Handout zu Theorie U Führung von der entstenden Zukunft her Vorwort Lieber TeilnehmerInnen des Seminars „Spiritualität des Alltags“, vorab ein paar Worte zu unserem Handout (Co-Referat). Wir (Susann, Alexander und Stefan) verstehen die beiden Handouts (Haup-Referat, CoReferat) als auch die das gemeinsame Referat als Symbiose. Dabei liegt unserer Fokus auf Presencing, die neuen Quellorte der Aufmerksamkeit, Intention und Intuition. Anhand einer Übung laden wir Euch ein, einen ersten Schritt im U zu gehen und damit eine Idee für Veränderungsprozesse nach Theorie U zu bekommen. Der blinde Fleck Eine entscheidende Rolle in der Entstehung der Theorie U Scharmers spielt die Ergründung des blinden Fleckes. Es wird nach dem Entstehungsort unserer Handlungen gefragt. Alles, was wir tun, muss eine Quelle haben, aus der heraus jeder Einzelne oder ein soziales System handelt. „Wo bzw. woher entstehen unsere Handlungen? Von welchem Ort, im Innern oder aus unserem Umkreis, rühren sie her“ (Scharmer 2009, S. 45)? SCHARMER nutzt den Vergleich mit der kreativen Tätigkeit eines Künstlers, um diese Frage zu beantworten. Die Betrachtung ist hierbei aus drei Perspektiven möglich: Erstens kann man sich auf das Ergebnis des künstlerischen Prozesses, auf den Gegenstand das Bild beziehen. Zweitens kann man sich auf den Prozess, das Malen konzentrieren und drittens kann man den Künstler betrachten, bevor er anfängt zu malen - während er vor der leeren Leinwand steht. Anders ausgedrückt, können wir das fertige Gemälde betrachten, nachdem es geschaffen wurde (der Gegenstand), während es geschaffen wird (der Prozess) oder bevor der Schaffungsprozess beginnt (leere Leinwand) (Vgl. ebd.). Diese drei Perspektiven lassen sich auf alle Prozesse übertragen. Leitfrage der Theorie U ist somit die dritte Perspektive. „Was passiert vor der leeren Leinwand? Was veranlasst Künstler zu dem ersten Pinselstrich“ (ebd.)? SCHARMER wendet sich mit seinem Buch v.a. an Führungspersonen, die einzeln oder mit Gruppen Innovationen und Veränderungen bewirken wollen. Der Ausgangspunkt von Handlung, der Moment vor der leeren Leinwand, bietet einen Hebelpunkt für erfolgreiche Führung. Ein gutes Beispiel für diesen Hebelpunkt bieten Studien über Spitzensportler. Deren innere Einstellung, die Bedeutung von dem, was in dem Kopf des Sportlers während der Wettkampfvorbereitung und des Wettkampfes vorgeht, ist längst erkannt. Die sportliche Leistung kann demnach bedeutend von „innen heraus“ verbessert werden. Das U Die linke Seite des „U“ Der Prozess auf der linken Seite des U führt zum einen durch die Erkenntnisräume des Runterladens, Hinschauens, Hinspürens bis runter zum Anwesendwerden und zum anderen müssen die Schwellen 1) das Innehalten, 2) das Umwenden und 3) das Loslassen überquert werden. Downloading (Runterladen) „Muster der Vergangenheit wiederholen sich – die Welt wird mit den Augen des gewohnheitsgemäßen Denkens betrachtet“ (ebd., S.62). Mit Runterladen ist gemeint, dass unser Handeln und Denken oftmals auf Gewohnheitsmechanismen beruht. Situationen werden so oft vorschnell kategorisiert, oder Personen in Schubladen gesteckt. Man achtet beim Runterladen nur auf die Aspekte, die man schon kennt und missachtet dabei