0 Hessischer Rundfunk Redaktion: Marlis von Rössing Aufnahme: Marlene Breuer WISSENSWERT Terra Incognita 5: Das “grüne” Band Naturschutz dank Todesstreifen Von Christa Schell Sendung: Samstag, 30.09.2006, 09:25 – 09:50 Uhr, hr2 Sprecherin: Autorin Zitator 1 : Zitator 2: 06-099 COPYRIGHT: Diese Manuskripte sind urheberrechtlich geschützt. Der Empfänger darf sie nur zu privaten Zwecken benutzen. Jede andere Verwendung (zum Beispiel Mitteilung, Vortrag oder Aufführung in der Öffentlichkeit, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verteilung oder Zurverfügungstellung in elektronischen Medien, Übersetzung) ist nur mit Zustimmung des Autors / der Autoren zulässig. Die Verwendung zu Rundfunkzwecken bedarf der Genehmigung des Hessischen Rundfunks. 1 Zitator 1 : “Sie haben ein Grundstück im Grünen Band? Schätzen Sie sich glücklich! Sie besitzen eine Perle! Und die Kette, zu der Ihre Perle gehört, ist 1400 km lang, liegt mitten in Deutschland, hingebreitet zwischen Ostsee und Vogtland.” Autorin: Sie haben kein Grundstück im Grünen Band? Kein Wunder: leicht zu verwechseln mit dem “grünen Band der Sympathie” einer unterdessen nicht mehr ganz so bedeutenden deutschen Beraterbank. Und überhaupt: Zitator 1: “Was tun mit der Perle? Sicher nicht ständig putzen. ´Das meiste auf der Welt geht nicht durch Gebrauch kaputt, sondern durch Putzen` , sagte Erich Kästner. Also beweisen Sie Mut: Mut zum Liegenlassen, zum Nichtstun. Lassen Sie Ihr Grundstück in Frieden ruhen, da lebt es am intensivsten.” Autorin: Sie kennen die Kette nicht? Und haben darum auch kein Grundstück im Grünen Band, für das hier der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland wirbt? Macht nichts. Sie werden sie kennenlernen: Eine – wie zu lesen steht – “Perlenkette wertvollster Biotope, einzigartiger Rückzugsräume für bedrohte Tier- und Pflanzenarten”. Will heißen: die Brachflächen der ehemaligen innerdeutschen Grenzanlagen. O-Ton 1: Im Norden, da ist ja die Ostsee, und da zieht sich das ja entlang. Und dann durch diesen Schaalsee durch, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, da ist das Grüne Band in vielen Bereichen auch sehr schmal geworden. In anderen Bereichen wieder, die ganze Elbaue, da geht ja die Grenze genau durch die Elbe, das sind über 2 hundert Kilometer, da ist es noch sehr schön vorhanden. Da kommt man sich wie im Niemandsland vor, im positiven Sinne. Es gibt Bereiche, wo das Grüne Band wenig auffällt, was dann aber meistens in den gebirgigeren Gebieten ist, wie im Thüringer Wald, Frankenwald oder Harz, wo auch der Nationalpark Harz natürlich ist. Da ist das Grüne Band eingebettet auch in eine schöne Landschaft drumherum. Und es gibt Bereiche, wo links und rechts Ackerland ist, da fällt das Grüne Band enorm auf, weil das zieht sich dann wie ein letzter Rückzugsraum, wo man sich vorstellt, aha, da kann noch der letzte Feldhase leben, da kann sich noch der Fischotter in den Bach zurückziehen, da ist das Grüne Band wirklich das einzige noch in der Landschaft. Autorin: “Das Grüne Band”: Ein Projekt des Bundes für Umwelt und Naturschutz – kurz BUND - mit allem, was dazugehört: Ein bescheidenes Projektbüro in der Bauernfeindstraße im oberfränkischen Nürnberg, drinnen die beiden Projektleiter am halbrunden Tisch aus hellbraunem Holz - die Biologin Dr. Liana Geidezis, die uns gerade einen ersten Überblick über das große Ganze verschafft hat. Und der Ornithologe Dr. Kai Frobel, der Mann, der dem Kind den Namen gab und mit dem die Geschichte eigentlich anfängt: O-Ton 2: Und zwar hat