Standardisierung - Wesentliche Quellen der EPS: Tagebücher, Biographien, detaillierte Verhaltensbeschreibungen c) Entwicklungstests: - Feststellung von beschleunigten, verzögerten oder regressiven Entwicklungsverläufen - Festmachen von Entwicklungsstörungen - Einordnung in typische Population (Alter, Geschlecht, ...) - Bsp: Persönlichkeitstests, Leistungstests d) Experiment - Vorteile: Planmäßigkeit, Wiederholbarkeit, Variierbarkeit - Simulation der Entwicklung durch Trainings- und Interventionsstudien - Kurzzeitprozeß nicht unbedingt repräsentativ für langfristige Prozesse - man kann schlecht die komplexe Realität erfassen und abbilden - Feld- vs. Laborexperiment e) retrospektive Information - Befragung von Personen über bereits vergangene Entwicklungszustände (Wachstum, ...) - autobiographisches Gedächtnis wichtig, es kommt aber immer zu Erinnerungsfehlern 8 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie 8. Unterscheiden Sie Entwicklungstheorien anhand der Evaluationskriterien! Autoren Menschenbild endogenistisch exogenistisch tiefenstrukturpsychologisch genetisch humanistisch K. Comenius, J.J. Rousseau, Karl Bühler, William Stern, Heinz Werner biologischdeterministisch Pavlov, Watson, (Freud), Erikson Skinner Jean Piaget Ch. Bühler, Carl Rogers, Abraham Maslow biologisch und psychologisch; interaktionistisch und konstruktivistisch individualistisch und kognitive Entwicklung „Der Mensch ist von Natur aus gut.“ Fähigkeit zur Selbstverwirklichung alle Bereiche Beschreibungsumfang Lebensspanne Entwicklungsrichtung geprägt durch PA, aber angereichert durch Bezüge zu sozialer Umwelt und Kultur kleine Schritte, summierendes Geschehen; Kumulation und Vernetzung von Subroutinen Entwicklung von außen gesteuert, aber Grenzen der Lernfähigkeit innerhalb des Organismus Mensch ist Produkt seiner Umwelt Verhaltensth., neue Form der Diagnostik: situationsspezif. Diagnostik Stufen; Erweiterung des Lebensund Handlungsraums wirkt ganzheitlich, aber: nur subjekive Erfahrungen des Menschen Geburt Geburt Tod Geburt Tod Geburt Geburt Tod Adoleszenz Adoleszenz (aber Vernachlässigung des höheren EA) Endzustand führt zu immer autonome, sozial Gleichgewichts- selbständiger und „reifer Mensch“ besser integrierte zustand, der nur eigenständiger ablaufenden Persönlichkeit kurzzeitig Mensch Routinen (habits) erreicht wird qualitativ und qualitativ qualitativ qualitativ qualitativ und quantitativ quantitativ Art der Veränderung Differenzierung, Entwicklungsprozesse Spezialisierung, Zentralisierung, Integration Erklärung von Entwicklung eher optimistsisch als endogenistische; stark deterministisch, aber bezogen auf die Kultur alle Bereiche, aber stark kognitiv orientiert Entwicklung ist als Programm im Menschen angelegt (Triebe und Bedürfnisse) stark begrenzt externe Beeinflussung Relevanz für Psychotherapie nicht möglich, Praxis aber große Bedeutung für Psychodiagnostik soziale emotionale Entwicklung Akkomodation wachsen und Assimilation; Integration von Schemata zu höheren Strukturen Konfliktund s. o. AuseinaderWiderspruchssetzung der lösung Person im Spiegel der Umwelt mit sich selbst vorhanden gezielte vorhanden Einflußnahme nicht erforderlich Erziehung, Pädagogik, Spiegelhaltung; Beratung, FörderungsTherapien Psychotherapie programme; (Gesprächs(Analyse) kaum Bedeutung therapie) für Therapie 9 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie ökologisch dialektisch Autoren Uri Bronfenbrenner Menschenbild Dynamik (Mensch immer in Entwicklung, aber auch die ihn umgebende Umwelt) alle Bereiche; beschreibt v. a. Bedingungen für Veränderungen, nicht Veränderungen an sich lebenslange Entwicklung, aber bevorzugt Forschung im Vorschulalter Aufbau eines immer differenzierteren sozialen Netzwerkes v. a. qualitativ Leontjew, Wygotsky (O), aus vielfältigen wiss. Klaus Riegel (W) Bereichen, z. B. Capra, Dörner etc. Dynamik (Mensch immer Mensch überdeterminiertes in Entwicklung, aber auch Wesen die ihn umgebende Umwelt) alle Bereiche soziale Beziehung, nicht: kognitiv Beschreibungsumfang Lebensspanne Entwicklungsrichtung Art der Veränderung Entwicklungsprozesse Erklärung Entwicklung von externe Beeinflussung Relevanz für Praxis systemisch O: v. a. bis Adoleszenz, W: Geburt Tod vom Einfachen Höheren meist 2 Generationen einer Familie; gesamte Lebensspanne zum Gleichgewichte, die als Fließgleichgewichte zu verstehen sind dann qualitativ neue quantitativ, Umschlagen in Qualität ökologische Übergänge Bewältigung von Krisen (Erschließung von Neuem); Bezug zur Life-EventForschung Wechselbeziehung Widerspruchssetzung Widerspruchslösung Individuum Umwelt (innere Widersprüche) v. a. im Mesosystem vorhanden; permanente Auseinandersetzung mit Umwelt Sozialpolitik; Erziehungsprogramme; Förderungsprogramme für Therapie und Beratung Benachteiligte Prozeß Selbstorganisation der Transaktionen innerhalb eines Systems (Schleifen, Kreise etc.) vorhanden Familientherapie, Pädagogik; auch Gestaltung von Nachbarschaftsproblemen, Obdachlosenhilfe etc. 9. Diskutieren Sie Sequenzregeln der psychophysischen Entwicklung! = Folge von Entwicklungsabschnitten, die körperliche und geistige Entwicklung betreffen - Annahme: Entwicklung bestimmter Fähigkeiten / Merkmale durchläuft bei verschiedenen Individuen dieselben Zustände, Schritte, Etappen - Entwicklungsabschnitte immer in eindeutiger Reihenfolge (gesetzmäßig, irreversibel) - frühere Schritte = Grundlage späterer - qualitative Veränderungen - meist Ziel bzw. letzte Etappe gekennzeichnet - Untersuchung des Zusammenhanges aufeinanderfolgender Stufen - Bsp.: Piaget: Stadien der geistigen Entwicklung / der Sprache etc. 10. Erläutern Sie Modellvorstellungen in der EPS! - 3 Grundmodelle: Reifung, Konstruktion, Sozialisation a) Reifungsmodelle - Reifung = gengesteuerte Entfaltung der biologischen Strukturen und Funktionen - Argument für These der Veränderung durch Reifung: - universelles Auftreten von Veränderungen in derselben Sequenz und ungefähr in gleichen Altersabschnitten - Ausschluß von Übung, Lernen, Erfahrung als notwendige Faktoren für Entwicklung 10 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie - Bsp.: Gehen um 12. / 13. Lebensmonat Reifung = negativ definierter Prozeß, der anzunehmen ist, wenn Entwicklung nicht ausschließlich auf Erfahrung, Übung und gedankliche Problemlösung zurückgeführt werden kann - Stützen der Reifungshypothese: Berichte über Extremvarianten kultureller Erziehungs- und Entwicklungsbedingungen - Reifestandskonzept und Konzept der sensiblen Periode b) Modell der sukzessiven Konstruktion - Alternativerklärung zum Reifungsmodell - Kernannahme: jedes Stadium baut auf vorangegangenem auf, setzt dieses voraus und stellt selbst Voraussetzung für nächsthöhers dar - höhere Stufen sind komplexer, integrieren mehr Aspekte oder Elemente als vorangegangene - Bsp.: Kleinkind hat werfen gelernt wirft mit allem c) Modell der Entwicklung als Sozialisation - Sozialisation: Einfluß soziokultureller Faktoren auf Entwicklung im Sinne des Hineinwachsens in die umgebende Kultur und Gesellschaft - soziales Lernen durch Interaktion: Kommunikation und Rollenübernahme im Kontext gesellschaftlicher Normen - Entwicklungspsychologisch orientierte Sozialisationsforschung: Untersuchung der Altersnormen einer Gesellschaft (Überzeugungen, Erwartungen, Vorschriften bezüglich desesen, was altersgemäß ist) - Havinghursts Konzept der Entwicklungsaufgaben: jede Lebensperiode hat spezifische Aufgaben, deren Bewältigung Entwicklung erfordert - 11. Nennen Sie Grundfragen, die beantwortet werden müssen, wenn das Entwicklungsgeschehen in seiner ganzen Breite erfaßt werden soll! - Dauer - Ursachen, Komplexität der Folgen - Bedingungen - Verlauf (Phasen, Stufen, Stadien, ...) - Einfluß der Selbststeuerung - geographische, kulturelle, geschichtliche Besonderheiten - Ergebnis - Irreversibilität - Variabilität - Extremgrenzen (Maximum, Minimum) - Generalisierbarkeit (unter Berücksichtigung der inter- und intraindividuellen Unterschiede) - Vorhandensein/Nichtvorhandensein der für normale Entwicklung notwendigen allgemeinen Voraussetzungen (z. B. alle Chromosomen) - Ausprägungsgrad vorhandener Entwicklungsbedingungen (z. B. Anregungsgehalt der Umwelt) 12. Nehmen Sie Stellung zur Anlage-Umwelt-Kontroverse! - Unterscheidungsmerkmal verschiedener Entwicklungstheorien (exogen vs. endogen) - Konsequenzen aus bezogener Position in der Kontroverse: - Determination der Entwicklung durch Vererbung einzige Möglichkeit der Einflußnahme durch genetische Maßnahmen - Determination der Entwicklung durch Umwelt bildungs-, familien-, sozialpolitische Maßnahmen 11 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie klassische Methoden zum Nachweis von Anlageeinflüssen - Erbgangsmodelle aus Generationsfolgen (z. B. durch Mendelsche Gesetze) über 3000 Erbkrankheiten nachgewiesen, z. B. Chorea Huntington, Diabetes mellitus - Erkennen von Chromosomenanomalien (heute über 1500 bekannt; z. B. Trisomie 21) Zwillingsforschung - bei EZ können Verhaltensunterschiede nur umweltbedingt sein Eigenschaft Anzahl der EZ ZZ genetischer Studien Varianzanteil 42 .81 .59 44% IQ 33 .51 .19 64% Extraversion 18 .54 .19 70% Neurotizismus (nach Asendorpf 1996, S. 250) Verwandtschaft In gleicher aufgewachsen? zweimal ja Gleiche Person, getestet EZ EZ (nach Flammer 1996, S. 30) ja nein Familie Durchschnittliche Korrelation .90 IQ- .86 .76 Kritik: zu kleine Stichproben, v. a. zu wenig getrennt aufgewachsene EZ; außerdem: bei Aufteilung zu adoptierende EZ wird zumeist auf ähnliche Familien geachtet Erblichkeitsschätzung nach Holzinger: rEZ rZZ 1 rZZ 2 h ist definiert als Anteil an Gesamtvarianz eines phänotypischen Merkmals in einer Population, der auf Anlagefaktoren zurückzuführen ist (nicht auf Individuum, sondern auf Population bezogen) aber: Korrelationsmaße sagen nichts über Kausalzusammenhänge aus h2 ist nicht altersstabil; z. B. geistige Entwicklung: in früher Kindheit 20%, in mittlerer Kindheit 40%, Adoleszenz 60% Umwelt wirkt in früher Kindheit am stärksten Hereditätskoeffizient: - - h2 Genom-Umwelt-Kovarianz nach Plomin, De Fries und Loehlin (1977): (vgl. Asendorpf S. 259, Amelang und Bartussek S. 545) a) passiver Typ: Genomträger selbst nicht beteiligt (Bsp.: intelligente Kinder wachsen in anregender Umwelt auf, weil Eltern aufgrund ihrer eigenen Intelligenz gute Umgebung schaffen) b) reaktiver Typ: soziale Umwelt reagiert auf genetisch bedingte Persönlichkeitseigenschaften (Bsp.: Kinder werden in Abhängigkeit von Intelligenz in verschiedene Schultypen eingewiesen) c) aktiver Typ: Genomträger gestaltet aufgrund seiner Gene seine Umwelt selbst (Bsp.: Menschen suchen sich intelligenzmäßig