Ein interessanter Grenzwert Martin Nägele Dezember 2010 n √ o 1 lim inf n n 2 = √ n→∞ 2 2 Um die theoretischen Grundlagen für den Beweis der oben genannten, vom indischen Mahtematiker S. Ramanujan (1887-1920) entdeckten Tatsache zu schaen, seien zunächst drei Denitionen angeführt. Die Zahl n sei stets eine nichtnegative ganze Zahl. Denition 1 (Gröÿtes Ganzes). Eine ganze Zahl k heiÿt genau dann Zahl x, wenn k 6 x < k + 1 gilt. Wir schreiben dann k = bxc. gröÿtes Ganzes Denition 2 (Gebrochener Anteil). Eine reelle Zahl l ∈ [0; 1[ heiÿt genau dann einer reellen Zahl x, wenn l = x − bxc gilt. Wir schreiben dann l = {x}. Denition 3 (Limes inferior). Eine reelle Zahl a heiÿt genau dann reeller Zahlen, wenn für jedes ε > 0 Limes inferior einer reellen gebrochener Anteil einer Folge (an )∞ n=0 i. alle bis auf endlich viele n die Ungleichung an > a − ε erfüllen. ii. unendlich viele n existieren, sodass die Ungleichung an < a + ε gilt. Wir schreiben dann a = lim inf n→∞ an . Satz 1 (Ramanujan). Es gilt, den eingangs denierten Notationen folgend, n √ o 1 lim inf n n 2 = √ . n→∞ 2 2 Beweis. Nach der obigen Denition des Limes inferior sind also die folgenden zwei Aussagen zu beweisen: 1. Für jedes ε>0 erfüllen alle bis auf endlich viele 2. Für jedes ε>0 erfüllen unendlich viele n n die Ungleichung die Ungleichung Zum Erledigen von Punkt 1 zeigen wir die für alle positiven 1 √ . Dazu xieren wir ein 2 2 √ 2 2 n>0 2 und denieren 2 √ k = bn 2c. 2 k < √ n 2 ⇔ k < 2n ⇔ k + 1 6 2n ⇔ 1 6 2n − k n n 2 nach unten abzuschätzen: 2 n Da √ n n 2 > √ n n 2 < 1 √ 2 2 − ε. + ε. gültige stärkere Ungleichung √ n 2 √ n n 2 > sicher nicht ganzzahlig ist, gilt also . Letzteres verwenden wir nun, um den Term n √ o √ n 2n2 − k 2 n √ n n 2 =n n 2−k = > √ . n 2+k n 2+k 1 1 √ 2 2 Es bleibt also noch zu zeigen, dass letzeres echt gröÿer ist als 1 √ , was aber oensichtlich ist: 2 2 n 1 > √ n 2+k 2 2 √ √ ⇐⇒ 2 2n > 2n + k √ ⇐⇒ 2n > k , √ denn letzteres folgt direkt aus der Beziehung √ k = bn 2c. Der Beweis des zweiten Punktes gestaltet sich - im Gegensatz zum ersten - um einiges anspruchsvoller. Es ist zu zeigen, dass für jedes ε>0 unendlich viele n √ 1 n n 2 < 2√ +ε √ ∞2 zu Folge n n 2 n=0 existieren, die Ungleichung ∞ (an )n=0 der 1 konstruieren, die den Grenzwert √ hat; nach der Denition eines Grenzwertes erfüllen dann für jedes 2 2 √ 1 ε > 0 alle bis auf endlich viele Glieder der Teilfolge die Ungleichung an an 2 < 2√ + ε. 2 erfüllen. Die Idee des Beweises ist es, eine unendliche Teilfolge Salopp gesprochen wollen wir jene Terme haben. Der Faktor √ n 2 √ n n 2 in die Teilfolge aufnehmen, die kleine Werte soll also sehr klein sein, was gleichbedeutend damit ist, dass √ n 2 nur sehr wenig gröÿer als eine ganze Zahl ist. √ Die irrationale Zahl p q ≈ liegt √ √ 2 kann durch eine rationale Zahl 2 ⇔ q 2 ≈ p. Je besser √ der Wert von q 2 bei der √ die Annäherung von p. ganzen Zahl 2 p q mit p, q ∈ Z+ angenähert werden, d.h. durch die rationale Zahl p q ist, umso näher Eine Möglichkeit, irrationale