damals eine Gruppe von jungen Vogelschützern und Naturschützern im Raum Coburg in Nordbayern, das unmittelbar anschließt an Thüringen, den Raum hinsichtlich der Vogelarten untersucht. Und wir haben gesagt, wir schaun mal die innerdeutsche Grenze an, weil diese Grenze war damals schon ein unheimliches Biotopmosaik. Die Natur hat ja da eine Atempause gehabt. Und dieser Todesstreifen war wirklich ein Rückzugsraum für eine Fülle von gefährdeten Tier-und Pflanzenarten. Und das ist uns damals aufgefallen. Autorin : - das war Ende der 1970er, Anfang der –80er Jahre im Landkreis Coburg. Was er dort entdeckte, hat er in einem Aufsatz beschrieben. Zitator 2: “Dort, wo die Flüsse die Grenze kreuzen, gibt es noch die letzten größeren, ungedüngten Feuchtwiesen, in denen Bekassine, Grauammer oder Sumpfrohrsänger Dichten erreichen wie sonst kaum irgendwo im Coburger Land; sogar eine Kornweihe hat in den letzten Jahren vermutlich dort gebrütet. In den trockeneren Bereichen bevorzugen Braunkehlen und Feldschwirl die weniger verbuschten 3 Gebiete und beim Braunkehlchen sind es über 90% des gesamten Brutbestandes, die im Grenzstreifen leben.” O-Ton 3: Wir konnten von der Westseite, da gab´s ja keine Abschirmungen oder Sperrzonen, mit dem Fernglas direkt an der Grenzlinie stehen und diesen Bereich überblicken, meist so 100 Meter tief. Und wir konnten dann über Gehör, Gesänge, über Sichtbeobachtung sehr genau erfassen, was in dem Streifen alles so lebt. Und uns ist damals zum Beispiel aufgefallen, daß auf den damaligen Grenzzonen, diesen Metallsteckplatten und auf den Grenzpfählen haben die seltenen Arten obendrauf gebalzt, die haben diese Grenzanlagen genutzt als Singwarten. Die saßen dann richtig der Reihe nach aufgereiht, auch Goldammer, Neuntöter, Raubwürger, auf den Grenzpfählen und Zäunen obendrauf. (Atmo: evtl.: Vögel und/oder Musik – hoch, stehenlassen) Zitator 2: “Ist also der Grenzstreifen ein ´Tier-Paradies`? Nein, ganz sicher nicht, denn es sind keine außergewöhnlichen Arten, die hier leben – oder zumindest sollten sie nicht so außergewöhnlich sein! Wir finden hier vielmehr gerade die Tierarten, die eigentlich zu unserer Kulturlandschaft gehören, die aber durch die Intensivierung der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung weitgehend daraus verschwunden sind. Es sollte den für unsere Natur und unsere Landschaft politisch Verantwortlichen ohnehin schon peinlich genug sein, daß so viele Tierarten im Coburger Land nur noch überlebt haben, weil es einen ´Todesstreifen` gibt.” (Atmo evtl. noch mal wie oben – hoch, stehenlassen.) O-Ton 4: Und ich war mehrfach an einer bestimmten Stelle der Grenze, wo auf sandigem Boden, auf offener Heidelandschaft, eine sehr seltene Vogelart vorkommt, der Ziegenmelker, der ist so taubengroß in etwa, ein Nachtvogel, der ausschließlich nur nachts zu hören ist, meist nur über einen Ruf, und man muß wirklich kurz vor Mitternacht dort sein, und als Ornithologe damals im grünen Parka und Fernglas, um Mitternacht an der Grenze, und dann erzählt man den Grenzpolizisten, man ist da, um einen seltenen Vogel zu belauschen. Und an dieser Stelle hat mich die westdeutsche Polizei immer sehr intensiv kontrolliert. Und erst nach der Grenzöffnung hab ich mit gekriegt, warum. Unter dem Grenzzaun war ein Tunnel, 4 von der ostdeutschen Seite her, wo die öfters Spione ausgetauscht haben. Und das war aber an dieser Stelle den Westbehörden bekannt. War natürlich klar, daß jeder gedacht hat, naja, Ostspion, oder sonst was. Autorin: Ein Ostspion? Hatte der Bundesgrenzschutz