angemessene Freunde und Lektüre) weitere Modelle: - Anlage als Schwelle (z. B. Down-Syndrom) - Umwelt als Schwelle (z. B. Hospitalismus, Kaspar Hauser) - Anlage als Obergrenze der Lernfähigkeit (z. B. Sport) - Umwelt als Obergrenze der Entwicklung (z. B. Einflüsse der soz. Schicht) 12 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie Einwände: - Untersuchungen zumeist in Industrienationen - Angaben beziehen sich auf bestimmte Gesamtpopulation (Variation der Merkmale), nicht auf Einzelindividuen - genetische Varianz veränderbar durch Partnerwahl - Gene: unterschiedliche Expressivität 13. Erörtern Sie endogenistische Entwicklungstheorien! Gehen Sie dabei auf das biogenetische und ontogenetische Grundgesetz ein! Vertreter: - Comenius (17. Jh.) - Rousseau (18. Jh.) - Karl Bühler - Adolf Busemann - William Stern - Heinz Remplin - Oswald Kroh - Heinz Werner - Arnold Gesell Grundannahmen: a) Entwicklung durch Anlage geplant und wird durch geeignete Umweltbedingungen realisiert b) Entwicklung „geschieht“ ohne Zutun des Individuums c) Entwicklung geschieht in Schüben, zwischen denen Phasen liegen d) Phasen unterscheiden sich qualitativ e) innerhalb der Phasen geschieht relativ wenig (Konsolidierung des Erreichten) f) Ablösung von Phasen geschieht krisenhaft g) Phasen: unveränderliche Reihenfolge h) Entwicklung ist irreversibel i) letzte Phase: „Reife“, mit Erwachsenenalter abgeschlossen j) Entwicklung ist universell (in allen Kulturen gleich) k) volle Verwirklichung einer Phase Voraussetzung für nächste l) pädagogische Verfrühung gefährlich, weil sie Entwicklungsphase stören kann m) pädagogische Verspätung oft irreparabel (sensible Phasen) n) Übung kann Leistungsfähigkeit der bereits gereiften Funktionen steigern, aber nicht Reifung neuer Funktionen beschleunigen orthogenetisches Prinzip (Heinz Werner) - meint: gerichtete Entwicklung („geistiger Bauplan“) - 4 Prozesse: - Differenzierung (vom Gleichartigen zum Verschiedenen) - Spezifizierung (vom Unbestimmten zum Bestimmten, z. B. funktionsgerechter Gebrauch von Gegenständen) - Zentralisierung (vom Beliebigen zum Geordneten, z. B. zeitliche Koordination von Handlung) - Hierarchische Integration (hierarchische Innensteuerung, z. B. Handlungsketten mit Subroutinen) biogenetisches Grundgesetz (Haeckel, s. Frage 2) ontogenetisches Grundgesetz = psychogenetisches GG (Stanley Hall 1904, s. Frage 2) Bewertung: s. Frage 8 13 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie 14. Erläutern Sie die exogenistischen Entwicklungstheorien! 1915 bis 40er Jahre Gundannahmen: a) Entwicklung durch Lernen b) Entwicklung in kleinen Schritten c) Ontogenese = Folge von trials und errors (und successes) d) durch Lernen: Ausbildung interner Strukturen, die das Abbild der Realität repräsentieren e) erlerntes Wissen spezifisch für den Kontext, in dem es gelernt wurde f) Verallgemeinerung des Gelernten auf andere Situationen = aktive Leistung des Individuums 4 Arten des Lernens: - klassisches Konditionieren - instrumentelles oder operantes Konditionieren - Modellernen (Beobachtungslernen) - strukturierendes Lernen (Piaget) Bewertung: s. Frage 8 15. Erörtern Sie tiefenpsychologische Entwicklungstheorien und nehmen Sie dabei Bezug auf Eriksons psychoanalytische Theorie! Bsp. (Ochse & Plug Psychosoziale Umkreis Elemente der PsychoPsycho1986) Krise der Sozialsoziale sexuelle Bezugsordnung Modalitäten Phasen personen Man kann den Kosmische bekommen, oralI. Vertrauen Mutter Ordnung geben respiratorisch Menschen trauen – Ich vs. Mißtrauen habe das Gefühl, das (1-2 a) etw. in meinem Leben II. Autonomie Eltern vs. Scham, Zweifel (2-3 a) Gesetz und halten, Ordnung lassen III. Initiative Familienzelle vs. Schuldgefühl (4-5 a) Ideale, Leitbilder tun, tun als infantilob genital IV. Werksinn Wohngegend, vs. Minderwertig Schule -keitsgefühl (6-Pubertät) technolog. Elemente etwas Latenzzeit „Richtiges“ machen, etwas mit anderen zusammen machen Wer bin ich Pubertät (nicht)? Das ICH in der Gesellschaft V. Identität vs. Identitätsdiffusion (PubertätAdoleszenz) eigene ideologische Gruppen, Perspektiven die anderen, Führer, Vorbilder 14 anal-urethral: muskuläre Analzone fehlt Wenn Leute versuchen, mich zu etw. zu überreden, das ich nicht will, wehre ich mich – Ich fürchte, daß jnd. etw. Schlechtes über mich herausfindet. Ich bin sicher, daß ich meine Pläne erfolgreich ausführe – Wenn ich Mühe habe, etw. richtiges hinzubringen, gebe ich auf Ich nutze meine Fähigkeiten aus – Ich fühle mich inkompetent für das, was ich im Leben gern tun würde. Ich bin recht sicher, was ich aus meinem Leben machen will – Was ich in meinem Leben tue, ist nichts besonderes Fragenkatalog Entwicklungspsychologie VI. Intimität + Solidarität vs. Isolierung (frühes EA, 18-30) VII. Generativität vs. Selbstabsorption (mittleres EA, 30 – 50) VIII. Integrität vs. Verzweiflung (spätes EA, ab 50) Freunde, sexuelle Partner, Rivalen, Mitarbeiter Gemeinsame Arbeit, Zusammenleben in der Ehe „Die Menschheit“, „Menschen meiner Art“ Arbeits- und Sich in Rivalitätsanderen ordnung verlieben und finden ZeitströSchaffen, mungen in Versorgen Erziehung und Tradition Weisheit Generativität Ich habe das Gefühl von totaler Gemeinsamkeit mit einem Menschen – Ich komme mir auf der Welt allein vor. Ich helfe Leuten, besser zu werden – Auf die Dauer sind Kinder mehr Bürde als Freude sein, was man geworden ist, wissen, was man nicht mehr werden kann 16. Erörtern Sie die Strukturgenese von Jean Piaget! Jean Piaget: mitverantwortlich für kognitiven Wandel in Ps. Grundannahmen: Kategorien der Entwicklung Grundlegende Funktion: gegenseitige Anpassung von Organismus und Umwelt Adaptation a) Funktionen = invariante Anteile (Basisvorgänge, die alle Menschen haben); Mechanismen der Adaptation: aa) Assimilation: subjektgeleitete Angleichung der Umweltgegebenheiten an die Handlungsmöglichkeiten des Subjekts (Einordnung äußerer Eindrücke in subjektive Bezugssysteme) (Bsp.: Handhabung von Stiften Handhabung von Kreide) ab) Akkomodation: Anpassung der Handlungsmöglichkeiten an die Erfordernisse der Gegebenheiten (Bsp.: Schreiben mit Stiften, aber nicht mit Schreibmaschine dazu neue Strukturen nötig) b) Strukturen – entwicklungsgesetzmäßig variant; Verbindungen von Schemata (z. B. Handlungs- und Bewegungsschemata; semant. Schemata [Eigenschaften als Begriff gespeichert, z. B. Tisch]) c) Inhalte – nicht entwicklungsgesetzmäßig variant; = Gegenstände, auf die Schemata angewandt werden Stadien der Entwicklung: 1) Stadium der sensumotorischen Entwicklung (0-2 a) 1. Stufe: Übung angeborener Reflexmechanismen, z. B. Greifreflex 2. Stufe: Primäre Kreisreaktion (Verhalten Erfolg Wdh. des Verhaltens); noch kein Handlungsziel 3. Stufe: Sekundäre Kreisreaktion (spezifisches Verhalten spezifisches Ergebnis wird erwartet); ein Ziel wird angestrebt 4. Stufe: Koordinierung erworbener Handlungsschemata und ihre Anwendung auf neue Situationen (spezifisches Verhalten x, y, z, Exploration: tasten, fühlen, etc, um Gegenstände zu entdecken) 5. Stufe: Tertiäre Kreisreaktion (spezifisches Verhalten x, y, z, Handlungsziel, Erfolg, Integration in das Verhaltensinventar) 6. Stufe: Übergang vom sensumotorischen Intelligenzakt zur Vorstellung (Verhaltenserprobung im internen Modell) z. B. AHA-Effekt 15 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie sprunghafter Anstieg der Möglichkeiten der Umweltauseinandersetzung Entwicklung der Darstellungs- und Symbolfunktion: - Objektpermanenz (Puppe hinter Schirm) - Nachahmungsverhalten - Symbolhandlung (Kinder fangen an, Gegenstände anders zu verwenden als sie normalerweise verwendet werden) 2) Stadium des voroperationalen, anschaulichen Denkens (2-6 a) a) Besonderheiten des Denkens I - voreilige Generalisierung von Konzepten (alles was 4 Beine hat = Hund) - Animismus („böser Tisch“) - finalistische Deutung (Steine sind zum Bauen da) - Gewißheit der Deutungen (Kind ist von seiner Deutung überzeugt) - zirkuläre Schlußweisen (Wind macht Wolken und Wolken machen Wind) - unterschiedliche Erklärungsweisen des gleichen Sachverhalts im unterschiedlichen Kontext b) Besonderheiten des Denkens II - kognitiver Egozentrismus (Kind beurteilt Dinge von seinem Standpunkt aus) c) Besonderheiten des Denkens III - Zentrierung auf einen oder wenige Aspekte des Handlungsfeldes - Invarianz: Höhe und Umfang d) Besonderheiten des Denkens IV - Zentrierung auf Zustände (Kinder sind nicht in der Lage, Transformationen durchzuführen) e) Besonderheiten des Denkens V - ... 3) Stadium der konkreten Operationen (6. – 10. Lj.) - Additive Komposition von Klassen - Klassenbildung (z. B. Menge A ist enthalten in Menge B) - Tautologie: Addition gleicher Elemente ändert nichts (A+A=A) - Resorption: Addition von Unterklasse zu dazugehöriger Oberklasse fügt der Oberklasse nichts hinzu (A+B=B) - es gibt Nullelement 0 (leere Menge), dessen Addition oder Subtraktion nichts verändert - Assoziativität, Möglichkeit des Rückgängigmachens durch inverse Operationen (z. B. Addition durch Subtraktion) - Multiplikation von Klassen - z. B. Treppe bauen und dabei Farbe von Steinen beachten - simultanes Erfassen von Mengen (z. B. augenblickliches Erfassen der Augenzahl eines Würfels) 4) Stadium der formalen Operationen (ab 11. Lebensjahr) - Aufbau kombinatorischer Systeme - planvolles Experimentieren (Variablenkontrolle, Hypothesenprüfung) - Verständnis für Proportionen: Fischexperiment: - „Der Fisch von 10 cm Länge frißt doppelt soviel wie der von 5 cm, der von 15 cm dreimal soviel. Wieviel Futter sollen wir 1 und 3 geben, wenn 2 vier Perlen bekommt?“ - Ergebnis: 6-7 a: numerische Quantifikation, nicht proportional - 7-8 a: Versuch, Lösung durch Subtraktion - 8-9 a: Lösung meistens richtig 16 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie 17. Erläutern Sie kontextualistische Entwicklungstheorien! Sprechen Sie in dem Zusammenhang über Bronfenbrenners ökologische Theorie sowie die dialektischen Theorien von Wygotski und Leontjew! Bronfenbrenner: - Kritik an Entwicklungspsycholgie: „eine Wissenschaft von fremdartigen Verhaltens von Kindern in fremden Situationen mit fremden Erwachsenen in kürzestmöglichen Zeiteinheiten“ - Forderungen an Experiment: - ökologisch valide (in natürlicher Umwelt) - genügend Zeit - umweltspezifisch (kulturspezifisch, schichtspezifisch, etc.) - Aktives Verhalten des Individuums führt: - zur Veränderung des Passungsgefüges von Individuum und Umwelt - zur Veränderung in der Organisation von Wahrnehmung und Handlung Strukturierung der Entwicklungsumwelt: Mikrosystem: - unmittelbarer Lebensraum (Familie, Dyade innerhalb der Familie): N + 2 Kind + Eltern - wichtigste Untersuchungseinheit: Dialog K V Dialog erster Ordnung M Dialog zweiter Ordnung („Was wird Papa dazu sagen?