das Neue. „In solchen Situationen läuft es meistens so und so ab…“ deshalb wird nicht mehr auf andere Möglichkeiten geachtet. „Ein vertrauter Stimulus löst eine gewohnte Reaktion aus“ (ebd., S. 124). Dieser Mechanismus verhindert aber, zukünftige Möglichkeiten wahrzunehmen und dementsprechend zu handeln. Das ständige Wiederholen von Vergangenheitsmustern muss demnach durchbrochen werden, um aus einer entstehenden Zukunftsmöglichkeit handeln zu können. SCHARMER benutzt in seinem Buch ein äußerst passendes Beispiel von Paul Watzlawik: Innehalten (suspension) Mit der Schwelle des Innehaltens ist hier das beenden von Gewohnheitsmustern gemeint. Man muss sich auf eine Ebene oberhalb seiner gewöhnlichen Beschäftigung begeben und aus einer überblickenden Perspektive schauen. SCHARMER und VARELA sprechen über das Innehalten im Zusammenhang mit Meditation. Es geht darum, dabei zu bleiben, auch wenn scheinbar nichts passiert. Dieses Ertragen ist der entscheidende Punkt um den es geht (Vgl. ebd., S.59). Seeing (Hinschauen) „Ein mitgebrachtes Urteil loslassen und die Realität mit frischem Blick betrachten – das beobachtete System wird als vom Beobachter getrennt wahrgenommen“ (ebd., S.62). Sobald man sich des Runterladens und seiner Gewohnheitsmechanismen bewusst wird, macht man den ersten Schritt in Richtung wirkliches Hinsehen. Die Wahrnehmung wird genauer und auch die Realität mit der wir konfrontiert sind wird klarer. „Handeln wir aus diesem Raum heraus, so erfolgt die Wahrnehmung an der Grenze zwischen Beobachter und Beobachtetem“ (ebd., S. 134). Beim Hinsehen verlagert sich der Ort der Aufmerksamkeit vom Zentrum unserer Organisationen, d.h. von unseren Gewohnheiten und Routinen, zur Peripherie, also an den Rand unserer organisationalen Grenze. So können wir aus dem Fenster unserer Organisation hinaus in die Welt schauen (Vgl. ebd., S.135). Drei Prinzipien helfen in dem Prozess von Runterladen zum eigentlichen Hinsehen: 1. Frage und Intention klären, 2. zu den wichtigen Kontexten hingehen und 3. innehalten und alte Urteils- und Denkgewohnheiten zurückhalten (ebd., S. 136). Umwenden (redirection) Bei der Schwelle des Umwendens geht es darum, „die Aufmerksamkeit von einem ,Äußeren' zu einem ,Inneren' umzulenken, sodass die Aufmerksamkeit hin zum Ursprungsort der inneren Prozesse geleitet wird und nicht zum Objekt hin“ (ebd., S.59). Sensing (Hinspüren) „Sich mit dem Feld verbinden, eintauchen und die Situation aus dem Ganzen heraus betrachten – die Grenze zwischen Beobachter und dem Beobachteten verschwimmt, das System nimmt sich selber wahr“ (ebd., S.62). Das Hinspüren ist der nächste Schritt nach dem Hinschauen. Dabei erweitert sich der Wahrnehmungsraum und umschließt das Ganze. Das Ganze wahrzunehmen gilt als Grundgedanke des Systemdenkens (Systems Thinking). Dieses betrachtet den Feedbackkreislauf zwischen der Realitätserfahrung („was das System uns antut“) und der Wahrnehmung des Systemzusammenhangs („was ist meine Rolle im System“). Wenn die eigene Rolle im System erfahrbar wird, kommt es zu Reaktionen wie: „Guck an was wir uns selber antun!