von damals etwa keine Ohren? Oder schlief er womöglich sogar? Woher kam denn das sanfte vibrierende Summen, wie wenn ein lauer Sommerwind die Baumspitzen bewegt und durch die Gräser streicht? Von drüben! Östlich der Grenze hat er doch gesteckt, der etwas komische Vogel, der nicht singt, sondern einschläfernd brummt, weswegen ihn die Engländer auch “Nachtbrummer” nennen. War natürlich Westspionage. Und auch den nächtlichen Observator des zur Familie der Nachtschwalben gehörenden Ziegenmelkers kennen wir längst: Sein Name ist Frobel, Kai Frobel. O-Ton 4: Ich persönlich hatte dann Ende der siebziger Jahre intensiven Briefkontakt mit Naturschützern aus dem thüringischen Raum, vor allem aus dem Landkreis Sonneberg, der von der Stasi intensivst überwacht wurde. Und da ham wir bereits gesagt, dieser Grenzbereich ist sehr wertvoll, was ja die Kollegen in der DDR gar nicht wußten, weil es gab ja eine Sperrzone über 30 Kilometer, das war völlig unmöglich, als DDR-Naturschützer im vordersten Grenzbereich nach seltensten Arten zu schauen. Und natürlich warn wir alle heilfroh, daß diese Grenze aufgebrochen worden ist von der Bürgerbewegung der DDR. .........(evtl. Atmo drunter).................. Und als wir dann im Dezember 1989 eingeladen hatten nach Hof, war ziemlich verschneit, auf Nebenwegen in die Stadt rein, die damals überflutet war regelrecht von Besuchern aus der DDR, der ganze Parkplatz war zugeparkt von Trabis. Und dann warn das alles unsere Teilnehmer, die zum Teil aus Mecklenburg Vorpommern, aus Berlin, aus Sachsen, Thüringen kamen. Und an diesem Tag wurde eine gemeinsame Resolution einstimmig verfasst. Zitator 1: “RESOLUTION – Beim 1. Treffen von Natur- und Umweltschützern aus Nordbayern und der südlichen DDR am 9. Dezember 1989 in Hof beschlossen die ca. 400 Teilnehmer einstimmig und ohne Enthaltungen folgende Resolution: ´Der Grenzstreifen zwischen der Bundesrepublik und der Deutschen Demokratischen Republik ist als grünes Band und als ökologisches Rückgrat Mitteleuropas vorrangig 5 zu sichern, d. h. es muß umgehend eine einstweilige Sicherstellung dieser Gebiete in der DDR und BRD erfolgen. Darüberhinaus sollen großflächige grenzüberschreitende Schutzgebiete errichtet oder miteinander vernetzt werden. Bei der Detailkonzeption sind die Bedürfnisse der ortsansässigen Bevölkerung angemessen zu berücksichtigen. Diese Forderung ist keine nachträgliche Rechtfertigung der Grenze.`" O-Ton 6: Und das war die Geburtsstunde dieses ersten gesamtdeutschen Naturschutzprojektes. Und diese Euphorie, die auch da war, das war ja Tage nach der Grenzöffnung, hat auch dazu geführt, daß viele dieser engagierten Naturschützer nach Hause gekommen sind und als erstes dafür gesorgt haben, daß großflächige Teile des Grenzstreifens als Grünes Band dann ausgewiesen wurden. Und die Gefahr war natürlich damals schon uns allen bewußt, daß insbesondere durch den Zugriff der Landwirtschaft, daß das eine Frage von Tagen oder Monaten ist, bis dann oft auf illegale Weise insbesondere Westlandwirte dann sagen, das war Acker, das wird wieder Acker, und damit waren natürlich die wertvollen Arten auf einen Schlag ausgelöscht. Und deswegen der frühe Appell und auch der öffentliche Aufruf, wir haben hier das längste Biotop Deutschlands, ungewollt entstanden, und jetzt versuchen wir, das Beste draus zu machen. Autorin: Und wie macht man das Beste aus einer fast 1400 Kilometer langen “Perlenkette wertvollster Biotope”, die sich von Travemünde bis Plauen durch die Lande schlängelt und auf einer Kartenskizze des BUND