Arbeitsgruppe der Fachgruppe Feministische Mädchenarbeit Gabriele Marth Konzept Empfehlungen für Maßnahmen zur Förderung der Mädchenarbeit in der Offenen Jugendarbeit Vorarlberg Bregenz, Wien Juli 1999 Vorwort Auch Jugendarbeit wird von Diskursen bestimmt, die unbewußt männerorientiert sind. Meist wird in der Jugendarbeit bzw. auch in der „Fachliteratur“ das Geschlechterverhältnis als gesellschaftliche Strukturbeziehung außer acht gelassen. Dieser blinde Fleck als unbewußtes Prinzip strukturiert den sozialen Alltag. Dieser Textabschnitt über MÄDCHENARBEIT wird teilweise in der Publikation gesondert platziert, teils in den übergreifenden Teil von Heinz Schoibl einfließen. Mit den Empfehlungen für Maßnahmen zur Mädchenarbeit in der offenen Jugendarbeit wird ein komplexer Text vorgelegt. Im Sinne einer breiten Lesbarkeit des Konzeptes ist es jedoch möglich, einzelne Abschnitte separat zu lesen, ohne den Gesamtzusammenhang von feministischer Mädchenarbeit in Vorarlberg im Detail kennen zu müssen. Lange Zeit wurden Versuche, eine mädchenfreundliche oder zumindest mädchengerechtere Jugendarbeit umzusetzen, von offizieller Seite her nicht erwünscht. Gerade feministische Vorstellungen wurden aus "Kostengründen" als illusionär abgetan. Mittlerweile wird zunehmend die Vernetztheit von feministischen, mädchenspezifischen Angeboten, geschlechtsspezifischer Mädchen- und Jungenarbeit und die Grenzen der klassischen Jugendhausarbeit anerkannt und endlich neue, zukunftsweisende Vorgangsweisen erprobt. Die Mädchenarbeit in Vorarlberg, die immerhin aus einer 20-jährigen "Tradition" besteht, wird nun vermehrt in die Offene Jugendarbeit integriert. Diese geht nun neue mädchenadäquatere Wege. Im Rahmen dieser „Umsetzungsphase“ konnte die Bedeutung von feministischer Mädchenarbeit mit einer regelmäßigen fachlichen Begleitung und Zusammenarbeit weiter aufgebaut werden. Unter Einbezug der in der Mädchenpolitik geführten Diskussionen mit den unterschiedlichen Generationen von Fachfrauen, ihren Kollegen und politischen Vertretungen werden Mädchenarbeitsvorstellungen in diese Empfehlungen konzeptionell integriert. Die Aneignung von Öffentlichkeit ist für Mädchen(arbeit) sowohl in Form von Publikationsmöglichkeiten als auch in Form von öffentlichem Raum für Mädchen in Zukunft zentral für die offene Jugendarbeit. 2 Empfehlungen für Maßnahmen zur Förderung der Mädchenarbeit in der Offenen Jugendarbeit Vorarlberg Inhaltsverzeichnis Vorwort ....................................................................................................................... 2 1. Kontexte von Mädchenarbeitskonzepten ................................................................ 4 1.1 Ausgangssituation und Arbeitsstruktur............................................................. 4 1.2 Kontextualisierung ........................................................................................... 6 1.3 Methodisches Vorgehen .................................................................................. 7 1.4 Definitionen feministischer Mädchenarbeit ....................................................... 8 1.5 Mädchen(frei)räume ................................................................................ 10 1.6 Entstehungsgeschichte feministischer Mädchenarbeit in Vorarlberg ............. 11 2. Mädchenarbeit in Vorarlberg ............................................................................... 14 2.1 Zur Situation von Mädchenarbeit in Vorarlberg ............................................. 14 2.2 Geschlechtsspezifische Strukturen und Rahmenbedingungen in den Einrichtungen......................................................................................................... 15 2.3 Schwierigkeiten von/für Mädchen ................................................................... 21 2.4 Der umstrittene Begriff der „Geschlechtsspezifik“ ........................................... 23 2.5 Bereits bestehende Angebote für Mädchen in Vorarlberg .............................. 25 2.5.1 Dachverband der Vorarlberger Kommunikations- und Freizeitzentren: ... 25 Angebote der Jugendzentren:.................................................................. 26 2.5.2 Jugendzentrum Between Bregenz ........................................................... 26 2.5.3 Jugendzentrum Graf Hugo ...................................................................... 28 2.5.4 IfS Jugendberatung Mühletor – Mädchenarbeit ....................................... 30 2.5.5 Mädchenzentrum AmaZone..................................................................... 33 2.5.6 Frauengesundheitszentrums f.a.m Dornbirn - Mädchenarbeit................. 36 2.5.7 Mädchenarbeit Offene Jugendarbeit Hard............................................... 38 2.5.8 Verein Selbstverteidigung für Frauen und Mädchen................................ 40 3. Rahmenbedingungen für Realisierungen ........................................................... 41 3.1 Voraussetzungen im Team für feministische Mädchenarbeit ......................... 41 3.1.1 Erwartungen an das Team: ..................................................................... 41 3.1.2 Fragen zur Funktions- und Rollenreflexion im Team: .............................. 43 3.1.3 Erforderliche Kompetenzen der MitarbeiterInnen: ................................... 43 3.2 Mädchenpolitische Forderungen..................................................................... 44 3.3 Forderungskatalog der AG Feministische Mädchenarbeit: ............................ 45 4. Entwicklungsschritte für feministische Mädchenarbeit in Vorarlberg: ................. 47 Empfehlungen, Vorschläge, Erforderliche Maßnahmen .......................................... 47 5. Anlaufstellen für Mädchen in Vorarlberg: ............................................................. 50 6. Vernetzung .......................................................................................................... 51 3 1. Kontexte von Mädchenarbeitskonzepten 1.1 Ausgangssituation und Arbeitsstruktur Die Fachgruppe Feministische Mädchenarbeit setzt sich intensiv für die Schaffung von Grundlagen für Mädchenarbeit in Vorarlberg ein. Durch die aufgebauten Vernetzungsstrukturen für Jugendarbeiterinnen, den fachlichen Austausch und die jugendpolitische Einstellung wurden wesentliche Vorarbeiten geleistet. Beispielsweise hat Angelika Fussenegger in Absprache mit der Fachgruppe Feministische Mädchenarbeit 1998 eine Anfrage an alle Ressorts der Landesregierung bezüglich Mädchen- und Bubenförderung eingereicht. Auch war es die Fachgruppe Feministische Mädchenarbeit, die die gezielte Befassung mit Fragen mädchenspezifischer Angebote in der Offenen Jugendarbeit eingefordert hat. Nach einem erfolgreichen Vermittlungsprozess wurde daraufhin die Fachgruppe formell beauftragt Möglichkeiten und Arbeitsansätze für den Aufbau und die Intensivierung der Mädchenarbeit in den Einrichtungen der Offenen Jugendarbeit zu erarbeiten. Der Auftrag zur wissenschaftlichen Begleitung dieser Fachgruppe wurde Gabriele Marth erteilt. In den ersten Monaten des Zusammentuns der Fachgruppe Feministische Mädchenarbeit mit mir entwickelten wir für diesen Auftrag eine Arbeitsstruktur bestehend aus 2 Arbeitsgruppen: eine Kerngruppe und die Gesamt-Fachgruppe. Die Arbeit in der Kerngruppe war ein zeitaufwendiger, intensiver Denk- und Entwicklungsprozess auf vielen Ebenen. Immer wieder wurde der Arbeitsprozeß der Gesamt-Fachgruppe präsentiert und in den dortigen Zusammentreffen reflektiert und auf die Zielvorgabe hin überprüft. Diese verschränkte Vorgangsweise ermöglichte es, die aktuellen Situationen, Herausforderungen und Probleme der Mädchenarbeit in den Jugendhäusern und Jugendtreffs miteinzubeziehen und zu besprechen. Die Möglichkeit, zunehmend die verschiedenen Formen von Mädchenarbeit in der offenen Jugendarbeit zu projektieren und die daraus resultierenden Erfahrungen und Erkenntnisse mit Kolleginnen und Fachfrauen diskutieren zu können, bilden den konkreten Zusammenhang dieses Konzeptes. Fortbildungen zu feministischer Mädchenarbeit, der Aufbau der Fachgruppe Feministische Mädchenarbeit, das Studium von einschlägiger Fachliteratur, die Mitarbeit beim Dachverband der Kommunikations- und Freizeitzentren und bei der österreichweiten Vernetzung für Mädchenarbeit stellen ebenfalls Voraussetzungen für das vorliegende Konzept und die Empfehlungen dar. Für die Zusammenarbeit in den beiden Arbeitsgruppen, die Unterstützung und die produktive Kritik bedanke ich mich bei: Kerngruppe: Silvia Rudisser, Dachverband der Kommunikations- und Freizeitzentren, Mädchenzentrum AMAzone Elisabeth Pruner, Sozialsprengel, Jugendtreff Hard Monika Gantioler, Mädchenzentrum AMAzone 4 Doris Nagel, Offene Jugendarbeit Dornbirn Gaby Greiner-Robin, Offene Jugendarbeit Feldkirch Gesamt Fachgruppe Feministische Mädchenarbeit: Besteht aus Kerngruppe plus Brigitte Schröpel, Jugendzentrum Konkret Martina Lehner, Fraueninformationszentrum Femail Feldkirch Jutta Platzgummer, Frauengesundheitszentrum f.a.m Dornbirn Barbara Rausch-Schott, Sigrid Fehr, IfS Mühletor Und interessierten Frauen, die fallweise mitarbeiten Wir wissen: Es gibt Unterschiede zwischen Frauen und Männern, Mädchen und Jungen. Diese werden gesellschaftlich strukturiert. Dem zugrunde liegt eine unterschiedliche Bewertung vom „männlichen Prinzip“ und dem „weiblichen Prinzip“. Die Zugehörigkeit zum männlichen Geschlecht gilt damit immer noch grundsätzlich mehr als die zum weiblichen Geschlecht, woraus häufig eine Verfügung von Männern über Frauen bzw. von Jungen über Mädchen abgeleitet wird. 1 Die Versuche bzw. der Kampf, weibliche Lebenswelten, Erfahrungen etc. sichtbar zu machen, bestimmen den Alltag von Frauen in den vergangenen 20 Jahren. Es liegt nicht an fehlenden Analysen, Konzepten, ja sogar zeitweiligen Mädchenförderungen. Immer noch regiert auf allen gesellschaftlichen Ebenen ein System, das sich an traditionell männliche Strukturen klammert. Die jahrelangen Bemühungen, insbesondere von Frauen in der Mädchenarbeit, der Frauenprojekteszene und in der Fortbildung, die Praxen für Mädchen in der offenen Jugendarbeit zu verbessern, haben sich in Vorarlberg noch nicht in strukturell verankerten Massnahmen niedergeschlagen. Diese Chance stellt sich nun erstmalig. Gerade an der Situation der Mädchenarbeit in der Jugendarbeit und Jugendhilfe in Deutschland können wir sehen, daß nur institutionelle Verankerungen Mädchenarbeit ermöglichen. Alle mädchenpolitischen Maßnahmen, die sich in der Wahrnehmung der Gemeinden/Kommunen nicht auf die gesetzlich implementierten Rahmenbedingungen beziehen lassen, werden derzeit finanziell drastisch gekürzt und abgebaut. Mädchengerechte offene Jugendarbeit braucht das Selbstverständnis der rechtlichen und tatsächlichen Gleichwertigkeit von Mädchen und Jungs. Das aktive Zugehen von JugendarbeiterInnen auf Mädchen und Mädchencliquen ist eine Voraussetzung dafür, daß Mädchen sich ernst genommen fühlen und ihre Interessen artikulieren. Das Bewußtmachen und die Veränderung der geschlechtshierarchischen Machtstrukturen ist das Ziel von feministischer Mädchenarbeit. Feministische Mädchenarbeit umfasst also einen großen Bereich, dessen Wirksamkeit auch von vgl. Anita Heiliger: „Wo stehen wir in der Mädchenpolitik?“, in: Diess, Kuhne, Tina (Hg.), 1993, S 9 1 5 der Identifikation der JugendarbeiterInnen mit dieser Berufspraxis und mit der Idee der Selbstbestimmung der Mädchen verbunden ist. 1.2 Kontextualisierung Bei diesen Empfehlungen für Maßnahmen zur Mädchenarbeit kann in Vorarlberg aktuell auf die Entstehungsgeschichte der feministischen Mädchenarbeit, auf unterschiedliche Fachtagungen, die 4. Österreichweite Fachtagung für Feministische Mädchenarbeit 1988 im Jugendzentrum Between in Bregenz, umfangreiche jahrelange Vorarbeiten auf verschiedenen Ebenen und auf eine Mikrostudie 2 verwiesen werden. Um das Rad nicht immer neu zu erfinden, werden hier diese Bezüge aufgemacht. Ziel dabei ist es, klar zu machen, daß die Realisierung feministischer Mädchenarbeit sich auf bereits erarbeitete Grundlagen und Rahmenbedingungen beziehen kann und beziehen muß. Am 26. 6. 1998 fand beispielsweise in Feldkirch die Tagung „Mädchen im öffentlichen Raum“, konzipiert von der Stelle für Gemeinwesenarbeit, Ulrike Furtenbach, im Auftrag der Stadt Feldkirch statt. Hauptaugenmerk lag dabei auf folgenden Fragen: Kann Mädchenarbeit in koedukativen Projekten im öffentlichen Raum funktionieren und welche Rahmenbedingungen und Regularien sind dazu notwendig? Einmal mehr wurden auf dieser Fachtagung die strukturellen Mankos für Mädchen(arbeit) aufgezeigt. In Arbeitsgruppen wurden Maßnahmen und Möglichkeiten der Mädchenförderung in Vorarlberg erarbeitet. Die Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen sind in einem Kurzbericht 3 dokumentiert: Hingewiesen wird dabei auf die Notwendigkeit von Mädchentreffs in Vorarlberg, auf Mädchen- und Jungenarbeit und auf den Forderungskatalog für feministische Mädchenarbeit (der Fachgruppe Feministische Mädchenarbeit) Die Forderung nach eigenen Räumen für Mädchen und nach Transparenz der Geldflüsse für Jungen (Jungenarbeit) und für Mädchen sind explizite Ergebnisse nicht nur dieser Tagung. 1997 wurde vom Frauenbüro der Stadt Wien der Forschungsbericht: „Verspielte Chancen? Mädchen in den öffentlichen Raum!“ herausgegeben. Als Fazit der Studien von Cheryl Benard, Edith Schlaffer, Heide Studer und Mitarbeiterinnen ergeben sich folgende Schritte, deren Einhaltung Mädchen und jungen Frauen fairere Zugänge und Beteiligungsformen im öffentlichen Bereich garantieren könnte: 2 Im Juni 1997 führten Katharina Weingartner und Anette Baldauf in Kooperation mit dem Fraueninformationszentrum „Femail“ eine Mikrostudie zur Situation von Frauen/Mädchen in Vorarlberg durch. Im besonderen lag das Interesse an der Rezeption (und Reproduktion) eines spezifischen kulturellen Phänomens: „GirlieStyle“, gewachsen im Umfeld der New Yorker Punkrock und Hiphop Szene, über Kanäle der Popindustrie global verbreitet, findet sich scheinbar in der Bregenzer Fußgängerzone ebenso wie am Broadway in New York. 3 Vgl. Institut für Sozialdienste, Stelle für Gemeinwesenarbeit, Kurzbericht zur Tagung „Mädchen im öffentlichen Raum“, 1998, S 5 6 eigene Benützungszeiten für diverse Spielanlagen eigene Räume für mädchenspezifische Beschäftigungen Regeln zur fairen Nutzung gemeinsamer Räume (..) Betreuung zur Gewöhnung an diese Regeln verstärkte (..) Förderung von Mädchen raumgestaltende Projekte zur Errichtung mädchenfreundlicher Anlagen 4 Diese in vielen Studien, Projekt- und Erfahrungsberichten vorgeschlagenen Maßnahmen stimmen mit den ausgewerteten Erfahrungen der Jugendarbeiterinnen in Vorarlberg überein. 