“ (ebd., S 149). Die eigene Beziehung (individuell und in Gruppen) zum System wird gesehen und man beginnt wahrzunehmen, wie das Systemganze gemeinsam hervorgebracht wird. Loslassen (letting-go) Die dritte Schwelle wird als „Unsere Erfahrung akzeptieren“ beschrieben (Varela, Depraz und Vermersch 2003, zit. in ebd., S.59). Presencing – Gegenwärtigung (mit der Quelle verbinden, anwesend werden) „Sich mit dem Quellort – dem inneren Ort der Stille – verbinden, von dem aus die im Entstehenden begriffene Zukunft wahrnehmbar werden kann“ (ebd., S.62). „Presencing ist die Fähigkeit, von den Quellen her wahrzunehmen und zu handeln. Es ist ein Bewegung, durch die wir das Entstehende wahrnehmen und zuzulassen lernen.“ (Ebd. S. 171). Vom Quellort aus wahrnehmen Presencing setzt sich aus den englischen Wörtern sensing und presence zusammen. Hier geht es darum, sich mit der höchsten Zukunftsmöglichkeit zu verbinden und diese ins „Jetzt“ zu bringen. Auch hier ist die Aufmerksamkeit wichtig. Bei der Aufmerksamkeitsstruktur des Presencing findet Wahrnehmen von der entstehenden Zukunftsmöglichkeit her statt. Nach SCHARMER wird sich in dieser Phase des U-Prozesses mit dem werdenden oder authentischen Selbst auseinandergesetzt. Die Feldstruktur des Presencings „Precensing beschreibt den Moment, in dem unsere Wahrnehmung sich mit der Quelle der im Entstehen befindlichen Zukunft zu verbinden beginnt.“ (Ebd. S. 170). Nach SCHARMER lösen sich die drei Formen der Anwesenheit: 1. Anwesenheit des Vergangen, 2. Anwesenheit der Zukunft und 3. Anwesenheit des werdenden Selbst auf und verschmelzen miteinander, sodass ein Ort entsteht, aus dem heraus wir handeln. Prinzipien des Presencing 1. Prinzip: Loslassen Hier geht es darum, dass man das Alte loslässt und sich auf das Neue einlässt. „Alles, was nicht essenziell ist, muss gehen“ (ebd. S. 187). SCHARMER nennt ein persönliches dramatisches Ereignis, das ihm half von alten (Verhaltens- und Denk)Mustern loslassen zu können. Aber da es nicht dauerhaft solche dramatische Ereignisse gibt, die es einem ermöglichen, alte Strukturen loszulassen, ist es wichtig, dass das Loslassen eine bewusste Bewegung wird. SCHARMER nennt Bespiele, wie sich das bei bestimmten Gemeinschaften, die er interviewt hat, an gefühlt hat, wenn aus dem Loslassen eine bewusste Bewegung wurde. „Loslassen hat mit einem Öffnungsprozess zu tun, also dem Abbau von Barrieren und Hindernissen, die im Wege stehen.“ (ebd. S. 188). 2. Prinzip: Umkehrung Hiermit wird ein Prozess beschrieben, „wenn ein Person oder Gruppe durch das Nadelöhr und damit beginnt, sich mit einem entstehendem Feld zu verbinden.“ (ebd. S. 188). Unter durch-das-Nadelöhr-gehen versteht SCHARMER ein von innen nach außen und von außen nach innen wenden. Es ist eine Schwelle, an der man sich von allem, was nicht essenziell ist, lösen sollte. Dann beginnt sich der Ausgangspunkt der Handlungen zu verändern. 3. Prinzip: Das in-die-Welt-kommen des authentischen Selbst Wenn man lernt, nicht nur empathisch zuzuhören, sondern auch schöpferisch hinzuhören von einer tieferen Quelle aus, dann öffnet sich ein Verbindung mit einem zukünftigen Möglichkeitsraum. Das heißt, dass durch eine tiefere Qualität des Zuhören und der sozialen Intelligenz die Anwesenheit einer im Entstehen begriffenen Zukunft ermöglicht wird. Die Form dieser Intelligenz bezeichnet SCHARMER als geöffneten Willen. 