“) - stark entwicklungsbeeinflussende Faktoren für Kinder und Jugendliche: - Wohnverhältnisse - materielle Armut - Erziehungsstil = Entwicklungsbedingung im Mikrosystem Mesosystem: - Kind + andere (Ausschluß von Eltern) - Bsp.: erstes Mesosystem: Kindergrippe - indirekte Beziehungen zwischen Mesosystem und Eltern möglich (z. B. Elternabend in der Schule) - ökologische Übergänge (z. B. Schuleintritt) sind Herausforderungen für Entwicklung Eintritt in neues Sozialgefüge mit neuen Anforderungen - soziale Unterstützung nötig für ökologische Übergänge Exosystem: - Lebensbereiche, an denen Eltern unmittelbar teilhaben, Kinder aber nicht (z. B. Arbeitswelt der Eltern) - Bsp.: Streß und Belastung der Eltern am Arbeitsplatz haben Einfluß auf Verhältnis zu Kind Makrosystem: - Gesellschaftsform - wenn dies zu umfangreich: Abheben von Subkulturen (mit ihren Ideologien und Weltanschauungen) - von Bronfenbrenner vernachlässigt 17 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie Vorgehensweise bei der Beurteilung von Entwicklungsumwelten: a) qualitative Beurteilung der komplexen Struktur „Umwelt“ auf der Basis relativ „weicher“ forschungsmethodischer Verfahren unter Berücksichtigung eines Zielkriteriums (z. B. entwicklungsförderlich vs. –hemmend); Meßinstrument: Eindruck des Interviewers b) quantitative Beurteilung der komplexen Struktur „Umwelt“ auf der Basis multivariater Dimensionscharakteristiken (Fragebögen, Skalen) c) Reduktion der quantitativen Beurteilung im Sinne einer qualitativen Dialektische Entwicklungstheorien von Wygotski und Leontjew: Leontjew: 6 Stufen der Phylogenese des Psychischen a) Assimilation / Dissimilation (Austausch Organismus – Umwelt) b) Sensibilität (Organismus reagiert auf Einflüsse über Zellsensibilität) c) Perzeptivität (Fähigkeit der internen Repräsentation der Außenwelt) d) Intellekt (Interne Repräsentation und Fähigkeit, damit zu operieren; Streitfrage, ob „Tiere denken können“) e) Bewußtsein (Fähigkeit, die charakteristischen Eigenschaften von Gegenständen abheben zu können (z. B. Tisch: Platte + Beine) f) Denken und Sprache (Denken aber mit oder ohne Sprache möglich) 18. Worin bestehen die Bedingungen Entwicklung? Ursachen: - genetische Programme - Umweltanforderungen Bedingungen: - Anregungen - Erziehungsstil der Eltern - soziale Schicht, soziales Netzwerk - Konflikte - Lebensereignisse - physiologische Gegebenheiten und Ursachen der psychischen 19. Erläutern Sie die Begriffe Entwicklungsaufgabe und Altersnorm! Entwicklungsaufgaben nach Havinghurst (1982) = Aufgabe, die sich in bestimmter Lebensperiode des Individuums stellt; gliedern Lebenslauf - erfolgreiche Bewältigung Glück, Erfolg - Versagen Individuum wird unglücklich, stößt in Gesellschaft auf Ablehnung Schwierigkeiten bei Bewältigung späterer Aufgaben 3 Quellen von Entwicklungsaufgaben: a) physische Reife (d. h. biologisch determiniert) b) kultureller Druck (Erwartungen der Gesellschaft, normativ determiniert) c) individuelle Zielsetzung oder Werte des Individuums Unterschiedlicher Verbindlichkeitsgrad der Aufgaben: a) manche müssen bewältigt werden (z. B. Kontrolle der Ausscheidungsorgane) b) andere = Chancen, die man ergreifen kann (z. B. Heirat, Kinder) c) Entwicklungsangebote, die nur für manche realisierbar sind, für andere nicht (z. B. wegen Inkompetenz Berufliche Weiterbildung) Altersnorm: = Überzeugungen, Erwartungen, Vorschriften bezüglich dessen, was altersgemäß ist - z. B. Lesen lernen mit 7 Jahren 18 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie - Umwelt reagiert bewertend auf Akzeptanz der Normen: - auf Abweichung mit Bestrafung - auf Annahme mit Anerkennung (Ansehen, Prestige) 20. Überblick über die körperliche Entwicklung in der Ontogenese pränatal: - Vorkeimblattperiode (1.-3. Woche) + Embryonalperiode (4. – 12. Woche) = Organogenese - Fetalperiode (13. – 38. Woche) = Organdifferenzierung - 21. Tag: Beginn der Herzpulsation - 4 Wochen: 6-8 mm - 12. Woche: 7,5 – 10 cm - ausgebildete Fähigkeiten für: - Schluckbewegung, Atembewegung, Kopf-, Arm- und Beinbewegung - 15. Woche: Greifreflex - 16. Woche: 16 cm - 20. Woche: 25 cm - 24. Woche: 30 cm, Beginn der extrauterinen Überlebensfähigkeit - 26. Woche: Hörapparat ausgereift (hört Darmgeräusche) - 28. Woche: 35 cm, Pupillenreaktion (Konditionierbarkeit) - ab 29. Woche: extrauterines Überleben möglich - 36. Woche: 45 cm Geburt: - ca. 51-54 cm, 3-3,5 kg danach: - Zunahme des Körpergewichts (Entwicklung des Skeletts und der Muskulatur) - Verfestigung des weichen Knochengerüsts durch Kalkeinlagerungen - 5. – 8. Monat: 1. Schneidezahn - 6. – 12. Monat: 2. Schneidezahn - 1. Lj.: 74-76 cm, 9-11 kg - 3 Jahre: 93-97 cm, 13-15 kg - zarte Gliedmaßen im Vergleich zum Rumpf - großer Kopf, kleiner Hals - überall Fettpolster - 5 Jahre: - 75 % der gesamten Gewichtszunahme durch Entwicklung der Muskulatur - kürzere Extremitäten im Verhältnis zum Rumpf - kaum Erkennung einer Taille - Beginn 6. Lj.: 90 % des Hirnendgewichts erreicht - bis 7 Jahre: Körperstreckung, ungelenkes Aussehen [...] 21. Geben Sie einen Überblick über die pränatale physische und psychische Entwicklung! 22. Erläutern Sie pränatale Lernvorgänge! - ab der 28. Woche nachgewiesen - 25. bis 28. Woche: Pupillenreaktion möglich - Klassische Konditionierung: Lichtstrahl auf Bauch Pupillenreaktion; Konditioniertes akustisches Signal Pupillenreaktion 23. Welche physiologischen Übertragungsmechanismen mütterlicher Emotionen sind Ihnen bekannt? 19 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie ständiger Adrenalinausstoß der Mutter stimuliert das Alarmsystem des Kindes evtl. spätere psychosomatische Beschwerden - Streß: - erhöhte Hormonproduktion, Adrenalinstoß verringerte Blutzufuhr Irritation, Hektik des Fötus - Erkenntnisse aus Tierversuchen: Injektion von Streßhormonen bei Ratten bleibende Verhaltensauffälligkeiten bei Neugeborenen vegetative Frauen: - psychosomatische Störungen - vegetative Labilität - Spätgebärende - aber: keine negative Kindesentwicklung belastete Frauen: - Belastungen im familiären Bereich - Medikamentenkonsum - Schwangerschaftsbeschwerden - Abortneigung, Kinder hyperaktiv, Eß-Störungen - 24. Zu welchen Schädigungen führen Teratogene in der Embryo- und Fetalzeit? a) physikalische: - Sauerstoffmangel (besonders Schäden für Nervenzellen) - mechanische Einwirkungen - ionisierende Strahlung - elektrischer Strom b) chemische: - Stoffwechselprodukte (Nephropathie [Erkrankung der Nieren] - Eklampsie (Krampfanfälle, begleitet von raschem Blutdruckanstieg) Plazentainsuffizienz - Hormone - Antikörper (Blutgruppenunverträglichkeit) - Toxine (Alkohol etc.) c) biologische: - Mikroorganismen (z. B. Ursache von Malaria) - Viren - ... - bei Schädigungen bis 4. Monat: oft Abstoßung der Frucht, danach Schädigungen unterschiedlicher Grade Beispiele: - Nikotin: Hemmung des Zellwachstums (erhöhte Frühgeburtenhäufigkeit) - Alkohol: Mißbildungen von Gehirn, Herz - Quecksilber: schwere Hirnschäden, Verhaltensstörungen - Strahlen: Gehirn- und Skelettmißbildungen 25. Sprechen Sie über das psychische Leistungsspektrum des Neugeborenen! a) Schlaf- / Wachdimension des Kindes - Zustände: zeitlich relativ stabile, in gewissem Rhythmus wiederkehrende, vom Kind selbst hervorgebrachte Befindlichkeit 1) Schlaf ohne Augenbewegungen 2) Schlaf mit schnellen Augenbewegungen (REM-Schlaf) 3) Dämmerschlaf, Dösen 4) ruhiges Wachsein mit offenen Augen und wiederholter eindeutiger Reaktion auf Reize 20 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie 5) unruhiges Wachsein mit offenen Augen und intensiv motorischer Aktivität 6) Weinen und Schreien - Schlafperioden ca. 16 h pro Tag - Schlaf-Wach-Rhythmus: erste wichtige Lernleistung, von Umwelterfahrungen abhängig: - rooming-in-Kinder (NG auch nachts bei Mutter): am raschesten und deutlichsten SchlafWach-Rhythmus - schlechter bei Säuglingsstationskindern: Geräuschpegel, Beleuchtung b) Reaktionen auf Umweltstimuli - Reflexe (verlieren sich im Verlauf der nächsten 2 – 4 Monate), z. B. Greif-, Saug-, Schluckreflex - nach Brazelton Neonatal Behavioral Assessment Scale 20 Reflexe überprüft c) Wahrnehmung / Lernen - von Geburt an Wahrnehmung der meisten Sinneseindrücke Sehen: - scharf bei ca. 20 cm Abstand (Abstand der Gesichter Mutter-Kind beim Stillen) - Vorzug des Sehens von Gesichtern und gesichtsähnlichen Formen (Unterscheidung von Attrappen und Photos vom lebendigen Gesicht) - Unterscheidung von Farben - aber: eingeschränkte Sehfähigkeit durch fehlende Adaptation der Augen Hören: - bevorzugt im Frequenzbereich der menschlichen Sprache und darüber - deutlichere Reaktion bei komplexen Lauten als bei reinen Tönen - Töne von Seiten Augen- und Kopfbewegung zur Seite und zurück teilweise koordinierte auditive und visuelle Wahrnehmung Lernen: - bei gesundem NG nur bezogen auf bedeutsame Reize in lebenswichtigen Situationen - Ansätze zum operanten Lernen 26. Erläutern Sie genetisch determinierte Verhaltensformen des Säuglings! Reflexe (s. Frage 25) Schlaf-Wach-Zustände (s. 25) Saugen: - nicht nur Nahrungsaufnahme, sondern auch kommunikativer Kontakt; Hand-Mund-Kontakt: Selbstberuhigung Weinen: - Signal für Erwachsene Beantwortung mit Zuwendung Blickkontakt 27. Beschreiben Sie die psychische Entwicklung des Säuglings! Entwicklung des Lächelns: - frühe Möglichkeit zum Aufbau von Beziehungen - schon bei NG spontanes, endogen ausgelöstes Grimassieren (vornehmlich REM-Phasen) nimmt in ersten 3 Monaten ab - Ablösung durch zunehmend exogen ausgelöstes andeutungsweises Lächeln nach sanfter Stimulation Phasenfolge dessen Entwicklung: - ab 3. Woche: Helle Frauenstimme = guter Auslöser - ab 5. – 8. Woche: Lächeln als Reaktion auf menschliches Gesicht - ab 20. Woche: Differenzierung fremde (kein Lächeln) und vertraute Personen (Lächeln) 21 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie Bindungsverhalten: = Entwicklung des Zugehörigkeitsverhaltens - Kind: Erkennen der Bezugspersonen - Fremdeln: Höhepunkt im 8. Monat („Die 8-Monats-Angst“) hält bis ins 2. Lj. hinein an 4 Phasen des Bindungsverhaltens: 1) Vorbindungsphase: Geburt bis 3. Woche Auslösung von Reaktionen durch alle Personen im Gesichtsfeld Ende der Phase: Kind bevorzugt Mutter 2) Phase der beginnenden Bindung: ca. 10. Woche bis 10. Monat Kind differenziert Personen 3) Phase der elaborierten (entwickelten) Bindung: gegen Ende des 1. Jahres Kind kann Kontakt motorisch steuern und allein Kontakt aufnehmen 4) Phase des elaborierten Verhaltens: ab 1. Lj. aktive Kontaktaufnahme zu mehreren Personen bei Gefahr: Rückzug zu Bezugsperson 4 Typen des Bindungsverhaltens (Ainsworth: Strange-Situation-Test) 1) Typ-A-Kinder: unsicher gebunden Kontaktvermeidendes Verhalten gegenüber Mutter 2) Typ-B-Kinder: sicher gebunden Suchen und Wahren von Nähe und Kontakt zur Mutter 3) Typ-C-Kinder: unsicher gebunden ambivalentes Verhalten zur Mutter 4) Typ-D-Kinder: desorientiert / desorganisiert mitunter seltsames Verhalten wie Erstarren und Grimassieren 28. Wie entwickeln sich die ersten sozialen Beziehungen im Säuglingsalter? - Lächeln (s. o.) - Schreiverhalten - Saugen - Bindungsverhalten - Blickkontakt: guter Blickkontakt (Länge und Dauer) = Frühindikator für soziale Entwicklung - - Neugeborenes: protosoziales Verhalten (nicht intendiert sozial) darauf ausgerichtet, fürsorgliche Erwachsene an sich zu binden Schreien, Anschmiegen, Anschauen 2 – 4 Monate: Kindchenschema (protosozial), aber bereits erstes soziales Widerlächeln 6 Monate: - Unterscheidung zwischen - Kindergesichtern und denen von Erwachsenen - fröhlichen Gesichtern und anderen - Zuordnung von Stimme zum entsprechenden Gesichtsausdruck 8-10 Monate: social referencing: immer Blick zur Mutter, um aus deren Mimik abzulesen, ob alles in Ordnung ist 29. Wie verläuft die Sprachentwicklung bis zum dritten Lebensjahr? Beziehen Sie die Entwicklung des Wortschatzes in Ihre Darlegungen mit ein! 3 Phasen der Sprachentwicklung (Grimm 1982): a) Vorsprachliche Phase: - Geburt bis Produktion erster konventioneller sprachlicher Symbole (ca. 1. Lj.) - Kommunikation zwischen Mutter und Kind von Geburt an - Nachahmung des mimischen und lautlichen Ausdrucks Mutter wird zum „biologischen Spiegel“ für Kind - 6-8 Wochen: gurren = Zufriedenheit 22 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie - 2-4 Monat: Lachen, Vokalnachahmung (besonders vorgesprochen Vokale wie a oder i werden nachgeahmt (sprachliche Laute)) - 6-9 Monat: Reduplikation von Silben (kanonisches Lallen) „dada“ ( Konsonant – Vokal – Verbindungen mit satzähnlicher Intonation durch zunehmende Kontrolle über die Sprechwerkzeuge; Nachahmung, Lallmonologe - ab 10. Monat kommunikative Bedeutung Lall-Dialoge b) Phase der Spracheinführung - 10-14 Monat: erstes Wort - 18. Monat: „magische 5 – Wörtermarke“ (lernen ab dann neue Wörter sehr schnell) - Auslassung unbetonter Silben, z.B. Aff für Affe - Reduktion von Konsonantenclustern, z.B. Bunnen für Brunnen - starke Wortschatzerweiterung 12. bis 18. Monat, aber Einwortsätze c) Aufbau des sprachlichen Systems - Zwei-Drei-Wortsätze: Beginn der produktiven Grammatik (Wortkombinationen) ab dem 18. Lebensmonat - Kinder lassen in ihren ersten Wortkombinationen bestimmte Satzelemente aus (Artikel, Hilfsverben,..) sowie Funktionswörter (Konjunktionen, Präpositionen,..) telegraphische Wortproduktion - Kinder verstehen im Alter von zwei Jahren Wortordnungen, können sie aber noch nicht selbst produzieren - 2 ½ Jahre: Sätze mit mehreren Phrasen können produziert werden Wortschatzentwicklung: - 10 Monate: erstes Wort - 1 Jahr: ca. 3 Wörter - 2 Jahre: ca. 120 Wörter - 3 Jahre: ca. 900 Wörter Wortschatzsteigerung - 6 Jahre: ca. 2500 Wörter Beginn der „Warum-Fragen“ große 30. Schildern Sie die Entwicklung der sozialen Beziehungen, Wahrnehmung, der Motorik und der Lernleistungen im Säuglings- und Krippenalter! (Säuglingsalter: bis 1. Lj., danach Krippenalter) soziale Beziehungen: - Säuglingsalter s. Frage 28 - 12 Monate: Nicken und Kopf schütteln - Trennungsangst (Reaktion des Kindes, wenn Mutter oder andere geliebte Person den Raum verläßt und das Kind in einer nicht vertrauten Umgebung zurückläßt) - 18-24 Monate: - langsam auch soz. Zusammenspiel mit Gleichaltrigen: Als-ob-Spiel - zuerst oft kognitive Überforderungssituation (fremde Kinder) Streit, Gegeneinander danach Parallelspiel (man spielt allein, beobachtet aber genau, was die anderen machen) - ab Vollendung 2. Lj.: Aufforderung zum Spiel, Entstehung von meist zweckgebundenen Freundschaften (z. B. wegen Spielzeug) Wahrnehmung: Hören: - schon im Mutterleib - bevorzugte Frequenz: menschliche Sprache Stimme der Mutter kann schon 4 Tage nach Geburt erkannt werden 23 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie - ab 6 Monate: so gut wie bei Erwachsenen Geruchs- und Geschmackssinn: - von Geburt an sehr gut ausgeprägt Mutterbrust kann schon bald am Geruch erkannt werden Sehen: - anfangs: Sehschärfe bei 20 cm (s. o.) - 2 – 4 Monate: Erkennen des Gesichts der Mutter - 6 Monate: beidäugiges Tiefensehen 8 – 10 Monate: alle Sinnesorgane haben etwa den Stand derer Erwachsener Motorik: 0. Monat: 1. Monat: 2. Monat: 3. Monat: 4. Monat: 5. Monat: 6. Monat: 7. Monat: 8. Monat: 9. Monat: 10. Monat: 11. Monat: 12. Monat: 13. Monat: 14. Monat: 15. Monat: fötale Position, Lage Kopf heben Drehen des Kopfes, Blicken nach allen Seiten strampeln, wälzen Rücken- Bauchlage Sitzen mit Unterstützung Auge-Hand-Koordination, Greifen nach Objekten Sitzen mit Spezialstuhl allein Sitzen Stehreaktion mit Hilfe (kein Gleichgewicht) Stehen mit z. B. Festhalten an Möbeln Kriechen Laufen geführt an einer Hand sich zum Stand emporziehen Treppen hinaufklettern allein Stehen frei laufen (bei ca. 90 %) Lernleistung: - Einfluß des Lernens besonders ab 6. Monat - Habituation schon pränatal - klassische und später operante Konditionierung - Lernen durch Exploration, Spiel, Fragen - Preyer (1881): Fragen stellen = Zeichen für Fähigkeit zum selbständigen Denken - Was-Fragen Wo-Fragen (28. Monat) Wie-Fragen Warum-Fragen (Ende 3. Lj.) - Objektpermanenz ab 8 – 10 Monate 31. Wie entwickelt sich das Zeichnen im Kleinkindsalter unter dem Einfluß von Bildung und Erziehung? - 3-4 Jahre: Kopffüßler, Schornstein schief 4 Phasen nach Winner, 1982: a) Vorphase: - Schmieren mit Essen und Farbe b) Kritzelphase (ab 2. Lj.) - Freude an Bewegung und an Entstehung einer Spur - schon Experimentieren mir Abbildungsmöglichkeiten, z. B. Linien, Kringel c) Phase der Muster (2. und 3. Lj.) - Kinder benennen, was sie malen (auch wenn es nicht danach aussieht) - Muster anstatt Kritzeleien d) erste echte Abbildungsversuche (um 3 Jahre) 24 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie - erstes Menschenschema (Kopffüßler) e) Organisation (Ende 4. Lj.) - Organisation der vorhandenen Figuration auf der Zeichenfläche - wachsende Ähnlichkeit zwischen Zeichnungen und Objekt - Mitteilungsabsicht; Modifikation bei Nichtverstehen f) nach 5. Lj. - abgeschlossene Erarbeitung von grundlegenden Merkmalen der Personen und Gegenstände 32. Erläutern Sie die wichtigsten Spielformen und ihre Bedeutung für die kindliche Entwicklung! Definition nach Einsiedler: Spiel = Verhaltensweise oder Sequenz von Verhaltensweisen, die eher spontan als von außen iniziiert ist und um ihrer selbst willen ausgeführt wird, Vergnügen bereitet und von positiven Emotionen begleitet wird. Formen des Spiels: 1) Sensumotorisches Spiel (Ch. Bühler: Funktionsspiel) (Beginn: 1.-2. Lj.) - Freude an Körperbewegungen werden ausgiebig wiederholt - Bewegungen zunächst auf eigenen Körper, später eher auf Gegenstände gerichtet 2) Informations- und Explorationsspiel (Beginn: 1. Lj.) - Exploration von Gegenständen 3) Konstruktionsspiel (Beginn im 1. Lj., aufsteigende Komplexität) - mit Gegenständen werden Werkzeuge nachgeahmt - Erlernung des Umgangs mit Rohmaterialien (Sand, Knete, Bausteine) 4) Symbolspiel (Als-Ob-Spiel, Fiktionsspiel) (ab 12-13 Monate) - eigentliche kindliche Spielform - Spielgegenstand wird entsprechend der kindlichen Vorstellungen ins Spiel einbezogen und umfunktioniert - Handlungen aus sozialer Umwelt (Erfahrungen des Kindes) entnommen: Puppen-, Auto-, Indianerspiele - keine echte soziale Interaktion: Kind Träger aller Rollen 5) Rollenspiel (soziodramatisches Spiel) (Höhepunkt: 4. – 5. Lj.) - aus Parallelspiel Zusammenspiel von mindestens 2 Partnern, die fiktive Rollen bekleiden - erfordert höhere kognitive und soziale Kompetenzen, Metakommunikation erforderlich (Vereinbarung, was gespielt werden soll, erst mit 3 ½ Jahren) 6) Regelspiel (ab 5. Lj.) - feste Regeln, die unbedingt eingehalten werden müssen - Wettkampfcharakter (Gewinnen zählt) Grundlage für Entwicklung der Leistungsmotivation - z. B. Brettspiele, Sportspiele Funktionen des Spiels: - Mittel zur Umwelterschließung - Ausleben emotionaler Spannungen (Angstreduktion) - Entwicklung von Selbstbewußtsein und SWG - Erregung und Spannung 25 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie 33. Erörtern Sie die verschiedenen Theorien des Spiels! 9 Theorien: a) Überschußtheorie (Spencer 1873) - Auffangen und Abreagieren überschüssiger Energie b) Entspannungs- und Erholungstheorie (Schaller, Lazarus) - sammeln neuer Energie c) Einübungstheorie (Groos um 1900) - Einübung wichtiger Fähigkeiten und Fertigkeiten, Vorbereitung auf Leistung d) Rekapitulationstheorie (Stanley Hall) - geht von phylogenetischem Grundprinzip aus e) Systemtheorie (Helanko) - Spiel = zweckfreie Tätigkeit - Kind entscheidet über Zugehörigkeit zum System f) Phänomenologische Theorien - Spiel = Aufsuchen von Schwierigkeiten und Versuch deren Überwindung g) entwicklungspsychologische und kognitive Theorien (z. B. Piaget) - Aspekt der Assimilation: Anpassung der Umwelt in eigene Schemata h) psychoanalytische Theorien (Anna Freud) - Ausleben tabuisierter Impulse, besonders aggressiver Bedürfnisse - im Spiel Lustprinzip, außerhalb Realitätsprizip i) sozialpsychologische Theorien - Rollen- und Regelspiele - Erweiterung des Verhaltensrepertoirs der Kinder - Lernen und Einnahme der Sichtweise des Interaktionspartners Überwindung der egozentrischen Sichtweise des Kindes Dezentrierung - Regelspiel: Entwicklung der Leistungsmotivation (gewinnen wollen) 34. Geben Sie einen Überblick über die Entwicklung des moralischen Urteils anhand der Theorien von Lawrence Kohlberg und Jean Piaget! Jean Piaget: - Gewissensentwicklung = universeller Prozeß, Folgeerscheinung der geistigen Reife (ohne Umwelteinflüsse) - angeborenes Gerechtigkeitsempfinden 2 Phasen der Gewissensentwicklung: a) Stadium der heteronomen Moral (Heteronomie) - vom 4. – 5. Lj. bis Anfang Schulalter - Regeln durch Autoritäten gesetzt, die entscheiden, was gut oder böse ist - Regeln gelten als unveränderbar b) Stadium der autonomen Moral (Autonomie) - ab ca. 10. Lj. - Regeln = Übereinkunft, gegenseitige Vereinbarung, die mit Einverständnis aller veränderbar ist - Einsicht in Sinn von Normen für Leben in Gemeinschaft 26 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie Lawrence Kohlberg: Ebenen und Stufen Begründung moralischen Handelns I Präkonventionelle Moral Stufe 1: Lust-Schmerz-Orientierung (Punishment-Obedience Orientation) Stufe 2: Kosten-Nutzen-Orientierung; Auge um Auge (Naiver Instrumenteller Hedonismus; Personal Reward