P r e s s e i n f o r m a t i o n Von grünen Blättern, rotem Urin und blauem Blut Porphyrie: eine Krankheit mit vielen Facetten Wiesbaden, 28. April 2003. Die Porphyrie ist eine genetisch bedingte Stoffwechselerkrankung, die aufgrund ihres seltenen Auftretens zu den Orphan-Krankheiten zählt. Dabei hat die „Rarität“ als „Krankheit der Könige“ schon den Lauf der Geschichte beeinflusst und durch Vincent van Gogh Eingang in die Kunst gefunden. Die Porphyrie tarnt sich mit Symptomen, die denen anderer Erkrankungen ähneln, so dass sie häufig erst spät erkannt wird. Oft zeugen Narben auf dem Bauch der PorphyriePatienten von so manch vergeblicher Operation. Dabei ist die frühzeitige richtige Diagnose bei dieser Stoffwechselstörung sehr wichtig, da z.B. falsche Medikamente lebensbedrohliche Porphyrie-Anfälle, bei denen Porphyrine den Körper überfluten, auslösen können. Porphyrine sind organische Verbindungen, in deren Zentrum ein Metall als Zentralatom gebunden ist. Wird Magnesium in den Porphyrinrahmen eingebaut, so entsteht Magnesiumporphyrin, besser bekannt als Chlorophyll. Dieser Stoff ermöglicht Pflanzen die Photosynthese und gibt ihnen die grüne Farbe. Wird in den Porphyrinrahmen dagegen Eisen eingebaut, so entsteht Eisenporphyrin oder Häm, das den roten Blutkörperchen und damit unserem Blut die rote Farbe verleiht. Porphyrine: lebenswichtige Bausteine bringen Farbe ins Leben Ob in der Pflanzenwelt oder beim Menschen, die Metallporphyrine werden in Proteine eingebaut, in denen sie lebenswichtige Aufgaben im Energiestoffwechsel, beispielsweise den Sauerstofftransport, übernehmen. Mit Hilfe von Enzymen werden die Porphyrine im Körper ständig auf- und abgebaut. Bei einem genetischen Defekt liegt den Enzymen ein fehlerhafter Bauplan vor, so dass der Aufbau der Porphyrine gestört ist. Diese Stoffwechselerkrankung nennt man Porphyrie. Porphyrie: eine vielschichtige Erkrankung Die Porphyrie stellt jedoch nicht eine, sondern vielmehr eine Gruppe von Erkrankungen dar. Abhängig davon, an welcher Stelle des achtstufigen Hämaufbaus die genetisch bedingte Störung auftritt, unterscheidet man acht Arten der Porphyrie. Diese werden – je nachdem, ob der Fehler in der Leber oder im Knochenmark vorliegt – in hepatische und erythropoetische Porphyrien eingeteilt. Bei den hepatischen Porphyrien wird wiederum eine Unterscheidung in akut und chronisch vorgenommen. Alle Arten dieser Stoffwechselerkrankungen haben eines gemein: Die Porphyrine oder deren Vorstufen überfluten den Körper, was sich in einer großen Bandbreite an Symptomen – von leicht bis lebensbedrohlich äußern kann. Eine „häufige“ Orphan-Erkrankung: Die akut intermittierende Porphyrie Die akut intermittierende Porphyrie (AIP) ist die häufigste akute Porphyrie. Ihr liegt ein genetischer Defekt zugrunde, der die Aktivität des Enzyms PBGDesaminase auf mindestens 50% reduziert. Diese Störung allein reicht jedoch nicht aus, um einen AIP-Anfall auszulösen. Vielmehr müssen – je nach Ausprägung des Defektes – weitere aktivierende Faktoren dazu kommen. Die AIP zeigt sich fast ausschließlich nach der Pubertät und häufiger bei Frauen als bei Männern. Dabei bricht die Erkrankung nur bei etwa 10-20 % der Genträger überhaupt