1.3 Methodisches Vorgehen Ausgehend von dem Fakt, daß es in Vorarlberg zu Mädchenarbeit bisher kein empirisches Material gibt, haben wir die wissenschaftliche Begleitung als Pilotprojekt konzipiert. Immer noch ist es schwierig, statistisches Material bezüglich der Lebenssituation von Mädchen (in Vorarlberg) aufzufinden. Mittlerweile werden zwar mädchenspezifische Problematiken in Studien und praktischen Tätigkeitsberichten erwähnt, gleichzeitig werden Mädchen jedoch durch die Zuordnung unter die Begriffe „Kinder“ und „Jugendliche“ im Zahlenmaterial unsichtbar gemacht. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer genauen Begriffswahl und die Bezugnahme auf Definitionen. Die empirische Grundlage für Empfehlungen für Massnahmen zur Mädchenarbeit in der Offenen Jugendarbeit bildet eine leitfadengestützte Fragebogen-Erhebung über den Stand frauen- und mädchenspezifischer Positions-, Leitungs-, Ressourcenanteile und Arbeitsansätze in den betreffenden Einrichtungen wie Jugendhäuser, Jugendtreffs und Mädchenprojekte. Mit Hilfe von qualitativen Methoden, wie sie unten angeführt werden, nähern wir uns einer Gesamtschau von Mädchenarbeit in Vorarlberg. Stattgefunden haben: 4 Kontinuierlicher Gruppenarbeitsprozess in der eigens entwickelten Struktur mit der Kerngruppe und der Gesamtgruppe der Fachgruppe Feministische Mädchenarbeit Vorarlberg von September 1998 bis Juli 1999 Fragebogenerhebung im Jänner 1999 Sichtung der vorliegenden schriftlichen Arbeiten und Konzepte der Fachgruppe Evaluative Auswertung des Erfahrenswissens der Fachgruppe Fachliche Fundierung der Vorarbeiten für Mädchenarbeit Theoretisierung der teilnehmenden Beobachtung der Arbeitstreffen mit der Fachgruppe Überprüfung der Vergleichbarkeit der Erfahrungen der Mädchenarbeit in anderen Regionen mit der Vorarlberger Situation Abstimmung der Mädchenarbeit in bezug auf das Gesamtkonzept der Umsetzung Literatursicht zu feministische Mädchenarbeit und zu geschlechtssensibler Jugendarbeit Frauenbüro MA 57, 1997, Schriftenreihe Frauen, Band 5, S 4 f 7 Der Begriff „geschlechtssensibel“ taucht in den letzten Jahren erstmals in Tagungsdokumentationen auf. Erklärt wird er jedoch nicht. Was ist mit „geschlechtssensibel“ gemeint? Es scheint, daß mit der Einführung dieses Begriffs einige Probleme umgangen werden sollen. So wie mittlerweile die Genderforschung Frauenforschung fast gänzlich abgedrängt hat, entsteht der Eindruck, daß geschlechtsreflektierende Ansätze in diesem Begriff moderat zusammengefasst werden können, ohne auf Abwehr zu stossen. Die Fachgruppe Feministische Mädchenarbeit hat unterschiedliche Haltungen zu diesem Begriff. Die Frage ist, inwiefern mit diesem Begriff noch feministische Implikationen für beide Geschlechter einhergehen können... Nach vielen Überlegungen wird in diesem Text der Begriff „geschlechtssensibel“ so verwendet, daß er auf die (un-)bewußte Konstruktion von Zuschreibungen, Rollen, Traditionen in bezug auf „Geschlechter“ verweisen will, ohne von vorne weg für viele abschreckend zu wirken. Hier sei auf den Aufsatz von Jutta Hartmann: „Was wollen die schon wieder? Abwehrhaltungen gegenüber geschlechtsdifferenzierenden Bildungsinhalten“ hingewiesen.5 Im folgenden werden Definitionen von feministischer Mädchenarbeit präsentiert. Jede Definition hat, das gehört zu ihrem Wesen, abgrenzenden Charakter. Hier werden erste Differenzierungen angedeutet. In der Praxis stellen sich die Fragen, welche Konzepte von Mädchenarbeit zum einen bei den Mädchen in der jeweiligen Region akzeptiert werden, welche Ansätze in der Vernetzungsarbeit der Multiplikatorinnen erwünscht sind und welche Erwartungen die Institutionen bzw. die Trägerorganisationen in puncto Mädchenarbeit haben. 1.4 Definitionen feministischer Mädchenarbeit Feministische Mädchenarbeit setzt sich für das Recht auf eine autonome, selbstbestimmte Identität von Mädchen und jungen Frauen ein. Mädchenarbeit hat präventiven Charakter. Die Unterstützung der Mädchen und jungen Frauen in ihrer Autonomie, ihrem Selbstvertrauen und ihrem Widerstand wirkt sich langfristig präventiv gegen (sexuelle) Gewalt und Ausbeutung aus. Mädchen und junge Frauen, die ihren eigenen Wünschen, Gefühlen und Bedürfnissen vertrauen, wird die Gestaltung eines selbstbestimmten Lebens erleichtert. Handlungsspielräume sollen gemeinsam mit den Mädchen eröffnet werden. Ein Bereich der feministischen Mädchenarbeit ist die Beratung und Begleitung der Mädchen. Das bedeutet für Mädchen einen erleichterten Zugang in Krisenzeiten zu weiterführenden Sozialinstitutionen. Die folgende Definition von Carola Wildt aus einem Thesenpapier von 1977 ist eine der Hauptbezugspunkte, auf die die meisten Konzepte der feministischen Mädchenarbeit der 80er und 90er Jahre in der Folge aufbauten: „Eine feministische Arbeit mit Mädchen ist in jedem Fall parteilich und an ihren Interessen und dem Wunsch nach einer eigenen Identität orientiert. Feministisch 5 in: Fachtagung: Geschlechtssensible Pädagogik, Wien 1997, S 6-18 8 steht hier also erst einmal nur für parteilich, denn es gibt nicht die feministische Theorie, die uns sagt, wie Mädchenarbeit auszusehen hat.“ 6 Bestandteil von feministischer Mädchenarbeit ist auch das Analysieren und Benennen sexistischer Strukturen und Machtmechanismen. Die anschliessende Definition aus dem Anfang der 90er Jahre bringt die enormen Erwartungen an die Mädchenarbeiterinnen auf den Punkt. „Mädchenarbeit kann nicht einfach wie eine übliche „Arbeitsform“ oder „Methode“ behandelt werden. Jugendarbeiterinnen, die Mädchenarbeit versuchen, müssen sich erst selbst vergewissern, warum sie das machen und wie selbst „betroffen“ bzw. dafür sensibel sie sind, wie Frauen in der Gesellschaft diskriminiert werden: was Gewalt im Leben von Frauen bedeutet: was es heißt, daß die Arbeit der Frau als „nützlich“ hingenommen, aber gesellschaftlich nicht entsprechend anerkannt wird; was es bedeutet, dagegen Widerstand zu leisten und dieser Abwertung etwas entgegenzusetzen. In diesem Prozeß der Selbstvergewisserung ist es wichtig, daß Jugendarbeiterinnen ihr eigenes Bild von Weiblichkeit überprüfen: inwieweit das eigene Weiblichkeitsbild Begrenzungen und Entwertungen enthält und wo und warum frau in der eigenen Biographie etwas überwunden oder nicht überwunden hat.“ 7 Mädchen brauchen Frauen als Bezugspersonen, die eine klare Parteilichkeit für Mädchen und Frauen leben. Mädchen und junge Frauen sollen die Möglichkeit haben, Erfahrungen von Frauen in anderen Lebensphasen und Lebenssituationen kennen zu lernen. Mädchenarbeit muß von Frauen geleistet werden. Von Frauen, die in ihrer Arbeit ihre eigene Betroffenheit, ihre eigenen Widersprüche und Widerstandsformen gegen sexistische Strukturen und Machtmechanismen erkennen lassen. Die Mädchen erleben so, wie die bestehende Situation beeinflussbar, kritisierbar und mittelfristig veränderbar ist. Damit werden sie in ihren Vorstellungen eines möglichst selbstbestimmten Lebens bestärkt. „Parteiliche Mädchenarbeit versteht sich als ein Arbeitsansatz, der Mädchen und junge Frauen in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stellt, ihre geschlechtsbedingten und individuellen Lebensumstände berücksichtigt und sie darin unterstützt, zu selbständigen und eigenverantwortlichen Frauen heranzuwachsen und den eigenen Lebensweg bewußt und aktiv zu gestalten. „Neben dieser individuellen Aufgabe setzt sich parteiliche Mädchenarbeit gegen die Diskriminierung und Unterdrückung von Mädchen und Frauen und für ein gleichberechtigtes Miteinander der Geschlechter ein, das nicht länger bestimmt ist von männlicher Gewalt und Herrschaft gegen bzw. über Mädchen und Frauen. Parteiliche Mädchenarbeit beinhaltet somit die drei Dimensionen 6 Carola Wildt: Thesenpapier III zum Frauenforum Feminismus und pädagogische Praxis, Juni 1977 7 Heide Funk: „Mädchenarbeit“, in: Böhnisch/Gängler/Rauschenbach (Hg.): Handbuch Jugendverbände, 1992, zitiert von der AG Feministische Mädchenarbeit des Vereins Wiener Jugendzentren, 1997, S 11 9 Geschlechtsidentität, Pädagogik und Politik und wirkt sowohl individuell fördernd als auch gesellschaftsverändernd.“ 8 Um langfristige gesellschaftliche Veränderungen zu bewirken, ist eine breite Öffentlichkeitsarbeit erforderlich mit dem Ziel, Lebensrealitäten von Mädchen und jungen Frauen in gesellschaftlichen Zusammenhängen sichtbar zu machen und die Grundsätze feministischer Mädchenarbeit in alle öffentlichen und privaten Lebensbereiche einfließen zu lassen. Feministische Mädchenarbeit setzt an den Stärken der Mädchen und jungen Frauen an. Mädchen werden als Subjekte ihrer eigenen Situation gesehen. Parteiliche Mädchenarbeit heißt eine Aufmerksamkeitszentrierung für Mädchen und ihre Lebenswelt zu entwickeln, ihre spezifischen Situationen ernst zu nehmen und entsprechende Strukturen und Räume zu schaffen bzw. zu nutzen. Diese Freiräume sind doppelt zu denken: als reale Räume und als ideelle Räume. 1.5 Mädchen(frei)räume Eine Notwendigkeit für feministische Mädchenarbeit sind mädcheneigene Räume. In geschlechtergemischten Räumen erfahren Mädchen laufend Beschränkungen und Begrenzungen in ihrer Bewegungs- und Handlungsfreiheit. Räume bzw. deren Nutzung enthalten Bedeutungen, Festlegungen, Besitz- und Machtansprüche: Die meisten Räume sind patriarchal besetzt. Mädcheneigene Räume ermöglichen Mädchen, eigene Erfahrungen in weiblicher Selbständigkeit zu machen, die Räume mit eigenen Bedeutungen auszufüllen. Wie Mädchen sich in einem Raum bewegen, ihn nutzen können, beeinflußt ihr Selbstwertgefühl sowie das Bewußtsein über ihre Fähigkeiten. Das Zusammensein mit anderen Mädchen ermöglicht ihnen, sich als Frau zu sehen und sich über eigene Verhaltensweisen, Interessen und Fähigkeiten zu definieren. Das Benennen eines Raumes als „Mädchenraum“ oder das Veranstalten von „Mädchengruppen“ bringt jedoch noch keine wesentliche Verbesserung für Mädchen. Geringe Kenntnisse von Frauen- und Mädchenarbeit und ein reduziertes Verständnis von emanzipatorischer Jugendarbeit führen zu Behinderungen von geschlechtssensibler Arbeit. Mädchen und junge Frauen brauchen Räume, in denen sie wahrgenommen werden, öffentliche Räume, die ihnen gleichzeitig Schutz bieten. In geschützten Räumen ist es möglich, daß die Mädchen untereinander und mit den Multiplikatorinnen ihre Erfahrungen austauschen und tabuisierte Themen wie Gewalterfahrungen, Sucht Sexualität und gleichgeschlechtliche Beziehungen behandeln. 8 Kinder- und Jugendplan des Bundes, AG "Mädchen und junge Frauen": Empfehlungen für die Neugestaltung einer Förderphase im Programm Mädchenarbeit im KJP des Bundes aus der Sicht der direkt geförderten Mädchenprojekte, Oktober, 1995 10 1.6 Entstehungsgeschichte feministischer Mädchenarbeit in Vorarlberg „20 Jahre Kampf für Feministische Mädchenarbeit in Vorarlberg 1978 – 1998“ Gemäß den Recherchen von Silvia Rüdisser und Martina Lehner gab es bereits 1978 die erste Arbeitsgruppe „Mädchen“. Gaby Wurm, Studentin an der Sozialakademie gründete im Jugendzentrum Bregenz eine Arbeitsgruppe, mit dem Ziel, den Jugendhausbesucherinnen die Möglichkeit der Auseinandersetzung „mit sich“ zu geben und alternative Lebensweisen aufzuzeigen. Die wöchentlichen Treffen fanden außerhalb des Jugendzentrums statt. „Schon bald nach der Eröffnung des Jugendhauses (1977 nach 2jährigen mühsamen Kämpfen des Initiativvereins „Zündschnur“) wurde die Notwendigkeit eines speziellen Angebotes für Mädchen deutlich, da diese ausschließlich als „Anhängsel“ der männlichen Jugendlichen auftreten konnten. Für Mädchen war es unüblich, sich in einer Mädchengruppe zu treffen und Themen zu diskutieren. Langfristig wurde durch die Bildung einer Mädchengruppe ihre Position innerhalb des Jugendhausbetriebes gestärkt, so daß sie sich auch in den bestehenden Gremien einbringen und verstärkt ihre Interessen durchsetzen konnten.“ 9 10 Jahre später 1988 initierte Gaby Bargehr wiederum im JUZ Bregenz eine Mädchengruppe von 13- bis 18–jährigen, mit der Konsequenz, daß ein „Mädchentag“ im Between erkämpft wurde. 1988: Planung, Vorbereitung und Durchführung der 4. Österreichweiten feministischen Mädchentagung in Bregenz: Gaby Bargehr seit 1988 Mädchenprojete im Mühletor, beginnend mit der Ausstellung „WeibsBilder.....? (als Reaktion auf die Erkenntnis, daß die Jugendberatungsstelle bis dorthin fast nur von Burschen genutzt wurde), Kreativworkshops (jährlich mind.1 Wochenende), z.B. „Traummädchen?“ (5 x 1991-95), „Multitalent Mädchen“(98-99), „spring ab-tauch ein“(97-98) Berufsorientierung für Mädchen „Handwerkerin“(Juli und November 1993), Mädchenwanderwoche (1993), 3 Mädchenradwochen (94-96), viele kleinere Projekte (Selbstverteidigung, Reiten, Rhetorik) und parallel dazu verstärkt Mädchenberatung hauptverantwortliche Frauen seit 1988: Sabine Steinbacher, Helene Vorhauser, Gertraud Walder, Stefanie Jacob, Barbara Rausch-Schott 1989 fand eine mädchenspezifisches 3 tägiges Seminar in München bei der IMMA statt, das von Gaby Bargehr und Margot Ladurner (Dachverband der Kommunikations- und Freizeitzentren) organisiert wurde. Die Mädchenprojekteszene in München wird vorgestellt und es gibt Fachvorträge zum Thema „Sexuelle Gewalt an Mädchen“, Grundsätze in der Mädchenarbeit, ein Aspekt ist auch der von lesbischen Mädchen. Gaby Marth, Sabine Steinbacher präsentierten die Frauenprojekte AFFRA, Arbeit für Frauen und das Frauengetriebe. 9 in: Renate Fleisch, Christa Luger: Schichtwerk, eine Bestandsaufnahme der autonomen Frauenbewegung in Vorarlberg in der Zeit von 1973 bis 1988, 1988, S 26 11 Angelika Hutterer lieferte eine Situationsbeschreibung der Vorarlberger Lehrerinnen, und Züricherinnen stellten den Mädchentreff Zürich vor, der seit 1988 besteht. Eine Konsequenz dieser Fortbildung war, daß Gaby Bargehr, Margot Ladurner und Gaby Marth im November 1989 den Arbeitskreis Feministische Mädchenarbeit in Vorarlberg initiierten. Es gab monatliche Treffen mit dem Ziel des Austausches von Frauen, die Mädchenarbeit machen (und in Zukunft machen wollen), Auseinandersetzung mit feministischer Mädchenarbeit, Materialiensammlung, Durchsetzungsstrategien für Mädchenarbeit, Vernetzung, Weiterbildung. 1990 gelingt es Gaby Bargehr in der Jugendzeitung des Jugendreferates der Vorarlberger Landesregierung BEVOR ein Schwerpunktheft zum Thema Mädchen zu machen. Autorinnen sind Gaby Bargehr, Renate Fleisch, Sabine Steinbacher, Andrea Kellner, Gaby Marth, Mädchengruppe Mühletor, Necla Güngörmüs, Eva Maria Waibel und viele Mädchen 1990: Teilnahme und Referat bei der 6. Österreichischen Mädchentagung in Seeburg bei Innsbruck: Gaby Bargehr, Gaby Marth, Lies Greußing 1990 fand im Jugend- und Bildungshaus St. Arbogast ein 2 ½ tägiges Seminar zu feministischer Mädchenarbeit statt, Referentin: Karin Gruber vom Verein Wiener Jugendzentren, AG Feministische Mädchenarbeit 1992 Aktivierung des AK Feministische Mädchenarbeit Auf Initiative von Gertraud Walder, Jugendberatung Mühletor, erarbeitet eine Projektgruppe eine kritische Stellungnahme zum „Grundlagenpapier über die Weiterentwicklung der offenen und verbandlichen Jugendarbeit in Dornbirn“ Seit 1995 ist die AG feministische Mädchenarbeit des Dachverbandes der Kommunikations- und Freizeitzentren aktiv. Für 1996 wurde im Frauenreferat der Landesregierung ein Budget für Mädchenprojekte und Fortbildungsveranstaltungen eingereicht und bewilligt. Seither steht jährlich ein, von der restlichen Arbeit des Dachverbandes unabhängiges Budget zur Verfügung. Die mitarbeitenden Frauen waren Elisabeth Pruner, Rosi Dobler, Brigitte Schröpel, Silvia Rüdisser, Uschi Staffa, Sandra Hämmerle. 