Orientation) Schmerzvermeidung oder Sich-nicht-Erwischenlassen Erwartete Belohnung II Konventionelle Moral Stufe 3: Braves-Kind-Orientierung (Interpersonale oder Gruppenperspektive; Good boy-nice girl Orientation) Stufe 4: Recht-und-Ordung-Orientierung (Gesellschaftsperspektive) Anerkennung gewinnen; Kritik vermeiden Den Regeln gehorchen; den Autoritäten nicht mißfallen III Postkonventionelle (Prizipiengeleitete) Moral Stufe 5: Orientierung am sozialen Vertrag Stufe 6: Orientierung an ethischen Prinzipien (Universal Ethical Principle Orientation) [Stufe 7: Kosmische Orientierung (Transzendenz)] Sich für das Wohl der Gesellschaft einsetzen Der Gerechtigkeit dienen; Selbstverdammung vermeiden Universellen Grundsätzen folgen und sich selbst als Teil einer kosmischen Bewegung begreifen, welche soziale Normen transzendiert 35. Welches sind die wichtigsten körperlichen und seelischen Veränderungen in der Pubertät? Körperwachstum und Motorik: Körpergröße: - Wachstumsschub: - Mädchen: 12. / 13. Lj. - Jungen: 14. / 15. Lj. - Erreichung der endgültigen Größe mit 18-20 Jahren Muskelkraft: - bis 11 Jahre: Mädchen genauso viel Muskelkraft wie Jungen - danach: bei Jungen starke Zunahme durch Muskelwachstum - Ausdifferenzierung von Fein- und Grobmotorik 27 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie Geschlechtsreifung: - Ursache: beträchtliche hormonelle Umstellung Alter Jungen Phase Mädchen 12-13 beginnendes Wachstum der Vorpubertät = Beginn der Rundung der Hoden und des Penis Frühadoleszenz Hüften, Fettablagerungen, Wachstum von Brüsten und Warzen 13-16 Schamhaare (glatt) Pubertät = Schamhaare (glatt) früher Stimmbruch Adoleszenz Stimme wird etwas tiefer rasches Wachstum des Penis, rasches Wachstum der der Hoden, des Skrotums Eierstöcke, der Vagina, der (Hodensack), der Gebärmutter, der Vorsteherdrüse (Prostata), Schamlippen der Samenblasen Schamhaare werden gelockt erster Samenerguß Aufrichtung der Brustwarzen Schamhaare werden gelockt primäres Bruststadium Menarche 16-18 Wachstum der Achselhaare Nachpubertät = Wachstum der Achselhaare Bartwuchs Postadoleszenz Brüste erhalten markanter Stimmwechsel Erwachsenenform (sekundäres Bruststadium) Alter 10-11 11-14 14-16 Akzeleration und Retardation: - Reaktion der Umwelt auf Akzeleration: eher Behandlung wie Erwachsene, erhalten mehr Unabhängigkeit, können dabei aber überschätzt und überfordert werden - bei Jungen Frühreife positiver bewertet, höheres Selbstwertgefühl - bei Mädchen Frühreife: weniger beliebt, weniger graziös geringeres Selbstwertgefühl, erhöhtes Risiko der anorexia nervosa Seelische Veränderungen: - Jugendegozentrismus: Introspektion, Beschäftigung mit eigener Person; extrem: Glaube, im Mittelpunkt zu stehen - Anstieg der Bedeutung des eigenen Körpers und seiner Veränderungen - Gefühl der Identität als Person - Absinken des Selbstbewußtseins (wieder Anstieg bei Pubertätsende), emotionale Instabilität - Beeinträchtigung der Selbsteinschätzung und des Selbstwertgefühls durch Vergleich mit anderen - Bedürfnis nach sexueller Betätigung - Wunsch nach Sicherheit, v. a. in Peer-Gruppen gesucht - Drang nach Unabhängigkeit begünstigt Widerstand gegen Konventionen - Idealismus kognitive Entwicklung: - Piaget: Eintritt in das formal-operatorische Stadium - Fähigkeit zur Abstraktion - Komplexität des Denkens steigt an - Entwicklung eines Relativismus: Erkennen, daß es „mehrere Wahrheiten“ gibt 28 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie 36. Wie entwickelt sich das allgemeine sexuelle Erleben und Empfinden im Kindes- und Jugendalter? Säuglings- und Kleinstkindalter: - Möglichkeit der Differenzierung von Lust-Unlust-Empfinden (z. B. beim Saugen, nach Nahrungsaufnahme, bei engem Kontakt mit Mutter) - Interesse an Ausscheidungsfunktionen - spielen an Genitalien Kindergartenalter: - Erkennen der Geschlechtszugehörigkeit - sexuelle Spielereien („Doktor-Spiele“) Schulalter: - Zunahme des sexuellen Wissens - 7-8 Jahre: relativ geringes sexuelles Interesse - 9-12 Jahre: harmlose sexuelle Spielereien (Jagd- und Kußspiele); Lesen von Sexualliteratur; erste Flirts ab 13 Jahre: - beginnende Freundschaften - Interesse an Zeugung und Geburt - Menarche, erste Samenergüsse - Masturbation ab 14 / 15 Jahre: - erste sexuelle Kontakte - Aufbau intimer Beziehungen 37. Erläutern Sie die Erscheinungsweisen der säkularen Akzeleration! - gleiche Rasse pubertiert im Laufe der Zeit zu einem immer früheren Alterszeitpunkt - Beispiel: Menarchealter in Norwegen: - 1840: 17,1 Jahre - 1950: 13,3 Jahre - ähnlicher Trend bei Körpergröße (später Geborene erreichen größere Körperlängen und beenden ihr Wachstum früher - Zahnwechsel und Dentition früher - psychische Erkrankungen früher mögliche Ursachen: a) Koch 1935: Heliogene Theorie - mehr Sonneneinstrahlung Stoffwechsel erhöht Menschen größer b) Thompson & Benholdt 1965: Akzeleration als Folge der Verstädterung der Natur - durch Reize der Stadt erhöhtes Wachstum c) Lenz 1959: tierische Fette - Überproduktion von Wachstumshormonen - Beleg: in Hungerperioden stagniert Wachstum d) Landauer & Witting 1964: Streß - erhöhte Streßeinwirkung, z. B. in Form von Verletzungen (Ohrstechen, Piercen) rufen Akzeleration hervor 38. Erläutern Sie Probleme, die im Jugendalter auftreten können! Bewältigung von schwierigen Lebensaufgaben: - Akzeptieren der eigenen Körperlichkeit - Gewinnung der emotionalen Unabhängigkeit von den Eltern - Vorbereitung auf berufliche Karriere 29 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie - Identitätsfindung als Zentrales Problem typische Fälle abweichenden Verhaltens: a) Kriminalität und Delinquenz b) Konsum und Beschaffung von Drogen c) Suizid und Suizidversuch d) sexuelles Fehlverhalten und Prostitution e) Verwahrlosung, Vandalismus f) psychische Verhaltensauffälligkeiten g) Zugehörigkeit zu einer extremistischen Gruppierung Typen von Entwicklungsproblemen (Ursachen): a) Übermaß an Fremdbestimmung - Einmischen von Erwachsenen Ausprobieren verschiedener Verhaltensweisen verhindert Versuch, Kontrolle über die Familie zu erlangen z. B. durch Magersucht b) Erleben von Sinnverlust - Mangel an zukunftsorientierten Perspektiven („Null Bock“) c) Mangel an Passung - Auseinanderfallen von beabsichtigten Zielen (eigenen Erwartungen) und Möglichkeiten der Gesellschaft d) Widersprüche in der Planung e) Schwierigkeiten der Verständigung - soziale Interaktion = wesentliche Quelle von Erfahrungen - verschiedene Entwicklungsorientierungen der Beteiligten wenig wechselseitiges Verständnis Risikofaktoren (Umstände, die die Wahrscheinlichkeit für Problemverhalten erhöhen): a) Vulnerabilität der Person b) Bedingungen in der Umwelt - Verlust elterlicher Kontrolle in früher Adoleszenz 39. Welche Probleme können bei der Herausbildung von Wertvorstellungen und Idealen im Jugendalter auftreten? Entwicklungsaufgabe: Aufbau eines Wertsystems und eines ethischen Bewußtseins als Richtschnur für eigenes Verhalten starke Verbindung zur Entwicklung der Identität Identität: = Definition einer Person als einmalig und unverwechselbar durch soziale Umgebung und durch das Individuum selbst 2 Komponenten: a) Person, für die man sich hält (privates Selbst) b) Person, für die andere einen halten (soziales Selbst) Aufgabe: - Finden eines Gleichgewichts zwischen privatem, sozialem und idealem Selbst Ausbildung einer starken Persönlichkeit (Erikson 1968) - Hineinwachsen in Wertesystem der Eltern Widerspruch mit eigenen Idealen und Träumen (und derer der peer group) Konflikte - mögliche Folge: Suche nach alternativen Lebensmöglichkeiten (Gefahr des Extremismus) - Gefahr der Resignation und Depression durch Gefühl, nicht verstanden zu werden - Gefahr der Entfremdung: Beziehungsverlust zu Personen, Werten, gesellschaftlichen Prozessen und Verlust des Einflusses darauf 30 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie - Ohnmacht, Empfinden, manipuliert zu werden, einer anonymen Masse anzugehören Alternativen zur Entfremdung: Hinwendung zu emotionalen Erlebnissen, Bildung von Gruppen, in denen Sinneserfahrung gepflegt wird 40. Erörtern Sie psychologische Probleme der Berufswahl im Jugendalter! - Entwicklungsaufgabe im Jugendalter: Vorbereitung auf Berufsleben und Wahl des Berufes - Lernen im JA zielt direkt oder indirekt auf Übernahme einer beruflichen Tätigkeit - Begrenzung der Möglichkeiten durch: - soziale Schicht - Schulform - Lernbehinderung - physiologiche Anlagen (z. B. Körpergröße) Probleme durch: - Differenzierung zwischen Arbeitsmarkt und Berufswunsch - hohe Rate von Jugendlichen ohne Ausbildung (kann bei Berufswahl zu Resignation und Depression führen) - Differenz zwischen populär dargestellten Berufsbildern und Realität (z. B. durch Serien) - Differenz zwischen eigenen Neigungen und Wunsch der Eltern - Differenz zwischen Neigungen und geforderten Leistungen - geforderte frühzeitige Entscheidung für bestimmten Schultyp 41. Nennen Sie Gründe für die Vernachlässigung der entwicklungspsychologischen Forschung des Erwachsenenalters! - seit Ende der 60er Jahre Neuorientierung: entwicklungsmäßige Veränderungen von Empfängnis bis Tod - trotzdem: nur 9% aller entwicklungspsychologischen Studien = Studien über reines Erwachsenenalter Gründe: - unser Jahrhundert = „Jahrhundert des Kindes“ (so genannt am Jahrhundertbeginn) - Kindheit und Jugend: Zukunft der Gesellschaft Sicherung der Existenz des Staates durch Formung der Jugend Finanzierung entsprechender Forschung - Annahme: Entwicklungsgeschehen laufe auf „Endpunkt“ zu Behinderung der eps. Forschung im Erwachsenenalter - erst Ende der 50er Jahre: Hans Thomae: Entwicklung = lebenslanger Prozeß - Methoden im Erwachsenenalter: Fehlen von Untersuchungsmethoden, die einer Längsschnittbewährung ausgesetzt sind - Fragebögen oft an akademischer Jugend geeicht - vgl. Probleme von Längsschnittstudien i. a. - Stichprobenauslese durch Tod die vitaleren und klügeren Menschen überleben Trugschluß, daß Altern ein einziger Aufschwung sei 42. Nennen Sie Etappen und Schwerpunkte in der Entwicklung der EPS des Erwachsenenalters! 