4. Prinzip: Das Kraftfeld eines Ortes Hier soll ein Raum für tieferes Zuhören geschaffen werden, da Presencing immer an Orten stattfindet. Unter Ort versteht SCHARMER eine spezifischen Kontext, der die Kraft oder das Umfeld hat, die Teilnehmer des Prozesses (bezogen auf Presencing) zu halten. Folgende drei Bedingungen müssen an diesem Ort gegeben sein: bedingungslose Urteilsfreiheit, unpersönliche Liebe und die Wahrnehmung des authentischen Selbst. Leider geht SCHARMER nicht näher auf das Entstehen dieser Orte ein, sondern verweist nur darauf, dass bestimmte Orte in der Natur als helfenden Zugang zu den tieferen Quellorten dienen kann. Inwieweit diese natürlichen Energie- und Kraftfelder nutzen kann, bleibt Gegenstand weitere Forschung. Feldnotizen Presencing ist die Fähigkeit, aus einem entstehendem zukünftigen heraus zu handeln. Nach SCHARMER gibt es drei Hebelpunkte, die eine praktische Hilfe darstellen, diese Fähigkeit zu vertiefen: 1. Übungswege, 2. Zirkel des Zuhörens und 3. gemeinschaftliche Übungsfelder. Bei den Übungswegen ist das Verständnis entscheidend, dass beim U-Prozess nicht Ideen wichtig sind, sondern praktische Übungen und Methoden. Dabei verweist SCHARMER darauf, dass es kein standardisiertes Rezept gibt, sodass jeder für sicher selber herausfinden muss, was funktioniert und was nicht. Beim Zirkel des Zuhörens geht es darum, in regelmäßigen Abständen Kreis an Menschen zu schaffen, der einem die Möglichkeit bietet, in regelmäßigen Abständen eine Ort des Haltens zu haben. Hier ist die Unterstützung bei der Entwicklung des jeweiligen Lebensweges, bei der Suche nach tieferen Fragen und Herausforderungen wichtig. Bei den gemeinschaftlichen Übungsfelder ist der schöpferische Dialog wichtig, der einen Zugang zu tieferen Quellen der gemeinsamen Wahrnehmung ermöglicht. Hier gilt es sich auch zwei entscheidender Fragen klar zu werden: Was ist mein wirkliches Ich? Was ist meine wirkliche Aufgabe? Die rechte Seite des „U“ Der Weg aus dem U hinaus zeigt Parallelen zu dem Prozess in das U hinein. Die Schwelle des Loslassens wird auf dem Weg hinauf zu einer Schwelle des Entstehenlassens, auch „kommen lassen“ genannt. Die Schwelle des Umwendens wird zu einer Schwelle des Hervorbringens und die Schwelle des Innehaltens wird zu einer Schwelle des Verkörperns. Kommen lassen/ Entstehen lassen Eine entscheidende Bedingung für das Crystallizing ist es zu lernen, etwas loslassen und kommen lassen zu können. Dafür müssen alte Vorstellungen über Bord geworfen werden, „damit neue Ideen klarer und voller hervortreten können“ (ebd., S. 200). Dann führt das Entstehenlassen zu einem Moment, an dem die am tiefsten Punkt des U-Prozesses entstandene Intention und Vision sich verdichten können. Crystallizing (Verdichten) Kristallisieren oder Verdichten beschreibt die nächste Bewegung, die dem Presencing folgt. Es bedeutet, die erspürte höchste zukünftige Möglichkeit zu verdichten und ins Bild bzw. in die Sprache zu bringen. Das Kristallisieren steht im Gegensatz zu einem Visionsprozess (der die linke Seite des U-Prozesses durchläuft) am Ende eines Öffnungsprozesses. Eine Vision dagegen kann immer entwickelt werden, auch im Zusammenhang des Runterladens (Vgl. ebd., S. 