1996 veranstaltete die AG Mädchenarbeit des Dachverbandes Outdoor-Projekte für Mädchen. Eine Fortbildungsveranstaltung für Multiplikatorinnen aus der Jugendarbeit unter der Leitung von Gertraud Walder vom Mädchen im Mittelpunkt - MIM Innsbruck wurde zum Thema Mädchenarbeit in der offenen Jugendarbeit durchgeführt, Teilnehmerinnen waren neben den Multiplikatorinnen aus den Jugendzentren auch Streetworkerinnen. 1997 wurde Silvia Rüdisser als Koordinatorin im Dachverband der Vorarlberger Kommunikations- und Freizeitzentren angestellt und konnte somit einen Teil der Arbeitszeit für die Mädchen- und Multiplikatorinnenarbeit und die Vernetzung aufwenden. Durch die Initiative der Dachverbands-Mädchen AG kam eine weitere Vernetzungsstruktur zustande, die “Fachgruppe Feministische Mädchenarbeit”. Hier arbeiten Frauen aus den „Einrichtungen“ Schule, Beratung, Streetwork und Offene Jugendarbeit mit interessierten Privatfrauen zusammen. Das erste Ergebnis dieser Zusammenarbeit war das Entwickeln eines Forderungskataloges zur Situationsverbesserung der geschlechtsspezifischen 12 Jugendarbeit, gerichtet an SubventionsgeberInnen, Bildungseinrichtungen und Trägervereine. 1997: Mädchenberatung im Frauengesundheitszentrum f.a.m. Dornbirn 1997 Gründung der Gruppe „Feministische Pädagoginnen“ 1997 Fraueninformationszentrum FEMAIL veranstaltet das Projekt "Revolution Girl Style" mit Workshops und Mikrostudie. 1997 Zeitschrift STOFF Nr.5 zum Thema "Revolution Girl Style" 1998 Zeitschrift STOFF Nr.8 mit einem Artikel von Anita Heiliger zur feministischen Mädchenarbeit, Vorstellung des Mädchenzentrums AMAzone 1998: Die AG Mädchenarbeit Dachverband organisierte Graffity-, Kunst und Handwerk- und Ökotechnik-Projekte. Für Multiplikatorinnen fand eine Fortbildung zum Thema (sexueller) Übergriffe statt. “Fachgruppe Feministische Mädchenarbeit”: Das Engagement von Silvia Rüdisser führte dazu, daß die Landesrätin Dr. Waibel die Finanzierung der wissenschaftlichen Begleitung der Konzepterstellung zur Feministischen Mädchenarbeit in der Offenen Jugendarbeit Vorarlberg bewilligte. Martina Lehner und Elisabeth Pruner vertreten die Voralrberger Fachgruppe Feministische Mädchenarbeit in Salzburg bei der dortigen Vernetzung zur Mädchenarbeit. Als Delegierte der Fachgruppe arbeitet Silvia Rüdisser in der österreichweiten Vernetzung der feministischen Mädchenarbeit mit. (Frauen aus Einrichtungen der offenen Jugendarbeit und arbeitsmarktpolitischen Projekten) 1998: Gründung des Vereines zur Unterstützung und Förderung von mädchenspezifischen Einrichtungen “Kecke Quecke”. Initiatorin war Monika Gantioler. Nach der Vereinsgründung im Juni ist es gelungen, mit Unterstützung des Dachverbandes die Räumlichkeiten zu halten und einen provisorischen, ehrenamtlich geführten Betrieb aufzubauen. Seit Herbst ist die Finanzierung vorläufig insoweit gesichert, daß Monika Gantioler angestellt werden konnte. 13 2. Mädchenarbeit in Vorarlberg 2.1 Zur Situation von Mädchenarbeit in Vorarlberg Im Unterschied zu anderen Bundesländern erkennt die Vorarlberger Studie „Offene Jugendarbeit in Vorarlberg“ aus dem Jahre 1997 10 immerhin, daß „die zu kurz kommen, die Mädchen sind“. Analysen über die Marginalisierung von Mädchen gibt es mittlerweile viele. Die hindernisreichen bzw. verhinderten Wege von der Jugendarbeit zur feministischen Mädchenarbeit aufzuzeigen, wäre eine eigene Arbeit. Ein Hinweis darauf soll der Abschnitt „Entstehungsgeschichte Feministischer Mädchenarbeit“ geben. Außerdem sei hier auf das Buch von Renate Klees, Helga Marburger und Michaela Schumacher: „Mädchenarbeit – Praxishandbuch für die Jugendarbeit“ hingewiesen. Diskussionen über einen geschlechtsspezfischen Ansatz wurden in Vorarlberg seit den 80er Jahren von engagierten Sozialarbeiterinnen in der offenen Jugendarbeit geführt. Grund dafür: die starke Unterrepräsentanz von Mädchen in den Jugendzentren. Mittlerweile werden Mädchen entdeckt. Neue Begriffe wie beispielsweise Mädchenkultur entstehen; Mädchen(-arbeit) wird zu einem Begriff. Das soll jedoch nicht davon ablenken, daß feministische Mädchenarbeit in der „Öffentlichkeit“ oder bei „Jugendvertretern“ oft auf Unverständnis und Widerstand trifft. Zunehmend etabliert sich Mädchenarbeit und Jungenarbeit bei Professionellen als Standarderwartung. In den letzten Jahren wurden mädchenspezifische Ansätze von Sozialarbeiterinnen und Pädagoginnen erarbeitet und zunächst wurde versucht, sie im Rahmen der gemischten Jugendeinrichtungen zu plazieren. Eigenständige Mädchentreffs mit autonomer 11 Trägerinnenschaft werden fast bis dato sozialpolitisch/jugendpolitisch nicht bzw. zu wenig gefördert und defacto abgewehrt. Infolgedessen entstehen eigenständige Mädcheneinrichtungen im gesamten deutschen und österreichischen Raum erst später. Mittlerweile sind in Deutschland neben Jugendbeauftragten auch Mädchenbeauftragte auf Landes- und Stadtebene mit der Verbesserung und Qualifizierung von Strukturen und „Angeboten“ beauftragt. In Vorarlberg gibt es ein jahrelanges starkes Bemühen um feministische Mädchenarbeit. Die Angebote umfassen für Mädchen in den Jugendhäusern vor allem spezielle Veranstaltungen wie Mädchentage, Mädchengruppen, selten Mädchenräume. Es wurde zunehmend erkennbar, daß sich neben der Mädchenarbeit in gemischtgeschlechtlichen Kontexten wie Jugendhäusern, Jugendtreffs etc. eigenständige feministische Mädchenarbeit etabliert. Die erste dezidierte Mädcheneinrichtung Vorarlbergs („AMAzone“) befindet sich in Bregenz im Aufbau. 10 Offene Jugendarbeit in Vorarlberg, Angebotsstrukturen-Nutzungsformen-Wirkung, eine explorative Untersuchung des IAK/Projektgruppe Offene Jugendarbeit, Gernot Repp, Heinz Schoibl, 1997, S 15 11 „autonome Trägerinnenschaft“ bedeutet hier eine Vereinskonstruktion von Frauen, die für eine Mischsubventionierung kämpft und nicht an Institutionen angebunden ist, jedoch enge Vernetzungskontakte zu Institutionen unterhält. 14 2.2 Geschlechtsspezifische Strukturen und Rahmenbedingungen in den Einrichtungen Wenn es hier um einen grundlegenden Überblick über die Situation der Mädchenarbeit in Vorarlberg geht, dann bietet es sich an, einen Blick auf die Strukturen in den Jugendhäusern zu werfen. Selbstverständlich sind Rahmenbedingungen wie Personalstrukturen, Leitungsstrukturen und Verteilungsmodi von Finanzen ein prinzipieller Hinweis auf die reale Bedeutung von Geschlechterverhältnissen. Mädchenarbeit ist immer abhängig von den Macht- und Ressourcenverteilungs-Strukturen im jeweiligen Arbeitsfeld. Im folgenden wird die leitfadenorientierte Fragebogenerhebung über den Stand mädchen- und bubenspezifischer Positionen, Funktionen, Macht- bzw. Mitbestimmungsanteile in den Einrichtungen vorgestellt. 15 Fragebogen „Mädchen- und Bubenarbeit am Jugendzentrum“ 12: 1. Statistisches Wie viele Mädchen, Burschen nützen schätzungsweise die Einrichtung? (wenn möglich zusätzlich aufgeschlüsselt nach Altersgruppen, Schulbildung, kultureller Zugehörigkeit) Wie viele Frauen/Männer sind für wieviel Stunden angestellt? Wie viele Frauen/Männer arbeiten ehrenamtlich im Jugendzentrum mit? Leitet eine Frau oder ein Mann das Jugendzentrum? 2. Fragen zur Mädchen- und Burschenarbeit Unter Mädchen- bzw. Burschenarbeit verstehen wir Angebote, die im Bewußtsein des Geschlechter-Macht-Verhältnisses an Mädchen bzw. Burschen gerichtet sind und die Geschlechterrollen und Geschlechterhierarchie implizit oder explizit zum Thema haben. Ist Mädchenarbeit Dem ganzen Team ein Anliegen Einem Teil des Teams ein Anliegen (wie vielen Frauen/Männern) Kein Anliegen im Team Bestandteil des Hauskonzepts bzw. sonstwie schriftlich verankert (wie lauten die Stellen?) Ist Bubenarbeit Dem ganzen Team ein Anliegen Einem Teil des Teams ein Anliegen (wie vielen Frauen/Männern) Kein Anliegen im Team Bestandteil des Hauskonzepts bzw. sonstwie schriftlich verankert (wie lauten die Stellen?) Welche Angebote für Mädchen gibt es: Einen Mädchenraum Einen Mädchentag (wie oft?) Eine Mädchengruppe Veranstaltungen (zu welchen Themen?) Sonstiges:_______________________________ Welche Angebote von reflektierter Bubenarbeit gibt es? Gibt es Angebote für Jugendliche, sich in koedukativen Gruppen mit den Geschlechterrollen auseinanderzusetzen? Wenn ja, zu welchen Themen? Gibt es in der Hausordnung einen Paragraphen, in dem ausgeführt wird, daß (sexuelle) Gewalt (an Mädchen) verboten ist und wie solche Vorkommnisse sanktioniert werden? Wie lautet der Paragraph? Welcher Anlaß hat bzw. welche Anlässe haben zur Einführung von Mädchenarbeit geführt? Welcher Anlaß hat bzw. welche Anlässe haben zur Einführung von Bubenarbeit geführt? 16 Steht für Mädchenarbeit ein fixes Budget zur Verfügung? Wenn ja, wie hoch ist dieses? Steht für Bubenarbeit ein fixes Budget zur Verfügung? Wenn ja, wie hoch ist dieses? Steht den BetreuerInnen eine bestimmte Stundenanzahl zur Entwicklung von Mädchen- bzw. Burschenarbeit zur Verfügung? 3. Fortbildung Haben Frauen bzw. Männer des Teams Fortbildungsveranstaltungen zu geschlechtsspezifischen Themen wie die folgenden besucht: Sexueller Mißbrauch Selbstverteidigungskurse Feministische Mädchenarbeit im allgemeinen Bubenarbeit Sonstiges:_____________________________ Nun erhalten Sie Einblick in die Zusammenfassung der Ergebnisse dieser Erhebung, die im Jänner 1999 stattfand. Dazu haben die Mitarbeiterinnen der Fachgruppe Feministische Mädchenarbeit grundlegende Fakten bzgl. de Strukturen in den jeweiligen Jugendhäusern und -Treffs recherchiert. Die Aufschlüsselung nach Herkunftsland, Altersgruppen, Bildung, ehrenamtlicher Mitarbeit wird hier aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht gemacht. Institutionen, die nicht der Offenen Jugendarbeit angehören wie z.B. Mühletor oder Femail wurden in dieser Erhebung berücksichtigt, weil sie in der Fachgruppe Feministische Mädchenarbeit integriert sind und weil auch dort Arbeit für Mädchen stattfindet. (z. B. Beratung) Tab. 1 Jugendberatung Mühletor IfS Keine ehrenamtlichen MitarbeiterInnen Leitung: Mann Ad 2) Fragen zu Mädchen- und Bubenarbeit Fraueninformations-zentrum Femail Ad 1) Statistisches: 6,7% aller Frauen sind unter 20 Jahre alt 1 Frau 24 h 1 Frau 40 h (Infobereich) 1 Frau zu 20 h 1 Frau 20 h 2 Männer zu 9 h (Technologie) 1 Frau 20 h (Sekretariat) 1 Frau 40 h (GF) Ehrenamtliche Mitarbeit: Keine ehrenamtlichen 6 Frauen, 6 Männer im Vorstand MitarbeiterInnen Leitung: Frau Leitung: Frau Ad 2) Fragen zu Mädchen- und Ad 2) Fragen zu Mädchen- und Bubenarbeit Bubenarbeit Kreativworkshops, Freizeitaktivitäten, Mädchenraum, früher hat es einen Mädchentag gegeben, dzt Ad 1) Statistisches: 66% Jungs, 34% Mädchen 2 Frauen zu je 32 h 1 Frauen 20 h = 72h, 4 Männer zu je 40 h = 160h Jugendtreffs des Sozialsprengel Hard Ad 1) Statistisches: Insgesamt ca 22% Mädchen 17 Zusammenarbeit mit EU-Projekt von IfS-Mühletor, Berufsorientierung für Mädchen Mädchenarbeit ist dem ganzen Team ein Anliegen und Bestandteil des Hauskonzepts Bubenarbeit ist einem Teil des Teams ein Anliegen nicht, Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit anderen Juz, Selbstverteidigungskurse Mitbestimmung, Mitgestaltung im Juz Mädchenarbeit ist dem ganzen Team ein Anliegen, Frauen führen sie durch, ist nicht schriftlich verankert Nein, nur generell Mädchenarbeit: Förderansuchen --bzgl. fixem Budget ist notwendig Fortbildung: fem. MA im Ja, aber nicht fixiert, sondern allgemeinen, Selbstverteidigung, flexibel sexueller Mißbrauch Projekt: Revolution Girl Style Mädchenarbeit ist einem Teil des Teams ein Anliegen, ist nicht in schriftlicher Form verankert ---Vernetzungsarbeit nach Bedarf Details aus den Ergebnissen der Jugendzentren: 13 Tab 1 (Fortsetzung) Jugendzentrum Dornbirn Jugendzentrum Feldkirch „Graf Hugo“ Ad1)Statistisches: Ad 1) Statistisches: 60% Mädchen, 40% Mädchen, 40% Jungen 60 % Jungen 1 Frau zu 40 h 2 Frauen zu 32 h 1 Frau zu 35 h 2 Männer zu 32 h 1 Frau zu 30 h 1 Hausmeister 32h 2 Frauen zu 6 h 2 Frauen zu 20 h = 137 h 5 Männer zu 40 h 3 Männer zu 30 h 1 Mann zu 20 h 2 Männer zu 6 h = 322h Ehrenamtliche A: 10 Frauen, 10 Männer Im Vorstand arbeiten nur Männer Jugendzentrum Hohenems „Konkret“ Ad 1)Statistisches: 30% Frauen 70 % Männer 2 Frauen zu 30 h 1Thekenbetreuerin 35 h, 1 Administratorin 10 h, 1Raumkosmetikerin 25 h 1 Geschäftsführer zu 40 h 2 Männer zu 40 h, 1 Praktikant zu 40 h Ehrenamtliche A: Ehrenamtliche A: 2 Frauen, 4 Männer 16 Männer, 4-5 Frauen 10 Personen als Vereinsfunktionäre Lehrer, Jugendliche, 5 13 Jugendzentrum Bregenz „Between“ Ad 1) Statistisches 25 % Mädchen 75 % Jungs, 2 Frauen zu je 30 h ab Jänner 99 Mädchenzentrum Bregenz „AMAzone“ Ad 1)Statistisches v.a. Schülerinnen, Inländerinnen Ehrenamtliche A: 3 Mädchen, 4 Jungs Vorstand: 5 Männer 2 Frauen 6 Frauen im Vorstand Das Mädchenzentrum, das mädchenpolitisch bahnbrechendste Projekt wird hier den Jugendzentren zugeordnet, da vergleichbare Mädcheneinrichtungen in Vorarlberg bisher fehlen. 18 Personen, ca. 20 Personen Leitung: Mann Ad 2) Fragen zu Mädchen- und Bubenarbeit 70% Frauen, 30 % Männer ca. 20-25 Jugendliche Leitung: Mann Ad 2) Fragen zu Mädchen- und Bubenarbeit Angebote für Mädchen: Outdoor Projekte, kulturelle Veranstaltungen, Mädchengruppe, Mädchenraum Angebote für Mädchen: eine Mädchengruppe Selbstverteidigungs kurs, Frauenband, (Kreativ)Workshops , Veranstaltungen Leitung: Frau Ad 2) Fragen zu Mädchen- und Bubenarbeit Angebote für Mädchen: in Zusammenarbeit mit anderen JUZ Es gibt einen Raum, der immer wenn es von Mädchen erwünscht ist, nur für Mädchen zugänglich ist. Ein fixer Mädchenraum ist im Moment noch nicht möglich, da der Raum immer wieder für anderes verwendet werden muß. Mädchenarbeit ist Mädchenarbeit ist Mädchenarbeit ist einem Teil des dem ganzen Team den Teams ein ein Anliegen, Hauptamtlichen Anliegen, ist nicht Vorstand will daß ein Anliegen, ist Bestandteil des 1/3 der Aktivitäten Bestandteil des Hauskonzepts rein für Mädchen Hauskonzeptes: sind, ist Bestandteil Die des Hauskonzepts hauptamtlichen Mitarbeiterinnen versuchen durch positive Diskriminierung 14der Mädchen, die männlich geprägte ideelle und physische Präsenz zu verändern. Leitung: Mann Ad 2) Fragen zu Mädchen- und Bubenarbeit Leitung: 2 Frauen Ad 2) Fragen zu Mädchen- und Bubenarbeit Angebote für Angebote für Mädchen: bei Mädchen: offener Bedarf wird den Betrieb, Mädchen ein Raum Kreativprojekte, zur Verfügung Mitarbeit in der gestellt. RenovierungsVerschiedene phase, Workshops: Henna Selbstverteidigung Tattoo / Rastazöpfe...für Mädchen und Nach Bedarf junge Frauen, Outdoor Aktivitäten Werkstatt, Beratung und Mädchenband, Begleitung Zusammenarbeit Proberaum mit den DVFrauenspezifische Projekten Informationen Mädchenarbeit ist dem ganzen Team ein Anliegen Konzeptverankerung liegt vor Mädchenarbeit ist dem ganzen Team ein Anliegen. Mädchenarbeit ist im Konzept und in den Statuten verankert. Infolgedessen ist feministische Mädchenarbeit im Vorstand und im Team zentral. Dieser Begriff „positive Diskriminierung“ kommt aus dem angloamerikanischen Sprachraum. Mit „affirmative actions“ waren im Kontext der Black Power Bewegung die reale und symbolische Bevorzugung von Nicht-Weißen gemeint. Die strukturellen Diiskriminierungen unterworfenen Frauen und Männer sollten (z.B. bei Bewerbungen) solange mit „affirmative actions“ bevorteilt werden, bis eine rechtliche und faktische Gleichheit herrscht. 