3 Perioden: 1) 1835-1918 Frühperiode 2) 1918-1940 systematische Altersforschung 3) 1941-heute Expansionsphase 31 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie 1) Frühperiode - erste wissenschaftliche Arbeit zum Thema Alter: Quetelet (1835): „Über den Menschen und die Entwicklung seiner Fähigkeiten“ - Nachweis von biologischen und sozialen Einflüssen auf Entwicklung - erfand Vorläufer des Korrelationskoeffizienten - lebensaltersbezogene Leistungsanalyse - Galton: - Notwendigkeit vieler Untersuchungen zu einem Phänomen im Lebenslauf - empirische Untersuchung an 9000 Vpn - lebenslaufbezogene Einstellungsänderung - Ignatz Nascher: - begründete neue medizinische Disziplin: Geriatrie (in Anlehnung an Pädiatrie) - Terman / Yermes 1917 - Adoleszenz-Maximum-Hypothese (Army-Alpha-Test) 2) Periode der systematischen Altersforschung - Hall: - gegen Defizitmodell (Adoleszenz-Maximum-Hypothese) und gegen Betrachtung der Entwicklung des Erwachsenenalters als Umkehrung des Jugendalters - qualitative Unterschiede zwischen Jugend und Alter, nicht auf bestimmte Leistungen eingeengt - mit Lebensalter steigt Streuung der interindividuellen Unterschiede - Rybnikow (1929) - Einführung des Gerontologiebegriffs - Deutschland 1918-1940: - Probleme mit Auseinandersetzung mit Alter - Altersbild: alternder Mensch = pathologischer Zustand des normalen Menschen - Charlotte Bühler (1933): „Der menschliche Lebenslauf als psychologisches Problem“: spätes Erwachsenenalter Abbau und Verfall - ähnlich: Erik Stern, Rothacker, Vischer 3) Expansive Phase - 1945 erste wissenschaftliche gerontologische Gesellschaft in USA - 1967 erste in Deutschland - 1950 erster internationaler Kongreß in Lüttig 95 Teilnehmer - heute zwischen 4000 und 6000 Teilnehmer 43. Nennen Sie Periodisierungen im Erwachsenenalter und Kriterien für deren Begründung! a) Schema der altersgemäßen Periodisierung (Grimm 1965), biologisch orientiert Periode Adoleszenz Mittleres Alter, erste Periode (frühes Erwachsenenalter) zweite Periode (mittleres Erwachsenenalter) alternder Mensch (spätes Erwachsenenalter) Greis Langlebiger Männer 17-21 22-35 Frauen 16-20 21-35 36-60 36-55 61-57 56-75 74-90 > 90 32 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie - Entwicklung der Organfunktion (Morphologie) Aufbau und Rückentwicklung (Involution) b) - Einteilung nach Birren Jugendzeit 12-17 frühe Reifezeit 17-25 Reifezeit 25-50 späte Reifezeit 50-75 Alter ab 75 - Reifung hier keine biologischen oder organischen Prozesse Entwicklung = Anhäufung von Erfahrung c) Periodisierung nach Newman 1975 Periode Adoleszenz Jugend Alter 13-17 18-22 Frühes Erwachsenenalter 23-30 Mittlers Erwachsenenalter 31-50 Spätes Erwachsenenalter > 51 - Entwicklungsaufgabe 1. 2. 1. 2. 1. 2. 1. 2. Autonomie von Eltern moralisches Bewußtsein Heirat Geburt von Kindern Kinder aufziehen berufliche Karriere Akzeptieren des eigenen Lebens Haltung zum Sterben Periodisierung nach Entwicklungsaufgaben 44. Was versteht man unter Involution? (Doppelcharakter des Begriffs!) a) Organische Involution = Rückbildung des Organismus (oder auch einzelner Organe) - jedes Organ bildet sich auf charakteristische Weise zurück - Beginn mit Ende des 5. Lebensjahrzehnts b) psychische Involution - Existenz umstritten - erst dann, wenn hinsichtlich der Gesamtpersönlichkeit eine Kompensationsfähigkeit nicht mehr vorhanden ist - Beginn mit Greisenalter - Möglichkeit des Auftretens von Involutionspsychosen in der 2. Hälfte des Lebens 45. Nennen Sie Besonderheiten des Entwicklungsbegriffs im Erwachsenenalter und Gründe für die Nichtübertragbarkeit der Kriterien der Entwicklung auf das Erwachsenenalter! Hans-Dieter Schmidt: „Allgemeinge Entwicklungspsychologie“: - Entwicklung = psychophysische Veränderungsreihen, deren Glieder existentiell auseinander hervorgehen - genetischer Zusammenhang - Entwicklung wird anhand von Wertkriterien eingeteilt (Beurteilung an einem Wertmaßstab, ob ein Übergang von einem Ausgangs- zu einem Endzustand erfolgt ist) - Entwicklung durch soziales Umfeld beeinflußt - Entwicklung strebt normalerweise immer höherem Niveau zu 33 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie E = f(A)? (Entwicklung = f(Alters)?) eher eine Funktion des Lebenslaufes V = f(A)? Veränderung hängt mit dem Alter zusammen, aber das Alter erklärt nichts, weder den Zusammenhang noch die Entwicklung Man sollte sich eher mit neuen Anforderungen auseinandersetzen als mit dem Alter. - Entwicklung im Erwachsenenalter: a) keine lineare Fortschreibung bisheriger Entwicklungsschritte keine universellen Sequenzen b) multidirektionales / multidimensionales Geschehen - keine verbindliche Definition von Niveaustufen im Sinne von Zielpunkten und Zeitpunkten zu deren Erreichung - zufällige Herausforderungen (Lebensereignisse, Lebensaufgaben) bestimmen die Entwicklung - Nutzung von personellen Resourcen, Unterstützung von anderen und materiellen Möglichkeiten c) Erwachsener steckt sich selbst Entwicklungsziele - kultur- und personenspezifisch - persönlich Ziele können miteinander konkurrieren - Zielhierarchie d) Mensch lebt in bio-psycho-sozialem Umfeld - im Kindesalter leicht homogene Gruppen bildbar (z. B. Schulklassen) - im Erwachsenenalter kaum noch nicht anwendbare Entwicklungskriterien: - Sequentialität - Irreversibilität - Unidirektionalität - Universalität 46. Kennzeichnen Sie die Bedeutung von Selbststeuerung für die Entwicklungsprozesse im Erwachsenenalter! Selbststeuerung = Fähigkeit des Individuums zur Einflußnahme auf eigenes Handeln - beim Erwachsenen vorausgesetzt, aber beim Kind kaum gefördert - Selbststeuerung z. B. durch Wahl von Entwicklungsaufgaben (Weiterbildung, Heirat, Kinder) - Befähigung zum selbständigen und planvollen Handeln (wenn nicht: Unzurechnungsfähigkeit Psychiatrie) - Selbstregulation bei Entwicklungsaufgaben: - Reaktion auf Abweichung des wahrgenommenen Entwicklungsstandes vom gewünschten Zustand mit selbstbewirkten Entwicklungsinterventionen - z. B. Versuch der Veränderung von Personen der Umwelt Lerner, Busch-Rossnagel (1981): 3 Bahnen, auf denen ein Mensch auf die eigene Entwicklung Einfluß nehmen kann: a) Wahlen bezüglich der sozialen Umwelt (Bevorzugung von Kontakten zu bestimmten Menschen, Partnerwahl, Beitritt zu Vereinen, Fernsehprogramme etc.) b) Wahlen auf Basis subjektiver Definitionen: Was ist für das Individuum wichtig und bedeutet ihm etwas? c) Modifizierung seiner Umwelt (Selbstbild, Einstellungen, Werthaltungen, Zielsetzung seiner Sozialpartner etc.) 34 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie 47. Nennen Sie Besonderheiten von Untersuchungsmethoden in der EPS des Erwachsenenalters unter besonderer Berücksichtigung des höheren Lebensalters! - besondere Probleme beim Gewinnen einer Stichprobe: Desinteresse, Mißtrauen - Ist endlich gefundene Stichprobe repräsentativ? z. B. auf Anzeige für Suche nach Vpn. für Intelligenztest melden sich nur „intelligentere“ Menschen - hoher finanzieller Aufwand: oft materieller Anreiz nötig - bei Querschnittsuntersuchungen: Verwendung altersgerechter Meßgeräte (z. B.: Computer schrecken alte Menschen ab) - bei Längsschnittuntersuchungen: natürliche Auslese Verzerrung der Stichprobe durch Drop-outs - Multidirektionalität der Entwicklung im Erwachsenenalter Querschnittsuntersuchungen u. U. nur beschränkt aussagefähig 48. Begründen Sie die Notwendigkeit der kontrollierten Meßwiederholung und ihrer Verallgemenerung auf Zeitreihen für die entwicklungspsychologische Forschung! - Zeitreihe = detaillierte Abbildung eines Merkmals einer Person (oder homogener, nicht mehr teilbarer Gruppe wie Schulklasse, Familie, Arbeitsgruppe etc.) im Entwicklungsverlauf (z. B. Persönlichkeitsmerkmal Aggressivität) N = 1 – Methode - bei Einzelfallstudien: ausreichende Anzahl von Meßwiederholungen (i. d. R. über 50) sonst: Überbewertung von Zufallsschwankungen; intraindividuelle Unterschiede werden als Entwicklung interpretiert - Möglichkeit, Einflußfaktoren klar zu definieren (z. B. kritische LE, treatments etc.) 49. Begründen Sie die besonderen Vorteile der Kreuzkorrelationsanalyse für die entwicklungspsychologische Forschung! - Problem der EPS: Analyse von Ursach-Wirkungs-Gefügen - Versuch der Klärung von Annahmen über Bedingungsgefüge von uV und aV - Annahme: uV verursacht Wirkung in der aV - wichtig für Wissen um ideale Voraussetzungen bzw. Ursachen bestimmter Entwicklungsverläufe (schwierig herauszufinden) Bsp.: Eron (1972): Untersuchung des Zusammenhanges zwischen Fernsehsendungen mit aggressivem Inhalt und Äußerung von Untersuchungszeitraum: 10 Jahre X1 X2 Y1 Y2 Vorliebe mit 8-9 Jahren Vorliebe mit 19 Jahren Aggressivität mit 8-9 Jahren Aggressivität mit 19 Jahren X1 (a) (c) 0,05 0,31 X2 (c) (b) 0,21 Y1 Vorliebe für Aggressivität; 0,01 (b) 0,05 (a) 0,38 35 Y2 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie a) Autokorrelation - Bestimmung des Zusammenhanges zwischen 2 gleichen Merkmalen zu unterschiedlichen Zeitpunkten b) synchrone Kreuzkorrelation - Bestimmung des Zusammenhanges zwischen 2 unterschiedlichen Merkmalen zum gleichen Zeitpunkt - gleichzeitig erhobene Merkmale nur als wechselseitig bedingt erklärbar c) zeitverschobene Kreuzkorrelation - Möglichkeit der Aussage, was vom anderen abhängig ist 50. Wodurch sind Lebensereignisse gekennzeichnet? Welche Bedeung haben sie für die Erklärung von Entwicklung im Erwachsenenalter? Idee: einzelne Ereignisse im Leben eines Menschen können für künftige Entwicklung bedeutsam sein a) normative Lebensereignisse - durch biologische Veränderungen oder durch soziale Normierung in einem mehr oder weniger begrenzten Altersabschnitt regelmäßig zu erwarten (z. B. Einschulung, Pubertät, Berufseintritt) - vorhersagbar planbar - betreffen viele Personen keine Frage „Warum ich?