Zahlen sehr gut durch rationale Zahlen anzunähern, bietet die Technik der Kettenbruchentwicklung. So besitzt √ 2 zum Beispiel die Darstellung √ 2=1+ 1 2+ , 1 2+ 1 2+ 1 2+... die sich bis ins unendliche nach dem obigen Muster fortsetzt. Durch das Abbrechen dieser Entwicklung nach einer bestimmte Anzahl von Ziern wir als Folge von (gekürzten) Brüchen 2 pn qn 2 erhält ∞ n=0 √ man sehr gute rationale Näherungswerte für anschreiben, wobei 2, die n die Anzahl der verwendeten Ziern angibt: p0 = 1; q0 p1 1 3 = 1 + = = 1, 5; q1 2 2 p2 1 =1+ q2 2+ = 1 2 7 = 1, 4; 5 p3 1 17 =1+ = = 1, 416̇; . . . q3 12 2 + 2+1 1 2 (1) Aus der Kettenbruchdarstellung von √ 2 lässt sich leicht eine Rekursionsformel für die Folge der Nähe- rungswerte angeben: pn+1 =1+ qn+1 2+ 1 1 2+ 2+ 1 =1+ 1+1+ 1 1 2+... | {z } (n + 1) mal 2 1 =1+ 2 + 2+ 1 1 2+... | {z } n mal 2 1 qn pn + 2qn =1+ = . 1 + pqnn pn + qn pn + qn pn qn also gekürzt ist), sind auch pn +2qn pn + 2qn und pn + qn teilerfremd, der Bruch pn +qn ist also ebenfalls gekürzt und wir erhalten für die ∞ ∞ Folgen (pn )n=0 und (qn )n=0 das System Unter der Voraussetzung, dass pn und qn teilerfremd sind (der Bruch pn+1 = pn + 2qn (2) qn+1 = pn + qn (3) 2 mit den Startwerten Folge ∞ (qn )n=0 p0 = q0 = 1, p1 = 3 und √ q1 = 2. Für uns ist wie eingangs bemerkt besonders die qn 2 ≈ pn . Daher lösen wir das obige System aus (2) und (3): interessant, denn es gilt ja (2) − n7→n−1 pn+1 − qn+1 = qn ⇐⇒ pn+1 = qn+1 + qn =⇒ pn = qn + qn−1 (3): eingesetzt in (3) n7→n+1 : qn+1 = qn + qn−1 + qn =⇒ qn+2 = 2qn+1 + qn Mit den beiden Startwerten q0 = 1 und q1 = 2 (4) kann diese Rekursion zum Beispiel mit erzeugenden Funktionen gelöst werden, was hier präsentiert sei, ohne auf Details zu erzeugenden Funktionen einzugehen n n>0 qn x , 0, um folgendes zu erhalten: - diese werde ich im Rahmen meiner Fachbereichsarbeit behandeln. Wir denieren multiplizieren die Rekursion in (4) mit n P x und summieren über alle n > X X X qn+2 xn = 2 · qn+1 xn + qn xn n>0 ⇐⇒ Q(x) = n>0 n>0 Q(x) − q0 Q(x) − q1 x − q0 =2· + Q(x) x2 x 1 . ⇐⇒ Q(x) = 1 − 2x − x2 Mit Hilfe einer Partialbruchzerlegung und unter Anwendung der Formel für die unendliche geometrische Reihe 1 1−t = P n>0 tn erhalten wir daraus 1 1 √ √ = = 1 − 2x − x2 1 − (1 + 2)x · 1 − (1 − 2)x √ √ 1+ 2 1 1− 2 1 √ √ √ √ = = · − · 2 2 1− 1+ 2 x 2 2 1− 1− 2 x √ √ √ n √ n 1+ 2 X 1− 2 X √ · = 1 + 2 xn − √ · 1 − 2 xn = 2 2 n>0 2 2 n>0 X 1 √ n+1 √ n+1 √ 1+ 2 = − 1− 2 xn . 2 2 n>0 Q(x) = Ein Koezientenvergleich mit Q(x) = P n>0 qn x n ergibt abschlieÿend √ √ 1 qn = √ (1 + 2)n+1 − (1 − 2)n+1 . 