14 19 Hausordnung: Nein, nicht explizit, Gewalt nicht nur allgemein explizit, wird in Einzel- und Gruppengespräch en bearbeitet Nein, keine Hausordnung Keine Jungenarbeit Fallweise Ansätze, Kurse, Workshops Nein, keine Jungenarbeit Mädchenarbeit: ca. 30h, 2 Mitarbeiterinnen Nein Die Prioritätensetzung und Stundenanzahl obliegt den Einzelnen. Jugendhausregeln: 15 Sexismus: Anmache und abwertende Bemerkungen gegenüber Mädchen und Frauen Keine Jungenarbeit Per Konzept ausschließlich Mädchenarbeit Die Prioritätensetzung und Stundenanzahl machen die einzelnen Mitarbeiterinnen Bemerkenswert sind folgende Punkte: Noch ist es so, daß Jungs und Männer Räume und Positionen besetzen. Auf den ersten Blick scheint es um die Positionen der Frauen und Mädchen nicht so schlecht bestellt. Obwohl Frauen zwar Teilbereiche leiten, hat die Analyse ergeben, daß trotz der augenscheinlichen Verbesserungen Männer die Schlüsselstellen innehaben. Auch sind es Männer, die Vollzeit-Anstellungen besitzen. In nur einem Jugendzentrum ist Sexismus bzw. Gewalt von Jungen an Mädchen ein Punkt der Hausordnung. Dieses Thema wird - wenn überhaupt - eher in Gruppengesprächen und Einzelgesprächen verhandelt. Ein explizites auch schriftliches Verbot von (sexueller) Gewalt an Mädchen fehlt. Für Mädchenarbeit steht in fast allen Fällen kein fixes Budget zur Verfügung. Im Jugendzentrum Between ist gemäß dem Fragebogen „Geld für Mädchenarbeit jederzeit vorhanden.“ Immer wieder sind Förderansuchen zu stellen. Die Probleme, die sich daraus ergeben sind einerseits der „Erfolgsdruck“, andererseits die Probleme der Institutionalisierung von Mädchenarbeit. Das Ermöglichen von feministischer Mädchenarbeit in der etablierten, institutionalisierten offenen Jugendarbeit ist gemäß den Erfahrungen und den entwickelten Theorieansätzen schwierig, aber unabdingbar. Mädchengruppen und diverse mädchenspezifische Angebote gehören zunehmend zur Praxis in der offenen Jugendarbeit. Aus: Jugendhausregeln Juz Between: „Vertrag für ein friedliches Miteinander“: „Was wir nicht wollen, wogegen wir uns gemeinsam wehren sollten, weil es allen schadet: Rassismus in Worten und Taten (auch Symbole auf Kleidung und in Grußformen), Sexismus (...)“ 15 20 Ganz prinzipiell ist auch wichtig zu bedenken, daß Beratungseinrichtungen wie beispielsweise das Mühletor oder die Fraueninformationsstelle Femail andere Arbeitsaufträge und Rahmenbedingungen haben als die Einrichtungen der Offenen Jugendarbeit. Dennoch findet auch dort Arbeit mit und für Mädchen statt, die den Offenen Jugendarbeitsbereich tangiert. Deutlich geworden ist auch, daß zunehmend Jungenarbeit ein Thema in der offenen Jugendarbeit wird. Eindeutig festzustellen ist, daß die „Revolution der Jungs“ bzw. „die Buben haben reklamiert“ der Anlaß für die Einführung der Jungenarbeit ist. Bzgl. Jungenarbeit wächst zwar das Bewußtsein, aufgrund mangelnder fundierter theoretischer und praktischer Konzepte und Erfahrungen kam geschlechtssensible Jungenarbeit jedoch noch nicht zur konkreten Umsetzung. Die Jungenarbeit befindet sich in den Augen der Mitarbeiterinnen „im Stadium der Vision“. Sie erwarten von ihren Kollegen, sich damit eingehender zu beschäftigen. Deutlich geworden ist, daß es für alle Formen von Mädchenarbeit sinnvoll und notwendig ist, ungleiche Rechte und Zugangsmöglichkeiten von Frauen und Mädchen aufzuzeigen. 2.3 Schwierigkeiten von/für Mädchen Klassisches Beispiel: „Während eine Mädchengruppe sich mit einer Beraterin in den sonst allgemein zugänglichen und daher hauptsächlich von Burschen besetzten Räumen des Mühletors trifft, ist der männliche Kollege damit beschäftigt, die Burschen von den Fenstern der Beratungsräume fernzuhalten und am Stören zu hindern. Angebote an die Burschen, eigene Projekte nur mit ihnen zu veranstalten, sind nur kurzfristig interessant, verlaufen mit der Zeit im Sand.“ 16 Ähnliche Beispiele gibt es in allen Jugendzentren. Klassisch ist auch folgendes: Jugendräume, die zur Verfügung gestellt werden, werden bald von Buben besetzt, in Beschlag genommen und dominiert. Der Großteil der Mädchen bleibt mittelfristig weg. Werden aber Räume speziell für Mädchen geschaffen, müssen diese in mühevoller Kleinarbeit fast tagtäglich verteidigt werden, da es praktisch nicht vorkommt, daß diesen kein aggressives Störverhalten von Buben entgegengesetzt wird. Die Praxen in der Offenen Jugendarbeit zeigen die unterschiedliche Aufmerksamkeitsverteilung von JugendarbeiterInnen gegenüber Mädchen und Jungen. Aber auch unterschiedliche Erwartungen in bezug auf das Kommunikationsund Sozialverhalten, die sich manchmal an Formulierungen festmachen lassen wie: „Die Mädchen haben es nicht geschafft, den Konflikt der Jungs abzufedern.“ Dennoch ist die Rolle, die Mädchen in der Offenen Jugendarbeit haben, mit der ihrer Benachteiligung nur unzureichend beschrieben. 16 Barbara Rausch-Schott, Sigrid Fehr, Jugendberatung Mühletor 21 „Mädchenarbeit (..) stand immer unter dem Zwang, Probleme von Mädchen und Frauen in den Vordergrund zu rücken, um die Finanzierung ihrer Projekte zu sichern. Der Opferstatus mußte möglichst eindringlich beschrieben werden – auch wenn es dem grundlegenden Prinzip widersprach, gerade nicht an Defiziten, sondern an den „Stärken und Fähigkeiten“ anzusetzen.“ 17 Damit jedoch die bestehenden Geschlechterstrukturen analysiert und an deren Überwindung weitergearbeitet werden kann, ist es wichtig zu erkennen, daß Frauen und Mädchen in bestehende Verhältnisse verstrickt sind. „Die Selbstfunktionalisierung von Mädchen und Frauen beispielsweise dort, wo sie verbaler Gewalt nicht entgegentreten sondern diese z.B. mit Kichern noch zu bestärken scheinen. Auf ein Mittun an den herrschenden Strukturen stoßen wir auch immer da, wo Gewalt nicht mehr als Gewalt sondern als Normalität wahrgenommen, verharmlost und geduldet wird. Also wenn z.B. sexualisiertes gewalttätiges Verhalten von Jungen gegenüber Mädchen durch die Erwachsenen als „Mädchenärgern“ verniedlicht oder mit Aussagen wie „Jungs sind in dem Alter eben so“ abgewiegelt wird.“ 18 In zentralen Bereichen der Gesellschaft wie Bildung, Arbeit, Lebensverhältnisse sind nach wie vor strukturelle Diskriminerungen für Frauen und Mädchen aufzufinden. Erwähnt werden muß auch die Tatsache sexualisierter Gewalt. Mädchen erleben eine systematische Reduzierung ihres Seins und ihrer Handlungen im öffentlichen Raum. Eines der Probleme dabei ist, daß Mädchen dadurch immer im Zusammenhang mit Defiziten, Mängeln, „Andersartigkeit“ definiert werden. In der Praxis sind Rechte von Mädchen und Buben verschieden/ungleich. Außerdem ist die nationale Zugehörigkeit in Österreich eine wichtige Voraussetzung für die Akzeptanz in und das Teilnehmenkönnen an der Gesellschaft. Mädchen der Zweitund Drittgeneration aus der Türkei, den Ländern des ehemaligen Jugoslawien, Iran, Irak, Rumänien etc. haben es besonders schwierig. Zusätzlich problematisch gestaltet sich die Situation der Mädchen, die z.B. von Bosnien oder nun Kroatien nach Vorarlberg flüchten mußten/konnten. Ins Blickfeld tritt damit die Komplexität von Mädchen-Situationen. Sie werden nicht nur über das Geschlecht, sondern über Kategorien wie Klasse, ethnische „Zugehörigkeit“ und vieles mehr aufgebaut. Gabriele Naundorf: „Mädchenarbeit: Entwicklung, Ansätze, Methoden“, in: Sabine Behn, Helmut Heitmann, Stephan Voß (Hg.): Jungen, Mädchen und Gewalt – ein Thema für die geschlechtsspezifische Jugendarbeit?!, IFFJ Schriften 8, Berlin, ohne Jahresangabe, S 101 18 Jutta Hartmann: „Was wollen die schon wieder? Abwehrhaltungen gegenüber geschlechtsdifferenzierenden Bildungsinhalten“, in: Fachtagung Geschlechtssensible Pädagogik, Wien, 1997, S 6 17 22 2.4 Der umstrittene Begriff der „Geschlechtsspezifik“ Lange spielte die Kategorie „Geschlecht“ in der pädagogischen Fachdiskussion keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Während unter geschlechtsspezifischer Sozialisation bisher primär die Sozialisation von Mädchen und Frauen theoretisch abgehandelt wurde, entstehen in der Fachliteratur in den letzten Jahren – zum Teil sehr widersprüchliche Ansätze, die versuchen, männliche Sozialisation theoretisch zu fassen.19 Streng genommen wird der Begriff „geschlechtsspezifisch“ oft nicht korrekt verwendet, da es nicht um Verhaltensweisen und schon gar nicht um Wesensmerkmale geht, die nur bei einem Geschlecht vorkommen. Ursula Nissen schlägt den Begriff „geschlechtstypisch“ als korrekteren Begriff vor; dieser hat sich jedoch nicht durchgesetzt. Besonders interessant ist der Begriff der Geschlechtsspezifik in der feministischen Mädchenarbeit, denn eine der wesentlichen, wenn nicht die Grundlage, von feministischer Mädchenarbeit ist die Betonung der Bedeutung der geschlechtsspezifischen Sozialisation. Seit den Anfängen der Frauenforschung ist geschlechtsspezifische Sozialisation eines ihrer zentralen Themen. Zunächst ging es der feministischen Forschung darum, die Benachteiligungen von Mädchen und Frauen zu erforschen und die Schlechterstellungen in vielen Bereichen des sozialen Lebens aufzudecken und zu veröffentlichen. Durch die zweite Frauenbewegung entwickelten Pädagoginnen Konzepte speziell für Mädchen. „Mädchenarbeit“ ist in der Folge nicht losgelöst von Frauenbewegung zu denken. Koedukation 20 galt nicht zuletzt den Mädchen. Es gehört zu den erfreulichen Ergebnissen der Bildungsreform, daß Bildungsbeteiligung und Schul- und Bildungsabschlüsse von Mädchen quantitativ gesehen bis vor kurzem keinen Anlaß gaben, von Diskriminierung zu sprechen. Seit den Sparpaketen gibt es jedoch einen merkbaren Rückgang beispielsweise von Erstinskriptionen von (jungen) Frauen. Mit dem Erreichen solcher quantitativer Standards rücken qualitative Unterschiede bei der Geschlechtersozialisation in den Vordergrund des Interesses. Gleichstellung, Chancengleichheit und Koedukation waren bislang die großen Schlagworte, aber erst später wurde gesehen, daß sich in vielerlei Hinsicht außerschulische und schulische Koedukation für Mädchen nachteilig ausgewirkt und die Geschlechtstypik von Sozialisationsprozessen verschärft hat. „Denn Koedukation bedeutet de facto nicht das gleichberechtigte Nebeneinander von Mädchen und Jungen, sie dient vielmehr der Einübung in die Geschlechterhierarchie und verstärkt rollentypische Verhaltensweisen und Eigenschaften.“ 21 19 vgl. Faulstich-Wieland, 1995, S 93, zitiert von Nissen, Ursula,1988, S 67 Die aktuelle Koedukationsdebatte rekurriert auf die Kritik, die die neue Frauenbewegung in den 70er Jahren an den diskriminierenden Strukturen und Bildungsinhalten der Ausbildungsstätten in den westlichen Ländern formuliert hat. 21 Frauen und Schule, Schriftenreihe der Bundesministerin, Bd 5 20 23 Vor diesem Hintergrund verändert sich der Defizitansatz zum Differenzansatz22: Nicht länger die Defizite sondern die Stärken und Vorzüge der weiblichen Sozialisation werden untersucht. 23 Immer noch werden als Gründe für soziale Ungleichheiten zwischen Mädchen und Jungen die unterschiedliche Sozialisation von Mädchen und Jungen angeführt. Die Dinge liegen jedoch weit komplizierter, komplexer. Zu lange wurde also versucht die soziale Ungleichheit mit Sozialisationstheorien zu erklären. Mittlerweile wächst die Einsicht, daß die Geschlechtszugehörigkeit selbst als Kategorie den ungleichen Zugang von Mädchen und Jungen zur Lebenswelt strukturiert. Die Geschlechtszugehörigkeit ist für die Verteilung von ungleichen Chancen und Risiken zuständig. 24 Nun versuchen gerade die Konzepte der feministische Mädchenarbeit mit diesem Ansatz Mädchen zu fördern. Die Falle, die darin liegt, ist, daß durch die Hintertür wiederum spezifisch „weibliches“ Verhalten unterstützt wird. Ein typisches Beispiel für die Verwendung des Begriffs „Geschlechtsspezifik“: „Unter dem geschlechtsspezifischen Blick verstehen wir die Anforderung an die Pädagogin/den Pädagogen, Mädchen bewußt als Mädchen und Jungen bewußt als Jungen wahrzunehmen.“ 25 Mit der Formulierung „geschlechtsspezifischer Blick“ sind Rollenzuschreibungen schon impliziert. Was bedeutet nun „Mädchen bewußt als Mädchen (..) wahrzunehmen? Diese Aussage, die eine für Mädchenkonzepte klassische ist, ist unpräzise. Die Frage ist, inwiefern mit solchen Formulierungen wiederum mehr Rollenzuschreibungen und Fixierungen produziert, als dem entgegengewirkt, werden. Denken in Wesenskategorien „eine Frau ist besser als ein Mann“ oder umgekehrt sollte (bei JugendarbeiterInnen) überholt sein. Es ist also einerseits notwendig, gerade in der „Jugendarbeit“ das unbewußte, undifferenzierte geschlechtsspezifische pädagogische Handeln zu erkennen und kritisch mit dem Begriff „geschlechtsspezifischer Sozialisation“ umzugehen. Wenn es in der Auseinandersetzung zu produktiven Verunsicherungen in den Haltungen und Einstellungen kommt, so wirkt sich das in der Jugendarbeit für Mädchen und Jungen positiv aus. In der feministischen Mädchenarbeit sollen Vorurteile und Pauschalierungen („typisch Frau/Mann“) nicht kultiviert werden, sondern es geht darum, vorfindbare Differenzen zwischen den Geschlechtern wahrzunehmen und damit als faktisch gemachte umzugehen. 