193) und stellt aber mehr einen Traum für die Zukunft da, der wahrscheinlich sehr abgetrennt von dem ist, was wirklich entstehen wird. Hervorbringen Die Schwelle des Hervorbringens bedeutet eine Wendung nach außen in der Erprobung konkreter Prototypen (Vgl. ebd., S. 61). Prototyping (Erproben) Prototyping bedeutet die Zukunft durch tun zu erproben, also einen Prototypen zu erstellen. Dieser ist ein Experiment. Dabei ist häufiges und frühzeitiges Scheitern nach dem Prinzip „aus Fehlern lernt man“ durchaus gewollt, um dadurch schneller und besser erfolgreich zu sein. Wichtig ist auch, die Idee praktisch zu erproben, bevor sie vollständig in der Theorie entwickelt ist. Ein Prototyp ist ein Lern- und Anpassungsprozess der von Rückmeldungen und unmittelbar darauf basierenden Anpassungen abhängig ist (Vgl. ebd., S. 204). Verkörpern Unter Verkörpern ist die Schwelle zu verstehen, an der das Neue mittels Handlungen, Infrastrukturen und Praxis seine Form bekommt. Performing (in die Welt bringen) Der Schritt des in-die-Welt-bringens bedeutet, dass das Lernen aus den Prototypen in eine Alltags- und Gegenwartspraxis umgesetzt wird. In der Erprobung im Alltagsgeschehen können dann erneute Korrekturvorschläge und Anregungen untereinander oder von außen, beispielsweise durch die Öffentlichkeit, ausgetauscht werden. Somit ist das Performing ein ständiger Veränderungs- bzw. Verfeinerungsprozess, der die Qualität des Ergebnisses erneut steigert. Die „Aufführung“ in der Öffentlichkeit ist ein lebendiger Prozess (Vgl. ebd., S. 214). Die sieben kognitiven Räume vergleicht SCHARMER mit Räumen eines Hauses. Dabei repräsentiert jeder einen Raum der Aufmerksamkeit. Werden nur wenige Räume benutzt, kann das Potenzial der anderen nicht ausgeschöpft werden. Es kommt somit auf das Zusammenspiel aller Räume an. Weiterführende Punkte (zum Presencing) - nicht Inhalt des Referats - SCHARMER widmet sich in einem einem großen Abschnitt seines Buches dem Presencing als soziale Technik für die Führung von Innovationen. Da es den Rahmen des Referats sprengen würde, dort näher darauf einzugehen, beschränken wir uns bei diesem Punkt auf das Nennen wesentlicher (Aspekt war doppelt -> weg) Aspekte, die nur im Handout zu finden sind und zur Vertiefung in Scharmers Buch nachzulesen wären. Presencing - Eine soziale Technik für die Führung von Innovation Hier geht es um neue Fähig- und Fertigkeitenkeiten, die dafür gebraucht werden, den Herausforderungen und Veränderungen der heutigen Zeit zu begegnen, ohne sich von Denk- und Verhaltensmustern der Vergangenheit leiten zu lassen. Diese neuen Fähigkeiten basieren auf einer neuen Qualität von Bewusstsein und Aufmerksamkeit, die auf auf (doppelt) die innere Quelle von Handlung blickt. Nach Theorie gibt es vier verschiedenen Quellen des menschlichen Handelns, die zu unterscheiden wären: 1. im Zentrum (Ich-in-mir), 2. an der Peripherie (Ich-in-Es), 3. außerhalb der eigenen Peripherie (Ich-in-Dir) und 4. im entstehenden Umfeld des Ganzen (Ich-der-Gegenwärtigung). Abhängig von welchem Ort (Feld) aus man handelt, verändert sich das Ergebnis. SCHARMER setzt diese „Feldtheorie“ in Beziehung zu sozialen Feldern, die für ihn kollektive Verhaltensmuster sind. Auf den verschiedenen