2 2 Betrachten wir nun die in (1) errechneten Näherungswerte noch einmal genauer, so bemerken wir, √ dass sie sich dem tatsächlichen Wert 2 = 1, 4142 . . . abwechslungsweise von oben und von unten nähern. Diese Beobachtung lässt sich auch beweisen - darauf sei an dieser Stelle aber nicht genauer eingegangen. Was für die hier gezeigten Überlegungen wichtig ist, ist die Tatsache, dass sich jene Annäherungen mit geraden Indizes dem Wert √ 2 von unten annähern, jene mit ungeraden Indizes von oben. Unser Ziel ist √ √ qn 2 ; das heiÿt qn 2 soll ein bisschen gröÿer sein als die √ √ pn ganze Zahl pn - mathematisch ausgedrückt qn 2 > pn ⇔ 2, daher wählen wir nur die rationalen qn < √ ∞ ∞ Annäherungen von 2 mit geraden Indizes, also die Folge (an )n=0 = (q2n )n=0 deniert durch √ 2n+1 √ 2n+1 1 an = √ 1+ 2 − 1− 2 2 2 2n+1 √ 2n+1 √ 1 2+1 + 2−1 ∀n ∈ Z>0 . (5) ⇐⇒ an = √ 2 2 eine Minimierung des gebrochenen Anteils heuristischer Natur - entsanden aus der Frage, für welche Zahlen 3 n der ∞ (a n=0 n )√ sind ausschlieÿlich Wert n 2 sehr klein wird. Die bisher dargestellten Überlegungen zum Aunden einer geeigneten Teilfolge √ ∞ n n 2 n=0 resultiert aus diesen Überlegungen, bewiesen ist √ ∞ 1 an 2 eine Nullfolge ist noch dass (an )n=0 den Grenzwert 2√ hat. Letzteres 2 Die in (5) dargestellte Teilfolge der Folge aber weder dass die Folge soll nun zur Vervollständigung des Beweises gezeigt werden. √ an 2 , also 2n+1 √ 2n+1 √ 1 2+1 2−1 + . 2 Wir betrachten zuerst nur den gebrochenen Anteil Es gilt nach dem binomischen Lehrsatz √ n 2n+1 n 2n+1 1 X 2n + 1 √ i 1 X 2n + 1 i 2 X 2n + 1 i 1 √ 2+1 = 2 = 2 + 2 und 2 2 i=0 i 2 i=0 2i 2 i=0 2i + 1 √ n 2n+1 n 2n+1 1 X 2n + 1 √ i 1 X 2n + 1 i 2 X 2n + 1 i 1 √ 2n−i+1 2−1 2 (−1) = =− 2 + 2, 2 2 i=0 i 2 i=0 2i 2 i=0 2i + 1 √ √ 2n+1 2n+1 1 1 2+1 und 2−1 genau um die ganze Zahl 2 2 die beiden Ausdrücke haben also dieselben gebrochenen Anteile. Das heiÿt Somit unterscheiden sich wobei die letzte 1 2 √ Pn i=0 2n+1 2i 2i , 2n+1 1 √ 2n+1 1 √ 2n+1 1 √ 2+1 2−1 2−1 = = , 2 2 2 √ √ 2n+1 2−1 < 1 ⇔ 0 < 2−1 < 1 ⇒ 0 < Gleichheit aus der Tatsache 0 < 2n+1 2−1 < 1 folgt. Da weiters {x + y} = {{x} + {y}} für beliebige reelle Zahlen x und y gilt, folgt 2n+1 √ 2n+1 1 √ 2n+1 1 √ 2n+1 √ 1 + 2+1 2−1 = 2+1 + 2−1 = 2 2 2 2n+1 √ 2n+1 √ = 2−1 2−1 = . Für den gebrochenen Anteil gilt also n √ o √ 2n+1 an 2 = 2−1 . √ limn→∞ an an 2 wie folgt bilden: n √ o 2n+1 √ 2n+1 √ 2n+1 √ 1 √ lim an an 2 = lim 2+1 2−1 2−1 + · = n→∞ n→∞ 2 2 √ 4n+2 1 1 2−1 = √ , = √ lim 1 + n→∞ 2 2 2 2 √ √ 4n+2 wegen 0 < 2 − 1 < 1 der Grenzwert limn→∞ 2−1 = 0 ist. Somit können wir nun den Grenzwert weil Damit ist der Beweis des Resultates von Ramanujan komplett. Im Bezug auf einen Beweis des Satzes von Ramanujan lässt die obige Auslegung keine Lücken oen, es stellen sich aber sehr interessante neue Fragen: Warum führt die über Kettenbrüche hergeleitete Folge ∞ (an )n=0 ∞ n=0 √ (an )√ ausgehend direkt bewiesen werden, dass die Eigenschaften limn→∞ an 2 = 0 und limn→∞ an an 2 ∈ R erfüllt √ ∞ sind, oder ist das Zufall? Kann für eine beliebige irrationale Zahl x (anstelle von 2 eine Folge (an )n=0 zum Erfolg? Kann von den Kettenbrüchen und der Herleitung der Folge konstruiert werden, sodass diese Beiden Eigenschaften erfüllt sind? Über Rückmeldungen und Kommentare zum Beweis würde ich mich freuen, besonders auch über Überlegungen oder Fortschritte im Bezug auf die am Ende gestellten Fragen. Martin Nägele, 8D 4