aus. In Mitteleuropa lebt ungefähr einer von 1.700 Menschen mit der Anlage für die AIP, wie eine Untersuchung französischer Blutspender ergab. Die Häufigkeit anderer Porphyrien liegt etwa bei 1:50.000 bis 100.000. Aufgrund ihres extrem seltenen Auftretens zählt die Porphyrie zu den „OrphanErkrankungen“. Gefährliches Zusammenspiel: Gene und äußere Einflüsse als Ursache Zu den Auslösern von Porphyrie-Anfällen gehören vor allem Medikamente, besonders Schlafmittel, Epilepsiemedikamente, bestimmte Schmerzmittel und Antibiotika sowie Hormone1 wie sie beispielsweise in der „Pille“ enthalten sind. Allerdings können auch natürliche Hormonschwankungen im weiblichen Zyklus die Erkrankung zum Ausbruch bringen. Extreme Diäten oder Fastenkuren können ebenfalls Porphyrie-Anfälle zur Folge haben. Weitere Auslöser können Alkohol, Infektionen, seelische oder körperliche Stress-Situationen, beispielsweise Operationen, sein. Damit zeigt sich die Porphyrie als klassisches Beispiel für das Zusammenwirken von Genen und äußeren Einflüssen. Meisterin der Tarnung: Porphyrie wird oft nicht erkannt Bricht die Erkrankung aus, so wird sie oft nicht erkannt. Dies liegt zum einen daran, dass Ärzte (fast) nie mit dieser seltenen Stoffwechselerkrankung in Berührung kommen und sie daher gar keinen „Verdacht schöpfen“. Auf der anderen Seite treten die vielfältigen Symptome der Porphyrie häufig auch bei anderen – oft weniger ernsten – Erkrankungen auf; und bei der AIP können lange 2 symptomfreie Phasen zwischen den einzelnen Anfällen liegen. Manche Menschen erleiden alle zwei Monate einen Porphyrie-Anfall, andere nur einmal im Leben. Bekannte Symptome – (fast) unbekannte Krankheit Auch wenn die AIP nicht leicht zu erkennen ist, sollte beim Auftreten der folgenden Symptome an diese seltene Stoffwechselerkrankung gedacht werden: akute (kolikartige) Bauchschmerzen, die sich bis zu DarmverschlussSymptomen verstärken können, in Kombination mit o Erbrechen o Verstopfung o Rückenschmerzen o Rotverfärbung des Urins o Bluthochdruck o Herzrasen o Atemlähmung neurologische und psychiatrische Symptome wie o Muskelschwäche o Missempfindungen der Haut, z.B. Kribbeln (Parästhesien) o Lähmungen in Armen oder Beinen o epileptische Krampfanfälle o komatöse Zustände o Verwirrtheit, Halluzinationen etc. o Angst, Depressionen etc. Starke Bauchschmerzen treten besonders häufig auf. Die aufgeführten neurologischen und psychiatrischen Symptome gehen bei rechtzeitiger und richtiger Therapie normalerweise zurück, können jedoch in seltenen Fällen chronisch werden. Besonderes Augenmerk ist auf Patienten im Alter zwischen 20 und 30 Jahren sowie auf Frauen in der prämenstruellen Phase zu richten, die mehrere Symptome gleichzeitig aufweisen. Außerdem sollte bei Patienten, die wiederholt wegen Unterleibsschmerzen, neurologischen, psychiatrischen sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen behandelt wurden, an AIP gedacht werden. Schließlich haben zahlreiche Patienten eine „Odyssee von Arzt zu Arzt“ hinter sich, bevor die richtige Diagnose gestellt wird. 3 Lebensbedrohlich: Die falsche Diagnose Dabei ist eine frühzeitige Diagnose und Behandlung nicht nur zur Vermeidung von Folgeschäden von großer