22 Enders-Dragässer, Uta, Fuchs, Claudia 1989: Interaktionen der Geschlechter. Sexismusstrukturen in der Schule, in: Jutta Hartmann, ibid 23 Vgl. Helga Kelle: Politische Sozialisation bei Jungen und Mädchen. Kritik und Perspektiven der Forschung, in: Feministische Studien, 1/93, S 133f 24 Ulrike Teubner: "Professionalisierung und Gechlechterhierarchie", Manuskript zum Vortrag, S 1, vgl. auch Angelika Wetterer, 1992 25 aus dem Konzept: Mädchenarbeit der Mobilen Jugendarbeit Stuttgart, ohne Jahresangabe, S 3 24 In der aktuellen Theoriebildung wird Geschlecht als gemachtes sex/gender – Konstrukt gesehen: das biologische Geschlecht ist keine Voraussetzung für das soziale Geschlecht. Geschlechterverhältnisse bzw. Verhältnisse zwischen Mädchen und Jungen sind als soziale Konstruktionen zu betrachten und sind veränderbar. Ein positives Beispiel zum Durchbrechen traditioneller geschlechtsspezifischer Rollenzuschreibung in der Jugendarbeit: „Beim Rafting übernimmt die Frau die Organisation der Fahrt, die Kooperation mit dem Rafting-Club, die finanzielle Regelung, fährt mit der Kollegin den Kleinbus, in dem 6 Jung und 2 Mädchen sitzen. Der Kollege fährt mit 1 Burschen und 2 Mädchen im Pkw, er ist zuständig für die Verpflegung, das Kochen... 3 mal werde ich als Frau gefragt, was es denn zu essen gäbe, 3 mal verweise ich auf den Kollegen, .....am nächsten Morgen bereiten die Burschen das Frühstück und servieren es den Mädchen.“ 26 2.5 Bereits bestehende Angebote für Mädchen in Vorarlberg Das Spektrum von feministischer Mädchenarbeit umfasst Angebote im gemischten Jugendbereich sowie autonome 27 Mädchenprojekte bzw. Mädcheneinrichtungen. Im folgenden die Selbstbeschreibungen der Jugendzentren, Jugendtreffs etc über die jeweilige Mädchenarbeit. 2.5.1 Dachverband der Vorarlberger Kommunikations- und Freizeitzentren: 1996 hat die Mädchenarbeitsgruppe des Dachverbandes, bestehend aus Jugendarbeiterinnen der Vorarlberger Jugendzentren, die im Dachverband organisiert sind, erstmals mädchenspezifische Projekte angeboten. Die Durchführung der Projekte hat sich aus folgenden Gründen bewährt: Mädchen aus allen Teilen Vorarlbergs machen an den Projekten mit, das ist für die Teilnehmerinnen interessant und fördert Verbindungen zwischen Mädchen. Da viele der Projekte außerhalb der Jugendzentren stattfinden bzw. „alle“ Mädchen sich in einem Jugendzentrum für die Veranstaltung treffen, fallen die Konflikte mit den Buben weg und ungestörtes Arbeiten ist möglich. 28 1997 Mädchenabenteuertage, River-Rafting, Höhlenwanderung, Kreativworkshops, Tanzworkshops, Mädchenfest 1997 fand im Mädchentreff Zürich eine Weiterbildung und ein Austauschtreffen statt 26 ein Beispiel aus der Jugendberatung Mühletor „autonome“ Projekte bedeuten - ganz kurz angerissen - daß die Initiative von der „Basis“ ausgeht und ein (jugend-)politischer Anspruch hinter der Arbeit und dem Engagement steht. Traditionell arbeiten „autonome“ Projekte mit geringer finanzieller Förderung, was wiederum bedeutet, daß die Aufbau- und Mitarbeit für viele nur unbezahlt möglich ist. 28 vgl. Kurzdokumentationen des Dachverbandes 1997, 1998 erstellt für die Landesregierung 27 25 1998 Umweltaktionssommer: Mädchen für ein ökologisches Europa in Berlin und Vorarlberg 1998 Ökotechnik Workshop für Mädchen, Kunst und Handwerk, Graffiti-Aktion 1998 Fortbildung für Multiplikatorinnen aus der offenen Jugendarbeit zum Themenschwerpunkt: sexuelle Übergriffe Angebote der Jugendzentren: 2.5.2 Jugendzentrum Between Bregenz Mädchenarbeit Juz Between 29 Erfahrungen in der offenen Jugendarbeit zeigen, daß Mädchen als Zielpublikum der Jugendarbeit oft eine untergeordnete Rolle spielen. Jugendarbeit ist in Theorie und Praxis vielfach „Jungenarbeit“ geblieben. Quantitativ betrachtet erreichen Jugendeinrichtungen Mädchen in weit geringerem Ausmaß als Jungen. Auffallend ist, daß Mädchen kaum alleine oder aus eigenem Antrieb, sondern als „Freundin von“ oder mit einer Freundin ins Jugendzentrum gehen. Die typische Anhängselfunktion schwächt den Status von Mädchen im sozialen Gefüge Jugendzentrum. Ein Aufbegehren von Mädchen gegen diese Spielregeln und ein offensiveres Verhalten hat Sanktionierungen seitens der Burschen zur Folge (Ausgrenzung, Isolieren, Beschimpfen mit typischen Zuschreibungen wie „Die ist häßlich oder dumm...“) Burschen besetzen vorrangig wichtige Funktionen im Jugendhaus (Arbeitsteams wie Disco, Theke, Freizeitgruppen und Mitbestimmungsgremien) Räume und Spieleangebote werden von ihnen beschlagnahmt. Das Dominanzverhalten und oft auch die Aggressivität und die Machtkämpfe der Burschen stehen meist im Vordergrund der pädagogischen Arbeit, ihre Interessen bestimmen weitgehend das Programmangebot des Jugendhauses. Durch sozialisiertes oft passives Verhalten gewinnen sie weniger Aufmerksamkeit und haben dadurch deutlich weniger Möglichkeit sich einzubringen, zu gestalten und sich auszuleben als Burschen. Sexuelle Belästigung, unerwünschte Anmache, Diskriminierungen sind Alltagserfahrungen von Mädchen, auch im Jugendhaus ist das Verhalten der Burschen oft ein „gesellschaftliches Spiegelbild. Von sich aus agieren Mädchen meist defensiv und meiden langfristig diesen Ort. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer emanzipatorischen Mädchenarbeit im Jugendzentrum. 29 Gaby Anwander, Rosi Dobler 26 Ziele und Schwerpunkte: Paritätische Besetzung der Mitarbeiter-Teams mit Frauen, um das Vorhandensein weiblicher Ansprechspersonen für Mädchen zu gewährleisten Spezifische Förderung von Mädchen durch Integration in Arbeitsteams (Disco, Theke) und Mitbestimmungsgremine (Jugendvertretung, Vorstand) Mädchenspezifische Angebote im Freizeitbereich (Spiel, Sport, Abenteuer, Kreativität, Veranstaltungen etc) und verstärkte Motivationsarbeit bei gemischtgeschlechtlichen Angeboten, um der angelernten passiven Grundhaltung von Mädchen entgegenzuwirken. Eigeninitiative und Selbstorganisationsprozesse bei der Bildung von Mädchengruppen unterstützen und positiv verstärken Möglichkeiten für Mädchen bieten, sich eigene Schon/Schutz- und Freiräume im Jugendzentrum zu erobern, in denen Ungestörtheit garantiert ist und eigene Interesses geweckt und auch verwirklicht werden können (Bsp. Mädchenraum, Mädchentag) Bewußtseinsbildende Einzelfall- und Gruppenarbeit mit Burschen zur Reflexion von Rollenbildern in Flirts, Beziehungen, Sexualität Gegenmaßnahmen zu Macho- und Diskriminierungsverhalten gegenüber Mädchen Angebote für Mädchen, die in Zusammenhang mit sexueller Belästigung und Diskriminerung zur Stärkung ihres Selbstbewußtseins beitragen und durch die Solidarität unter Mädchen entstehen kann. (Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungstraining, Gesprächsgruppen etc.) 27 Jugendzentrum Graf Hugo Auszug aus dem Bericht über Mädchenarbeit 1997/1998 30 21. – 23. 08. 1997 13.09. – 14.09. Mädchencamp 18.10.1997 „Mädchen in Szene“ 31.10.1997 „Halloween“ 08.11.1997 „Massage“ 08.12.1997 21.01.1998 Tanz und Theaterworkshop „Ein Koffer voller Kleider“ mit Brigitte Jagg, gemeinsam mit für Mädchen Dachverband „Weihnachtszauber“ Workshop für Mädchen von 13 - 17 Jahre, Kerzen ziehen und Kekse backen Selbstverteidigungskurs Zwei parallele Kurse wegen grossen Interesses Für Mädchen Hugokino für Frauen Sinn & Sinnlichkeit 31.01/01.02. Multitalent 04.03.1998 Frauenfilm Workshops für Mädchen Gemeinsam mit dem Mühletor „Kommt Mausi raus?“ 05.03.1998 Konzert „Malema“ 06.03.1998 Schreibwerkstätte „BE – SCHREI - BEN“ 07.03.1998 Podiumsdiskussion „Mädchen in Vorarlberg“ 08.03.1998 Internationaler Frauentag Frauenfrühstück 19.3-30.4. Babysitterkurs 18 Teilnehmerinnen mit dem Verein Kängeruh 29.03.1998 Frauenband Besprechung zur Gründung einer Frauenband 13.05.1998 Frauenfilm „Liebe und andere Katastrophen“ 20.05.1998 Malen von Acrylbilder nur für Mädchen 27.+28. 05. 02.06.1998 Mädchen helfen bei Feldkircher Tanztagen Nähworkshop 03.06.1998 Massage 08.12.1997 22.01.1998 30 Mädchenabenteuertage Mitarbeit bei der Vorbereitung und Durchführung des Projekts von der IFS Jugendberatungsstelle Mühletor mit dem Dachverband organisiert und durchgeführt Workshop für Mädchen von 13 - 17 Jahre, Mandalas malen und Fotos machen Workshop für Mädchen von 13 - 17 Jahre, Bodypainting im Gesicht, Hairstyling und einen „Zug“ durch Feldkirch Workshop für Mädchen von 13 - 17 J. den Mädchen vom Jugendhaus gestalten das Buffet und den Ausschank Erstes Treffen des Nähworkshops Workshop für Mädchen Sozialpädagogin Bernadette Dobler, DSA Gabriele Robin 28 ab 29.09.1998 Mädchenpower ab 07.10.1998 28./29. 11. 1998 ab 02.01.1999 Selbstverteidigungskurse Kunst und Handwerk Dance Movement & Fun ab 02.01.1999 Aerobic 04.01. – 06.01.1999 seit Februar 1999 Mädchenpower Babysitterkurs Tanzprojekt, 3 Abende, afrikanischer Tanz, Trance und Bauchtanz nur für Mädchen gemeinsam mit Dachverband Tanzprojekt für Mädchen, 12 Abende Tanzprojekt für Mädchen, 12 Abende Töpfern, Tanz und Fotokurs Mädchenarbeit – wieso? Nicht nur, weil wir den Auftrag des Vorstandes zur Mädchenarbeit bekommen haben, vielmehr weil wir selber daran interessiert sind den Mädchen (Frei)-raum im Jugendhaus Graf Hugo und in Feldkirch zu schaffen, möchten wir die Mädchenarbeit aufbauen. Parallel zum Frauencafé haben wir eine kleine Workshopreihe geplant. Durch die Workshopreihe möchten wir die persönliche Kreativität der Mädchen in einem geschützten und ungezwungenem Rahmen ermöglichen. Außerdem bekommen wir so direkten Kontakt zu Mädchen und fördern dadurch eine neue Besuchergeneration im Jugendhaus. Anhand einer „Wunschliste“ wollen wir die Bedürfnisse und Interessen der Mädchen festhalten und mit ihnen gemeinsam weitere Aktivitäten planen. Frauencafé (bis Mai 1998): Das Frauencafé möchten wir ab 15.10.1997 regelmäßig jeden Mittwoch veranstalten. Hier sollen Mädchen das Café für sich haben, unter sich sein können und unabhängig von der Tatsache „Freundin von....“ zu sein, ihre Interessen, Anliegen und Träume auszutauschen. Im Frauencafé, so hoffen wir, bildet sich eine Gruppe Mädchen, die Interesse daran hat, das Café mitzugestalten: Lesungen, Spieleabend, Diskussionen usw. .......... Außerdem sollen sich in Gesprächen Interessen und Wünsche der Mädchen für zukünftige Workshops und Aktionen herauskristallisieren. In erster Linie wird das Frauencafé von Bernadette und Gabi mit freiwilligen Helferinnen geführt werden - männliche Besucher haben KEINEN Zutritt. Wir sind uns im klaren, daß wir uns mit den Mädchen diesen Raum erst erobern werden müssen. (Jungs abwehren, erklären, wieso Frauencafé usw.) Mädchenraum: Wenn sich mit der Zeit der Wunsch der Mädchen nach einem eigenen Mädchenraum herauskristallisieren sollte, werden wir ihnen einen Raum zur Verfügung stellen, den wir gemeinsam mit ihnen gestalten und beleben wollen. Somit bedeutet Mädchenarbeit gleichzeitig auch Jungenarbeit! 29 2.5.4 IfS Jugendberatung Mühletor – Mädchenarbeit Grundsätze & Ziele in der Arbeit mit und für Mädchen Mädchen dort "abholen, wo sie sind" Die Angebote müssen sich an den Bedürfnissen orientieren (auch Burschen miteinbeziehen) und den Zeitgeist der Jugendlichen berücksichtigen, der geprägt ist von Konsumverhalten, Schnelllebigkeit und Gegenwartsorientierung. Die durch die Sozialisation bedingte, meist passive Haltung bei Mädchen erfordert, stärker als bei Burschen auf sie zugehen und sie zu ermutigen, etwas für sich selbst zu tun. Da Mädchen stärker behütet sind und mehr um Erlaubnis fragen müssen, wollen wir auch Eltern über Projekte informieren und sie damit gleichzeitig dafür sensibilisieren. Auseinandersetzung mit dem Thema Weiblichkeit und Selbstwert Identität und Rollenklischees in unserer Gesellschaft erkennen und hinterfragen Fremdbestimmtheit bewusst machen Selbstbewusstsein stärken den Stellenwert des Äußeren (Aussehen, Körperlichkeit) kritisch hinterfragen das Thema Grenzen und die Übertretung von Grenzen (Missbrauch, ...) bearbeiten Freiraum schaffen Orte, Zeit, Rahmenbedingungen schaffen, um Auseinandersetzung zu ermöglichen Konkurrenz unter Mädchen abbauen Gruppengefühl und Solidarität Angebote der Stelle für Mädchen: Information (z.B. für Referate, Jugendgruppen, Schulklassen,...) zu Themen wie Mädchenarbeit allgemein, Missbrauch, Aufklärung, Verhütung, Drogen, Jugendschutzgesetz,..... Beratung (Einzel- und Familienberatung): der Schwerpunkt liegt auf der Problemlösung, wichtige Aspekte dabei sind Krisenintervention und der Grundsatz der Schweigepflicht. Themenbereiche sind: Familienprobleme, Partnerschaft/Sexualität, Ausbildung und Beruf, Mißhandlung/Missbrauch, Eßstörungen, Depression, Umgang mit legalen und illegalen Drogen, Religion/Sekten, Suizid, Obdachlosigkeit, Hilfe, Unterstützung und Begleitung bei Behördengängen.. Therapie: je nach Bedarf bieten wir Weitervermittlung zu Qualifizierten TherapeutInnen an Projektarbeit mit den Schwerpunkten in der Freizeitgestaltung, Berufsorientierung, Selbsterfahrung (Kreativworkshops, Reiten, Rafting, Selbstverteidigung,...) Der 30 Focus liegt auf der Schaffung von Freiräumen, Bewußtseinsstärkung, Prävention und Bewußtmachung gesellschaftlicher Realitäten. Wir wollen kontinuierlich Veranstaltungen anbieten, die nicht an den bedürfnissen der Mädchen vorbeigeplant werden, sondern die Mädchen von Anfang an miteinbeziehen. Es erscheint uns sinnvoll, vor allem auch vorhandene Wünsche und Ideen aufzugreifen und rasch umsetzen. Projekte: Okt. 1988 „Weibsbilder“ Ausstellung v. Mädchen Sabine Steinbacher Dez. 1991 „Traummädchen?“ Kreative WochenendWorkshops Mag. Helene Vorhauser-Malin Dez. 1992 „Traummädchen?“ Kreative WochenendWorkshops Gertraud Walder Juli 1993 „Handwerkerin“ Workshops in den Berufen Tischlerei, Metallverarbeitung, Silberschmiede, Chemielabor, KFZWerkstatt, Datenverarbeitung Gertraud Walder Sommer 1993 MädchenwanderWoche (Tessin) Dez. 1993 „Traummädchen?“ Kreative WochendWorkshops Gertraud Walder Sommer 1994 Mädchenradwoche 1 Woche in Ungarn Stephanie Jacob Jan. 1995 „Traummädchen?“ Kreative Wochenendworkshops Stephanie Jacob Sommer 1995 Mädchenradwoche 1 Woche in Holland Stephanie Jacob Dez. 1995 „Traummädchen?“ Kreative WochenendWorkshops Stephanie Jacob Sommer 1996 Mädchenradwoche 1 Woche in Holland Stephanie Jacob Sommer 1996 Mädchengruppe 4 Gesprächsabende Stephanie Jacob März 1997 „femme“-Tag Tag d. offenen Tür für Mädchen Mag. Barbara Rausch-Schott Mai 1997 „Reden leicht gemacht“ Eintägiges Rhetorikseminar Mag. Barbara Rausch-Schott August 1997 „Weibliche Welt“ Infostand am Markt mit Facepainting, GratisMassage... Mag. Barbara Rausch-Schott August 1997 „Spring ab – tauch ein“ Mädchensommercamp Kreative SchnupperWorkshops an 3 Tagen Mag. Barbara Rausch-Schott Ende Aug. 1997 Raften und Campen (gemischtgeschlechtl. Gruppe) Mag. Barbara Rausch-Schott Gertraud Walder 31 Herbst 97 „Ich bin ich und ich bin stark“ Selbstverteidigungskurs Mag. Barbara Rausch-Schott Winter 97/98 „Was ich kann und was ich will??!!“ Mag. Barbara Rausch-Schott Jan. 1998 „Mädchen aktiv“ Berufsorientierung an mehreren Wochenend. An mehr Kreativ-Workshops am Wochenende Sommer 1998 „Spring ab – tauch ein“ Mädchensommer Kreative SchnupperWorkshops an 3 Tagen Mag. Barbara Rausch-Schott Sommer 1998 Reitwochende Sommer 1998 „Weibliche Welt“ Infostand m. Facepainting Barbara RauschSchott Herbst 1998 10 Jahre Mädchenarbeit Jubiläumsfeier im TAS Barbara RauschSchott Winter 1999 „Multitalent Mädchen“ Kreative Workshops und Vernissage Barbara RauschSchott und Monika Thaler Mag. Barbara Rausch-Schott Barbara RauschSchott Weitere geplante Projekte (für 1999): Juli 1999 „Weibliche Welt“ Infostand am Markt mit Ponys, Facepainting, gratis Massage,.... August 1999 „Pferdestärken“ Sept.1999 „Spring ab, tauch ein“ Reitwochenende mit Übernachtung im Heu Sommerschnupper workshops Okt. und Nov.1999 „Technik – Frauensache?!