Teil 3 der Serie Orphan-Krankheiten

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P R E S S E I N F O R M A T I O N
Teil 3 der Serie Orphan-Krankheiten – Waisenkinder der Medizin
Von grünen Blättern, rotem Urin und blauem Blut
Porphyrie: eine Krankheit mit vielen Facetten
Köln, November 2000. Die Porphyrie ist eine genetisch bedingte
Stoffwechselerkrankung, die aufgrund ihres seltenen Auftretens zu den
Orphan-Krankheiten zählt. Dabei hat die „Rarität“ als „Krankheit der
Könige“ schon den Lauf der Geschichte beeinflusst und durch Vincent van
Gogh Eingang in die Kunst gefunden. Die Porphyrie tarnt sich mit
Symptomen, die denen anderer Erkrankungen ähneln, so dass sie häufig
erst spät erkannt wird. Oft zeugen Narben auf dem Bauch der PorphyriePatienten von so manch vergeblicher Operation. Dabei ist die frühzeitige
richtige Diagnose bei dieser Stoffwechselstörung sehr wichtig, da z.B.
falsche Medikamente lebensbedrohliche Porphyrie-Attacken, bei denen
Porphyrine den Körper überfluten, auslösen können.
Porphyrine sind organische Verbindungen, in deren Zentrum ein Metall als
Zentralatom gebunden ist. Wird Magnesium in den Porphyrinrahmen eingebaut,
so entsteht Magnesiumporphyrin, besser bekannt als Chlorophyll. Dieser Stoff
ermöglicht Pflanzen die Photosynthese und gibt ihnen die grüne Farbe. Wird in
den Porphyrinrahmen dagegen Eisen eingebaut, so entsteht Eisenporphyrin
oder Häm, das den roten Blutkörperchen und damit unserem Blut die rote Farbe
verleiht.
Porphyrine: lebenswichtige Bausteine bringen Farbe ins Leben
Ob in der Pflanzenwelt oder beim Menschen, die Metallporphyrine werden in
Proteine
eingebaut,
in
denen
sie
lebenswichtige
Aufgaben
im
Energiestoffwechsel, beispielsweise den Sauerstofftransport, übernehmen. Mit
Hilfe von Enzymen werden die Porphyrine im Körper ständig auf- und abgebaut.
Bei einem genetischen Defekt liegt den Enzymen ein fehlerhafter Bauplan vor, so
dass der Aufbau der Porphyrine gestört ist. Diese Stoffwechselerkrankung nennt
man Porphyrie.
Porphyrie: eine vielschichtige Erkrankung
Die Porphyrie stellt jedoch nicht eine, sondern vielmehr eine Gruppe von
Erkrankungen dar. Abhängig davon, an welcher Stelle des achtstufigen
Hämaufbaus die genetisch bedingte Störung auftritt, unterscheidet man acht
Arten der Porphyrie. Diese werden – je nachdem, ob der Fehler in der Leber oder
im Knochenmark vorliegt – in hepatische und erythropoetische Porphyrien
eingeteilt. Bei den hepatischen
Unterscheidung
Porphyrien
wird
wiederum
eine
in akut und chronisch vorgenommen. Alle Arten dieser
Stoffwechselerkrankungen haben eines gemein: Die Porphyrine oder deren
Vorstufen überfluten den Körper, was sich in einer großen Bandbreite an
Symptomen – von leicht bis lebensbedrohlich äußern kann.
Eine „häufige“ Orphan-Erkrankung: Die akut intermittierende Porphyrie
Die akut intermittierende Porphyrie (AIP) ist die häufigste akute Porphyrie. Ihr
liegt ein genetischer Defekt zugrunde, der die Aktivität des Enzyms PBGDesaminase auf die Hälfte reduziert. Diese Störung allein reicht jedoch nicht aus,
um eine AIP-Attacke auszulösen. Vielmehr müssen - je nach Ausprägung des
Defektes – weitere aktivierende Faktoren dazu kommen. Die AIP zeigt sich fast
ausschließlich nach der Pubertät und häufiger bei Frauen als bei Männern. Dabei
bricht die Erkrankung nur bei etwa 10-20 % der Genträger überhaupt aus. In
Mitteleuropa lebt ungefähr einer von 1.700 Menschen mit der Anlage für die AIP,
wie eine Untersuchung französischer Blutspender ergab. Die Häufigkeit anderer
Porphyrien liegt etwa bei 1:50.000 bis 100.000. Aufgrund ihres extrem seltenen
Auftretens zählt die Porphyrie zu den „Orphan-Erkrankungen“.
Gefährliches Zusammenspiel: Gene und äußere Einflüsse als Ursache
Zu den Auslösern von Porphyrie-Attacken gehören vor allem Medikamente,
besonders Schlafmittel, Epilepsiemedikamente, bestimmte Schmerzmittel und
Antibiotika sowie Hormone*1 wie sie beispielsweise in der „Pille“ enthalten sind.
Allerdings können auch natürliche Hormonschwankungen im weiblichen Zyklus
die Erkrankung zum Ausbruch bringen. Diäten oder Fastenkuren können
ebenfalls Porphyrie-Attacken zur Folge haben. Weitere Auslöser sind Alkohol,
Infektionen und seelische oder körperliche Stress-Situationen, beispielsweise
Operationen. Damit zeigt sich die Porphyrie als klassisches Beispiel für das
Zusammenwirken von Genen und äußeren Einflüssen.
Meisterin der Tarnung: Porphyrie wird oft nicht erkannt
Bricht die Erkrankung aus, so wird sie oft nicht erkannt. Dies liegt zum einen
daran, dass Ärzte (fast) nie mit dieser seltenen Stoffwechselerkrankung in
Berührung kommen und sie daher gar keinen „Verdacht schöpfen“. Auf der
anderen Seite treten die vielfältigen Symptome der Porphyrie häufig auch bei
anderen – oft weniger ernsten – Erkrankungen auf; und bei der AIP können lange
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symp-tomfreie Phasen zwischen den einzelnen Attacken liegen. Manche
Menschen erleiden alle zwei Monate einen Porphyrie-Anfall, andere nur einmal
im Leben.
Bekannte Symptome - (fast) unbekannte Krankheit
Auch wenn die AIP nicht leicht zu erkennen ist, sollte beim Auftreten der
folgenden Symptome an diese seltene Stoffwechselerkrankung gedacht werden:

akute (kolikartige) Bauchschmerzen, die sich bis zu DarmverschlussSymptomen verstärken können, in Kombination mit


Erbrechen

Verstopfung

Rückenschmerzen

Rotverfärbung des Urins

Bluthochdruck

Herzrasen

Atemlähmung
neurologische und psychiatrische Symptome wie

Muskelschwäche

Missempfindungen der Haut, z.B. Kribbeln (Parästhesien)

Lähmungen in Armen oder Beinen

epileptische Krampfanfälle

komatöse Zustände

Verwirrtheit, Halluzinationen etc.

Angst, Depressionen etc.
Starke Bauchschmerzen treten besonders häufig auf. Die aufgeführten
neurologischen und psychiatrischen Symptome gehen bei rechtzeitiger und
richtiger Therapie normalerweise zurück, können jedoch in seltenen Fällen
chronisch werden.
Besonderes Augenmerk ist auf Patienten im Alter zwischen 20 und 30 Jahren
sowie auf Frauen in der prämenstruellen Phase zu richten, die mehrere
Symptome gleichzeitig aufweisen. Außerdem sollte bei Patienten, die wiederholt
wegen Unterleibsschmerzen, neurologischen, psychiatrischen sowie HerzKreislauf-Erkrankungen behandelt wurden, an AIP gedacht werden. Schließlich
haben zahlreiche Patienten eine „Odyssee von Arzt zu Arzt“ hinter sich, bevor die
richtige Diagnose gestellt wird.
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Lebensbedrohlich: Die falsche Diagnose
Dabei ist eine frühzeitige Diagnose und Behandlung nicht nur zur Vermeidung
von Folgeschäden von großer Bedeutung. Gerade bei der Porphyrie stellt jede
falsche Behandlung eine besonders große Gefahr dar, da die Gabe falscher
Medikamente lebensbedrohliche Porphyrie-Attacken auslösen kann.
Besteht
der
Verdacht
auf
Porphyrie,
so
ist
eine
Untersuchung
auf
Porphyrinvorläufer und Porphyrine im Urin bzw. in Blut und Stuhl erforderlich. Bei
etwa 25 % der Patienten ist bereits die auffällig rote Farbe des Urins (nach
längerem
Stehenlassen)
ein
Indiz
für
die
Orphan-Erkrankung.
Wenn,
beispielsweise aufgrund von AIP-Erkrankungen in der Familie, von einem
entsprechenden genetischen Defekt ausgegangen werden kann, so besteht die
Möglichkeit, sich mit Hilfe der molekularen Gendiagnostik Gewissheit zu
verschaffen.
Vorsorge und die richtige Therapie: Für ein „fast“ normales Leben
Experten empfehlen Personen, die das „Porphyrie-Gen“ tragen – unabhängig
davon, ob sie bereits akute Attacken erlitten haben – einen Ausweis bei sich zu
führen, der behandelnde Ärzte auf die seltene Stoffwechselerkrankung
aufmerksam macht und den Patienten auch in Notfällen vor der Gefahr durch
porphyrie-auslösende Medikamente schützt.
Die Kenntnis des Auslösers der AIP und dessen sofortiges Absetzen ist natürlich
von großer Bedeutung bei der Therapie der Erkrankung. Für die gezielte
medikamentöse Behandlung akuter Porhyrie-Attacken gilt noch immer die
Aussage
der
Konsensus-Konferenz
von
1994:
„Die
Gabe
von
Häm
(Normosang®) und die Zufuhr großer Mengen an Kohlehydraten sind spezifische
Therapieformen. Die Therapie mit Häm ist wesentlich wirksamer als die mit
Kohlehydraten.“ Das Orphan-Medikament Hämarginat hemmt das erste Enzym