Ebenen der sozialen Felder (Mikro-,Meso-, Makro-,Mundo- und Meta-Ebene): „Denkendes Handeln“, „Kommunikatives Handelns“, „Organisationales Handeln“, „Globales Handeln“ und „Den Funken des In-die-WeltKommens sozialer Realität einfangen - Führen2 bespricht SCHARMER die Zusammenhänge zu seiner „Feldtheorie“, dabei ist ihm wichtig, dass man eine neue Grammatik des sozialen Feldes erlernt, um besser artikulieren und erkennen zu können, was im sozialen Feld passiert und warum. SCHARMER stellt 21 Thesen einer sozialen Feldtheorie auf: (hier nochmal Leerzeichen und Tippfehler korrigieren) 1. Soziale Systeme werden von ihren Akteuren hervorgebracht und bestimmen gleichzeitig den Kontext für ebenderen Handeln. 2. Der blinde Fleck in der gegenwärtigen Sozialwissenschaft, in der Theorie sozialer System und in der Feldtheorie betrifft die Quellen, aus denen soziale Systeme entstehen. 3. Jede soziale Handlung hat vier mögliche Quellorte, aus denen heraus sie entstehen kann. 4. Die vier Quellen und Strukturen der Aufmerksamkeit bringen vier verschiedene Feldqualitäten hervor, die den sozialen Prozess auf je unterschiedliche Weise konfigurieren. 5. Die vier Felder des Hervorbringens sozialer Realität gelten für alles (s weg) Ebenen der sozialen Welt. 6. Die Umschlagpunkte in der Bewegung von einem Feld zum anderen sind auf allen Ebenen gleich. 7. Je mehr Systeme durch Hyperkomplexität bestimmt (sind) ist, desto notwendiger ist es, die Fähigkeit auszubilden, aus den tieferen Feldern der sozialen Emergenz heraus zu handeln. 8. Eine tiefgreifende Innovation, die sich auf alle drei Formen der Komplexität bezieht, bedarf eines Prozesses, der drei Bewegungen integriert: sich den Kontexten, die relevant sind, zu öffnen (gemeinsames Hinspüren/ co-sensing), sich mit der Quelle der Stille zu verbinden (gemeinsam gegenwartsfähig zu werden/ co-inspiring) und das Neue (mit Hilfe eines Prototyps) in die Welt bringen/ co-creating. 9. Um die tieferen Quellen sozialer Felder zu erschließen und zu aktivieren, müssen drei Instrumente aufeinander abgestimmt werden: das Öffnen des Denkens, das Öffnen des Fühlens und das Öffnen des Willens.+ 10. Die Bewegung entlang den vier Feldern verlangt es, drei Barrieren zu überwinden: die innere Stimme des Urteilens (SdU), die innere Stimme des Zynismus (SdZ) und die innere Stimme der Angst (SdA). 11. Will man sich auf der rechten Seite des U Prozesses nach oben bewegen, bedarf es einer Intention, dem Ganzen zu dienen, und der Fähigkeit, die Intelligenz des Kopfes, des Herzens und der praktisch zu integrieren. 12. Je größer die Diskrepanz ist zwischen einer äußeren, systemischen Komplexität und der inneren Fähigkeit, die tieferen Strömungen des Werdens, der Emergenz, zu erschließen, desto wahrscheinlicher wird sich ein System auf den Holzweg befinden und auf einen zerstörerischen Raum der Antiemergenz treffen. 13. Der soziale Raum der Antiemergenz manifestiert sich als festgefahrene Reaktion, dem Fundamentalismus. 14. Das soziale Feld ist ein sich entfaltendes Ganzes, das über fünf Dimensionen wahrgenommen und erlebt werden kann. Diese sind: sozialer Raum, soziale Zeit, Selbst, Intersubjektivität und Körperlichkeit der Erde. 15. Wenn sich ein soziales Feld verändert und allmählich die tieferen Ebenen und Strömungen der Emergenz mit einschließt, bewegt sich die Erfahrung von Zeit, Raum, Selbst, Intersubjektivität und der Körperlichkeit unseres Planeten durch einen Umkehrungsvorgang. 