“ Nov., Dez. 1999 „Ich bin stark, schön, Selbststärkung und kreativ und ich schaffe Berufsfindung für Mädchen es“ 1Woche Berufsorientierungskurse für Mädchen im Bereich Technik, sowie Vor- und Nachveranstaltungen für Eltern und Lehrer 2.5.5 Mädchenzentrum „AmaZone“: 32 Barbara Rausch-Schott und Monika Thaler Monika Thaler Barbara Rausch-Schott und Monika Thaler Monika Thaler, Barbara RauschSchott. (Frauen- und Jugendreferat des Landes Vorarlberg) Barbara Rausch-Schott und Monika Thaler Was ist das Besondere an einem Mädchenzentrum? Alles wird von Mädchen/Frauen für Mädchen/Frauen gemacht! In einem Mädchenzentrum werden, wenn irgendwie möglich, nur Frauen involviert: Mitarbeiterinnen, Vorstandsfrauen, Architektin, Tischlerin, Elektrikerin, Projektfrauen, Workshopleiterinnen..... Die Bedürfnisse der Mädchen stehen im Vordergrund/im Mittelpunkt. Mädchen sind kein "Anhängsel", sie sind gefragt, ihre Teilnahme, ihre Kreativität, ihre Ideen, ihre Meinung ....Und das ist oft gar nicht so einfach, denn viele Mädchen sind es nicht gewohnt, im Vordergrund zu stehen. Die Mädchen müssen sich nicht rechtfertigen, sie müssen ihre Ideen nicht dem männlichen "Bewertungssystem" unterbreiten, sie müssen sich keine Gedanken darüber machen, was denn die Buben darüber denken. Die Mädchen und jungen Frauen müssen sich nicht an männlichen Werten orientieren, die haben die Möglichkeit die eigenen Werte zu finden. Sie können ihre Erfahrungen und ihre Wahrnehmung teilen und sich gegenseitig bestätigen, ergänzen, stärken. Sie müssen sich, zumindest in den Räumen des Mädchenzentrums, nicht von Buben oder Männern bewerten lassen. Weder ihren Körper, noch ihr Verhalten, noch ihre Handlungen. Sie dürfen sein, wer sie sind, sie können reden, was sie reden wollen, sie dürfen ausprobieren, was sie wollen. Sie können sich selbst und ihre eigene „Weiblichkeit“ entwickeln. Und sie haben die Möglichkeit, ihre Freundschaften zu anderen Mädchen zu stärken - Solidarität statt Konkurrenz. Sie dürfen "ihre" Räume so gestalten, wie es ihnen gefällt, ihre eigenen Ideen einbringen und umsetzen. Sie achten und wertschätzen ihre Räume. Die Mädchen und Frauen füllen die Räume mit ihrer Energie und Frauenräume fühlen sich anders an als Männerräume! Und sie sollen die Möglichkeit haben, Frauengeschichte, Frauenkulturen, Frauenrituale kennenzulernen. Der offene Bereich 31: 1. Mädchencafé Geplant ist die Errichtung eines MädchenCafés. Das Café bedeutet die erste unverbindliche Anlaufstelle, wo Mädchen sich orientieren, Kontakte knüpfen, in Ruhe entscheiden können, wohin sie sich wenden und wie weit sie sich öffnen wollen. Sie werden beraten und informiert oder dürfen einfach sie selbst sein. 31 aus dem Rohkonzept des Mädchenzentrums 33 2. MädchenBibliothek Weiters ist die Einrichtung einer MädchenBibliothek geplant, die auch als Leseund Ruheraum genutzt wird. 3. MädchenFreizeit Schaffung von Freizeitangeboten: Räumlichkeiten, in denen verschiedene Möglichkeiten der Freizeitgestaltung angeboten werden, wie z.B. Tischfußball, tennis, Billard, Flipper, Filme, Vorträge... Einrichtung einer MädchenWerkstätte: 1. Handwerk und Gestaltung Wir möchten den Mädchen und jungen Frauen das Arbeiten und den Umgang mit unterschiedlichen Materialien ermöglichen. z.B. mit Holz, Stein, Gips, Ton, Textilien, Farben..... 2. Arbeits- und Bildungsbereich Bereits in der Aufbauphase möchten wir in Zusammenarbeit mit dem AMS z.B. arbeitslose Mädchen und junge Frauen mit einbeziehen. Weiters geplant sind Schnuppertage, verschiedene Handwerkskurse, Berufsorientierungskurse, Zusammenarbeit mit AMS,... Der Kreativbereich Besonders wichtig erscheinen uns die Angebote in künstlerischen und kreativen Bereichen. Es geht vor allem darum, den Mädchen und jungen Frauen verschiedene Ausdrucksmöglichkeiten zu geben und die Entdeckung und Entwicklung der eigenen Fähigkeiten zu fördern und damit auch das Selbstbewußtsein und ihre Kompetenzen zu stärken. Foto und Video Wir möchten Workshops anbieten, in denen die Mädchen den Umgang mit Fotografie, Filmentwicklung, Videoaufnahmen, Schnittechnik lernen können. MädchenTheater Geplant ist eine kontinuierliche Theatergruppe, die sich mit verschiedensten Themen auseinandersetzt. 34 MädchenTanz Einerseits möchten wir freie Tanzmöglichkeiten in Form von regelmäßigen Diskos anbieten, andererseits spezielle Tanzformen, wie z.B. Bauchtanz, verschiedene Tanztechniken, Trancetanz etc. MädchenMusik Wichtig ist die Errichtung eines Proberaumes für Mädchenbands, und ev. verschiedene Musikworkshops Computer Hier ist die Einrichtung eines eigenen Mädchenbüros geplant. Spezielle Computer- und MädchenInternetkurse sind geplant. Die Mädchen können ihre Hemmschwelle im Umgang mit dem Computer/Internet abbauen. Sie lernen den kreativen Umgang mit dem Computer z.B. Textgestaltung, Internetseiten gestalten, Internet surfen, eigene Zeitung, Plakate, Flugblätter, Hausaufgaben ...... MädchenSelbstverteidigung Wir möchten regelmäßig spezielle Selbstverteidigungskurse anbieten. Die Mädchen lernen Verhaltensweisen und Strategien zur Abgrenzung, zu ihrem Schutz und ihrer Selbstbehauptung. Sie lernen auch, das Recht zu haben, NEIN zu sagen; Mädchen lernen, sich zu behaupten, wenn sie jemand gegen ihren Willen berührt oder sie mit Worten und Blicken zu verletzen versucht; sie lernen sich zu schützen, wenn sie geschlagen oder festgehalten werden. Die Mädchen haben die Möglichkeit, ihre eigenen Stärken und Fähigkeiten gemeinsam mit anderen Mädchen wieder zu entdecken, auszuprobieren und auszuweiten. MädchenSelbsterfahrungsgruppen Je nach Bedürfnissen der Mädchen sollen Geprächsgruppen, Tanztherapiegruppen, Outdoor Aktivitäten etc. angeboten werden. Die Beratung Die Beratung für Mädchen ist als niederschwelliges Angebot in das Mädchencafé eingebunden, um möglichst viele Mädchen zu erreichen und die Hemmschwelle herabzusetzen. Hier sollte ein offenes Beratungsangebot für Schwierigkeiten mit Eltern, Schule, Ausbildung, Beruf und Partnerschaft bestehen. Weiters soll Hilfe im Umgang mit Institutionen und Behörden angeboten werden. Die Beratungsarbeit hat zum Ziel, das Selbstbewußtsein der Mädchen zu stärken und mit praktischen Hilfestellungen dazu beizutragen, den Alltag zu bewältigen und neue Handlungskompetenzen zu erlangen. Durch den ganzheitlichen Ansatz haben die Mädchen die Möglichkeit, neue Lebensperspektiven zu entwickeln. 35 Ein weiterer Schwerpunkt ist die Beratung in Not- und Krisensituationen, bei physischer und psychischer Bedrohung, Mißhandlung, sexueller Mißbrauch und sexuelle Belästigung. Die Beraterinnen suchen gemeinsam mit den Mädchen nach Lösungen und überlegen, welche Konsequenzen einzelne Schritte nach sich ziehen können. Es soll weiterhin abgeklärt werden, ob für die Betroffenen weitere Beratungsgespräche oder längere therapeutische Unterstützung geboten erscheinen. Gegebenenfalls helfen die Mitarbeiterinnen bei der Vermittlung von Beratung und Therapie in andere Institutionen. Die Beratungsgespräche sollen auch telefonisch und anonym erfolgen. 2.5.6 Frauengesundheitszentrums f.a.m Dornbirn - Mädchenarbeit Arbeit mit Mädchen Aufklärung in der Sexualität besteht nicht nur in der Vermittlung von Kenntnissen über biologische Abläufe, sondern umfaßt alle Themen, die für das Mädchen im Prozeß des Frau-Werdens eine Rolle spielen. Die heimliche Geschlechterrollenerziehung in Schule, Beruf, Familie, durch die Medien etc. richtet auf Mädchen bestimmte Rollenerwartungen und Einstellungen zu sich selbst aus. Sexuelle Gewalt bzw. allgegenwärtige Möglichkeiten eines sexuellen Übergriffs auf Mädchen und Frauen sind Ausdruck unseres hierarchischen Gesellschaftsverhältnisses. Die Lebenswelt von Mädchen wird dadurch maßgeblich geprägt. In der Arbeit mit Mädchen bieten wir einen Frei-Raum zum Selbst-Finden, losgelöst von der männlichen Sicht auf den Mädchen- und Frauenkörper. Angebote Mädchen und jungen Frauen zwischen 11 und 21 vermitteln wir Wissen zu allen Fragen zum „Thema „Frau werden“. Unser Angebot und Kursthemen hängen von den Interessen der Mädchen und den gegebenen Räumlichkeiten ab. Persönliche Beratung Montag 16.00-18.00 Uhr Telefonische Beratung Mittwoch 16.30-18.30 Gynäkologische Beratung jeden ersten Dienstag im Monat hält eine Gynäkologin eine Sprechstunde im f.a.m. Frauengesundheitszentrum ab. Termine werden nach Anmeldung vergeben. Workshops oder Gesprächsrunden werden 2x jährlich (Frühjahr, Herbst) ausgeschrieben und sonst nach Bedarf und Anfrage durchgeführt. 36 Diese Veranstaltungen werden auch von Schulen und Jugendzentren bzw. Jugendvereinen angefordert. Menarche Dieser Workshop bietet Mädchen und ihren Müttern die Möglichkeit, auf positive Weise die Phase des Übergangs gemeinsam zu erleben. Wir informieren, begleiten und feiern gemeinsam. Wer bin ich - was kann ich - was will ich? Dieser Workshop richtet sich an Mädchen im Alter von ca. 13 bis 16 Jahren. Mein Körper, meine Gefühle, meine Stimmungen verändern sich! Wohin mit meinen Fragen und Unsicherheiten? Liebe, Erotik und Sexualität wie gehe ich damit um? Bei uns gibt es Informationen mit Spaß, Begegnung mit Dir und Deinem Körper, Gespräch über Wünsche, Ängste und Erlebnisse. Liebe und nun? Workshop für Mädchen und junge Frauen, die informiert sein wollen über Empfängnisverhütung. Was für Möglichkeiten gibt es? Welche ist die geeignete für mich/für uns. Aids - Ansteckungsmöglichkeiten und Umgang mit Erkrankten. Der erste Besuch bei der Gynäkologin/beim Gynäkologen. Was wünsche ich mir, was erwartet mich ? 2.5.7 Mädchenarbeit Offene Jugendarbeit Sozialsprengel Hard: 1994-95: gelegentlich Mädchentreff, Projekte 1996: Einrichtung eines Mädchenraumes im neugeschaffenen Jugendtreff Hofsteigstraße seither immer wieder Neugestaltung durch die Mädchen, die gerade den Jugendtreff besuchen Veranstaltungsreihe zum Thema Sexueller Mißbrauch: zwei der Veranstaltungen ausschließlich für Mädchen: Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungskurs in "Seito Boei" und "Spiel"-Abend zum Thema "Selbstbewußt Grenzen setzen" 1997: 14-tägig Mädchentreff, Themenabende ab 1995 Mitarbeit inclusive Planung und Organisation und Teilnahme mit Mädchen bei allen Mädchen-Projekten des Dachverbands der Vorarlberger Kommunikations- und Freizeitzentren (siehe Projektbeschreibungen). 1999: Mädchengruppe Breakdance diverse Outdoorprojekte für Mädchen Begleitung und Unterstützung sowie persönliche und telephonische Beratung bei Konflikten mit Eltern, Freund/Freundin, Gewalt in der Familie, Problemen in der Schule, an der Arbeits- oder Lehrstelle, bei 37 Suchtgefährdung, Beziehungsproblemen, rechtlichen Belangen u.a.- durch zwei Diplomsozialarbeiterinnen, die gleichzeitig die beiden Jugendtreffs leiten Wichtig sind dem JugendarbeiterInnenteam vor allem die Möglichkeiten der Mädchenarbeit beim gemischtgeschlechtlichen offenen Betrieb: Das heißt in erster Linie: Aufmerksamkeit und Zeit für die Mädchen, die in die Jugendtreffs kommen Wir achten darauf, daß wir uns bewußt Zeit nehmen für Gespräche mit einzelnen Mädchen, auch wenn diese "nichts von uns/mir brauchen", d.h. nicht warten, bis sie etwas einfordern. Buben fordern Aufmerksamkeit eher ein, diese muß begrenzt werden, damit die Mädchen nicht zu kurz kommen. Wir haben beschlossen, daß immer Kapazität vorhanden sein oder geschaffen werden muß, wenn von den Mädchen Wunsche oder Ideen für Veranstaltungen/Projekte geäußert werden, damit diese dann schnell aufgegriffen werden können und nicht eine "Vertröstung" auf später stattfindet. Zusätzlich zum Mädchenraum als permanent reservierter Freiraum, wird ein Gruppenraum für gewisse Zeiten ausschließlich für Mädchen zugänglich gemacht werden, wenn sie dort z.B. breaken wollen. Immer wieder müssen Ideen gesponnen und versucht werden, den Mädchen durch spezielle Regelungen Zugang zu Bereichen, die von Buben dominiert werden, zu verschaffen. Unsere Erfahrungen waren (typisch für gemischtgeschlechtlichen Betrieb), daß Mädchen, sofern sie überhaupt so mutig und selbstbewußt waren, an das Dj-Pult oder den Tischfußballtisch zu stehen, sich schnell wieder wegdrängen ließen von Aussagen der Burschen wie: " Laß` mich `mal ran, ich zeig` dir, wie man das macht", oder "ich muß nachher eh gleich gehen" Es mußte also eine klare Regelung her, die gewährleistet, daß Mädchen Zugang haben und nicht verdrängt werden. z.B.: DJ-Pult: Im Jugendtreff Hofsteigstraße wurde folgendes gemacht: halbstündlich konnten sich Buben und Mädchen für`s Auflegen am DJ-Pult in eine Liste eintragen; damit war sichergestellt, daß in dieser halben Stunde niemand anderer einfach kommen konnte und jemanden verdrängt und diesbezüglich gestritten werden muß. Die Regelung besagte außerdem, daß abwechselnd ein Mädchen und ein Bub Sound auflegen. Mädchen wurden von uns motiviert, aber auch die Buben sprachen die Mädchen an, weil sie sich erst eintragen konnten, wenn ein Mädchen gefunden wurde. Eine andere Möglichkeit war noch, daß sie gemeinsam eine Stunde auflegten. Außerdem gab es zur Förderung von weiblichen DJanes separate Übungszeiten. Dabei konnte das nötige Know-how zur Bedienung der Musikanlage angeeignet, sowie die Übung zum selbstbewußten Gebrauch gewonnen werden, ohne Kommentare und Kritik der Buben. z.B.: Tischfußballkasten: bei Turnieren spielen Mädchen und Buben in einer eigenen Kategorie, sofern die Mädchen nicht sowieso in gemischten Gruppen mitspielen wollen. Subtile bis grobe Verdrängungsprozesse erfahren nämlich 38 sogar jene Mädchen, die wöchentlich mit Buben tischfußballspielen, wenn der Ehrgeiz und das Turniervorbereitungsfieber die Buben packt. Außerdem ermöglicht dies auch Mädchen, die noch keine langjährige Praxis am Tischfußball haben, wie viele Buben, spannende Spiele und auch Gewinnchancen. (Beim letzten Turnier in Zusammenarbeit mit Schweizer Jugendtreffs gewannen die Mädchen einen riesigen Pokal, der nun im Jugendtreff steht und von den Buben bestaunt wird.) 2.5.8 Verein Selbstverteidigung für Frauen und Mädchen Entstehungsgeschichte des Vereins 1992 schlossen sich Frauen im Anschluß an den ersten von Mag. Margit Brunner in Feldkirch gehaltenen und vom Feministischen Netzwerk organisierten Selbstverteidigungskurs zu einer autonomen Trainingsgruppe zusammen. Viele nachfolgende Kurse, das große Interesse anderer Frauen und Mädchen und die Möglichkeit des monatlichen Trainings führten 1995 zur Gründung des Vereins Selbstverteidigung für Frauen und Mädchen. Derzeit sind rund 40 Frauen und Mädchen Mitglied im gemeinnütziger Verein, der seine Aktivitäten durch Mitgliedsbeiträge, Spenden