Bedeutung. Gerade bei der Porphyrie stellt jede falsche Behandlung eine besonders große Gefahr dar, da die Gabe falscher Medikamente lebensbedrohliche Porphyrie-Anfälle auslösen kann. Besteht der Verdacht auf Porphyrie, so ist eine Untersuchung auf Porphyrinvorläufer und Porphyrine im Urin bzw. in Blut und Stuhl erforderlich. Bei etwa 25 % der Patienten ist bereits die auffällig rote Farbe des Urins (nach längerem Stehenlassen) ein Indiz für die Orphan-Erkrankung. Wenn, beispielsweise aufgrund von AIP-Erkrankungen in der Familie, von einem entsprechenden genetischen Defekt ausgegangen werden kann, so besteht die Möglichkeit, sich mit Hilfe der molekularen Gendiagnostik Gewissheit zu verschaffen. Vorsorge und die richtige Therapie: Für ein „fast“ normales Leben Experten empfehlen Personen, die das „Porphyrie-Gen“ tragen – unabhängig davon, ob sie bereits akute Anfälle erlitten haben – einen Ausweis bei sich zu führen, der behandelnde Ärzte auf die seltene Stoffwechselerkrankung aufmerksam macht und den Patienten auch in Notfällen vor der Gefahr durch porphyrinogene Medikamente schützt. Die Kenntnis des Auslösers der AIP und dessen sofortiges Absetzen ist natürlich von großer Bedeutung bei der Therapie der Erkrankung. Für die gezielte medikamentöse Behandlung akuter PorhyrieAnfälle gilt noch immer die Aussage der Konsensus-Konferenz von 1994: „Die Gabe von Häm (Normosang®) und die Zufuhr großer Mengen an Kohlehydraten sind spezifische Therapieformen. Die Therapie mit Häm ist wesentlich wirksamer als die mit Kohlehydraten.“ Das Orphan-Medikament Hämarginat hemmt das erste Enzym bei der Hämsynthese, und damit auch die Bildung der Porphyrinvorstufen und Porphyrine. Die Vermeidung der Porphyrieauslöser sowie die frühzeitige Diagnose und Therapie der seltenen Stoffwechselkrankheit kann den betroffenen Menschen also ein (fast) normales Leben ermöglichen. Königliche Bauchschmerzen: Auch „Promis“ bleiben nicht verschont Dabei befinden sich die Patienten übrigens in bester Gesellschaft. Denn die Porphyrie gilt als wahrlich königliche Krankheit. So geht man heute davon aus, dass King George III von England an Porphyrie litt. Inzwischen hat sich sogar ein Theaterstück sowie ein Kinofilm mit dessen „Verrücktheit“ befasst. Aber nicht nur in den Königshäusern der Stuarts, von Hannover und von Preußen sind Hinweise auf Porphyrie-Erkrankungen zu finden. Auch Kunst und Literatur wurden von der 4 AIP beeinflusst. So vermuten Medizinhistoriker, dass Vincent van Gogh unter einem akuten Anfall litt, als er sich das rechte Ohr abschnitt und zu einer Prostituierten brachte. Und Isabel Allende beschreibt die Porphyrie-Erkrankung sowie den Tod ihrer Tochter in Ihrem Roman „Paula“. 1 Eine Übersicht über Substanzen die Porphyrie-Anfälle auslösen können, ist im Anhang der Roten Liste zu finden. Herausgeber: Orphan Europe – Germany – GmbH Max-Planck-Straße 6 63128 Dietzenbach www.orphan-europe.com Bei Rückfragen: Eberhard Kroll 06074 / 81 21 60 Michael Lucas 06074 / 81 21 60 Redaktion: Medizin & PR GmbH – Gesundheitskommunikation Im Klapperhof 33a 50670 Köln www.medizin-pr.de Bei Rückfragen: Birgit Dickoré 0221 / 77 543 – 11 Iris Huth 0221 / 77 543 – 14 Iris Schürger 0221 / 77 543 – 17 5