aussieht wie ein breiter grüner Fluß? Man kartiert und dokumentiert: “Lebensräume” – wie zu lesen steht ; “Lebensräume, die sonst in unserer Kulturlandschaft nicht mehr verbunden sind: z. B. Altgrasbrachen mit Feuchtgebieten oder Trockenrasen mit Altholzbeständen”. Und man setzt Himmel und Hölle in Bewegung - Naturschutzbehörden, Gemeinden und Flur-Erneuerungsämter, damit zusammenwächst, was zusammengehört. “Weben” – nennen das die Naturschützer, “Weben am Grünen Band”. Einige weben mit – wie das Land Sachsen beispielsweise, das seine ganze Grenzfläche unter Schutz stellen ließ. Andere weniger gern. Und wäre es nach dem letzten Bundesfinanzminister gegangen, wäre das “Tafelsilber der deutschen Einheit” seit langem verkauft. Kein Wunder, daß das “wundersamste Stück Deutschlands” unterdessen aussieht wie ein 6 “grünes Band der Anarchie im Land der Regelwütigen” – schrieb der Reporter Tobias Bayer zum Tag der Einheit vor einem Jahr : Zitator 2 : “ Irgendwie haben die Deutschen wohl den Elan verloren, ihre Teilungswunden zu pflegen. Da sind Autobahnen wie die A 38 Göttingen-Halle, A 44 Kassel-Eisenach, A 71 Erfurt-Schweinfurt und die A 73 Suhl-Lichtenfels, die sich durch Altgrasfluren, Feuchtmulden und verbuschte Brachflächen fräsen und Naturschützer aufbringen. Die Landwirtschaft nagt sich weiter vor. Großformatig wird hineingeackert, umgepflügt und durchgefurcht. Vielerorts wird illegal aufgeforstet – statt seltener Orchideen wachsen Fichten und Birken. Gewerbegebiete entstehen, Großbäckereien und Tankstellen eröffnen mitten im Herzen des Grünstreifens. ” Autorin: Und die nächste Bundesstraße im grünen Tal der Werra zwischen Meiningen und Fulda kommt bestimmt! O-Ton 7: Hier stand ein Beobachtungsturm, ein zweiter an der Brücke, ein dritter am Ortsausgang. Wir wollten ihn eigentlich erhalten, von unserem Heimatverein, vom Brandenburgverein aus, und haben ihn schon umgerüstet oben zu einem Storchennest, aber man sagte uns, die Erhaltungskosten in einigen Jahren würden so ansteigen, daß wir uns das nicht leisten könnten. Und da haben wir dann wohl oder übel zugestimmt, daß der im Zuge des Grenzabbaus auch mit abgebaut wurde. Wir haben ein zweites Storchennest einer ehemaligen Bäckerei rekonstruiert, der drohte einzustürzen, und obwohl das nun von Fachleuten gemacht worden war und jeder glaubte, sie würden das wieder annehmen, kamen sie im nächsten Frühjahr zurück, aber nach kurzer Zeit erhoben sie sich und verschwanden auf Nimmerwiedersehen. Autorin: Auf Nimmerwiedersehen aus Lauchröden im Wartburgkreis. Verstehe einer die gefiederte Art. Dr. Hans Heuse versteht sie nicht. Ist doch alles da, was ein Weißstorch braucht und liebt: Wiesen, feuchte Niederungen, ländliches Siedlungsgebiet – mitten im Grünen Band. Und nur mehr wenig bis gar nichts weist 7 noch darauf hin, daß es einmal in unmittelbarer Grenznähe -, der sogenannten “Schutzzone” lag. O-Ton 8: (Gehgeräusche) Wenn Sie hier rüberschauen, an jenen Berg, dann ist in diesem Wald so eine Vertiefung sichtbar, dort verläuft die Grenze. Von hier aus, müssen Sie sich denken, nimmt die Grenze jede Windung von der Werra, von der Brandenburg aus würden Sie das wunderbar sehen. Von hier ist die Werra Grenze zwischen Hessen und Thüringen, war Staatsgrenze, schließlich Systemgrenze. Das war freigeschlagen worden. Und dann, nach einiger Zeit kriegt sie eine südliche Richtung und kommt bei Obersuhl wieder raus. Und das ist der sogenannte Thüringer Zipfel. Autorin: - zwischen Gerstungen und Wartha, wo das Flüßchen Elte in die Werra fließt und