und Subventionen finanziert. Ziele: Die im Verein organisierten Frauen haben sich gefunden, um sich einen aktiven und lustvollen Zugang in Richtung Selbstbehauptung, Selbstverteidigung und Frauensolidarität zu eröffnen. Der Verein hat zum Ziel, Präventions- und Aufklärungsarbeit über (sexuelle) Gewalt und Diskriminierung von Frauen und Mädchen in allen Bereichen unserer Gesellschaft zu leisten. Aus diesem Grund führen ausgebildete Trainerinnen Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungskurse für Frauen und Mädchen (ab sechs Jahren) mit und ohne Behinderung in ganz Vorarlberg durch, organisieren regelmäßige Trainings für Frauen und Mädchen in Feldkirch und sind im Vorarlberger Frauenrat vertreten. Über den Verein kann auch eine Skulpturen-Ausstellung zum Thema "Gewalt-Angst-Kraft", erarbeitet in einem Mädchenkurs, entlehnt werden. Arbeitsgrundlagen: Derzeit sind bereits vier ausgebildete Trainerinnen im Verein tätig. Eigenständig entwickelte Strategien und didaktische Umsetzungsmöglichkeiten sowie die Selbstverteidigungsarten "Wen-Do" und "Defendo" bilden die Grundlage unserer Arbeit. "Wen-Do" (=Weg der Frauen) ist ein ganzheitliches und feministisches Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungskonzept, das in den 70er Jahren in Amerika von Frauen für Frauen und Mädchen entwickelt wurde. "Defendo" ist ein von Frauen in Wien in den 90er Jahren entwickeltes Selbstverteidigungskonzept für Frauen und Mädchen, in welchem es vor allem um das Bewußtmachen von vorhandener Kraft, Stabilität, Elastizität und Geschicklichkeit geht. 39 Kursangebot: Viele unserer Kurse finden in Schulen, Mädchen-, Jugend- und Bildungszentren statt, oder werden von uns oder anderen Frauengruppen in ganz Vorarlberg organisiert. Für Mädchen von 6-10 Jahren geht es uns hauptsächlich um: - das Erlernen von einfachen Techniken zur Selbstverteidigung; - daß sie ihre Stärke und Kraft kennenlernen und das Vertrauen in ihre Gefühle verstärken; - daß sie Hilfe suchen und finden, wenn sie selber nicht mehr weiter wissen; - Identifikationsmöglichkeiten über starke Frauen und Mädchen in Geschichten bereitzustellen; - Spaß an Bewegung und am Spielen mit anderen Mädchen. Für Mädchen ab 11 Jahren sind uns zu den oben genannten vor allem noch folgende Themen wichtig: - Sexualität und Verhütung - Mädchenfreundschaften - Ängste vor Gewalt und Vergewaltigung - das Beibehalten der eigenen Wünsche, Bedürfnisse und Vorstellungen auch dann wenn Jungs im Spiel sind - Umgang mit Autoritäten wie Lehrende, Vorgesetzte und Erwachsene Für Frauen ab 16 Jahren kommen zu den obengenannten Themen noch dazu: - mir selber Wert geben und mich positiv annehmen - mich mit anderen Frauen austauschen und diskutieren - bewußt Ja oder Nein sagen - mich körperlich wehren, streiten, lachen, spielen und Spaß haben - gemeinsam entdecken, wie lustvoll es ist, unsere Grenzen zu wahren - zur Ruhe kommen und Zeit für mich selber haben - Möglichkeiten, meine Kinder zu stärken und zu schützen Das Ziel all unserer Kurse und Aktivitäten ist es, die Vielschichtigkeit von Gewalt, Rechten, Möglichkeiten, Stärken ... aufzuzeigen und Frauen und Mädchen dazu zu ermutigen, sich auf ihre Gefühle zu verlasen und sich für ihr Recht auf körperliche und seelische Integrität einzusetzen. Das aktuelle Programm kann unter Postfach 295, 6800 Feldkirch angefordert werden, neue Mitglieder und Spenden sind jederzeit willkommen. (Sparkasse Feldkirch; BLZ: 20604; Konto: 18960). 40 3. Rahmenbedingungen für Realisierungen 3.1 Voraussetzungen im Team für feministische Mädchenarbeit Mädchen- und Bubenarbeit wird zukünftig in den Teams einen hohen Stellenwert haben. Oft wird feministische Mädchenarbeit von den männlichen Kollegen als „Spaltung“ zwischen den Geschlechtern betrachtet. Mädchen- und Bubenarbeit wird immer noch nicht von allen MitarbeiterInnen als qualitative Arbeit wertgeschätzt. In jeder patriarchal dominierten Struktur eckt Mädchenarbeit, die nicht Erziehung zur Frau als Ehefrau und Mutter zum Ziel hat, zwangsläufig an. Vorteile der Einbindung von Mädchenarbeit in eine Institution konkurrieren mit den Nachteilen. In institutionalisierten Zusammenhängen definieren oft Männer, was Mädchenarbeit sein soll. Bei der Diskussion der Voraussetzungen im Team für feministische Mädchenarbeit, ist es wichtig Prinzipielles aufzuzeigen: Jugendarbeit bezieht sich auf eine Männerund Jungenkultur. Sie baut auf eine Geschlechterordnung auf, die die gesamtgesellschaftliche Situation widerspiegelt. Wenn wir uns gegen eine Betrachtung der Jugend als Einheit stellen, so ist uns klar, daß auch „Mädchen“ keine einheitliche Kategorie bilden. In fast jedem Team in der Jugendarbeit wird arbeitsteilig und geschlechtsspezifisch (wenn auch unbewußt) gearbeitet. Feministische Mädchenarbeit wird von den dafür kompetenten Mitarbeiterinnen gemacht, Jungenarbeit in Zukunft insbesondere von den (männlichen) Mitarbeitern. Selbstverständlich ist das eine ohne das andere in gemischt geschlechtlichen Einrichtungen schwierig bzw. auf Dauer nicht professionell machbar. Hier sind insbesondere Team- und Leitungsentscheidungen in bezug auf die jeweiligen Kompetenzzuschreibungen und –anerkennungen an MitarbeiterInnen und Auftragsvergaben von Bedeutung. (Hier sei verwiesen auf den Abschnitt „Erforderliche Kompetenzen von JugendarbeiterInnen“.) 3.1.1 Erwartungen an das Team: „Ein geschlechtsspezifischer Arbeitsansatz erfordert einen regelmäßigen Austausch zwischen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Teams zum Thema Mädchen/Jungen. Um die Regelmäßigkeit zu gewährleisten, kann z.B. eine feste Zeit in jeder Teamsitzung dafür reserviert werden. Der Umgang zwischen Kollegin und Kollege (Verhältnis Frau-Mann) hat für Mädchen und Jungs Vorbildcharakter und bedarf deshalb der ständigen Reflexion. Innerhalb des Teams sind traditionelle Rollenmuster zu beleuchten, zu hinterfragen und in die bewußte Aufgabenverteilung miteinzubeziehen, dazu gehört auch ein bewußtes „Sich-Zurück-Halten“ bzw. „Sich-Einschalten“ seitens der Kollegin/des Kollegen. Dieses Durchbrechen herkömmlicher Aufgabenverteilung ist ein ständiger Aushandlungsprozeß im Team.“ 32 In der Alltagspraxis wird soziale Wirklichkeit hergestellt. Die ist für Mädchen und Jungen eine andere. Eine zentrale Frage dabei ist: Wer macht die Kontaktarbeit mit den Mädchen, Jungs und wie? Werden dabei traditionelle Einstellungs-, Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster aufgegriffen und immer wieder verändert oder werden diese verstärkt? 32 Frauenteam der Mobilen Jugendarbeit Stuttgart: Mädchenarbeit, Dez. 1996, S 15 41 Wenn männliche Jugendarbeiter sich nicht ausschließlich auf ihre Jugendlichen konzentrieren, bzw. Mädchen eigenständig wahrnehmen und jeweils „untypische“ Erwartungshaltungen an beide Geschlechter haben, hat das sozialpädagogische Auswirkungen. Dieses Tun, wenn es von allen im Team erarbeitet wird, ist eine Absage an geschlechtsspezifische Zuschreibungen. „Betreuerinnen sind immer wieder selbst oder aus Identifikation Betroffene. Aufgrund der daraus entstehenden Sensibilität und Emotionalität müssen Betreuerinnen sehr darauf achten, nicht nur an Stelle des Mädchens bei Übergriffen zu agieren. Vielmehr sollten Mädchen in ihren ganz persönlichen Widerstandsformen unterstützt und Burschen mit dem Konflikt und seinen Konsequenzen konfrontiert werden. Unbedingt notwendig ist auch das Intervenieren von Betreuern auf männliches sexistisches Verhalten. Den Jugendlichen wird dadurch einerseits eine andere Männerrolle demonstriert (Vorbildfunktion) und andererseits werden diese Konflikte auf eine allgemeinere Ebene gehoben und bleiben nicht nur das individuelle Problem des betroffenen Mädchens und der unterstützenden Betreuerin.“ 33 Ein Beispiel aus einem Jugendtreff: Wenn Jugendliche, die zum ersten Mal im Treff sind etwas wissen wollen oder nach dem „Chef“ fragen, verweist der männliche Mitarbeiter an die Leiterin und Kollegin, damit sie von Anfang an als Hauptverantwortliche gesehen wird und Ansprechsperson bezüglich der Hausregeln ist. Der Sozialarbeiter türkischer Herkunft vermittelt den Jugendlichen, daß die Sozialarbeiterin die Leitungsposition hat. Ohne dieses Vorbildverhalten des Kollegen würden vor allem Jugendliche aus patriarchalen Familien (beispielsweise türkischen) sich tendenziell eher an den „Mann“ und Sozialarbeiter türkischer Herkunft wenden und erst nach längerer Zeit und Beziehungsarbeit durch die Jugendarbeiterin erkennen, daß ihre Aufgabe nicht die einer Thekenbediensteten ist. Voraussetzung ist also eine prinzipielle Akzeptanz aller MitarbeiterInnen bzgl. der Notwendigkeit von feministischer Mädchenarbeit. Mädchenarbeit ist Teil des Standards in der Offenen Jugendarbeit. Um wirksam zu sein muß sie von allen MitarbeiterInnen als Querschnittaufgabe betrachtet werden. Mädchenarbeit kann nicht an eine Fachfrau delegiert werden. Die gesamte Arbeitsorganisation und der Alltag des Teams muß sich mit den Fragen der Geschlechtsspezifik auseinandersetzen. Grundlage jeglicher Auseinandersetzung mit Mädchen- und Jungenarbeit ist die Bereitschaft zur Selbst-, Rollen-, Gesellschaftsreflexion und die Mitarbeit an Veränderungen. Alle im Team Arbeitenden brauchen die prinzipielle Einsicht, daß zwischen den Geschlechtern (als Strukturmerkmal) geschlechtshierarchische gesellschaftliche Verhältnisse bestehen, die Mädchen und Frauen benachteiligen. Im Team ist es notwendig, Machtverhältnisse bei den MitarbeiterInnen und bei Jungs und Mädchen zu reflektieren. Es ist zu überprüfen, wie diese strukturell ungleichen Situationen von beiden Geschlechtern im Team und im Jugendbereich aufrechterhalten werden. Verein Jugendzentren Wien, AK Feministische Mädchenarbeit – Konzept feministische Mädchenarbeit, 1997, S 11 33 42 Damit Strategien wirkungsvoll sind, müssen sie vom gesamten Team getragen werden, auch wenn Mädchen- und Jungenarbeit von Frauen und Männern getrennt durchgeführt wird. Als ersten Ansatz für diese qualitative Teamentwicklung werden nun Fragen angeführt, die die Rollen- und Funktionsverteilungen bewußt und besprechbar machen. 3.1.2 Fragen zur Funktions- und Rollenreflexion im Team: Wird die Arbeit von Frauen und Männern im Team gleich hoch bewertet? Wird bewußt auf Arbeitsteilung Wert gelegt, die den traditionellen Rollenvorgaben widerspricht? Wer achtet darauf, daß die Kommunikation des Teams in der offenen Arbeit immer auch Ausdruck der gegenseitigen Wertschätzung ist? Wer korrigiert diskriminierendes Verhalten von Jungen gegenüber Mädchen? Werden Themen in ihrer Aufbereitung der Realität beider Geschlechter angepasst? Werden Mädchen alibihalber in Funktionen gesetzt, die den Jungen vorbehalten waren ? Werden kommunikative Funktionen und Fähigkeiten von Jungen und Mädchen erkannt und gefördert? Werden „geschlechtsspezifische“ Ungleichheiten erkannt und von MitarbeiterInnen gleich wichtig erachtet, benannt und versucht zu verändern? Zentral ist, daß erkannt wird, welche Fähigkeiten einzelne Jungen und Mädchen haben und welche Funktionen sie wahrnehmen. Daraus sollten jedoch keine Zuschreibungen in Puncto Geschlechtsspezifik mehr abgeleitet werden. Dabei geht es darum, Mädchen nicht als Gesamtes wahrzunehmen. Wird Mädchenarbeit vom gesamten Team anerkannt und unterstützt oder wird Mädchenarbeit ins „Fraueneck“ abgestellt und bedarf dauernder Rechtfertigung gegenüber den männlichen Teamkollegen? 34 3.1.3 Erforderliche Kompetenzen der MitarbeiterInnen: Das Wort „Kompetenz“ bzw. „kompetent“ wird in der Jugendarbeit häufig verwendet. Was ist damit gemeint? Dieses Fremdwort wird vom lateinischen Tätigkeitswort „competere“ (zusammentreffen, sich entsprechen) abgeleitet. Es bedeutet, daß bei der/dem Inhaber/In der Eigenschaft „Kompetenz“ zwei Dinge zusammentreffen: er/sie kann etwas, und er sie ist auch berechtigt dazu bzw. hat die Erlaubnis. Heute wird die Fähigkeit meist durch Aus- und Weiterbildung hergestellt, die Erlaubnis durch die Zugehörigkeit zu einem anerkannten Berufszweig oder dessen Standesorganisation: In unserem Fall: JugendarbeiterInnen arbeiten in einem (institutionellen) Zusammenhang, dem zugestanden wird, Jugendarbeit zu machen. Die Jugendarbeit erfordert von den dort Tätigen vielfältige und komplexe Kompetenzen und Fähigkeiten. Dies führt zu einem komplexen Anforderungsprofil für JugendarbeiterInnen. 34 Diese Ausführungen orientieren sich primär an der Arbeit der AG Feministische Mädchenarbeit des Vereins Wiener Jugendzentren, die seit 11 Jahren Mädchenarbeit machen, 1997, S 9 43 Parteilichkeit: Eine grundsätzlich positive Einstellung gegenüber der Zielgruppe ist Voraussetzung für die Jugendarbeit. Der Begriff „kritische Sympathie“ trifft diese Haltung am ehesten. Professionalität bedeutet: 1. Fähigkeit, in politischen Zusammenhängen zu denken und zu handeln. 2. Klarheit und Sicherheit über Funktion und Berufsrolle. 3. Fähigkeit, ziel- und ergebnisorientiert zu arbeiten 4. Feldkompetenz arbeitsfeld- und zielgruppenspezifische Kenntnisse und Wissen um soziale Hintergründe und Lebenssituation der Zielgruppe(n) regionale/sozialräumliche und Szenekenntnisse Rechts-, Verwaltungs- und Institutionskenntnisse 5. Fachkompetenz methodisches know-how (Beratung, Freizeitpädagogik, Stadtteil- und Gemeinwesenarbeit) Planungs- und Organisationsvermögen konzeptionelles Arbeiten Management- und Marketingkenntnisse/Öffentlichkeitsarbeit Kooperations- und Kommunikationskompetenz -institutionelle Handlungskompetenz . 35 Umgang mit Nähe und Distanz einschließlich der Fähigkeit zur Abgrenzung und Grenzziehung. 6. Sozialkompetenz, Persönliche Kompetenzen 7. Kommunikative Kompetenzen in der Interaktion 8. Soziokulturelle Kompetenzen 36 JugendarbeiterInnen haben mehr zu können als sozialpädagogische Techniken und Methoden zu kennen. Die emanzipatorische Einstellung ist ein integraler Bestandteil der eigenen Lebenshaltung und sozialen Wahrnehmung. Außerdem ist die Übereinstimmung von Berufsidentität und sozialer Identität gewünscht. 3.2 Mädchenpolitische Forderungen Forderungen benennen gleichzeitig die generelle Zielperspektive und das aktuell Notwendige. Konkrete Entwicklungsschritte für Mädchenarbeit in Vorarlberg werden zusätzlich, darauf aufbauend und die politischen Gegebenheiten reflektierend im nächsten Kapitel aufgezeigt. Feministische Mädchenarbeit tangiert die jeweiligen Interessen im Gemeinwesen, in der Jugendeinrichtung und das Geschlechterverhältnis in den Jugendhäusern, Jugendtreffs etc. 35 Vgl. Gerd Becker, Titus, Simon (Hg.): Handbuch Aufsuchende Jugend- und Sozialarbeit. Theoretische Grundlagen, Arbeitsfelder, Praxishilfen, 1995, S 19f 44 „Ein mädchenspezifischer Ansatz (..), der zwar gezielt eingerichtet, jedoch als Anhängsel praktiziert wird, ohne Veränderungen an der Trägereinrichtung der Maßnahme zu bewirken, die die Einrichtung selbst in ihrer Grundstruktur auf ihre geschlechtsspezifischen Einstellungen und Ausrichtungen hinterfragen, läuft Gefahr, ineffektiv und folgenlos zu bleiben.