16. Das öffnen der tieferen Quellen der Emergenz kehrt die Beziehung zwischen dem Individuum und der Gemeinschaft um. 17. Das öffnen der tieferen Quellen und Felder der Emergenz verändern die Beziehung zwischen Wissenden und Wissen. 18. Das soziale Feld ist eine entstehende Zeitskulptur 19. Die Entwicklungsrichtung von einem sozialen Feldgeschehen ist eine Funktion von skalenfreien Resonanz-Schwingungen. 20. Die Zukunft eines jeden Systems ist eine Funktion des Aufmerksamkeitsfeldes, von dem aus wir uns zu handeln entschließen. 21. Die revolutionäre Kraft dieses Jahrhunderts ist das Erwachen einer tieferen schöpferischen menschlichen Fähigkeit: das Ich-in-Gegenwärtigung. Theoretischer Hintergrund zur Übung Theoretischer Hintergrund für die Übung sind die Prinzipien und Praktiken, welche sich nach SCHARMER aus der Theorie U ableiten. SCHARMER beschreibt hier fünf Bewegungen (siehe Abbildung 21.1 aus ebd., S. 381). Wir nehmen die erste Bewegung, die „Gemeinsame Intentionsbildung“, in den Fokus und als Grundlage für die Übung. Die „Gemeinsame Intentionsbildung“ kann als erste Stufe eines Fünfstufenmodells verstanden werden, da die nachfolgenden Bewegungen auf die vorherigen Bewegungen aufbauen. „Die erste Bewegung, das gemeinsame Gefäß bilden, konzentriert sich darauf, den gemeinsamen Grund für einen zukünftigen Initiativprozess freizulegen. Wir fangen so an, dass wir ein Gefäß bilden, aus dem die verbleibenden vier Bewegungen entstehen und unterstützt werden können“ (ebd., S. 381). Die fünf Bewegungen sind in der Praxis jedoch nicht klar voneinander trennbar; eher gehen sie ineinander über. Die „Gemeinsame Intentionsbildung“ versteht sich dabei als Technik des „Seeing“ (Hinschauen) und gehört deshalb zur ersten Geste der linken U-Seite (vgl. ebd., S. 50ff, 134ff). Als ersten Schritt der „Gemeinsamen Intentionsbildung“ beschreibt Scharmer die Achtsamkeit. Hier korrelieren Theorie U und unser Seminar zu Spiritualität, mit Fokus Achtsamkeit, ganz offensichtlich miteinander. „Das Wesen des U-Prozesses besteht darin, unsere Achtsamkeit, Gegenwärtigkeit und aktive Teilnahme in Bezug auf das In-die-WeltKommen der sozialen Realität zu stärken“ (ebd., S. 381). Wir gehen im Zusammenhang mit unserer Übung davon aus, dass die Achtsamkeit der Teilnehmenden zum Zeitpunkt der Übung durch die theoretische und praktische Beschäftigung im Seminar bereits geschärft wurde. Deshalb wenden wir uns zügig dem zweiten Schritt der „Gemeinsamen Intentionsbildung“ zu. SCHARMER nennt ihn „Beziehung bilden“. Die Beziehungen aus Schritt zwei beziehen sich auf interessante Akteure aus dem Feld. Da wir zur Planungssicherheit im eng gesteckten Zeitrahmen ein Sachthema vorgeben werden, sehen wir uns in der schwierigen Aufgabe, ein passendes Thema zu finden, mit dem sich die Teilnehmenden identifizieren können. Somit hoffen wir zum einen auf themenbezogene Aufmerksamkeit (siehe noch Schritt eins) und zum anderen darauf, dass das Thema geeignet ist, sich gegenseitig als interessanten