diese ihre Fließrichtung ändert und ihren vielleicht sogar schwungvollsten Bogen macht: schlammige Uferzonen und Auegräben und Auwiesen und – wälder, wo der Laubfrosch lebt und die Gelbbauchunke und an und für sich auch der Storch. Nur eben in Lauchröden nicht mehr. Rund 850 Jahre alt ist das ein kleine Haufendorf und so gebietstypisch wie hübsch; eine Kirche, ein Pfarrhaus, auf dem Dorfplatz eine Linde, auch ein Gasthaus natürlich, eine Schule. Lange her, daß der Pädagoge Hans Heuse hier, wie er sagt, “mal Lehrer war”, bis er – nach einigen Jahren Entwicklungshilfe in Mozambique – an der Pädagogischen Hochschule Erfurt lehrte. Inzwischen ist er in Rente. Seine Schule, nebenbei bemerkt , auch: O-Ton 9: Weil wir seit 1998 keine Schule mehr hier haben am Ort, zu wenig Kinder, das wurde zentralisiert, denn der Geburtenrückgang nach der Wende war beträchtlich, schlagartig. Aber es hat eine Rückkehrbewegung gegeben nach 1990. Wir sind wieder bei knapp 1100 Einwohnern, wir waren bei 950. Aber ein neues Wohngebiet ist fast erschlossen, und ein zweites beginnt. Ansiedlung von Industrie hat es nicht gegeben. Aber als Wohnstadt wird der Ort schon geschätzt. Und wenn man in Eisenach eine Beschäftigung hat, ist es auf dieser kurzen Strecke kein Problem, sich hier wohnlich einzurichten. Autorin: 8 Wenn man denn eine hat. Die Wenigsten haben eine. Keine Arbeit, keine Kinder, keine Störche. Eigentlich schade um den kleinen Ort Lauchröden. Er könnte auch Borsch oder Sünna heißen, Eishausen oder Wenigentaft. Hübsche unbekannte Flecken, aneinandergereiht wie Perlen, den Grenzstreifen entlang – von der Ostsee bis zum ......gebirge. Vielerorts nach wie vor wenigstens ein Tierparadies: in Mecklenburg-Vorpommern, wo im Spätsommer zehntausende Enten und Gänse rasten und im Herbst die - wie es heißt – schönsten Vögel der Welt, die Kraniche ziehen; auch bei Salzwedel, wo der BUND größere Flächen besitzt und die Leiterin des Projekts Grünes Band, Liana Geidezis, einst das “Wildtier des Jahres 1999” entdeckte. O-Ton 10: Ich bin Biologin und hab über den Fischotter promoviert, und hab Fischotterlosung direkt auf dem Kolonnenweg gefunden und hab das natürlich gleich der Unteren Naturschutzbehörde gemeldet. Die war natürlich ganz glücklich, Fischotter in Sachsen-Anhalt, super, klasse. Der nutzte diesen Kfz-Sperrgraben, der da entlang der Grenze war, nutzte den als kleine Autobahn, weil das ist sehr grade, kommt er schnell von a nach b, also der springt wirklich im Grünen Band Deutschland herum, weil gerade in diesen Grenzregionen die Flüsse noch relativ naturnah sind, sobald der Fluß aus dem Grenzbereich rauskommt, ist er meistens begradigt worden, aber im Grenzbereich ist er noch relativ naturnah, und da gibt´s noch den Fischotter. Und das freut mich natürlich besonders. Autorin: Wo die Liebe hinfällt. Und manchmal, da fällt sie eben auf das klatschnasse Fell eines im übrigen liebreizenden, etwas mehr als katzengroßen und ebenso schnellen wie scheuen nächtlichen Räubers: “Lutra lutra”: aus den Familien der Marder und Dachse stammend, ein großer, possierlicher Spieler und Fischfresser vor dem Herrn. Warum er die grünen Bereiche weiter nördlich bevorzugt, wissen wir nicht. Schließlich gibt es jede Menge Fische auch im Wartburgkreis um die mäandernde Werra herum in den Flüsschen Elte und Ulster. (Atmo evtl.: Musik und/oder Natur – Vögel hoch, stehenlassen) O-Ton 11: 9 (Gehgeräusche) Das ist eine von 21 Informationstafeln, die wir entlang unserers sogenannten Grenzwanderweges aufgestellt haben. Der Grenzwanderweg