“ 37 Feministische Mädchenarbeit wird Standard in der Offenen Jugendarbeit Vorarlberg werden. Dabei ist klar, daß parteiliche Mädchenarbeit geschlechtssensible Jungenarbeit erfordert und unterstützt. Die Arbeit mit Mädchen kann nicht ausreichen, um tradierte Strukturen und Verhaltensmuster aufzubrechen. Wenn sich Jungen und Männer in der Jugendarbeit nicht ändern, bleibt die alte Rollenverteilung bestehen. Deshalb ist eine bewußte Jungen- und Männerarbeit zur Reflexion ihres Verhaltens, ihrer Rolle, zur Bearbeitung des Männlichkeitskultes und zur Veränderung der „männlichen Identität“ erforderlich. Auf diesem Gebiet besteht ein dringender Nachholbedarf. 38 Paritätische Besetzung der Teams Paritätische Besetzung der Vorstände Paritätische Besetzung von Arbeitskreisen, Vorbereitungsgruppen und Fachgremien Paritätisch besetzte Fachberatung, pädagogische Beratung bzw. Fachaufsicht Das gesamte Team soll 50% des Direktkontakts mit Jugendlichen für Mädchen einsetzen Mindestens ein Drittel 39 der finanziellen Ressourcen - als ein fixer Anteil im Budget - für die feministische Mädchenarbeit Räumliche Ressourcen für die feministische Mädchenarbeit 3.3 Forderungskatalog der AG Feministische Mädchenarbeit: Dieser mittlerweile klassische Forderungskatalog wurde in einem Pressegespräch am 26.5. 1998 der Öffentlichkeit präsentiert. Multiplikatorinnen und einige Fachpersonen beziehen sich auf diesen generellen Forderungskatalog, da er ein prinzipielles Umdenken in der Jugend- und Mädchenpolitik postuliert. Zitiert wird: Grundsatzforderungen für feministische Mädchenarbeit a) Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist in der Vorarlberger Landesverfassung zu verankern. b) Die feministische Mädchenarbeit soll als Arbeitsauftrag in den Konzepten der verbandlichen und offenen Jugendarbeit sowie in bestehenden Institutionen verankert werden. Heiliger, Anita: „Mädchenpolitische Forderungen an Jugendarbeit“, in: Diess., Kuhne, Tina: Feministische Mädchenpolitik, 1993, S 186 38 vgl. Leo Teuter: „Da machen die Typen nicht mit. Über die Notwendigkeit einer bewußten Jugendarbeit“, in: sozial extra 11/1985, zitiert in: Ulrike Pilz-Kusch, Mechthild Schramme, 1986, S 540 39 Die klassische Forderung nach 50:50 wird mittlerweile durch die Drittelforderung abgelöst. Dies wird unterschiedlich bewertet, manche finden diese Forderung pragmatischer, andere Fachpersonen sehen gerade darin einen Rückschritt. 37 45 c) Die Errichtung von Mädchenzentren (Mädchenhäusern) in denen ein breites Spektrum an Angeboten für Mädchen und junge Frauen zur Verfügung steht (Kaffeebetrieb, Bewegungsraum, Proberäume für Bands und Kulturgruppen, Kreativräume, niederschwellige Beratungsstelle, Anlauf- u Informationsstelle für Mädchen, junge Frauen und Eltern), ist zu forcieren und zu finanzieren. d) Ebenfalls fordern wir die Errichtung einer Notschlafstelle für Mädchen und junge Frauen mit ausgebildeten Betreuerinnen. e) Ein wichtiger Bereich in der feministischen Mädchenarbeit ist die Öffentlichkeitsarbeit. In der Berichterstattung des Landes, z.B. im Vorarlberg Magazin, ist darauf Bedacht zu nehmen, daß die weibliche Form in der Sprache angewendet wird. Ebenso müssen die veröffentlichten Fotos die gleichberechtigte Stellung von Frauen und Männern dokumentieren und im Sinne der Vorbildwirkung auch Frauen in verantwortungsvollen Positionen darstellen. Bildungsarbeit a) Es soll in allen Bildungseinrichtungen eine Frauenbeauftragte UND einen Männerbeauftragten, ebenso eine Mädchenbeauftragte UND einen Bubenbeauftragten geben. Fachspezifische Ausbildungen und Fortbildungen für diese Bereiche müssen angeboten werden, damit diese AnsprechpartnerInnen auch entsprechend ausgebildet sind. b) Für alle die sich im Kinder- und Jugendbereich in Ausbildung befinden, soll mädchen- und jungenspezifische Arbeit als Pflichtfach eingerichtet werden, um dieses Wissen später im Beruf anwenden und weitergeben zu können. c) Geschlechtssensible Fortbildungen für Multiplikatorinnen (ÄrztInnen, ErwachsenenbildnerInnen, ExekutivbeamtInnen, JugendarbeiterInnen, LehrerInnen, PolitikerInnen, SozialarbeiterInnen) müssen forciert werden. d) Für Eltern und interessierte Personen sind Veranstaltungen über weibliche und männliche Sozialisation anzubieten (z.B. Vortragsreihe). Subventionsvergabe a) Wir fordern Strukturförderung für bereits bestehende und neue Mädchen- und Frauenprojekte und Mädchen- und Fraueneinrichtungen, um eine kontinuierliche und qualitative Arbeit zu gewährleisten und deren Fortbestand zu sichern. b) Für die geschlechtssensible Jugendarbeit sind ressortübergreifend ausreichend Mittel zur Verfügung zu stellen (z.B. Räume für Mädchen- und Jungenarbeit, für Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, Mädchenbus). c) Die Vergabe der finanziellen Mittel und die Kriterien dafür sind von den einzelnen Referaten transparent zu machen. d) Der Bearbeitungszeitrahmen für die Ansuchen um finanzielle Förderung ist von den Referaten bei Einreichung bekanntzugeben. Bei Finanzierung sind die Gelder im voraus auszuzahlen. In der Fachgruppe Feministische Mädchenarbeit sind seit Sommer 1997 folgende Frauen organisiert: Silvia Rüdisser, Dachverband der Kommunikations- und Freizeitzentren, AMAzone Brigitte Schröpel, Autonomes Jugendzentrum Konkret, Hohenems Rosi Dobler, Autonomes Jugendzentrum Between, Bregenz 46 Monika Gantioler, Mädchenzentrum Amazone Elisabeth Pruner, Sozialsprengel Hard, Jugendtreffs Verena Chlumetzky-Schmid, Feministische Pädagoginnen Martina Lehner, FEMAIL – Fraueninformationszentrum Barbara Rausch-Schott, Sigrid Fehr (12/98-5/99 interimistisch) IfS -Jugendberatung Mühletor Jutta Platzgummer, F.a.m Frauengesundheitszentrum Dornbirn Gaby Robin, Offene Jugendarbeit Feldkirch Gabi Anwander, Autonomes Jugendzentrum Between, Bregenz Doris Nagel, Offene Jugendarbeit Dornbirn (seit 1998) Sharon Schneider (bis 1998) Manuela Stimpfl (bis 1998) Neben den bereits ausführlich dargestellten prinzipiellen Forderungen für die Mädchenarbeit in Vorarlberg geht es vorerst um Teilschritte in Hinblick auf die Gleichstellung. 4. Entwicklungsschritte für feministische Mädchenarbeit in Vorarlberg: Empfehlungen, Vorschläge, Erforderliche Maßnahmen Nur gezielte Planung schafft bessere Voraussetzungen für Mädchen in der offenen Jugendarbeit. Bei der Förderung und Etablierung von Mädchenarbeit kann es nicht nur darum gehen, kurzfristige Projekte und Maßnahmen zu finanzieren, vielmehr bedarf es umfassender Veränderungen in der Jugendarbeit und Jugendpolitik. Unter der gesetzlich vorgegebenen Maßnahme der Aufhebung der MädchenDiskriminierung werden folgende Empfehlungen vorgeschlagen: 1. Jugendpolitik 1. Auf allen Ebenen feministische Mädchenarbeit als qualitative Arbeit anerkennen und nicht als Spaltung der Geschlechter mißverstehen. 2. Im Landesjugendreferat soll die Förderung und Finanzierung von Mädchenarbeit und Jungenarbeit ausgeglichen sein. Die finanzielle Förderung von Gruppen, Projekten, Vereinen und Einrichtungen soll darauf bedacht sein, daß Mädchen und Buben davon in gleichem Maße profitieren. 3. In den Städten und Gemeinden sollen JugendreferentInnen sich dafür einsetzen, daß Mädchen und Jungen von der Jugendförderung gleichermaßen profitieren. Eine Mädchenbeauftragten-Stelle könnte spezifische strukturelle Förderungen für Mädchen implementieren. 4. In der offenen Jugendarbeit soll eine starke Beteiligung von Frauen auf der Leitungsebene gefördert und abgesichert werden. Die Anerkennung der Wichtigkeit von feministischer Mädchenarbeit und geschlechtssensibler Jungenarbeit ist eine Voraussetzung dafür. 47 5. Finanzielle Absicherung der vorhandenen Mädchenprojekte und Mädchenzentren Einrichtungen zur kontinuierlichen Mädchenarbeit schaffen und erhalten neben der Förderung von Mädcheninitiativen und – projekten. 6. Maßnahmen gegen Übergriffe und Gewalt (von verbaler Diskriminierung bis zu sexueller Gewalt) in Schulen, in Jugendhäusern, in Jugendtreffs und auf allen weiteren Ebenen 7. Berücksichtigung mädchenspezifischer Bedürfnisse bei Umbauten oder Planung neuer Jugendzentren und anderen Einrichtungen 2. Vereinsebene (Träger): 8. In jedem Team sollten Fachfrauen für feministische Mädchenarbeit angestellt werden. 9. Geschlechtssensible Jugendarbeit als Auftrag des Trägervereins an die Teams 10. Mädchenarbeit als prinzipielles Arbeitsfeld anerkennen und mehr Raum- und Zeitressourcen für Mädchenarbeit zur Verfügung stellen 11. Prinzipielles Hinterfragen von Praktiken in der offenen Jugendarbeit, da in ihnen die traditionellen Geschlechtsrollenstereotype noch vorhanden sind 3. Teamebene 12. Weiterbildung für Frauen und Männer der Teams in der Jugendarbeit, um eine Sensibilisierung, Reflexionsbereitschaft und mehr Verständnis für Mädchen- und Jungenarbeit zu erlangen. 13. Erweiterung der fachlichen Methoden und Kompetenzen zu geschlechtssensibler Pädagogik für alle MitarbeiterInnen in der Offenen Jugendarbeit 14. Auseinandersetzung des Teams mit der eigenen Teamstruktur, insbesondere was Funktionen, Rollen und Aufgabenverteilung betrifft. 15. In allen Hausordnungen der Jugendeinrichtungen soll auf Konsequenzen von verbalen und tätlichen Übergriffen hingewiesen werden 16. Maßnahmen zur Gewaltprophylaxe in Jugendzentren, Jugendtreffs etc. 17. Bei der Öffentlichkeitsarbeit (Aussendungen, Plakate, Flyer etc.) sollen Mädchen direkt angesprochen werden. Dies ist mit weiblicher Sprachform und mit 48 geeignetem Bildmaterial, indem Mädchen als eigenständige Subjekte repräsentiert sind, möglich. 18. Spezifische Förderung von Mädchen und jungen Frauen aus anderen Herkunftsländern 19. Angebote für Mädchen-Selbstverteidigung müssen von Fachfrauen, die dafür eine spezifische Ausbildung haben, angeboten werden. 20. Angebote für Outdooraktivitäten sollen von Fachfrauen durchgeführt werden 49 5. Anlaufstellen für Mädchen in Vorarlberg: AMAzone Autonomes Mädchenzentrum Kirchstraße 6900 Verein Kecke Quecke Kirchstraße 6900 Dachverband der Vorarlberger Kommunikations- und FreizeitZentren 05576/72018 Offene Jugendarbeit Dornbirn 05572/27796 Offene Jugendarbeit Feldkirch 05522/71141 Autonomes Juz Bregenz 05574/4439 Mädchenarbeit Jugendtreffs Hard 05574/74544 45801 Verein Selbstverteidigung, Postfach 295, 6800 Feldkirch Jugendberatung Mühletor, IfS , Schillerstr. 18,6800 F, 05522/76729 Anlaufstellen für Mädchen in Österreich: Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. MIM Mädchen im Mittelpunkt Hnr. 90 6181 Sellrain Verein MAFALDA 0316/3373000 Glacisstr.9/ | 8010 Graz Amandas Matz 0222/7185688 Engelsbergg. 4 1030 Wien MATADORA 0222/6659306 Triesterstr. 114/2 1100 Wien RADITA 0222/6650919 Triesterstr. 114 1100 Wien Sprungbrett 01/7894545-0 Pilgrimgasse 1150 22-24/Stiege1/Top1 Wien 50 05230/436 Insel - Mädchen- und Frauenzentrum Grubbachstr. 10 4840 07615/7626 Scharnstein Virginia Woolf 0222/4039810 Währingerstr. 59/6 1090 Wien Mädchenzentrum 0463/508821 Klagenfurt Alter Platz 30/1 9020 Klagenfurt 6. Vernetzung Die Vernetzung und Kooperation mit bestehenden Gruppierungen, Projekten und Einrichtungen hat eine zentrale Funktion in der Mädchen- und Jugendarbeit. Dabei geht es um die fachliche Einbindung der Mädchenarbeit in Vorarlberg in bestehende österreichische Netzwerke. Sunwork Triester Straße 114 1100 Wien Ansprechpartnerinnen: Lies Greußing, Karin Gruber Tel 0043 1- 667 20 13 [email protected] Netzwerk österreichischer Frauen-& Mädchenberatungsstellen Claudia Klimt-Weithaler 0316-8145 66 Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. 51 Literaturliste beiträge zur feministischen theorie und praxis: Berichte vom Kölner Kongress (Nov 78): "Feministische Theorie und Praxis in sozialen und pädagogischen Berufsfeldern", Heft 2, München, 1979 beiträge zur feministischen theorie und praxis: Mädchen zwischen patriarchalen Zuschreibungen und feministischen Ansprüchen, Heft 51, 22. Jg, Köln, 1999 BISCHOFF, Susanne (Hg.):....auf Bäume klettern ist politisch Texte aus der Feministischen Bewegungs- und Sportkultur Hamburg, 1993 Bundesministerin für Frauenfragen: Frauen und Schule Wien, 1995 Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie in Zusammenarbeit mit dem Verein efeu: Plattform gegen die Gewalt in der Familie: "Gewaltprävention durch Mädchen- und Bubenarbeit in der außerschulischen Jugendarbeit" Wien, 1996 COURAGE, Sonderheft 4 "Mädchen", 3. Jg, Köln,1981 DEVIME, Ruth, ROLLETT, Ilse: Mädchen bevorzugt Feministische Beiträge zur Mädchenbildung und Mädchenpolitik Wien, 1994 Deutsches Jugendinstitut: Jugendarbeit – Mädchen in der Jugendarbeit – Gewerkschaftliche Jugendbildung. Materialien zum 5. Jugendbericht Verlag Deutsches Jugendinstitut München, 1980, S 81-96 ENDERS-DRAGÄSSER, Uta, FUCHS, Claudia 1989: „Interaktionen der Geschlechter. Sexismusstrukturen in der Schule. 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Cheryl Benard, Edith Schlaffer Magistrat der Stadt Wien, MA 57 Wien, 1997 FRAUENBÜRO der Stadt Wien (Hg.): Fachtagung: Geschlechtssensible Pädagogik, Mädchen- und Bubenarbeit in Wien: Koedukation Tagungskokumentation 24. 10. 1997 in Wien GERSTENDÖRFER, Monika: "Aufklärung als Zurichtung oder Wo bitte geht`s hier zum Patriarchat? Eine "progressive" Aufklärungsbroschüre für Mädchen", in: beiträge zur feministische theorie und praxis: eigen sinn lich: Sexualität und Feminismus, 20. 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Juni 1993 Schulheft 19, von beruf - frau Scheinwahl Karriere oder Kind Interviews mit Johanna Dohnal und Herta Haider Vom Stricken und Hämmern, vom Bauen und Nähen Wien, 54 Frauen und Schule, Schriftenreihe der Bundesministerin, Bd 5 Medienbegleitheft zur Projektdokumentation „Von der Geschlechterhierarchie zur Geschlechterdemokratie“, 2.te österr. Frau & Schule Tagung, zusammengestellt von Roswitha Tschenett Konzepte: Ag Feministische Mädchenarbeit des Vereins Jugendzentren der Stadt Wien (Hg): Feministische Mädchenarbeit – Konzept, Wien, Oktober 1997 MIM – Mädchen im Mittelpunkt, Koordinationsstelle: Konzept 1998, Gertraud Waldner, Sellrain bei Innsbruck Irene Fähndrich: Konzept für das Projekt „Mädchenzentrum Linz“, Verein Jugend und Freizeit, wissenschaftliche Begleitung: Marth, April 1997 Tagungsberichte, Dokumentationen: Tagungsbericht „Mädchen im öffentlichen Raum“ 26. Juni 98 in Feldkirch, veranstaltet von der Stelle für Gemeinwesenarbeit, Ulrike Furtenbach, IFS Feldkirch Tagungsbericht der 6. Gesamtösterreichischen Feministischen Mädchenarbeit 1990, Innsbruck (25. –27.5.1990) Sonstige Materialien: Fachgruppe Feministische Mädchenarbeit Vorarlberg: Unterlagen für Pressegespräch am 26.5.1998 Unveröffentlichte Manuskripte von Mitarbeiterinnen der Jugendzentren, Jugendtreffs, Mädchenprojekte, Mädchenzentrum 55