bei der Hämsynthese, und damit auch die Bildung der Porphyrinvorstufen und
Porphyrine.
Die Vermeidung der Porphyrieauslöser sowie die frühzeitige Diagnose und
Therapie der seltenen Stoffwechselkrankheit kann den betroffenen Menschen
also ein (fast) normales Leben ermöglichen.
Königliche Bauchschmerzen: Auch „Promis“ bleiben nicht verschont
Dabei befinden sich die Patienten übrigens in bester Gesellschaft. Denn die
Porphyrie gilt als wahrlich königliche Krankheit. So geht man heute davon aus,
dass King George III von England an Porphyrie litt. Inzwischen haben sich sogar
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eine Theaterstück sowie ein Kinofilm mit dessen „Verrücktheit“ befasst. Aber
nicht nur in den Königshäusern der Stuarts, von Hannover und von Preußen sind
Hinweise auf Porphyrie-Erkrankungen zu finden. Auch Kunst und Literatur
wurden von der AIP beeinflusst. So vermuten Medizinhistoriker, dass Vincent van
Gogh unter einem akuten Anfall litt, als er sich das rechte Ohr abschnitt und zu
einer Prostituierten brachte. Und Isabel Allende beschreibt die PorphyrieErkrankung sowie den Tod ihrer Tochter in Ihrem Roman „Paula“.
Internationaler Ärzte-Kongress: Porphyrie-Bewusstsein schaffen
Damit solch tragische Verläufe von Porphyrie-Erkrankungen wirklich endgültig
der Vergangenheit angehören, ist es wichtig ein Bewusstsein für diese OrphanErkrankung zu schaffen. Die Aufklärung der breiten Ärzteschaft ist unverzichtbar,
um eine rechtzeitige Diagnose zu ermöglichen und den Leidensweg zu
verkürzen. Zu diesem Schluss kamen auch die Ärzte aus aller Welt, die sich vom
10. bis zum 13. September in Paris auf dem Millenium Meeting on Porphyrins
and Porphyrias 2000
über den aktuellen Wissensstand zur Porphyrie
austauschten. Sie möchten in den nächsten Jahren ein Porphyrie-Netzwerk
etablieren, dass Interessierte mit zahlreichen aktuellen Informationen zu der
seltenen Stoffwechselerkrankung versorgt.*2
*1
Eine Übersicht über Substanzen die Porphyrie-Attacken auslösen können,
ist im Anhang der Roten Liste zu finden.
*2
Im Internet ist bereits eine Vielzahl von Informationen – von Fallbeispielen
Betroffener bis zum medizinischen Überblick - zum Thema Porphyrie zu finden,
meist in englischer Sprache. Beispielhaft seien hier die folgenden Websites
genannt:
www.porphyrie.de von Prof. Dr. Manfred Doss,
www.enterprise.net/apf der American Porphyria Foundation,
www.members.tripod.com/~PorphBook/
Unter diesen Adressen finden Sie außerdem zahlreiche interessante Links.
Herausgeber:
Orphan Europe GmbH
Max-Planck-Straße 2
63128 Dietzenbach
Bei Rückfragen:
Eberhard Kroll 06074 / 81 21 60
Michael Lucas 06074 / 81 21 60
Redaktion:
Medizin & PR GmbH – Gesundheitskommunikation
5
Im Klapperhof 33a
50670 Köln
Bei Rückfragen:
Iris Huth
0221 / 77 543 – 14
Heike Hallenberg 0221 / 77 543 – 16
Birgit Dickoré
0221 / 77 543 – 11
Abdruck honorarfrei, Beleg erbeten.
Köln, November 2000
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