Akteur im Feld wahrzunehmen (vgl. ebd., S. 383). Deshalb werden wir eine Fragestellung anbieten, die an das Seminar anknüpft und jeden persönlich ansprechen dürfte. Um den Prozess nicht zu sehr zu beeinflussen, sehen wir hier im Handout von der Benennung dieser Fragestellung ab und werden sie den Teilnehmenden zu Anfang der Übung präsentieren. Klares Ziel ist die freiwillige Einbindung aller. Deshalb bieten wir eine visualisierte und assoziative Ausdruckstechnik an, die weniger mit verbalen Debatten, sondern mehr mit Bildern arbeitet und somit zu einer wirklichen Auseinandersetzung mit der Fragestellung und zwischen den Teilnehmenden führen soll. Dies ist laut SCHARMER die erste Kernkompetenz im U-Prozess (Öffnung des [Kopf-]Denkens). In seinen theoretischen Begründungen beschreibt er sowohl die Debatte, als auch den Dialog als geeignete Typen des Zuhörens in der Phase des Seeing. Zwar nennt er einerseits den „Dialog als Fähigkeit, gemeinsam zu sehen“ (ebd., S. 140), doch spricht er an anderer Stelle wieder von Debatte und bezieht den Dialog auf die Phase des Sensing (bspw. ebd., S. 230 ff). Unsere Intention der Übung entspricht eher dem von ihm präsentierten Verständnis von Dialog; vielleicht, weil sie bei den Teilnehmenden auch zur „Öffnung des Fühlens“ anregt. „...Dialog ist die Kunst, gemeinsam (sich selbst und andere) zu sehen...“ (ebd., S. 140). Somit sollen auch Beiträge von Teilnehmenden wahrgenommen werden, die sonst untergehen (bspw. Machtverhältnisse in der Teilnehmenden-Gruppe). „Finde auch diejenigen, die betroffen sind, deren Stimmen aber möglicherweise durch die Dysfunktionalität des gegenwärtigen Systems ausgeschlossen bleiben“ (ebd., S. 383). Wir werden uns bemühen, die Übung mit wenigen Vorgaben und flexibel zu gestalten (vgl. ebd. S. 383f). Schritt drei der „Gemeinsamen Intentionsbildung“ titelt SCHARMER mit „Gefäß bilden: Coinitiiere eine diverse Kerngruppe, die eine gemeinsame Intention inspirieren und halten kann (...) Das Gegenteil von Co-Initiieren ist Marketing, also der Versuch, eine Idee zu verkaufen. Das funktioniert fast nie, weil die Idee dann nur deine Idee ist“ (ebd., S. 387). Wieder sehen wir uns mit dem Dilemma konfrontiert, dass wir ein Thema/ eine Fragestellung vorgeben werden. Würden wir eine gruppenrelevante Fragestellung gemeinsam erst erarbeiten, so würden wir den Zeitrahmen nicht einhalten. Wir haben deshalb eine Fragestellung gewählt, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit alle Teilnehmenden des Seminars bereits beschäftigt hat und hoffen, an diese individuellen Ideen anknüpfen zu können. Durch die Visualisierungstechnik soll das Gemeinsame der Gruppe sichtbar werden (vgl. ebd., S. 387). Die folgende Checkliste möchten wir den Teilnehmenden abschließend nicht vorenthalten. Sie hat uns bei der Planung der Übung geholfen, auch wenn wir leider nicht alle Punkte verwirklichen konnten. (Checkliste: ebd., S. 390) Schlusswort Bei näherem Interesse zur Theorie U findet ihr das gleichnamige Buch in der Seminarliteratur. Wir hoffen, Euer Interesse an Theorie U geweckt zu haben, und freuen uns auf das Referat und die Übung. Quelle: Scharmer, C, O. (2009): Theorie U - Von der Zukunft her führen; Carl-Auer-Verlag, Heidelberg.