“ b) nicht-normative Lebensereignisse - unerwartet (z. B. Krankheit, Arbeitslosigkeit) - Frage nach Verursachung, Vermeidbarkeit, Gerechtigkeit, es sei denn, Massen sind davon betroffen (z. B. Naturkatastrophen, Krieg) - normative LE können von Individuen dementsprechend behandelt werden als Entwicklungsaufgabe betrachtet und Merkmale von LE (Sigrun Phillipp): a) gekennzeichnet durch Veränderung der sozialen und psychischen Lebenssituation gelernte Routinehandlungen reichen zur Bewältigung nicht aus spezielle Anpassungsleistung erforderlich b) raumzeitliche, punktuelle Verdichtung eines Geschehensablaufs (kommt knüppeldick) innerhalb oder außerhalb einer Person c) relative Stadien eines Ungleichgewichts zwischen Mensch und Umwelt Entwicklungschance im Wiederherstellen des Gleichgewichts - Umwelt gemäß eigener Bedürfnisse ändern - eigene Einstellungen ändern - neue Fähigkeiten entwickeln d) immer hochgradige affektive Betroffenheit e) immer mit subjektiven Bewertungsprozessen einhergehend Machen bestimmte LE krank? - besondere Untersuchung kritischer LE in klinischer Psychologie - bei unmittelbaren Folgen dementsprechende Behandlung durch Umwelt - negative LE haben oft verzögerte Wirkung (½ - 1 Jahr später: psychosomatische Störungen) Zusammenhang meist verkannt Theorien zur Bedingungsanalyse kritischer LE: a) Brown: Vulnerabilitätskonzepz 36 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie jeder Mensch ist in Psyche und Physis verletzlich welcher Mensch bildet welche Reaktionsnorm auf Streß heraus? b) Kobasa: Index der Widerstandsfähigkeit - ergibt sich aus Bewertung der Lebensgeschichte, steigend bei weniger Problemen c) Baltes: Hypothese der Diskontinuität der Entwicklung - Entwicklung nicht fortlaufend, Spannungsgefüge im Inneren durch unterschiedliches Tempo der Entwicklung von Persönlichkeitsmerkmalen - Untersuchungsschwerpunkte: - Vorhersage der Intensität und Art der Streßreaktion bei spezifischen LE (nur bedingt möglich) - Vorhersage der Reaktion auf ein LE aus schon beobachteter Reaktion auf das gleiche oder ein ähnliches (z. B. 2. Kind: Eltern wissen, ob es aus Wut oder Hunger schreit) - Bedingungen, unter denen LE gut verarbeitet werden können (z. B. soziale Netzwerke) - Was bedeutet ein und dasselbe LE in verschiedenen Altersstufen? (Kind mit 14 oder 30, Tod der Mutter eines Säuglings oder Zehnjährigen) - Möglichkeit der Umwandlung eines belasteten LE zum Nutzen Bedeutung: - Auseinandersetzung mit LE = Motor des intraindividuellen Wandels - Erklärung für Multidirektionalität: unterschiedliche Erfahrungen unterschiedliche Entwicklung - keine verbindliche Definition von Bewältigungszielen möglich, da unterschiedliche Reaktion auf gleiches Ereignis möglich - nur 10% der Varianz für mentale und physische Schäden durch kritische Lebensereignisse aufgeklärt Bewältigungsmöglichkeiten: - Suche nach Sinn und Erklärung - positive Illusionen über die Zukunft - emotionsdämpfende Vergleiche mit anderen, denen es noch schlechter geht - Suche nach Hilfe und Unterstützung - Problem: Festhalten an einmal gewählten Zielen kann aufgrund der äußeren Umstände nicht mehr erreicht werden Klient stößt ständig an seine Grenzen depressive Symptome 51. Was versteht man unter objektiven, objektivierten und subjektiven Ereignisparametern von LE? Kennzeichnung von LE (Beschreibung von LE): a) objektive Ereignisparameter - Zeitpunkt des Auftretens - Abfolge von LE (Dichte) - Möglichkeit der wiederholten Ereignisse - Dauer des LE b) objektivierte Ereignisparameter - Einschätzung des Bewältigungsaufwandes durch Experten (Schätzskalen, z. B. Hochzeit = 50, Tod des Ehepartners = 100) - Grad der Belastung - Grad der Kontrollierbarkeit (mögliche Vorhersage?) - Grad der Erwünschtheit aus Sicht des Individuums 37 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie c) subjektive Ereignisparameter - Stärke der empfundenen Belastung des Betroffenen - Stärke der Kontrollierbarkeit aus Sicht des Betroffenen - Grad der Erwünschtheit aus Sicht des Betroffenen 52. Kennzeichnen Sie ein LE bezüglich Bedrohung oder Gewinnerwartung, Bewältigungsstrategien und Ergebnis! Verlusterleben, Elternschaft: Bedrohung oder Verlusterleben: - besonders bei Frauen: Angebundensein und Einschränkungen im Tagesverlauf (z. B. gestörte Schlafgewohnheiten) - Sorgen um finanzielle Situation, da Frauen nach Geburt nicht mehr arbeiten - Gefühl des Angewiesenseins auf andere (Babysitter, Großmutter) - Sorge um körperliches Aussehen - Schwangerschaft, Geburt: große emotionale Belastung Gewinnerwartung: - Kind = Quell der Freude - Wachsen von Reife und Verantwortung - Erleben von Erfüllung, neuer Lebenssinn - Stolz auf das heranwachsende Kind - besseres Verstehen der eigenen Eltern Bewältigungsstrategien: - coping = Prozeß der konstruktiven Anpassung (Olbricht 1984) - Entwicklung neuer Verhaltensweisen, Weiterentwicklung vorhandener Fähigkeiten, Entdecken neuer Möglichkeiten der eigenen Person - Prozeß der Bewältigung: a) primäre, kognitive Abschätzung der Situation b) Abschätzung der eigenen Möglichkeiten, einschließlich der Hilfestellungen durch die Umwelt c) Abschätzung aufgrund von Fehlschlägen oder neuen Infos d) günstiges Ende: Bewältigung der Situation Variablen, die zur besseren Bewältigung der Elternschaft beitragen: - längere, gute Beziehung zum Partner - Baby = Wunschkind - Versuch der Planung und Organisation der veränderten Lebenssituation - Ausschöpfung der sozialen Unterstützung der unmittelbaren Umgebung - wichtig: Entwicklung eines Zusammengehörigkeitsgefühls Ergebnis: a) Le Masters (1957): - Ausmaß der erforderlichen Verhaltensänderungen, bis 5 Jahre nach der Geburt - relativ hohe Krisenwerte, 53%: „schwere, umfassende Krise“ b) Hobbs (1965): - Veränderungen von Einstellungen und Emotionen, innerhalb des 1. Jahres nach Geburt - relativ niedrige Krisenwerte, kein Elternpaar sprach von schwerer Krise Wieso so unterschiedliche Ergebnisse? 38 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie - teilweise durch unterschiedliche Untersuchungszeitpunkte: neue Erfahrung der Elternschaft wird mit Begeisterung aufgenommen: „baby honeymoon“ (Hobbs 1965) 53. Was versteht man unter Geriatrie und Gerontologie? Geriatrie: - Begriff: Ignatz Nascher 1909 (als Gegensatz zur Pädiatrie) - Untergebiet der Gerontologie, medizinisch orientiert - beschäftigt sich mit „krankhaftem“ Altern, also Untersuchung der Krankheiten alter Menschen Gerontologie: - Rybnikow 1929 - Spezialgebiet der Verhaltenswissenschaften zur Erforschung des Verhaltens im Alter - untersucht „normales“ Altern 54. Geben Sie Beispiele für somatische Veränderungsreihen! Altern: Veränderungen, die bis zur Funktionslosigkeit (Tod) führen 3 wesentliche Theoriengruppen: a) genetische / nichtgenetische Zelltheorien - Altern = Altern der Zellen, die die Fähigkeit zur Teilung verlieren und anfälliger für externe Schädigungen werden - Fehler bei der Übertragung der genetischen Info, Akkumulation schädlicher Stoffe in den Zellen - abnehmende Integration der verschiedenen innerorganischen Teilsysteme - Zusammenbrechen des Systems und Tod b) physiologische Theorien - Velust der Überwachungsfunktion des Immunsystems beim Altern und Reihe neuroendokriner Veränderungen - sukzessive Erhöhung der Wahrscheinlichkeit letaler Erkrankungen im Altersprozeß - biologisches Altern: abnehmende Integration des Gesamtsystems - Alternsprozeß beginnt mit Zeugung (!) - Ablauf ist genetisch vorherbestimmt, aber Einfluß durch Belastung und Krankheiten - Altern ist keine Krankheit, sondern Veränderung in Morphologie und Funktion der Organe mit Leistungsverlust Kennzeichen des Alterns (somatische Veränderungsreihen) - somatische Veränderungsreihen = Veränderung des Körpers mit zunehmendem Alter - Haut: Spannkraft sinkt (Wasser- und Elektrolytverlust), Zunahme der Hautpigmentierung (Altersflecke) - Veränderung der groben Kraft (deutlich ab 50. Lj.) - Grundumsatz des Stoffwechsels sinkt - Knochenmineralgehalt sinkt (bei Frauen mit 70 oft spontane Knochenbrüche) - Vernarbungsgeschwindigkeit nimmt ab - Fingernagelwachstum am 3. Finger der rechten Hand steigt bis zum 20./30. Lj, danach kontinuierliches Sinken - Herzgewicht steigt bis zum 20. Lj. rapide, bis 50 mäßig, dann Abfall - Muskelmasse nimmt ab 50. Lj. ab - Farbempfindlichkeit sinkt ab 25. Lj. (besonders Schwierigkeiten mit Differenzierung von Rot) - Nachlassen der Sinnestätigkeit und Motorik - Reaktionszeiten steigen abnehmende IQ-Werte in Speed-Tests 39 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie 55. Geben Sie Beispiele typischer hirnorganischer Alterserkrankungen! a) Morbus Alzheimer Vorkommen Pathologie Verlauf Symptomatik Pathogenese Therapie - 1% der Bevölkerung über 70 - diffuse Atrophie der Hirnrinde; Degeneration von Neuronenendigungen Nervengewebsschwund; Acetylcholinminderung; Plaques + Fibrillen - schleichender Beginn (50. Lj), unaufhaltsamer Verlauf, Tod durch Marasmus - neurologisch: extrapyramidale Störungen, Dyskenisien, Tremor, träge Pupillenreaktion, Eiweißvermehrung (Liquor), Kopfschmerzen, Schwindel, Leistungsschwäche, Depressionen neuropsychologische Ausfälle: Rechnen-Lese-Schreib-Schwierigkeiten, aphasische Wortfindungsstörungen, Sprachverarmung; Merkfähigkeits- und Orientierungsstörung, keine Persönlichkeitsänderung - unbekannt (Alzheimer Gen, gestörte Immunologie, Virus?) - nicht vorhanden (Neuropsycholog. Training, Physiotherapie, Medikation) b) Morbus Parkinson Kardinalsymptome Stadien Vorkommen Pathogenese Therapie Nebenwirkungen Substantia nigra Akinesie (Bewegungshemmung), Rigor (Muskelstarre), Tremor 1. Leichte Akinesie: Bewegungshemmung (Rumpf, Gliedmaßen, Gesicht); Ruhetremor (starkes Zittern in Arm + Hand); gestörte Schrift; leichter Rigor 2. Beidseitige Erkrankung: reduzierte Mimik; verlangsamte Bewegung; Müdigkeit; keine unbewußte Bewegungen mehr; reaktive Depression 3. Schwere Gangstörung: Haltungsreflexstörung; Trippelgang; Stürze 4. Schwere Behinderung: fremde Hilfe nötig; Rigor + Verlangsamung behindernd; unsichere Bewegungen, eingeschränkte Fingerbewegung 5. Völlige Hilflosigkeit: Infektionsgefahr der Atemwege; Lungenentzündung; Geschwüre; progressive Demenz - 1% der Bevölkerung über 50 Jahre; 10-20 Jahre starke Behinderung - Degeneration dopaminerger Neurone (Substantia nigra); Störung der dopaminergen Übertragung in den Basalganglien - Dopamin ; hemmt D2-Rezeptoren hemmt Bew.beginn u. -durchführung - L-Dopa (Medikament) Dopamin-Synthese (pos. Wirkung nimmt ab) Dyskinesien (Kopfnicken, Grimassieren) Kern des Mittelhirns; Neurone projizieren über nigrostriatale Bahn ins Striatum der Basalganglien; Neurotransmitter: Dopamin FEHLT! c) Morbus Pick = präsenile Demenz (im mittleren Lebensalter beginnend, hirnatrophischer Prozeß) - Abnahme der Merkfähigkeit, Urteilsbildung, Antriebsverminderung - Demenz - Sprachstörungen - obszöne Ausdrücke und Handlungen, da Hemmschwelle herabgesetzt d) Multiinfarkt-Enzephalopathie = Schlaganfälle - Blutungen, Verschlüsse, Bildung von Schlaganfällen im Gehirn - Lähmungen, Sprachstörungen - Demenz e) - Morbus Creutzfeldt-Jakob Virus, aber Infektion anlagebedingt spongiöse Veränderung der Hirnrinde Nervenzellenmassensterben 40 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie - abnorm gespaltene Synapsen: liegen nicht mehr an anderen Neuronen an Symptome: - Lähmungen, Sehstörungen - Demenz bis zum Tod 56. Nennen Sie Merkmale der Hirnalterung! - Hirngewicht sinkt Ventrikel werden größer neurologische Auffälligkeiten häufen sich geistige Leistungsfähigkeit sinkt - ab 25. Lj. sterben täglich 120 000 Neuronen - Hirnrinde eines 90-jährigen: ½ der Hirnrinde eines 20-jährigen 57. Nennen Sie psychische und somatische Besonderheiten des Klimakteriums! Erläutern Sie dabei die Problematik der Erwartungshaltung! - Verlust der Reproduktionsfähigkeit der Frau, Durchschnittsalter ca. 50 Jahre somatische Besonderheiten: - Erlöschen der Keimdrüsenaktivität - Menstruationszyklus unregelmäßig und schwächer - kontinuierlicher Abfall des Östrogenspiegels - Gewichtszunahme - Hitzewallungen - migräneartige Kopfschmerzen (Übelkeit und Erbrechen) - Ohrensausen - Herzklopfen - Osteoporose (Ausschwemmung von Kalzium aus den Knochen durch Östrogenmangel