hat das Ziel, die Touristen mit dem Thema Grünes Band vertraut zu machen und sie entlang von 196 Kilometern Grenzlinie durch den Wartburgkreis zu führen. Unser ursprüngliches Ziel, den Grenzwanderweg ausschließlich auf dem Kolonnenweg zu verlegen, scheitert zum Teil an Eigentumsverhältnissen, die zum Teil völlig ungeklärt sind, zum Teil an bereits erfolgter Zerstörung durch landwirtschaftliche Nutzung, da sieht man vom Grünen Band gar nichts mehr. Und der Kolonnenweg kann in bestimmten Bereichen nicht genutzt werden, weil er mitten durch hochsensible Naturräume führt. Und die Naturschützer sagen, hier bitte keine Touristen. Zitator 1 : “1400 km tödliche Grenze: 3000 km Zäune, 200 km Mauern, 800 km Kfz-Sperrgraben, 1800 km Kolonnenwege, 850 Wachtürme, 1,2 Millionen Tonnen Beton, 700.000 Tonnen Eisen. Der Aufwand war gewaltig. Eine Investition in die Zukunft war er nicht.” Autorin: .... hat der BUND zusammengerechnet ; so sah die Strecke von der Ostsee bis zum südlichsten Zipfel des Todesstreifens einmal aus, auf der in 40 Jahren das Grüne Band heranwuchs. Wo heute die Eigentumsverhältnisse geklärt sind und der Kolonnenweg auch Grenzwanderweg ist, sieht man noch den Naturzustand von damals: sogenannten Weichwald und natürlich gewachsene Buschgruppen hübscher Weidengewächse, deren botanischen Namen Matthias Kirsten, sagt er, “leider schuldig bleiben muß”. Schließlich ist er kein Botaniker, sondern verantwortlich für den “Grenzwanderweg Grünes Band Thüringen”- Radtour-Routen inbegriffen. .................(Ergänzung Hintersinn) ........................erklärt Matthias Kirst im Gehen (o.s.ä.) : O-Ton 12: Das ist der klassische Spurplattenweg, Kolonnenweg, Patrouillenweg mit diesen Lochplatten. Ich sage immer, hier sind lauter kleine Kleinstbiotope, weil jedes Loch ist anders: an manchen Stellen habe ich drei Löcher mit Walderdbeeren, und nebendran blüht eine Orchidee. Das sind von hier bis an die südliche Kreisgrenze 25 Kilometer auf dem Kolonnenweg. Und in die andere Richtung ist es nicht ganz so viel. 110 Kilometer sind es bis an die nördliche Kreisspitze auf dem Kolonnenweg, aber nicht durchgängig mit Betonplatten ausgelegt, sondern als Erdweg oder Schotterweg, aber hier, Richtung Süden ist es fast ausschließlich Spurplattenweg. 10 Autorin: Der Kolonnenweg: blühende Landschaften im Lochplattenbeton. So gesehen passt er exakt ins große ganze Grüne Band, mit all seinen Löchern und Lücken. Durchgängig grün ist der Streifen von Nord bis Süd nämlich nur im BUND-Prospekt. In der Natur wird er immer wieder zerschnitten von Ackerflächen und Asphaltstrecken. Was tun, damit aus dem “längsten Biotop Deutschlands” nicht in naher Zukunft ein Kleinstbiotop wird? Der Thüringer Schriftsteller Landolf Scherzer, der im vergangenen Jahr den hessisch-thüringischen Grenzstreifen von Grafenthal bis Vacha beging, fand eine durchaus den Gesetzen des Marktes folgende Lösung: Zitator 2: “Die Naturschützer in Ost und West geben inzwischen Anteilscheine (Grüne Aktien) aus, um dafür Flächen zu kaufen. Zwar steigt der Wert dieser Aktie für die zu schützende Natur ständig, aber der Aktionär kann sie nicht weiterverkaufen. Sie bringt keinen persönlichen, sondern nur einen allgemeinen Gewinn. Eine Aktie kostet 65 Euro. Dafür kann man vierhundert Quadratmeter ursprüngliches Grenzlandrefugium kaufen. Und ich werde mir eine der Flächen aussuchen, die der neue Besitzer umgepflügt, mit Stacheldraht eingezäunt und mit Schildern ´Betreten verboten! Privateigentum!` versehen hat. Und wo ich mir die Hosenbeine zerriß.” Ende