Knochenbrüchigkeit steigt an= - Ursachen: - Turbulenzen im Hormonhaushalt des Körpers psychische Besonderheiten: - Schlafstörungen - Stimmungslabilität, Reizbarkeit - nervöse Erschöpfung - Konzentrationsschwäche / Vergeßlichkeit - Angstgefühle - Gefährdung des SWG wegen Verlust physischer Attraktivität Problem der Erwartungshaltung: - spielt bei Krisenbewältigung wichtige Rolle - Informationen durch Gespräche und Beobachtungen Entstehung eines starken Negativbildes - evtl. self-fulfilling prophecy - als LE von meisten Frauen unerwünscht: steht für Altern 58. Was versteht man unter der Adoleszenz-Maximum-Hypothese? Wie wurde diese begründet? = Defizitmodell - in der Adoleszenz wird Maximum an Leistungsfähigkeit erreicht, über kurze Zeit gehalten, um dann sofort wieder abzufallen (bei allen Organen und geistigen Fähigkeiten) 41 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie - - Geburt der Hypothese: 1917 durch Untersuchungen in USA an Eingezogenen, um in Army geeignete Führungskräfte zu finden (Army-Alpha-Test, Jones & Conrad) ca. 20-jährige erhielten höchste Intelligenz-Punktzahlen (wurde aber von den Autoren 1933 modifiziert) weitere derartige Tests, die die Ergebnisse teilweise bestätigten: - Yerkes-Bridges-Point-Scale (Foster & Taylor 1920) (aber: 59- bis 84-jährige besser in Wortschatz und Urteilsfähigkeit) - Stanford-Achivement-Test und National Intelligence Test zum Vergleich zwischen Kindern (13 Jahre) und ihren Eltern (Willoughbi 1927): Kinder insgesamt besser (aber Erklärung: unterschiedliche Startbedingungen, z. B. Bildung) - Good-Jugdement-Question-Series zum Vergleich zwischen 20- bis 80-jährigen (Miles 1928) (Kaschierung gegenüber Vpn., daß es sich um Intelligenztest haldelt): schon 50jährige deutlich schlechter als 20-jährige 59. Nennen Sie kritische Einwände gegen die Adoleszenz-Maximum-Hypothese! methodische Probleme: - meist Querschnittsuntersuchungen keine Beachtung der unterschiedlichen Startbedingungen der Kohorte - Normierung der Tests an jüngeren Probanden - Verwendung von Speed-Tests bei Power-Tests (ohne Zeitbegrenzung) schneiden Ältere besser ab - Jüngere sind risikofreudiger kreuzen bei multiple-choice-Tests leichter an - Ausgangsbegabung (s. Frage 61) - Bildungsniveau (s. Frage 62) - berufliches Training (s. Frage 63) - stimulierende Umgebung (s. Frage 64) - Motivation (s. Frage 65) - Konstruktion eines Abbauquotienten aus HAWI und Wechsler-Bellevue-Test: Verhältnis von altersbeständigen zu nicht altersbeständigen Tests je kleiner Quotient, desto größer Abbau) - altersbeständig: z. B. Allgemeinwissen, Wortschatz, Bilder ergänzen (nach Cattell und Horn: kristalline Intelligenz) - nicht altersbeständig: Zahlen nachsprechen, rechnerisch denken (fluide Intelligenz) 60. Welche Einwände gegen die Adoleszenz-Maximum-Hypothese ergeben sich aus der Kritik des Konzepts der allgemeinen Intelligenz? - - Grundannahme: allgemeine Intelligenz ist bei jedem vorhanden, nur in unterschiedlicher Ausprägung Spearman(1904): jede Intelligenzleistung beruht auf allgemeinen und speziellen Faktoren (variieren interindividuell) Modell der a. I. stimmt bei großen Stichproben nicht mehr Cattell (1963) und Horn (1978): Unterscheidung in kristalline und fluide Intelligenz - kristalline bleibt im Alter (bis 8. Lebensjahrzehnt) stabil und kann sogar noch zunehmen, abhängig davon, wie Individuum im Laufe des Lebens Algorithmen des Problemlösens und Erinnerns angeeignet hat - Bsp: jüngere Sekretärinnen konnten zwar schneller tippen, ältere ahnten aber schon im voraus, was der Chef diktieren würde Zeitverlust kompensiert Sternberg (1985): 3. Komponente = Merkfähigkeit und Gedächtnis 42 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie Tests meist an schulischen und berufsspezifischen Kriterien validiert messen nicht unbedingt Fähigkeiten zur Bewältigung von Lebensaufgaben im Alter lediglich bereichsspezifischer Rückgang der Intelligenz - 61. Welchen Einfluß hat das Ausgangsniveau der geistigen Leistungsfähigkeit auf deren Entwicklung im höheren Lebensalter? Lewis & Terman: Untersuchung hochbegabter Kinder und Jugendlicher - Beginn 1921, über viele Jahre hinweg (Längsschnitt) - im 6. Lebensjahrzehnt: kein Abfall der Intelligenzleistung, teilweise sogar Zunahme - Problem: natürlicher drop-out (wie immer bei Längsschnittstudien) - ähnlich: Bones, 1950 (an Studenten aus Iowa), aber: Vpn mit schlechtem Ausgangsniveau wiesen Leistungsabfall auf Erklärung: - durch hohe Begabung auch hohe Förderung durch Umwelt bessere Bildung anspruchsvoller Beruf - oft hoher sozioökonomischer Status Möglichkeiten, sich weiterzubilden - Selbstwirksamkeitserleben mehr Aktivitäten, dichteres soziales Netz - längeres Gefordertsein größere Reserve zur Kompensation 62. Welchen Einfluß hat die Schulbildung auf die Entwicklung der geistigen Leistungsfähigkeit im höheren Lebensalter? Miles: Vpn mit langer Schulzeit höhere Leistungen im höheren Lebensalter Birren, Morrison: Untersuchung von 70 – 90-jährigen mit Wechsler-Bellevue-Test 19% Varianzaufklärung durch Schulbildung Zusammenhänge: höhere Schulbildung korreliert mit besserem Niveau geistiger Entwicklung und somit mit: - höherer Berufsgruppe höherer sozioökonomischer Status - Selbstsicherheit - mehr Aktivität (Hobbies, Weiterbildung etc.) - sozialer Kompetenz mehr soziale Kontakte höheres Niveau geistiger Leistungsfähigkeit insgesamt Beginn und Verlauf des Abbaus verlangsamen 63. Welchen Einfluß haben berufliches und intellektuelles Training auf die geistige Leistungsfähigkeit im höheren Lebensalter? - Berufszugehörigkeit klärt 20% Varianz der Intelligenzleistungen im Alter auf - Vpn mit hoher Selbständigkeit im Beruf haben bessere Ergebnisse als „Fließbandarbeiter“ - Ausnahme: Überforderung im Beruf oder berufliches Versagen Resignation, Depression - Beispiele für besondere berufliche Förderung geistiger Leistungen: - Piloten im Alter Figurenfinden besonders gut - Drucker Unterscheidung von mehr Grautönen im alter als Jüngere Vpn aus anderen Berufen 64. Welchen Einfluß haben stimulierende Bedingungen auf die Entwicklung der geistigen Leistungsfähigkeit im höheren Lebensalter? - Entzug von geistiger Tätigkeit Abbau und Verlust geistiger Leistungsfähigkeit - empirisch nachgewiesen an „Fließbandarbeitern“ 43 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie - Forderung wirkt positib Altersheiminsassen sollten soweit es geht ihre Zimmer selbst sauberhalten Möglichkeiten der Anregung alter Menschen durch: - familiäre Rolle (Betreuung der Enkel etc.) - soziale Kontakte - Nutzung der kulturellen Angebote 65. Welchen Einfluß haben motivationale Bedingungen auf die Entwicklung der geistigen Leistungsfähigkeit im höheren Lebensalter? - Elliot & Lachmann (1989): Verschlechterung des Gedächtnisses ist teilweise auf Fehlattribuierung zurückzuführen ältere Menschen glauben, daß man Gedächtnisleistungen nicht durch Anstrengung beeinflussen kann - self-fulfilling prophecy: Anstrengung ist sinnlos mangelnde Übung tatsächliche Verschlechterung 66. Was versteht man unter Interventionsgerontologie? - Intervention (allgemein) = planmäßige Einflußnahme auf das Verhalten und Erleben von Menschen - Ziel: Steigerung des psychischen und physischen Wohlbefindens des Menschen Interventionsgerontologie: - Teilgebiet der Gerontologie - Bemühungen zur Erreichung eines hohen Lebensalters bei psychophysischem Wohlbefinden - interdisziplinäre Maßnahmen: innere Medizin, Orthopädie, Psychologie etc. Erkenntnisse psychologischer Praktische Konsequenzen für die Grundlagenforschung Intervention Korrektur des defizitären Bildes des Alterns Voraussetzung für sinnvoll erscheinende Intervention stärkere Beachtung differentieller Aspekte Forderung nach individuellen (interindividuelle Unterschiede in den Interventionsmaßnahmen intraindividuellen Verlaufsnormen) Abkehr von allgemeinen „Beschäftigungsprogrammen“ mehrfache Determination von Alterszuständen Intervention (als Optimierung und Prävention) und -prozessen (Beachtung von von Kindheit an; Vergangenheits-, Gegenwartsund Intervention als mehrgleisige Maßnahme: Zukunftsaspekt) physikalische Intervention / Medikation, Altern als biologisches Schicksal, soziales, psychologische, soziale, ökologische finanzielles, ökologisches Schicksal Intervention Bedeutung der kognitiven Repräsentanz, des detaillierte Analyse der spezifischen subjektiven Erlebens individuellen Situation und der kognitiven Repräsentanz dieser Situation vor Beginn der Intervention 67. Interventionsgerontologische Maßnahmen 4 Bereiche: a) Optimierung: - Schaffung günstiger Entwicklungsbedingungen - geistige Entwicklung durch „enrichment“ - Anregungen im allgemeinen, Interessenentwicklung, sportliche Betätigung 44 Fragenkatalog Entwicklungspsychologie b) Geroprophylaxe und Prävention: Vorbeugung gegen Altersabbau - Erhaltung der körperlichen, geistigen und sozialen Fähigkeiten durch lebenslanges Training, Pflege der Interessen, richtige Ernährung etc. c) Rehabilitation und Therapie (Restauration / Korrektur): - Rückgängigmachen von Störungen, bereits eingetretenen Schäden, Abbauerscheinungen - Wiedergewinnung von Kompetenz in den verschiedenen Lebensbereichen - Reaktivierung körperlicher, geistiger und sozialer Fähigkeiten durch gezieltes Neueinüben, Trainieren, „Fördern durch Fordern“ d) Management / „Contain conditions“: Zurechtkommen mit irreversiblen Problemsituationen (to contain conditions = Sicherung des Erreichten) - Auseinandersetzung mit der Problemsituation - Veränderung der inneren Einstellung, kognitive Umstrukturierung, Einübung von Coping-Stilen Maßnahmen: am angestrebten Ziel orientiert: - Verhaltensmodifikation (selbst wieder Zimmer aufräumen) - Realitätsorientierung (täglich mit jedem Alten ½ Stunde unterhalten) - Revitalisierung (Wiederbelebung biologischer Funktionen) - Remobilisierung (z. B. Schwestern redeten nur mit Alten, wenn die ihren Rollstuhl selber schoben) - Remotivation (Wiedererschließung von Lebenszielen) - Resozialisation (z. B. alte Menschen mit Kindern zusammenbringen) - Resensibilisierung (von den Sinnen wieder gebrauch machen) - Selbstbildtherapie (Handspiegel beschreiben, was man sieht) von der Technik ausgehend: - operantes Konditionieren / reinforcement therapy (bettlägerige Patienten für kleinsten Fortschritt loben) - sensorisches Training (von Sinnen gebrauch machen) - Musiktherapie (regulative Musiktherapie: in Musik vertiefen wie habe ich sie erlebt?) - Kunsttherapie (selbst etwas kreativ gestalten) - Milieutherapie (alte Menschen mit Kindern zusammenbringen) - Life-review-therapy (Lebenslauftherapie: jeder erzählt den anderen sein Leben) - brain jogging (Gedächtnistraining) - ... 45